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Rilliana und Trisha
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Datum:20.11.25 13:40 IP: gespeichert
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Vorwort:
Diese Geschichte war die erste, die ich geschrieben und im Internet geteilt habe. Ich habe sie vor nun über zwei Jahren aus dem Internet entfernt, da ich in einer schwierigen Zeit steckte und dachte, ich könnte mir so vielleicht den Traum eines Autors erfüllen. Nun bin ich aber zu der Erkenntnis gekommen, dass ich meinen anderen Traum – ein recht stabiles Leben zu haben und einen Job, den ich lieben kann – erfüllt habe.
Nun, heute, an meinem Geburtstag, möchte ich euch etwas schenken, das ich euch genommen habe: die Reise von Rilliana und Trisha. Ich spielte seit einer Weile mit dem Gedanken, sie wieder zu veröffentlichen, und fasste den Entschluss, als ich am diesjährigen Kinktober Rillianas Teile schrieb.
Natürlich lade ich aber nicht einfach nur die Geschichte erneut hoch, sondern habe einige Sätze flüssiger gemacht (und vermutlich einige Schachtelsätze hinzugefügt, sorry dafür) und Neuerungen eingebaut, sodass sie mit meinen Erfahrungen, die ich seitdem mit dem Schreiben gemacht habe, zumindest auf einem ebenbürtigen Niveau sind.
Die Geschichte von Rilliana und Trisha hat es verdient, von euch gelesen zu werden, und ich danke euch, dass ihr mich stets in Leon City begleitet habt. Nun hoffe ich, dass ihr euch auch in Zukunft in Leons Keep zurechtfinden werdet.
Willkommen in der fantastischen Welt von Leons Keep ...
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RE: Rilliana und Trisha
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Datum:20.11.25 13:42 IP: gespeichert
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Rilliana und Trisha
Kapitel 1
Der Beginn von etwas Fesselnden
„Dolche? Check! Leerer Geldbeutel und leerer Magen? Check! Leon’s Keep großer Markt? Direkt vor meiner Haustür! Ich denke, es wird Zeit für die Ernte“, sagte Rilliana breit grinsend, hüpfte durch ihr kleines Zimmer und durch die Tür. Ihr blonder Zopf wehte hinter ihr her, während sie durch die geheimen Tunnel lief. Es war stockdunkel, aber sie war so oft durch die Kanalisation gelaufen, dass sie noch nicht mal ihre guten Augen brauchte, um den Weg zu finden. Rilliana kletterte eine Strickleiter nach oben und schlüpfte durch einen Spalt in der Mauer. Sie kam hinter ein paar großen Büschen hervor und trat von dort auf die Straße, wo sie sofort von der Menge verschlungen wurde. Der Markt war im vollen Gange. Rillianas geschultes Auge machte sofort ein paar leichte Ziele aus, da die Bewohner von Leon’s Keep viel zu sehr damit beschäftigt waren, dem bunten Treiben der Schausteller und Verkäufer zuzusehen. Ein Paradies für jeden Taschendieb. An einem Stand mit Schmuck konnte Rillianas einen Mann ausmachen, der sich gerade eine Goldkette begutachtete, und ihre geschickten Finger versanken in seiner Jackentasche. Sie spürte seinen Geldbeutel und griff zu.
Leicht verdientes Geld. Dachte Rilliana und ließ den ergatterten Geldbeutel in ihre eigene Tasche gleiten. Blitzschnell verschwand sie in der Menge, nur um kurz darauf zu hören, wie der Mann laut fluchte.
Die junge Elfe war allerdings schon längst über alle Berge und auf dem Weg zu ihrem Lieblingsstand. Er gehörte dem Bäcker Olaf, und wie immer an Markttagen erfüllte der Geruch seiner süßen, warmen, Brötchen die ganze Straße. Rillianas Magen knurrte laut, als sie dem Geruch folgte, bis sie mit glänzenden Augen vor dem Stand zum Halt kam.
„Hey Rilliana, du siehst mal wieder halb verhungert aus. Hier nimm dir eins“, rief ihr Olaf zu und warf eins der verformten Brötchen in ihre Richtung. Rilliana fing es geschickt auf und zischte auf, als sie sich daran verbrannte.
„Ah, Shit! Danke Olaf, aber sag doch, dass es heiß ist!“, rief Rilliana zurück und jonglierte das Brötchen in ihren Händen, bis sie es gefahrlos anfassen konnte. Der Bäcker grinste breit und beäugte sich zu ihr hinunter.
„Der einzige Weg, deine Hände von meinen Kunden fernzuhalten.“
„Frech“, murmelte Rilliana zurück und biss in das Brötchen. Es schmeckte traumhaft und sie rollte mit den Augen.
„Ist es so gut, dass du im Gegenzug nicht meine Kunden bestielst?“, fragte Olaf.
„Würde ich nie machen“, sagte Rilliana mit einem unschuldigen Lächeln und gespielter Entrüstung. Olafs Mundwinkel verzogen sich, amüsiert, und er winkte sie weg.
„Los, verschwinde, du kleine Tagediebin“, sagte er lachend, während Rilliana noch einen Bissen nahm und winkend um die Ecke lief. Sie lief unter einem Torbogen hindurch und bemerkte gerade noch rechtzeitig, dass sie beinahe mit zwei Wachen zusammengestoßen wäre. Sie machte einen Sprung zur Seite und nahm eine nahegelegene Treppe hoch auf die Mauer. Normalerweise war der Wehrgang für das gemeine Volk geschlossen, allerdings wurde er an Markttagen geöffnet, um für mehr Platz zu sorgen. Hier waren ebenfalls Stände aufgebaut, aber sie waren spärlich gesät und boten seltsame Produkte aus teils fremden Ländern an. Nichts, was Rilliana interessierte. Die Elfe kletterte über die Zinnen und ließ sich auf ein nahegelegenes Gebäude fallen. Das Dach hielt, knarrte aber bedrohlich, und sie ging vorsichtig an den Rand, um sich zu Boden gleiten zu lassen. Es gab einen lauten Knall, als sich ein Fenster des Hauses öffnete und eine Frau zum Vorschein kam.
„Bist du wahnsinnig, du Tagedieb?“, rief sie, sodass der ganze Marktplatz es hörte.
„Entschuldigung!“, rief Rilliana zurück, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, und mischte sich wieder unter die Leute. Ihre Augen suchten die Menschen nach einem weiteren wohlhabenden Ziel ab. Jemand, der nicht unbedingt weinen würde, wenn ihm ein paar Münzen fehlten, und tatsächlich entdeckte sie einen dicken Mann, der sich an einem halben Schwein satt aß.
Er wird sich wahrscheinlich viel leisten können. Dachte Rilliana und schlich sich an ihn heran. Sie prallte gegen einen Betrunkenen, als dieser rückwärts gegen sie stieß, doch schaffte Rilliana es, zu dem Mann vorzudringen. Seine Aufmerksamkeit war komplett dem Schwein gewidmet, und Rilliana nutzte die Gelegenheit, als er genüsslich in das Fleisch biss. Ihre Finger wanderten zu einer Ausbuchtung in seiner Tasche, doch plötzlich wurde sie am Handgelenk gepackt und herumgerissen.
„Hey, du Made, was machst du da?“, rief ein Wachmann in Zivil und hob sie ohne große Mühe eine Handbreit vom Boden hoch.
„I … Ich wollte nur ein Insekt verscheuchen, das sich auf dem feinen Mann niedergelassen hat“, stotterte Rilliana panisch und wehrte sich gegen den Griff, aber seine Hand hielt ihre wie ein Schraubstock.
„Willst du mich verarschen, Elfe? Ich zeige dir, was wir mit Dieben machen!“, bellte der Wächter, knallte Rillianas Hand auf den Tisch und zog einen Dolch.
„Markus, lass sie los“, sagte der dicke Mann zwischen zwei Bissen, „ich will nicht, dass du hier eine Sauerei machst. Außerdem wäre es eine Schande, wenn diese Schönheit von Elfe unschuldig ist. Wenn du Arbeit suchst, komm zu mir, ich kann mich um dich kümmern. Harharhar!“
Er lachte laut auf und der Wächter schleuderte Rilliana zu seinen Füßen in den Dreck.
„Verpiss dich, bevor ich es mir anders überlege, Dieb!“
Rilliana nickte schnell und rappelte sich auf. Sie atmete erleichtert und suchte, so schnell sie konnte, das Weite.
Das war knapp gewesen, zu knapp. Mein Glück ist wohl für heute aufgebraucht. Dachte Rilliana und suchte sich eine stille Ecke am Rande des Marktes, neben ein paar gestapelten Strohballen. Sie zog den Geldbeutel aus ihrer Tasche und zählte die Münzen. Mit dem Geld würde sie einige Tage zurechtkommen können, doch fand sie im Beutel ein kleines Wappen, das das Emblem von Leon’s Keep darstellte. Ein goldener Schild, der von Rosen eingerahmt war. In ihm die Fackel, welche die Reisenden durch den Nebel leitete, und ihr gegenüber der Adler, welcher mit seinen Schwingen über die Bewohner von Leon’s Keep wachte.
„Über mich hat er nie gewacht“, murmelte Rilliana und ließ das Emblem unachtsam in den Beutel zurückfallen. Ihre Augen wurden kurz trüb, als sie an ihre Vergangenheit dachte. Ihre Zeit im Waisenhaus dann auf den Straßen von Leon’s Keep. Immerzu am Kämpfen, bis ihre Mentorin sie gefunden hatte.
„Ich sollte mal Arissa besuchen …“, murmelte Rilliana und steckte den Geldbeutel wieder in ihre Tasche. Das Emblem würde mit Sicherheit einen guten Preis erzielen können.
„Das sollte wohl für ein paar Tage reichen“, murmelte sie und trat aus den Schatten heraus. Für heute hatte Rilliana genug und sie wollte nicht noch mehr riskieren. Sie schloss sich wieder den Massen an und ließ sich in Richtung ihres Versteckes treiben, als sie erneut angerempelt wurde. Sofort spürte sie, dass etwas anders war und etwas nicht stimmte. Schnell tastete sie nach der Geldbörse und stellte fest, dass sie fehlte.
„Wer …!?“, fauchte sie und drehte sich um. Gerade noch rechtzeitig sah sie, wie eine Frau mit langen, dunklen Haaren die Geldbörse in ihre Tasche steckte und weglief.
„Nicht mit mir!“, rief ihr Rilliana hinterher und nahm die Verfolgung auf. Immerzu damit bedacht, die Diebin nicht aus den Augen zu verlieren, schlängelte sie sich zurück in die Massen. Gerade dachte sie, Schritte gutzumachen, als ein breit gebauter Mann sich in ihr Blickfeld drängte und Rilliana daran hinderte, weiterzulaufen.
„Hey, wo willst du denn so schnell hin, Kleine?“, fragte er amüsiert und blockierte aktiv ihren Weg, als sie versuchte, vorbeizukommen. Rillianas Puls schoss in die Höhe und auf ihrer Schläfe erschien eine Ader. Sie wollte nicht noch mehr Aufmerksamkeit erregen, doch als er nach ihr greifen wollte, hatte sie genug. Rilliana wich seiner Hand aus und rammte ihr Knie in seine Weichteile. Stöhnend klappte er zusammen und Rilliana stieg einfach über ihn und rannte weiter. Gerade noch rechtzeitig sah sie, wie die Diebin in einer Gasse verschwand, und sie blinzelte, als sie meinte, einen Schweif gesehen zu haben.
„Ist sie eine Shifterin?“, murmelte Rilliana und ging in einen Sprint über, als sie nicht mehr Gefahr lief, jemanden umzurennen. Sie musste die Ecke erreichen, bevor die Shifterin ihren Fehler bemerkte und die Sackgasse verließ. Rilliana schlitterte um die Ecke und rannte in die Gasse. Was sie allerdings sofort verunsicherte, war, dass die Shifterin vor ihr stand. Von Ohr zu Ohr grinsend. Rilliana hatte nur einen Bruchteil einer Sekunde Zeit, ihren Gegenüber zu studieren. Die dunklen Haare der Shifterin fielen sanft auf ihren Rücken und aus ihrem Haupt ragten Katzenohren. Eins von ihnen war mit einem goldenen Piercing versehen. Ihre gelben Augen und der Schweif rundeten das Erscheinungsbild eines Katzenmädchens ab.
„Gefällt dir, was du siehst?“, fragte die Diebin, doch gerade noch rechtzeitig durchschaute Rilliana das Ablenkungsmanöver. Ihre Augen sprangen zu Boden und dort entdeckte sie einen Stolperdraht, den sie im letzten Moment überwand. Sofort verschwand das Grinsen aus dem Gesicht der Shifterin und sie griff nach einer Peitsche, die an ihrer Hüfte hing. Rilliana nutzte den Schwung und versuchte, die Shifterin mit ihrer Schulter zu rammen. Unbeeindruckt wich das Katzenmädchen aus und ließ Rilliana ins Leere laufen. Sofort nutzte die Shifterin den Fehler und ließ ihre Peitsche in Richtung Rilliana schnellen. Die Waffe wickelte sich fest um ihr Handgelenk und mit einem Ruck landete Rilliana erneut im Dreck. Zitternd vor Wut sprang Rilliana auf und griff nach der Peitsche, um es der Shifterin zu erschweren, erneut damit anzugreifen.
