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danijelle Volljährigkeit geprüft
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es gibt viele Menschen die über mich urteilen, aber nur wenige Menschen die mich wirklich kennen (Michael Schumacher)

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  Sunday morning coming down Datum:26.02.07 09:12 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo ihrs, Hallo an alle Medizinmänner und Frauen,

ich wollte ursprünglich einfach mal wieder auf, wie ich finde eine der genialsten Geschichten im www. was medizinische Fesseln usw. anbetrifft, nämlich auf die Story von Carla --> Sunday morning coming down aufmerksam machen. Jetzt hab ich sie blödsinigerweise als ich sie aus den Damengeschichten hierher kopieren wollte gelöscht, hab sie aber noch auf meiner Festplatte und deshalb nochmal eingestellt.

Wie gesagt eine der besten Geschichten, natürlich meine subjektive Meinung, aber ich finde lesen bis zum Schluss rentiert sich auf alle Fälle

Gruss
Daniela







Sunday mornin´ comin´ down


On the Sunday morning sidewalk,
Wishing, Lord, that I was stoned.
´Cos there´s something in a Sunday,
Makes a body feel alone.
And there´s nothin´ short of dyin´,
Half as lonesome as the sound,
On the sleepin´ city sidewalks:
Sunday mornin´ comin´ down.
Kris Kristofferson

Teil 1

Einstein zieht kräftig an der Leine und es fällt mir schwer mit ihm Schritt zu halten, wenn ich doch nur seine Freude, seinen Übermut teilen könnte. Gassi mit Frauchen ist das Höchste seiner Gefühle, zumindest nach Schlafen und einem immervollen Napf. Frauchen geht es aber schlecht nach einer vollkommen versumpften Nacht und fühlt sich wie ausgekotzt. Selbst eine Viertelstunde unter der heißkalten Dusche war nicht ausreichend mir wieder etwas Leben zurückzugeben. So lasse ich ihn mich führen und trotte ziellos hinter ihm her. Trotz grau verhangenem Himmel fühle ich mich geblendet und nestele in meine Rucksack nach meiner Sonnenbrille. Das ist schon viel besser. Jetzt erst nehme ich den Nieselregen wahr.

Ich ziehe die Kapuze meines Sweatshirts über die noch immer nassen Haare und werde in den Park geführt, Einsteins Paradies. Hier gibt es viel zu schnuffeln und zu gucken und die Chance ist hier am größten einem Weibchen so richtig zu imponieren.

Jetzt habe ich schon ein so tolles Exemplar mit ausgeprägtem Jagdinstinkt, der keinen Hehl daraus macht zu offenbaren, wie Männer ticken, aber viel schlauer bin ich aus diesen Beobachtungen nicht geworden. Im Gegenteil, mit ansteigender Erfahrungskurve, verlaufen meine Beziehungen immer chaotischer, das einzige gemeinsame, ist die Wahllosigkeit mit der ich die Typen meiner Begierde aussuche, gekoppelt mit absteigendem Niveau. Wie soll sich da auch der Kick, nachdem ich mich sehne, einstellen? Am falschen Platz, zur falschen Zeit, nach vier Prosecco und einer undefinierbaren Menge Red Bull Vodka, den falschen Kerl, der mich mit dem falschen Spruch im falschen Bett aufwachen lässt. Selbst wenn es mein eigenes wie letzte Nacht ist. Wenigstens habe ich mit das Talent des schnellen Abgangs angeeignet.

Der Nieselregen hat Potential und zeigt sein Talent als handfester Landregen. Mein Kapuzenpulli beginnt die Nässe aufzusaugen und auch durch meine Jeans dringt die erste Feuchtigkeit. Selbständigkeit hat ihren Preis, ich denke wehmütig an die Zeiten zurück, als meine Mutter es sich nicht nehmen ließ, jedes Mal, bevor ich das Haus verließ, zu überprüfen, ob ich auch anständig angezogen bin. Nicht, dass sie mir bei der Wahl meines Outfits großartig hereinredete, sondern es geschah in wohlmeinender Fürsorge.
Im Winter drapierte sie mir den langen, selbstgestrickten Schal nochmals um den Hals, bei Regen rückte sie die Kapuze meine gelben Regenmantels zurecht, zog den Reißverschluss noch ein paar Millimeter hoch und band das Schleifchen neu, um mich dann in die raue Wirklichkeit zu entlassen, nicht ohne mir nochmals über den so beschützten Kopf zu streicheln.

Fast trotzig überprüfe ich den Sitz meiner Kapuze, ein paar Strähnen waren herausgerutscht. Ein kräftiger Zug an der Leine reißt mich aus den Erinnerungen.

Wir haben die Hundewiese erreicht, die erwartungsgemäß menschen- und hundeleer war, was allerdings Einstein nicht weiter kümmert. Hier kann er sich austoben, frei herumtollen und vielleicht läuft ihm als besonderer Leckerbissen noch ein Kaninchen in die Quere. Und auch mein Refugium ist immer noch an seinem Platz, ein kleiner weißer Holzpavillon ausgestattet mit einer Parkbank, einem kleinen Tisch und einem Papierkorb.
Sicher hat er schon besser Zeiten gesehen, die Farbe ist an vielen Stellen abgeblättert und an den wenigen größeren Flächen sind die Inschriften , von mehr oder minder Verliebten, aber auch Vandalen zu sehen. Trotz der herumwuchernden Brennnesseln und des mit Löwenzahn bedeckten Bodens ist das seit Jahren mein Lieblingsplatz, ja seit ich denken kann und es wäre mir unvorstellbar diesen Park mit dem Pavillon missen müssen.
Das Dach ist nur leidlich dicht und wurde vor geraumer Zeit mit Wellpappe aufgebessert, an die sich bereits etwas Moos angesetzt hat, trotzdem auch schon erste Löcher aufweist, durch die das Regenwasser auf den Boden plätschert. Aber die Bank ist glücklicherweise trocken und wirkt geradezu einladend. Ich bin müde, fühle mich leer und unwohl in dem durchnässten Kapuzenpulli, es fröstelt mich, die feuchten Jeans tragen weiteres dazu bei.

Ich beobachte Einstein beim Herumtollen, der aufkommende Wind spielt in den Baumwipfeln, eine beruhigende Komposition aus Rauschen, dem Geplätschere des Regens und gelegentlichen Vogelstimmen, aus dem in der Ferne liegenden Tiergehege dringt gelegentlich das Gemeckere der Ziegen und Schafgeblöke zu mir herüber. Mir fallen die Augen zu und meine Gedanken beginnen zu schweifen.

Schon als kleines Mädchen hat mich diese Platz magisch angezogen und ich nutzte den sonntäglichen Spaziergang um mich in meinem verwunschenen Schloss als Prinzessin zu fühlen, die sehnsüchtig auf ihren Prinzen wartet der in schimmernder Rüstung auf den Pavillon zugeritten kommt und mich errettet, später war es das überdimensionierte Puppenhaus für mich und meine Freundin Anne, in dem wir mit Sandförmchen unsere ersten hausfraulichen Tätigkeiten übten, ich habe hier sämtliche Internatsromane, derer ich in der Bibliothek habhaft werden konnte gelesen und mit roten Backen meine Bekanntschaft mit der „Bravo“ und vor allem „Bravo Girl“ gemacht, heimlich natürlich, obwohl meine Eltern mir die Hefte auch gekauft hätte, aber die Heimlichkeit war ja das Aufregende dabei. Und so wurde es immer mehr der Ort der Heimlichkeiten, der Fantasien.

Wie oft hatten Anne und ich hier das Wachstum unserer Brüste verglichen, ein Vergleich, bei der ich immer die Unterlegene war, obwohl Anne über B-Körbchen auch nicht herausgekommen ist, dafür war ich diejenige, die stolz über die erste Schambehaarung und die erste Periode verfügte. Wir übten hier die Choreographie für die ersten Tänze, den Zungenkuss und das Streicheln. Eine wunderschöne harmonische und aufregende Zeit, in der wir uns ausmalten, wie der Mann sein sollte, mit dem wir unser leben teilen und uns vorstellten, ihm alles zu geben. Wir konnten nicht abwarten bis es so weit war und wiederum war ich die erste, die einen Freund hatte, Roland, den Casanova, den Frauenschwarm, den Herzensbrecher.

Er war all das, vor dem wohlmeinende Eltern warnten und da sie damit Recht hatten, machte ihn noch begehrenswerter. Wir gingen drei Wochen zusammen, verbrachten viel heiße Stunden in meinem Pavillon, dann entjungferte er mich und wandte sich am nächsten Tag von mir ab und Anne zu. Zu schüchtern, zu prüde, zu sehr graue Maus, zu kleine Titten erklärte er ihr, was sie zu Höchstleistungen antrieb, aber auch nichts half. Er zog weiter und weiter, aber wir hatten nie den Kontakt verloren, auch wenn er zunehmend seltener wurde. Ein Prince Charming, dem niemand böse sein konnte. Ich merke trotzdem, dass ich an dieser Niederlage noch zu knabbern habe und die Erinnerung mich erregt, weit mehr als alles andere, was ich danach erlebt habe und das war reichlich.

Das Blubbern meines Handy reißt mich aus meinen Wachträumen und zeigt mir das Eintreffen einer SMS an. Einstein ist glücklicherweise noch in Sichtweite, der Vorteil eines Hundes, der sich selbst mit wachsender Ausdauer beschäftigen kann. „Bringst Du 12 Brötchen und vier Croissants zum Frühstück mit“ lautet die krypische Message um 10:03.

Ich kombiniere: Meine Freundin Barbara ist auch schon nach Hause gekommen und wir haben zwei Gäste. Es gibt Frühstück, Kaffee, Orangensaft, Eier und was fehlt, bringe ich noch mit. Mir ist zwar noch etwas schlecht, aber bei dem Gedanken an frischen Kaffee werde ich schlagartig hellwach. Um halb elf schließt die Bäckerei, also ist Schluss mit Träumen und auch Schluss für Einstein mit dem Herumtollen, sondern es ist wieder Leine angesagt. Mir schmerzen alle Knochen, aber jetzt nicht schwächeln, sondern ab zur Bäckerei Brommer. Ein letzter wehmütiger Blick zurück auf mein Pavillon und dann, ohne Zeit zu verlieren, gehen wir Brötchen kaufen.

Teil 2

Warum Studentinnen grundsätzlich Wohnungen im fünften Stock von Altbauten ohne Fahrstuhl bekommen, wird mir immer ein Rätsel bleiben, aber warum soll es uns besser gehen wie den anderen ? Gegen dieses Treppenhaus wirkt mein Pavillon wie das Adlon. Immerhin geschafft, etwas atemlos und bevor ich den Schlüssel einstecken kann, öffnet die Tür. O menno, mir bleibt auch wirklich nichts erspart, Torsten, und was will denn der jetzt hier ? Torsten ist eine Miniaturausgabe von Atze Schröder, allerdings in echt und trotzdem noch schlechter und er hat nichts besseres zu tun als mir seine bebrillte Fratze ins Gesicht zu drücken und mir auf den Mund zu küssen. Ieehh, wie ekelig, wie kommt der denn dazu ?


Ich drehe meine Kopf zur Seite und schiebe ihn weg. Torsten wirkt überrascht und mustert mich von oben nach unten: “Wie bist denn Du drauf ? Das ganze habe ich von gestern nacht aber anders in Erinnerung. Da konntest Du nicht genug bekommen.“ Was, ich mit Torsten ? Der war das also ? Das ist jetzt unterirdisch. Ich drängle mich an ihm vorbei ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, stolpere über einen der gelben Säcke, die in unserem Hausflur der Entsorgung harren und mir wurde schlagartig klar, das dieser Sonntag nicht die Aussicht hat mein Tag zu werden. Einstein hat als kluger Hund die Situation sofort erfasst und ist schnurstracks in Richtung meines Zimmers marschiert und wartet dort mit wedelndem Schwanz in freudiger Erwartung der anstehenden Tränkung und Fütterung.


Torsten ist mir gefolgt und legt sein Arme um meine Hüften. Er riecht so nach Rauch und Alkohol, dass ich zu Würgen beginnen. „Lass mal gut sein, Torsten, und mich erst ankommen, Einstein füttern, mich noch mal duschen, was Trocknes anziehen. Das kann doch ein Männerhirn verstehen, oder ?“ „Ich liebe Dich auch so wie Du bist“ war die Antwort, in der unverhohlene Geilheit deutlich herauszuhören war. Trotzdem ließ er ab und bewegt seinen Hintern Richtung Wohnküche. Ich öffnete Einstein die Zimmertür, lasse ihn hineinhuschen und folge Torsten, um zumindest Barbara zu begrüßen und die Brötchen abzuliefern.

Barbara ist gerade dabei zwei weitere Gedecke auf den Tisch zu stellen.
Mein Gott, ist die schon wieder aufgebrezelt. Wir haben Sonntag, es ist kurz vor 11 und die Gnädigste sieht aus als wollte sie in die Oper. „Feucht draußen ?“ war ihre grinsende Begrüßung. An der Schrankwand lehnend eine mir gar wohlbekannte Gestalt: „Die China-Lilly bringt uns Brötchen. Das finde ich jetzt ausgesprochen nett.“ Natürlich Roland, wer sonst, wenn es mal richtig daneben gehen soll. Umwerfendes Styling, Alter. Blauer Konfirmandenanzug mit grünem Parka und die spitzen schwarzen Schuhe, natürlich auf Hochglanz poliert. Bei dieser Papageienkrawatte macht die von einer deiner Gespielinnen liebevoll aufgestickte Südstaatenflagge am Ärmel auch nichts mehr kaputt. Damit wäre allerdings die nicht gestellte Frage, was mein verflossener Schwarm jetzt bei uns macht, noch nicht beantwortet. Allerdings auch nicht die Frage, warum ich angesichts seiner Anwesenheit puterrot anlaufe.

Barbara und ich tauschen das obligatorische Begrüßungsküsschen aus, was sicherlich für den außenstehenden Betrachter ein seltsam anmutendes Bild ergab. Sie wird nicht umsonst von gehässigen Mäulern Brunhilde oder gar Barockhure genannt und jetzt im schwarzen Abendkleid, die wohlgeformten 80 Kilo auf mehr als einen Meter achtzig verteilt, die langen blonden Haare mit einer goldenen Spange gehalten, stellt sie den absoluten Kontrast zu mir durchweichten Mäuschen dar. Ich habe immer noch die Kapuze meines vollkommen durchweichten Sweatshirts auf dem Kopf und auch die Sonnenbrille noch nicht abgezogen, ganz abgesehen davon, dass ich gute 15 Zentimeter kleiner bin und mit meinen Boots schon gar keinen Ausgleich zu ihren Stöckels hinbekomme.

Durchatmen, die Situation bekomme ich auch wieder in den Griff und greife mir aus dem Vorratsschrank die große Pedigree® Dose mit Rind, Gemüse & Nudeln, greife mir Fress- und Wassernapf und schicke mich an diesen Ort des Grauens zu verlassen. Zu Torsten gewandt noch eine schnelle Botschaft, um die Fronten zu klären: „Presse mal ein paar Orangen aus oder kannst du das auch nicht ?“ Bevor ich diesen Triumph auskosten kann, bringt mich Barbara auf den Boden der Tatsachen zurück. „Du frühstückst doch sicherlich mit, Tinamäuschen. Anne und der Rüssel werden auch gleich da sein.“ Treffer. Dann wären wir ja komplett.

Zwei Ex-Lover der peinlicheren Art und dazu noch jemand, der sich so gebärdet, als wäre ich ihm schon weitaus näher gekommen, meine Busenfreundin Anne und natürlich Barbara, deren immerwährende gute Laune nicht gerade ansteckend auf mich wirkt. „Toll“ grummle ich, „ aber erst brauche ich ein warmes Pflegebad und was Frisches zum Anziehen. Außerdem ist jetzt Einstein dran. Ihr könnt schon einmal anfangen, ich komme später dazu.“ Das wurde untermalt mit einem kleinen Blitzlichtgewitter, Torsten und Roland scheinen großes Interesse daran zu haben, mich als begossenen Pudel auf der Festplatte zu archivieren.

Abgang.




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  RE: Sunday morning coming down Datum:26.02.07 09:13 IP: gespeichert Moderator melden


Teil 3

Was gibt es Schöneres für einen braven Hund als zu erahnen, dass es gleich etwas zum Mampfen gibt. Es wird lediglich durch die Einnahme der Mahlzeit übertroffen und so verwundert es mich nicht, nachdem ich mit dem Ellbogen die Türklinke heruntergedrückt habe, dass er mich beinahe mit seinem Kampfgewicht von 40 Kilo umwirft. Schnell den Napf gefüllt , aus dem Bad etwas Wasser geholt und zumindest einer in meinem Zimmer ist zufrieden, allerdings bin das leider nicht ich.

Jetzt erst mal runter mit den nassen Klamotten und rein in den in den lenorgespülten Frotee-Bademantel. Selbst durch Sweatshirt und BH war die Feuchtigkeit gedrungen. Ich werde mir eine handfeste Erkältung holen und rubbele mir mit eine Handtuch die Haare trocken. Dabei stell ich zu meinem Entsetzen fest, dass die Spitzen erste Anzeichen von Spliss haben. Also gleich nächste Woche mit Aishe eine Termin vereinbaren, sonst sind vier Jahre Pflege und Züchtung für lange Zeit verloren.

Und wenn ich schon bei der Planung bin, mein Zimmer hat mehr als eine Generalreinigung nötig. Ohne Sonnenbrille wird das noch um einiges deutlicher. Während Einstein zufrieden vor sich hinschmatzt, versuche ich den gestrigen Abend zu rekonstruieren. Die Indizien sind eindeutig. Ein Rucksack mit dem Aufdruck „Autohaus-Schwäble“ weist auf Torsten hin.
Immerhin wäre damit der gesellschaftliche Aufstieg garantiert. Schwäbles sind mit ihrem Nobelkarossenvertrieb mehr als gestopft und spielen in der ersten Liga der Stadt, auch wenn die Familie etwas geheimnisumwittert ist. Ich gebe nichts auf Gerüchte, Torsten zumindest ist ein kompletter Vollidiot, ein Angeber, ein Versager, eine Null. Nur weil er immer Bündel von Geld einstecken hat, glaubt er jede herumzukriegen.

Aber mich auch ? Alles spricht dafür. Ich identifiziere vor dem bett ein Kondom. Schwarz, natürlich. Glücklicherweise ohne Noppen, aber das hätte ich ihm auch noch zugetraut. Schnell ein Griff in die Tempo-Box und das Ding evakuieren. Immerhin, zumindest er ist gekommen und ein Blick in den Papierkorb überzeugt mich, dass es nicht nur einmal war. Na dann, das erklärt zumindest seine Aufdringlichkeit. Hätte ich heute morgen bevor ich das Haus verlassen habe genauer hingeschaut, wer da besinnungslos vor sich hinschnarcht, wäre ich zumindest vorgewarnt gewesen. Gut, jetzt kann ich es auch nicht mehr ändern, vielleicht hat er schon gespürt, dass ich hin und weg bin, dass er hier immer noch den Sauerstoff verbraucht.

Abwechslung in diese düsteren Gedanken wird durch den schrottigen Sound unserer Hausklingel gebracht. Lautes Hallo auf dem Flur, Gelächter, die üblichen Floskeln und schon wird meine Tür aufgerissen. Anne überfällt mich mit all ihrem Liebreiz und busselt mich ab. Was ist denn heute los ? Auch sie hat sich richtig in Schale geworfen, dunkelblaue Nappalederhose und weiße Bluse und dazu eine grauen Blazer, ich tippe mal auf Windsor. Sie hatte so was letztens erwähnt. Der überwältigenden Duft ihres „Opium“ raubt mir schier den Atem. Das hatte mir Rüssel auch gleich geschenkt, mit den Worten, dass es ihn vollkommen antörnt.

Männer können so romantisch sein. Bei Anne ging das ziemlich schnell, wenn ich mich richtig erinnere, sind sie jetzt gerade mal zwei Wochen zusammen. Bei mir hatte er vier Wochen gebraucht und ist mit sechs Monaten immer noch mein All-Time Beziehungsrekord. Allerdings ist das doch nicht so verwunderlich, wir hatten uns nur am Wochenende gesehen, da er einen Studienplatz in Stuttgart gewonnen hatte. Aber er scheint Anne gut zu tun, sie sieht zumindest aus wie das blühende Leben.

„Ich habe Dir auch was mitgebracht“ strahlt sie mich an und zieht aus ihrem Maltersack ein rechteckiges Geschenk, wie immer von ihr liebevoll verpackt. Da vertraut sie keinem Buchhändler. Ich bin wirklich gerührt und gebe ihr eine dicken Schmatz. Da ich kein großes Talent fürs Auspacken habe und auch das Geschenkpapier nicht wiederverwenden will, reiße ich es in Vorfreude auf. Endlich mal wieder Lesestoff für die Badewanne. „Simplify your life“. Mich trifft der Schlag - und das will meine beste Freundin sein. Simpler als ich lebe geht doch gar nicht. Die Simpelei hat doch vor wenigen Stunden mit Torsten einen neuen Höhepunkt erreicht. Trotzdem drücke ich mir ein gerührtes „Das kann ich sicherlich gut gebrauchen. Es ist so lieb von dir, dass Du immer an mich denkst."

Anne lacht zufrieden. Sie hat meinen fatalen Hang zum Zynismus immer noch nicht durchschaut. „Ich habe gewusst, dass es Dir gefallen wird. Mit hat es auch sehr geholfen Ich geh jetzt mal wieder zu den anderen. Du wirst ja noch etwas Zeit brauchen.“ Eigentlich brauche ich jetzt erst mal eine Schluck Sekt und so richtig scheint ihr das buch auch nicht geholfen zu haben, sonst hätte sie sich längst von Rüssel getrennt.

Aus der Küche dringt lautes Lachen. Roland und Rüssel sind mal wieder in Hochform. Hoffentlich lassen sie meinen Aldi-Champagner in Ruhe. Wenigstens ist die Musik nicht allzu anstrengend, das würden meine Nerven nicht verkraften, aber so ein Ambient-Geblubbere kann ich gerade noch so ertragen.

Badewannenzeit. Der Vorteil unserer Altbauwohnung liegt nicht nur darin, dass man sehr viel Wohnraum für kleines Geld bekommt, nein, wir haben sogar getrennte Dusche und Badewanne und eine separate Gästetoilette. Ich freue mich auf mein Windrosenschaumbad und habe jetzt mindestens eine ungestörte Stunde, in der ich überlegen kann, was ich anziehen will. So direkt gibt es nichts in meinem Kleiderschrank, was mich gerade anspringt und was dieser Gesellschaft angemessen ist und nicht bei Torsten zu weiteren Irrtümern führt.


Teil 4

Für das uneingeschränkte Wohlfühlerlebnis in der Badewanne ist für mich außer Lesestoff, kaltem Cola, Aschenbecher und Ziggis, dem Windrosenschaumbad mein aufblasbares Kopfpolster aus rotem Gummi unabdingbar. Ich hatte es bei einer gedankenverlorenen Schlenderei im Schaufenster eines Sanitätshaus gesehen und fand es so abgrundtief retro, dass ich es mir nach einigem Zögern unbedingt zulegen musste. Es hat eine ganz besonders Ausstrahlung für mich ein wohliges Gefühl von Geborgenheit mit einem geheimen erotischen Reiz und so ist es auch kein Bestandteil des gemeinsamen Haushalts, sondern meiner Privatsphäre.

