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  Das Reich der Megara (Neuauflage)
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sheeeep Volljährigkeit geprüft
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:23.12.20 21:31 IP: gespeichert Moderator melden


Was für ein Weihnachtsgeschenk! Toll geschrieben!Bleib gesund und bringe deine Schaffenskraft mit ins neue Jahr!!
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:01.01.21 13:10 IP: gespeichert Moderator melden


Leda stand vor dem fertigen Ballon. „Das ist wahrlich ein Wunder!“ Die gestürzte Königin und ihre kleine Gefolgschaft waren auf dem Westkontinent jenseits des großen Ozeans nach Norden marschiert und hatten den Ballon gefunden. Alle hatten bei der umständlichen Reparatur des Stoffes geholfen. Nur wollte er sich nicht in die Luft erheben. Hagbard warnte: „Seid vorsichtig mit dem Feuerkorb! Wenn der Ballon brennt, gibt es keine Rettung mehr!“ Der Medikus und Thrym erforschten die Wirkungsweise und stellten fest, dass die heiße Luft den Ballon aufrichtete. Bald schon lernten sie, mit dem Feuer umzugehen, den Ballon zu steuern, ihn steigen und sinken zu lassen. Vor allem fanden sie Materialien, die das Feuer sehr lange und heiß brennen ließen – die Voraussetzung für ihre lange Überfahrt zum Alten Kontinent.

Leda ließ Proviant und Wasser besorgen. Doch schließlich stand ihnen allen vor den Augen: Nur wenige Personen passten in den Korb des Ballons. Auch eine größere Plattform hätte nichts genützt, denn es musste auch genügend Platz für den Proviant sein. Die Reise über den großen Ozean würde lange dauern. Nur der Westwind wusste, wie lange. Leda musste also eine schwere Entscheidung treffen: Wer kam mit ihr? Wer musste auf dem Westkontinent zurückbleiben?

In den kommenden Tagen hatte sie das Gefühl, als schleimten sich alle geradezu kriecherisch bei ihr ein, als versuche jeder sich anbiedernd besonders wichtig und positiv darzustellen. Niemand machte einen Hehl daraus, dass er zu den Auserwählten gehören wollte. Thrym und Hagbard scharwenzelten um sie herum und betonten ihre Beraterstellung, der Medikus natürlich sein Heilerwissen, die Gardistinnen Ate und Nike stellten sich schmeichelnd als bedingungslose Protektorinnen der von ihnen verehrten und geliebten Majestät dar, die Soldaten Ajax und Pan erinnerten daran, dass sie den Meuterern entflohen waren und erst von dem Ballon berichtet hatten, und der Stallknecht Zelos hoffte liebedienernd ebenfalls auf Ledas Gnade.

Thrym rechnete aus, dass nur höchstens vier Personen zu Leda in den Korb passten. Die Königin seufzte inbrünstig. Wen sollte sie da auswählen? Wen seinem Schicksal überlassen? Doch am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang hatte sie ihre Wahl zu verkünden: „Niemand hat es verdient, zurückgelassen zu werden. Doch ich musste eine Entscheidung fällen. Mir scheint es am menschlichsten, wenn mit den Zurückgelassenen auch der Medikus bleibt, um notfalls mit seinen Heilerkräften zu helfen.“ Der Medikus wollte protestieren, doch die strengen Blicke der Gardistinnen Ate und Nike ließen ihn verstummen. Leda hatte als Königin gesprochen. Widerworte wären Hochverrat!

Während der Medikus zusammensackte, sprach Leda weiter: „Ajax und Pan! Ihr gehörtet zu den Meuterern. Zwar seid ihr nun geläutert, doch möchte ich lieber Personen den Vorrang geben, die mir stets und zu allen Zeiten treu waren.“ Die beiden Soldaten stöhnten erschrocken auf. Doch mehr wagten sie nicht. Pan konnte sich am ehesten damit abfinden. Zumindest würde er dann nicht mehr diesen lusttötenden Tee trinken müssen und wäre wieder Herr über seine Männlichkeit. Vielleicht würden ja die Gardistinnen auch auf dem Westkontinent bleiben müssen? Es wäre ein Trost, wenn auch nur ein kleiner.

Zelos sackte ebenso wie der Medikus zusammen. Er machte sich keine Hoffnung mehr, denn auch er hatte einmal den Rebellen angehört. Leda verkündete: „So wird mich Hagbard begleiten. Thrym dagegen soll die Zurückgebliebenen anführen in ein neues Leben.“ Thrym keuchte laut. Er sollte hier bleiben? „Warum Hagbard? Warum nicht ich?“, protestierte er verwirrt. Sofort kamen Ate und Nike drohend auf ihn zu. Thrym blieb stehen und streckte sich. Er schob trotzig sein Kinn nach vorne und giftete die beiden Gardistinnen mit seinem Blick an, wagte aber kein Wort mehr zu erheben.

Und dann entschied Leda: „Nike wird mich begleiten. Und auch Zelos.“ Ate stand fast atemlos da, als drücke ihr ein Riese mit eiserner Faust den Brustkorb zusammen. Nike würde Platz im Ballon finden… Und sie? Warum sie nicht? Würde ihr Name noch genannt? Ledas nächste Worte gingen ihr durch Mark und Bein: „Eine Gardistin muss für den Schutz der Gruppe hier bleiben.“ Ate zitterte. Sie konnte sich nicht rühren und keinen klaren Gedanken fassen. Noch ein Platz war zu vergeben. Zelos war außer sich vor Freude. Er hatte niemals damit gerechnet, dass Leda ihn mitnahm. Die Königin sprach: „Wir werden mehr Proviant einpacken. Wir wissen nicht, wie schnell uns der Wind über das große Wasser treibt. Ich werde nur drei Gefährten mitnehmen auf dieser gefährlichen Reise.“ Damit war es entschieden. Es blieb bei dem Quartett. Einen vierten Mitreisenden sollte es nicht geben.

In dieser Neumond-Nacht bewachten Ate und Nike den Ballon mit Argusaugen. Womöglich wäre sonst ein Geächteter der Verlockung nicht widerstanden, sich mit dem Fluggefährt im Schutze der schwarzen Nacht davon zu machen. Am liebsten wäre Ate selbst damit geflüchtet. Doch war sie immer noch ihrer Königin loyal und mit all ihrem Herzblut ergeben. Sie patrouillierte mit Nike um den Ballon und wärmte sich zwischendurch am Lagerfeuer auf, dessen kleine Flammen die Nacht ein wenig erhellten.

Am nächsten Morgen war es soweit: Leda, Hagbard, Nike und Zelos hoben ab in den blauen, klaren Himmel, der die Freiheit versprach. Unten wurden Thrym, der Medikus, Ate, Pan und Ajax immer kleiner. Plötzlich brüllte Ajax los: „Der Schlüssel! Bitte Majestät! Werft mir den Schlüssel zu meinem Keuschheitsgürtel hinab! Sonst bleibe ich für alle Tage verschlossen! Gnade! Bitte habt Erbarmen mit dem Niedersten Eurer Untertanen!“ Leda nestelte den Schlüssel hervor. Sollte sie den Mann befreien? Er war noch nicht allzu lange in der eisernen Schelle. War es grausam, ihn für immer versperrt zu lassen? Doch die Rufe des Mannes wurden indes immer leiser und dünner. Nebel zog auf. Oder durchschnitten sie bereits die Wolken?