„Gib mir mein Geld zurück!“, knurrte Rilliana und zog ihren Dolch.
„Das ist doch nicht wirklich dein Geld, oder?“, fragte das Katzenmädchen kichernd. Rillianas Augen wurden zu Schlitzen.
„Letzte Chance.“
„Komm und hol es dir, Süße“, sagte der Shifterin und fing erneut an zu grinsen. Mit erhobenem Dolch sprang Rilliana auf sie zu. Das Katzenmädchen zog in einem silbernen Bogen ihren eigenen Dolch und blockte die Klinge ab.
„Du hast Feuer in dir. Das gefällt mir!“, sagte sie und schwang ihre Waffe. Ein kleiner Schnitt erschien auf Rillianas Arm, der sofort zu bluten begann.
„Hoppla, tut mir leid.“, sagte die Shifterin und leckte sich die Lippen. Rilliana fing an zu zucken und schlug erneut zu. Sie hatte genug von den Spielchen der Shifterin. Abermals wich die Shifterin mit Leichtigkeit aus und grinste amüsiert.
„Versuchst du es überhaupt, mich anzugreifen? Ich frage nur, weil ich sonst noch andere Dinge zu tun habe.“
Bevor Rilliana etwas Bissiges erwidern konnte, zog das Katzenmädchen kräftig an der Peitsche, wodurch Rilliana erneut das Gleichgewicht verlor und stolperte. Unsanft prallte die Elfe gegen die Hauswand und plötzlich fand sie sich zwischen einem Stein und einem harten Ort wieder. Die Shifterin packte Rillianas Arm und drehte ihn schmerzhaft auf ihren Rücken. Gleichzeitig wurde sie gegen die Wand gepresst und spürte den rauen Stein in ihrer Wange.
„Du hast Glück, Elfe. Aus irgendeinem Grunde scheine ich dich zu mögen. Wie heißt du, Blondchen?“
„Rilliana“, presste die Elfe durch zusammengebissene Zähne hervor.
„Schön, dich kennenzulernen … Rilliana … Ich muss zugeben, du hast Potenzial. Keine Frage, aber du lässt dich von deiner Wut beherrschen, kämpfst ohne Verstand. Versuch das nächste Mal, dich zu zügeln. Dann hast du vielleicht eine Chance, dein Geld zurückzubekommen. Ich werde dich jetzt loslassen und ich will nicht, dass du dich bewegst. Verstanden?“, fragte sie mit verspielter Stimme.
„Mhm, mhm!“, murmelte Rilliana zähneknirschend.
„Ich habe gefragt, ob du mich verstanden hast!“, fragte die Shifterin erneut und hob Rillianas Arm schmerzhaft an.
„JA!“, antwortete Rilliana sofort und atmete erleichtert auf, als die Shifterin ihren Griff lockerte. Langsam löste die Shifterin die Peitsche, beobachtete die Elfe aber weiterhin. Sie sah, dass Rilliana ihr nächstes Handeln überlegte.
Vielleicht kann ich mich wegducken und …, dachte Rilliana aber Trisha schien ihre Gedanken gelesen zu haben.
„Naa!“, sagte der Shifterin bevor Rilliana überhaupt zucken konnte, und drückte ihre Finger in ihren Hals. Die Elfe spürte etwas Spitzes in ihre Haut stechen, und jeder Gedanke an Flucht verschwand.
„Wir wollen doch keine Sauerei machen, oder?“
Rilliana knirschte mit den Zähnen und nickte kaum merklich.
„Das habe ich mir fast schon gedacht. Hier ich helfe dir“, sagte die Shifterin, nahm Rillianas Hände und streckte sie an der Häuserwand aus.
„Ich erzähl dir jetzt, was wir machen werden. Ich werde jetzt gehen, während du bis hundert zählst und weiter diese wunderschöne Wand umarmst. Verstanden?“
„Ja.“
„Braves Mädchen“, sagte die Shifterin und streichelte Rillianas Haar, „na dann, bis zum nächsten Mal.“
Sie wandte sich zum Gehen, blieb aber nach drei Schritten stehen, und Rilliana konnte sie fluchen hören.
„Habe dich endlich gefunden, Shifter“, sagte eine kalte Männerstimme.
„Faluden? Wie hast du …?“, fragte die Shifterin und Rilliana hörte Panik in ihrer Stimme.
„Es ist nicht gerade schwer, wenn du mit einer Diebin um die Wette rennst und dir dann auch noch die Zeit nimmst, mit ihr zu spielen.“
„Ich mache nur ein paar neue Freunde … so wie dich“, sagte Trisha mit gespielter Zuversicht, „Du könntest mir übrigens helfen, wenn du die Zeit findest“, flüsterte die Shifterin Rilliana zu. Rilliana gluckste nur.
„29 … 30 … 31 …“, flüsterte Rilliana und die Shifterin fluchte erneut.
„Männer, schnappt sie euch“, sagte Faluden, und Rilliana spürte, wie der Boden bebte, als seine Männer auf sie zukamen.
Mein Geld werde ich nicht zurückbekommen, aber wenigstens bekommt die Shifterin, was sie verdient. Dachte Rilliana und grinste vor sich hin, bis sie eine Stimme hinter sich hörte.
„So sieht man sich also wieder, Elfe! Vielleicht können wir uns später amüsieren als kleine Wiedergutmachung!“, flüsterte der Söldner in Rilliana Ohr. Das Blut der Elfe gefror, als sie die Stimme wiedererkannte. Es war der Mann, den sie noch vor wenigen Minuten zuvor zu Boden geschickt hatte. Er packte grob in ihre Haare und schmetterte ihren Kopf gegen die Wand. Augenblicklich wurde es schwarz vor Rillianas Augen und sie brach ohnmächtig zusammen.
Rilliana öffnete schwach ihre Augen. Es war dunkel, aber nichts, was ihr Sehvermögen nicht ausgleichen konnte.
„Wo bin ich?“, murmelte Rilliana und wollte sich aufsetzen, doch bemerkte sie, dass ihre Hände hinter dem Rücken gefesselt waren. Im nächsten Moment stellte sie fest, dass auch ihre Beine zusammengebunden waren. Als sie gegen die Seile kämpfte, spürte sie, dass neben ihr eine weitere Person lag. Sie drehte sich um und sah die Shifterin, die ebenfalls gefesselt war. Sie schien aber noch nicht bei Bewusstsein zu sein.
Rilliana wandte sich wieder ab und beobachtete die Umgebung, während sie leise an ihren Fesseln arbeitete. Sie befand sich in einem Käfig, den die beiden Frauen nahezu vollständig ausfüllten. Ansonsten sah sie nur ein paar übereinander gestapelte Kisten, Regale und eine Tür am Ende des Ganges, hinter der sie Licht sah. Die Freiheit musste dahinterliegen.
„Als Erstes muss ich die Fesseln lösen und dann so weit wie möglich weg von dieser wandelnden Katastrophe“, murmelte Rilliana und versuchte, ihre Hände aus den Seilen zu ziehen. Jedoch waren die Schlingen zu eng gezogen und anstatt dass das Seil lockerer wurde, schien es nur fester zu werden.
„Komm schon!“, flüsterte Rilliana ungeduldig und stieß versehentlich mit der Shifterin zusammen, die daraufhin aufschreckte.
„Was zum …! Wo sind wir?“, fragte sie und sah sich nervös um.
„Ich dachte, das könntest du mir sagen“, antwortete Rilliana trocken und arbeitete weiter an ihren Fesseln.
„Naa, keine Ahnung. Bin neu in der Stadt und nachdem du schlafen gelegt wurdest …“, fing die Shifterin an, doch unterbrach Rilliana sie.
„Ja, schon klar. Kannst du mir hier mal helfen?“, fragte sie ungeduldig, während die Shifterin sich weiter umsah.
„Das würde ich gerne, aber mir sind die Hände gebunden.“
Rilliana hielt inne und starrte die Shifterin fassungslos an.
„Jetzt hör auf, Witze zu machen, und hilf mir, klar?“, sagte sie gereizt.
„Ich habe keine Witze gemacht. Schau“, sagte die Shifterin und zeigte ihre Hände, die von einem engen Lederfäustling umschlossen waren.
„Oh … das macht es ein wenig komplizierter“, sagte Rilliana und wurde rot. Sie kehrte ihre Aufmerksamkeit zurück zu ihren eigenen Fesseln, die zum Glück nicht so extrem waren, und schaffte es endlich, ihr Handgelenk daraus zu lösen.
„Endlich“, sagte Rilliana erleichtert und schlüpfte aus dem Seil. Dann löste sie die Knoten um ihre Knöchel und wollte sich gerade die Käfigtür ansehen, als die Shifterin sagte: „Hey, wenn du schon dabei bist, kannst du auch meine Beine losbinden?“
Rilliana rollte mit den Augen, kam der Bitte aber nach und befreite zumindest die Beine der Shifterin. Die Fäustlinge waren mit mehreren Schlössern gesichert.
„Wer sind diese Typen? Die scheinen dich ja echt zu hassen“, sagte Rilliana als sie die Fesseln sah. Wandte sich aber dann ab und fummelte an ihrer Halskette herum. Die Shifterin hob eine Augenbraue.
„Das war Faluden einer der Unterweltbosse von Leon’s Keep? Wohnst du hier auch erst seit Kurzem oder …“
„Ich arbeite wohl in einem anderen Stadtteil als er“, sagte Rilliana und drückte zwei Metallstifte aus der Halskette.
„Aha … Nun, unsere Wege haben sich kürzlich gekreuzt, und seitdem will er mich in seinem Team haben. Aber das kann er sich abschminken. Ich kann den Kerl nicht ausstehen. Er hat allerdings ein paar Informationen, die ich brauche, deswegen bin ich bei ihm eingebrochen. Es ist allerdings nicht alles nach Plan gelaufen. Tut mir übrigens leid, dass du da mit hineingezogen wurdest.“
„Mhmmm“, antwortete Rilliana, doch hörte sie nur mit halbem Ohr zu. Sie wollte sich gerade nicht die komplette Lebensgeschichte der Shifterin anhören. Rilliana richtete sich mühsam im engen Käfig auf und begann mit den Metallstiften, das Schloss zu bearbeiten. Leider war ihr Fluchtversuch von wenig Erfolg gekrönt, denn das Schloss war widerspenstiger als gedacht.
„Nichts funktioniert heute“, murmelte Rilliana, während sie erfolglos im Schloss herumstocherte.
„Hey, wenn du da fertig ausprobiert hast, könntest du vielleicht meinen Notfall-Universalschlüssel nehmen.“
„Deinen, was?“, fragte Rilliana und wandte sich der Shifterin zu.
„Meine Dietriche. Wenn du damit umgehen kannst, solltest du damit besseren Erfolg haben, als mit deinen Zahnstochern. Er ist in der Ferse meines Schuhs versteckt.“
Rilliana untersuchte ihre Stiefel, und tatsächlich, sie sah etwas Glänzendes in deren Sohle. Vorsichtig zog sie die Dietriche heraus und versuchte erneut, das Schloss zu knacken. Sie drehte das Metall und es knackte laut. Rilliana zuckte zusammen und die Shifterin zog zischend Luft ein.
„Mädchen, du hast heute aber auch gar kein Glück.“
„Ich hatte Glück, bis ich dir begegnet bin!“
„Ohne Witz. Es ging bergab, als du versucht hast, Big Little John zu bestehlen.“
„Wie lange hast du mich beobachtet?“
„Lange genug.“
Rilliana schüttelte den Kopf und lehnte sich zurück.
„Und was jetzt?“, fragte sie und sah die Shifterin an.
„Warten, da unser letzter Ausweg halb auf dem Boden und halb im Vorhängeschloss steckt.“
„Haha“, sagte Rilliana trocken und zog die Beine zu sich heran.
„Wie heißt du eigentlich?“, murmelte Rilliana in Gedanken versunken.
„Trisha“, antwortete die Shifterin wie aus der Pistole geschossen.
„Normalerweise würde ich sagen, dass ich mich freue, deine Bekanntschaft zu machen, aber ich gebe dir immer noch ein bisschen die Schuld, dass ich hier überhaupt drinstecke“, sagte Rilliana und schloss die Augen, während sie sich gegen das Gitter lehnte.
„Kein Problem, das kann ich voll und ganz nachvollziehen … hey Rilliana?“, sagte Trisha.