Während ich das Wasser einlaufen lasse, steht mir noch der schwierigste Gang bevor, mein Cola aus der Höhle des Grauens zu evakuieren, ohne mich dabei von meinem Vorhaben abbringen zu lassen mir jetzt erst mal eine Auszeit zu gönnen. Schon blöd, wenn man in seiner eigenen Wohnung nicht tun und lassen kann was einem einfällt und ich verspüre starke Abwehr in mir, aber das Cola war mir jetzt wichtiger. Die Stimmung in der Küche wird an dem erkennbar ansteigenden Geräuschspegel erkennbar zusehends besser und die Frequenz der Lachsalven immer kürzer. Kaum habe ich die Küchentürgeöffnet erstirbt das Gespräch zuerst für ein paar Sekunden, was mit einem befreienden Gelächter quittiert wurde. „Na, China-Lilly, schon wieder wach oder geht es jetzt erst mal Heia. Hätte ich dem Torsten kann nicht zugetraut, dass er dich so schafft ?“ „Och Roland, rutsch mir doch den Buckel runter“. Ich reiße die Kühlschranktür auf, schnappe mir die Colaflasche und ein glas und zieh die Tür wieder hinter mir zu. Puuhh, geschafft. Das Wasser ist auch zu einer ausreichenden Höhe in einer angenehmen Temperatur angestiegen, ich blase noch schnell mein Schmusekissen auf und befestige es, gieße mir ein Glas ein, lege die Ziggis, Aschenbecher und ein kleines Handtuch in Reichweite und schließe die Tür ab. Niemand wird mich jetzt stören. Das übermächtige Gefühl von trotziger Zufriedenheit durchläuft meinen Körper, als ich den Bademantel abstreife. Ich überprüfe im mannshohen Wandspiegel meine Figur, keine Fettpölsterchen, keine Orangenhaut, lediglich meine Brüste wirken, als müssten sie noch etwas wachsen, was allerdings mit 24 eher ausgeschlossen ist und ich bin ganz zufrieden damit , auch wenn mich das Gespöttel darüber schon stört.

Ich mache es mir im Schaumbad bequem, spiele etwas mit den Schaumblasen, die ich mir über den Brustwarzen verteile und sanft einmassiere und genieße das Gefühl, wie sie unter dem sanften streicheln meiner Finger hart werden. Ich lese noch ein paar Seiten im „Sakrileg“ dann fallen mir die Auge zu und die Traumengel entführen mich in meinen Pavillon.

Teil 5

Der Duft von feuchtem Gras legt sich über den mir liebgewordenen Gummigeruch meines Schmusekissens, die Ruhe des verlassenen Parks umschmeichelt mich. Jetzt gehen wir schon eine zeitlang nebeneinander her und Roland versucht mich unter Einsatz seines gesamten komödiantischen Geschicks zum Lachen zu bringen, aber eigentlich wollte er mir doch etwas ganz wichtiges erzählen. Ich habe Zeit und genieße einfach mit ihm allein zu sein. Ich fühle mich so erwachsen, dass er der Große, Erfahrene sich diese Zeit nimmt und mich in eine fast übermütige Stimmung bringt. Einstein tut sein weiteres dazu und springt unablässig an uns vorbei, um sich dann wieder nach hinten fallen zu lassen, als gehöre er nicht zu uns.

Was war es mir peinlich, als er mir vor eine halben Stunde über den Weg lief. Ich fühlte mich in meiner gelben Regenjacke und den blauen Gummistiefeln wie ein kleines Mädchen, das gerade ertappt wird, wo ich doch bisher versucht habe in seiner Anwesenheit besonders erwachsen und damenhaft zu wirken. Aber mein Outfit scheint ihn nicht weiter zu stören. Ich ertappe mich, wie ich unbewusst am meinen Reißverschluss herumspiele, an der Kapuzenkordel herumnestele, ich bin aufgeregt und wünsche, dass er den Arm um mich legt und mich ganz fest drückt und küsst. Aber danach scheint ihm doch nicht der Sinn zu stehen, zumindest zur Zeit nicht. Wir erreichen den weißen Pavillon und machen es uns auf der Bank gemütlich, er biete mir mit selbstverständlicher Geste eine Zigarette an, die ich genauso selbstverständlich nehme ,obwohl ich bisher nur drei- oder viermal gepafft habe.

Ob ich am Samstag beim Handball zuschauen will, selbst verständlich will ich das und dann streicht er mir über das Haar und führt seine Lippen an meinen Mund, ich schmelze, seine Lippen sind samtweich und ich spüre seine Zunge ihren Weg suchen, das ist komisch und ich muss lachen, er weicht ein Stück zurück und setzt nochmals von vorne an, es ist ein seltsames Gefühl die Zunge eines anderen Menschen im Mund zu haben. Aber es ist anders wie mit Anne, mein ganzer Körper kribbelt, seine Hand sucht den Reißerschluss meiner Regenjacke, bereitwillig öffne ich ihn, mir ist warm, aber ganz will ich diesen Schutz, diesen Panzer nicht aufgeben, aber es ist auch nicht notwendig, seine Hände bahnen ihren Weg unter meinem Unterhemd und Sweatshirt zu meinem BH, der keinen Widerstand mehr zu meinen Brüsten darstellt.

Lautes Geschrei aus dem Hausflur reißt mich aus meine Träumen. Es ist Anne: “Ohne mich, ihr Arschlöcher. Das ist immerhin meine beste Freundin. Rüssel, das hätte ich nie von Dir gedacht. Ich gehe jetzt und wehe es ruft mich einer an und Rüssel, Du schon gar nicht. Ihr seid die letzten Schweine.“ Mit lautem Krachen fällt die Tür ins Schloss. Aber sie scheint mit diesem Abgang nicht den Eindruck verschafft zu haben, den sie sich anscheinend erhofft hatte, denn lautes Gröhlen und Gegackere war die Folge. Man scheint sich zu amüsieren. Ich lehne mich wieder auf mein Schmusekissen zurück und atme den Duft aus Wildrose und Gummi ein.

Doch die Neugierde lässt mich keine Ruhe mehr finden, ich muss gleich Anne anrufen um zu wissen was los ist, habe aber dummerweise mein Handy noch in meinem Rucksack. Ich entschließe mich abzubrausen und zu schauen, was da jetzt los war. So wütend habe ich Anne noch nie erlebt. Nur mit Bademantel bekleidet, husche ich in mein Zimmer. Mein Rucksack ist weg. Das kann doch nicht wahr sein. Nein, nicht wegen dem Handy, sondern es ist auch mein Tagebuch darin.

Jetzt brauche ich keine große Fantasie mehr mir zusammenzureimen, was los ist. Ich stürze in Richtung Küche und vernehme Rolands fast sich überschlagende Stimme: „Jetzt müsste gleich die Stelle kommen, wo ich das erste Mal einen Stinkefinger bei ihr gemacht habe. Rüssel, lies Du es vor und Foto.“ Sie bekommen sich nicht mehr ein vor Lachen.

Ich zittere vor Wut und reiße die Tür auf.

[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von danijelle am 26.02.07 um 18:25 geändert




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Teil 6

„Frau Lieder will jetzt zu Ihrer Maltherapie“. Gierig ziehe ich noch einmal an der Zigarette, die Anne mir an die Lippen hält. Wieder wird es vierzehn Tage dauern, bis ich den beißenden Rauch inhalieren kann, der meine Lungen fast zerrisst, aber es die einzige Möglichkeit aus dem starren Korsett dieser Therapie auszubrechen. Glücklicherweise hat Schwester Maria heute Dienst, sie hat größeres Verständnis als die anderen, solange einigermaßen den Regeln eingehalten werden. Sie wendet sich Anne zu:“ Frau Lieder macht große Fortschritte und gerade die Maltherapie ist sehr hilfreich für sie. Mittlerweile kann sie schon ein ganzes Mandala ausmalen. Deswegen will sie auch keine Sekunde versäumen. Und da wir uns vorher saubermachen wollen, brauchen wir noch eine Viertelstunde. Nicht wahr Frau Lieder, sie benötigen sicherlich eine frische Windel ?“ Mit geübtem Griff an meiner Gummihose überprüft sie, ob ich mich wieder eingenässt habe. „Habe ich es mir doch gedacht.“

Ich will Anne etwas erklären, aber bei dem Versuch überhaupt ein Wort zu bilden, läuft mir erwartungsgemäß lediglich Speichel aus dem Mund. Anne ist das schon gewohnt und tupft mit dem bereitgehaltenen Tuch mein Mund trocken und auch die Spuren, die der Speichel auf meinem gummierten Flügelhemd hinterlassen haben. Sie sieht mir die Verzweiflung an, aber auch die Dankbarkeit, die ich empfinde, dass sie mich nicht hängen lässt. Sie streicht mir über die Haare oder viel mehr das was man mir davon übrig gelassen hat, immerhin dürften sie schon wieder auf einen Zentimeter nachgewachsen sein. Anne hat durchgesetzt, dass sie sich für die wöchentliche Besuchsstunde mit meinen Eltern abwechseln kann und nimmt dafür die über zweistündige Anfahrtszeit zur Klinik in Kauf.

Schwester Maria wird jetzt ungeduldig: “Frau Hartmann, sie können uns ja ein Stück noch begleiten, aber dann müssen sie von ihrer Freundin Abschied nehmen.“ Sie löst die Bremsen des Rollstuhls und schiebt mich in Richtung Klinik. Anne legt ihre Hand auf meine linke Hand, die wie auch die rechte von einem rotbraunen Gummisäckchen umschlossen ist und streichelt sie zärtlich während der gesamten Wegsstrecke. Mir steht das wasser in den Augen, da ich mir sicher sind, dass die letzten Monate auch für sie sehr hart waren und dass sie auch ihr menschenmöglichstes tut mich hier wieder herauszubekommen.

Glücklicherweise ist Einstein bei ihr in guten Händen. Wie gern würde ich ihn wiedersehen, aber Hunde sind in der Klinik strengstens verboten. Bei dem Gedanken ihn gar nicht mehr sehen zu können, denn er hat ja immerhin schon ein fortgeschrittenes Alter, bricht es aus mir heraus. Ich schluchze laut auf und wieder rinnt der Speichel mein Kinn herunter und tropft auf das Klinikhemd. Anne ist wieder mit dem Tuch zur Stelle. Diese Selbstverständlichkeit macht es mir leichter, am liebsten wäre es mir, wenn sie meine Betreuung ganz übernehmen würde, aber ich verwerfe diesen Gedanken als vollkommen absurd. Dazu müsste ich erst als geheilt entlassen sein und dagegen spricht alles.

Wir erreichen die Rampe am hinteren Eingang, Anne beugt sich zu mir herunter und gibt mir eine herzhaften Schmatz: „Stelle keine Dummheiten an, ich will in vierzehn Tagen keine Klagen von Schwester Maria hören. Kopf hoch. Auf Wiedersehen, Schwester Maria“. „Auf Wiedersehen, Frau Hartmann.“ Eine ganze Woche muss ich jetzt warten bis meine Eltern kommen und eine weitere Anne wiederzusehen.

Die Psychiatrische Klinik Tiefenthal ist eine der ersten forensischen Kliniken in freier Trägerschaft und landschaftlich wunderschön gelegen auf einer Anhöhe im Pfälzer Wald in einem hochmodernen Neubau untergebracht. Je nach Schwere der Erkrankung, gibt es eine Unterteilung in grüne, gelbe und rote Bereiche, die sich in der Farbgebung der jeweiligen Stationstür und auch in der Wahl der Bekleidung für die Patienten deutlich wird.

Ich zermartere mir seit meiner Einlieferung den Kopf, was ich hier zu suchen habe und das auch noch als besonders schwerer Fall, aber Professor Scheppers versucht diese Gedanken als Teil meiner Krankheit zu deuten. Immerhin handele es sich um eine krankhafte seelische Störung verbunden mit schwerer seelischer Abartigkeit, welche den Maßregelvollzug erforderlich mache. Die Anwälte und Sachverständigen der Familie Schwäble hatten ganze Arbeit geleistet. Ja, ich hatte Torsten mit dem Fleischmesser in den Arm gestochen, doch wollte ich ihn nicht umbringen, wie dieses verschworene Quartet unterstellt, sondern lediglich mein Tagebuch wieder und es war auch keine Suizidabsicht, als ich im Bademantel auf die Straße rannte, sondern ich wollte mein Tagebuch in Sicherheit bringen. Ich hatte bei dem Zusammenprall mit dem grauen Transporter auch nur eine Gehirnerschütterung und ein paar blaue Flecken davongetragen. Aber das interessierte in der Verhandlung niemand. Auf Grund der übereinstimmenden Zeugenaussagen des Männerterzetts plus Dame spielte das Tagebuch an diesem Sonntag überhaupt keine Rolle, und die Glaubwürdigkeit meiner Entlastungszeugin Anne wurde vollkommen erschüttert. Ich konnte sowieso sagen, was ich wollte, es wurde mit der von mehreren hochkarätigen Spezialisten diagnostizierte Schizophrenie erklärt.

Schwester Maria schließt die Gittertür meines Zuhauses auf.

Teil 7

Ich mag die Maltherapie. Ist sie doch eine der wenigen Gelegenheiten etwas selbständig zu machen, überhaupt etwas machen zu können, weil auch hier der Rahmen der Selbständigkeit durch Vorgaben stark eingeschränkt ist, aber immerhin kann ich meine Arme und Hände bewegen und vor allem andere Mitpatienten sehen. Der Malraum ist so groß wie mein ehemaliges Klassenzimmer und aus jeder Abteilung dürfen drei Patienten teilnehmen, deutlich unterscheidbar in Kleidung, aber auch in den Möglichkeiten sich künstlerisch zu betätigen. Der Grüne Status erscheint mir wie das Paradies, allerdings zur Zeit genauso unerreichbar.

Aber ich würde auch mal gerne einen Tag in fast normaler Kleidung verbringen, in grüner Baumwolllatzhose und dazu passender Arbeitsjacke mit Klinikaufdruck auf dem Rücken. Auch mit gelb könnte ich mich noch arrangieren, die Jacken sind ähnlich meiner Regenjacke, auch mit Kapuze ausgestattet und einer Latzhose aus dem gleichen weichen, aber festen Plastikmaterial. Dagegen wirken wir Roten richtig auffällig in unseren Gummiflügelhemden und wahlweise Kompressionstrümpfen oder diejenigen, die nicht im Rollstuhl sitzen, in Pyjamahosen aus dem gleichen Material. Wir sind auch die einzigen, die fixiert sind. Ich bekomme noch ein Lätzchen mit einer Auffangtasche umgebunden um den dauernd laufenden Speichel aufzufangen.

Ich bin mit den Gedanken nicht ganz bei der Sache, Annes Besuch steckt mir noch in den Knochen, aber ich reiße mich zusammen, da mir schon angedroht wurde, diesen auch zu streichen, wenn er mich so mitnimmt. Das Ausmalen von Mandalas mit Buntstiften ist ja so schwierig auch wieder nicht, aber anscheinend ist es hier eine höhere Wissenschaft, wo die Arbeitsergebnisse einer tiefgehende Analyse zwecks Farbwahl und Arbeitstechnik vorgenommen wird. Doktor Schweizer hat noch drei neue Praktikanten dabei, zwei Frauen und ein Mann, denen er ausführlich, dass jeweilige Krankheitsbild erklärt. Am Anfang habe ich noch neugierig den Geschichten über die anderen zugehört, mittlerweile interessiert es mich nicht mehr und ich konzentriere mich auf mein Bild. Verträgt sich rot neben blau, oder soll ich lieber gelb nehmen ? Ich entscheide mich für gelb, als die Gruppe bei mir angelangt ist.

„Frau Lieder ist jetzt drei Monate bei uns und leider verschlechtert sich ihr Zustand weiterhin. Wir sehen die gründe darin, dass sie keinerlei Schuldbewusstsein hat und sich gegen die Therapie wehrt. Obwohl sie organisch völlig gesund ist, rebelliert sie mit ihrem Körper, was zu einer temporären Lähmung und Gefühllosigkeit ab dem siebten Brustwirbel führt, aber auch zu größten Schwierigkeiten bei Schluck- und Kaubewegungen. Das sie auch keine Kontrolle über ihre Schließmuskel ausübt, sehen sie ja selbst. “ Er hebt das Hemd an und zeigt auf meine Gummihose.“

„Sie hat gleich nach ihrer Tat jegliche Nahrungsaufnahme verweigert und wird jetzt durch eine Magensonde ernährt“. Er hebt das Hemd noch ein Stück weiter an und zeigt auf den Eingang der PEG-Sonde.. „Ach, ist das schrecklich. Ich hätte nie gedacht, dass es so was gibt.“ entfährt es entsetzt einer der Studentinnen. Sie rückt ihr Halstuch zurecht, während sie Zustimmung heischend in die Runde schaut. „Da geht es mit unseren Problemchen richtig gut“. Das kann Dir jederzeit auch passieren, Du blöde Schnecke, denke ich. Du musst dazu nur die richtigen Leute kennen lernen, zum Beispiel den Sohn vom Schwäble oder Roland, den Womanizer, auch Barbara, die Barockhure, wird Dir gerne behilflich sein eine Spezialbehandlung zu erhalten zusammen mit Rüssel, ihrem gefügigen Assistenten. Anne hatte mir vorhin erzählt, dass die beiden jetzt ein Paar sind.

„ Frau Lieder verfügt über ein ausgeprägtes Gewaltpotential und ist aggressiv und renitent. Wir führen ihr mit der Nahrung stark sedierende Medikamente zu. Nur so ist es möglich, dass sie die Station verlassen und gelegentlich Besuch bekommen kann. „ Könnt ihr Euch vorstellen so zu leben ?“ plappert die Schnecke weiter. Sie ist hübsch, mit ihren Sommersprossen und den halblangen braunen Haaren und ihr Outfit gefällt mir bedeutend besser als meines, vermutlich hat sie es selbstgeschneidert. Der Minirock und dazu passende Bluse im Stil von Mondrian würde mir auch gefallen.

„Spare Dir dein Mitleid für jemand anderes auf, der das mehr verdient hat“ wirft der Schnösel im beigefarbenen Rollkragen-Pullover ein und steckt die Hände in die braune Breitcordhose. „ Das ist doch die Satanistin, die im Drogenrausch den Torsten Schwäble ermorden wollte. Sie soll sogar Anhängerin des Manson-Kults sein. Man hat bei ihr neben Drogen auch jede Menge einschlägige Bücher und Schallplatten gefunden. Die Zeitungen waren damals voll davon. Claudia, sieh es doch mal so: Jeder bekommt was er verdient.“ Schon das Gericht hatte erhebliche Probleme zwischen Charles und Marilyn Manson zu erscheinen, aber für die BILD war das eine Leckerbissen, wie auch die Restspuren von THC in meinem Blut sehr leiht zum Drogenrausch umgedeutet wurden. Wie allerdings das Kokain unter meine Matratze kam, entzieht sich meiner Kenntnis.

Claudia scheint einen Narren an mir gefressen zu haben: „Du weißt, dass ich das anders sehe. Dem Schwäble geht es wieder prächtig und er ist permanent auf Tour, von dem angeblichen Trauma ist nichts zu merken. Dahingegen ist dieser Zustand doch vollkommen würdelos. Da muss man doch was tun können ?“

„Ach Claudia, stell doch mal Dein Helfersyndrom ab. Ich sehe wie Mike, sie hat es nicht besser verdient und es ganz gut, dass sie jetzt keinen weiteren Schaden anrichten kann“ mischt sich jetzt auch noch die Giraffe neben ihr ein. Von den Beiden habe ich wohl während ihres Praktikums nichts Gutes zu erwarten, wenigstens Claudia scheint einigermaßen etwas in der Birne zu haben. Sie wendet sich an Doktor Schweizer. „Und wie sehen die Erfolgsaussichten aus ? Wird sie irgendwann ein normales Leben führen können ?“

„Das hängt vor allem von ihr selber ab. Noch lässt sie jegliche Kooperationsbereitschaft missen und die wenigen fortschritte, die wir erreicht haben, sind ausschließlich auf medikamentöser Basis. Aber wenn sie anfängt kräftig mitzuarbeiten sehe ich schon die Chance, dass sie in ein paar Jahren in einem betreuten Wohnen untergebracht werden und Arbeit in einer beschützenden Werkstatt finden kann. Aber derzeit sind keine Anzeichen zu erkennen.“

Die Gruppe zieht weiter zu Eva, die ebenfalls zu den Roten gehört, allerdings noch nicht lange in Tiefenthal ist, zumindest gehe ich davon aus. Eva ist an einem der in dem Boden eingelassenen Stühle mit einem breiten Leibgurt mit zusätzlicher Schulterhalterung fixiert, wenigstens kein Rollstuhl und Kompressionsstrümpfe, sondern die nicht minder elegante Pyjamahose aus dickem Gummi. Sie wirkt auf mich noch recht jung, höchstens zwanzig Jahre alt und soll mehrere Brandstiftungen auf dem Gewissen haben. Immerhin ist sie in der Lage zu sprechen, auch wenn das sehr schleppend ist. Ich vermute, dass sie unter starken Medikamenteneinfluss steht. Auch wurden ihr die langen Haare bisher gelassen, die zu einem Zopf geflochten nach oben gesteckt sind.

Mich strengt das Lauschen zu sehr an und wende mich meinem Bild zu. Anne hatte mir erzählt, dass über mich wochenlang die dubiosesten Geschichten in den Zeitungen zu finden waren, aber dann das Interesse der Medien verebbt ist. Ich bin unkonzentriert, fahrig und schmiede wirre Ausbruchspläne, die keiner realistischen Prüfung standhalten.


Teil 8

Schwester Maria hat mich wieder auf die Station zurückgebracht. Die helle Ausleuchtung in den Fluren schmerzt mir in den Augen. Ich hätte zu gerne meine Sonnenbrille wieder. Bis auf die immer präsenten Cowboys vom Sicherheitsdienst ist es wie ausgestorben. Belanglose Musik plätschert leise aus den Lautsprechern, die gegen das Quietschen der Gummireifen des Rollstuhls auf dem Plastikboden ankämpft. Schwester Maria ist heute nicht in Erzähllaune, ich zwar schon, aber ich versuche es schon gar nicht mehr.

Die Patientenzimmer unterscheiden sich von den übrigen Funktionsräumen durch die bis an die Decke angebrachten verchromten eng beieinanderstehenden Gitterstäbe mit dahinterliegender transparenter Panzerglaswand, die freien Einblick von außen in die Patientenzimmer lässt. Die erste Tür in der Gitterreihe kann Schwester Maria selbst mir einem Schlüssel öffnen.

Ich richte mich auf eine längere Wartezeit ein, weil zur Öffnung der in einer Panzerglaswand eingelassenen Tür ein zweiter Pfleger mit Codekarte notwendig ist. Ich bin die goldene Reiterin, denke ich bitter, und habe das ganz große Los gezogen hat. Dabei könnte ich ganz gut damit leben, wenn mir etwas weniger Aufmerksamkeit zu Teil werden würde. Das Quietschen von Gummisohlen kündigt die Verstärkung an, die diesmal sogar Im Doppelpack

Schwester Maria ist immer bemüht die Form zu bewahren und stellt mir die Herren vor. Das könnte sie sich allerdings schenken , denn die Herren tragen Namensschildchen und ich bin weder in der Lage Guten Tag zu sagen oder ihnen die Hand zu geben, außerdem sehe ich nicht ein, mir alle diese Namen zu merken. Das Lämpchen am Codeschluss blinkt grün und ich bin in meinem Domizil: Wohnen nach Wunsch Ein Duo für vier Wände - Enie van de Meiklokjes und Mark Kühler zeigen Ihnen, wie Sie sich mit Phantasie, Farbe und Geschick ein neues Zuhause schaffen....

Nein , nicht ganz. Mein Wohnzimmer zeichnet sich durch High-Tech im funktionalen Design, allerdings auch Geräumigkeit aus. Mindestens zwanzig Quadratmeter stehen mir auf grauen PVC zur Verfügung. Beim Eintreten fällt dem Besucher die Fensterfront auf, die sich wie ihr Gegenstück auf der Eingangseite, über die gesamte Breite und Höhe des Raumes erstreckt und einen unverbaubaren Blick über die Wiese in den sich anschließenden Wald bietet, wenn die schweren grauen PU-Vorhänge nicht zugezogen sind. Ein besonderer Luxus stellt die einseitige Beschichtung da, die es von außen einem zufälligen Passanten nicht ermöglicht einen Einblick zu nehmen, mir allerdings auch auf der gegenüberliegenden Seite verwehrt in den Flur zu schauen. Lediglich die Gitterstäbe sowohl im Flur als auch ins Freie stören etwas den Gesamteindruck.