Hagbard sah, wie Leda einen inneren Kampf ausfocht. „Behaltet den Schlüssel, Majestät. Er hat es nicht anders verdient.“ Doch Leda warf ihn in hohem Bogen aus dem Korb. Sollte Ajax auf dem Westkontinent glücklich werden – als freies Mannsbild! Doch der Soldat hatte nicht mehr damit gerechnet und kauerte schluchzend auf dem Boden und greinte laut vor Selbstmitleid. Nur Ate hatte bemerkt, was da aus der Luft geflogen gekommen war und sich die Stelle der Landung hinter einem spitzen Felsen gemerkt.

Mehrere Stunden saßen die Zurückgebliebenen fast reglos und sprachlos jeder für sich und hingen düsteren Gedanken nach. Niemand von ihnen wusste, was ihn erwartete auf dieser gefährlichen Reise in eine ungewisse Zukunft. Was hatten die Schicksalsgötter ihnen vorherbestimmt? Ehre, Reichtum, Erfolg? Oder eher Leid, schweres Joch , Kummer, Sorgen und Verderben? Erst gegen Sonnenuntergang versuchten sie, sich ihrem Schicksal zu stellen. Thrym ernannte sich zum Anführer und verteilte Aufgaben. Pan war fast erleichtert. Denn endlich war er wieder ein Mann mit freier Männlichkeit. Schon bald war der letzte Tee abgeklungen und sein Liebesstab verhärtete sich beim bloßen Anblick von Ate. Die Gardistin bemerkte seine lüsternen Blicke und grinste ironisch: „Komm mir einmal zu nahe, Soldat, und ich reiße sie dir ab!“ Pan brauchte nicht zu fragen, was sie meinte. Er wusste es auch so. Zumindest hatte er seine Hände, um sich selbst anzufassen. Ajax war da ärger dran, dachte er. Was für ein grausames Schicksal! Für immer verschlossen! Solch verhängnisvolles Los würde er nicht ertragen.

Thrym machte sich ebenfalls Gedanken: Drei Männer (und ein weiterer in einem Keuschheitsgürtel) und ein Weib – ob das auf Dauer gut ging? Eifersucht und Neid, Zwietracht, Gewalt und Händel würde es geben. Er musste als verantwortungsvoller Anführer versuchen den Frieden aufrechtzuerhalten. Er musste als respektierter Anführer Kraft und Selbstsicherheit zeigen. Er musste als souveräner Anführer einen Weg finden, den ihm Anvertrauten eine Zukunft zu bieten.

Die Ballonfahrer hatten sich jeder ein enges Lager im Korb bereitet. Der Wind führte sie recht zügig gen Osten. Doch davon spürten sie nichts, denn der Ballon fuhr mit dem Luftstrom mit. Trotzdem herrschte eine frische Kühle. Bald schon war der Westkontinent am Horizont verschwunden. Um sie herum gab es nur noch Wasser. Als die Sonne langsam groß und rot im Meer versank wurde Leda bewusst, auf was für ein gefährliches Abenteuer sie sich eingelassen hatte. Der Himmelstreifen am Horizont verfärbte sich violett, und schon wenige Minuten später umfing sie die Dunkelheit, die nur durch das Feuer unter dem Ballon über ihren Köpfen unterbrochen wurde, das sie stets füttern mussten, um nicht an Höhe zu verlieren.

Das Wasser tief unter ihnen färbte sich schwarz. Ob sie jemals auf dem Alten Kontinent ankamen? Und was dann? Nur der Wind wusste es. Würden sie sofort von Megaras Schergen gefangen und getötet werden? Doch trotz aller Gefahren - ein unbeherrschbares Verlangen trieb sie zurück in ihre alte Heimat, deren stolze Königin sie einst gewesen war. Leda wickelte sich in eine Felldecke ein. Sie wusste nicht, ob es die aufziehende Kälte der Schatten war, oder ob sie ein Angstschauder erzittern ließ. Irgendwann empfing sie gnädiger Schlummer.

Der Morgen graute. Am Horizont ging eine strahlende Sonne auf, die sich aus dem Meer erhob. Hagbard, Leda und Nike schliefen noch fest, nebeneinander kauernd. Zelos hingegeben hatten die ersten wärmenden Sonnenstrahlen geweckt. Er bemerkte, dass das Fell der Gardistin verrutscht war. Und auch ihr Wams war verzogen, so dass es fast eine Brust entblößte. Der ehemalige Stallknecht spürte, wie ihn der Anblick auf eine sündige Weise wärmte. Nur wenige Ellen von ihm entfernt war dieser wunderbare Busen des jungen Weibes. Fast konnte Zelos ihn ergreifen, wenn er sich nur ein wenig streckte… Doch er durfte seinem Verlangen nicht nachgeben, egal, wie brennend es war.
Als hätte Nike ihn bemerkt, griff sie sich im Halbschlaf nach dem Wams und rückte ihn zurecht. Zelos seufzte leise.

Wie lange würde diese Überfahrt dauern? Würde er die ganze Zeit abstinent bleiben müssen? Sollte er vielleicht jetzt, da noch alle schliefen, Hand an seine Manneskraft anlegen? Doch jäh hörte er Hagbard leise sagen: „Guten Morgen. Behaglich genächtigt? Frisch und wohlauf? Der Wind scheint uns tüchtig voranzutreiben.“ Erschrocken zuckte Zelos, als wäre er bei etwas Verbotenem erwischt worden. Hagbard war zu sehr mit dem Feuerkorb beschäftigt, um etwas zu bemerken.

Die Armeeweiber der Fama, die nicht in erster Reihe den Feind beobachteten, übten sich im Schwertkampf oder Bogenschießen. Eine Duxa teilte weitere Soldatinnen ein, die diverse Truppenverbände der Kriegssklaven in kleineren Einheiten drillen sollten. Auch Maia gehörte dazu. Sie war für 30 Kämpfer zuständig, die sie im Kreis umher scheuchte und sie im Gleichschritt marschieren ließ. Staub wirbelte unter den dicken Sohlen auf. Das stumpfe Getrappel war durch das ganze Lager zu hören.

Auch Waffenübungen gehörten zum Schliff. Die Sonne stach von oben heiß und erbarmungslos. Maia sorgte für genügend Wasser, dass den Leibeigenen in Lederschläuchen gereicht wurde. Mit ihrer Peitsche oder einem knotigen Stock ging sie nur selten zwischen die Männer. Sie hatte ein wenig Mitleid mit den schwitzenden Muskelbergen, die sich ächzend abmühten und trotzdem oft von Soldatinnen gezüchtigt wurden. Seit sich Maia in Boreas verliebt hatte, taten ihr die Kreaturen leid. Sie schonte sie so weit es ging. Wenn eine Uniformierte fragte, warum sie so nachsichtig sei, sagte Maia: „Ich möchte sie nicht zu sehr erschöpfen. Sie sollen ausgeruht und kräftig in den Kampf ziehen.“ Eine Kameradin hatte gelacht: „Ich habe eine eigene Methode, den Sklaven Beine zu machen!“ Und sie zeigte auf ihre Peitsche, die sie mit kleinen Nieten verstärkt hatte. Sollte Boreas Striemen der grausamen Schlaginstrumente erdulden müssen, so würde sie ihm die Schmerzen wegküssen, nahm sich Maia vor und schwelgte in Erinnerungen an seinen maskulinen Leib.