„Ja?“
„Du schuldest mir einen neuen Dietrich.“
Rilliana saß gefühlte Stunden mit Trisha in dem kleinen Käfig, und nachdem Langeweile von beiden Besitz ergriffen hatte, fing die erste die erste Eisschicht an zu schmelzen. Rilliana erfuhr, dass Trisha erst vor ein paar Wochen in Leon’s Keep angekommen war und sich direkt mit den falschen Leuten angelegt hatte.
„Was ist so wichtig, dass du Faluden bestehlen wolltest?“, fragte Rilliana stirnrunzelnd.
„Mein Adoptivvater sagte mir, Faluden hätte Informationen über den Verbleib meiner leiblichen Eltern. Ich will nur Gewissheit, verstehst du?“, antwortete sie und verstummte. Rilliana sagte nichts. Sie wusste nur zu gut, was sie meinte. Ihre eigenen Eltern hatten sie verlassen, als sie noch ein Baby war, und seitdem lebte sie allein in Leon’s Keep. Erst in einem Waisenhaus, dann auf der Straße, und es verging kein Tag, an dem sie nicht an sie dachte.
„Ich muss gestehen, ich habe lange keine anderen Shifter mehr gesehen … oder andere Elfen …“, murmelte Rilliana und Trisha nickte.
„Vater meinte, die Elfen hätten sich in die Wälder zurückgezogen. Haben wohl keine Lust mehr auf den Schwachsinn der Menschen gehabt.“
„Kann ich verstehen. Und sie haben mich dabei vergessen“, sagte Rilliana und sah auf, als sich die Türe öffnete und mehrere Männer eintraten. Faluden stellte sich vor den Käfig und studierte die beiden Frauen darin.
„Hier war aber jemand fleißig“, kommentierte Faluden und untersuchte das Schloss, in dem noch der abgebrochene Dietrich steckte, „Tut mir leid, dass du in die Sache hineingeraten bist, Elfe, aber ich bin immer etwas gründlicher, wenn es um meine Geschäfte geht.“
„Hey, du könntest mich immer noch einfach gehen lassen und …“, fing Rilliana an, doch er ignorierte sie und wandte sich an Trisha.
„Ich habe mich immerzu gefragt, warum du ausgerechnet bei mir einbrechen wolltest, bis ich heute endlich die Antwort gefunden habe, und sie ist hier drin.“
Er zog etwas aus seinem Anzug und wedelte mit einer Rolle Pergament vor Trishas Nase herum.
„Und da es dir wichtig zu sein scheint, würde ich sagen, wir bewahren es an einem sicheren Ort auf, nicht wahr?“, sagte er und reichte die Schriftrolle einem seiner Männer. Trisha sah ihr nach, ohne zu blinzeln, als hätte sie Angst, dass sie sich im nächsten Moment in Luft auflösen würde.
„Tu es“, sagte Faluden und sein Gefolgsmann ließ eine Flamme in seiner Hand entstehen, die das Pergament vollständig verschlang.
„Du Bastard!“, sagte Trisha und presste ihr Gesicht gegen die Gitterstäbe. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Wären ihre Hände nicht noch immer in dem Sack gefangen gewesen, hätte sie sicher versucht, Faluden das Gesicht zu zerkratzen.
„Keine Sorge, mein Kätzchen, ich habe die Rolle auswendig gelernt und du kennst meinen Preis.“
„Niemals werde ich für Abschaum wie dich, arbeiten!“
„Tja, wie schade, dann kann ich dich wohl auch nicht gebrauchen, wenn deine Meinung über mich so gefestigt ist.“
Er wandte sich zum Gehen. Der Magier blieb zurück und zündete ein paar der Kisten an, die sich im Lagerhaus befanden.
„Meine Damen“, sagte er grinsend und verbeugte sich vor ihnen. Dann drehte er sich um und lief zum Ausgang. Die Tür wurde geschlossen und Rilliana hörte, wie ein Riegel vorgeschoben wurde.
„Das war’s dann …“, murmelte Rilliana und sackte in sich zusammen, während um sie herum die Flammen immer größer wurden.
„Noch nicht ganz“, sagte Trisha und versuchte, sich hinzuknien. Dabei rieb sie ihr Schienbein gegen ihren Stiefel, bis dieser sich von ihrem Fuß rutschte.
„Was machst du da?“, fragte Rilliana.
„Ich wollte das eigentlich nicht tun, aber wir haben wohl keine andere Wahl. Siehst du meine Fußkrallen? Ich möchte, dass du eine für mich herausziehst.“
Rilliana starrte auf ihren entblößten Fuß und die scharfe Kralle an ihrem Zeh. Dann sah sie hoch zu Trisha.
„Was?“
„Stell keine dummen Fragen und tu es, wir haben nicht viel Zeit.“
„Wie bin ich da nur reingeraten!“, fluchte Rilliana und nahm vorsichtig eine Klaue in die Hand.
„Vorsichtig. Du willst dich nicht daran schneiden“, murmelte Trisha, schloss ihre Augen und atmete tief durch.
„Musst du mir nicht zweimal sagen“, antwortete Rilliana deren Finger gefährlich nahe an der scharfen Seite ruhten.
„Auf drei … eins … zwei“, sagte Rilliana und zog mit aller Kraft. Trisha zog zischend Luft ein, als die Elfe sie überraschte, und wurde bleich.
„VERFLUCHTE SCHEISSE!“, brüllte Trisha als Rilliana eine blutige Kralle hochhielt.
„Was jetzt?“
Trisha keuchte vor Schmerz und nickte zu ihren Händen.
„Schneid … schneid damit den Sack auf, dann kann ich versuchen, mich durch die Gitterstäbe zu quetschen.“
Sofort tat Rilliana, wie ihr geheißen, und durchtrennte die Lederriemen der Fäustlinge. Sofort spreizte Trisha ihre Finger und atmete erleichtert auf.
„Endlich … das fing an, weh zu tun.“, murmelte Trisha und ließ kurz ihre Arme kreisen, um wieder Gefühl in sie zu bekommen.
„Bist du sicher, dass du da durchkommst?“, fragte Rilliana ungläubig.
„Ziemlich. Shifter haben so einige Tricks auf Lager und es gibt nur einen Weg, um es herauszufinden, oder?“, antwortete die Shifterin und drückte sich zwischen die Gitterstäbe, aber diesmal überlegter und mithilfe ihrer Hände. Rilliana staunte nicht schlecht, als Trishas Kopf zwischen den Gitterstäben hindurchrutschte und dann der Rest ihres Körpers.
„Warum haben wir das nicht gleich gemacht?“, fragte Rilliana und schaute auf zu Trisha, die sich den Staub von der Kleidung klopfte und zischend nach Luft schnappte.
„Weil das hier“, sagte sie und zeigte auf ihren Fuß, „höllisch weh tut und ich es noch wochenlang spüren werde.“
„Tut mir leid“, sagte Rilliana und senkte den Kopf, um ihre Verlegenheit nicht zu zeigen.
„Ist schon in Ordnung. Warte einen Moment, ich hole dich sofort da raus.“
Rilliana beobachtete, wie Trisha hinter eine Ecke humpelte, und hörte, wie sie etwas vom Boden aufhob.
„Damit hole ich dich raus!“, sagte Trisha als sie mit einem Brecheisen zurückkam und es an das Schloss setzte. Es knackte laut und das Schloss brach entzwei.
„Komm jetzt, lass uns hier verschwinden, bevor wir zu viel von dem Rauch einatmen!“, sagte sie zu Rilliana. Beide Frauen gingen zur Tür. Rilliana stützte Trisha dabei. Sie versuchten, die Tür zu öffnen, aber ein Riegel machte ihnen einen Strich durch die Rechnung.
„Was nun?“, fragte Trisha und schaute sich in der brennenden Halle um.
„Vielleicht können wir den Riegel mit dem Brecheisen heraushebeln?“, überlegte Rilliana laut. Trisha nickte und setzte das Brecheisen an.
„Lasst es uns versuchen.“
Sie drückte, und wie durch Zauberhand sprang der Riegel sofort weg. Beide Frauen drängten sich hindurch und keinen Augenblick zu spät. Denn im nächsten Moment krachte ein brennender Balken hinter ihnen herunter.
„Das war knapp“, murmelten sie beide gleichzeitig und grinsten einander an.
„Nun … ich danke dir für dieses kleine Abenteuer … Trisha. Ich würde mich jetzt allerdings verabschieden …“, sagte Rilliana und sah hinunter auf den blutigen Fuß der Shifterin, „Sag … Hast du ein Versteck in der Nähe?“
Trisha verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf.
„Auf der anderen Seite der Stadt“, antwortete Trisha trocken und blickte auf den Fluss und den Hafen.
„Dann komm, lass uns zu meinen gehen.“
„Echt? Aber …“
„Komm einfach, bevor Faluden zurückkommt“, schnitt Rilliana ihr das Wort ab und fing erneut an, Trisha zu stützen.
„Halt still, ich muss mich um deine Kralle kümmern“, sagte Rilliana, während sie versuchte, die Wunde mit starkem Alkohol zu waschen.
Tapfer hielt Trisha still und biss sich auf die Unterlippe.
„In einer Minute ist es vorbei“, sagte Rilliana und wickelte einen Verband um die Kralle.
„Hier wohnst du also?“, fragte Trisha und versuchte sich mit der Frage von den Schmerzen abzulenken.
„Klar. Keine Miete. Versteckt vor ungewollten Blicken und eine wunderschöne Aussicht“, antwortete Rilliana zeigte nach oben zu einem Loch in der Wand, welches von einem Tuch überdeckt war. Die Elfe verknotete den Verband mit einer kleinen Schleife und setzte sich neben die Shifterin.
„So, das sollte fürs Erste reichen.“
„Danke“, murmelte Trisha und lehnte sich zurück.
„Gern geschehen.“ Erwiderte Rilliana und lächelte sie an.
„In deinem Zustand solltest du wahrscheinlich nicht herumlaufen. Du kannst hier übernachten, bis es dir besser geht.“
„Das kann ich nicht annehmen. Wie soll ich das je wiedergutmachen?“, fragte Trisha und versuchte aufzustehen.
„Bleib liegen!“, befahl Rilliana, drückte sie mit einer Hand in die Strohmatte und stützte sich mit der anderen auf dem Bett ab. Trisha schlug ihre stützende Hand zur Seite und beide liefen rot an, als Rilliana auf sie fiel.
„Du wirst schon einen Weg finden“, sagte Rilliana sanft.
„Eine Sache fällt mir sofort ein“, sagte Trisha, schloss die Augen und schürzte die Lippen. Rilliana tat es ihr gleich und schloss den Abstand zwischen ihnen.
Die junge Elfe Rilliana rollte sich leise aus ihrem Bett, nachdem ihre neue Freundin Trisha, die Katzenshifterin, endlich eingeschlafen war. Nach dem anstrengenden Tag hatten sie beide die Nähe des anderen gebraucht. Ein offenes Ohr und eine Seele, die zuhörte. Auch wenn sie sich erst seit ein paar Stunden kannten, fühlten sie sich einander unglaublich verbunden. Rilliana schaute der Shifterin noch einen Moment beim Schlafen zu, kletterte dann die Leiter hoch und schlich zum großen Spalt in der Wand. Sie öffnete das schwere Tuch und fing erschöpft an zu lächeln. Vor ihr erstreckte sich Leon’s Keep. Ihre Heimat, ihr Zuhause. Die Hafenstadt war dunkel, doch ihre Augen machten das nichts aus. Es wurde ihr ein ungehinderter Blick auf Leon’s Keep bei Nacht geboten. Leichtfüßig kletterte sie auf ihren Schreibtisch vor dem Loch und setzte sich im Schneidersitz darauf, um die Stadt zu bewundern. Sie ließ ihre Augen über die Straßen ihrer Stadt wandern, doch wie erwartet war niemand mehr unterwegs. Mit einem Blick zur riesigen Turmuhr bestätigte Rilliana ihre Vermutung: Es war drei Uhr morgens.
„Wie wohl die Aussicht von dort oben ist?“, murmelte sie, strich ihre blonden Haare zur Seite und schloss letztlich ihre Augen. Sie stellte sich vor, wie sie oben auf dem Turm stand und raus auf den Fluss schaute, während das Licht des Mondes sich im Wasser spiegelte. Rilliana konzentrierte sich auf das Geräusch des Windes und das sanfte Rauschen des Flusses, der gegen die Hafenmauern schlug. Die Geräusche halfen ihr, tiefer in ihre Meditation einzutauchen und das Erlebte zu verarbeiten. Gestern war viel passiert, und sie waren beide nach einem holprigen Start nur knapp mit dem Leben davongekommen. Wäre Trisha nicht da gewesen, dann wäre von ihr wahrscheinlich nur Asche übrig geblieben, aber ohne den Shifter wäre sie auch nie in diese Situation geraten. All das spielte allerdings im Moment keine Rolle. Sie waren entkommen und Faluden hielt sie für tot. Jetzt mussten sie nur noch untertauchen und warten, bis sich der Staub gelegt hatte.
