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Thema:
eröffnet von kinkara am 10.09.05 02:42
letzter Beitrag von am 22.03.04 18:16

1. Spiritualität und KH

geschrieben von kinkara am 22.12.03 01:25

Guten Abend allerseites,

bin hier mal reingesurft, fand das thema interessant und würde mich zu euren gedanken über das verhältnis von sexueller abstinenz und spiritualität freuen.
also, wenn man unter sprirtualität mal sehr weit alles versteht was so eine art glauben/hoffen/spühren von höherem, übersinnlichem, evtl. göttlichem (zB in religionen) hat, fällt doch auf dass der gedanke an keuschheit nicht fern ist.
bestes beispiel sind doch zb päpste und bischhöfe, die leben im zölibat. ich glaube, dass es ähnliches auch in islamischen brauchtümern gibt. im judentum zB gibt es genaue regeln wann man sex haben darf und wann nicht (wenn jemand weiss wie das genau bestimmt wird freu ich mich auch).
also scheint zwischen gott und dem menschen der sex zu stehen. jedenfalls erfordert der glaube eine abkehr von gelüsten, um sozusagen frei für die konzentration auf gott zu sein. das mag natürlich auch mit dem sehr verquerem sexbild der bibel zu tun haben, aber wo kommt das eigentlich her?
ist eine moralische verurteilung von sex nicht auch gleichzeitig ein appell an die keuschheit? jedenfalls scheint das motiv des selbst unterdrückten triebes doch schon immer sehr präsent gewesen zu sein.
ähnliches auch in östlichen lebensweisheiten. der buddhismus mit der abkehr vom weltlichen auch ohne gott - oder besser, mit dem gott in dir selbst. dennoch ein bekenntnis zur askese.
und kh ist doch nur die höchste form der askese, von der -wesentlich schlimmeren und wohl zumeist krankhaften- essensverweigerung bzw magersucht mal abgesehen. ich will das nicht mit kh gleichsetzen, aber es sind halt die urtriebe, die irgendwie vom geist nicht zugelassen werden. womit man eigentlich bei freud wäre, aber das vielleicht ein anderes mal.
was denkt die community dazu?
kinkara
2. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von beitlamed am 22.12.03 11:15

Puh, ein unermeßliches Feld. Unüberschaubar, flamewarverdächtig und tretminengespickt.

Ich möchte mal feststellen: Schön - sehr schön sogar - daß das hier mal aufkommt. Irgendwann hätte ich es sonst wohl selbst aufs Tapet gebracht, zumal ich mir vorgenommen habe, das nächste Jahr unter genau diese Prämisse zu stellen: Meine Sexualität und meine Spiritualität sollen Freunde werden! Ich will in der Frau, die meinen Schlüssel hält, eine Göttin anbeten.

Also, aus meinem - leider eh schon furchtbar eingerosteten - judaistischen Fachwissen:

Die Frau ist während ihrer Periode und im Kindbett rituell unrein. Wenn mans ganz streng sieht, darf während dieser Zeit kein Mann, nichtmal ihr Ehemann, ihr Bett berühren, geschweige denn ihren Körper - das wird allerdings in dieser Form nur von wirklich *sehr* orthodoxen Juden praktiziert. (Und, bitte, nie vergessen: Es gibt im Judentum eine Regelung, die fast alle andern außer kraft setzen kann: Um Lebensgefahr abzuwenden, ist jede Sünde außer Mord, Inzucht und Götzendienst erlaubt!) Aber ich habe durchaus schon davon gehört. Danach reinigt sie sich kultisch in der Mikwe, und jetzt kommt ein interessanter Punkt: Irgendwo im Talmud steht nämlich, am Tag an dem die Frau wieder rein wird, darf der Mann nicht auf eine Reise gehen...

Zu beachten ist, daß "rituell unrein" nichts, aber auch gar nichts mit Sünde zu tun hat, sondern schon eher mit sehr frühen hygienischen Vorstellungen. Unrein ist nicht nur die Monatsblutung der Frau, sondern etwa auch die Pollution des Mannes, und jede Art von Ausfluß. Blut und Körpersäfte sind heilig, und daher tabu, so ungefähr. Die hatten vor 3000 Jahren einfach Angst, sich mit irgendwas anstecken zu können, so banal ist das.

Ich glaube, die *moralische Verurteilung* von Sex hat herzlich wenig mit Spiritualität zu tun, und umso mehr mit Macht und Unterdrückung. Man muß das Aufsparen der Sexualität um Gottes Willen imho strikt von ihrer Verdammung trennen!

Wenn man allerdings bewußt sublimieren will, also die sexuelle Energie zum Beispiel aufstauen, um sie in Kunst zu verwandeln, ist das eine ganz andere Geschichte.

So, und zum Abschluß noch etwas aus dem jüdischen Bereich, nämlich der Kabbalah: Da ist alles, was ist, der Polarität unterworfen. Jedes Ding trägt Polarität in sich. Plus-minus, männlich-weiblich, aktiv-passiv, Mars-Venus, etc. etc. Aufgabe des Menschen ist es, kurz gesagt, diese Polarität in Harmonie zu verwandeln. Und Sexualität ist nichts anderes als ein besonders starker, intensiver Ausdruck dieser Polarität und des Dramas ihrer Überwindung.

bl
3. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von living_and_laughing am 22.12.03 20:29

Ich danke....
kinkara für die Idee dieses Threads
und
Beitlamed und ChariSMa
für die aufschlußreichen Worte.

Es war mir ein echtes und seltenes Vergnügen
in der Ernsthaftigkeit
der ich sonst so gar nicht verhaftet bin.