Auf einem benachbarten Felde hatten Uniformierte drei Sklaven an junge Bäume gebunden und nutzten diese als Zielobjekte. Beängstigend nahe waren den Gefesselten die Pfeile und Wurfbeile gekommen, die zwischen ihren Beinen und über den Köpfen in den Stämmen der Bäume steckten. Maia konnte nur hoffen, dass Boreas kein Opfer der sadistischen Kriegsherrinnen wurde. Sie wusste leider nicht, in welche Abteilung er geschickt worden war. Sie hatte ihn heute noch nicht gesehen. Das Heerlager war so gewaltig in seinen Ausmaßen, dass sie ihn nur fand, wenn er in der Nacht in seiner Gruppe angekettet auf seinem Platz lag.

Maia genehmigte sich einen herzhaften Schluck aus dem Weinschlauch und drückte anschließend den Korken wieder auf die Öffnung, wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab und betrachtete die 30 Mannsbilder, die ihr zugeteilt waren, beim „Entengang“: Die Hände des Hintermannes lagen jeweils auf den Schultern des Vordermannes. So watschelten sie in der Hocke vorwärts – in einem großen Rund um Maia herum. Die ersten, die erschöpft umkippten, würden ihren Lederriemen zu spüren bekommen.

Im Zelt der Fama berieten sich die Duxas mit der Anführerin. Die Frauen standen um einen großen Tisch herum und schauten auf eine abgerollte Pergamentkarte, auf der die Hauptstadt, die Armeeverbände und die Stellungen des Heerlagers fein mit Tusche eingezeichnet waren. Die mächtigen Katapulte sollten die Hauptstadt in Brand setzen und Megara so zur Aufgabe zwingen. Bisher waren die schweren Kriegsmaschinen nicht zum Einsatz gekommen, weil sie nur umständlich in Stellung gebracht werden konnten. Viele Kampfsklaven würden dies mit ihrem Leben bezahlen. Fama musste abwiegen, was sie teurer zu stehen kam: der Verlust an Kriegern oder auf die Flammenhölle zu verzichten.

„Bringt sie in Stellung!“, entschied sie schließlich optimistisch. Die Duxas gaben den Befehl weiter und sorgten dafür, dass Dutzende Sklaven in die Zuggeschirre vor die tonnenschweren Maschinen gespannt wurden und diese unter den knallenden Peitschen der Soldatinnen vorwärts trieben, bis sie kurz vor der Stadtmauer standen. Die mit Muskeln bepackten Sklaven schwitzten in ihren Geschirren und stemmten sich in ihren Schnürsandalen in den staubigen und lehmigen Boden. Maia betete zu den Alten Göttern, dass Boreas nicht unter den Unglücklichen war. Denn wer von ihnen nicht vor Erschöpfung zusammenbrach, der würde von den Bolzen der feindlichen Schützen niedergestreckt werden. Doch diesen Preis zahlte Fama gern für ihr Kriegsglück.

Megara tobte derweil in ihrer Zitadelle. „Diese Sumpfhexe wagt es, den Waffenstillstand zu brechen! Sie soll es büßen! Wenn die Sonne im Zenit steht, werden wir einen Ausfall aus der Stadt wagen. Nur die besten Kampfsklaven sollen in die Frontlinie stürmen und alles niederhacken!“ Kerbera und Alekto sahen sich an. Sie waren alleine mit Megara in der Thronhalle. Nur zwei Leibeigene fächelten Luft mit ausladenden Palmenzweigen.

Alekto hob ihre Stimme an. „Göttin Megara! Ich habe eine wahrlich wichtige Botschaft für Euch! Doch müssen auch die Sklaven die Halle verlassen. Niemand darf davon erfahren!“ Megara sah die Senatorin überrascht an. „Die Sklaven haben keine Zungen, mit denen sie etwas verraten könnten.“ Trotzdem wandte sich Alekto zu den Leibeigenen: „Geht und schließt die Tür!“ Kerbera tastete nach ihrem spitzen Dolch und näherte sich dem Thron. „Hochwürdige Göttin Megara! Wir werden diesen Krieg gegen die Ostverräter nicht gewinnen können. Wir müssen vorerst einen Frieden schließen und das Ostland in die Unabhängigkeit entlassen.“ Megara schnaubte: „Was redet Ihr da für einen Unsinn!“ Alekto blieb voll Inbrunst bei ihrem Standpunkt. „Es gibt keine Alternative. Sonst werden wir alle untergehen.“ Megara giftete: „Geht mir aus den Augen! Und wagt es nie wieder mich in Frage zu stellen!“ Die Tyrannin riss alarmiert ihre Augen auf, als Alekto ihren Dolch zog und auf Megara zuging.

„Was wagst du, Weib?“, rief die sinistre Megara entsetzt über diese frevelhafte Tollkühnheit. Alekto sprang zum Thron und packte die Handgelenke der Herrscherin und zwang sie zur Seite. Dann holte sie mit der spitzen und scharfen Schneide aus, um Megara mit einem kraftvollen Schnitt die Kehle zu durchtrennen. Doch im letzten Moment stöhnte Alekto auf, erstarrte…
…und drehte sich langsam um die eigene Achse. Mit aufgerissenen Augen sah sie Kerbera bestürzt an, die ihr ihren Dolch in den Rücken gestoßen hatte. Alekto sah entgeistert zu ihrer Brust hinab, aus der die Spitze der Waffe hervorlugte. Dann verließen sie die Kräfte, ihre eigene Klinge polterte auf den Marmorboden, ihre Beine gaben nach und sie sackte ebenfalls in die Tiefe. Mit verdrehten Gliedern lag sie da, reglos, nur die Augenlider flatterten.

Megara räusperte sich. „Diese dreckige Verräterin!“ Kerbera rief nach den Wachen, die sofort hereinstürmten. Die Senatorin berichtete: „Schafft diese niederträchtige Meuchelmörderin weg! Sie hat versucht unsere geliebte Megara zu töten!“ Sie wand sich zu der Despotin und meinte nach Lob heischend: „Den Schöpfern des Schicksals sie Dank, dass ich anwesend war, um Euch zu beschützen, meine Göttin.“


Viele Grüße von prallbeutel
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Meine Geschichten:
+++ Die gemeine Miriam +++ Das Unzuchts-Komplott +++ Im Reich der Megara +++ Die Nachtschicht seines Lebens +++ Optional Genetics +++ Venus +++ Regina +++ Inkasso +++
Meine Kurzgeschichten:
+++ Ralfs neues Leben +++ Das Gespräch im Regen +++ Der auferstandene Engel +++ Seine Nummer Eins +++ Amour Libre +++ Die Erben +++ Aller guten Dinge sind drei +++ Das Abschiedspräsent +++ Natascha +++ Friday Talk +++ Tims Schicksal +++ Das Familientreffen +++ Der extravagante Gewinn +++ Lars +++ Der Impftermin +++

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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:10.01.21 16:31 IP: gespeichert Moderator melden