Der Mond wanderte über den Nachthimmel und verschwand, während Rilliana meditierte, um sich von den Strapazen zu erholen. Erst als die ersten Sonnenstrahlen ihr Gesicht wärmten, öffnete sie ihre Augen und streckte sich. Rilliana hörte, wie ihr Bett leise knarrte, und sie hörte ein leises Gähnen.
„Morgen, Schlafmütze, wie geht es deiner Kralle?“, fragte Rilliana hüpfte vom Schreibtisch herunter und glitt die Leiter hinunter. Sie drehte sich zu der Shifterin die sich gerade ihr linkes Auge rieb und versuchte, mit ihrer anderen Hand ihre wilden Haare zu bändigen. Sie schienen über Nacht ein eigenes Leben gehabt zu haben und standen in alle Richtungen ab.
„Oh, das wird schon wieder“, murmelte Trisha und klappte die Decke beiseite, damit sich Rilliana zu ihr legen konnte. Die Elfe folgte der Bitte und kuschelte sich an sie.
„Du bist so warm …“
„Und du dafür eiskalt … was hast du da oben gemacht?“, fragte Trisha und legte einen Arm um die Elfe.
„Am offenen Fenster meditieren … ich muss nicht unbedingt schlafen und dort oben kann ich es besser. Gute Aussicht auf die Stadt, verstehst du?“
„Ich … denke schon?“, murmelte Trisha gerade in dem Moment, als ihr Magen knurrte.
„Ich nehme an, du hast Hunger?“, fragte Rilliana belustigt und sah zu Trisha auf.
„Etwas …“, murmelte Trisha und ihre Aussage wurde durch ein weiteres, lauteres Knurren unterstrichen.
„Ein bisschen also“, lachte Rilliana und Trisha wurde rot, „Schauen wir mal, was ich noch habe“, sagte die Elfe, rollte sich wieder aus dem Bett und öffnete einen heruntergekommenen Schrank. Eine Schachtel mit Keksen war das Einzige, was sich darin befand.
„Aha! Wir haben Glück!“, rief Rilliana und griff nach der Schachtel. Doch als sie diese anhob, wurde sie stutzig. Die Kekse waren schwerer, als sie erwartet hatte. Sie schüttelte sie leicht und hörte ein Quieken.
„Ach, komm schon, Nibbel? Ich habe dir doch gesagt, du sollst mein Essen nicht anrühren“, murmelte Rilliana und zog eine Maus aus der Schachtel, die sich durch die Kekse gefressen hatte.
„Haben sie wenigstens gut geschmeckt?“
Die Maus quiekte zustimmend und krabbelte über ihren Arm auf ihre Schulter.
„Du hast mir nicht gesagt, dass du ein Haustier hast“, sagte Trisha.
„Nun, zwischen der Seitenstraße, in der du mich ausgeraubt hast, der Nummer im Käfig und der wunderschönen Nacht habe ich nicht die Zeit gefunden, dir von Nibbel zu erzählen. Er ist auch nicht wirklich mein Haustier. Er kommt nur vorbei, um sich an meinen Vorräten zu vergehen und um mir Gesellschaft zu leisten“, erklärte Rilliana und nahm die Maus von ihrer Schulter, um sie Trisha zu zeigen.
„Keine Sorge, ich tue dir nichts, Kleiner“, flüsterte die Shifterin und streichelte sanft den Kopf der Maus. Nibbel beschnupperte ihre Hand und kletterte nach kurzem Überlegen auf ihre Schulter. Rilliana lächelte, als sich ihre Freunde vertrugen, doch ihre Miene wurde ernster, als sie den Verband an Trishas Fuß sah.
„Ich nehme an, du kannst noch nicht laufen, oder?“, fragte Rilliana und Trisha sah sie belustigt an.
„Willst mich wohl loswerden, was?“, fragte Trisha grinsend und schwang ihren Fuß aus dem Bett.
„Nein, so meinte ich das nicht“, erwiderte Rilliana.
„Ich zieh dich nur auf. Versuchen wir es einfach“, antwortete sie, schwang ihre Beine aus dem Bett und versuchte aufzustehen. Sofort wurde Trishas Gesicht bleich und sie riss ihren Mund zu einem stummen Schrei auf.
„FUUUUUCK! ICH DACHTE, DAS SOLLTE BESSER WERDEN UND NICHT SCHLIMMER!“, schrie Trisha und Nibbel fiel erschrocken von ihrer Schulter und krabbelte sofort unter die Decke.
„Lass mich mal sehen“, murmelte Rilliana, kniete sich hin und begann vorsichtig, den Verband zu lösen. Trishas Zeh war geschwollen und rot angelaufen.
„Tut mir leid, ich muss einen Fehler beim Verarzten deiner Wunde gemacht haben. Dein Zeh hat sich entzündet. Ich hole dir Medizin, damit es nicht noch schlimmer wird, in Ordnung?“, erklärte Rilliana und band einen neuen Verband um Trishas Zeh.
„Habe wohl keine andere Wahl“, murmelte Trisha und zog eine Schnute.
„Ich bin bald wieder da und bringe auch etwas zu essen mit.“
Rilliana zog sich ein weites Hemd über und eine mehrmals geflickte Hose, schulterte eine kleine Tasche und drehte sich zu Trisha.
„Pass auf dich auf, Rilliana“, sagte die Shifterin und streckte der Elfe ihre Arme entgegen.
„Ich geh doch nur ein paar Besorgungen machen. Pass du besser auf, dass du dich nicht zu Tode langweilst“, lachte Rilliana und erwiderte die Umarmung mit einem Kuss.
„Ruh dich aus, damit es nicht schlimmer wird“, sagte Rilliana sanft, als sie den Kuss löste.
Mit dem Morgen kamen auch die Bewohner der Stadt auf die Straßen. Mehr als einmal musste sich Rilliana zwischen den Menschenmassen quetschen, um weiterzukommen, und der köstliche Geruch von Brötchen erfüllte die ganze Straße.
„Morgen, Rilliana“, grüßte der Bäcker, als er sie sah.
„Morgen, Olaf“, sagte sie und bewunderte die Köstlichkeiten vor ihr, „Könntest du mir vier davon geben?“, sagte sie und deutete auf die Brötchen.
„Klar …, wenn du bezahlen kannst“, lachte er und hob eine Augenbraue.
„Natürlich“, sagte Rilliana knapp und kramte in ihrer Umhängetasche nach ein paar Münzen. Nach dem Tausch beugte sich Olaf zu ihr herunter und Rilliana horchte auf.
„Könnte es sein, dass du die falschen Leute verärgert hast?“, flüsterte er leise und mit ernster Stimme. Rilliana biss sich auf die Unterlippe.
„Könnte sein. Wer hat nach mir gefragt?“, fragte sie.
„Ein alter Typ, graue Haare, langer Mantel. Sucht nach einer blonden Diebin.“
„Du weißt aber schon, dass einige Diebe in Leon’s Keep blond sind, oder?“
„Er vermutete, dass die Diebin eine Elfe war“, sagte Olaf und sah sie besorgt an.
„Nun, das grenzt die Suche schon etwas mehr ein. Danke für die Warnung.“
„Pass auf dich auf“, sagte Olaf. Rilliana nickte ihm dankend zu und verschwand in der Menge.
Nachdem Rilliana in der Apotheke eine Salbe und Medizin gekauft hatte, machte sie sich auf den Weg zurück zu ihrem Versteck. Sie achtete darauf, Umwege zu nehmen, um mögliche Verfolger abzuschütteln. Letztlich betrat sie den staubigen Flur und erstarrte. Etwas war anders. Jeden Tag ging sie durch diesen schmalen, dunklen Korridor hinaus und wieder zurück, aber jetzt, nach der Warnung, die Olaf ihr gegeben hatte … etwas machte sie unruhig. Sie konnte nicht genau sagen, was es war. Ein Geruch, den sie unterbewusst wahrnahm. Vielleicht ein Flüstern hinter den Wänden. Sie konnte ihre Wohnungstür problemlos sehen, sodass sie sicher sein konnte, dass im Korridor keine Fallen aufgestellt worden waren. So leise wie möglich ließ sie ihre Tasche auf den Boden gleiten. Rilliana selbst schlich sich zur Tür, bereit, jeden zu überwältigen, der sich hinter der Tür befand. Sie holte aus und trat mit aller Kraft gegen die Tür, die sofort aufsprang. Rilliana stürzte in ihr Versteck und blieb sofort wie angewurzelt stehen. Trisha schien bewusstlos und sie lag gefesselt auf dem Bett. Seile reichten von ihren Handgelenken bis zum Kopfende. Auch ihre Knöchel waren gefesselt und fest am Fußende des Bettes verankert. Mit einem Blick konnte Rilliana erkennen, dass der Eindringling Trishas Verletzung ausgenutzt und sie so gefesselt hatte, dass sie unglaubliche Schmerzen in ihrer verletzten Kralle verspüren würde, wenn sie sich zu sehr gegen ihre Fesseln wehrte. Ohne weiter nachzudenken, eilte Rilliana zu Trisha und machte sich an den Knoten zu schaffen.
„Trisha! Wach auf, was ist passiert, wer hat das getan?“, fragte sie bestürzt und tastete nach ihren Dolchen. Leider hatte Faluden ihr diese gestern abgenommen, also arbeitete sie fieberhaft daran, die Knoten von Hand zu lösen. Zu spät bemerkte sie, dass sich jemand hinter ihr angeschlichen hatte. Eine muskulöse Hand packte sie von hinten und ein Tuch wurde ihr über das Gesicht gedrückt. Vor Schreck atmete Rilliana tief ein und roch einen süßlichen Duft, der sofort ihre Sinne trübte. Ihr Denken wurde langsamer, während sie versuchte, sich mit Leibeskräften gegen die kräftige Hand zu wehren. Doch bald musste sie einsehen, dass sie verloren hatte. Rillianas Arme wurden schwer und sie fielen auf ihre Seite. Mit einem letzten Blick auf Trisha sackte ihr Kopf nach vorne und sie wurde bewusstlos.
Rillianas Kopf pochte, als sie aufwachte. Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen hatte sie das Bewusstsein verloren, und das schien ihrem Kopf überhaupt nicht zu gefallen. Sie stöhnte und aus ihrem Mund kam nur ein gedämpftes Brummen. Etwas steckte in ihrem Mund und konnte nicht heraus. Der Grund dafür war ein Tuch, welches in ihre Mundwinkel schnitt. Rilliana versuchte, das Tuch herunterzureißen, aber ihre Hände gehorchten ihr nicht. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Hände gefesselt waren, und als sie endlich ihre Augen öffnete, konnte sie absolut nichts sehen. Einen Moment später spürte sie die Augenbinde und ein mulmiges Gefühl in ihrem Bauch. Ihre Augen waren ihre mächtigste Waffe. Ohne sie fühlte sie sich mehr als nur schutzlos. Sie konnte nicht aufstehen. Ihre Beine waren an den Knöcheln und über und unter ihren Knien zusammengebunden. Verärgert schrie sie in ihren Knebel, um auf sich aufmerksam zu machen. Sie vernahm ein leises Wimmern von Trisha, die immer noch über ihr ans Bett gefesselt schien.
„Ah, du bist endlich wach“, sagte eine raue Männerstimme, und Rilliana spürte, wie sich jemand neben ihr auf den Boden setzte. Rilliana versuchte blindlings, von ihm wegzukriechen, nur um mit einer Steinwand Bekanntschaft zu machen. Sofort fing ihr Kopf wieder an zu pochen und der Fremde kicherte. Er zog sie von der Wand weg und zu sich.
„Hör zu, ich will dir und deinem kleinen Freund nichts Böses. Es ist nur so, dass ihr etwas von meinem Klienten gestohlen habt und er es gerne zurückhaben möchte. Ich würde es vorziehen, wenn wir das so gewaltfrei wie möglich lösen könnten, meinst du nicht auch?“
Rilliana nickte vorsichtig.
Wie hat er mein Versteck gefunden? War ich zu unvorsichtig? Wird er uns gehen lassen? Dachte die Elfe und lauschte auf, als er weitersprach.
„Gut. Kommen wir zur Sache“, fuhr er mit heiterer und freundlicher Stimme fort, „mir wurde gesagt, dass eine diebische blonde Elfe durch Leon’s Keep gestreift ist und gestern etwas Wertvolles von meinem Kunden gestohlen hat. Du weißt nicht zufällig, wo ich seinen Besitz finden kann, oder?“
Rilliana zuckte mit den Schultern und murmelte in ihren Knebel.
„Oh, Entschuldigung, das hatte ich vergessen, Mylady“, sagte der Fremde und löste den Knoten in ihrem Nacken, um den Knebel zu entfernen. Rilliana atmete ebenfalls erleichtert auf und bewegte vorsichtig ihren Kiefer, um die Steifheit, die sich langsam gebildet hatte, loszuwerden.
„Lässt du uns gehen, wenn ich es dir sage?“, fragte die Elfe. Sie versuchte, tapfer zu klingen, aber sie glaubte sich selbst nicht.