stephan


4. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von am 22.12.03 21:33

Nicht alle Glaubensgemeinschaften teilen die leib- und sexualfeindliche Einstellung der christlicher Kirchen, die v.a. auf den Kirchenvater Paulus zurück geht.
Die religiöse, paulinische Sexualfeindlichkeit ist eindeutig nicht in der Bibel zu finden. Dagegen findet sich etwa im Hohelied eine höchst erotische Liebeslyrik.
Auch andere religiöse Traditionen sehen in der körperlichen Liebe niemals eine Sünde, engen sie allenfalls zu bestimmten Ritualfeiern ein. Und auch im Buddhismus hat Lustfeindlichkeit keine Tradition.
Im Tantrismus, einer spirituellen Praxis, die sich auf hinduistische Riten und Mythen beruft, gilt die sexuelle Vereinigung von Mann und Frau ganz im Gegenteil als Weg zu höchster spiritueller und erotischer Ekstase.
Nur in den christlichen Religionen wird Sexualität generell als „unkeusch“ oder verwerflich betrachtet und Keuschheit als Tugend, etwas, das in der höfischen Tradition des Mittelalters mit ihrem Minnewesen zur gehobenen Liebeskultur ausgebaut wurde.
Nach der Massenpsychologie von Wilhelm Reich hat die christlich begründete Lustfeindlichkeit primär mit Ordnungs- und Disziplinfanatismus zu tun: „ In der Sexualität nämlich zeigt sich der Mensch von seiner wilden, unkontrollierten, chaotischen Seite. Im Sexualakt werden gewöhnliche Ordnungssysteme verlassen. In der Sexualität geschieht ein Loslassen - eine zutiefst religiöse Erfahrung. Darum ist Sexualität so lebendig, so attraktiv, gerade darum ist Sexualität manchmal oder oft auch schwierig.
Gerade dieses Loslassen, dieses lebendige Chaos, welches Sexualität in sich trägt, gefährdet das strenge Ordnungssystem, welche eine strenge religiöse Haltung braucht, um das Leben zu meistern. Das Wilde und Unkontrollierte der Sexualität macht Angst und gefährdet die Stabilität des eigenen Ichs. Darum muss Sexualität streng kontrolliert werden .So wird die eigene Sexualangst und Sexualfeindlichkeit in den Glauben hineinprojiziert“.
Keuschheit kann im sexuellen Bereich aus verschiedenen, ganz gegensätzlichen Gründen gelebt werden: aus unbewussten Schuldgefühlen gegenüber Onanie, aus bewusster Knapphaltung, um die Geilheit eines Partners zu schüren, usw.
Sie gleich auf die Ebene von Spiritualität anheben zu wollen, halte ich für übertrieben. Im Prinzip ist Keuschheit doch ebenso wenig eine Tugend wie Unterernährung.

ChariSMa
(einen Schreibfehler geändert)

(Diese Nachricht wurde am 22.12.03 um 21:33 von ChariSMa geändert.)
5. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von kinkara am 23.12.03 05:21

Boah,

echt interessante antworten. danke. als ich charismas antowrt gelesen hab musste ich mich wundern.. ist nicht kh gerade die disziplinierung, ausdruck der lustfeindlichkeit, die dem christlichen zugrunde liegt. sind nicht alle abstinenten männer/frauen letzlich genau das in perfektion, was die überlieferte moral von uns fordert? also, quasi in präventivem gehorsam? ist das nicht zutiefst christlich und sollte vom vatikan gefördert werden?
und sollte man sich nicht gedanken machen wenn man in solche kategorien verfällt, wenn auch von der extremen gegenseite her, die hier die freiheit zur sexuellen selbstbestimmung wäre..
naja, alles was ich meinte war eigentlich dass es immer um innere konflikte geht, die der mensch aufzulösen versucht. ob in gott oder sex oder aktien und autos. oder in kh. und als beweis dafür sozusagen die verortung in legenden der menschheit.. ist schon spät,
kinkara
6. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von beitlamed am 23.12.03 12:21


Zitat

echt interessante antworten. danke. als ich charismas antowrt gelesen hab musste ich mich wundern.. ist nicht kh gerade die disziplinierung, ausdruck der lustfeindlichkeit, die dem christlichen zugrunde liegt.


1. Ich glaube nicht, daß Christentum zwangsläufig lustfeindlich sein muß. Wenn man das Apostolische Glaubensbekenntnis durchgeht, findet man doch eigentlich keinen Satz, der Lustfeindlichkeit erzwingt, oder? Aber gut, das mag jetzt ein bisserl zu schnell gesagt sein, und unten werd ich mir selbst widersprechen - es kommt hier sehr darauf an, wie man Christentum definiert.

2. Das Problem mit der Lustfeindlichkeit ist für mich nicht, daß jemand *freiwillig* auf die Ausübung seiner/ihrer Lust verzichtet. Wer tatsächlich der Ansicht ist, Gott besser dienen zu können, wenn er/sie enthaltsam lebt, soll das bitteschön tun. Das Verbrechen liegt für mich in der von einer machtvollen Instanz ausgesprochenen *Forderung*, daß alle die, die Gott als Priester/in dienen wollen, zolibatär leben müssen. Das Verbrechen liegt darin, Sex als *Sünde* zu betrachten. Das Verbrechen liegt darin, daß die Frau möglichst keine Lust empfinden soll, höchstens zur Not noch bei der Zeugung von Nachwuchs, nach Möglichkeit nicht einmal da, wenn sichs irgendwie vermeiden läßt.

Und nochmal: Wenn diese Frau selbst der Ansicht ist, sie will in ihrem Leben keinen Orgasmus haben - bitteschön. Wenn sie mir sagt, daß Sex Sünde ist, werde ich ihr heftig widersprechen, aber es ist immer noch ihre Privatangelegenheit, solange sie es nicht ihren Kindern vermittelt. Ein Verbrechen hingegen ist, daß über die Menschen verfügt wurde, daß es ihnen von der Kanzel herab eingetrichtert wurde, daß ihnen ein schlechtes Gewissen gemacht wurde.

Zitat

sind nicht alle abstinenten männer/frauen letzlich genau das in perfektion, was die überlieferte moral von uns fordert? also, quasi in präventivem gehorsam? ist das nicht zutiefst christlich und sollte vom vatikan gefördert werden?


Nach außen hin, ja. Das Christentum ist aber sehr intentionalistisch. Es kommt für den Vatikan nicht nur darauf an, enthaltsam zu leben, sondern auch darauf, WARUM ich das tue. Ich bezweifle, ob die Motivation, meine eigene Geilheit zu steigern, für den Vatikan akzeptabel wäre.

Zitat

und sollte man sich nicht gedanken machen wenn man in solche kategorien verfällt, wenn auch von der extremen gegenseite her, die hier die freiheit zur sexuellen selbstbestimmung wäre..


Man sollte sich immer Gedanken machen.

Ich habe ja die Freiheit zur sexuellen Selbstbestimmung. Die kann Vera mir sowieso nicht nehmen, und ich selbst mir auch nicht. Ich gebe diese Freiheit freiwillig bis zu einem gewissen Grad auf, um etwas anderes zu erreichen.

Menschen können sublimieren. So einfach ist das. Manche Menschen machen ihre Depressionen zu Kunst. Manche Menschen verwandeln Schmerz in Lust. Manche Menschen beschränken ihre Sexualität um Gottes, ihrer Partner/innen oder ihrer eigenen Geilheit willen. Solange das nicht erzwungen wurde, habe ich kein Problem damit, sondern sehe es eigentlich als eine tolle Fähigkeit an, auf die ich stolz bin.