Kerbera erkundigte sich eine Weile später mit Unschuldsmiene nach Alekto. „Ist sie tot? Gewisslich will Megara sie nicht so leicht davon kommen lassen!“ Eine Wächterin berichtete aufgeregt: „Sie liegt in der Kammer am Ende des Flures. Sie hat viel Blut verloren. Und sie kann nicht sprechen. Sie hustet und würgt.“ Kerbera schritt in die Kammer, vor der eine weitere Wache stand. Auf einem einfachen Holztisch lag Alekto wie ein waidwundes Reh. Ihre Arme und Beine waren gefesselt, obwohl sie in ihrem Zustand sicherlich nirgends hinlaufen konnte. Kerbera näherte sich ihr wie die Würgeschlange der Maus. „Ich dachte, ich hätte dein Herz getroffen“, flüsterte sie mit einem sardonischen Grinsen. Alekto räusperte sich rau, hustete keuchend, krampfte, spuckte Blut. Sie verdrehte ihre Augen und versuchte nach der Wache zu rufen, hob leicht den Kopf an, aber ihre Besucherin hauchte: „Schweig stille! Ewiglich!“

Wenige Augenblicke später verließ Kerbera die Kammer wieder und sagte in bedrücktem Tonfall zur Wache: „Ich fürchte, es ist zu spät. Die Dämonenwelt hat sie geholt.“ Die Uniformierte schaute in die Kammer: Unzweifelhaft lag Alekto bewegungslos und starrte mit offenen, gebrochenen Augen an die Decke. Die Wachfrau spürte einen kalten Windzug. Strich da der Meister des Todes an ihr vorüber, um Alekto mit ins Reich der Unterwelt zu holen? Als sie sich umdrehte, war Kerbera bereits leise wie ein Geist davongeeilt.

Die flüchtige Zunftmeisterin der königlichen Schmieden, Gerra, ritt auf einen einsamen Hof zu, sprang schließlich aus dem Sattel und band ihr Ross bei einer Tränke an. Eine Frau erschien aus einer Tür. Sofort rief sie in das Haus, und kurz darauf erschien ein Jüngling in einem Lendenschurz, der sich eilfertig um das Tier kümmerte. Das Weib trug ein langes Kleid und eine Schürze. „Willkommen, werte Lady, willkommen. Wir bekommen seit dem Kriegszug nach Westen nur noch selten Besuch in unserer schönen Herberge. Wollt Ihr bei uns auch nächtigen oder nur ein gutes Mahl nehmen?“ Gerra antwortete: „Es ist schon arg spät. Wenn Ihr eine bescheidene Kammer für mich habt, bleibe ich gern Euer Gast.“ „Das freut mich“, sagte die Wirtin und begleitete Gerra in die Schankstube, wo sie ihr einen Platz auf einer rustikalen Holzbank zeigte. „Macht es Euch gemütlich.“ Sie zündete den kurzen Stummel einer Kerze an, die auf dem grob behauenen Tisch stand. „Wie wäre es mit Hasenbraten, Fladenbrot und einem guten irdenen Krug Met?“ Gerra nickte. „Das würde mich stärken, danke.“

Die Krügerin verschwand in einem Hinterraum, dem Anschein nach die Kochstube. Gerra sah ihr nach. Sie griff sich in das Wams unter ihrem kurzen Waffenrock, in dem sie den Beutel mit einigen Münzen aufbewahrte. Sie war so lange nach Westen geritten, dass ihr Soldatinnen aus der Metropole wohl kaum bis hierher gefolgt waren. Ächzend legte sie ihre Beine mit den kniehohen Stiefeln auf die Bank und versuchte sich ein wenig zu entspannen. Bald servierte die Wirtin das versprochene Mahl und die Erfrischung. Im Hintergrund tanzten Flammen in einem alten Kamin, der der Stube Wärme schenkte.

Gerra fühlte sich nach dem Essen wohlig satt und müde. „Zeigt mir meine Kammer“, forderte sie die Frau auf. Der Weg führte sie hinter einen alten Vorhang durch einen schmalen Flur zu einer der Türen. Die Bodendielen quietschten und knarrten bei jedem Schritt. Die Frau schloss auf und übergab Gerra den rostigen Schlüssel. „Ich wünsche eine gute Nachtruhe“, sagte sie und fügte etwas leiser hinzu: „Ihr habt keinen Manne bei Euch, wie ich sehe. Wenn Ihr einen Lustjungen wünscht…“ Gerra schüttelte den Kopf. „Nein, danke, mir fallen die Augen zu.“ Sie trat ein, schloss die Tür hinter sich zu und sah sich in der Unterkunft um: eine Strohmatratze lag auf einem klapprigen Brettergestell, ein Schemel stand davor.

Gerra setzte sich auf den wackeligen Hocker und versuchte aus den langen Stiefeln zu entkommen, doch sie saßen so fest, dass es ihr nicht gelang. Fluchend probierte sie es immer wieder, doch ohne Erfolg. Letztlich rief sie nach der Wirtin. „Ich brauche Hilfe bei meinen Stiefeln“, sagte sie. Kurz darauf erschien der Jüngling, den sie bereits bei ihrer Ankunft gesehen hatte. Gerra bemerkte sofort mit Kennerauge, dass der junge Mann unter seinem Lendenschurz einen Keuschheitsgürtel trug. Das war nicht ungewöhnlich. Die wenigsten Sklaven wurden ohne diese speziellen Schellen gehalten. Mit seiner Kraft konnte Gerra endlich aus den langen Stiefeln schlüpfen. Was für eine Wohltat für ihre Füße! Seit Tagen waren sie in dem engen Leder gefangen gewesen – Tag und Nacht. Gerra stöhnte genießerisch und legte sich auf ihre Ruhestätte.

„Darf ich noch etwas für Euch tun, edle Lady?“, fragte der Jüngling. Gerra schmunzelte. „Ich bin keine edle Lady. Aber du könntest mir ein wenig die Füße massieren. Am besten holst du erst mal einen kleinen Kübel mit Wasser.“ Der Jüngling flitzte sofort los. Gerra genoss schon bald die schönste Fußwaschung, die sie jemals erlebt hatte. Und auch die Massage der kunstfertigen Hände des Jünglings war wunderbar. Nach einer Weile beobachtete sie das Gesicht des Leibeigenen. Ein hübscher Bursche, stellte Gerra fest. Beinahe bekam sie Lust, das Angebot der Wirtin… Doch sie musste dringend schlafen.

Die Schmiedin beobachtete den feschen Sklaven weiter und runzelte die Stirn. Irgendetwas war seltsam und passte so gar nicht in das hübsche Gesicht. Die Augen, fiel ihr auf. Der Sklave sah voll Gram drein. Viele Sklaven wünschten sich natürlich ein anderes Schicksal, aber diesen Jüngling bedrückte etwas ganz Bestimmtes. Da war sich Gerra sicher. Als ihre Füße entspannt waren, winkte sie ihn näher. „Du siehst unglücklich aus. Was nimmt dich so mit, Sklave? Ist es dein Schicksal als Leibeigener?“ Der junge Mann erschrak. Wollte die Dame ihn verspotten oder sich gar bei seiner Herrin über ihn beschweren? Es war erst wenige Wochen her, als eine Dame von ihm angeblich abfällig angesehen worden war; daraufhin hatte er ordentliche Prügel mit dem Ledergürtel bezogen – und das auch noch vor den Augen des schadenfrohen Gastes. Unter Tränen hatte er sich entschuldigen müssen. Mehrere Tage hatte er anschließend nicht mehr sitzen können.