„Du hast mein Wort, wenn du mir sagst, wo die Geldbörse ist, die du gestern entwendet hast“, sagte der Mann erneut mit seiner sanften Stimme.
„Der Beutel ist in dem Kleiderstapel in der Ecke beim Fenster!“
Rilliana spürte, wie der Fremde aufstand und zum Fenster ging. Sie konnte hören, wie er ein wenig in ihren Kleidern wühlte, bis er freudig aufschrie.
„Ich denke, das war gute Arbeit von uns allen!“
Er kam zu Rilliana zurück und setzte sich wieder hin.
„Du hast Glück, Elfe. Mein Kunde ist nicht an dem Geld interessiert. Er weiß noch nicht mal, wie viel er dabei gehabt hatte, also kannst du den Rest behalten. Nur das Wappen will er zurück“, sagte er und leerte den Beutel über ihr aus. Münzen regneten auf Rilliana herab und rollten über den Boden und unter das Bett.
„Sag mal, wie gelenkig bist du eigentlich?“, fragte er neugierig. Verwirrt drehte die Elfe ihren Kopf in seine Richtung, als er plötzlich ihre Beine mit einem weiteren Seil anhob und sie mit ihren Händen verband, sodass sie in einem engen Hogtie auf dem Boden lag.
„Ich dachte, du lässt uns gehen?“, fragte Rilliana entsetzt und zerrte an dem Seil, was sofort in ihre Handgelenke schnitt.
„Tue ich auch. Hier.“
Rilliana hörte, wie ein Messer auf den Boden geworfen wurde, und vermutete, dass es in einer der Ecken gelandet war.
„Dein Schlüssel zur Freiheit. Und bevor ich es vergesse“, sagte er und wollte sie gerade wieder knebeln, als sie sich abwandte.
„Komm schon, wir haben es doch fast geschafft“, sagte der Mann enttäuscht, wartete aber ab, was sie zu sagen hatte.
„Bitte warte … Meine Freundin ist verletzt, könntest du ihr etwas von der Medizin geben, bevor du gehst, sie liegt draußen im Flur“, flehte Rilliana und betete zu allen Göttern, dass der Mann wirklich ein Herz hatte. Nach kurzem Zögern stand der Mann tatsächlich, auf und ging in den Flur. Kurze Zeit später kam er zurück und verabreichte der wimmernden Shifterin ihre Medizin und verteilte sogar die Salbe auf ihrer Verletzung.
„Yeeah, sah schon echt übel aus, die Verletzung. Hast Glück, dass ich dich irgendwie mag, Elfe“, sagte der Mann und stopfte ihr den Knebel wieder in den Mund, den sie diesmal widerstandslos akzeptierte.
„Nun denn, meine Damen. Auf Wiedersehen“, sagte er und schloss schwungvoll die Tür. Trisha stöhnte erleichtert auf, während Rilliana versuchte, in Richtung der Klinge zu kriechen. Ihr Körper rieb unangenehm über den Boden und scheuerte über die Münzen.
Das Messer müsste in diese Richtung gefallen sein, oder? Dachte Rilliana und robbte sich nach vorne, nur um im nächsten Moment Bekanntschaft mit ihrem Schrank zu machen. Sie stöhnte in den Knebel und unterdrückte einen Schrei, als ihr Kopf sich anfühlte, als würde er platzen. Dies würde eine lange Nacht werden.
„Endlich kann dieser blöde Verband weg“, seufzte Trisha erleichtert und ließ sich auf Rillianas Bett fallen, bevor diese ihr den Verband abnahm.
„Jetzt musst du nur aufpassen, dass du deinen Fuß nicht zu sehr belastest“, sagte Rilliana und legte sich zu ihrer Freundin.
„Ach komm schon, ich habe mich für … einen Monat ausgeruht!“
Rilliana drehte sich stirnrunzelnd zu ihrer Freundin.
„Trisha … du wohnst erst seit einer Woche hier und ja, ich meine es ernst“, erwiderte Rilliana, „ich verbiete dir, zu viel zu laufen!“
„Erwartest du, dass ich auf allen Vieren durch die Stadt krieche? Wie eine gewöhnliche Katze?“, fragte Trisha und zog eine Augenbraue hoch. Rilliana fing breit an zu grinsen und Trisha sah sie verständnislos an.
„Was?“, fragte Trisha doch dann klickte es, „Nein!“
Sofort versuchte sich Trisha wegzurollen, und rief: „NEIN, NEIN, auf keinen Fall!“
„Aber das ist doch die Idee! Wir haben doch noch diese Seile!“, sagte Rilliana und rutschte hinter ihr her. Trisha gefror zu Eis, als sie die Kante des Bettes unter sich spürte und nun drohte, herunterzufallen.
„Hast du mir nicht gerade gesagt, ich solle es ruhig angehen lassen?“, fragte sie als letzten Ausweg, doch etwas regte sich in ihr. Trishas Neugier lauschte auf, und sie musste wissen, was Rilliana vorhatte. Die Elfe sah sofort das Glitzern in Trishas Augen und wusste, dass sie gewonnen hatte. Das würde ein toller Streich werden.
„Jaaaa, du hast vermutlich recht“, sagte Rilliana theatralisch und stand auf, „und wir haben hier ohnehin nicht genug Platz.“
Rilliana seufzte gekünstelt und drehte sich weg, um ihr breites Grinsen zu verstecken. Trisha biss sich auf die Unterlippe. Sie murmelte etwas Unverständliches.
„Wie bitte?“, fragte Rilliana und drehte sich, nun mit einem ernsten Gesicht, zurück zu Trisha.
„Ich sagte, wir könnten zu mir gehen!“, sagte sie laut, nur um sich im nächsten Moment den Mund zuzuhalten, als hätte sie etwas Falsches gesagt. Rilliana lächelte. Sie ging auf Trisha zu und beugte sich über sie. Die Haare im Nacken der Shifterin stellten sich auf, als sie das lüsterne Grinsen ihrer Freundin sah, und sie schluckte.
Rilliana drückte einen Ast des Busches beiseite und schaute nervös die dunkle Straße rauf und runter. Das Ganze war zwar ihre Idee gewesen, aber sie hatte keine große Lust, der Stadtwache zu erklären, was sie mitten in der Nacht mit der Shifterin auf der Straße machte.
„Die Luft ist rein, komm raus“, flüsterte Rilliana, trat aus dem Busch und zog an einem Seil in ihrer Hand. Der Busch raschelte und Trisha steckte ihren Kopf knapp über dem Boden durch die Blätter. Ihr tiefrot angelaufener Kopf studierte die Straße fieberhaft, doch Rilliana hatte recht. Die Luft war rein. Dennoch hatte sie keine große Lust auf das, was folgen würde. Ihr Schweif steckte zwischen ihren Beinen und ein leichtes Zittern durchfuhr ihren Körper.
„Mmmmhppp …“, murmelte Trisha in das Tuch, das als Knebel diente, um erneut Bedenken zu äußern, doch Rilliana zog einfach fester an dem Seil. Trisha stolperte aus dem Busch hervor und starrte mit weit aufgerissenen Augen zu Rilliana hoch. Das Seil in der Hand der Elfe war mit einem Gürtel verbunden, welcher um Trishas Hals geschlossen war. Ihre Beine waren an ihren Knien gefaltet und mit weiteren Seilen fixiert und mit Tüchern ausgepolstert. Dasselbe galt für Trishas Arme.
„Wie kommt es, dass du ein Versteck in der Oberstadt finden konntest?“, fragte Rilliana neugierig und ohne Trisha anzusehen, um ihre Nervosität zu überspielen.
„Mmmh… nnn… mih b’fei’n… kmmh ih dmm… z’mm, w-mm ih wmmh!“, antwortete Trisha durch den Knebel. Rilliana kicherte.
„Du klingst süß, wenn du geknebelt bist“, sagte sie und kraulte Trisha hinter den Ohren. Sie lehnte sich in die Hand ihrer Freundin und begann kurz zu schnurren, bis sie ein Windstoß traf und sie sich daran erinnerte, wo sie war: Draußen, mitten auf der Straße und hilflos gefesselt. Rilliana bemerkte Trishas Panik und zog sie schnell tiefer in die Schatten. Sie kniete sich neben ihre gefesselte Freundin und begann, sie sanft zu streicheln.
„Hey, du musst dir keine Sorgen machen, uns wird nichts passieren. Ich kenne die Stadt in- und auswendig und wir kommen sicher zu dir. Ich verspreche es“, sagte sie ruhig und sah Trisha voller Zuversicht in die Augen. Die Shifterin zögerte, nickte und krabbelte voraus. Rilliana lächelte und ging ihr hinterher. Trisha versuchte, den kürzesten Weg zu ihrer Wohnung zu nehmen, doch machten die Bewohner der Stadt ihr einen Strich durch die Rechnung und Rilliana zog sie immer wieder auf eine andere Straße. Letztlich kamen sie an eine Häuserecke, ein paar Meter von einer Taverne entfernt. Lautes Gelächter und der Gesang von Betrunkenen erfüllten die Straße. Fragend sah Trisha zu Rilliana auf.
„Mmmh… w-mm… mah’n w’r… jezz…?“, sagte Trisha und lugte ängstlich aus ihrer Deckung hervor, um zu sehen, ob jemand auf der Straße war.
„Du klingst wirklich süß, aber ich verstehe dich immer noch nicht. Müssen wir da vorbeigehen?“
Rilliana spürte, wie Trisha versuchte, sie zu treten, und warf selbst einen Blick die Straße hinunter.
„Könnte schwer werden, da vorbeizukommen, aber …“, murmelte Rilliana und erkannte ein verlassenes Haus am Ende der Straße, welches einen Eingang durch die unterirdischen Gänge der Stadt hatte. So konnten sie sicher die Taverne umgehen.
„Komm hier lang, Kitty“, sagte Rilliana und zog sanft an der Leine. So schnell sie konnten, rannten die beiden Freundinnen über die Straße. Rilliana legte die Leine beiseite und suchte die Schatten nach einem Gitter im Boden ab.
„Irgendwo hier …“, murmelte Rilliana und zog ein Holzbrett beiseite. Dahinter fand sie das Gitter und drückte es auf, sodass es aufschwang. Vorsichtig kletterte Rilliana hindurch und streckte ihre Arme aus, um Trisha herunterzuheben. Trisha zögerte und sah zweifelnd auf Rillianas dünne Arme.
„Komm schon, bevor jemand um die Ecke kommt und uns sieht. Ich kann dich tragen“, flüsterte Rilliana. Trisha nickte zögernd und kroch zum Gitter. Rilliana ergriff ihre Hüfte und kletterte mit ihrer Freundin herunter.
„Fuck. Bist schon schwerer, als ich gedacht habe!“, murmelte Rilliana als sie auf dem Boden des Tunnels ankamen. Trisha fauchte laut und versuchte, Rilliana durch den Knebel zu beißen, doch war sie schnell außer Reichweite, als sie auf dem Boden abgesetzt wurde.
„Aus! Böse Katze!“, lachte Rilliana und gab ihr einen Klaps auf den Hintern. Trisha wurde sofort rot und drehte ihren Kopf beiseite.
„Soo. Pass ein bisschen auf dich auf, Trisha, hier unten könnte es größere Mäuse als Nibbel geben … Obwohl die Mäuse wohl besser auf dich aufpassen müssen, oder? Hier, als kleine Belohnung“, sagte Rilliana und löste das Seil von Trishas Halsband. Zögernd ging Trisha ein paar Schritte nach vorn und schaute dann wieder zu ihrer Freundin.
„Na komm, lass ein bisschen Dampf ab, bevor wir wieder durch die Stadt schleichen müssen. Keine Sorge, diese Gänge benutzt keine Menschenseele. Aber bleib in Sichtweite!“
Trisha ließ sich das nicht zweimal sagen und rannte auf allen Vieren los, als hätte sie nie etwas anderes getan. Sie sah eher wie ein Welpe aus, der nach einem langen Tag froh war, endlich herauszukommen, als wie eine gefesselte Shifterin. Rilliana fand, dass Trisha erstaunlich schnell gelernt hatte, sich effektiv auf allen Vieren zu bewegen. Lag es vielleicht daran, dass Shifter und Katzen sehr eng miteinander verwandt waren, oder daran, dass Trishas Sch****z ihr half, das Gleichgewicht zu halten? Rilliana machte sich innerlich eine Notiz, Trisha nach ihrem Abenteuer zu fragen. Rilliana griff in ihre Tasche und zog etwas heraus.