Zitat

naja, alles was ich meinte war eigentlich dass es immer um innere konflikte geht, die der mensch aufzulösen versucht. ob in gott oder sex oder aktien und autos.


Da stimmen wir vollkommen überein. In dem Moment, in dem es gar keine inneren Konflikte mehr in mir gibt, werde ich vermutlich sterben, weil ich kein Bedürfnis mehr spüren werde, meinen Körper zu erhalten.

Frohes Fest!

bl
7. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von living_and_laughing am 23.12.03 12:44

Bis auf den Allerletzten Absatz, lieber Beitlamed stimme ich absolut mit Dir überein.

aber meine Konflikte verhindern meiner Meinung nach meine Lebens-freiheit und -Lust und fördern diese nicht.

Gerade in den Momenten, wo ich ganz nahe bei mir bin (sei es Bungeesprung oder ganz intensiv gefühlter Sex oder ein seeehr inniges Gespräch) und alle anstehenden Konflikte verdrängt sind, weil ich nahe 100% bei mir bin, fühle ich mich lebendig und wahr, und nicht, wenn ich mich mit Alltäglichen Problemchen und Kleinkram rumschlagen muß.....

In dem Moment, da ich keine eigenen, inneren Konflikte mehr habe, fühle ich mich berechtigt und berufen zu leben und womöglich zu lehren, daß Dein Gegenüber auch nicht mehr innerlich zerstritten ist.


Und Dann LEBE ich...
....in Reinform

Allen, alles Liebe
stephan

8. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von J_Oxtrap am 26.12.03 08:10

Schnelles Wort, bevor ich den ganzen Thread lese:

Sex steht zwischen Gott und dem Menschen, weil es die einzige biologische Funktion ist, auf die der Mensch verzichten kann, ohne seine Gesundheit zu gefährden, und ohne sich das Leben unmöglich zu machen. Man kann nicht auf Essen, Atmen, oder Laufen verzichten... Die Sexualität (im weiteren Sinne) ist also das Einzige, womit der Mensch wirklich Spielraum hat, um gegen die Natur zu gehen... An der Stelle lassen sich die kompliziertesten Rituale und Sitten elaborieren - sowie die faszinierendesten individuellen und kollektiven Spiele mit/gegen Triebe oder Gesetze, weil Sexualität bzw. Fortpflanzung einfach das Einzige ist, was nur kollektiv und nicht individuell überlebensnötig ist!

Von der Aussicht aus: Spiritualität, pöh, wenn es so einfach wäre wie nur "keusch = näher an Gott"! Die Sexualität ist eben der Punkt, wo Individuum, Spezies und Gesellschaft sich verknoten, und es ist z.B. wahrscheinlich eine viel reichere spirituelle Erfahrung (oder vielleicht eine Erfahrung für die Intelligenz), in einer Gesellschaft, wo Sex grundsätzlich Tabu ist, Sex zu haben, als keusch zu bleiben - oder in einer Gesellschaft, wo Sex streng organisiert und begrenzt ist, Sex an diesen Grenzen zu praktizieren (z.B. SM oder Homosexualität) - oder in einer Gesellschaft, wo Sex auf jedem Werbungsplakat gelobt wird, keusch zu bleiben - oder in einer schizophrenischen Gesellschaft, die nicht genau weiß, ob Sex gut oder übel ist, und wie und wann, eben seinen eigenen Weg zu finden.
9. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von J_Oxtrap am 26.12.03 08:47

Etwas total unabhängiges à propos
Zitat

Gerade in den Momenten, wo ich ganz nahe bei mir bin (sei es Bungeesprung oder ganz intensiv gefühlter Sex oder ein seeehr inniges Gespräch) und alle anstehenden Konflikte verdrängt sind, weil ich nahe 100% bei mir bin, fühle ich mich lebendig und wahr, und nicht, wenn ich mich mit Alltäglichen Problemchen und Kleinkram rumschlagen muß.....


Hämmm... Also... Wichtiges Thema, das sehr wenig mit Sex oder Keuschheit zu tun hat. Wie fange ich jetzt an?

Es gibt Kinder, die ein sehr großes IQ haben (>140) und Schulschwierigkeiten erleben. Man hat vor einigen Jahren jetzt entdeckt, daß diese Kinder (und die Erwachsenen, die sie werden) ein anderes kognitives System haben als die Mehrheit der Menschen. Man weiß noch nicht, ob es dabei eine Trennung der Menschheit in System A und System B gibt, oder, wahrcheinlicher, einen fließenden Übergang, sodaß jeder ein bißchen A und ein bißchen B ist, und nur diejenigen, die extrem B-isch denken, Probleme haben in einer Schule, die für extreme As gemacht ist.

Auf jeden Fall ist das, was Du gerade erzählst, SEHR falsch für die B-Menschen. ICH fühle mich erst dann lebendig, wenn ich 100%ig OFFEN bin und keine Trennung zwischen mir und der Welt mehr fühle, sondern nur noch Kontakt überall. Es ist auch ein Zustand, der von mehreren Meditationstechniken angestrebt wird. Wenn ich "ganz nah bei mir bin" und die Verbindung zur Welt (die eventuell konfliktual sein kann, oder zum mindesten konfrontativ ist) verdränge oder irgendwie verliere, dann bin ich ganz nah am Sterben vor Einsamkeit und Nutzlosigkeit.

Es gibt also Menschen, die völlig A sind, und erst dann völlig leben, wenn sie die Konflikte mit der Welt ausschliessen oder vergessen (sei es auch temporär), und Menschen, die völlig B sind, und erst dann leben, wenn sie die Konflikte mit der Welt in eine grössere Wahrnehmung miteinziehen, und von der Konfrontation mit der Welt leben. Und die meisten Menschen mischen wahrscheinlich beide Lösungen.

Wohlgemerkt: Die "Welt" in diesem Satz kann auch etwas Innerliches sein, wei ein hoher Hormonspiegel z.B.
(Diese Nachricht wurde am 26.12.03 um 08:47 von J_Oxtrap geändert.)
10. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von beitlamed am 26.12.03 10:44

LaL:

Zitat

aber meine Konflikte verhindern meiner Meinung nach meine Lebens-freiheit und -Lust und fördern diese nicht.

Gerade in den Momenten, wo ich ganz nahe bei mir bin (sei es Bungeesprung oder ganz intensiv gefühlter Sex oder ein seeehr inniges Gespräch) und alle anstehenden Konflikte verdrängt sind, weil ich nahe 100% bei mir bin, fühle ich mich lebendig und wahr, und nicht, wenn ich mich mit Alltäglichen Problemchen und Kleinkram rumschlagen muß.....


Natürlich. Ich glaube wir sind da gar nicht soo weit auseinander mit unseren Meinungen.