Ich will mich nicht beklagen, verglichen mit dem Zimmer im Landeskrankenhaus, wo ich während meines Prozesses untergebracht war, ist das der reine Luxus. Einer der Pfleger löst die Gurte , die mich am Rollstuhl fixieren und hebt mich auf die mit dem gleichen rostroten Gummistoff wie mein Hemd bezogenen Behandlungsliege, Schwester Maria nimmt mir die Säckchen und das Flügelhemd ab, während die beiden Pfleger mich von den Gummischuhen und den Kompressionsstrümpfen befreien.

Ja, Jungs, jetzt geht es ans Eingemachte. Es hat den jüngeren getroffen, der laut Namenschild Matthias heiß und Heilpfleger in Ausbildung ist. Er streift sich ein paar Plastikhandschuhe über und zieht mir etwas grobmotorisch die dicke Gummihose aus, entfernt die volle Windel und setzt zur gründlichen Endreinigung an. Ich werde auf den Bauch gedreht und nach vollendete Werk schreitet Schwester Maria zur Dekubitusinspektion. „Alles zur Zufriedenheit“ gibt sie kund und krönt das Werk mit einer Runde Spray. „So, Frau Lieder, sie kennen ja schon die Prozedur. Ich überprüfe jetzt ihre Lähmung. Wenn Sie etwas spüren, heben Sie die Hand.“ Mit einer Akupunkturnadel, beginnend bei den Zehen wandert sie meinen Körper hoch und gibt dem Azubi irgendwelche Zahlen an, die er eifrig mitschreibt. Hoffentlich schreibt er nichts Falsches auf, ganz so hell wirkt er ja jetzt nicht unbedingt. Aber eigentlich ist es mir egal. Ich denke an Anne und ihre Bemühungen mich hier herauszuholen.
Ich merke ein feines Pieksen im Brustwirbelbereich, was bei Schwester Maria Grund genug ist noch mindestens zehnmal reinzupieksen um dann zufrieden das Ende der Aktion festzustellen. Mit einem kleinen Rädchen mit spitzen Zähnen wird die Prozedur wiederholt.

„Jetzt gibt es noch eine Mahlzeit. Sie haben doch sicher Hunger ?“ Ich kenne seit Beginn der Zwangsernährung keine Hungergefühle mehr, allerdings weiß ich noch genau, wie gutes Essen schmeckt. Lasst mich raten, was heute die Sterneküche bietet: Lafer oder Mälzer. Sie schließt sie die mit der Ernährungsflüssigkeit aufgezogene Spritze an der Magensonde an. Mmmh, lecker.

Teil 9

Eine Woge des Selbstmitleids schüttelt mich. Ich finde es so ungerecht, so gemein, mich um wesentliche Elemente sinnlicher Wahrnehmung und menschlicher Grundbedürfnisse zu berauben, wenigstens konnten sie mir diese Gefühlsregungen nicht nehmen: Wut, Scham, Peinlichkeit, aber auch die Freude an den noch so geringsten Kleinigkeiten, wie die warmherzigen Augen von Schwester Maria, die langsam die Nährflüssigkeit in mich einfüllt. Doch je mehr ich mich innerlich wehre, in ein Objekt verwandelt zu werden, desto mehr wird mir genommen, zumindest all das, was mich äußerlich zu dem macht, was ich bin.

Ich hatte nicht ,wie Dr. Schweizer behauptet, gleich nach der Tat die Nahrungsaufnahme verweigert, die Sonde wurde erst in Tiefenthal gesetzt, ich hatte vorher gelegentlich das Essen nicht angerührt, weil ich einfach keinen Appetit hatte oder weil es gar zu eklig aussah. Erst nach Ende des Prozesses kamen Essstörungen hinzu, mit Erbrechen, welche im Landeskrankenhaus zu einer ersten Zwangsernährung führte, aber das hatte sich doch wieder gemacht. Dafür esse ich viel zu gerne. Aber hier wurde mir von Anfang an unterstellt, dass ich die Nahrung verweigern will und, nachdem ich zweimal den widerwärtigen Haferschleim verschmähte, auf Zwangsernährung umgestiegen. Das war keinesfalls medizinisch indiziert, sondern es sollte mich demütigen, meine Würde rauben.

Im Gegensatz zum Landeskrankenhaus, wo ich durch die Nase ernäht wurde, setzten die Pfleger auf Anweisung von Professor Scheppers eine dicken Magenschlauch ein, der beim Einschieben zu Würgen und Brechreiz führte. Zeigte ich mich nicht kooperativ, eines der am meisten verwendeten Wörter in Zusammenhang mit meiner Person, wurde mir der Mund mit Gewalt durch geöffnet, indem mit spitzen Finger auf einen zum Ohr verlaufenden Muskel gedrückt wurde und dann ein Mundspreizer eingesetzt wurde. Um mich ruhig zu stellen, wurde ich auf dem Untersuchungsstuhl vollständig fixiert, also nicht nur Leib, Arme und Beine, sondern auch Schulter und Kopf, den zusätzlich ein Pfleger wie ein Schraubstock umklammerte. Schnell sah ich ein, dass jeglicher Widerstand zwecklos war und so kooperierte ich, soweit es mir möglich war, um diese Tortur so schnell wie möglich hinter mich zu bringen, die am Tag bis zu sechs mal erfolgte.

Trotzdem hatte ich bei dieser Form der Ernährung, das Gefühl noch ein menschliches Subjekt zu sein, heute werde ich wie ein Auto betankt. Der Klinikleitung war das Verfahren angeblich zu aufwändig geworden und hat sehr schnell die richterliche Genehmigung für das Setzen der Magensonde bekommen. Es ist wirklich eine völlig unproblematische Angelegenheit und ich wehre mich schon lange nicht mehr dagegen, was mir seit ein paar Tagen die Fixierung erspart und mir Gelegenheit gibt mich etwas freier zu fühlen. Trotzdem denke ich jedes Mal an ein schönes Candle Light Dinner mit Anne: Prosecco, Carpaccio mit Trüffel, Loup de Mer und Mousse au Chocolat, dazu einen Chablis und anschließen noch eine Käseplatte mit einem kräftigen Burgunder. Ich lasse es mir gedanklich auf der Zunge zergehen, die seit drei Monaten nichts mehr schmecken durfte, der Gaumen, der seit jetzt sechs Wochen nicht mehr schlucken kann und mich zwingt meinen Speichel aus dem Mund tropfen zu lassen.

Schwester Maria zieht die Spritze ab und reinigt noch gründlich die Sonde. Einer der Pfleger legt mir ein nach Waschmittel duftendes Krankenhemd aus Baumwolle um und schließt das Nackenband. Sie tragen mich zum Multifunktionsstuhl und legen meine Beine und Arme auf die Auflagen und und schließen die Klettverschlüsse der Bänder wie auch den Leibgurt. Ich bin dankbar um das Klinikhemd, auch wenn ich mich mittlerweile an die Gummisachen gewöhnt habe, aber es ist eine willkommen Abwechslung mal wieder Stoff an den Armen zu spüren, meine Brustwarzen haben wie auch mein gesamter Genitalbereich keinerlei sensorische Fähigkeiten mehr. Mein Schamgefühl ist allerdings trotz dieser „Therapie“ noch vollkommen intakt und ich schätze es, wenn ich einigermaßen bedeckt bin, auch wenn es nur vor kurzer Dauer ist.

Der Heilpfleger in Ausbildung bindet mir wieder meinen roten Gummilatz um, damit ich weitersabbern kann und das Hemd nicht versaue. Sehr aufmerksam, der Herr. Schwester Maria steckt das Hemd mit geschickten Fingern hoch und führt die Endreinigung durch, damit alles schön sauber ist. Rasieren ist nach der Laserepilation überflüssig geworden und so sehr braucht sie auch nicht aufzupassen, es gibt da nichts mehr, was erregbar wäre, noch nicht einmal mehr in meiner Fantasie. Ich versuche mich noch an die Wonneschauer zu erinnern, die ich mir selbst bereitet habe, das Pulsieren, das Explodieren, aber die Erinnerung bewirkt nichts mehr. Sie ist nur noch eine wehmütige Remineszenz an bessere Zeiten, etwas Nostalgie muss gelegentlich sein.

Teil 10

Nachdem die Herren alles wieder in Ordnung gebracht haben, verlassen sie uns und ich kann mich in voller Schönheit in der verspiegelten Wand begutachten. Schwester Maria macht angestrengt Notizen, sie ist äußerst gewissenhaft, aber auch sehr dezent und achtet bei allem was sie tut, dass zumindest ein Hauch meiner Würde gewahrt bleibt. Sie hatte liebevoll meine langen Haare gekämmt und war erschütterter als ich, als die Entscheidung fiel, dass sie abrasiert werden müssen, angeblich wegen einer Pilzerkrankung. Seit ein paar Tagen dürfen sie wenigstens ein bisschen wachsen. Ein schöner dunkler Stoppelschnitt schaut mich aus dem Spiegel an. Ich finde mich etwas blass, allerdings ist Solarium und Karibikurlaub nicht im Therapieplan vorgesehen. Wenn ich die Sprache wiedergefunden habe, werde ich das gleich als Verbesserungsvorschlag einreichen.

Schwester Maria legt das Buch weg, zieht ihre Gummischürze aus und hängt sie an einen der Wandhaken. Sie beobachtet sich kritisch im Spiegel, kämmt und drückt etwas ihre Frisur und zieht Lippenstift nach. „Sie bekommen gleich Besuch“ lüftet sie das Geheimnis ihres plötzlichen Anfalls von Eitelkeit. „Professor Scheppers will sie einer Gruppe von Studenten vorstellen.“ Mir bleibt aber wieder mal gar nichts erspart und ich merke, dass mein Zeitgefühl etwas abhanden gekommen sein muss. Es dürfte jetzt etwa 18 Uhr sein, eine recht ungewöhnliche Zeit für eine Studentenführung. Aber in Tiefenthal laufen die Uhren sowieso etwas anders und ich habe gerade nichts besseres vor. Schwester Maria fällt auf, dass mein Hemd noch hochgesteckt ist und ich bemerke, dass ihr diese Nachlässigkeit peinlich mir gegenüber ist. Schnell korrigiert sie das kleine Versäumnis.

Die Gute scheint heute wirklich etwas aus der Spur zu sein. Verzweifelt versuche ich durch kreisende Bewegungen darauf aufmerksam zu machen, dass meine Tankdeckel noch nicht verschlossen sind und die Gefahr, dass jeder Zeit Benzin oder gar Schweröl auslaufen könnte jederzeit besteht. „Hallo, Schwester Maria, ich bin inkontinent. Die Windel, bitte“ sabbere ich geräuschlos auf meinen Latz.

Wenn mir die Barockhure, bevor sie mich Brötchen holen schickte, verraten hätte, dass ich ein halbes Jahr später, mir meine Zeit festgeschnallt auf einem hochmodernen gynäkologischen Stuhl vertreibe und händeringend darum bettele endlich gewindelt und eine dicke rote Gummihose angezogen zu bekommen, wäre ich doch besser bis zum Einbruch der Dunkelheit mit meinen Träumen in meinem Pavillon geblieben. Dann hätte ich zwar eine schwere Erkältung mir eingefangen, müsste mir aber keine Gedanken darüber machen, ob ich jetzt lieber während des Aufmarschs junger Menschen in die Auffangschale tropfe oder durch ein gummiertes Windelpaket Eindruck schinde. Es ist beruhigend zu wissen, dass es immer noch eine schlechtere Alternative gibt und ich habe ich mich für die Windeln entschieden und versuche Schwester Maria durch die Kraft meiner Gedanken so unter Druck zu setzen, dass sie diese Entscheidung gutheißt.

Ich werde nie mehr ohne meine Regenjacke aus dem Haus gehen oder wie meine Mutter mir einschärfte, man muss für alle Eventualitäten gerüstet sein. Deswegen liegt ihr Schirm auch im Kofferraum, wenn sie von einem Wolkenbruch überrascht wird. Bevor ich mir über die genetischen Zusammenhänge größere Gedanken machen kann, hat Schwester Maria vor der Drohkulisse meiner Gedanken kapituliert und bewegt sich zum großen Wandschrank, dem Depot aller Nützlichkeiten, die mein Leben angenehmer gestalten sollen, zumindest laut Therapieplan. Weitere wertvolle Zeit verstreicht bei dem Aufreißen der Verpackung, in dem die Gummihose nach der Reinigung eingeschweißt wird, aber mit einem Skalpell wird auch diese Hürde überwunden. Schwester Maria desinfiziert sich nochmals die Hände bevor sie sich die Plastikhandschuhe überstreift und installiert meinen Auslaufschutz. Sehr praktisch diese Easy-fit Klebestreifen und nun noch das Designerhöschen.

Ich habe zwar Stringtangas noch nie ausstehen können, aber ganz so voluminös muss ein Slip auch nicht ausfallen, auch wenn man ihm den Charme der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts nicht absprechen kann. Ich mag diese Gummisachen, die hier reichlich eingesetzt werden, auch wenn dieses Mögen sicherlich nicht der therapeutischen Absicht entspricht. Aber für mich sind sie ein Stück Heimat, eine Erinnerung an mein Schmusekissen aus der Badewanne. Diesmal hat Schwester Maria ein mit Druckknöpfen ausgestattetes Modell gewählt, was ihr das Lösen meiner Beinfixierung erspart. Ein letztes Klacken, sie überprüft nochmals den Sitz, zupft die engen Beinabschlüsse zurecht wie eine Schneiderin, die den letzten Handgriff macht, bevor das Model hinaus auf den Laufsteg geht. Sie klappt die Beinstützen herunter, um meinem Thron die gynäkologische Atmosphäre zu nehmen und es umweht mich ein Hauch von Normalität.

Die Prinzessin bereit ihre Gäste zu empfangen. Ich hatte mir zwar das Prinzessinentum in den Träumen meinem Pavillon etwas anders ausgemalt als die goldene Käfighaltung, die mir zu Teil wird und so schnell wird kein Prinz in güldener Rüstung anbeißen, zumal mein derzeitiger Haarschnitt keine Möglichkeit bietet, ein Diadem aufzustecken. Aber immerhin verfüge ich über einen Hofstaat, die mir jeden Wunsch von den Augen abliest. Wenn ich die Zeit finde, meine Memoiren zu schreiben, werde ich sie „Die Prinzessin auf der Windel“ nennen. Schwester Maria tupft mit einem feuchten Lappen den Speichel von meinem Kinn ab und reinigt das vollgesabberte Lätzchen, bevor sich in der Tasche eine Pfütze bilden kann.

Teil 11

Besuchergruppen sind in Tiefenthal nichts Ungewöhnliches, immerhin will man seinen Ruf als die Vorführklinik in privater Hand festigen und dazu gehört auch die Öffentlichkeitsarbeit. Trotzdem sehe ich jedem Besuch mit Anspannung entgegen und gerade bei Studentenvisiten schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Auf der einen Seite schätze ich es, dass hier auf das medizinische Fachchinesisch verzichtet wird, was der Vorführung etwas mehr Menschlichkeit verpasst, auf der anderen Seite ist es für mich ungemein demütigend auf diese Art vor Gleichaltrigen oder gar um einiges Jüngeren präsentiert zu werden.

Es sind immer wieder welche dabei, die ich vom Sehen von der Uni kenne und merke auch an den Reaktionen, dass auch sie mich wiedererkenne. Insgesamt liegt in der Luft eine Atmosphäre aus gespielter Coolness, blankem Entsetzen, Abscheu, Neugier und Mitleid.

Die Panzerglastür wird geöffnet und ein Gemurmel ergießt sich in den ansonsten schalldichten Raum. Vorneweg Doktor Schweizer, der mit übertriebener Herzlichkeit Schwester Maria begrüßt, Frau Molders, die Assistentin von Professors Scheppers, die dienstbeflissen mit bereits aufgeschlagener Krankenakte den folgenden Pulk des akademischen Nachwuchs um meinen Thron dirigiert. Das Gemurmel erstirbt, nachdem Professor Scheppers die Tür geschlossen hat. Er nimmt mit gewichtiger Miene Frau Molders die Akte aus der Hand, mustert mich, als müsste er sich erst überzeugen, ob ich auch mit der dort beschriebenen Person übereinstimme.
Die gesamte Gruppe wissbegieriger Studenten ist aus hygienischen Gründen streng nach Vorschrift eingekleidet und bietet mir einen bizarren Anblick, in weißen Papieroveralls mit Kapuze und Überschuhen aus transparenter Plastikfolie. Professor Scheppers, groß, hager, braungebrannt, dynamisch, wirft sich in Positur: “Meine Damen und Herren, erwarten Sie bitte von mir keine Sensationen, denn wir halten uns selbstverständlich an die gesetzliche Schweigepflicht gebunden und das gilt auch und ganz besonders für den Roten Bereich.“ Na, wo bleibt der Applaus, Leute, bei so viel Rücksichtsnahme ? Er könnte mich ja mal fragen wie rücksichtsvoll ich es finde, an einen Stuhl gefesselt und offensichtlich mit einem dicken Windelpaket ausgestattet, von den 10 Augenpaaren dieser Marsmännchen angegafft zu werden. Ich bin bedient und lausche nur noch mit halbem Ohr seiner langatmigen Abhandlung über Hygiene und Disziplin, ganzheitliche Versorgung und Patientenkooperation.

Schwester Maria und Doktor Schweizer führen bei den passenden Stichwörtern die jeweiligen Instrumentarien vor und natürlich bleibt dabei auch nicht ein Blick Magensonde ausgenommen, die für den interessierten Besuchern auch eine Vorführung meines Windelpakets beinhaltet. So ganz ernst mit der Schweigepflicht nimmt es der Herr Professor dann auch wieder nicht, sondern er lässt sich über einen Fachvortrag über psychisch bedingte Inkontinenz und Lähmung hinreißen um dann über psychotische Episoden der Schizophrenie zu referieren. Endlich das Finale – Therapie bei Erregungszuständen mit Isolierung und Fixierung ausschließlich im Ausnahmefall und bei Nichtansprechen medikamentöser Behandlung. Ganz großes Kino, Herr Professor. Ich erkenne in der Gruppe Claudia, Mike und die Giraffe trotz der einheitliche Maskierung wieder. Das Wiedersehen mit Claudia freut mich und ich lächele ihr zu und nach anfänglichem Zögern erwidert sie ebenfalls mit einem aufrichtigen Lächeln und winkt mir zum Abschied als die Gruppe weiterzieht.

Endlich Feierabend. Obwohl ich mich diese Form der Abwechslung niemals gewöhnen werde, ist sie wenigstens doch mal etwas anderes in meinem an Aufregung recht armen Alltag. Meine immertüchtige Lieblingsschwester räumt noch die letzten Gegenstände an ihren Platz und bereitet die Utensilien für die Mundhygiene, die morgens und abends mit größter Sorgfalt durchgeführt wird. Es ist eine abscheuliche Prozedur verbunden mit viel Würgen und Spucken, bei aller Rücksicht die Schwester Maria darauf verwendet und sie tröstet mich mit streicheln und liebevoll in den Arm nehmen. Trotzdem breche ich in Tränen angesichts meiner Hilflosigkeit aus, die von ihr liebevoll getrocknet werden. Ich habe Lust zum schmusen und erschrecke über dieses ungewohnte Gefühl. Gibt es da tatsächlich noch etwas was in mir lebt oder ist es nur Einbildung ? Doch es gibt keine Gelegenheit weiter in mich zu hören, wir sind nicht mehr allein, sondern die Pfleger sind zur Umlagerung erschienen.

Ich werde von meinem Thron erlöst und ins Krankenbett getragen, wo ich noch eine halbe Stunde auf dem Bauch verbringen darf, nur mit dem Leibgurt gesichert, um Druckstellen zu vermeiden. Ich bin immer noch völlig verwirrt über die plötzlich auftretenden Gefühle, waren sie jetzt echt oder ein Traum. Unerklärliche Reste scheinen immer noch vorhanden. Schwester Maria richtet bereits die Thrombosestrümpfe und das Gummihemd für die Nacht. Ich würde mich so gerne über das gerade Erlebte mit ihr unterhalten und bin verzweifelt über die Unmöglichkeit dieses Unterfangens. Maria streichelt mir zärtlich die Hand, als wüsste sie was in mir vorgeht und lässt die halbe Stunde, die mich weiter innerlich aufwühlt, wie im Fluge vergehen.

Der ältere Heilpfleger löst den Gurt zum anziehen der Thrombosestrümpfe und zum Hemdenwechsel. Als das kalte Gummi sich meine Brustwarzen legt, durchfährt ein elektrisierendes Gefühl meinen Körper, aber ich fange nicht an zu sabbern. Also doch, ich habe mich nicht getäuscht, da ist was, was gar nicht sein dürfte. Ich reiße mich zusammen, damit die Pfleger keine verdacht schöpfen und lasse mich bereitwillig in meinem Gitterbett an Armen, Beine und Leib fixieren. Schwester Maria legt mir noch die Schlafmaske um, da das licht die gesamte nacht nicht gelöscht wird. Mit einem kleinen Kniff in die Wange verabschiedet sie sich. „Gute Nacht, Frau Lieder und machen Sie mir keine Dummheiten.“ Mit einem leisen Plopp schließt die Tür.

Teil 12

Ich versuche das Feuerwerk in meinem Kopf zu sortieren, ganz ruhig, sachlich, analytisch. Es will mir nicht gelingen, meine Brustwarzen blühen wie Rosenknospen an einem feuchtwarmen Sommertag auf, die Spitzen sind so hart, als wollten sie das Gummi durchbohren, Wellen der Erregung durchlaufen meine Körper, als mir die feuchte Wärme signalisiert, dass auch Leben im gewindelten, in Gummi verpackten Teil meines Körpers eingekehrt ist. Meine Beine, mein Füße leben, lassen sich trotz der Einschränkungen bewegen, aber die größte Sensation spielt sich an meine Brustwarzen ab. Ich zerre an den Armfesseln, ich will meine Brüste streicheln, ich will sie reiben, ich will in sie kneifen, ich will wieder leben, ich will hier raus. Leise zähle ich „eins, zwei, drei“, so leise, dass ich es selbst kaum vernehme trotzdem die Gewissheit habe , dass auch meine Stimme zurückgekehrt ist.

Am liebsten würde ich singen, schreien, aber mein Verstand warnt mich, da der Raum nicht nur kamera-, sondern auch geräuschüberwacht ist. Ich schwitze, bin am ganzen Körper feucht, meine Haut dampft unter dem Gummihemd und meine Brustpitzen wachsen und wachsen, sie sind so hart, dass sie schmerzen, ein wahnsinnig geiler Schmerz, der sich auf meinen unterleib, meine Spalte, meinen Kitzler überträgt, ich bin wie im Rausch, am liebsten wäre ich mit meinen Händen überall, um mich zu streicheln, zu reiben, zu kneten, mich erlösen. Ich kreise mit meinen Füßen, mein Atem wird heftiger, aber ich sabbere nicht, ich schlucke bewusst meinen Speichel. Es ist atemberaubend, ich japse vor Glück. Ich wünsche so sehr , dass Anne das miterleben könnte, meine Eltern, Einstein. Ein Anfang ist gemacht, wo noch vor wenigen Stunden Zynismus und Hoffnunglosigkeit war, ist jetzt reines Glück und Optimismus. Ja, ich komme hier raus.

Das Geräusch der sich öffnenden Tür lässt mich erstarren.




Juristen wissen alles, nur leider selten etwas ganz genau




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es gibt viele Menschen die über mich urteilen, aber nur wenige Menschen die mich wirklich kennen (Michael Schumacher)

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  RE: Sunday morning coming down Datum:26.02.07 09:20 IP: gespeichert Moderator melden


Ich höre meine schnellgehenden Atem, er ist laut, so laut, dass ich darüber erschrecke. Ich versuche ihn zu kontrollieren, mich schlafend zu stellen, ganz ruhig, ganz ruhig. Ich will etwas anderes denken, aber mein Körper lässt mich nicht, er pulsiert, er brennt lichterloh, schnell die Szene einblenden, als sie aus meinem Tagebuch vorlasen.