„Ich will nicht klagen, edle Lady. Mir geht es gut“, antwortete er deshalb servil. Aber Gerra ließ nicht locker. „Sei ehrlich zu mir. Ich will dir nur helfen“, erklärte Gerra. „Es ist der… der Keuschheitsgürtel. Ich bin... so verliebt in... die junge Magd der Nachbarin, die ich einmal in der Woche treffe, wenn ich dort Milch hole.“ Gerra nickte langsam. „Und diese Magd… Sie hat ihr Herz an dich verloren?“ Der junge Mann nickte eifrig und zog sich die Nase hoch. Eine Träne lief ihm die schmutzige Wange hinab. „Vielleicht habe ich etwas für dich“, sagte Gerra. „Aber es muss ein Geheimnis bleiben. Sonst bekommst du sicherlich Schwierigkeiten.“

Der Sklave sah sie verwundert an. Gerra stand auf und ging zu ihrem Waffenrock. In einer Innentasche war ihr Generalschlüssel für Keuschheitsgürtel aller Art. „Zeig mal her, dein Gefängnis.“ Der Unfreie hob den Lendenschurz und ächzte verblüfft, als die Schelle nur wenige Lidschläge später aufklackte. Seine Männlichkeit wuchs augenblicklich und stand schon fast wie ein Speer eines Reiters. Dem Leibeigenen war dies sehr peinlich. Würde er nun bestraft? Er zitterte sogar vor Angst. Gerra beruhigte ihn: „Sei unbesorgt! Von mir erfährt es niemand. Wie oft lässt dich denn deine Herrin frei?“ Der Dienstbote schaute beschämt zu Boden. „Nur einmal im Monat darf ich… Aber mehrmals die Woche holt sie mich in ihre Kammer und verlangt…“ Er verstummte peinlich berührt.

Gerra strich ihm über den lockigen Haarschopf. „Du brauchst es mir nicht zu erzählen. Höre zu, ich werde das Schloss um eine Winzigkeit verstellen. Ich zeige dir, wie du dann mit einer Nadel deinen Keuschheitsgürtel selbst öffnen kannst.“ Der Bursche stand mit offenem Mund da. Träumte er das? Doch es war kein Traum. Gerra zeigte ihm den Weg in die Freiheit seiner Männlichkeit und verabschiedete den Sklaven mit einem Kuss auf die Wange. Dann legte sie sich wieder auf die Strohmatratze und streckte sich aus. Sie sehnte sich nach Amatio. Und doch wusste sie, dass sie ihn nicht wieder sehen würde. Wenn sie schon ihr eigenes Glück nicht fand, so sagte sie sich, wollte sie zumindest dem jungen Paar helfen. Die gute Tat zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht. Zufrieden schlief sie ein.

Weit entfernt hallte eine scharfe Stimme durch eine hohe Halle. Helena wollte von einer Wächterin erfahren: „Hat Amatio schon gestanden?“ Die Gerüstete salutierte, indem sie ihre Faust gegen ihren metallenen Harnisch schlug. „Nein, hohe Statthalterin. Aber es wird nicht mehr lange dauern.“ Helena hob überrascht eine Augenbraue. „Erst lasst ihr die falsche Schlange entkommen und… Seit Tagen befragt ihr ihn schon, ohne dass sich seine Zunge lockert!“ Die Wache antwortete: „Er ist der Liebessklave der ehrwürdigen Fama. Er darf nicht allzu… unansehnlich sein, wenn…“ Helena wischte den Einwand mit einer herrischen Bewegung ihrer Hand weg. „Hört! Ich will ein Geständnis. Danach wird Amatio für Fama nicht mehr von Belang sein. Führt ihn mir vor, wenn er gesprochen hat.“ Die Wache salutierte erneut, drehte sich schwungvoll um und marschierte aus dem Raum.

Drei Stunden später erschien die Wächterin erneut und kündigten Amatio an. Zwei kräftige Kriegssklaven schleppten den schlaffen Körper des Liebessklaven in den Saal vor Helena. Die kommissarische Statthalterin leckte sich über die Lippen. „Nun, ich hörte, du hast deine Sünde eingestanden.“ Amatios Kopf hing tief und kraftlos hinab. Einer der Muskelmänner packte seinen Haarschopf und hob daran den Kopf in den Nacken. Helena verzog angewidert das Gesicht. „Er soll morgen auf dem Marktplatz ausgestellt werden.“ Ihre Schergen schleiften ihn hinaus. Die Wächterin salutierte und fragte: „Edle Statthalterin, soll er seinen Keuschheitsgürtel wieder tragen?“ Helena überlegte kurz und sagte, sich an ihrem Gedanken ergötzend: „Nein, ich weiß etwas Besseres. Danach benötigt er ihn nicht mehr…“

Vesta und Aurora warteten nun schon eine geraume Weile auf Helena. Was hatte sie denn so dringendes gewollt? Plötzlich stieß die zweiflügelige Tür auf und mehrere Soldatinnen erschienen mit Helena an der Spitze. „Ich weiß über euer schmutziges Geheimnis bescheid“, sagte sie. „Vesta! Du wirst nun wieder einen Keuschheitsgürtel tragen. Den Schlüssel zu Auroras Gürtel habe ich in der Schmiede der Zunftmeisterin gefunden. Ihr bleibt ab sofort sicher verwahrt, bis eure Mutter wieder hier ist.“

Vesta schrie auf und wollte flüchten, wurde aber von zwei uniformierten Frauen gepackt. „NEIN! NEIN! NEIN! Das dürft Ihr nicht! Lasst mich los! Weib! Was wagt ihr!? Ich bin die Tochter der Fama!“ Doch all ihr Gezeter und Gezappel brachte ihr nichts ein. Während sie sich in den Griffen der Soldatinnen wand, rissen zwei Perlmuttknöpfe von ihrem Kleid und klackerten springend auf den Boden. Aurora sah fassungslos zu. Helena hatte ihre Schlüssel? „Aber Ihr werdet Mutter nichts davon erzählen?“, fragte sie in bittendem Tonfall. Helenas arroganter Blick beantwortete die Frage. Mit erhobenem Kopf schritt Helena hinaus und ließ Aurora stehen, deren Wohlbefinden sie nicht die Bohne interessierte.

Viele Meilen weiter westlich lagerte eine Armee. Die schweren Kriegsmaschinen waren in Stellung gebracht, geladen und einsatzbereit. Alles wartete nur noch auf den Angriffsbefehl der Fama. Dann würde die Hauptstadt Megarias lichterloh brennen. Und mit ihr Megara persönlich, diese Hexenbrut. Die Kriegstreiberin Fama stieg früh morgens auf den höchsten Belagerungsturm. Oben auf der Plattform konnte sie fast über die Stadtmauer auf die Gebäude der Hauptstadt blicken. Hier oben wehte eine kräftige Brise. Famas Umhang zerrte an der Bronzeschnalle. Die Führerin des Ostheeres fasste einen wichtigen Entschluss. Noch heute sollte die Hauptstadt in Schutt und Asche aufgehen. Noch heute würde sich entscheiden, wer den Krieg gewinnen würde. Fama setzte alles auf eine Karte.