Genau in diesen Momenten hast du die Konflikte für kurze Zeit überwunden. Aber das LEBEN besteht nunmal nicht aus solchen Momenten, sondern überwiegend darin, daß wir irgendwie auf sie hinarbeiten und uns dann wie kleine Hutschpferderln [1] freuen, wenn wir sie ausnahmsweise mal erreicht haben.

Es hat schon einen guten Grund, daß der Orgasmus der Kleine Tod genannt wird. Ohne Konflikte hätten wir ja keinen Grund, den konfliktfreien Moment anzustreben, und dann würden wir einfach nichts mehr tun. Wenn das Leben permanentes Bungeejumping wäre, dann bräuchten wir ja kein Geld zu sparen, um später Bungeejumping treiben zu können.

edited to add:

Ja, und diese völlige Bedürfnislosigkeit, auf die zwangsläufig der Tod folgt, ist für mich überhaupt nicht negativ. Ganz im Gegenteil. Weil, der Tod wäre ja dann auch nicht mehr schlecht, ich könnte ihn dann völlig akzeptieren. Und da wir alle sterben werden, hätte das durchaus sein Gutes...

bl

[1] Schaukelpferdchen
(Diese Nachricht wurde am 26.12.03 um 10:44 von beitlamed geändert.)
11. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von living_and_laughing am 26.12.03 11:08

Ja, beitlamed...
ich glaube in diesem Punkt sind wir uns ähnlich.

....im Moment beschäftige ich mich gerade sehr intensiv mit diesem Thema und frage mich, für was dieses Streben nach Äußerlichkeiten und Haben wollen gut sein soll.
und wie man irgendetwas im Leben ernst nehmen kann, da ja der Schluß des Spieles schon bekannt ist.
Dieses ganze Abstrampeln nach Gut und auch dieses "Ich bin wer" Gehabe, "was stellst Du schon dar" usw., einfach lächerlich.
Ich merke, daß ich zwar im Hier und Jetzt "gefangen" bin, mich aber längst nicht mehr soviel oder solange über die Nichtigkeiten aufrege wie früher.
Warum auch.....
Im Endeffekt ist es doch so unwichtig "wia a Kropf", wie s auf Bayerisch heißt.
Irgendwie bin ich immer belustigt....
Über mich und "die Anderen".....

Also insofern paßt der Narr ganz gut zu mir.

(hoffe ihr verzeiht mir meine Abschweifung, die ja so gar nichts mit dem Threadthema zu tun hat)

stephan

12. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von beitlamed am 04.01.04 13:25

Kleiner Tip: www.bondage.com -> Talk -> Forums -> Search, und dort "spirituality" eingeben.

Z.B. die Antwort von wantnwench in diesem
Thread fand ich sehr interessant:

>>
To me Religion is the deffinition of what you believe, Spirituality is the passion you use in your devotion to your beliefs.
>>

bl
13. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von Chinolina am 05.01.04 17:26

Hallo,

sich durch dieses Thema zu arbeiten ist gar nicht so einfach. Erst recht nicht, wenn man vieles mit anderen Augen sieht.

Durch die Kraft der Gedanken ist vieles möglich. Wie wir alle wissen, nutzt der Mensch nur einen kleinen Teil des Gehirns.
Die Menschen, welche es schaffen, den Schmerz in Lust zu verwandeln, tun nichts anderes als einen weiteren Teil des Gehirns zu nutzen. Wenn der Mensch aber sein gesammtes Gehirn nutzen würde, wäre er zu allem fähig.
Er könnte mit Kraft des Gedankens Welten überwinden, die keine Mauern kennen.
Er könnte mit seinen Gedanken heilen, aber auch töten, einen Berg erschaffen oder ihn zu einer flachen Ebene drücken.
Schon allein diese Vorstellung, dass der Mensch zu solchen Sachen fähig ist, ist für die Kirche ein Grauen.
Die Sexualität wird in der Kirche als unrein verschrien, weil die Menschheit dadurch eine neue Freiheit kennen lernt. Sie beginnen sich zu öffnen. Dieses Öffnen kann schmerzhaft oder aber lustvoll und sehr schön sein, so dass sich jeder danach sehnt, es immer wieder und immer schöner zu erleben.
Es kann aber noch etwas, das was wir Spiritismus nennen. Wenn dieser Teil des Gehirns aktiviert worden ist, schließt er sich nicht mehr. Es sei denn man verhindert es mit Medikamenten. Einige erleben gerade in solchen Augenblicken eine Freiheit, die sie wohl erst mal erschreckt, aber dann, wenn sie diese Freiheit annehmen, eine Grenze durchbrechen, wie es dir Kirche nie wollte. Deshalb hat die Kirche auch damals viele als Hexen verbrannt, um nicht zuzugeben, dass nicht nur Jesus besondere Kräfte hatte, sondern auch viele andere Menschen.

Ich selber habe in einer Session auch solch eine "Öffnung" erlebt, auch wenn es im negativen Sinn war. Als ich den Schmerz ausschaltete, öffnete sich die andere Tür.

Sind wir denn überhaupt sicher, ob Jesus nicht doch masochistisch veranlagt war. *unschuldig guckt*

Fesselnde Grüße von Angi
14. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von Marfisa am 09.02.04 21:28

Zitat

Chinolina
Wie wir alle wissen, nutzt der Mensch nur einen kleinen Teil des Gehirns.


Die Behauptung, der Mensch nutze nur einen kleinen Teil des Gehirns, die insbesondere von den Scientologen immer wieder gerne zitiert wird, scheint mir biologisch eher unwahrscheinlich zu sein. Ein so großes Gehirn mit sich herumzuschleppen, wie es die Menschen tun, ist in evolutionärer Hinsicht ziemlich teuer und hätte sich wohl kaum durchgesetzt, wenn wir von diesem Gehirn nur einen kleinen Teil benutzen würden.

Und das mit dem voll genutzten Gehirn, das Berge erschafft oder plattdrückt, das würde ich doch zu gerne einmal mit eigenen Augen sehen, ehe ich es glaube.

Ansonsten meine ich, daß sexuelle Abstinenz und Spiritualität ziemlich unabhängig voneinander sind.

Jemand kann aus religiösen Gründen abstinent sein (z.B. ein traditioneller Buddhist, ein christlicher Einsiedler etc.).

Jemand kann aus religiösen Gründen nicht abstinent sein (z.B. tantrischer Sex, einige gnostische Sekten, etc.)

Jemand kann sexuell abstinent sein aus religiösen Gründen, dabei aber seine spirituellen Erfahrungen in sexuellen Begriffen beschreiben (wie das etwa in der christlichen oder islamischen Mystik ziemlich häufig der Fall ist).