„Guten Abend, Frau Lieder, alles in Ordnung ?“ Ich habe die zwei Nachtpfleger noch nie gesehen, weil sie bei meiner Versorgung nicht die Augenbindeabnehmen. Ich kenne sie nur als routiniert arbeitende vier Hände, die systematisch Handlungen an mir vollführen, damit ich funktionsfähig bin. „Sie sind so unruhig. Wenn Sie ein Problem haben, heben Sie bitte die rechte Hand. Wenn alles in Ordnung ist die Linke.“ Ich vertraue ihnen nicht, wenn ich ihnen vertrauen würde, könnte ich es ihnen ja sagen. Aber es ist mir zu früh, ich will warten bis ich mit Schwester Maria alleine bin. Ich hebe die rechte Hand, gebe vor etwas sagen zu wollen und lasse etwas Spucke aus meinem Mund fließen.

Zum Windelwechsel und Nachfüllen ist es sicherlich noch zu früh, ich will nur, dass sie wieder gehen und mich mit meine Gefühlen alleine lassen. Eine Hand greift mir zwischen die Beine, es ist nur ein kurzer testender Griff, trotzdem geht eine Welle der Empörung durch meinen Körper. Was ich bisher als notwendiges Übel erkannt habe, empfinde ich als respektlos. Sie sollen weggehen, aus meinem Leben verschwinden, ich habe das alles so satt. „In einer Stunde schauen wir wieder nach Ihnen. Versuchen sie jetzt etwas zu schlafen.“ Ich halte den Atem an, höre das quietschen der Sohlen entfernen und die Tür schließen, ich lausche noch einen Augenblick angestrengt, um aufzuatmen.
Bin ich wirklich paranoid, ich hätte doch den Pflegern sagen können, dass wieder Leben in mir ist, ich bin doch ein Mensch, der sich artikulieren kann, wieder artikulieren kann, der keine Windeln und Gummihosen braucht und sich auch selbst ernähren kann. Nein, ich vertraue ihnen nicht. Ich vertraue meinen Gefühlen, obwohl sie mich in den letzten Monaten so oft getäuscht haben. Ich versuche mich in die Stimmung zurückzubringen, bei der ich vorhin unterbrochen wurde, aber es will mir nicht gelingen, was ich vorhin als sensationell erfahren habe, erweist sich mehr und mehr als unangenehm in diesem Zustand der Eingeschränkheit.

Ich erfahre mich schon wieder neu, anders, ich schwitze leicht unter dem Gummi meines Hemdes, die Spitzen meiner Brustwarzen werden bei jeder noch so leichten Bewegung stimuliert, sie sind hart und schmerzen, meine Spalte ist gereizt und brennt und meine Klitoris sendet mir unerfüllbare Wünsche, trotz der Verpackung empfinde ich die geringe Menge an Urin, die noch kurz nachdem Windelwechsel ausgetropft ist als unangenehm kühl in einem feuchtwarmen Umfeld. Resigniert versinke ich im Kopfkissen, um erneut Hoffnung zu schöpfen, weil morgen alles anders wird. Ich döse vor mich hin, aber es stellen sich weder klare Gedanken oder schöne Traumbilder ein, sondern ein wirrer Kaleidoskop, aus dem herumspritzenden Blut in der Küche, der Notaufnahme im Krankenhaus, dem Prozess, zwischen durch Anne, Claudia, das sorgenvolle mitfühlende Gesicht meiner Mutter, mein auf Selbstbeherrschung und Disziplin drängender Vater.

Die Zeit rinnt quälend vor sich hin bis zur Rückkehr der Pfleger. Eine kräftige Hand packt mich am rechten Arm und legt eine dünnen Schlauch darum, meine Hand befreit er von der Fixierung. „Machen sie jetzt eine Faust.“ Abtupfen, ein schmerzhafter Pieks. Wieso nehmen die mir mitten in der Nacht Blut ab ? Eine dunkle Vorahnung bahnt sich ihren Weg, es scheint etwas schiefgelaufen zu sein, meine plötzliche Genesung war nicht erwünscht oder doch nur Routine. Ich kann es sowieso nicht ändern. Ich werde von den Fixierungen und Windeln befreit, gereinigt und darf mal wieder auf dem Bauch und der Seite liegen und werde durch die Sonde befüllt und bekomme das Gesicht feucht gereinigt. Fertig verpackt und vertaut bekomme ich noch Wünsche zur guten Nacht auf den Weg und Ruhe kehrt ein.

Das Brennen lässt nach, was ich zuerst als positiv wahrnehme, bevor mir der Schreck durch die Glieder fährt, ich werde wieder langsam außer Betrieb gesetzt, zumindest, was meine Empfindungen angeht. Noch kann ich meine Füße bewegen und meine Beinmuskeln an- und entspannen, aber ich verspüre wie auch hier das Leben entweicht. Nein, das ist nicht wirklich. Ich werde medikamentös über die Sonde zum vorübergehenden Krüppel gemacht und Schwester Maria hat entweder etwas vertauscht oder mir bewusst einen Hinweis darauf gegeben. Das Sabbern beginnt und mit einem gurgelnden Begleitgeräusch wir angezeigt, dass mein Darmschließmuskel ebenfalls die Funktion eingestellt hat.
Ich bin so wütend, so verzweifelt über so viel Niedertracht und frage mich immer wieder, warum gerade ich ? Ich habe doch wirklich niemand etwas getan, außer dieser einen Unbeherrschtheit, die aber doch wirklich jeder verstehen kann. Ich wäre meinetwegen auch in den Knast gegangen, das wäre es mir wert gewesen, aber hier zum sabbernden, pissenden scheißenden Versuchskaninchen degradiert zu werden ist der Gipfel an Perversion. Ich schreie lautlos, heule, zittere und schlafe vor Erschöpfung ein.

In meine Schläfen pocht der Schmerz, da Licht brennt mir in den Augen, einige weißgekleidete Menschen nehme ich schemenhaft um meinen Thron wahr . Ich weiß nicht , wie ich auf den geraten bin, meine Beine hängen kraftlos zu Boden, meine Arme schmerzen, aber ich kann sie frei bewegen. Ich bin schon frisch gemacht, das Baumwellhemd duftet gewaschen, meine Windel scheint gerade gewechselt worden zu sein, auf Gummihose wurde verzichtet. Ich kann aber immer noch nichts genauer erkennen. Ich höre wie durch Watte die Stimme von Professor Scheppers:
“Wir machen uns ernsthaft Sorgen um Sie, Frau Lieder. Sie haben heute nacht einen weiteren Schub bekommen und ihr Zustand verschlechtert sich zusehends. Ich vermute, dass sie der Besuch ihrer Freundin weitaus mehr mitnimmt als wir geahnt haben und sehen Besuche bis zu einer Besserung ihres Zustandes als therapeutisch nicht mehr angezeigt. Als weitere Maßnahme werden wir sie jetzt 24 Stunden in Tiefschlaf versetzen und dann mit Ihnen das weitere Vorgehen beraten.“ Mich strengt das Zuhören an, die Stimme ist wie aus der Ferne und ich kann immer noch nichts erkennen außer Umrisse im gleißenden Licht. „Dann habe ich noch eine bedauerliche Mitteilung zu machen. Schwester Maria hat uns heute morgen auf eigenen Wunsch verlassen und wollte sofort frei gestellt werden. Das ist auch für uns sehr bedauerlich, weil sie sehr gut Zugang zu Ihnen gefunden hat. Aber wir werden sicherlich einen geeigneten Ersatz für sie finden.“

Ihr Schweine, ihr habt sie herausgeworfen, weil sie Eure Machenschaften durchschaut hat.

Teil 13

Eva füllt mit geschickten Fingern die Wundertüte, sie wirkt bemüht keine Fehler zu machen und ist gleichermaßen gehetzt, als ob wir hier unter hohem Zeitdruck stehen würden. Ich bin leicht amüsiert über diese Geschäftigkeit - Eile ist ein Begriff, den es in Tiefenthal gar nicht gibt, aber ich weiß nicht, wie ich das Eva signalisieren soll. Es könnte allerdings sein, dass sie ihre Hektik gar nicht mitbekommt, sondern sie sich in einer anderen Versuchsreihe befindet wie ich. Es hat sich viel verändert in den letzten Wochen, und ich zerbreche mir den Kopf darüber, wie ich es einordnen soll, vermutlich bin ich noch zu optimistisch, aber Claudia, der kleinen Praktikantin mit den Sommersprossen, ist es gelungen meinen Kampfgeist zu wecken, obwohl alle Zeichen dagegen stehen.

Ich bin gezwungen ihr zu vertrauen und hoffe inständig, dass sie nicht auch ein böses Spiel mit mir treibt und kein Bestandteil dieses wahnsinnigen Systems ist. Aber das will ich mir gar nicht vorstellen und verwerfe den Gedanken jedes Mal, wenn er sich aufdrängt und bitte alle Götter darum, dass niemand Verdacht schöpft und sie auffliegt. Damit wäre dann meine allerletzte Hoffnung begraben. Aber Claudia ist sehr intelligent und ihre gespielte Naivität ist ihr bester Schutz. Sie wirkt ungemein angepasst, fast unterwürfig und hat dadurch auch das Vertrauen von Professor Scheppers gewonnen, vielleicht auch ein darüber hinausgehendes Interesse, zumindest behandelt er sie bevorzugt.
Ich beobachte Eva, während ich aus den zwanzig verschiedenen Plastikteilchen vollkommen zufällig fünf auswähle und in die Papiertüte packe, den Klebestreifen entferne und schließe.

Eva hat sich stark verändert, wurde stark verändert und wenn Doktor Schweizer es mir nicht gesagt hätte, hätte ich sie nicht wiedererkannt. Ihr aufgedunsenes Gesicht wird von einer Art Tae Kwon Do Kopfschutz, wie ich ihn von Rüssels Training kenne zusammengepresst, ihr Körper ist ein formloses Etwas mit mindestens 50 Kilo Übergewicht, ihre Beine drohen die Kompressionsstrümpfe zu sprengen. Sie atmet schwer, als würde sie sportliche Höchstleistungen vollbringen, immerhin ist sie etwa dreimal so schnell als ich. Meine Bewunderung für diese Leistung hält sich aber in Grenzen, nachdem ich gelernt habe, dass alles was mit mir hier geschieht, auf einer Planung basiert, die für mich nach reiner Willkür aussieht, speziell was die Kooperationsbereitschaft betrifft.

Es ist nicht entscheidend, ob ich jetzt kooperativ oder widerspenstig bin, sondern lediglich, ob die verabreichten Medikamente ihre Wirkungen dort zeigen, wofür sie konzipiert wurden, wenn ich Claudia richtig interpretiert habe und ihre Recherchen stimmen. In jeder noch so perfekten Organisation passieren Fehler und der Fehler der Leitung von Tiefenthal war bei Claudia Loyalität zu vermuten. Es hatte mich sehr verwundert, wie die Empathie, die ich anfänglich verspürte, umgeschlagen ist in eine reine Sachlichkeit, der sorgfältigen Pflege und Verwaltung eines Objekts, aber sie belehrte mich eines Besseren. Es war notwendig das Vertrauen der Leitung zu gewinnen und Freiräume für mich zu erarbeiten. Das größte Maß an Freiheit war die Zuteilung meiner einstündige Ausfahrt in den großen Park, weg von Kameras, Mikrophonen oder anderen ungebetenen Mithörern.

Nach der Enttarnung von Schwester Maria verbachte ich vier Wochen in fast vollständiger Isolation in meinem Palast. Die wenige Abwechslung neben der obligatorischen Versorgung brachten auf mich verwirrend wirkende Inspektionen meines Körpers und meiner Sinne: ich weiß nicht woher ich die Energie nehme nicht vollkommen durchzudrehen oder völlig zu resignieren. Ich war nie eine Quasselstrippe, eine Entertainerin, aber ich habe es geliebt mich im kleinen Kreis mitzuteilen und Anne war eine angenehme Abnehmerin meiner Träume und Fantasien, auch wenn sie meine Prinzessinnenwelt im Pavillon nicht ganz ernst nahm. Einsamkeit stellte aber auch kein all zu großes Problem dar, im Gegenteil, ich genoss sie, wenn Einstein in meiner Nähe war. Wie es ihm wohl geht ? Ich vertraue Anne und ich wünsche, dass es Claudia gelingt Kontakt mit ihr aufzunehmen.

Claudia wurde mir gegen Ende der Isolationszeit zugeteilt, als mir es möglich war zumindest über das Gehör Anteil zu nehmen, wohingegen meine Sehkraft so gut wie ausgeschaltet war. Ich sah bei geöffneten Augen nur weißes Licht, aber weder Formen noch Farben. Dieses Experiment hält allerdings noch weiter an, wird bei Bedarf, wie jetzt bei der Beschäftigungstherapie aber durch eine dicke Spezialbrille ausgeglichen, die sicherlich meine Attraktivität noch um einiges erhöht. Ich hoffe zumindest, dass das ein Experiment ist und nicht zum Dauerzustand wird. Die gleißende Helligkeit ohne diese Brille führt dazu, das ich mit geöffneten Augen weder zu klaren Gedanken oder gar zu Fantasien fähig bin, doch glücklicherweise darf ich sie mittlerweile recht häufig tragen, bin aber selbst zum Sehen können von anderen abhängig. Claudia durfte recht bald sämtliche reinigende Tätigkeiten an mir vornehmen, lediglich das Auftanken wurde zum Privileg der Ärzte, in der Regel Doktor Schweizer oder Doktor Niermeier, beide hochangesiedelt in der Klinikhierarchie.

Niermeier war es dann auch, der Claudia auf die ersten Ausflüge mitnahm und diese Zeit nutzte mit ihr ausgiebig mit ihr zu flirten. Niermeier, der George Clooney des White Room und Claudia, eine Mischung aus postmoderner Streberin und alternativem Helfersyndrom, hatten ihren Spaß, während ich die Funktion des Vorwandes für die Annäherung zweier junger Menschen darstellen durfte. Hätte ich die Alternativen Niermeiers würde es mir allerdings schwer fallen, anders zu entscheiden, die Vorzüge Claudias sind augenscheinlich, intelligent, witzig, schöne gepflegte Haare, sehr individuelle modische Kleidung, wohlproportioniert, nicht zu groß, was bei Niermeier nicht unwesentlich ist, er ist nicht gerade ein Riese.

Wie soll ich da Punkte sammeln, auch wenn ich zu meiner Ausfahrt besonders adrett ausstaffiert wurde, sabbernd auf ein rotes Gummicape das meine Standardausstattung und den Rollstuhl und die Fixierungen voluminös überdeckt, mit Glasbausteinbrille und einem dicken roten Kopfschutz verdeckt. Meine feuchten Kommentare zum Gespräch werden von Claudia aufmerksam weggewischt, was ich mit dankbaren Blick quittiere.

Eva ist unerschütterlich in ihrer Arbeitswut, während ich mich schon aufs Gassi gehen mit Claudia freue.

Teil 14

Gassi gehen mit Claudia, schön wäre es. Einstein kann es sich wenigstens aussuchen, wo er herumschnuffelt, wo er sein Bein hebt, wo er sein Häufchen macht, er darf kauen und sein Schüsselchen sauber lecken und hat immer frisches Wasser, ich dagegen mache vollkommen unkontrolliert in eine Gummihose, sabbere herum, werde saubergemacht und wieder aufgefüllt. Jetzt nur kein Selbstmitleid, Frau Lieder. Du hast dir diese Freunde ausgesucht und alle Warnungen ignoriert. Ja, es ist cool mit den Coolsten aller Coolen abzuhängen, die Nächte durchzusaufen und sich zu greifen, wen man will. Allerdings bin ich der Meinung, dass ich jetzt genug dafür gebüßt habe und von sämtlicher Coolness auf der Welt geheilt bin. Mein derzeitiger Zustand ist der Inbegriff von Uncoolness.

Als Claudia das erste mal im Park ausführte, war sie noch verlegener als ich. Sie hatte mich schon fertig ausgehfertig übernommen und schob mich schweigend durch die Gänge. Der Erfahrung wieder mit frischer Luft, mit Natur in Kontakt zu kommen, war für mich überwältigend, ich versuchte den gesamten Park einzuatmen. Es waren noch letzte Regenwolken zu sehen, doch die Sonne erkämpfte sich ihren Weg, in der Ferne klopfte hartnäckig ein Specht, das Berauschendste war der Geruch von feuchtem Gras, mein Lieblingsduft, mein Parfum, dass den starken Geruch des Gummicapes überdeckte, welches zu meiner neuen Standardausstattung für Ausflüge gehörte. Claudia schob mich zügig den Weg hinunter, als wollte sie vor einem Gespräch weglaufen, denn es gab keinen Grund sich zu beeilen, mich erwartet ja niemand. Endlich verlangsamte sie ihren Schritt. Durch das Geholpere über die Schlaglöcher geschotterten Wegs, waren die Schlitze des Capes über meine an den Lehnen fixierten in Säckchen verpackten Hände gerutscht.

Die Sichtbarkeit meiner Hände ist die Grundvorrausetzung für jegliche Kommunikation mit mir. Trotz der Verpackung kann ich sie anheben. Rechts „ja“ links „nein“, ich bin binär. Liebevoll legte Claudia sie wieder frei. Ich wünschte mir ihre Haut auf meiner Haut zu spüren, ein Streicheln, ich habe Bedürfnis nach Nähe, nach Körperlichkeit. In ihren warmen Augen lag eine Mischung aus Verlegenheit und Wärme, als könnte sie meine Gedanken erraten. Unbeholfen begann sie zu erzählen, von ihren Eltern und Geschwistern, sie breitete ihr Leben vor mir aus als hätte sie niemand anderes, der ihr zuhören würde, ein geradliniges Leben, ordentlich, fleißig, spießig, tiefgläubig, ich fasse immer mehr Vertrauen zu ihr, sie weckt mein Interesse an dieser Welt, von der ich stolz war mich gelöst zu haben, sie erzählt von Ballett, Klavier, Cello, von Jugendgruppe, vom THW, bei dem sie freiwillig Dienst macht und wie ihr Vater, der in der gleichen Verbindung wie Professor Scheppers ist, ihr und ihrem Freund Mike die Praktika vermittelte.

Die Spaziergänge mit Claudia werden zum Zentrum meines Lebens, trotzdem vergesse ich darüber niemals meine Eltern, Anne und Einstein. Trotzdem ist Claudia für mich ganz besonderes geworden, weil sie mich ernst nimmt, mir auch das Gefühl gibt mehr zu sein wie ein Testwagen minderer Qualität, sie versucht mich durch Fragen ins Gespräch einzubeziehen, wo ich dann wahlweise nicke oder die passende Hand hebe. Sie lässt mich an ihrem Privatleben teilhaben, erzählt minutiös von ihrer Freizeit und nach ihrer Trennung von Mike schmiegt sie sich an mich als könnte ich sie in den Arm nehmen. Sie riecht gut, nicht aufregend, aber frisch, nach Aprikose. Trotz meiner stillgelegten erotischen Zonen verspüre ich ein verlangen nach ihr, nach ihrem Körper, nach Küssen, nach verschwitzten Körper, nach hemmungslosem Sex und malte es mir in meinen einsamen Nächten und Tagträumen stundenlang aus, geistige Erregung ohne Körperlichkeit.

Obwohl eine Periode frühsommerliche Dauerregens eingesetzt hat, erlebten unsere Ausflüge keine Unterbrechung. Ich war sowieso durch das große Gummicape, dessen weite Kapuze über meinen ebenso albernen wie überflüssigen Kopfschutz passte vor allen Unbilden der Witterung geschützt, Claudia behalf sich mit einem großen Regenschirm und lieh sich ein Paar der für die Patienten vorgesehen Gummischuhe aus, eine Lösung die ihr aber nicht gut gefiel und am nächsten Tag erschien sie in einem riesigen Schlupfblouson aus Gummi in Knallorange mit großem THW Aufdruck und dazu passenden Gummistiefel zum Schnüren.

“Ich dachte, etwas Partnerlook kann nicht schaden“ begrüßte sie mich etwas verlegen, wohl um das ungewohnte Styling zu erklären. Mich freute es, obwohl mir ihr Outfit ungleich mehr zusagte wie meins. Sie war aufgeregt und konnte es nicht erwarten die Mitte des Parks zu erreichen und schon sprudelte es aus ihr heraus: “Du, was ich entdeckt habe ist so unfassbar, dass ich es selber nicht glauben kann. Ich schöpfe doch schon die ganze zeit verdacht, dass hier etwas nicht stimmen kann, diese seltsamen therapeutischen Methoden, die Isolation, die seltsamen Krankheitsbilder, die seltsame Reaktion auf Nachfragen.“ Sie schnappte nach Luft.




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  RE: Sunday morning coming down Datum:26.02.07 09:23 IP: gespeichert Moderator melden


Natürlich stimmt hier gar nichts, wenigstens jemand, der auch zu dieser Erkenntnis kommt. Die Pause wurde gefüllt von dem Prasseln des Regens, der einen ganz besonderen Klang durch den Aufprall auf das Cape und Claudias Gummiblouson bekam, verfremdet durch die über meinen Helm gezogene Kapuze. Die geschlossene Wolkendecke, an der sich die Regenwolken an Düsternis überbieten wollen, fügte sich dieser Symphonie für Percussion-Instrumente und Fichtenrauschen hinzu – endzeitig. Mir schauderte es, ich fröstelte nicht nur an den mir fühlbaren Teilen meines gefangenen Körpers.

Claudia hatte sich wieder gesammelt. Und erzählte mir atemlos von ihrer Entdeckung bei Niermeier. Niermeier hatte sie zu einem Tässchen Kaffee in sein Büro geladen, um sich wieder etwas näher zu kommen, weil man ja sich jetzt so wenig sehen würde, da er keine Zeit mehr für die gemeinsamen Spaziergänge mit der Lieder fände. Claudia wollte sich nicht unbeliebt machen und suchte nach ihrem Feierabend Niermeier auf. Nach der Trennung von Mike hatte sie einiges an Freizeit hinzugewonnen und sie versprach sich davon auch mehr als privates Geplauder, sondern auch Antworten auf fachliche Fragen, bei denen ihr bisher ausgewichen wurde.

Niermeier hatte noch Besuch und so überbrückte sie die Wartezeit mit einem kleinen Schwätzchen mit Frau Miesges, der Assistentin von Niermeier, die er nach Tiefenthal mitgebracht hatte. Frau Miesges lechzte förmlich nach Anerkennung und verzichtet auch nicht darauf mehrfach zu wiederholen, dass auch sie Ärztin ist und wie wichtig ihre Unterstützung für Niermeiers Karriere ist.

Ich hatte Frau Miesges nur einmal bei einer Visite gesehen, aber viel mehr als ihr verkniffener Mund war mir nicht in Erinnerung geblieben. Claudia schien diesen langatmigen Vorspann zu brauchen, um sich zu sammeln, mich aber strengte das Zuhören an, sich sprach zwar konzentriert, aber auch sehr leise in verschwörerischen Ton, der sich gegen die auf meinem Cape aufschlagenden Tropfen kaum durchsetzen konnte. Endlich kam sie zur Sache. Die gepolsterte Tür öffnet sich und Niermeier geleitete seinen Besuch zur Verabschiedung auf den Flur, zwei Herren, einer etwa Mitte fünfzig und mit vollem grauen Haar, der andere um einiges jünger, allerdings schon mit angehender Glatze, beide mit im klassischen Business-Stil gekleidet, dunkelblaue Anzüge und graue Trenchcoats.

Niermeier kam zurück und klatschte angesichts von Claudia die Hände, orderte bei Frau Miesges frischen Kaffee und wies Claudia in der gepolsterten Sitzecke einen Platz an. Nach ein paar Minuten Smalltalk erschien Frau Miesges mit dem Kaffee in der Tür und teilte ihm mit, dass einer der Besucher vom Parkplatz aus angerufen hatte, dass er eine Unterlage vergessen hatte. Geschäftig sprang Niermeier auf, schnappte sich von seinem Schreibtisch einen grüne Kladde, entschuldigte sich kurz und verschwand. Claudia nutzte die Zeit um sich etwas die Beine zu vertreten und schien dabei an den Computertisch gestossen zu sein, auf alle Fälle gab der Screensaver den Blick auf einen Forschungsbericht frei.