„Hey Trisha! Fang!“, rief Rilliana plötzlich, und die Shifterin wirbelte herum. Die Elfe hatte einen Ball mit nach draußen geschmuggelt und warf ihn Trisha zu. Freudestrahlend stürzte sich Trisha auf den Ball, als er auf sie zurollte, verfehlte ihn aber knapp mit den Armen, und der Ball rollte unter ihr hindurch in die Dunkelheit. Unbeholfen drehte sich Trisha auf der Stelle um und rannte ihm hinterher, tiefer in den Tunnel. Der Ball prallte an einer Wand ab und in einen Seitengang, der tiefer in das Labyrinth führte. Rilliana machte große Augen und wollte schnell hinterher. Sie wollte gerade Trisha warnen, als sie über einen Stein stolperte und der Länge nach hinfiel. Sie fluchte laut und rappelte sich wieder hoch, doch von Trisha fehlte jede Spur.
„Nein … nein, nein, nein! Trisha!?“, rief sie, und rannte los, als sie keine Antwort bekam.
„Trisha?“, fragte sie erneut. Keine Antwort. Kalter Schweiß lief ihr den Nacken hinunter, als sie sich ausmalte, was mit Trisha passieren könnte. Sie ignorierte den Schmerz in ihren Knien und rannte zu der Ecke, wo der Ball verschwunden war. Rilliana bremste noch nicht mal ab, sondern schlitterte um die Ecke, und ein Stein fiel ihr vom Herzen, als sie Trisha mit fragendem Blick vor ihr kroch. Tränen liefen über Rillianas Gesicht und sie unterdrückte ein Schluchzen.
„Oh verdammt, Trisha!“, schluchzte sie und umarmte die Shifterin die nur ihren Kopf verwirrt schieflegte. Ihre Stimme überschlug sich, als sie versuchte, sich zu erklären.
„Ich … Ich dachte, du wärst zu tief in die Gänge gelaufen. Ich hä häää hääätte dich verloren und dir wäre etwas zugestoßen. Ich bin gestürzt und … und du warst plötzlich weg … das hätte ich mir nie verziehen!“, schluchzte sie und drückte Trisha fest an sich. Trisha ließ es über sich ergehen und stupste Rilliana mit ihrer Nase an.
„Es ist besser, wenn wir es für heute sein lassen“, sagte Rilliana zwischen ihren Tränen und wollte Trisha gerade losbinden, als sie sich gegen ihren Griff wehrte und sich aus Rillianas Griff entzog.
„Hey, was soll das? Komm her, damit ich dich losmachen kann!“, sagte Rilliana und folgte ihr. Trisha wich ihr aus und schüttelte den Kopf.
„Möchtest du … möchtest du weitermachen? Möchtest du das wirklich durchziehen?“, fragte Rilliana ungläubig und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Trisha nickte entschlossen und blickte trotzig zu der Elfe auf. Während Tränen Rillianas Wangen herunterliefen und sie schluchzte, fing sie an zu lachen.
„Wie … wie du willst. Komm her“, murmelte Rilliana und setzte sich auf den Boden. Die Shifterin strahlte, legte sich neben sie und bettete ihren Kopf auf Rillianas Bein. Die Elfe streichelte Trishas Rücken, bis sie erneut zu schnurren begann.
„Darf ich … darf ich dir den Knebel abnehmen?“, fragte die Elfe vorsichtig, und Trisha nickte nach kurzem Zögern. Rilliana löste den Knoten und entfernte das Tuch aus Trishas Mund. Die Shifterin stöhnte leise, als sie ihren Kiefer bewegte, um wieder Gefühl darin zu bekommen.
„Trisha … diese letzte Woche mit dir waren die beste, die ich seit Langem hatte … und … als ich dich gerade aus den Augen verlor … hatte ich Panik, verstehst du? Ich …“ Wieder kullerten Tränen über Rillianas Gesicht, während sie um Worte rang. Trisha sah ihre Freundin mitfühlend an und hob einen Arm, so gut sie konnte, und legte ihn auf Rillianas.
„Du brauchst nichts zu sagen … es war dumm von mir, so weit vorzurennen und dich mit so viel zu belasten“, sagte Trisha und lächelte Rilliana an.
„Du belastest MICH? Wer von uns beiden hat die andere in ein hilfloses Kätzchen verwandelt?“, fragte Rilliana und wischte sich die Tränen weg.
„Ich habe dir die ganze Verantwortung übertragen und keine Rücksicht auf deine … Unerfahrenheit genommen, und das tut mir leid“, sagte Trisha ernst und rückte etwas näher an Rilliana heran.
„Aber ich habe dich aus den Augen verloren, es ist meine Schuld“, sagte die Elfe.
„Unser beider Schuld …“, korrigierte Trisha. Rilliana sah nicht überzeugt aus.
„Außerdem habe ich ein wenig mehr Erfahrung auf diesem Gebiet, würde ich sagen“, fügte Trisha hinzu und versuchte, sich wieder aufzurichten, „Komm, wir müssen ankommen, bevor es hell wird. Wir haben ein gemütliches Bett, das auf uns wartet.“
Rilliana wollte gerade fragen, was sie meinte, doch Trisha war bereits ein paar Schritte nach vorne gelaufen und warf einen auffordernden Blick über ihre Schulter.
„Komm schon!“
Rilliana nickte und wischte sich die Tränen weg, bevor sie aufstand und zu Trisha lief.
Die Shifterin wich nicht mehr von Rillianas Seite, bis sie an einem Loch ankamen, das in den Keller der Ruine führte. Mit der Taverne im Rücken machten sich die beiden Freundinnen auf den Weg zu der Mauer, die die Oberstadt von der Unterstadt trennte.
„Sind wir bald da?“, fragte Rilliana und blickte nervös zum Mond, der bereits gefährlich niedrig stand.
„Sofort“, antwortete Trisha schwer atmend und verschwand hinter ein paar Büschen. Rilliana schob einige Äste beiseite und stand vor einem schweren Gitter, welches ihnen den Weg versperrte.
„Und jetzt?“, fragte die Elfe.
„Drück auf den Stein dort“, sagte Trisha und deutete mit ihrem Ellbogen auf einen Stein mit einem kleinen Katzensymbol darauf, den sie in ihrer Lage aber nicht erreichen konnte. Rilliana drückte darauf, und das Gitter schob sich zur Seite, sodass die beiden sich hindurchzwängen konnten. Sie gingen einen Korridor entlang, bis sie vor einer Holztür standen.
„Nimm meinen Schlüssel“, sagte Trisha und bot Rilliana ihren Hintern an. Rilliana gab ihr einen Klaps und Trisha zuckte erschrocken zusammen.
„ICH MEINTE MEINEN WOHNUNGSSCHLÜSSEL!“, fauchte Trisha, während ihr Puls in die Höhe schnellte.
„Die Gelegenheit konnte ich mir nicht entgehen lassen“, erwiderte Rilliana und grinste breit, während sie nach dem Schlüssel suchte. Schnell wurde die Tür geöffnet, und Rillianas Kinnlade fiel herunter, als sie sah, was Trisha ihr Zuhause nannte. Im ganzen Raum war ein roter Teppich verlegt worden, und an der Wand stand ein Himmelbett. Mehrere Schränke, die zweifellos mit unzähligen Kleidungsstücken gefüllt waren, säumten die gegenüberliegende Steinwand, die nur von einer Tür unterbrochen wurde.
„Mach es dir gemütlich, Rilliana“, sagte Trisha und versuchte, auf das Bett zu klettern. Vergeblich.
„Was, wie? Warum?“, fragte Rilliana schockiert und schob ihre Freundin auf ihr riesiges Bett.
„Können diese Fragen nicht bis später warten? Ich bin schon ein wenig müde.“
„Ja … ja. Natürlich,“ sagte Rilliana immer noch verwirrt, und setzte sich neben Trisha.
„Wer bist du?“, fragte Rilliana und sah ihre immer noch gefesselte Freundin nervös an. Trisha verdrehte nur die Augen.
„Holt mich aus den Fesseln, dann erkläre ich es dir!“, forderte sie und versuchte vergeblich, sich auf dem weichen Bett auf den Rücken zu drehen. Sie ächzte vor Anstrengung, zappelte kurz und lag dann schwer atmend einfach nur da.
„Ein bisschen Hilfe, bitte!“, jammerte sie und sah flehend zu Rilliana auf.
„Natürlich, hier.“
Rilliana half ihr, sich umzudrehen, und begann, die Knoten zu lösen. Kurze Zeit später lagen die beiden unter einer kuscheligen, samtig roten Decke und wärmten einander.
„Also …?“, fragte Rilliana schließlich und wartete neugierig darauf, was Trisha zu sagen hatte.
„Also …“, sagte Trisha und schien nach Worten zu ringen, „wo soll ich überhaupt anfangen? Im Grunde ist es so … Du und ich sind uns sehr ähnlich in der Art, wie wir aufgewachsen sind. Der einzige Unterschied ist, dass ich von einem wohlhabenden Mann aus der nächsten Stadt adoptiert wurde. Er … mein Vater und seine Tochter wurden meine neue Familie und … es mangelte uns an nichts. Er lehrte mich und ich spielte mit seiner Tochter Celine und … mmmh.“
Rilliana sah, dass etwas Trisha sehr bedrückte, und sie drückte ihre Hand unter der Decke.
„Trisha … du musst dir keine Sorgen machen. Ich werde dich nicht verurteilen.“
Trisha sah auf und wirkte gequält.
„Mein Vater ist einer der Lords von Goramag und er hat mir nicht nur das Kämpfen beigebracht, sondern auch andere Dinge.“
„Andere Dinge?“
„Schau, Rilliana ich möchte nicht wirklich darüber reden … ich … mach das nicht mehr.“
Rilliana nickte. Sie verstand, dass, egal was es war, es Trisha sehr beschäftigte und sie besser nicht mehr danach fragte.
„Tatsache ist, dass ich gerne bei ihnen war. Auch nachdem seine Tochter umgezogen war, behandelte er mich immer noch mit Liebe. Ich besuchte auch gerne Celine und …“
Trisha verstummte plötzlich und fing an zu zittern.
„Trisha?“, murmelte Rilliana bestürzt und drückte Trisha fest an sich.
„Es ist alles gut … Celine kann dir nichts tun!“
Das schien Trisha zurückzuholen, und sie sah Rilliana verwirrt an.
„Was? Nein meine Schwester ist … komisch, aber … sie ist okay, nur …“
„Hey. Alles ist gut, Trisha. Machen wir erstmal einen Bogen um das Thema Schwester.“
Trisha nickte und räusperte sich.
„Bei all der Liebe, die ich von meiner neuen Familie erfuhr, fragte ich mich trotzdem, wo meine leiblichen Eltern waren. Warum hatten sie mich allein gelassen? Die Fragen, die du dir auch immer gestellt hast. So kam es, dass mein Vater mir half, Informationen zu sammeln, und wir fanden heraus, dass einer seiner Rivalen, Faluden, wahrscheinlich etwas mit dem Verschwinden meiner Eltern zu tun hatte oder zumindest etwas über sie wusste. Allerdings wurde ich von ihm erwischt. Er war von meinen Fähigkeiten beeindruckt und wollte mich rekrutieren, aber wie du weißt, habe ich abgelehnt.“
Trisha hob einen Arm und deutete auf die reiche Einrichtung des Zimmers.
„Das hat mein Vater für mich eingerichtet, damit ich in Leon’s Keep einen Platz zum Leben habe, während ich mich mit Faluden beschäftige. Er hat gute Beziehungen, was vieles vereinfacht hat.“
Trisha beendete ihre Erzählung und wartete darauf, was Rilliana zu sagen hatte. Sie sah sie nur mit ausdruckslosem Gesicht an. Trisha wurde langsam nervös.
„Bitte … sag etwas.“
Rilliana öffnete ihren Mund, schloss ihn aber sofort wieder.
„Trisha … was willst du von mir hören? Glaubst du, ich würde dich verurteilen oder dir den Rücken zukehren, weil du die Tochter eines Lords bist? Außerdem habe ich auch ein paar Geheimnisse und Kontakte in der Stadt und ich bin weit davon entfernt, ein Unschulds-Lamm zu sein. Komm her“, sagte sie und drückte Trisha fester. Die Shifterin erwiderte die Umarmung und atmete erleichtert auf.
„Du musst mich später herumführen. Ich wette, wir können hier eine Menge Spaß haben.“
Trisha kicherte.
„Wenn du wüsstest“, erwiderte sie und schloss die Augen, „aber bitte lass mich erst ein paar Stunden schlafen.“
„Natürlich …“, sagte Rilliana und versuchte, selbst die Augen zu schließen, um in ihre Meditation zu versinken.
Rilliana blinzelte. Sie lag immer noch in dem Himmelbett neben Trisha, die ruhig und zufrieden atmete. Die Elfe lächelte und schlüpfte vorsichtig aus dem Bett, ohne Trisha zu wecken. Sie zog sich ihre enge Lederhose an und streifte sich ihr Shirt über, das ihr locker über den Körper fiel.