Oder jemand ist sehr religiös, seine Religion kennt aber keine besonderen Vorschriften zur Behandlung von Sexualität (etwa in bestimmten Spielarten des Zen).

Anders herum kann jemand aus religiösen Gründen abstinent sein. Oder weil er sich davon einen besonderen sexuellen Kick verspricht. Oder aus medizinischen Gründen. Oder aus sonst irgend einem Grund.

Mir scheint also, zwischen beiden Themen ist so ziemlich jede Beziehung und Kombination möglich.

Insbesondere halte ich für ausgeschlossen, daß jemand, der einen bestimmten sexuellen Fetisch hat, der sexuelle Abstinenz einschließt, damit automatisch und "versehentlich" irgendwelche transzendentalen oder spirituellen Pluspunkte sammelt.
15. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von beitlamed am 10.02.04 14:49

Gottigkeit, nö, natürlich gibt es keinen direkten kausalen Zusammenhang. Weder muß Keuschheit zur Erleuchtung führen, noch umgekehrt. Aber man KANN sie kombinieren und daraus sicher eine besondere Art von Befriedigung oder Glück gewinnen. Und es läßt sich schlicht nicht leugnen, daß sexuelle Abstinenz einen Wert in vielen Religionen darstellt...

bl
16. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von Leopold am 18.03.04 02:03

Ich denke bei der Konzentration auf Gott geht es eher um ein "Besiegen" der Triebe in mentaler Hinsicht. Ein Beherschen der Gefühle ohne sie zu unterdrücken. Ein Keuschheitsgürtel kann die Triebe aber noch deutlich stärker werden lassen. Es findet bei vielen wohl sogar noch eine Konzentration auf den Trieb statt.
Spirituell sollte dieses Verlangen eher mental beherrscht werden. Ein KG kann dabei vielleicht sogar hinderlich sein oder aber eine interessante Selbsterfahrung.
Aber alles unter dem Vorbehalt dass es hier nur um meine Glaubenswelt geht

17. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von am 18.03.04 20:58

@Leopold,
das finde ich einen wirklich interessanten und ganz anderen Ansatz, als es sonst hier diskutiert wird. Lebst Du das so, wenn ich das fragen darf?

ChariSMa
18. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von Leopold am 18.03.04 21:12

Hallo ChariSMa,

Sagen wir mal ich durfte in meinem Leben einige Bewußtseinszustände erleben. Ich kenne das Gefühl wenn es praktisch kein Verlangen gibt, ebenso kenne ich das Gefühl wenn der Trieb einen schier in den Wahnsinn treibt (in positiver Hinsicht). Mit Verlangen meine ich hier nicht nur das Verlangen nach sexueller Befriedigung sondern auch das Verlangen nach einer Beziehung, materiellem Reichtum etc.
Ich lebe es in sofern dass ich versuche darauf dauerhaft zuzuarbeiten. Es ist ein Ideal nach dem ich mich dabei ausrichte.
Mein Ziel ist dabei nicht Keuschheit oder die Konzentration auf Gott sondern eher eine Bewußtwerdung und eine Selbstbeherrschtheit im positivsten Sinne.
Kann man hier vielleicht auch schwer erklären.
Aber wenn es Dich interessiert würde es mich freuen wenn man sich mal darüber austauscht.

Lieben Gruß

Leopold
19. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von beitlamed am 19.03.04 10:29


Zitat
Ich denke bei der Konzentration auf Gott geht es eher um ein \"Besiegen\" der Triebe in mentaler Hinsicht. Ein Beherschen der Gefühle ohne sie zu unterdrücken. Ein Keuschheitsgürtel kann die Triebe aber noch deutlich stärker werden lassen. Es findet bei vielen wohl sogar noch eine Konzentration auf den Trieb statt.


Vermutlich findet oft so eine Konzentration statt. Die macht einem dann bewußt, wie dieser Trieb aussieht. Also, ich könnte mir z.B. vorstellen, daß KGs ganz gut verwendet werden könnten, um jemandem vor Augen zu führen, wie sein Trieb "aussieht", und daß er sehr wohl leben kann, ohne ihn "auszuleben" (wobei, wie gesagt, der KG, so wie ich ihn immer verwendet habe, ja in Wahrheit eine spezielle Form des Auslebens ist).

Also, mich würde z.B. mal ein Seminar interessieren, wo es ums Schreiben oder Malen oder sonst eine künstlerische Betätigung geht, und alle tragen KGs

bl
20. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von bluevelvet am 19.03.04 15:25

@ ChariSMa,
@ Leopold

Es bleibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die Erotik neben der großen Natur, der Kunst und dem Kult eines der Felder ist, auf dem bevorzugt Seinsfühlungen und Seinserfahrungen stattfinden. Auch sei hier an Übungen und Praktiken etwa aus dem linkshändigen Tantra und der Sexualmagie erinnert. - Euer Thema bleibt spannend!

Higher and higher ...

Bluevelvet
21. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von bluevelvet am 19.03.04 20:13

... aber ChariSMa !!!

22. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von am 19.03.04 21:03

@Leopold,
Mich beeindruckt sehr, wie Du Deine Zielsetzung formulierst.
Die wenigsten Männer hier scheinen sich in Bezug auf sexuelle Kontrolle ein wirkliches, von innen getragenes Ziel zu setzen und hinein wachsen zu wollen.
Sie behandeln das Thema eher unter den *typisch männlichen* Vorgaben: wer ist der Größte, wer kann am längsten,  wer hat den fiesesten ROI (und seit misters neuestem Thread auch noch: wer duscht am seltensten *gg)... und ähnliches mehr ... und ihre KH beziehen sie als verlängerten Arm oder ausführendes Organ in diese Spiele mit ein.

Keuschheit unter dem Aspekt des spirituellen *Loslassens* zu erleben, diesen Weg praktisch unter dem Weg der Krieger zu gehen, dem Bushido, dem Hagakure oder was immer man als Vergleich auswählen möchte, das scheint eine ganz andere Dimension zu besitzen.
Dann tritt man im Prinzip von seiner eigenen Sexualität einen Schritt zurück, um sie zu betrachten, so, wie man auch zurück treten würde, wenn man ein Bild wirklich *sehen* möchte: because to see a thing, a distance is needed, to have a perspective, space is needed...
Dann spielt man nicht oberflächlich mit der Lust und bleibt letztlich an ihr haften, sondern strukturiert sich in seiner Sexualität durch mentale Kontrolle neu, strafft sie, hebt einen neuen Kanal zum eigenen Bewußtsein aus.
Ich verstehe auch beitlamed so, dass er in diese Richtung gedanklich hinein experimentiert.
Ob man das auch als D/S-Paar in einer gemeinsamen Entscheidung tun kann, darin haben sich meine Gedanken dann festgefahren und kommen momentan nicht weiter.