Auf der anderen Seite der Mauer scharte auch Megara bereits mit den Hufen. Ein Angriff der abgefallenen Aufwiegler käme ihr ganz recht, denn auch sie wollte endlich eine finale Entscheidung herbeiführen. Und so ertönten gen Mittag auf beiden Seiten des Bollwerks laute Hörner, die durchdringend zum gegenseitigen Sturm bliesen. Megaras Streitkraft öffnete ein Tor und ergoss sich in breiten Reihen mit Gebrüll auf das Feld der Ehre. Tausende Kampfsklaven prallten dröhnend, schreiend und klirrend aufeinander und stritten auf dem größten Schlachtfeld, das der Kontinent je gesehen hatte.

Die Duxas auf beiden Seiten schickten Kampfsklaven in rauen Mengen in den sicheren Tod. Tiere flohen in ganzen Herden vor dem Getümmel, nur Krähen und Aasgeier schienen angelockt zu werden, um sich in den frühen Morgenstunden nach der Schlacht an den Verbliebenen gütlich zu tun wie an einer gedeckten Tafel. Doch schon kurz nach Sonnenaufgang ertönten erneut die Hörner und wieder marschierten Verbände aufeinander los, während die Katapulte die Hauptstadt in ein brennendes Inferno verwandelten.

Megara stand an einem schmalen, hohen Fenster des höchsten Turmes ihrer Burganlage und bemitleidete sich selbst. „Warum versagen meine Untertanen? Die Bewohner der Stadt sind großteils ins Hinterland geflüchtet wie die Hasen, einige sogar zum Feind übergelaufen! Das ist Gotteslästerung! Bestraft sie! Bestraft sie alle! Wer flüchtet, der soll mit seinen eigenen Waffen geschlagen werden! Ich dulde keine Duckmäuser und Feiglinge!“ Die Duxa, die die Tirade voll Gift schlucken musste, salutierte gehorsam und rief aus: „Jawohl, höchste Majestät! Ich eile.“ Schnell entfernte sie sich von der Potentatin. Wie sollte nun dieser Befehl ausgeführt werden? Sie war ratlos.

Kerbera, die ebenfalls anwesend war, hörte ihrer Hoheit gar nicht mehr zu. Sie stieg hinab und bereitete ihre eigene Flucht vor. Eine Übernahme des Westheeres wäre zu dieser Zeit nicht mehr zu empfehlen. Sie musste eine Weile untertauchen und konnte später unter Fama wieder politisch oder militärisch aktiv werden. Denn Fama würde die Siegerin des Krieges sein, so viel stand für Kerbera zu dieser Stunde fest. Sie packte die notwendigsten Sachen zusammen, ließ sich zwei schnelle Rösser satteln und kleidete sich als einfache Jägerin. Nur ihr Leibdiener Cain sollte sie begleiten. Durch einen verborgenen Ausgang im Nordwesten verließen sie die Stadt und galoppierten ins Hinterland Richtung Westküste, derweil Megara zusehen musste, wie immer größere Teile ihrer Truppen kapitulierten. Nur noch spezielle Kräfte innerhalb der Stadtmauern und innerhalb ihrer Burganlage wehrten sich weiterhin standhaft und tapfer gegen die Übermacht. Doch der Widerstand bröckelte wie die Stadtmauer und würde nicht mehr lange standhalten.

Waren es Tage oder nur Stunden, die vergangen waren? Megara schritt in ihren Thronsaal und setzte sich das monströse goldene Kunstwerk auf das Haupt, das an einen Widderkopf mit rubinroten Augen erinnerte. „Ich bin eure Göttin! Warum wendet ihr euch ab von mir?“, rief sie hallend und anklagend in den Saal. Aber niemand antwortete ihr. Sie fühlte sich so einsam wie nie zuvor in ihrem Leben. Sie setzte sich auf den pompösen Thron und umklammerte die Armlehnen so fest, dass beinahe ihre langen Nägel splitterten.

Abas war in einen hängenden Käfig gesperrt, in dem er weder sitzen noch stehen konnte. Seine Kiefer waren weit aufgerissen und durch eine Mundbirne fixiert. Megara ließ ihn den grausamen Knebel tragen, weil er mittlerweile seine Sprache wieder gefunden hatte. „Schafft mir einen Magier her, der den Wurm wieder in das verwandelt, was er ist!“, hatte die Tyrannin gefordert, doch kein Heiler, kein Alchimist, kein Seher und kein Medikus waren in der Lage, Abas wieder zu verzaubern. Megara ließ Abas seit einiger Zeit mit allerlei Flüssigkeiten füttern. Einmal hatte sie seinen Bauch aufblähen lassen wie eine aufgeblasene Schweineblase. „Bete mich an! Erkenne deine Göttin an, du Wurm!“, hatte sie ihn immer wieder wütend angeraunzt und mit ihrem Zepter auf ihn eingeschlagen, doch Abas hatte nur nach Leda gerufen. „Du Hexe wirst eines nicht mehr fernen Tages für deine Sünden bezahlen“, hatte Abas mit letzter Kraft gehaucht. Megara war ausgerastet. Sie hatte den größten Tobsuchtsanfall ihres Lebens bekommen und eigenhändig 26 Prügelsklaven der Reihe nach abgestraft bis sie völlig erschöpft die Peitsche hatte fallen lassen.

Jetzt rief sie nach ihrer Majordoma: „Wo ist die nichtsnutzige Senatorin?“ Die Majordoma antwortete: „Höchste Göttin Megara! Leider ist zu berichten, dass sie nicht mehr in der Festung weilt. Ich habe bereits nach ihr geschickt.“ Megara stöhnte frustriert auf. „Ich enthebe Kerbera ihres Amtes! Sofort! Schafft sie mir her! Oder es rollen Köpfe! Und spießt mir die tote Verräterin Alekto auf und schafft sie auf die Zinnen, dass Fama sehen soll, was mit ihren lumpigen Spionen geschieht!“ Die Majordoma verbeugte sich demütig und zog sich zurück.


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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:24.01.21 15:39 IP: gespeichert Moderator melden


Kaum ein Gebäude der Hauptstadt war nicht Opfer der gnadenlosen Flammen geworden. Doch ganz nach Megaras Vorahnung hüllte das Feuer ihre Festung sogar wie ein schützender und undurchdringlicher Wall oder Panzer ein. Zwar liefen immer weitere Legionen zu Fama über, doch die Bastion der Megara war uneinnehmbarer als je zuvor geworden. Innerhalb des riesigen Bollwerks gab es schier unbegrenzte Proviantvorräte und mehrere Brunnen. Eine Belagerung konnte Megara jahrelang aussitzen. Doch ihre Herrschaft über den Kontinent war beendet.

Gerra erreichte die Nachschublinien der Ostarmee und gab sich als Söldnerin aus, die an die Front wolle, um gegen Megaras Schreckensherrschaft zu kämpfen. „Mutige Soldatinnen sind uns immer willkommen“, begrüßte sie eine Centuria und erklärte ihr den Weg zu einem der Hauptquartiere, wo sie sich einteilen lassen könne. Bald schon war sie uniformiert und offizielle Soldatin der Fama. Doch ihr wahres Ziel war, Fama zu töten. Wenn Amatio mit ihr nicht glücklich werden durfte, dann sollte auch Fama ihn nicht bekommen. Allerdings war der Weg zur Anführerin Fama noch weit, denn zunächst musste sie in ihrer neuen Verpflichtung einige gefährliche Scharmützel gegen die Reste verstreuter Kampfsklaven der Megara bestehen, die meist in Hinterhalten auf Einheiten der Ostarmee zustürmten. Genauso oft allerdings ergaben sich Teile der Westarmee kampflos und gaben den Treueid auf Fama ab.