Claudia war etwas überrascht, wollte aber schon weitergehen und schaute erst nur mit halbem Auge hin, aber es kam ihr merkwürdig vor. Der bericht erfolgte im Auftrag einer „Internationale Meßtechnik" Import-Export-GmbH und enthielt Daten, die mit Sicherheit zur ärtzlichen Schweigepflicht gehörten. Eilig scrollte Claudia den Text durch – es war wirklich wahr – Tiefenthal führte Medikamentenerprobung im Auftrag dieser ominösen Firma durch, zum größten selbstentwickelte, aber auch welche von Südwest-Pharma, dem größten Medikamentenhersteller der Region. Ich war als Probantin 028 geführt, Eva als 032, womit auch deren exorbitante Gewichtszunahme erklärt war.

Sie eilte wieder zur Sitzecke und versuchte sich zu entspannen, nur nichts anmerken lassen. Glücklicherweise sprang der Screensaver zurück, bevor Niermeier auftauchte. Claudia akzeptierte seine blumigen Entschuldigungen und ließ ihn die weitere Zeit das Gespräch führen. Um keinerlei Verdacht aufkommen zu lassen ließ sie ihn im Ungewissen, interessiert, aber distanziert war die Marschroute, um nach einer Stunde banalem Gedankenaustausch Niermeier unverrichteter Dinge zurückzulassen.

„Damit kommen die nicht durch“ platzte es nach Beendigung dieses explosiven Berichts aus ihr heraus und jetzt öffnete auch sie ihre Schleusen, als wäre es hier nicht feucht genug. Meine Wut wurde durch mein Mitleid mit diesem orangen-nassglänzende Bündel Elend gebändigt, für das zum zweiten Mal in kurzer Zeit die heile Welt erschüttert wurde. Erst die Trennung von Mike, jetzt der Glaube an das Gute in der heilenden und helfenden Zunft, der ich verdanke, das ich sie nicht trösten konnte, nicht in den Arm nehmen konnte, noch nicht einmal tröstende Worte artikulieren konnte, selbst das Gesabbere wurde vom Regen weggespült.

Sie streichelte mir die Wangen und fuhr mir mit dem Zeigefinger über die feuchten Lippen: “Du Arme, wie kann man so was einem Menschen antun, wie viel Eitelkeit und Geldgier muss in denen stecken.“ Ich riss mich zusammen, die Zuneigung und die Berührungen irritierten mich, außerdem befürchtete ich, dass zuviel Nähe auch für Claudia gefährlich werden konnte. Sie schüttelte die Pfütze aus, die sich über meinem Schoß auf dem Cape gebildet hatte und setzte mich wieder in Bewegung.

Mir hämmerte es im Kopf, wir brauchen einen Plan, alleine kann Claudia das nicht bewältigen. Ähnliches schien sie auch zu beschäftigen: „Was machen wir denn jetzt ?“ „Wir“ ist natürlich gut, ich konnte noch nicht einmal eine Antwort auf diese Frage geben. „Kennst Du jemand, dem du hundertprozentig vertraust ?“ Natürlich, Anne und Einstein, ich nicke so heftig mit dem Kopf, dass mir die Kapuze verrutscht und heb die rechte Hand an. „Los, her mir der Telefonnummer“, erst korrigierte sie meinen Kopfputz , dann nestelte sie aus der Känguruhtasche ihres Blousons ein Notizbuch und einen Kuli.

Wie sollte das jetzt gehen ? Mit den Säcken um die Hände konnte ich wohl schlecht schreiben und wenn sie mir eines davon abnehmen würde, wäre das zu auffällig gewesen . „Du hebst jetzt für jede Ziffer langsam so oft die rechte Hand, wie die Zahl ausmacht. Wenn Du mit einer Ziffer fertig bist, hebst Du die linke Hand. Ich zähle laut mit, wenn ich mich verzählt habe schüttelst Du heftig den Kopf.“ Genial einfach, jetzt volle Konzentration. Es klappte tatsächlich auf Anhieb. „Und jetzt noch den Namen. Ich buchstabiere und beim richtigen Buchstaben hebst Du die Hand.“ Von dem A abgesehen, das, weil es so früh kam, einen zweiten Anlauf brauchte, lief das auch perfekt.

Jetzt war aber die Zeit so weit fortgeschritten, dass sie mich wieder abliefern musste. Sie verabschiedete sich betont kühl von mir.

"Wir kommen langsam zum Ende." Doktor Schweizer rei?t mich aus meinen Erinnerungen. ich spüre mein Herz rasen, hat Claudia Anne erreicht und wie hat Anne reagiert ? Haben sie einen Plan ?

Teil 15

Ganz ruhig, Christina, sonst vermasselst du mal wieder alles. Gemächlich fülle ich noch eine Wundertüte, zieh den Papierstreifen ab und klebe sie sorgfältig zu. Schweizer sieht mich an und zieht dabei die Augenbrauen hoch als hätte er etwas Gewichtiges zu sagen „Frau Lieder.“ Es folgt eine Pause. Sehr stilvoll, Herr Doktor, ich bin beeindruckt.

„Sie haben hier die einmalige Chance in einer der modernsten Kliniken Deutschlands nicht nur Hilfe zu finden, sondern auch ein großes Stück Weg zu ihrer Rehabilitation zu gehen. Aber es liegt in ihrer Hand. Solange Sie sich verweigern, wird es keinen Fortschritt geben und sie lassen noch nicht einmal den Ansatz von Willen erkennen, irgendetwas zu verändern. Selbst wenn ihre psychosomatisch bedingte körperliche Einschränkung eine Heilung Erfahrung würde, was auch nicht ohne Ihr Zutun gelingen kann, ist es eine große Anforderung das Fundament für ein neues Leben zu legen.“ Si, Dottore, das war das Adagio, gehen wir doch gleich weiter zum Fortissimo.

„ Sie haben sich ja wunderbar eingerichtet und genießen ihre Rolle als Pflegefall mit Rund-um-die-Uhr Betreuung und Full-Service.“ Bitte nicht den Füll-Service vergessen und abschmieren, nachölen und Unterbodenschutz. Lediglich die Hupe und der Navigator machen noch etwas Probleme. Und jetzt auf zum Grande Finale - soziale Verwahrlosung, latente Gewaltbereitschaft, Gefahr für die Öffentlichkeit. Dottore Schweizer enttäuscht mich nicht, niemals. Noch ein Hinweis auf Eva, die ich mir zum Vorbild nehmen soll, die ihren Selbstfindungsprozess in Angriff genommen hat und zurück in die Gesellschaft als wertvollen Bestandteil finden wird. Davon bin ich überzeugt, zumindest spielt sie jetzt eine gewichtige Rolle. Zum Glück bleibt mir wenigstens das erspart, lieber Krüppel als fett. Ich erschrecke über mein eigene Bösartigkeit.

Doktor Schweizer Gesichtszüge nehmen wieder Normalmaß an, allerdings wird mir von einem dienstbeflissenen Pfleger die Glasbausteinbrille abgenommen und meine Umgebung verwandelt sich in milchige Helligkeit, lediglich Eva in ihrer roten Kostümierung ist wie ein Fettfleck wahrnehmbar, ich schließe die Augen und lasse mich bereitwillig von meinen dienstbeflissenen Sklaven in meinen Palast zum Service rollen. Es wird jetzt eine weile Dauern, bis die Prinzessin bereit ist von ihrer Hofdame zum Ausritt abgeholt zu werden.

Niermeier und Frau Molders persönlich sind heute zur TÜV-Abnahme gekommen und inspizieren mit deutscher Gründlichkeit die Wartungsarbeiten. Ich bin wirklich sozial verwahrlost und ohne Schamgefühl, es stört mich nicht mehr im geringsten mit weit gespreizten Beinen meine intimsten Stellen zu präsentieren und in meinen Innereien wühlen zu lassen. Niermeier stört sich an ein paar Rötungen und weist die Pfleger zu mehr Aufmerksamkeit an und erkundigt sich nach dem Termin der letzten Darmspiegelung. Das ruft dann doch meinen Unmut hervor. Das ist unangenehm, vor allen Dingen weil durch die durch die vorhergehenden Einläufe schmerzhafte Krämpfe ausgelöst werden.

Anscheinend geht das Forschungsinteresse dann doch nicht so weit mir diese Gefühle zu ersparen oder es beabsichtigt. Nein, beruhige ich mich, sie sind nicht wirklich Sadisten, zum Quälen hätte sie weitaus größere Möglichkeiten. Niermeier legt den Termin für Freitag fest, ein Datum, dass mich jetzt nicht gerade großartig interessiert, da ich noch nichteinmal genau weiß in welchem monat wir uns befinden, geschweige denn den Wochentag. Ich vermute, es ist Mitte Mai, der Sonntag, der alles änderte war Ende September, zwei Wochen vor meinem Geburtstag. Wenn mir niemand ein Ständchen bringt, muss ich es wohl selber machen.

Roody Doody do, Roody doody di day
Roody Doody dum a Reedy deedy do dee
There´s no one to hear me, there´s nothing to say
& no one can stop me from feeling this way
Lazy sunday afternoon
I got no time to worry
I close my eyes & drift away

Genug gesummt, wo bleibt Gräfin Claudia und sorgt für bessere Kurzweil ? Das TÜV-Team übergibt mich den Mechanikern und geht ab mit Gruß. Routiniert werde ich verpackt, zumindest stehen alle Zeichen positiv, dass der Ausritt nicht ins Wasser fällt. Wie ist eigentlich das Wetter, ich habe beim Wundertütenfüllen gar keine acht gehabt und ohne meine Zauberbrille kann ich nun mal nichts sehen. So jetzt noch die Säckchen um die Hände, damit ich niemand kratze, was allerdings mit den bis an die haut heruntergeschnittenen Fingernägeln nahezu unmöglich ist.
Einer der Pfleger schreitet zur Krönung und setzt mir den Deppenhelm auf.

Ob mich mein Traumprinz auch so lieben würde. Schatz, ich liebe dich so wie du bist. Es macht mir gar nichts aus, ob Du dich vollpisst oder in die Windeln scheißt, Dein Gummicape vollsabberst oder mich mit Deinen Glasbausteinen anglotzt, Du hast wenigstens etwas auf dem Köpfchen und für mich zählen nur die inneren Werte und Deine Ehrlichkeit und Dein guter Charakter.

Ein orangener Fleck in der Tür signalisiert Ausgang, ich werde nervös, aber die angespannte Vorfreude überwiegt.

„Hallo, Frau Lieder. Jetzt geht es noch ein bisschen an die frische Luft. Das ist ja nichts, den ganzen Tag eingesperrt zu sein.“ Du sagst es, Claudia. Das ist gar nichts, da ist es mit dem Rollstuhl herumgeschoben zu werden doch weitaus besser. Sie rückt mein Cape zurecht und lässt uns von einem Pfleger bis zum Ausgang geleiten. Es ist wunderschön, ein milder Windhauch umschmeichelt mich, der Regen ist fein und wirkt auf meiner Haut wie ein Erfrischungsspray. Ich lasse es auf mich wirken und warte was Claudia zu berichten hat. Endlich setzt sie mir meine Brille auf und streichelt mir dabei wie unbeabsichtigt über die regenfeuchten Wangen. Mir wird bei dieser kleinen handlung wohlig warm.

Der Sprühregen schenkt ihrem Blouson feuchten Glanz, sie schlägt ihre Kapuze über die braunen, durch die Nässe sich kringelnden Locken. Nur nicht sentimental werden, meine Haare werden wieder nachwachsen, schöner und länger denn je, wenn ich hier raus bin ist auch Schluss mit den Elektroden, die ich seit ein paar Tagen jede Nacht zur Überwachung meines Schlafes auf den kahlen Schädel geklebt bekomme, vorherige Nassrasur inklusive. Mir wird es unter die Gummicape schwül, das feste gummiert Krankenhemd tut ein weiteres dazu. Claudia scheint ähnliches zu fühlen, aber im Gegensatz zu mir kann sie sich durch Herunterziehen des Reißverschlusses etwas Frischluft im orangefarbigen Ungetüm verschaffen

Endlich hebt sie an um das Wort zu ergreifen, ich wäre fast vor Neugierde explodiert: „Ich habe Einstein kennen gelernt. Das ist ja ein richtig süßer Kerl, der alte Herr.“ Ich weiß, Einstein hat es drauf, Frauenherzen im Sturm zu erobern, aber das will ja gar nicht wissen. Claudia ist immer so ausschweifend anstatt gleich zum Kern zu kommen. Sie hat sich mit Anne an meinem Pavillon verabredet und ihr von ihrer Entdeckung geschildert. Anne war allerdings nicht all zu sehr überrascht, sondern fühlte sich in ihren schlimmsten Befürchtungen bestätigt und hatte auch schon etwas herumrecherchiert, war aber nicht wirklich weiter gekommen. Auch meine Eltern hätten Verdacht wegen des plötzlichen Besuchsverbots geschöpft und Claudia will sie demnächst besuchen.

Nachdem sie sich gegenseitig beschnuppert und für in Ordnung befunden hatten, sprach Anne noch eine Einladung auf einen Kaffee aus, um in Ruhe einen Plan auszuhecken. “Mir wahr es vor allen Dingen wichtig mehr über diese Import- Export Firma zu erfahren und da haben wir die halbe Nacht im Internet herumgesucht, aber nur wenige Anhaltspunkte gefunden. Die haben es aber in sich.“ Sie macht eine Pause und zieht eine Schachtel Marlboro aus der Brusttasche ihre Blousons. Ah, die gute Anne hat an alles gedacht, frohlockt es in mir. „Anne hat mir aufgetragen, Dich zu vergiften.“

So kann nur eine militante Nichtraucherin sprechen und sichtlich angeekelt zündet sie sich etwas unbeholfen eine Zigarette an, zieht zweimal, hüstelt, reibt mir den Mund trocken und endlich – Genuss ohne Reue – begleitet mit einer Symphonie aus Husten und Gesabbere, ich bin es wirklich nicht mehr gewohnt. „Wir sind auf eine Spur bei der IMES gestoßen, die eine wahrscheinliche Verbindung zu ehemaligen Stasi-Mitarbeitern hat“. Wie bitte ? Hat Anne in die Marlboro was reingemischt ? Wie kommt man auf so was ?

„Wir sind beim herumgooglen auf die Seite vom langen Hans gestoßen und der erwähnt die IMES.“ Auf einen Schlag bin ich voll bei der Sache, jetzt brauche ich einen kräftigen Zug und zwar nicht aus der Zigarette, sondern aus einer Flasche, egal was, Hauptsache hochprozentig. In Ermangelung dessen lässt mich Claudia nochmals ziehen. Der lange Hans ist seit vielen Jahren die graue Eminenz in allen Fragen, die eigentlich nicht gestellt werden dürfen. Aufenthaltsort: in der Regel unbekannt, man munkelt Mallorca, Toskana, Schottland, Norwegen. In unregelmäßigen Abständen erscheint im Internet eine Recherche von ihm, Waffenschieberei, Parteispenden, Korruption, Geheimdienste, er tritt der Wirtschafts- und Politprominenz genau dorthin, wo es richtig weh tut.

„Und jetzt halt dich fest.“ Gerne, ich tue seit Wochen nichts anderes. „Rate mal, wer als Geschäftsführerin eingetragen ist ?“ Ich liebe zwar Ratespiele, aber so richtig kann ich wohl jetzt nicht mitspielen, außerdem ist mit Google jeder schlau. „Margot Weller.“ Die Fragezeichen in meinen Augen sind unübersehbar. Was ist daran jetzt so sensationell ? „Frau Ellen Schwäble ist eine geborene Weller und Margot ist die Frau ihres Bruders, also Torstens Tante.“ Nette Familie, der Clan wird mir sicherlich noch viel Freude bereiten. Das leichte Schwitzen, dass ich bisher als gar nicht so unangenehm empfunden habe, erfriert mich. „Und es kommt noch toller.“

Claudia vergewissert sich, dass sich wirklich niemand in der Nähe beugt und beugt sich an meinen Kopfschutz. „Imes ist ganz massiv im Handel mit Embargogütern an Diktaturen verwickelt, schreibt zumindest der lange Hans“. Und was hat das jetzt mit mir zu tun, bin ich jetzt ein Embargogut? „Dazu gehören auch Psychopharmaka“ klärt mich Claudia auf. „Und Du bist das Versuchskaninchen.“

Scheiße, ich bin nicht nur ein Versuchskaninchen, sondern total bescheuert. Warum bin ich da nicht früher darauf gekommen. Der HELM. Der ist mit Sicherheit verwanzt. Ich war schon ganz überrascht, dass die Bande mich trotz des Vorfalls mit Maria jetzt unbeaufsichtigt mit Claudia durch die Gegend ziehen lässt, dabei ist das beabsichtigt. So sind sie jederzeit informiert, wer was in meiner Angelegenheit übernimmt, zumindest sind sie auf meinem Wissensstand. Ich muss Claudia warnen, vergiss die Neugier, denn sie setzt bereits zur Fortsetzung an. Ich röchele , spucke, ringe nach Luft, verdrehe die Augen.


Ich bin überzeugend, so überzeugend, dass Claudias rosige Gesichtsfarbe auf kalkweiß wechselt und das blanke Entsetzen in ihren Augen steht: “Um Himmelswillen, Christina, was ist los ?“ Ich gebe mit feinem Lächeln Entwarnung, und rolle die Augen in Richtung Helm, zumindest versuche ich das gar Unmögliche, mit Mimik und äußerst verhaltener Gestik, darauf aufmerksam zu machen, dass es jetzt vielleicht besser wäre, die Klappe zu halten, wenn es nicht gar zu spät ist. Claudia versucht sich durch analytische Fragetechnik den Gründen meines Anfalls zu nähern.

“ Hast Du Dich verschluckt ?“ Wedeln mit der linken Hand signalisiert, dass sie sich gerade auf völlig auf dem Holzweg befindet, wenn ich schlucken könnte, müsste ich hier jetzt nicht die Sabbertante spielen. Ich schüttele den kopf, nicke auf und ab, drehe nach rechts und links. „Aha, es ist was mit deinem Kopf ?“ Das ist schon viel besser, dafür gibt es eine Belohnung. Ich hebe entspannt rechts an. „Dein Kopfschutz ?“ Claudia , du bist ein Genie, dafür gibt es ein Winken mit rechts. Sie mustert mich, kombiniert und atmet von Herzen kommend auf.

„So viel scheinst Du von meinen kriminalistischen Fähigkeiten nicht zu halten ?“ Wie sollte ich auch, dann gib mal eine Kostprobe, alte Kriminalistin. „ Du denkst im Ernst, wir würden abgehört ?“ Brav, rechte Hand. „Du hast recht“. Was? Und da bleibt die dabei so locker ? „Aber das ist erst noch in Planung, der Kopfschutz ist zwar tatsächlich dafür vorbereitet, aber es fehlt noch das Empfängermodul für die Leitwarte. Das kommt erst nächste Woche. Deswegen durfte ich dich am Anfang nicht alleine mit herauszunehmen, aber der Niemeier hat mich durchgecheckt und auf Linie gebracht, meint er zumindest und hält mich für vollkommen loyal, zumal ein gewisses Interesse nicht verleugnen kann. Natürlich würde er liebend gerne uns etwas Gesellschaft leisten, aber er ist ziemlich im Stress wegen eines Forschungsberichts. Dann hatten sie sich überlegt mir noch einen anderen Pflege zur Begleitung aufzudrängen, sind aber zu knapp mit Personal. Warum sie es nicht ganz gestrichen haben ? Da kann ich auch nur rätseln, vielleicht brauchen sie für die Probantin 028 etwas natürlichen Sauerstoff in der Lunge. Zumindest ist ihnen das sehr wichtig.“

Ich plumpse, gezogen von sämtlichen Steine, die sich von meinem Herzen gelöst haben, in die Tiefen meines Rollstuhls.

Das Leben kann so schön sein. Dann darfst du natürlich weitererzählen, Columbo. „Aber Du hast recht, wir müssen vorsichtig sein, deswegen versuche ich so unauffällig wie möglichst viele Informationen zu sammeln. Aber die Zeit drängt, nächste Woche kann ich Dich dann nicht mehr informieren, sondern muss Dir gegenüber so reserviert wie möglich sein, auch bei unseren Ausflügen.“

Die anteilnehmende Wärme in ihren braunen Augen taut meinen erfrorenen Körper auf. „Und das fällt mir sicherlich schwer“, fügt sie leise an und tupft mir sorgfältig meinen Sabber weg. Da schwingt ein besonderer Klang mit, frei von Mitleid, sondern liebevoll, zärtlich. Mir wird schwindelig, bekämpfe die aufkeimende Begierde, die Lust auf Zärtlichkeit, ich will ihre Lippen spüren, ihre vorsichtig tastende Zunge, die sich ihren Weg bahnt und ich nachgebe, sie ist mir so nah, und doch unerreichbar, ich spüre, dass sie ähnlich innerlich zerrissen ist, aber ihre Vernunft siegt.

Abrupt, gezogen von unsichtbarer Hand, tritt sie einen Schritt zur Seite, obwohl es schon länger nicht mehr nieselt, behält sie Kapuze auf. Nervös greift sie sich die Marlboro-Schachtel und das Feuerzeug aus dem Brustbeutel und reicht mir nach kurzem Paffen die Ziggi an die Lippen. Mir ist eigentlich gar nicht nach Rauchen, aber weiß ich, wann es wieder mal was gibt. Durch dieses unbeholfen wirkende Ritual ist der Anlass zur Rückkehr zu unserem Thema gekommen.

„Wie geht es weiter ? Wir haben Mittwoch, morgen muss ich an die Uni, am Freitag ist deine Koloskopie, so können wir uns erst wieder am Samstag sehen. Am Sonntag dürfen Dich Deine Eltern wieder besuchen, ich habe von Niermeier gehört, dass sie alle vier Wochen kommen dürfen, aber nur sie und ab Montag ist wahrscheinlich das Modul installiert. Ich kann dir also weitere Infos, wenn sich nichts Einschneidendes ändert, nur am Samstag geben. Wir haben eine Mail an den langen Hans geschrieben, vielleicht setzt er sich mit uns in Verbindung, die Chance ist zwar nicht gerade groß, aber was sollen wir sonst tun. Um zur Polizei zu gehen, reichen die Verdachtsmomente nicht aus, zumal sich die Staatsanwaltschaft nicht gerade auf deiner Seite ist und Anne traut deinem Rechtsanwalt rein gar nichts zu.“

Da hat sie recht, aber wo sollten meine Eltern einen Rechtsanwalt finden, der sich mit Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen auskennt. „Also setzen wir auf den langen Hans, vorerst mal, zumal er sowohl eure Mütter ganz gut kennt. Das ist wohl wahr, meine Mutter bekommt immer einen ganz melancholischen blick, wenn der Name fällt. Der lange Hans, ich fass es nicht, der dürfte jetzt Ende fünfzig sein und hat sich in den zwanzig Jahren, die ich von seiner Existenz weiß, kaum verändert, zwei Meter spindeldürr, riesige Hakennase, lediglich der akkurat geschnittene Bart und die zum Pferdeschwanz gebundenen langen Haare sind mittlerweile grau, zumindest hatte er diesen albernen Pferdeschwanz als im Fernsehen ein Bericht über ihn kam.

Mir kribbelt es vor Spannung wie mir auch bewusst ist, dass das nur ein Grasbüschel an Hoffnung ist, an den ich mich jetzt klammere. Claudia gönnt mir noch einen letzten Zug und verbuddelt die Stummel und evakuiert die Filterreste mit der spitze ihre Gummistiefels unter der Hecke. Es ist so schwülwarm und unter meine Gummischichten entwickelt sich tropisches Klima, der Schweiß läuft mir übers Gesicht, brennt mir in den Augen, mein Körper ist klatschnass. Claudia befreit mich von der über meinen Kopfschutz gespannten Kapuze, was aber nur kaum merkbare Erleichterung bringt und trocknet mir das Gesicht.