Trisha wird doch nichts dagegen haben, wenn ich mich jetzt schon ein wenig umsehe, oder? Überlegte Rilliana und öffnete einen der Schränke. Darin befanden sich unzählige Kleidungsstücke in verschiedenen Farben. Der andere Schrank enthielt dunklere Gewänder, die sich perfekt für nächtliche Diebstähle eigneten, sowie Messer und Dolche in verschiedenen Formen und Längen. Es fehlte nur noch die Tür, die sich zwischen den beiden Schränken befand. Rilliana öffnete sie einen Spalt und warf einen Blick hinein. Ein Korridor mit zwei Türen auf der linken und zwei auf der rechten Seite kam zum Vorschein. Rilliana schaute zu Trisha, die immer noch fest schlief.
„Es wird ihr schon nichts ausmachen“, flüsterte Rilliana und verschwand hinter der Tür. Sofort öffnete sie die erste Tür zu ihrer Linken und fand sich in einem großen Raum mit unzähligen Büchern und einem großen Sofa wieder. In der Ecke des Raumes stand ein Schreibtisch, auf dem sich ein Dutzend Schriftrollen stapelten. Rilliana konnte nicht glauben, wie groß Trishas Wohnung sein musste und wie viele Mittel ihr Vater eingesetzt hatte, um das alles zu ermöglichen. Hastig schloss sie die Tür, da sie nicht dabei erwischt werden wollte, wie sie in den wichtigen Unterlagen herumschnüffelte. Stattdessen öffnete sie die gegenüberliegende. Rilliana fiel die Kinnlade herunter, als sie Trishas Badezimmer entdeckte, das größte, das sie je gesehen hatte. Alles war mit weißen Steinplatten ausgelegt, und in der Ecke stand eine Badewanne, in der mindestens vier Personen Platz gefunden hätten. Eine Toilette und ein Waschbecken vervollständigten das Bild. Rilliana überlegte, ob sie ein Bad nehmen sollte, hielt sich aber zurück. Sie würde lieber mit Trisha baden, wenn diese aufwachte. Sie verließ das Zimmer und ging weiter den Flur hinunter. Rilliana öffnete wieder die linke Tür und fand sich in einem leeren Raum wieder. An der gegenüberliegenden Wand war eine Tafel mit eingravierten Symbolen angebracht. Rilliana konnte die seltsame Schrift nicht lesen, aber ihre Neugierde übermannte sie und sie ging hin und drehte an einem Knopf, aber es passierte nichts, also drückte sie auf eines der Symbole. Sofort begann die Tafel zu leuchten und zu blinken. Zögernd zog Rilliana ihre Hand zurück und fragte sich, ob sie gerade etwas falsch gemacht hatte, als das Licht immer schneller zu blinken begann. Plötzlich schlug die Tür zu und Rilliana war eingesperrt.
„Trisha?“, fragte Rilliana ängstlich, aber sie erhielt keine Antwort. Der Raum leuchtete auf und Rilliana hielt sich die Hände vors Gesicht, um ihre Augen zu schützen. Als das Leuchten verschwand, hörte Rilliana einen Piepton, als ob der Raum ihr mitteilen wollte, dass er fertig war. Rilliana ließ die Arme sinken, und wieder wusste sie nicht, was geschehen war. Überall im Raum waren knopf¬große Löcher in den Wänden erschienen, die kreuz und quer verteilt waren. Auf der geschlossenen Tür flackerte eine Zahl auf, die langsam herunterzählte. Hilfesuchend wandte sich Rilliana der Tafel zu, aber die Symbole sagten ihr immer noch nichts. Rilliana bekam es mit der Angst zu tun und sah sich panisch um, doch fand sie weder einen Ausschalter noch einen Fluchtweg. Die Zahl Null erschien auf der Tür und Rilliana wappnete sich für alles, doch nichts passierte.
„Ähm … kann ich jetzt gehen?“, fragte Rilliana doch plötzlich schoss aus einem der Löcher ein Seil in Rillianas Richtung, das sie nur knapp verfehlte und an der Wand hinter ihr hängen blieb.
„Was zum …?“, fragte sie und duckte sich unter einem weiteren Seil hindurch, das ihr entgegenschoss. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass eine weitere Zahl an der Tür erschienen war, und ihr Herz rutschte ihr in die Hose, als sie eine 179 sah, die nicht abwärts zählte, zumindest nicht sekündlich.
„Das ist nicht dein Ernst, Trish“, sagte Rilliana. Sie rannte zur Tür und versuchte vergeblich, diese zu öffnen. Nach mehreren Zugversuchen merkte sie, dass sie verschlossen war, und ließ hastig los, als weitere Seile in ihre Richtung schossen und sich an und neben der Tür verankerten. Inzwischen waren die Seile wie ein Spinnennetz über den ganzen Raum gespannt, und Rilliana wollte nicht herausfinden, was passieren würde, wenn sie eines berührte, geschweige denn, sich darin verfangen würde. Es gelang ihr, noch einmal knapp auszuweichen, aber dann hatte sie ihr Glück aufgebraucht. Ein Seil schoss knapp an ihrem Kopf vorbei und sie duckte sich erneut. Rilliana bemerkte zu spät, dass von der Tür aus ein weiteres Seil auf sie geschossen wurde, das sie so hart am Rücken traf, dass es sie vom Boden fegte und sie ungehindert in den Dschungel der Seile schleuderte. Es kam, wie sie befürchtet hatte, und von einem Moment auf den anderen war sie hilflos in den Seilen verheddert. Der Raum schoss munter weiter Seile in ihre Richtung, um ihre Chancen, sich zu befreien, zu minimieren. Rilliana kämpfte, so gut sie konnte, aber jede Bewegung schien ihre Lage noch hoffnungsloser zu machen. Plötzlich spürte sie, wie ein Seil zwischen ihren Beinen festgezurrt wurde, woraufhin sie ihre Fluchtversuche sofort einstellte und rot anlief. Das Einzige, was sie jetzt noch bewegen konnte, war ihr Kopf, und so blieb ihr nichts anderes übrig, als wie eine Marionette eine Handbreit über dem Boden in den Seilen zu hängen. Ihre Arme und Beine ragten in verschiedenen Winkeln von ihrem Körper ab und jede Bewegung spannte die Seile mehr.
„Trisha?“, fragte Rilliana ängstlich, und Schweiß tropfte von ihrer Stirn, als sich das Seil zwischen ihren Beinen immer tiefer in ihre Lederhose drückte. Sie hatte allerdings keine Zeit, sich auszuruhen, als ein weiteres Seil in Richtung ihres Kopfes geschossen wurde, und lehnte sich nach hinten. Das Seil zischte knapp an ihrer Nase vorbei und sie spürte, dass sie niesen musste. Mit aller Kraft versuchte sie, dem Reflex zu widerstehen, aber es war ein hoffnungsloses Unterfangen, als sie schließlich niesen musste und ihr ganzer Körper bebte. Rilliana kreischte laut auf, als sich die Seile um sie herum strafften und das Seil zwischen ihren Beinen noch tiefer in sie eindrang. Das Seil vor ihre Nase presste sich in ihre Augen und wickelte sich um ihren Kopf.
„Trisha!“, schrie Rilliana nun in blanker Panik. Das nächste Seil könnte sich um ihren Hals wickeln, und sie wollte sich nicht ausmalen, was dann mit ihr passieren würde. Sie stöhnte erleichtert auf, als sie endlich die Schritte ihrer Freundin hörte. Es gab ein Klicken, und die Tür öffnete sich hinter ihr. Rilliana fiel ein Stein vom Herzen.
„Rilliana? Bist du da drin? Ich kann die Tür nicht ganz öffnen. Bitte sag mir, dass du nichts angerührt hast“, kam Trishas nervöse Stimme von der Tür.
„Sagen wir es mal so … Ich habe etwas angefasst und jetzt hänge ich hier ein wenig rum. Wozu brauchst du einen Raum, der mit Seilen auf dich schießt?“
Trisha lachte laut auf.
„Das ist unter anderem mein Trainingsraum. Da drin kann ich alles Mögliche einstellen. Was glaubst du, warum ich dich so leicht besiegen konnte?“
Rilliana stöhnte auf, als sie sich erneut an die klägliche Niederlage erinnerte, und lenkte das Gespräch wieder zu dringlicheren Problemen.
„Und wann kann ich hier raus?“, fragte Rilliana genervt.
„Kommt drauf an. Welche Nummer steht denn gerade an der Tür?“
„Ich weiß es nicht. Das letzte Mal, als ich sie sah, stand da 179“, sagte Rilliana nervös und befürchtete das Schlimmste. Trisha lachte erneut.
„Du hast es also geschafft, meinen Trainingsraum so einzustellen, dass er dich fesselt und für die nächsten drei Stunden nicht mehr loslässt. Respekt!“
„Drei Stunden?“, fragte Rilliana entsetzt, „kannst du mich nicht früher herausholen?“
„Nun, das schon, aber dann müsste ich mich durch die Tür quetschen, quer durch den Raum und zur Tafel gehen, aber leider muss ich meine Kralle noch ein wenig schonen und ich habe keine Lust, wegen eines kleinen Ausrutschers drei Stunden neben dir zu hängen. Ich komme später wieder. Viel Spaß!“, rief Trisha, lachte abermals und schloss die Tür. Rilliana war aufs Neue sprachlos. Sie wollte gerade etwas hinter Trisha her schreien, als sich ein Seil um ihren Mund schloss und sie effektiv knebelte. Mit letzter Kraft versuchte sie, sich zu befreien, aber der Raum hatte andere Pläne und Rilliana gab auf, als sich die Seile noch enger um sie legten. Verärgert atmete sie durch ihre Nase aus.
Sie wusste, dass Trisha nicht schuld an ihrer Lage war, dennoch fühlte sie sich ein bisschen betrogen und hoffte, dass sie sich irgendwie rächen konnte. Rilliana fing leicht an zu zittern, als das Seil in ihrem Schritt tiefer in sie glitt.
Vielleicht ist es doch nicht so schlecht hier drin.
Trisha schüttelte lächelnd den Kopf und ging zurück ins Schlafzimmer. Sie war kurz in Panik geraten, als sie Rilliana nirgends sah, doch dann bemerkte sie die offene Tür zum Flur und hörte, wie die blonde Elfe sie rief und wimmerte.
„Verdammt, Rilliana. Was machst du nur für Sachen“, murmelte sie und kuschelte sich zurück in ihre Decke.
Rilliana hatte einen verträumten Gesichtsausdruck, nachdem Trisha sie endlich sicher aus dem Trainingsraum herausholte. Sie lag regungslos auf dem Boden und reagierte kaum auf Trisha, die sie vom Boden aufhob und ins Bad brachte. Die Wanne war bereits mit heißem Wasser gefüllt und der Schaum stieg über den Rand. Vorsichtig entkleidete Trisha ihre Freundin und setzte sie in die Badewanne. Rilliana stöhnte auf.
„Ich bin im Himmel“, sagte sie leise und ließ sich tiefer ins Wasser sinken.
„Nicht ganz“, lachte die Shifterin und kletterte selbst hinein und legte sich neben Rilliana. Nach ihrem letzten Abenteuer waren überall auf Rillianas Haut deutliche Seilspuren zu sehen. Trisha bewunderte die Abdrücke und strich mit ihren Fingern über eine von ihnen. Sie verzierten die Elfe wie Ornamente.
„Du siehst aus wie ein Kunstwerk“, flüsterte sie und begann, die Elfe zu massieren, „mein Kunstwerk.“
Rilliana biss sich auf die Unterlippe und genoss die Berührung ihrer Freundin und die Wärme des Wassers. Die beiden Freundinnen hatten ihre Augen geschlossen und Trisha hatte ihre Arme von hinten um Rilliana geschlungen.
„Trisha?“
„Mmmhmm?“
„Es ist kein Zufall, dass du einen Raum hast, der Seile auf einen scheißt, oder? Du magst das?“
Trisha kicherte leise.
„Du doch auch.“
„Schon, aber … warum? Ich … Ich verstehe es nicht. Ich mein, als dieser Fremde uns überfallen hat, hatte ich Angst um dich … um uns. Aber es war dennoch …“
„Interessant? Komisch? Spannend?“
„Er … erregend. Aufregend und …“
Rillianas Stimme wurde zu einem Flüstern und sie wurde rot. Letztlich räusperte sie sich und sagte: „Du sagtest auch in den Tunneln, ich wäre unerfahren, aber in was bin ich unerfahren? Ich dachte, es wäre nur ein lustiger Streich, dich in eine Katze zu verwandeln, aber es hat … anders Spaß gemacht.“
„Nun, Rilliana. Ich denke, du bist ein bisschen auf den Geschmack von Bondage gekommen. Und steckst schon richtig tief in einem Sumpf voller Seile.“
„Bondage?“, fragte die Elfe und ließ das Wort auf ihrer Zunge zergehen, „Ich denke schon? Kannst du es mir beibringen?“
Trisha kicherte.
„Ich glaube, du bist bereits auf dem besten Weg, um mehr über Bondage zu lernen. Ich wollte dich sowieso darauf ansprechen nach unserem kleinen Abenteuer, letzte Nacht.“
„Mmmmmh“
„Liegt noch etwas auf deiner Seele?“
„Kannst du mich trainieren?“
„Du hattest doch schon gerade ein Abenteuer mit Seilen“, sagte Trisha und Rilliana schüttelte energisch den Kopf.