@bluevelvet,
altersmäßig habe ich seit letzter Woche meine Halbwertzeit definitiv überschritten und linkshändiges Tantra scheidet für mich demzufolge als hochgradig gelenkbelastend aus ... Medizinballrollen im heiteren Seniorenkreis, das käme vielleicht gerade noch in Frage *gg.

Liebe Grüße
ChariSMa



(Diese Nachricht wurde am 19.03.04 um 21:03 von ChariSMa geändert.)
23. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von Leopold am 19.03.04 21:38

Hallo ChariSMa,

erstmal meine Gedanken zu der gemeinsamen Entscheidung:
Wenn dieser Weg funktioniert ist das sicherlich wunderschön, aber erzwingen kann man ihn sicherlich nicht (das geht schon bei einem selber nicht wirklich), es ist meiner Meinung nach auch ein Weg den man wirklich alleine für sich selber finden muß.
Man kann aber natürlich anregen, so wie auch Deine Worte mich zum nachdenken anregen und wie ich hoffe meine Dich zum nachdenken anregen.
Zum anderen habe ich noch einige Gedanken zu dem was ich mal mit dem Überbegriff SM titulieren möchte.
Für mich habe ich das Bild geschaffen das SM so etwas ist wie eine Krücke. Die mir hilft zu gehen, was definitv besser ist als nur rumzusitzen. Ich weiß auch nicht ob es ohne "Krücke" schöner wäre zu gehen. Jemand anderes hat als "Krücke" vielleicht den, um es nett zu umschreiben, visuellen Eindruck, Geräusche oder einen Geruch. Mir fällt gerade auf dass ich die Krücke vielleicht durch etwas weniger vorbelastetes ersetzen sollte.

Zum anderen gibt es in diesem Bereich vieles was in entsprechenden Schriften auch erscheint, die Hingabe oder die Demut zum Beispiel. Derjenige der kniet und sich hingibt aber auch diejenige die in diesem Anblick Größe erkennt und Respekt und Achtung, also auch eine gewisse Hingabe empfindet. (Falls gewünscht bitte geschlechtsneutral umformulieren )
Mal ganz nebenbei, wenn man sich zum Beispiel mit den Körperübungen beim Yoga auseinandersetzt findet man regelmäßig Körperhaltungen die man sehr schnell mit etwas anderem assoziieren könnte
Zum anderen ist der Schmerz bei mir oftmals der Anlaß für Entwicklungen gewesen. Es war aber meist der geistige Schmerz, den man aber oft besser versteht wenn man den körperlichen Schmerz versteht beziehungsweise mit ihm umgehen kann. Vieles im körperlichen hat auch im geistigen seine Entsprechung. So wie die Körperhaltung auch oft eine innere Entsprechung hat.
Würde mich wirklich freuen Deine bzw. Eure Gedanken dazu zu hören.

Lieben Gruß

Leopold
24. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von am 20.03.04 23:39

@(zunächst einmal) Leopold,
Dein Beitrag hat mich in der Tat sehr zum Nachdenken angeregt.
Deinen Vergleich mit der "Krücke" habe ich heute über einen ganzen Spaziergang am Neckar entlang getragen, es ist ein ganz eigenwilliges Bild.
Ich habe BDSM viele Jahre lang als Mauer empfunden, die mich von einem Leben in Liebe und Würde abtrennt und konnte erst in den letzten Jahren einen akzeptierenden Zugang zu meiner Neigung finden, sie als Teil von mir begreifen lernen.

Sie als "Krücke", als helfendes, überbrückendes Transportmittel zu sehen, wäre mir als Bild selbst nie in den Sinn gekommen. Aber es ist ein gutes Bild: BDSM als Geh-Hilfe, um die eigene sexuelle, andersgeformte Persönlichkeit in Bewegung zu setzen.
Dennoch: meine eigenen diesbezüglichen Partnerschaften blieben primär auf den sexuellen Aspekt beschränkt, fast unmöglich erscheint jedes Mal wieder die Suche nach jemanden, der nicht am anderen Ende der Milchstraße wohnt und dem man sich dennoch im Wesen und im Denken verwandt fühlt.
Die Frage einer gemeinsam zu erlebenden Form von Spiritualität hat sich mir deshalb in den Phasen, in denen ich meine Neigung ausgelebt habe, nie gestellt.
Ganz anders früher: da verstand ich mich eindeutig als Kriegerin und hätte nie einen anderen als einen echten Krieger an meiner Seite akzeptiert.

ChariSMa

P.S. Schön, jetzt in Deinem Profil ein Bild am zuvor leeren Platz zu sehen, eines, das eine fließende Bewegung assoziiert. Es passt.


(Diese Nachricht wurde am 20.03.04 um 23:39 von ChariSMa geändert.)
25. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von bluevelvet am 21.03.04 06:23

Hallo ChariSMa, hallo Leopold und andere am Thema Interessierte,

an dieser Stelle möchte ich jetzt gerne als Ausgangspunkt die Gedanken von ChariSMa und Leopold bezüglich des Verhältnisses zur Körperlichkeit zueinander in Beziehung setzen.

ChariSMas treffende Beobachtung, dass viele ihren KG unter dem Aspekt des "Wer kann`s am längsten?" tragen, bezieht sich auf ein Verhältnis zur eigenen Leiblichkeit, in der es um den "Körper, den man hat", geht. Leopolds richtiger Hinweis auf die Gebärde der Unterwerfung etwa im D/S-Verhältnis, die dann sozusagen ganzmenschlich sowohl gegeben als auch angenommen wird, verweist weniger auf den Körper, den man hat, vielmehr auf den "Leib, der man ist". In einer solchen reinen Ganzheitlichkeit steckt ein spirituell verwandelndes Potential, da es den Menschen, der diese Gebärde vollzieht, bis in die Wesenstiefen betrifft. Diese das Ich loslassende/überschreitende Gebärde ist auch ein Kernbestandteil von Meditation (etwa ZaZen) als Verwandlungsübung. Zur Meditation ein Zitat: "So ist der Buddha die archetypische Gestalt des Meditierenden (...) Jeder Meditierende taucht in diesen Archetypus ein (...)" (J. Kirchhoff, Die Anderswelt, S. 172). Meiner Erfahrung nach wohnt der so verstandenen Meditation eine vom eigenen Wesenzentrum her ordnende Kraft inne, die den verschiedenen Lebensbereichen den ihnen angemessenen Platz zuweist (Ich selbst erfahre gerade schmerzlich das Fehlen genau dieses Faktors!). Der Leib, der man ist, die reine Gebärde, die aus unserem Wesen kommt und dieses berührt. -