Dann erst windet sie sich aus ihrem orangenen Ungetüm, faltet es sorgfältig zusammen und wurstelt es in die Netztasche an der Rückenlehne meines Rollstuhls. Ihre Brustwarzen zeichnen sich durch die durchgeschwitzte Bluse trotz BH deutlich ab, die kleinen harten Nippel, die vorwitzig auf sich aufmerksam machen, wollen so gar nicht zu der nüchternen , spießigen Claudia passen. Ich habe anscheinend keine andere Sorgen als andere Frauen auf den Busen zu starren, sie wird verlegen, als sie bemerkt, was meine Aufmerksamkeit so fesselt.

Sie ringt nach einem ablenkenden Thema und setzt an, kann aber nicht verhindern, dass sich ihre Haut tomatenrot verfärbt :“Noch etwas ernstes, ich werde nur noch nächste Woche kommen, dann fahre ich drei Wochen mit meinen Eltern in Urlaub. Das ist schon lange geplant, auch wenn ich es jetzt gerne ändern würde, aber ich denke, es ist das beste, wenn wir uns so normal wie möglich verhalten.“ Es trifft mich wie ein Blitz, mehr noch als all die Horrorgeschichten, die sie vorher erzählt hat, wie soll ich das jetzt aushalten?

Ich kämpfe erfolglos gegen meine Tränen an, resigniere, Sabber, Schweiß und Tränen, meine Fassade der coolen Lässigkeit ist eingestürzt, der unvermutete erotische Kick, den der Anblick ihrer harten Nippel ausgelöst, wird durch diese punktgenau gesetzte Bemerkung zertrümmert und ich auf das reduziert, wozu ich gedacht bin, ein Versuchskaninchen, besser ein Versuchsschwein, ein schwitzendes, sabberndes, in Gummi verpacktes Schwein, dass sich im eigenen Saft, seiner Pisse und Scheiße wälzt, vor sich hin stinkt, unfähig seine eigene Erregung zu fühlen, dafür aber seine perversen Fantasien auf die einzige greifbare mitleidige Person projiziert.

Ich fühle mich innerlich so schmutzig wie meine vollgeschissene Verpackung um meine so leblose wie überflüssige, vormals erogene Zone.

Mir wird bewusst, dass ich begonnen habe, mich über Claudia zu definieren, sie als die Vollstreckerin der Handlungen zu betrachten, die ich durchführen würde , wenn ich nur könnte. Aber so ist der Anspruch auf meine eigene Handlungsfähigkeit genauso Illusion wie meine Hoffnung auf körperliche Nähe mit ihr.
Wie konnte ich mich überhaupt in den Wahn versteigen, dass Claudia für mich mehr empfindet als Mitleid, verstärkt durch die von ihr aufgedeckten Ungeheuerlichkeiten, die gegen ihren Gerechtigkeitssinn laufen? Wie konnte ich überhaupt vermuten, dass sie mich als menschliches Wesen, als Frau, sieht, selbst meine weiblichen Gesichtszüge, die von dem dicken gepolsterten Kopfschutz umrahmt sind, werden durch die dicke Brille entstellt. Könnte ich etwas für eine Frau empfinden, die völlig unfähig ist ihren Körper zu kontrollieren, die ich saubermache, die vollgekackten Windeln wechsle und ansonsten vor sich hinsabbert.

Ich glaube, das würde mich sogar bei Anne anekeln und jeden Anflug von Lust im Keim zerstören, obwohl Anne mir doch so vertraut ist wie keine andere Frau, wie niemand anders auf der Welt, Anne, die von der früher mal vorhandenen Empfindlichkeit meiner Nippel wusste, die sie als Bonduelle Erbsen extra fein neckte, die es liebte, wenn ich mit heißem Atem ihren Kitzler behauchte. Die jahrelange Vertrautheit gab unseren Berührungen eine Selbstverständlichkeit, die fernab von Sex lag und auch niemals bei mir den Gedanken aufkommen ließ, dass wir in lesbischer Liebe miteinander verbunden sind, eine Prinzessin braucht eine Prinzen, darunter tut sie es nicht.

Claudia ist aber kein Prinz, noch nicht einmal Prinzessin, die Inkarnation des kumpelhaften Typs, eine blödsinnige Phrase, die mich auf die Palme bringt, wenn sie auf mich angewandt wird. Sie schreibt sicher feinsäuberlich jede Vorlesung mit und fotokopiert auch noch ihre Ausarbeitungen für die anderen Kommilitonen, wenn die mal was Besseres vorhaben. Wer sich schon jemand wie den Schnösel Mike als Lover aussucht, kennt gleichgeschlechtliche Erotik nur aus „Verbotener Liebe“, wobei ich ihr mehr die „Lindenstraße“ zutraue, wenn sie überhaupt Ihre wenige Zeit vor der Glotze verschwendet.

Mir kullern Tränen die Wangen herunter, die sie aufmerksam abtupft und bei der Gelegenheit auch das Kinn abwischt. Das Brennen und Jucken meines verschwitzten kahlgeschorenen Schädels unter dem Polsterhelm wird unerträglich.

„Bitte weine doch nicht jetzt auch noch, das macht es mir noch schwerer. Ich bin doch nicht aus der Welt und komme doch wieder zu Dir zurück. Aber ich brauche auch etwas Abstand, ich muss meine Gefühle sortieren, die völlig durcheinander sind. Ich will Dich kennen lernen, wie Du wirklich bist, ich weiß mir über Dich als du Dir vorstellen kannst, ich habe Deine Akte studiert, mich mit Anne ausführlich unterhalten, ich bin aber nicht im klaren darüber, was ich für Dich empfinde, aber es ist mehr als Mitleid, viel mehr.“ Ihre Augen bekommen einen glasigen Schimmer, bitte, bitte, fand Du jetzt auch nicht an zu heulen. Eine Heulsuse reicht und das bin ich, ich habe mehr Rechte an dieser Rolle.

„Wir müssen zurück, am Samstag erzähle ich Dir wie weit wir gekommen sind, dann aber wird es schwierig. Du brauchst dich aber nicht zu wundern, wenn ich nächste Woche nur über allgemeine unverfängliche Dinge mit Dir spreche, Frau Lieder.“ Sie nötigt sich ein Grinsen bei dieser formellen Anrede ab. „und ich bleibe auch während meines Urlaubs mit Anne in Kontakt, sie ist ja auch wild entschlossen Dich hier herauszuholen.“ Eine Gruppe der Gelben zieht mit Schubkarren, Harken und Spaten an uns vorbei, ich merke ihnen an, das ihnen in ihren PVC-Anzügen jetzt schon warm ist, bevor sie überhaupt einen Handschlag getan haben, während mir die Rückkehr in mein vollklimatisiertes Heim die ersehnte Abkühlung bringen wird. Trotzdem würde ich gerne tauschen.

An der roten Tür warten schon zwei Pfleger um mich in Empfang zu nehmen, Claudia legt hat sich mittlerweile den roten Blouson über den Arm gelegt , wechselt mit den Pflegern noch ein paar Worte, über das Wetter und dass es besser wäre mich abzuduschen, bevor ich versorgt werde. „Bis Freitag, Frau Lieder“ und sie ist aus meinem Blickwinkel verschwunden.

Diesmal geht es nicht gleich auf mein Zimmer, sondern ich werden erst für ein paar Minuten in den weiß gekachelten, fensterlosen Waschraum abgestellt. Glücklicherweise gibt es hier keine Spiegel, es bleibt mir also erspart mit meinem jämmerlichen Anblick konfrontiert zu werden. Die Herren sind mit dem Ankleiden fertig, mit den weißen Gummischürzen und den dazu passenden klobigen Gummistiefel erinnern sie mich mehr an Metzger in der Wurstküche als an hochqualifiziertes Pflegepersonal. Erst nach sie sich spektakulär dicke Gummihandschuhe, die fast bis an die Ellenbogen reichen, übergezogen haben, werde ich von dem Deppenhelm und dem Cape befreit, mein Gummihemd klebt mittlerweile an meinem Körper fest, aber mit einem kräftigen Ruck wird auch diese kleine Problem gelöst, ein kurzer Schmerz an meinen noch berührungsempfindlichen Hautteilen, manchmal ist es auch doch nicht so verkehrt an den Brustwarzen kein Gefühl mehr zu haben.

Routiniert werde ich in ein überdimensioniertes Spülbecken gehoben, schockiert stellen meine heißen Schultern und mein kahlgeschorener Kopf die Berührung mit dem kalten Metall fest, meine roten Gummischuhe und Thrombosestrümpfe fliegen achtlos auf den Boden. Während mich einer der Metzger an den Handgelenken mit den fest installierten Halterungen aus durchsichtigem Plastik fixiert, macht sich der andere naserümpfend an Gummihose und Windeln zu schaffen. Es stinkt bestialisch. Selber schuld, das habt ihr in mich hineingefüllt, ihr hättet ja auch was Wohlriechenderes nehmen können.

Das müssen wirklich Metzger sein, so grob wie die mit mir umspringen, schon die Vorbereitung hat es in sich, wenigstens ist der Wasserstahl aus der am Schlauch montierten Sprühpistole nicht so scharf eingestellt, als er mein Gesicht trifft, dafür scheint es unten herum härter zur Sache zu gehen, aber da kann ich nicht wirklich ein qualifiziertes Urteil abgeben. Es ist ja auch nicht gefragt, immerhin erweisen sich bei dem Geplansche die Gummischürzen als sehr sinnvoll. Metzger A hebt meine Beine zur Kerze, lediglich meine festgebundenen Hände und meine Glatze bleiben in Berührung mit dem Metallbecken. Metzger B verschärft den Strahl, was ich mit leichter Errötung quittiere.

Das war also der Vorwaschgang, jetzt ist Schaumreinigung dran, sie gefallen sich in ihrer Gründlichkeit, allerdings auch in ihrem Sprachwitz, während sie mich zur Ähnlichkeit mit gekochten Hummers hochbürsten. Ja, so ein rasiertes Schneckchen fasziniert das einfache Gemüt, allerdings scheint die Vorstellung einer gefühllosen Vagina nebst desinteressierten Klitoris die Herren von der Schlachterinnung zu überfordern. Das ist zuviel für die tollen Kerle, die bisher jede Frau zum Orgasmus gebracht haben, glauben sie zumindest. Wenn ich ihnen jetzt einen vortäusche, würden sie vermutlich vor Stolz platzen, also lass ich das, wir wollen ja fertig werden.

Aber auch das launigste Stündchen findet mal sein Ende, abspülen, trockenrubbeln, einschmieren, sprayen, fertig. Da habe ich wohl zu früh aufgeatmet, nach galantem Wechsel der Gummihandschuhe in ein schlichteres Modell wedelt Metzger A die Rasierschaumdose und will mir vermutlich mit einer Vorführung imponieren, die er drittklassige Barkeepern abgeschaut hat. Das musste natürlich in die noch nicht vorhandene Windel gehen und die Dose fliegt durch die halbe Wurstküche. Ohne meine Brille verpasse ich sowieso den größten Teil der Show, das sollte ihm eigentlich bewusst sein, wenn er bei mir Eindruck schinden will.

Ich hasse dieses tägliche Ritual und finde es demütigend und entwürdigend, es ist das Sahnehäubchen auf all die anderen Perversionen, die mich zu Versuchsschwein degradieren. Es ist wie dieser abscheuliche Polsterhelm und die Glasbausteinbrille so offensichtlich, so entstellend, zumal ich durch eine permanente Kopfhautreizung immer wieder daran erinnert werde und ich nicht in der Lage bin mir durch Kratzen etwas Linderung zu erfahren. In Kombination mit dem Deppenhelm wird es gelegentlich unerträglich, glücklicherweise kann ich in meinem Salon das Haar offen tragen. Viel ist ja nicht abzuschaben und Metzger B kommt zur rechten Zeit, um die letzten Handgriffe des Figaro zu bewundern, bepackt mit dem letzten Schrei für die nächtliche Saison. Ich bemerke mit Wohlgefallen, dass er ein Krankenhemd aus Baumwolle in seiner Kollektion hat, in Gummi wurde ich heute schon genug gedünstet. Dafür ist die Windel um einiges dicker und die rote Gummihose erweist sich als voluminöses Monster. Ihm ist aber auch wirklich kein Gag zu billig, er setzt mir sogar extra meine Brille auf, bevor er vor meiner Nase damit herumwedelt.

Mit Thrombosestrümpfen und Adilettenfake bin ich schon fast fertig eingekleidet, das Sabberlätzchen bildet noch ein farbiges Tüpfelchen in dem gelungenen Ensemble. Ich fühle mich erstaunlich frisch, fast tatendurstig, ich bin bescheiden geworden und dankbar für jede Form der Abwechslung. Alles ist besser als leblos an das Bett gefesselt zu sein und vor mich hinzugrübeln, aber die Nacht ist noch nicht um. Seit mir die Metallplättchen an den Kopf geklebt wurden, schlafe ich um ein vieles schlechter und bin immer wieder für längere Phasen wach, hellwach und zermattere mir sinnloser Weise das Hirn.




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  RE: Sunday morning coming down Datum:26.02.07 09:35 IP: gespeichert Moderator melden


Ich hoffe, dass für meine Ausflüge im Sommer an ein leichteres Trekking-Outfit gedacht wird, bei sengender Hitze im Gummicape sterbe ich an Dehydrierung und auf eine tägliche Fahrt durch die Waschanlage bin ich auch nicht besonders scharf. Die Metzger verwandeln sich wieder in Pfleger, was mir bedeutend angenehmer ist und die Heimfahrt ankündigt, allerdings nehmen sie mir vorher mein Brille weg, eine äußerst unschöne Geste, wenigstens ein bisschen spannen könnten sie mich schon lassen, gerade weil ich ich die Strecke schon auswendig kenne.

Home. Sweet Home und gleich auf meinen Thron gesetzt, bebrillt und gesichert. Es gibt anscheinend doppelte Ration, zumindest fließt der Inhalt von zwei großen Spritzen durch meine Sonde. Sie wollen doch nicht etwa erreichen, dass ich auseinandergehe wie eine Dampfnudel, wie sie es mit Eva gemacht haben? Der Gedanke, dass es als Ausgleich für den hohen Flüssigkeitsverlust gedacht ist, beruhigt mich dann doch etwas. Die Herren verabschieden sich und ich genieße die wunderschöne Aussicht auf mein Spiegelbild. Ich bin verwundert über die Selbstverständlichkeit, mit der ich diesen Anblick akzeptiere.

Ich bin eine Prinzessin, ganz gleich was mir noch widerfährt und sie werden meinen Stolz nicht brechen. „Simplify your life. Einfacher und glücklicher leben.” Das war ein Geschenk mit Weitblick, Anne. Hier sind alle bemüht, mir das Leben so einfach wie möglich zu gestalten, ich brauche mich um nichts zu kümmern, um rein gar nichts, außer der Farbwahl für die Mandalas, die ich so liebevoll ausmale und dem Abzählen der Plastikteile, die ich sorgfältig in die Wundertüten stopfe. Aber etwas intellektuelle Herausforderung schadet meinen grauen Zellen sicherlich nicht. Dieses neu gewonnene einfache Leben garantiert allerdings weder Erfolgs- noch Glücksgefühle.

Mein ständiger Beobachter in der Leitwarte macht aus der Begeisterung für meine Person keinen Hehl, ein nettes Spielzeug hat er da. Das Sirren signalisiert mir, dass er wieder am Zoom herumfummelt, anscheinend hat es ihm meine dicke Gummihose angetan, die ich ihm mit obszön gespreizten Beinen entgegenstrecke. Hoffentlich hat ihm die Klinikleitung Farbmonitore spendiert, mit dem ins Bräunliche übergehenden Rot kommt meine Gummihose noch viel besser als in schwarz-weiß.

Ich genieße die Thronstunden, nur hier sind mir die klaren Gedankengänge möglich, die mich vor dem ultimativen Wahnsinn bewahren. Gedanken, die mir in der Dunkelheit hinter der Augenbinde zur Schlafenszeit nicht möglich sind, dann regieren mich sprunghafte Fetzen von albtraumhaften Phantasiesequenzen, qualvolle Erinnerungen, aber auch kleine Wonnen, wenn ich Claudia in meine irrationalen Begierden einbeziehe, wofür mich mein Gewissen peinigt. Nächte, in denen die Verzweiflung über die Hoffnung triumphiert und es mir nicht möglich ist diese Qual wegzuwischen.

Was macht mich so sicher, dass ich nicht die gefährliche Verrückte bin, die man wegschließen muss, sind andere Wahnsinnige anders wahnsinnig und bilde ich mir nur ein völlig normal zu sein ? Zumindest ist in Tiefenthal alles so eingerichtet, um einem seelisch stabilen kerngesunden Menschen den Verstand zu rauben. Mit therapeutisch begründeten, rational nachvollziehbaren Maßnahmen demontieren sie mich Stück für Stück und lassen mich mit wachem Verstand als Zeugin an diesem Prozess teilhaben.
Noch habe ich die Kraft mich dagegenzustemmen, aber die Gehirnwäsche ergreift schon ersten Besitz meiner Gedanken, die andauernde Konfrontation mit meinen Einschränkungen, meiner Abhängigkeit, meiner Wehrlosigkeit lassen diese zur Gewohnheit werden. Lediglich Schwester Marias gewollter Fehler und Claudias Zufallsfund haben mich davor bewahrt mich auch gedanklich diesem künstlich herbeigeführten Schicksal zu fügen.

Aber warum gerade ich ?

Ich muss genau in das Profil gepasst haben, dass Tiefenthal für die ideale Probantin erstellt hat, für Experimente, für die sich niemals auf legalem Wege Versuchspersonen finden lassen. Erst die Anklage wegen Mordversuchs und die anschließende Feststellung der Schuldunfähigkeit haben es möglich gemacht mich in Tiefenthal einzuweisen. Oberstaatsanwalt Kramer war so überzeugend in der Schilderung meiner moralischen Verkommenheit, sexueller Abartigkeit und Unberechenbarkeit, dass ich mir selbst als Monster vorkam, dazugleich drei Kapazitäten als Fachgutachter, die ihm das bestätigten. Keiner von ihnen hatte sich jemals länger als fünf Minuten mit mir unterhalten und selbst diese Gespräche waren Einbahnstraßen, bei denen ich wie eine völlig Gestörte vernommen wurde.

Das Tüpfelchen auf dem i war allerdings die Offenlegung meines Tagebuchs vor gut gefülltem Gerichtssaal, die auszugsweise Anführung meiner Phantasien und Erlebnisse, die in der fachlichen Interpretation der Gutachter auf schwere seelische Störungen offenbarten, eindeutig schizophren mit einem Krankheitsbild für das sich Tiefenthal geradezu aufdrängte. Dem allen hatte natürlich mein Rechtsanwalt nichts im geringsten entgegenzusetzen. Anfangs war ich noch überzeugt, dass ich sehr schnell meine Normalität beweisen könnte und nahm mir fest vor mit vollem Einsatz mitzuwirken, um möglichst schnell wieder in Freiheit zu sein. Ich bekam niemals die Chance dazu, da für mich keine Mitwirkungsmöglichkeiten vorgesehen sind.

Mein Aufenthalt hier gilt entgegen aller Bekundungen der Ärzte nicht meiner Rehabilitation, sondern meiner Entpersonalisierung, die Verwandlung der Patientin Christina Lieder zur Probantin 028 erfolgt planvoll und konsequent, allerdings halten sich die bereits erfolgten dauerhaften Schäden im Rahmen. Den dauerhaften Verlust meiner Schambehaarung kann ich verschmerzen, auf dem Kopf wäre es schlimmer und von der Sonde wird lediglich eine kleine Narbe übrigbleiben.

Wieviele Narben in meiner Seele zurückbleiben, vermag ich nicht abzuschätzen, es ist auch zum jetzigen Zeitpunkt überflüssig mir darüber den Kopf zu zerbrechen, das kann ich immer noch tun, wenn ich wieder in Freiheit bin.

Freedom is just another word for nothing left to lose, nein, das ist zu einfach, albern, ich bin alles andere als frei, aber ich lebe noch, meine Gedanken kann mir niemand nehmen und wenn, würde ich das nicht mitbekommen. Was ist, wenn Anne und Claudia scheitern oder auffliegen? Ich will nicht, dass sie wegen mir in Gefahr geraten und ich selbst bin als Probantin 028 zu wertvoll, um beseitigt zu werden.

Sie dürfen nicht scheitern, ich will wieder essen trinken, reden, tanzen, mit Einstein im Regen herumtollen, mir selbst den Hintern abputzen, nach Irland und die USA reisen, mein Studium abschließen, eine Privatsphäre. Hier bin ich ein öffentliches Gut, zur Schau gestellt, vermessen, gewogen, abgefüllt, entleert. Selbst meine intimsten Stellen gehören hier jedem anderen, nur mir nicht.

Ich würde mich jetzt gerne berühren, befingern, kneifen, kratzen, zwicken, so lange mit meinem Fingernagel in meiner Auster bohren bis ich endlich wieder etwas spüre. Ich versuche erst gar nicht meine Hand aus der Fixierung zu reißen, sondern betrachte meine kurzgefeilten blassen Nägel. Die Spiegeltür wird geöffnet, normaler weise gebe ich um die Uhrzeit keine Audienz oder ist wieder Raubtierschau für interessierte Studenten oder internationalem Fachpublikum ? Auf alle Fälle bin ich mir sicher, dass ich alsbald im Mittelpunkt stehen werde.

Ungewöhnliche Ereignisse schicken ihren Vorboten in Gestalt von Oberpfleger Karl, mit mächtigem Saddam Hussein Schnauzbart, der auf einem Rollwagen beeindruckendes Equipment spazieren fährt, gefolgt von einem wild gestikulierenden Niermeier, der bei schönen Maike Eindruck schinden will, die Molders in ihrer Akten tragenden Lieblingsrolle, zwei sehr wichtig wirkende Herren in langen weiße Mäntel und natürlich mein Halbgott in Weiß, der Professor persönlich. Oberschwester Anja schließt die Tür und während noch allgemeines angeregtes Gemurmel die Ruhe im Thronsaal stört, beseitigt sie mir den Sabber von Kinn und Latz. Jetzt bin ich bereit begrüßt zu werden. Was soll denn das schon wieder, die Darmspiegelung ist doch erst morgen und dürfte, da Routine geworden einen solchen Aufwand nicht rechtfertigen. Professor Scheppers räuspert sich, Ruhe kehrt ein:“ Guten Abend, Frau Lieder. Kein Grund zur Beunruhigung.“ Er muss meinen schreckensgeweiteten Blick richtig gedeutet haben, allerdings ist beruhigt mich dieser Einsteig in keiner Weise.

„Es ist schon geraume Zeit her, dass sie uns anvertraut wurden und wir haben unseren Optimismus bezüglich eines Heilungserfolgs nicht aufgegeben. Wir werden nicht nachlassen, obwohl wir deutlich merken, dass Sie sich dagegen sträuben, sei es bewusst oder unbewusst. Im Gegenteil, es ist eine besondere Herausforderung für uns Sie wieder zu einem gesunden und arbeitsfähigen Mitglied der Gesellschaft zu machen. Diese Herausforderung nehmen wir im Gegensatz zu ihnen äußerst ernst und verbinden damit die Hoffnung, dass auch Sie zur Einsicht kommen.“

Ich merke, wie mir das Blut in den Kopf schießt, nicht aus Scham, sondern aus Wut, dieser eingebildete Heuchler, für wen zieht er denn diese Show ab, die sind alle doch sicherlich eingeweiht. Aber anstatt einer vehementen Gegenrede sind nur unwirkliche Laute zu vernehmen, ein Geräusch wie ein Delphin, der aus seinem Atemloch Luft stößt. Oberschwester Anja ist mit einer umfassenderen Abtupftätigkeit in Beschlag genommen.

Scheppers gibt sich gebildet: “Das ist nicht der Zauberberg, auf dem Sie bis an ihr Lebensende Vollversorgung genießen können, sonden eine Therapiestätte, die erfolgreichste in Deutschland und wir werden auch mit ihnen Erfolg haben, Frau Lieder.“

Ich könnte ihm ja jetzt ein Erfolgsgeheimnis nennen, aber er lässt mich ja nicht zu Wort kommen. Vielleicht bekommt er ein erstes Erfolgserlebnis, wenn ich ein möglichst betroffenes Gesicht mache.
Mein Baumwollhemd ist durchgeschwitzt, ein unangenehmes Gefühl in diesem klimatisierten Raum gegen mir das die Treibhausatmosphäre unter dem Gummihemd wie eine liebgewordene Bekannte vorkommt.