Gerras Kampfkünste und Mut gereichten ihr, bald zu einer Centuria befördert zu werden. Sie gehörte nun einem Verbande an, der in der Nähe der Basis vor den Toren der Hauptstadt lagerte, in dem auch Fama ihr Quartier aufgeschlagen hatte. Längst hatten Verbände der Ostarmee die Siedlung eingekesselt. Es gab indes kaum noch entschlossene Gegenwehr des Feindes. Wer nicht gefallen oder übergelaufen war, der war als Fahnenflüchtiger ins westliche Hinterland desertiert. Als eine Duxa der Megara offiziell das Wappen der Herrscherin übergab und kapitulierte, verkündete Fama stolz den Sieg. Zwar war die Festung der Tyrannin noch nicht eingenommen, aber Fama galt nun als Potentatin des gesamten Kontinentes. Briefraben und Herolde verbreiteten die frohe Botschaft im gesamten Reiche. Fama war als Königin ausgerufen worden.

In der östlichen Metropole erfuhr das Volk die Neuigkeit und bejubelte unverhohlen euphorisch die neue Majestät und feierte ausschweifende Feste bis tief in die Nacht. Zumindest die Damenwelt war begeistert. Die Sklaven wirkten eher teilnahmslos und fatalistisch. Für sie war es gleich, ob Megara oder Fama das Land regierte. Welch fade Wahl war das - zwischen Pest und Antoniusfeuer? Aber für einen Leibeigenen geziemte es sich, keine Wahl zu haben.

In der verheerten Stadt gab es die ersten Aufräumarbeiten, Häuser wurden mit neuen Dächern gedeckt, Wände gemauert, Straßen ausgebessert oder neu gepflastert, eine übergroße Megara-Statue abgerissen, die dem gefräßigen Feuer getrotzt hatte, und zahlreiche Mosaike, auf denen sich die Despotin hatte feiern und verehren lassen, zerstört und mit Füßen getreten. Stattdessen wurden überall Fahnen der Ostmetropole aufgehängt. Diese sollte das neue Symbol des Reiches sein. Die Metropole würde zum neuen und prächtigen Regierungssitz werden. Ein neues und glänzendes Zeitalter sollte beginnen.

Einige Kriegsgefangenen wurden ohne viel Federlesens durch die Gassen gescheucht. In schweren Ketten führten Soldatinnen die Sklaven ab zu einer Sammelstelle vor den Toren der Stadt. In diesen Tagen des Neuanfangs herrschte Chaos in der Stadt und Umgebung. Viel zu viele Soldatinnen und Kampfsklaven überfüllten sämtliche Herbergen der Region. Es gab kaum genug Nahrung, während die umlagerte gestürzte „Göttin“ nach Lust und Laune in ihrem Refugium schlemmte. Doch Fama verzichtete trotz der Wut ihrer Untertanen darauf, die Trutzburg zu stürmen. Zu hoch wären die zusätzlichen Verluste, um einige Dutzend Feinde aus dem Gemäuer zu holen. Ferner war sie von Mentorinnen politisch beraten worden, Megara von sich aus kapitulieren zu lassen. Dies sei ein größerer Sieg, der sich dem gemeinen Volk besser verkaufen lassen würde. Auch sollte die verhasste Hexe nicht zur Märtyrerin avancieren.

Auf den Feldern vor der Stadt vertrieben sich die Soldatinnen mit fragwürdigen Spielen die Zeit. So hatten Sklaven einige ihrer Leidensgenossen bis zum Kopf in die staubige Erde eingraben müssen. Andere Männer hockten in arg winzigen Käfigen in der prallen Sonne und wurden sporadisch von den uniformierten Damen gegen den mörderischen Durst mit Flüssigkeiten versorgt. Einige Krüge enthielten Wasser, andere Wein, wieder andere enthielten ominöse Mixturen aus diversen Flüssigkeiten obskurer Herkunft.

Erst als die Soldatinnen es zu toll trieben, wurden sie von Centurias zur Ordnung gerufen, doch kurz darauf frönten sie erneut ihrem bedenklichen Zeitvertreib. Einem nackten Sklaven hatten zwei Frauen Hände und Füße zusammengebunden und ihn an einen Baum gestellt. Dann war ein Seil um sein Gemächt geschlungen worden und mit dem anderen Ende straff über einen Ast gezogen, so dass der Mann nur noch auf den Zehen balancieren konnte. Die beiden Damen sahen den hilflosen Versuchen, das Gleichgewicht zu halten und gegen die erschöpften Waden ankämpfenden Gefangenen gemütlich von einem Schattenplatz zu und diskutierten darüber, wie lange er es wohl noch in dieser Position zu tänzeln aushalte.

Andere Soldatinnen wetteten auf Sklavenpaare, die mit jeweils einem Bein zusammengebunden waren und einen Parcours absolvieren mussten. Das langsamste Paar wurde angeblich entmannt. Zwar wagten sich die Soldatinnen dies nicht wahrhaftig, da sie dann disziplinarische Strafen der Centuria befürchten müssten, doch war so eine kleine Drohung eine sehr wirksame Motivation für die Männer. Das Betteln und Greinen der Verlierer war eine köstliche Gaudi.

Etwa zehn Leibeigene saßen hintereinander auf einem dünnen Balken, der in Brusthöhe auf zwei Felsbrocken lag. Ihre Füße waren mit Lederriemen zusammengebunden. Die Hände waren ihnen mit kurzen Ketten an ihr eisernes Halsband fixiert. Wie lange die armen Kreaturen schon mit ihrem Körpergewicht auf dem schmalen Balken saßen, das wusste Maia nicht, die an ihnen vorbeilief, doch den gequälten Mienen der Männer nach zu beurteilen würden sie mittlerweile wohl alles tun, nur, um von dem Balken gehoben zu werden. „Eine Strafe für ihre Faulheit“, erklärte eine Soldatin lapidar grinsend, die Maias interessierten Blick gesehen hatte. „Der andere Trupp war schneller. So etwas muss Konsequenzen haben. Sonst schlafen die mir morgen noch ein.“ Eine zweite Soldatin, deren langes Haar ungebändigt über die Brust ihrer Lederrüstung floss, meinte: „Die Anführerin des schnellsten Trupps erhält morgen eine Sonderration Wein von der Centuria.“

Nicht weit entfernt sah Maia zwei Sklaven auf allen Vieren mit dem Rücken zueinander, die ein Lagerfeuer einrahmten. Auf den zweiten Blick erkannte sie, dass die Soldatinnen, die feixend bei ihnen standen, einen eisernen langen Stab mit dessen Mitte in die Flammen positioniert hatten, während die Enden des Metalls in den Männern mündeten. Der Stab musste heiß und heißer werden, bis einer der Sklaven zuerst vorwärts kroch, um der brennenden Hitze zu entkommen. Doch noch wagte es keiner von ihnen, obwohl sie jammerten und stöhnten. Ihr Ansporn, den kleinen lustigen Wettbewerb zu gewinnen, musste sehr groß sein. Das dreckige Lachen der Frauen schallte herüber. Der obszöne Spott ließ sogar Maias Ohren heiß werden.