Wo ich gerade bei dem Thema Meditation bin, darf ich es noch einen Augenblick weitertreiben? - Okay! Viele verbinden mit ihr das Potential eines direkten Eintretens in einen anderen Bewußtseinszustand, die Erleuchtung etc. Dies mag durchaus möglich sein, hat aber Seltenheitswert, viel eher treten diese Bewußtseinslichtblicke nahezu unverhofft auf: Ich gehe mit einem guten Freund in einem Wald spazieren, er geht auf einen Nebenweg, ich stehe allein, das Licht scheint durch die grünen Blätter, ich erinnere mich an einen veränderten Zustand , den ich vor Jahren erlebt habe, denke: Da könntest du jetzt wieder eintreten. Und wirklich: Ich fühle mein Ich zurücktreten, geradezu verglühen, die Farben des Waldes vertiefen sich, Stille tritt ein, ich stehe am Rande des Zeugen-Bewußtseins, zentrumslos, überklar - - es knackt im Unterholz, ich kehre zu meinem ichzentrierten "Normalzustand" zurück (Frühj. 2003). Nein, es ist keine Depersonalisation, sondern der sicher meditativ vorbereitete Übertritt in einen erweiterten/vertieften Zustand!

Sicher hat diesbezüglich jeder seinen eigenen besonderen Weg, worauf auch Begriffe wie Karma, Dharma etc. zu verweisen vermögen; für mich selbst kann ich Erfahrungen wie die geschilderte mit irgendeiner Art von Verzicht/Askese in keinerlei Verbindung bringen.

Um meine Ausführungen an das Thema "spiritualität und KH" zurückzubinden: Ein KG kann sicher für verschiedene Menschen die verschiedensten Funktionen haben, und das ist gut so - jeder hat einen anderen Weg und das Leben nicht nur so tiefsinnige Seiten, wie ich sie hier vielleicht berührt habe, sondern ist auch und soll sein: Spiel, Verlangen, Lustschmerz und vieles andere mehr. - Wozu, wenn nicht auch (!), um dieses zu erfahren, leben wir in dieser Welt?

So, das soll`s erstmal sein!

Bluevelvet


"Ersterscheinen" dieses Beitrags: 20.03.04; 19:54 Uhr

(Diese Nachricht wurde am 20.03.04 um 19:56 von bluevelvet geändert.)
(Diese Nachricht wurde am 20.03.04 um 21:13 von bluevelvet geändert.)
(Diese Nachricht wurde am 20.03.04 um 21:22 von bluevelvet geändert.)
(Diese Nachricht wurde am 20.03.04 um 21:32 von bluevelvet geändert.)
(Diese Nachricht wurde am 21.03.04 um 06:23 von bluevelvet geändert.)
26. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von am 21.03.04 09:16

@ und bluevelvet,
Dein Erlebnis im Wald habe ich anderswo sehr griffig beschrieben gefunden:
"Wenn wir Augenblicke der Ekstase erleben, so ist dies keine Ausnahme, kein Zufall, sondern ein Anflug dessen, wie das Leben wirklich sein soll ... Wir haben ein angeborenes Recht auf Momente, in denen wir uns wohl ins unserem Körper fühlen, in denen unser Herz rein und unser Verstand klar ist, in denen wir in unserer Seele wurzeln und von der Energie, dem Lebensgeist erfüllt sind. Es ist gar nicht so schwer, innezuhalten und in der Freude und dem Wunder des Lebens zu schwelgen. Kinder machen das ständig. Es ist eine natürliche Gabe des Menschen und sollte im Mittelpunkt unseres Lebens stehen." (Gabriele Roth).

Achtsamkeit ist vielleicht ein Schlüsselwort dafür ... oder bewusstes Wahrnehmen.
Das hat dann auch duchaus wieder etwas mit dem Ursprungsthema zu tun haben.

Dennoch wird sich mir eine Frage nicht wirklich erschließen: warum versucht der Mensch bewußt, seine Sexualität zu kanalisieren, zu "verwalten", statt sie frei zu genießen ... warum etwas in Flaschen (sprich einen Keuschheitsgürtel) abfüllen, wenn man darin schwimmen kann?

einen lieben Gruß
ChariSMa

(Diese Nachricht wurde am 21.03.04 um 09:16 von ChariSMa geändert.)
27. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von bluevelvet am 21.03.04 10:13

@ ChariSMa

Ja, weshalb eigentlich?

Mir fallen dazu spontan drei Antworten ein, d. h. Antworten, die mir auch emotional-mental zugänglich sind:

- Kennenlernen des eigenen Triebes (worauf Beitlamet gerade hingewiesen hat),

- Differenzierung im sexuellen Bereich und

- Steigerung des Erlebens (dies in d e m Sinne, der sich in dem Nietzsche-Zitat in dem Thread "Die bürgerliche Tugend des Lustverzichts" - hier in der "Philosophie-Ecke" - ausdrückt).

Liebe Grüße
Bluevelvet


(Diese Nachricht wurde am 21.03.04 um 10:13 von bluevelvet geändert.)
28. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von bluevelvet am 21.03.04 10:20

Zum von Leopold angesprochenen Thema des Schmerzes fällt mir ein Satz ein, der mich schon seit Jahren, vielleicht Jahrzehnten, begleitet:

"Schmerz bedeutet das Brechen der Schale, die euer Verstehen umschließt."
Kahlil Gibran, Der Prophet
(Kap. Vom Schmerz)

Bluevelvet
29. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von Leopold am 21.03.04 16:02

@ChariSMa
Dieses Gefühl mit der Mauer kann ich nur allzu gut nachvollziehen, mir geht es genauso. Ich benutze eher den Begriff Blockade oder Blockierung. Wenn man bewußt in sich reinfühlt entdeckt man solche Mauern oder Blockaden an den verschiedensten Stellen. Wenn ich so etwas entdecke schaue ich es mir an und versuche den Mechanismus dahinter zu verstehen, mache mir "Bilder" davon.
Dieses Jahr ist mir dazu auch ein interessanter Satz eingefallen: An einem Bild kann man die eigene Bewegung erkennen. (Man könnte auch noch den eigenen Standpunkt erkennen)
Was mir nicht zuletzt dank Deinem Kommentar zu meinem Bild klar geworden ist.
Stell Dir das Bild mal in verschiedenen Kontexten vor. Es wird etwas völlig anderes darstellen.
(Ursprünglich sollte es das auch )
Was verbindest Du eigentlich mit dem Wort Krieger?