„Wir haben ein Programm für Sie zusammengestellt, das Sie bis an Ihre Grenzen fordern wird und noch weit darüber hinaus, aber auch uns erhebliche Anstrengungen abverlangt. Wir müssen jetzt tätig werden denn ihre psychosomatisch bedingten Einschränkungen beginnen sich zu verstärken, ihre Muskulatur baut sich mehr und mehr ab, dass kann sich auch auf die inneren Organe auswirken, die bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beeinträchtigt sind. Deswegen wird Frau Maike Hartung täglich zwei Stunden bewegungstherapeutische Maßnahmen durchführen. Aber das ist nur eine begleitende Maßnahme. Wir setzen auf unsere Kompetenz im Bereich der Hirnforschung gestützt durch gezielte Medikation.“

Frau Molders unterbricht ihre Dauerkritzelei, lächelt ihren Chef bewundernd an und nickt zustimmend und das alles wegen dieser Worthülsen, die hätte ich auch noch zusammengebracht. Eine Mischung aus Neugier und Widerwillen umklammert mich. Niermeier rettet mich aus diesem zustand der Anspannung: „Dazu ist eine umfassende Kontrolle der Hirnströme notwendig, die mir in den Letzten Tagen schon in den Nachtstunden durchgeführt haben. Wir haben eine Vorrichtung entwickelt, mit der es möglich ist, diese Kontrolle auch mobil tagsüber durchzuführen und eventuelle Abweichungen programmgesteuert über Impulse zu korrigieren. Frau Doktor Hartung, bitte.“

Frau Doktor Hartung, unter den Pflegern nur als die schöne Maike bekannt, öffnet feierlich eine Alu-Box und greift nach einem Gegenstand, dass aus der Ferne eine toten Qualle, die es an das Opfer gespült hat, ähnelt. Ich schaue ganz gebannt, während Oberschwester Anja meinen kahlen Schädel mit einem kühlen Gel einreibt, Die Qualle erweist sich als milchig transparente Badehaube. Frau Doktor Hartung reicht sie den beiden Weißmänteln, die sie eingehend begutachten und bewundernd nicken. „Wir haben diesem Prototyp die Bezeichnung Ei see ätsch gegeben, geschrieben wie das deutsche ICH.“ Niermeier hat einen Witz gemacht und alles lacht übertrieben befreit künstlich auf.

„Das besondere daran ist ein eingearbeitetes Verkabelungsnetz aus feinsten Silberdrähten, die zu dieser Minizentrale führen, wir haben dadurch statt bisher 20 etwa 10 Millionen Abnahmepunkte, die umgekehrt auch als Impulsgeber wirken können. Die Informationen werden von der Minizentrale über ein Spezialdatenkabel an einen Rechner, beispielweise ein Notebook weitergegeben, dessen installiertes Programm nicht nur die Informationen verarbeitet, sondern auch die notwendigen Impulse auslöst. Wir versprechen uns davon die Blockaden von Frau Lieder zu lösen.“

Ich kann noch einen scheuen Blick auf die Qualle werfen, die aus der Nähe betrachtet gar nicht mehr so quallenartig aussieht, sondern aus einem mehrere Millimeter dicken transparenten Gummi gefertigt ist, in ihrer Mitte ragt aus der eingearbeiteten 2 Euro-großen Schaltzentrale eine kleine Anschlussbuchse heraus. Mir wird meine Brille abgenommen, mein Umgebung verschwindet im milchigen Nebel und ich spüre wie das ICH auf meinem Kopf positioniert wird. Das Teil ist wirklich passgenau gearbeitet, womit auch der Gipsabdruck erklärt wäre, den die schöne Maike von meinem Schädel angefertigt hat. Um meine leicht abstehenden Ohren brauche ich mir keine Gedanken mehr zu machen, so sehr wie sie an den Kopf gepresst werden, die weiteren Gespräche werden dafür in Watte verpackt, ich verstehe kein Wort mehr, registriere lediglich geschäftiges Treiben, Hände die sich an mir zu schaffen machen, meine Fixierungen lösen, mich entkleiden, mich reinigen, mich durch die Sonde versorgen.

Mir laufen die Tränen, wenigstens das Gesicht haben sie freigelassen, unter diesem spannenden Gummi hätten sie keine Chance gehabt nur eine Millimeter weit zu kommen, will in mein Bett, Licht aus, schlafen, schlafen bis der Spuk ein Ende hat und auf keinen Fall vorher geweckt werden. Ich bin dankbar, dass Meike diesen Abdruck lediglich von meinem Kopf gemacht hat und ich nicht vollständig so eingekleidet wurde, da belassen sie es doch beim alten. Diesen Druck auf den gesamten Körper hätte ich schwer aushalten können. Leer und dumpf, lasse mit mir eine endlos rinnende Zeit geschehen, bis mich die Dunkelheit der Schlafmaske umfängt.

Das gleißende Licht blendet mich, es ist besser die Augen gleich wieder zu schließen, wo bin ich ? Mein Schädel droht zu platzen und ich will ihn in die Hände nehmen, doch sie werden festgehalten. Die übliche morgendliche Verwirrung, doch dieses Mal nach einer tiefschwarzen traumlosen Nacht, ohne die Horrorvisionen der vergangenen Wochen. Ich fühle mich elend, schwindlig und dazu noch dieser mörderische Druck auf dem Schädel, auf die an den Kopf gepressten Ohren. Ach ja, die Qualle, die technologische Sensation aus dem Hause Tiefenthal, scheint ein ganz besonderes ding zu sein, wenn die jetzt alle so stolz und aufgeregt sind.

Habe ich etwa ihr den traumlosen Tiefschlaf zu verdanken, hat sie meine Träume eingesaugt ? Ich will ein Aspirin und dieses Ding loswerden, es muss ja bald jemand zu meiner Reinigung kommen, heute im Angebot das Supermaxiprogramm mit Innenraum und Unterboden. Und Krämpfen. Mich schüttelt es, das ist wirklich unnötige Quälerei, aber was ist hier nicht unnötig?

Professor Scheppers, Niermeier und die anderen Spezialisten haben ein seltsames Therapieverständnis, ich fühle mich von Tag zu Tag beschissener, hilfloser und eingeschränkter. Und meine größte Sorge bleibt, dass sie nicht vielleicht doch einen Fehler machen und irgendetwas bleibt zurück, wenn es für mich überhaupt ein zurück gibt. Endlich macht sich jemand an meinen Fixierungen zu schaffen, kräftige Männerhände schwenken ich auf den bereitstehenden Rollstuhl und sogar die Qualle wird entfernt. Langsam gewöhne ich mich an die Helligkeit, blinzele etwas, kann aber niemand wirklich wahrnehmen, dafür höre ich die Stimme der schönen Meike, glockenhell:“ Guten Morgen, Frau Lieder“ flötet sie. „Haben sie gut geschlafen?“ Ich geh mal davon aus, das sie die Antwort besser weiß als ich, aber ich will mir nicht gleich den ganzen Tag versauen und hebe brav das rechte Händchen an. Ah, meine Glasbausteine, das ist jetzt schon viel besser. Sie fummelt mir mit ihren gummierten Händen auf dem Kopf herum. „Es scheint doch etwas zu eng zu sein, aber es ist ja ein Prototyp, nachher wird es angenehmer für Sie. Nach der Morgentoilette und der Koloskopie werden Sie auch auf ein anderes Zimmer verlegt.“ Wie bitte ? Gegen meinen Thronsaal habe ich doch gar nichts. Was geht denn jetzt schon wieder ab?

Hoffentlich hat Claudia da noch Zugang und wie sieht es mit meinem nächsten, vorerst letzten Spaziergang mir ihr aus ? Und dem Besuch meiner Eltern? Ich versinke in meinem Rollstuhl. Haben sie etwas geahnt oder warum all dieser Aktionismus ? „Wie Sie gestern abend erfahren haben, werden wir Ihre Therapie umstellen und sie mehr bei der Behandlung beteiligen und sie auch weitaus mehr fordern.“

Das klingt gar nicht mal so schlecht, aber warum habe ich das seltsame Gefühl, dass es doch nicht so toll wird wie mir es die schöne Meike versucht weiszumachen. Aber immerhin schiebt sie mich höchstpersönlich in die Wurstküche und stellt mich an einem Waschbecken ab. Diese Brille ist wirklich abgrundtief scheußlich, aber ich bekomme sie nach Abnahme des Kopfschutzes wenigstens wieder aufgesetzt. Die Druckstellen von der Qualle sind genauso deutlich in dem großen beleuchteten Spiegel zu sehen, wie die Pickel und Kratzer auf meinem fast blanken Schädel.

Meike kommt mit einem kleinen Körbchen an und packt Überraschungen aus: Zahngel, Zahnbürste, Rasierschaum, Einwegrasierer und eine After Shave Lotion. „Selbst ist die Frau“ strahlt sie mich an und löst meine Hände aus der Fixierung und reicht mir transparente Gummihandschuhe. Das nenne ich mal wirklich einen Fortschritt, streife mir die Handschuhe über und beginne mir mit Hingabe die Zähne zu putzen. Ich will mir nicht nachsagen lassen, dass ich dieser Aufgabe nicht gewachsen bin. Das Zahngel ist scharf und riecht kräftig nach Menthol, aber ich überwinde mit viel Spucken auch diese Hürde. Meike ist sehr zufrieden: „Sehen Sie Frau Lieder, es geht doch, wenn Sie sich etwas Mühe geben“. „Jetzt das Gesicht und dann machen wir noch ein schöne Rasur“.

Sie hält mir ein weißes Frotteetuch hin, den sie eine Zeitlang unter heißes Wasser gehalten hat. Ich bin begeistert. Das ist besser als in Aishes Frisiersalon in der Rohrbacher Straße, ja, es fast wie in der Sakura Sushi Bar. Genüsslich weiche ich mein Haupt ein, allerdings so weit geht die Liebe dann auch wieder nicht, dass ich das Werk vollenden darf, da Meike sich an meiner Brille stört und selbst zur Tat schreitet. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass ich liebend gerne mich selbst rasiert hätte wie auch, dass ich Meike bei der Rasur zugesehen hätte anstatt ins helle Licht zu blinzeln. Erstmalig finde ich Gefallen daran kahlköpfig zu sein, es hat den Charme des Besonderen, des Edlen, vor allem im Hinblick zu dem nun Folgenden, das sicherlich bei weitem weniger edel sein wird. Meike hat einen Sinn für Dramatik und gönnt mir noch etwas Wartezeit vor dem Waschbecken.

Wie eine Diva in der Gardarobe mustere ich selbstgefällig mein Spiegelbild, das ich aus meinem Thronsaal nur von der Entfernung kenne, Du hast Dir selbst die Zähne geputzt, es erfüllt mich mit unerklärlichem Stolz und jetzt erst fällt mir auf, dass Meike meine Arme nicht am Rollstuhl fixiert hat. Ich habe sie unbewusst an ihren angestammten Platz gelegt und gefügsam ruhig gehalten. Vorsichtig hebe ich den rechten Arm an und beobachte im Spiegel die Bewegung, ich schaue mich um, als wäre täte ich etwas Verbotenes, berühre meine speichelfeuchten Lippen mit dem noch gummierten Finger und streiche über das Rinnsaal, das sich langsam seinen Weg auf dem rotbraunen Krankenhemd bahnt.

Ganz langsam fahre ich mit kreisenden Bewegungen in Richtung meiner rechten Brust und ertaste sie, greife hart zu und genieße das Gefühl, auch wenn mir mein Nippel kein Rückmeldung gibt, aber immerhin spüre ich etwas, es ist viel mehr als ich erwartet habe, ich knete mit beiden Händen, ich will doch mehr spüren, lasse aber ab und streichele frustriert das dicke gummierte Windelpaket, kann ich Claudia wirklich nicht mehr sehen, ich will, dass sie vor mir kniet und mir die Gummihose leckt, warum denke ich eigentlich nichts Sinnvolles, sondern versuche mich mit solchen Perversionen aufzugeilen? „Frau Lieder, Frau Lieder, sie machen ihrem Ruf wieder alle Ehre und dieser Ruf ist wirklich nicht der Beste.“ Meike. Widerstandslos lasse ich meine Hände von meinem Schoss in die für sie gedachte Position ziehen und Meike fixiert sie mit angeekeltem Blick.

„Man kann Sie keine fünf Minuten alleine lassen. Warum nützen Sie denn jedes Maß an Freiheit so schamlos aus?“. Schamlos? Ich bin scharlachrot im ganzen Gesicht. „Reißen sie sich doch ein paar Minuten zusammen.“
Ich schäme mich, nicht weil ich beim Fummeln erwischt wurde, sondern weil ich wieder Claudia als Phantasieobjekt benutzt habe, Claudia, die mit Sicherheit alles tut um mich herauszuholen, ich habe aber das gar nicht verdient und ich komme mir auch schäbig wegen Anne vor, weil sie sowenig in meine Fantasien vorkommt, die Treue. Meine Gesichtsröte will nicht abklingen, ich bin wirklich das Letzte.

Glücklicherweise taucht Niermeier auf. Es ist das erste Mal, dass ich bei seinem Anblick befreit aufatme. Er klatscht in die Hände und ist damit auch gleich Herr in der Manege, er greift zwei der weißen Gummischürzen vom Haken und hängt der immer noch angewidert schauenden Meike eine davon um. „Dann wollen wir mal.“ Niermeier schiebt mich in den wohlbekannten weißgekachelten Raum, in dem schon die beiden Metzger auf ihren Einsatz warten.

Ungewöhnlich schnell bin ich diesmal wieder aus der Wanne und bäuchlings auf dem kalten Metalltisch festgeschnallt, ein großes aufgeblasenes Gummikissen unter mir hebt meine Hintern grazil in die Höhe. Ich versuch schon jetzt ruhig gleichmäßig zu atmen. „Frau Lieder, da sie ja nicht auf Dauer auf den Wechsel ihres Inkontinenzschutz angewiesen sein wollen und im Hinblick auf die Fortsetzung der Therapie dieses auch nicht hilfreich sein wird, werden wir Ihren Anus mit einem künstlichen Schließmuskel versehen und Ihnen ein Katheter legen, zuerst testweise für das Wochenende, dann sehen wir weiter. Sie brauchen sich aber keine Sorgen zu machen wir werden sie zusätzlich weiter mit Schutz versehen, hoffen aber, dass wir mit weitaus weniger Wechsel auskommen.Im Gegensatz zu dem altbekannten Katheter ist der künstliche Muskel noch in Erprobung. Er ist mit einem Mikrochip und Funksignal ausgestattet und ermöglicht einen möglichst natürlichen Stuhlgang zu simulieren.“

Sie wollen mich verstöpseln, ich fasse es nicht.

„Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass es zu unbeabsichtigten dauerhaften organischen Beeinträchtigungen ihres Schließmuskels kommen kann bis zur vollständigen Funktionsunfähigkeit. Das wäre zwar keine Verschlechterung ihres derzeitigen Zustands, aber wir sind der Meinung dass er organisch völlig gesund ist, allerdings nicht absehbar ist, wann sich ihre psychische Blockade auflöst. Wir hoffen, dass durch die spürbare Verbesserung mittels einer mechanischen Lösung der weitere Gesundungsprozess gefördert wird. Insgesamt sehen wir darin eine bessere Lösung als ein Kolostoma, also ein künstlicher Ausgang. Sie brauchen nicht zu erschrecken, sie werden nichts spüren, da Sie über keine sensorische Wahrnehmung verfügen.“

Niermeier erzählt und erzählt und ich spüre, das er sich gar nicht an mich richtet, sondern an das umstehende Publikum, die Fachausdrücke häufen sich und ich schließe die Augen und schalte ab. Oberschwester Anja und Professor Scheppers sind mittlerweile auch eingetroffen und allgemeines Gemurmel macht sich breit. Wie viele werden es wohl sein, die mir mittlerweile auf den angehobenen Hintern starren? Es ist mir mittlerweile gleichgültig, ich sehne mich nach meinem Schaumbad zurück, die letzte wirklich angenehme Erinnerung vor diesem Horrortrip. Es will mir aber nicht gelingen mich gedanklich von dem Bevorstehenden zu lösen, meine Gedanken lösen sich auf und ich habe Monets Seerosenteich in vielen Variationen vor mir, die Farben zerfließen. „Frau Lieder, haben sie sämtliches Interesse an ihre Person und ihrem weiteren Gesundungsprozess verloren ? Sie können sich doch nicht allem entziehen.“

Scheppers Stimme ist so schneidend, dass sie meine kleine Privatgalerie in Luft auflöst und ich erschreckt die Augen öffne. Das hätte ich besser sein lassen, anscheinend haben sie die Beleuchtung ein Stück weiter aufgedreht, ich glaube zumindest in dem weißen Licht den Umriss von Scheppers zu erkennen. „Ist das neue Impulse Control Hood schon fertiggestellt? Es wäre gut, wenn wir es gleich einsetzen und testen können.“ „Ich rufe noch mal im Labor an.“ Meike ist wieder in ihrem Element. „In fünf Minuten ist es da, auch die neue Brille liegt bereit.“ „Die Jungs sind spitze.“ Scheppers klingt sehr zufrieden, aber nicht nur mit den Jungs, sondern mit sich, seinem gesamten Team und der Welt.

Er überbrückt die Zeit mit einer kleinen Anekdote über seinen Sohn, den Johann, der ein wahres Wunderkind ist und mit drei Jahren den Weg vom Kindergarten nach Hause gefunden hat und das sind über 500 m. Allerdings war Panik bei den Erzieherinnen ausgebrochen, weil sie eine Entführung vermuteten. Alle freuen sich über diese nette Erzählung, fast alle, immerhin ist der Johann um vieles fähiger als ich und kackt auch nicht mehr in eine Windel. Es muss schön sein aus dem Kindergarten nach Hause laufen. Beifall brandet auf und kündigt damit an, dass ich jetzt bald wieder im Mittelpunkt stehen darf.

„Ah, die Herren Techniker“. Darf man so jovial sein? Das ist peinlich. Zumindest mir wäre es peinlich Scheppers nicht. Dafür ist es mir nicht peinlich, mit hochgerecktem Hintern mich zu präsentieren, es gehört ja zu meiner Therapie. Natürlich. „Das ist weitaus über meinen Erwartungen. Ausgezeichnete Arbeit. Da wird sich Frau Lieder aber freuen, weil es sicherlich einen viel höheren Tragekomfort bietet.“ Und wie sich Frau Lieder freut, ihr läuft vor Freude das Wasser aus dem Mund. Macht zu, Jungs, ich habe meine Zeit nicht im Lotto gewonnen und will nachher noch umziehen.

Vom Gefühl her ist es Meike, die mir den Kopf mit einem Gel einreibt und mir dann das ICH überzieht. Tatsächlich, kein Spannen, kein Drücken, es trägt sich so angenehm wie die Badekappe meiner Mutter, hat auch einen ähnlichen Geruch, eine äußerst aufgedrehte Meike fummelt an meinen Ohren herum und plötzlich verstummt die Geräuschkulisse um mich herum. Selbst von Scheppers lauter Stimme ist nichts mehr zu vernehmen. Bevor ich mich allerdings tiefer damit auseinandersetzen kann, wird die neue Sehhilfe befestigt, eine Art Schwimmbrille die mit einem Gummiband um meinen Kopf festgehalten ist und sich um meine Augen festzusaugen scheint. Scheppers steht direkt in meinem Blickfeld, und hält sich ein Mikrophon an die Lippen. Kurzes Rauschen „Frau Lieder, hören Sie mich?“

Seine Stimme bohrt sich durch meinen Schädel, glasklar, die schneidende Schärfe lässt mich zusammenzucken und dann wieder diese Stille. Ich hebe reflexhaft meine rechte Hand. „Ist es zu laut ?“ Ja, natürlich, was sonst, es schmerzt. Ich hebe die rechte Hand. Meike bewegt ihre Lippen, zu gern wüsste ich, was dieses Biest vorzutragen hat, aber Scheppers lässt mich nicht lange schmoren und löst das Rätsel auf. „Frau Hartung ist zwar der Meinung, dass die Einstellung nicht zu laut ist, aber wir werden jetzt etwas zurücknehmen. So dass dürfte jetzt besser sein." "Etwas" ist zwar nicht viel. aber es ist besser. Gehorsam hebe ich die Hand. „Und wie sehen sie mit der neuen Sehhilfe ? Ist das in Ordnung ?“ Ich kann nicht klagen , also rechts. „Sehr schön, für den Verlauf der weiteren Behandlung bekommen Sie jetzt etwas entspannende Musik eingespielt, das wird sie beruhigen und Ihnen sicherlich gefallen.“ Weiche Synthieklänge schmeicheln sich durch meine Ohren. Sehr angenehm nach dieser langen musiklosen Zeit, gleichzeitig wird das Licht im Raum immer gedämpfter bis es ganz erlischt. Das kann nicht sein, es ist nicht das Raumlicht, sondern die Gläser meiner neuen Brille sind anscheinend stufenlos eintönbar, es ist vollkommen schwarz um mich herum, unheimliche schwarze Nacht, durchbrochen durch das Ambient New Age Geblubber, sanft streichelnd arbeitet sich die Spülflüssigkeit durch mein Gedärm.


Mir ist bewusst, dass dieser entspannte Zustand nur von kurzer Dauer sein wird und beschließe diese Zeitspanne zu genießen, in ihr zu schwelgen, zu träumen, es will mir nur nicht gelingen, meine Gedanken umkreisen diesen künstlichen Schließmuskel, nicht mein Körper entscheidet wie lange ich die Flüssigkeit in mir behalte, sondern es ist vollkommen fremdbestimmt. Nachdem Rüssel die Enttäuschung überwunden hatte, dass ihm sein Freund Roland zuvorgekommen war, legte er seinen ganzen Ehrgeiz in das Vorhaben mich anal zu entjungfern. Eine Idee, die auch für mich nicht ohne Reiz war, aber ich mich selbstverständlich zierte, weil man das nicht tut und mich auch etwas davor fürchtete.

So übel war Rüssel zumindest an für dieses Anliegen entscheidender Stelle dummerweise nicht ausgerüstet. Das sah etwas anders aus als Doktorspielchen mit Anne, einem Fieberthermometer und viel Penatencreme, aber ich wollte es und hielt mit bizarrer Vorfreude Rüssel hin. Es war mir vermutlich sogar wichtiger wie ihm, aber ich wollte es nicht dem Zufall überlassen oder mir gar das Ereignis durch eventuelle Ungeschicklichkeiten Rüssels verderben lassen. Anne war allerdings auch keine große Hilfe, ihr Erfahrungsschatz war lediglich theoretischer Natur, aber immerhin organisierte sie mir eine super-glitschige Gleitcreme und einen Packen Einmalhandschuhe zum üben.

Und so übte ich ausgiebig händisch und vertraute die Fortschritte und meine euphorischen Gedanken meinem Tagebuch an, was allerdings während bei der Gerichtsverhandlung genauso wenig zu meinen Gunsten ausgelegt wurde als die anschließende detaillierte Beschreibung des großen Tags mit Rüssel.

Sweet memories. Noch habe ich mich von den ersten Krämpfen ablenken können, doch jetzt wird es zur Qual, da will was raus und darf es nicht. Von dem Ambient-Zeugs habe ich auch die Schnauze voll, mir steht der Sinn nach kreischenden Gitarren, hämmernden Bässen und tiefen Stimmen, die ins Mikro röcheln, Fields of Nephilim oder Motörhead. Die Anstrengung treibt mir den Schweiß aus allen Poren, mein Atem geht immer hektischer zerre mit den Armen an meine Fesseln. Dann eine kurzzeitige Entspannung, neue Krämpfe sie scheinen an dem Ventil herumzuspielen. Ich kann nicht mehr. Wenn es nicht schon schwarz vor meinen Augen wäre, spätestens jetzt wäre dieser Zustand erreicht. Aber es stellt sich langsam doch wirklich Besserung ein.