„Nein! Ich meine das Kämpfen! Mir beibringen, wie ich so kämpfen kann wie du! Ich will so gut werden, dass ich all diesen Seilen ausweichen kann!“
Trisha öffnete eines ihrer Augen.
„Ich habe mir angesehen, was du in meinem Trainingsraum angestellt hast … glaub mir, ich bin nicht SO gut“, erwiderte Trisha.
„Trotzdem! Als wir uns das erste Mal trafen, hast du mich auch wie eine Anfängerin aussehen lassen.“
„Ja, das war eine ziemlich peinliche Vorstellung, die du da geboten hast.“
„Ach, komm schon“, sagte Rilliana, löste sich aus der Umarmung und ließ sich auf die andere Seite der Wanne treiben, „so schlecht war ich auch nicht.“
Trisha zog ihre Augenbrauen zusammen und verschränkte ihre Arme.
„Na jaaaaaaa …“
„Halt! Stopp! Ich will keine Antwort darauf. Ich verstehe schon. Kannst du mir jetzt das Kämpfen beibringen oder nicht?“
„Heh. Ich denke, das wird eine ganz schön schwierige Aufgabe.“
„Übertreib es nicht.“
„Aber ich nehme diese SCHIER UNMÖGLICHE Aufgabe an!“
„Trisha …“
„Es könnte gefährlich werden! Sehr gefährlich!“
„Dein Ernst?“
„Wir fangen noch heute an!“
„Moment, heute?“, fragte Rilliana doch Trisha schien ihr nicht zuzuhören und erhob sich aus der Badewanne. Mit hoch erhobener Faust stellte sie sich vor Rilliana auf und das Wasser tropfte von ihren nackten Brüsten. Rillianas Mund klappte jetzt auf und sie starrte ihre Freundin sehnsüchtig an.
„Am besten, wir machen es jetzt! Sofort!“
„Moment … was?“, fragte Rilliana als Trisha aus der Badewanne sprang und die Elfe hinter sich herzog.
„Moment, Trisha! Was meinst du?!?“, rief Rilliana während Trisha sie verrückt lachend hinter sich her schleifte.
„Trisha? Ich dachte, du wolltest mir das Kämpfen beibringen und nicht Bondage“, fragte Rilliana. Sie blickte nervös auf das Gerät, an dem Trisha herumhantierte. Sie konnte nicht genau sehen, was Trisha da tat, und sie konnte auch nicht über ihre Schulter sehen, da sie hilflos auf einem Stuhl, mit Seilen gefesselt, war und immer nervöser wurde.
„Trisha? Komm schon, sag was …“, sagte Rilliana und sah zu, wie Trisha einen Zeiger am Gerät zurückstellte.
„Weißt du noch, was ich dir gesagt habe, als ich dich gegen die Wand gedrückt habe?“, fragte sie, nickte kurz dem Gerät zu und drehte sich zu ihrer Freundin.
„Dass ich mich zu sehr von meinen Gefühlen leiten lasse?“
„Richtig, ich will jetzt sehen, wie du unter Druck reagierst, damit ich mir ein genaues Bild machen kann. Emotionen sind gut in einem Kampf, aber zu viele davon und du wirst verlieren, dasselbe gilt für Stress“, sagte Trisha und deutete auf das Gerät.
„Dieses Gerät wird aktiviert, sobald ich den Trainingsraum verlasse. Danach hast du eine Stunde Zeit, um dich zu befreien, sonst explodiert sie und es gibt eine ziemliche Sauerei.“
Rillianas Blut gefror ihr in den Adern.
„Das ist nicht dein Ernst, oder? Trisha, hol mich sofort hier raus!“, forderte Rilliana und blickte verängstigt auf die Bombe.
„Keine Sorge, Rilli, ich habe volles Vertrauen, dass du dich befreist und die Bombe entschärfen kannst. Du musst nur diesen Knopf hier drücken“, sagte Trisha und zeigte auf einen großen roten Knopf oben auf der Bombe. Rilliana schaute an ihrem Körper hinunter und untersuchte ihre Fesseln. Ihre Hände waren hinter dem Stuhl fixiert und ein Seil führte von ihnen zu ihren Füßen, sodass sie den Boden nicht berührte. Andere Seile waren um ihren Körper gewickelt und drückten sie gegen die Rückenlehne des Stuhls. Außerdem gab es ein Seil, das Trisha durch Rillianas Schritt führte und mit den übrigen Fesseln verband. Ungläubig blickte Rilliana zu Trisha auf, die nun auf sie zukam.
„Trisha können wir nimmmh, hmmhh!“
„Naaahh, mach dir keine Sorgen. Versuch einfach zu entkommen. Eine Stunde ist mehr als genug Zeit“, unterbrach Trisha und steckte ihr ein Tuch in den Mund, das sie mit einem weiteren verschloss und in Rillianas Nacken fixierte. Sie lauschten beide auf, als die Glocke von Leon’s Keep siebenmal läutete.
„Oh! Perfekt. Wir sehen uns dann in weniger als einer Stunde“, sagte Trisha fröhlich, ging eilig zur Tür und winkte der Elfe zum Abschied. Rilliana blickte ihr mit einer Mischung aus Wut und Angst hinterher, aber es blieb ihr nichts anderes übrig, als zu versuchen, die fast unmögliche Aufgabe zu bewältigen. Die Bombe begann zu ticken, und sofort erfasste Panik Rillianas Herz. Zuerst versuchte sie, die Seile zu zerreißen, und kämpfte mit aller Kraft dagegen an. Aber sie schienen nur noch fester zu werden, genau wie vor ein paar Stunden. Wieder wurde sie sich des Seils zwischen ihren Beinen bewusst. Ihr Kopf lief rot an, als es in ihre Hose drückte.
„MMHHMMAAA!“, schrie sie durch ihren Knebel, aber die Shifterin zeigte sich nicht.
In Trishas Arbeitszimmer setzte sich das Catgirl in einen kuscheligen Sessel an ihrem Schreibtisch. Ihre Finger wanderten über ein paar Knöpfe, bis sie den richtigen fand und die Wand vor ihr durchsichtig wurde. Durch die Glasscheibe hatte sie freie Sicht auf Rilliana und ihren Kampf gegen die Seile. Trisha sah amüsiert zu.
„Zuhören und planen ist wohl nicht ihre Stärke“, murmelte Trisha grinsend und legte ihren Kopf auf ihre Arme.
Im Trainingsraum führte Rilliana einen vergeblichen Kampf gegen die Seile. Jedes Ziehen, jede Drehung und jedes Aufbäumen ihres Körpers wurde mit einem Zug zwischen ihren Beinen bestraft. Erschöpft ließ sie sich in den Seilen hängen und warf einen Blick auf die Bombe. Fünfzehn Minuten waren bereits vergangen und sie hatte keine Fortschritte vorzuweisen. Schweiß rann ihr über das Gesicht und kitzelte sie. Verärgert schüttelte sie den Kopf, um die Tropfen loszuwerden, aber ohne Erfolg.
Trisha würde mich nie in Gefahr bringen, oder? Ich benötige eine andere Strategie. Dachte sie und versuchte, sich zu beruhigen. Rilliana begann, ihre Fesseln abzutasten und zu fühlen, ob sie einen Knoten fand. Erleichtert atmete sie auf, als sie einen spürte.
„Mmmmh?“, murmelte sie und versuchte, die Seile über ihrer Schulter zu sehen. Der Knoten war steinhart und Rilliana wurde bleich, als sie ihren Fehler erkannte.
Ich bin so ein Idiot. Dachte Rilliana und begann mit ihren Fingernägeln, den knochenharten Knoten aufzupicken. Ihr Gezappel hatte ihn festgezogen, und jetzt fürchtete sie, dass auch alle anderen genauso waren. Ihren Fingern fanden kaum eine Schwachstelle. Trotzdem ließ sie sich nicht beirren und versuchte es weiter, bis er sich lockerte. Sie atmete zufrieden aus, als sich eines der Seile löste, und warf einen Blick auf die Bombe. Sie erstarrte. Eine weitere Viertelstunde war vergangen. Die zuvor mühsam errungene Ruhe war mit einem Schlag dahin, als sie wieder fieberhaft nach einem Knoten suchte, da sie nun mehr Bewegungsspielraum hatte. Mit jedem neuen gelockerten Knoten konnte sie sich mehr und mehr bewegen, bis sie nur noch ihre Hände und ihre Beine lockern musste. Ein Glockenschlag ertönte und Rilliana sah angsterfüllt auf.
FUCK, FUCK, FUCK! EINS! Zählte Rilliana in ihrem Kopf und kämpfte weiter mit den Seilen, denn nach all den Bewegungen hatten diese sich besonders festgezogen.
ZWEI! Würde Trisha hereinkommen und sie retten?
DREI! Nur noch ein kleines Stückchen und ich bin frei.
VIER! Geschafft! Ich kann die Beine später losbinden!
FÜNF! Sie hat meine Beine nochmal zusätzlich an den Stuhl gebunden?
SECHS! Trisha bitte!
SIEBEN! Geschafft! Jetzt nur noch den Knopf!
Auf der anderen Seite der Wand saß Trisha mit einem teuflischen Grinsen und zählte jeden Glockenschlag laut mit.
„Sieben … Acht!“
Ein lauter Knall schallte durch die Wand, und selbst Trisha zuckte vor Schreck zusammen, als der ganze Raum weiß wurde. Die Tür flog auf und Schaum strömte heraus. Trisha konnte sich nur knapp das Lachen verkneifen, als sie bloß das leise Platzen der Schaumblasen hören konnte und dann:
„TRISHAAA!“
Die Tür zu Trishas Arbeitszimmer knallte auf und eine mit Schaum bedeckte Rilliana stand im Türrahmen. Trisha konnte es nicht länger zurückhalten und begann laut zu lachen. Dabei schlug sie mit der Faust auf den Tisch und hielt sich ihren Bauch. Rilliana wischte sich den Schaum aus dem Gesicht und sah finster zu dem Catgirl welches sich nicht einzukriegen schien.
„Bahahahahahaha! Dein Gesicht! Und der ganze Schaum! Oh, du hättest das sehen müssen!“
„War das alles nur ein dummer Scherz für dich?“, fragte Rilliana wütend und schlug den Schaum von ihren Armen.
„Was? Nein! Das ist alles Teil des Trainings!“, sagte Trisha ernst. Doch fing sie eine Sekunde später wieder an zu lachen. Rilliana starrte sie nur finster an.
„Komm, setz dich hin. Ich werde es dir erklären“, sagte Trisha rasch und wies auf das Sofa neben ihr. Grummelnd und fluchend ging Rilliana auf Trisha zu und wischte den Rest des Schaums ab.
„Jetzt bin ich aber gespannt“, murmelte Rilliana und setzte sich.
„Im Grunde war das eine Wiederholung unseres Kampfes … nur weniger blutig, aber du hast es aus den gleichen Gründen nicht geschafft wie damals. Du hast unüberlegt gehandelt und die Knoten so festgezogen, dass du es dir nur noch schwerer gemacht hast. Außerdem hast du deine Umgebung nicht im Auge behalten, sonst hättest du die ganze Zeit sehen können, dass ein Messer hinter dir lag. Du hättest einfach den Stuhl umkippen und dich damit befreien können. Kurzzeitig dachte ich, du hättest es gesehen, aber … na ja.“
Rilliana kam sich wie eine Idiotin vor.
„Aber dafür üben wir ja. Damit du deine Fehler in einer sicheren Umgebung machen kannst.“
„Und dass ich mich zum Gespött mache, ist nur ein winziger Bonus, oder?
„Fünfundzwanzig Prozent. Kleine Rache dafür, dass du mich gefesselt durch die Stadt geschleift hast.“
„Haha“, sagte Rilliana trocken und legte sich auf das Sofa. Trisha unterdrückte ein Lachen, als der Schaum von Rillianas Rücken links und rechts unter ihr herausquoll.
„Keinen Pieps.“
„Ich sage gar nichts.“
„Mmmmhmm, sicher.“
„Komm schon, du hast dir etwas Leckeres zu essen verdient. Wie wäre es mit Fisch?“, fragte Trisha, stand auf und ging ein paar Schritte zur Tür. Rilliana lief das Wasser im Mund zusammen. Wenn Trisha Fisch zubereitete, war dies immer ein Festmahl. Sofort war ihre Wut verflogen und sie ging eilig zu Trisha und wollte an ihr vorbei.
„Rilliana, hast du nicht etwas vergessen?“, fragte Trisha und zog fest an dem Seil in Rillianas Schritt. Die Elfe fluchte laut, als ihre Beine unter ihr nachgaben und sie mit hochrotem Gesicht zu Boden fiel.
[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von TheLargeEmptY am 20.11.25 um 13:43 geändert
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