@bluevelvet
Ein schönes Zitat, dem ich aber noch einige Gedanken hinzufügen möchte:
Dieses Aufbrechen der Schale kann zu einer dauerhaften Befreiung führen wenn der Schmerz bewußt wahrgenommen wird, es kann aber auch dazu führen dass jemand versucht den Schmerz und damit auch das Verstehen mit einer noch dickeren Schale einzuschließen versucht.
Schmerz ist für mich eine interne Kommunikation deren Sprache wir lernen müssen. Wird diese Sprache falsch gelernt kann es bedeuten dass wir uns selber einengen anstatt uns zu befreien.

Und zum kanalisieren des Triebes:
Konzentration lernt man oft in dem man sich auf einen einzigen Punkt konzentriert, wenn man konzentriert ist kann man aber auch eine Fülle von Eindrücken differenziert wahrnehmen und jeden einzelnen genießen ohne an der Oberfläche zu verweilen und nur ein "Rauschen" von verschiedensten Eindrücken wahrzunehmen.
Und ein Keuschheitsgürtel kann sicherlich eine sehr starke "Konzentrationshilfe" sein, was diesbezüglich aber wohl auch die Konzentration für andere Dinge schwächt.

Lieben Gruß

Leopold
30. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von bluevelvet am 21.03.04 19:46

@ Leopold

Erkenntnis selbst kann ja auch schmerzvoll sein und ich denke, man sollte nur so viel erkennen wollen, wie man verkraften kann. Es gibt auch ein Zerbrechen an der Einsicht, eine Überforderung unserer selbst und anderer!

Lieben Gruß
Bluevelvet

PS: In den letzten Tagen habe ich manchmal darüber nachgedacht, ob das Leben nicht seinen Schuss Würze gerade aus einer gewissen Unbewußtheit schöpft. Man denke nur an die Kapriolen in der Liebe - und was wären das Leben und die Liebe ohne sie (die Kapriolen) und wer hätte sie schon gerne aus seinen Leben gestrichen? *gg.



(Diese Nachricht wurde am 21.03.04 um 19:46 von bluevelvet geändert.)
31. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von am 21.03.04 22:21

Vielleicht ist es seltsam, dass ich mit meiner sexuellen Neigung unvereinbare Abgründe wie Liebe und Schmerz zu überbrücken suche ... zum inneren Schmerz aber eine völlig konträre Haltung einnehme.
Ich glaube, man investiert viel zu viel in Wunden, hält sie selbst *offen* und nimmt ihnen die Möglichkeit zur Heilung, weil man gelernt hat, mit ihnen zu leben und den Umgang mit dem Schmerz kennt.
Viel schwerer erscheint es dem gegenüber, den Mut aufzubringen, unsere sicheren Positionen, unsere inneren und äußeren Festungen zu verlassen und uns vertrauensvoll dem Strom des Lebens zu übergeben, uns darin treiben zu lassen und uns zu entspannen.
Wenn man am Schmerz zu sehr festhält, wird man nie erfahren, wohin einen das Leben wirklich tragen will.

@Leopold,
um den Begriff Krieger mit Castanedas Worten zu erklären: die Kunst des Kriegers ist es, den Schrecken, ein Mensch zu sein, mit dem Wunder, ein Mensch zu sein, im Gleichgewicht zu halten.
Für mich selbst ist es einfach ein Leben in einem fest für sich geklärtem Wertesystem.

Gruß

ChariSMa

(Diese Nachricht wurde am 21.03.04 um 22:21 von ChariSMa geändert.)
32. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von Leopold am 21.03.04 23:40

@Bluevelvet
Das würde ich vielleicht etwas relativieren. Erkenntnis ist erst mal neutral, wir werten sie in die eine oder andere Richtung. Die Erkenntnis dass in einem etwas devotes oder dominantes steckt sagt noch nicht ob es positiv oder negativ ist, wie wir dann damit umgehen kann schmerzhaft sein, wenn ich dieses Gefühl und diese Erkenntnis nicht annehmen will und unterdrücke kann es Probleme geben.
Und was die Kapriolen angeht, weiß ich nicht genau was Du meinst. Aber kurz gesagt, die Positiven Seiten nehme ich gerne mit, für die Negativen gibt es keinen Grund sich daran festzuhalten.
Womit wir schon bei ChariSMas Anmerkungen wären.
Ich denke Du hast Recht ChariSMa wir klammern uns teilweise an unseren Schmerz. Ich denke wir verbinden den Schmerz teilweise auch viel zu sehr mit positiven Gefühlen und haben Angst wenn wir den Schmerz loslassen verlieren wir auch das was uns erstrebenswert und positiv erscheint.

Lieben Gruß

Leopold
33. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von Cyrth am 22.03.04 15:17

Hallo Charisma,

Zeit zu inventestieren um seine Wunden offen zu halten.... das hört sich auf der einen Seite sehr maso an. Mir geht es andersherum. Ich vergesse meine Wunden, aber es geht mir damit manchmal auch nicht besser. Wenn ein bestimmtes Thema auftaucht, erwischt es mich um so schlimmer, da ich nicht vorbereitet bin. Es wird zwar mit den Jahren besser, aber leiden kann ich das immer noch nicht.

Cyrth
34. Re: Spiritualität und KH

geschrieben von am 22.03.04 18:16

@Hey Cyrth, schön, wieder einmal etwas von Dir zu lesen ...

Was Du da für Dich schilderst, das ist so ein Mechanismus, wie ihn wohl jeder von uns kennt: der Versuch, wegzudrängen, was an Verletzungen in einem steckt.
Ich empfinde das durchaus auch als gesunden Impuls.
Und gelernt ist es auch. Von Kindesbeinen an wird uns beigebracht, dass die Äußerung von Schmerzempfindung mangelnde Selbstbeherrschung sei. Schmerz zu zeigen erscheint uns daher wie ein persönlicher Fehler. In anderen Kulturen bleibt man mit seinem Schmerz oder einem Verlusterlebnis nicht so allein wie bei uns. So kommt in unserer Gesellschaft zu schmerzhaften Erfahrungen noch zusätzlich Einsamkeit dazu, man schämt sich für seine Schwäche und dadurch wird man noch viel verwundbarer. Ich denke, das lernt man schon als Kind und deshalb kann man sich auch später nur schwer damit abfinden.
Manchmal wünscht man sich vielleicht auch als Erwachsener, jemand käme daher wie früher und würde einem das Wehwehchen wegküssen *lacht.

Gruß
ChariSMa (die schwer kurven muss, um noch einmal den Anschluss ans Hauptthema zu finden....)


(Diese Nachricht wurde am 22.03.04 um 18:16 von ChariSMa geändert.)


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