„ Sie sind erlöst, Frau Lieder“ meldet sich in die Sphärenklänge die Stimme von Professor Scheppers und mit zunehmender Beleuchtung kehrt meine Sehfähigkeit zurück. Mein Alabasterkörper wird liebevoll gereinigt und gepflegt und als krönendes Accessoire mit einem Katheterschlauch versehen, der in einen Beinbeutel mündet. Auch die Kleiderauswahl setzt neue Akzente, grau ist die Farbe der jetzigen Saison, ein schickes Ensemble aus Gummihöschen und einem Joggingauszug aus dem gleichen Material wie mein Klinikhemd. Sieht gar nicht so übel aus, auch wenn ich mich immer noch wie ausgekotzt fühle. Die Versammlung löst sich langsam auf, lediglich Meike und ein Pfleger, der die ehrenvolle Aufgabe hat, meinen Rollstuhl zu schieben leisten mir Gesellschaft auf dem Weg durch die Flure bis wir nach zwei codegesicherten Schleusen einen kleinen Fahrstuhl erreichen, gerade platz für zwei Personen und ein Rollstuhl und es geht abwärts.

Hier war ich noch nie, interessiert schaue ich mich um, ein langer Gang mit wenigen grauen Stahltüren, ein Schwesternzimmer mit großer Glasscheibe, zur Zeit verwaist und dann sind wir schon am Ziel. Meike öffnet mit Codekarte die Tür und wir sind in meinem neuen Domizil. Schon der erste Eindruck ist überwältigend, eine Mischung aus Appartement und Sportstudio.

Es ist kein Appartement. Es ist eine Traumschiff-Luxus-Suite lautet mein Urteil nach der ersten Runde und ich vergebe fünf Sterne Deluxe Doppelpluspunkte. Meike hängt sich ein and der Wand hängendes Funkmikrophon um, klopf, klopf, der Sound steht, und macht die Touristenführerin. „Das ist als Ihr neues Zuhause, Frau Lieder, besser gesagt es wird ihr neues Zuhause sein, wenn Sie soweit regeneriert sind, dass Sie die wesentlichsten Dinge selbstständig machen können und daran werden wir die nächsten Tage hart arbeiten.“

Sie fährt mich noch einmal zur Metalleingangstür zurück, an der lässig gelangweilt der Pfleger mit verschränkten Armen lehnt. „Der Eingangsbereich dient lediglich als Alarmschleuse und ist infrarotgesichert, so dass ein Eindringen von Unbefugten sofort gemeldet wird und ist auch nicht für Ihre Benutzung gedacht. Bei Scharfschaltung fährt innerhalb von Sekundenbruchteilen die eine Wand zum Wohnbereich hoch und jeder der unlegitimiert diese Zone Betritt sitzt in der Falle.“

Sie zwingt sich ein charmantes Lächeln ab. Das dieser Bereich kameraüberwacht ist wie jeder Raum in meiner neuen Suite braucht sie gar nicht zu erwähnen, ein wissender Blick an die Decke macht mir das eindringlich deutlich. „ Das Wohnzimmer ist mit modernster Technik ausgestattet, Sie haben hier einen Mp3-Player mit der Auswahl von über zehntausend Songs, ein Flatscreen TV-Gerät mit 100 Programmen und natürlich einen Rechner mit Internetanschluss.“

Das klingt doch hervorragend, alles wohl gestylt, passend zur Einrichtung,die mit gehobenem Ikea-Design daherkommt, schönes helles Ahorn und eine blaue Polsterkuschelecke. Meike führt mir die computergesteuerte Beleuchtung vor, mit der man je nach Stimmung und Aufenthaltsplatz interessante Akzente setzen kann.

Übertroffen wird das von der Küche, bei der meine Mutter vor Neid erblassen würde, Poggenpohl in glänzendem weinrot, bestückt mit Neff und Liebherr, das Bad mit Whirlpool und separater Dusche und Toilette, modernste Armaturen, grau gefliest und natürlich einem Schlafzimmer, etwas zu plüschig für meinen Geschmack, aber die terracottafarbenen Tapeten mitblauer Bordüre hätte ich mir selbst auch ausgesucht.

Vor den Wänden an den Stirnseiten der Räume kaschieren weiße Vorhänge mit Hinterlicht, dass sich diese Räume sich im Keller befinden und somit fensterlos sind, dafür sind sie aber vollklimatisiert. Hier lässt es sich leben, auch wenn es ein bisschen einsam ist, aber vielleicht kann ich mir mal Gäste einladen, wenn es weiter so bergauf geht. „Hier noch ein begehbarer Schrank für ihre Kleidung, wir haben schon einiges für sie ausgewählt, aber Ihre Eltern werden am Sonntag sicherlich noch ein paar persönliche Sachen mitbringen. Zumindest haben wir sie informiert. Aber jetzt kommen wir zum ernsteren Teil.“

Wenn kein Haken an der Sache wäre, dann wäre es auch nicht Tiefenthal.

Wir kurven in den Fitnessraum mit Rudergerät, Heimtrainer, einem Barren und einer Sprossenwand. Der große Schrank verspricht noch weitere Übungsgeräte, in der Ecke liegt ein Medizinball, der Boden ist mit weichen Matten ausgelegt, von der Wegstrecke für den Rollstuhl abgesehen. „Hier werden sie die nächsten Tage täglich mehrere Stunden ihre Muskulatur versuchen zu kräftigen, die durch das Nichtstun in den letzten Wochen stark gelitten hat. Kein Problem, besser als durch Nichtstun oder Mandalamalen zu verblöden. „Wie Sie gesehen haben mangelt es im Wohnbereich an nichts, allerdings mit einer Einschränkung, er ist nicht behindertengerecht und deshalb für Sie nicht nutzbar.“ Sie drückt einen Schalter an der Wand und eine Schiebetür trennt uns von der Suite. Und warum jetzt diese Nummer? Wenn nicht für mich, für wen denn sonst ? Meike betätigt eine weiteren Schalter und öffnet damit eine Wand an der anderen Seite des Fitnessraums.

Das ist ein Schlag in die Magengrube, dahinter verbirgt sich die großzügige Version meines Krankenzimmers, mit Gyno-Thron und Bett, Spiegel und Schränken, mit Fixierungen an allen Ecken und Enden. Das ist doch blanker Sadismus, mir den Mund wässrig zumachen ist ja wirklich kein Kunststück im Hinblick auf die Speichelspur auf meinem grauen Gummianzug, und jetzt mich um Lichtjahre zurückzuwerfen. Mir schießt das Wasser aus den Augen, aber der hysterische Anfall, der jetzt angebracht wäre, bleibt aus.

Bevor ich mich weiter darüber wundern kann, treten Professor Scheppers und Niermeier durch eine bisher von mir nicht wahrgenommene zweite Tür ein. Tock, tock, Soundcheck. “Da haben sie wohl einen Riesenschreck bekommen, Frau Lieder ? Nein, das ist jetzt keine sadistische Einlage gefühlloser Menschen, sondern Sie werden diese anderen Räume wirklich beziehen, wenn Sie jetzt kräftig und erfolgreich an sich arbeiten.“ Das beruhigt mich jetzt nicht wirklich und ich warte angespannt auf den Pferdefuß dieser Geschichte.

„Was bedeutet kräftig und erfolgreich? Sie müssen sich mental darauf einlassen, dass es Ihr größter Wunsch ist wieder am Leben teilzunehmen, wieder zu gehen, zu fühlen, ihre Aggressionen in positive Energien zu verwandeln. Sie haben jetzt ein Ziel, heraus aus dem Pflegezustand, hinein in ein selbständiges Leben. Wir haben insoweit schon Vorleistungen gebracht, zum Beispiel, dass ihre Ausscheidungen unter besserer Kontrolle sind. Des weiteren werden Sie über das ICH positive Impulse erhalten und ich bin optimistisch, dass auch die Umstellung der Medikation unterstützend für Ihre Bereitschaft zur Kooperation sein wird.“

Mir gluckert es im Bauch, Scheppers hat mich daran erinnert, dass das, was vorher unbehindert seinen Weg gehen konnte, durch den künstlichen Schließmuskel gehindert wird. Anscheinend ist dieses Gluckern so laut, dass es den Anwesenden nicht entgangen ist. „Wunderbar, sehen Sie, ein großes Handicap ist schon unter Kontrolle.“ Meike öffnet eine weitere Tür und schiebt mich in einen großen, weiß gekachelten Raum, der ähnlich wie der Reinigungsraum über einen Metalltisch, eine große Wanne und eine Toilette verfügt. Sie streifen sich Handschuhe über. Meike zieht mir die Hose und das geräumige Gummihöschen herunter und nimmt mir die Windel ab, vier kräftige Männerhände heben mich auf die hohe Toilettenschüssel, die so hoch ist, dass meine Füße geradeso fest auf dem Boden stehen können.

Völlig ungehemmt beginne ich unter der aufmerksamen Beobachtung von drei Augenpaaren zu pressen. Ich habe wirklich jegliches Schamgefühl verloren. Hatte ich jemals welches besessen? Aber noch überraschter bin ich über die Reaktionen meines Körpers, ich presse tatsächlich, ich spüre mein Bauchmuskulatur, einen ziehenden Schmerz in meinen Beinen, ein Brennen in meiner Harnröhre, ich werde durchgeschüttelt von den körperlichen Sensationen, ich stemme mich mit meine Füßen ab, kraftlos, ungewohnt, aber es geht für einen kurzen Augenblick.

„Ja, Frau Lieder, strengen sie sich an, sie merken doch, dass es geht“ feuert mich Niermeier an. Ich kämpfe gegen den Stöpsel an, der meinen Schließmuskel schmerzhaft bis zum Zerreißen dehnt, aber er widersteht vorerst noch meinen Anstrengungen. Mit was sollte ich, innenraumgereinigt, auch drücken können, doch höchstens mit heißer Luft. Ich lasse mit der Anstrengung nach und lasse die aufkeimende Erregung zu, die mich in dieser absurden Situation gefangen nimmt.

Fast bedauernd nehme ich zur Kenntnis, dass der Stöpsel starr, unbeweglich meine Arschbacken teilt anstatt es mir zu besorgen, mich durchzuficken, unbarmherzig mir die Arschfotze zu rammeln, mir fallen Begriffe ein, die ich noch niemals ausgesprochen habe und die ich nur aus Rüssels Pornovideos kenne. Ich beginne zu brabbeln: “fi**k mich doch endlich“, aber es gar nicht das zu erwartende Gesabber, sondern mein Kehlkopf und meine Stimmbänder bilden klar diese Worte. „O Gott“ schreie ich auf. "Ich kann wieder sprechen“. Eine Mitteilung, die kaum nachdem sie meinen Mund verlassen hat, so widersinnig vorkommt, auf die auch keine Reaktion erfolgt, meine Brustwarzen bohren sich wie Dornen in das Oberteil des grauen Jogginganzugs, sie schmerzen unter der Stimulation des schweißfeuchten Gummis, ich kralle mit beiden Händen meine Titten, knete und kneife das wiedergeboren Gefühl meiner Nippel, bevor ich den begehrlichen Schreien meiner Perle Folge leiste. „Frau Lieder !“ Nein, nichts kann mich jetzt stoppen, ich stoße zwei Finger in meine Grotte. „Frau Lieder !“ Niermeier reißt meinen Arm zur Seite und hält ihn fest umklammert, während Meike die Armbeuge mit einem feuchten Tupfer reinigt. Wild schlage ich um mich.


Teil 24


Von unsichtbarer Hand gesteuert gleitet der Nachen durch die Nebellandschaft. Ich stehe am Bug und lasse meinen glühenden Körper von dem leichten, nebelfeuchten Fahrtwind erfrischen, der Dunst ist so dicht, dass er mir noch nicht einmal einen Blick auf die Wasseroberfläche gönnt. Es ist mir als würde ich durch eine Wolke reisen um meine Sehnsucht zu stillen. Wer konnte ahnen, dass ich so lange in der Ferne weile, aber jetzt bin ich fast am Ziel. Die tiefhängenden Weidenäste fahren mir durch die bis zu den Hüften reichenden Haare, die sich in der Nebelfeuchte kräuseln und mit einem goldenem Diadem geschmückt sind, welches mein einziges Kleidungsstück bleibt.

Die feuchten Blätter schmeicheln meinen makellosen Körper, ich bebe vor Vorfreude, ich werde ihm sicherlich gefallen, mein Schoß glüht erfüllt von Begierde. Ich will keine Zeit verlieren, nur ein flüchtiger Begrüßungskuss, ein scheue Umarmung und dann werden wir uns vereinigen, ich will in spüren, tief in mir spüren, ihn zu schnellen harten Stößen treiben, denn er ist sicherlich so ausgezehrt vor Sehnsucht wie ich. Der Nebel lichtet sich etwas und das Grün des Parks erobert immer mehr Raum. Einstein schmiegt sein feuchtes Fell an meine nackten Beine, die Sonnenstrahlen haben den Nebel besiegt und ich kann schon in der Ferne mein Pavillon erkennen, blendendes weiß in grün eingebettet, es strahlt mich an wird immer heller, beginnt zu schmerzen, ich kneife die Augen zusammen, doch außer gleißendem Licht ist nichts mehr zu erkennen.

„Hallo Christina“, die Stimme ist mir vertraut, sie ist sympathisch, warm. „Geht es Dir wieder besser?“ Ich versuche meine Gedanken zu ordnen und will mir die Augen reiben. Ein Ruck signalisiert mir, dass ich zurück in der Realität bin, meine Arme zur Bewegungslosigkeit verurteilt. Dafür kommt langsam die Erinnerung zurück. Es ist Claudia. „Lass mich erst wieder zu mir kommen, dann sage ich es Dir.“ Der ungewohnte Klang meiner eigenen Stimme, auch wenn sie seltsam verfremdet klingt, beruhigt mich. Wenigstens das war kein Traum, ich kann mich wieder artikulieren. „Kannst du irgendwo meine Brille sehen ?“. Natürlich, Deine Brille. Ich frage einmal nach.“ Es ist wieder totenstill, bisher habe ich gar nicht an das ICH gedacht. Viel hat sich also nicht geändert, ich bleibe unselbständig, fixiert, und bin selbst bei Hören und Sehen in der Gewalt anderer.

Aber ich kann sprechen. Das beruhigt mich ungemein, auch wenn es nicht von großem Nutzen für mich sein wird. Dadurch, dass die Kommunikation über Mikros abläuft ist noch nicht einmal an einen Gedankenaustausch über meine Freiheit im Flüsterton zu rechnen. Aber Claudia ist sicherlich klug genug, dass auch so wissen. Sie ist zurück und zieht mir die Schwimmbrille über. Ich lasse einen Blick durch das Zimmer schweifen, bevor ich mich wieder Claudia zuwende. Es ist tatsächlich noch der Raum, die Krankenabteilung meines in Aussicht stehenden Paradiesappartements.

Claudia tragt eine weißen Arztkittel, ihren orangenfarbenen Gummiblouson hat sie säuberlich über einen Stuhl gehängt. Es wird Sommer, die Zahl ihrer Sommersprossen hat sich verdoppelt. „Könntest Du die Bettdecke etwas zurückschlagen, mir ist warm.“ „Gerne“. Sie hebt die weiße Bettdecke weg, der Katheterschlauch führt aus meiner Pampers in einen am Bettrahmen befestigten Beutel, der zu einem Viertel gefüllt ist, mit sanftem Druck macht sich mein Darmverschluss bemerkbar, aber er scheint dichtzuhalten, zumindest rieche ich nichts. Keine Gummihosen, ein Baumwollbetthemd, selbst auf die Thrombosestrümpfe haben sie verzichtet, aber ich bin weiterhin an Armen, Beinen und um den Leib fixiert.

Tatendurstig frage ich Claudia: „Gehen wir jetzt in den Park?“ Claudia schaut mich amüsiert an: “Den Ausflug hast du selbst abgesagt. Was machst du denn auch für Sachen?. Du hast Doktor Niermeier ein ganz schön dickes Veilchen hinzugefügt und das Video ist auch nicht ohne und liegt mittlerweile dem Gericht vor. Ich glaube nicht, dass das positive Auswirkungen hat, sondern vielmehr die Einschätzungen der Staatsanwaltschaft und Professor Schepers stützt, dass Du verkommen und gewalttätig bist und noch lange in Therapie bleiben musst.“ Da hat sie wohl recht, meine Erinnerung kehrt zurück. „Und was glaubst Du? Denkst Du wirklich, dass ich so bin?“ „Zumindest spricht alles dafür,aber mach Dir keinen Kopf, ich tue alles, dass es Dir besser geht.“

Sie schaut mich vielsagend an und kneift grinsend ein Auge zusammen. Das gibt mir einen Hoffnungsschub und ich würde am liebsten ihr ein Loch in den Bauch fragen, zumal ich es ausnützen will, die Sprache wiedergefunden zu haben. „Kann es sein, dass ich Hunger habe?“ weise ich Claudia auf ein seit langem völlig neuem Gefühl hin. „ natürlich kann das sein. Deine künstliche Ernährung wird als nicht mehr notwendig erachtet, da Du ja auch wieder schlucken kannst. Ist dir nicht aufgefallen, dass Du nicht mehr sabberst?“. Mir ist so vieles nicht aufgefallen, anscheinend gibt es doch fortschritte in der Therapie oder was professor Schepers dafür hält. „Ich schau einmal, was Du zu essen bekommen kannst.“

Claudia verlässt den Raum durch die Metallschiebetür. Die Ärzte scheinen ihr zu vertrauen, wenn sie ihr eine Codekarte zur Verfügung stellen oder gehört das zur Therapie oder verstellt sich Claudia, um eventuelle Fluchtpläne auszukundschaften. Den letzten Gedanken verwerfe ich sofort, ist er doch meine ganz Hoffnung. Ich schmiege meinen Kopf in das Kissen und spiele etwas mit meinen Fingern und Zehen und spanne und entspanne meine Beinmuskulatur.

Obwohl ich an das Bett fixiert bin, fühle ich mich unheimlich frei, ich kann wieder fühlen, ich kann mich bewegen, ich kann sprechen, ich kann schlucken, ich kann Essen, ich pisse und scheiße nicht mehr unkontrolliert, allerdings auch nicht selbstkontrolliert. Es kann jetzt nur noch bergauf gehen und ich ziehe bald in meine Residenz um, wenn ich mich zusammenreiße, Zusammenreißen darf. Mir ist klar, dass meine Lustattacken nach Belieben über das ICH gesteuert werden können, aber vielleicht vergeht Niermeier die Lust daran , wenn ich im das andere Auge auch noch blau schlage. Aber ich vermute, dass sie mittlerweile vorsichtiger sind.

Claudia kehrt zurück, im Schlepptau hat sie zwei bullige Pfleger, von denen einer ein gefülltes Tablett trägt und der andere einen rollbaren Nachttisch mit ausklappbarer Tischplatte schiebt. Sehr verlockend sieht das zwar nicht aus, aber ich habe Hunger und will wieder etwas schmecken, auch wenn es undefinierbarer Haferschleim ist, was in der Schüssel dampft. Aber immerhin gibt es Mineralwasser, Orangensaft, einen Pudding mit Kirschen zum Nachtisch und noch eine Orange. Ich habe damit gerechnet von Claudia gefüttert zu werden, aber anscheinend traut man mir mehr zu als ich selber. Ich verdränge meine Enttäuschung, der Gedanke von ihr gefüttert zu werden hat mich leicht erregt, bin ich tatsächlich schon so weit, das ich meine Hilflosigkeit genießen will oder hat Claudia immer noch den magischen Reiz, den ich für sie im Park empfunden habe ?

Ein Pfleger bringt das Bett in Sitzstellung, der andere löst meine arm und Leibfixierung, ich sitze jetzt aufrecht und Claudia legt mir einen großen, grauen Gummilatz um, der mir bis über die Pampers geht. Dann kann es ja losgehen. Der Haferschleim schmeckt gar nicht so scheusslich wie er aussieht, obwohl ich Lust auf was Festeres gehabt hätte, zumindest Lasagne oder Pizza. Ich genieße jeden Löffel trotzdem, es ist unglaublich wieder schmecken und schlucken zu können. Ich muss mich bremsen, nicht zu gierig und zu hastig. Der Latz hat schon seine Berechtigung, so ganz sicher bin ich noch nicht mit meinen geraden aus der Fixierung gelösten Händen und ich habe mich ganz schön vollgekleckst. Claudia führt mit den Pflegern einen Smalltalk über das Wetter, es regnet seit gestern morgen ohne Unterbrechung. Trotzdem hätte ich Lust auf Gassi. Wie es Einstein wohl so ohne Frauchen geht ? Er ist bei Anne, der besten Freundin der Welt, sicherlich in den guten Händen, aber sicherlich trauert er nach und wird sich rasend freuen mich wiederzusehen. ++



so, mehr hab ich auch nicht, aber immer in der Hoffnung, dass Carla irgendwann mal weiterschreibt.....

Daniela




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Logan Volljährigkeit geprüft
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  RE: Sunday morning coming down Datum:06.03.07 22:41 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Danijelle

Da stimme ich dir zu das, dass eine der Genialsten Geschichten im www ist und mein Favorit in dieser Kategorie.

ICh hoffe sie geht noch weiter!

Gruß

Logan
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  RE: Sunday morning coming down Datum:07.03.07 14:52 IP: gespeichert Moderator melden


das hoffe ich wirklich auch!


Daniela




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  RE: Sunday morning coming down Datum:12.11.15 22:55 IP: gespeichert Moderator melden


Zur Erinnerung an Carla, einfach nochmal nach vorne geholt!

Danijelle




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bebece
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  RE: Sunday morning coming down Datum:02.12.17 10:46 IP: gespeichert Moderator melden


Liebe Danijelle,

das ist ja so unglaublich lieb von Dir, dass Du meine kleine Geschichte nicht im virtuellen Nirwana versinken gelassen hast, selbst ich hatte sie (fast) vergessen. Es ist schon so lange her und es gab im meinem Privatleben viele Änderungen. ich weiß gar nicht ob ich heute in der Lage wäre so etwas noch einmal hinzubekommen. Deswegen glaube ich auch nicht, dass ich sie fortsetzen werde, auch wenn es mir in den Fingern juckt mal wieder was in dieser Richtung zu schreiben. Aber an der Stelle einzusteigen an der die Geschichte endet, sehe ich mich derzeit noch nicht in der Lage. Dazu müsste ich mich erst einmal warmschreiben.
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sturmgras1
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  RE: Sunday morning coming down Datum:03.12.17 07:52 IP: gespeichert Moderator melden


guten morgen zusammen, guten morgen bebece,

für mich ist es ein Fest gewesen, durch Deinen Kommentar auf diese Geschcihte aufmerksam geworden zu sein.
In dieser Storyline sind so viele Umstämde, Begebenheiten, Charaktere und eigene heimliche Wünsche blumig und einfühlsam, detailreich beschrieben und dann wieder mit Lücken, in denen das eigene Kopfkino Raum greifen kann.

Ich schliesse mich gene dem Lob der Vorschreiber an und danke hezlich für
die Veröffentlichung und die Pflege und Archivierung solcher Beiträge.
Chapeau an danjelle und Dich und Carla und Deinen Inspiatoren.
Und wenn Du Dich zu einer neuen Geschichte entschliessen solltest, das wär auch toll.

Dein Schreibstil ist fü mich seh seh angebehm, ich kann das so nicht und deswegen feute ich mich, wi uns, wenn Du wieder mal Lust und Muse fändest.

Der erste Schritt ist gemacht,

WELCOME BACK nach so langer Zeit.

Danke Allen und schönen Sonntag.


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kedo
Sklave



sklave von Gillian (aka Yaguar)

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  RE: Sunday morning coming down Datum:05.12.17 11:48 IP: gespeichert Moderator melden


toll geschrieben, Carla/bepece.
manchmal hat der lektor versagt.
fortsetzungen wären doch machbar ...

[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von kedo am 05.12.17 um 11:49 geändert
beste grüße, kedo

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