Sie schlurfte nach einem anstrengenden Tag müde zu ihrem Zelt, als sie an einem kleinen Pinienhain vorbei kam. Drei Soldatinnen schienen sehr amüsiert. Vermutlich musste hier ein weiterer Unglücklicher leiden, dachte Maia und hoffte, dass es nicht Boreas sei. Sie kam näher und erkannte einen nackten Kriegsgefangenen, der an den Armen an einer Pinie aufgehängt worden war. Um sein Gemächt hatten die Frauen ein Seil geschlungen und einen Kübel daran befestigt. Maia wurde neugierig.

Die Frauen warfen nacheinander mit Kieselsteinen nach dem Kübel. Zahlreiche Steine lagen unter den Füßen des Hängenden, doch auch Dutzende der geschleuderten Wurfgeschosse waren in dem Holzgefäß gelandet und beschwerten den Kübel mehr und mehr. Die Uniformierten hatten ihre Harnische und gepolsterten Lederwesten ausgezogen und hatten es sich bei Wein und Brot an einem kleinen Feuer und seinen stiebenden Flammen bequem gemacht. Sie spielten mit Würfeln aus Knochen oder Horn. Maia war fast an ihnen vorüber, da johlte das Trio laut auf und klaubte mehrere Kiesel vom Boden auf, um sie der Reihe nach in den Kübel zu zielen. Maia lief flink weiter. Der Sklave hatte ihren Augenkontakt gesucht und gestöhnt, doch die junge Soldatin war zügig an dem Opfer der grausamen Späße vorbeimarschiert.

Später lag sie mit offenen Augen in ihrem Zelt. Sämtliche Kampfsklaven waren neu eingeteilt worden. Sie hatte keine Chance Boreas zu finden. Was war mit ihm geschehen? Wo war er just in diesem Moment? Maia betete zu den Alten Göttern, dass ihm nichts geschehen war. Sie war während der letzten Tage beim Aufbau der Stadt eingeteilt worden. Sie hatte Boreas seit Tagen nicht gesehen. Hatte er bereits beim Sturm auf die Stadt sein Leben gegeben? In ihren wirren Träumen kämpfte sie sich im Getümmel der Schlacht durch die feindlichen Bahnen und konnte trotzdem nur hilflos mitansehen, wie Boreas, von Pfeilen gespickt, zu Boden sank und seinen letzten Atemzug aushauchte.

Trotz der großen Sammelstellen waren die Kerker der Stadt, die vom Feuer verschont geblieben waren, überfüllt. Bei den Gefangenen handelte sich dort um feindliche Soldatinnen, denen man den Fahnenwechsel nicht geglaubt hatte. Die Frauen sollten einer strengen Befragung unterzogen werden, bevor sie frei gelassen werden konnten. Nichts fürchtete Fama in diesen Tagen so sehr wie einen Bürgerkrieg, der von Guerillakämpferinnen geführt wurde. Freischärler, die aus dem Verborgenen heraus gegen die neue Machthaberin vorgingen, um sie letztlich zu unterjochen.

Am weit entfernten Himmel zog ein gar wunderliches Fluggerät seinen Weg mit dem schwachen Winde. Leda starrte auf den Horizont, wo sich Himmel und das unendliche Meer küssten. Wieder war die Brise eingeschlafen, und der Ballon trudelte schwächlich über das Wasser. „Wenn es nicht bald auffrischt, dann haben wir all unser Brennmaterial verbraucht, um den Ballon in der Luft zu halten.“ Hagbard kritzelte auf eine Schiefertafel Zahlenreihen und seltsame Zeichen und Symbole. „Majestät, wir werden es schaffen. Es ist nicht mehr weit.“ Zelos räusperte sich skeptisch. Diese Zahlenhexerei, Mathematik geheißen, war ihm obskur. Seit einigen Tagen waren die Nahrungsrationen verkleinert worden. Sein Magen knurrte vor Hunger. Auch Nike war unzufrieden. Sie war in letzter Zeit leichter reizbar als eine Giftschlange. Und wenn Zelos in dem engen Korb nur ein wenig zu sehr in ihre Nähe kam, konnte es leicht geschehen, dass Nikes spitze Ellenbogen in seinen Rippen landeten oder sogar ihre Faust oder ihr Knie in seinem Gemächt explodierte.

Vier Mal war dies nun schon geschehen, obwohl er sich keiner Schuld bewusst gewesen war. Er quetschte sich so eng wie möglich in eine Ecke und hatte viel weniger Platz als die deutlich kleinere und zierliche Nike, doch die Gardistin fühlte sich trotz alldem bedrängt. Leda und Hagbard dagegen lagen oft eng beisammen und liebkosten sich ungeniert vor den Mitreisenden. Zelos war neidisch auf Hagbard. Wie gern hätte er Nike berührt und mit ihr ein Ruhelager geteilt. Doch die Soldatin fand an ihm keinen Gefallen. Ihre Lust brannte zwar des Nachts unüberhörbar, wenn sie leise lustvoll seufzte und anschließend ihre Hand aus der Lederhose zog, doch mit Zelos wollte sie offenbar nicht anbändeln.

Als der Verschmähte des Nachts einmal Hand an sich legen wollte, war Nike aufgewacht und fuchsteufelswild geworden. Ein Schwein sei im Korb, spie sie giftig. Vor zwei Damen habe er seiner Lust frönen wollen, und dann auch noch vor der Königin! Leda hatte achtbarere Gesellschaft verdient. Wäre ein Keuschheitsgürtel an Bord, so hätte er ihn unverzüglich anzulegen. Nike hatte sich fürchterlich aufgeregt und damit auch Leda nervös gemacht, die ihr Recht gegeben hatte. Die vorwurfsvollen Blicke der Majestät hatten ihn mehr geschmerzt als ein Dolch im Herzen. War er nun für alle Tage als Sittenstrolch gebrandmarkt? Zum Ruhme gereichte es ihm wohl nicht gerade.

Als Zelos wenigstens von seinem Leidensgenossen Zuspruch bekommen wollte, wendete Hagbard sich unwirsch mit den Worten ab: „Versuche das tunlichst nie wieder, Zelos! Das ziemt sich nicht für einen Stallburschen!“ Doch in der übernächsten Nacht hatte Zelos bemerkt, wie die Königin und Hagbard es leise miteinander trieben. Leda hatte sich in Zelos Schoß gesetzt und wiegte sich langsam vor und zurück. Nike tat zumindest so, als schliefe sie. Und als Zelos einfach nicht mehr ruhig daliegen konnte, schleuderte Leda ihm ungeduldig eine Felldecke über den Kopf und keuchte: „Wende dich ab, du Lüstling!“ Doch das war nicht förderlich, um sein loderndes Verlangen zu zügeln. Vor seinem geistigen Auge sah er die Liebenden nun umso klarer vor sich.

Während Leda, Zelos, Hagbard und Nike schon fast den Alten Kontinent erreicht hatten, waren die Zurückgebliebenen auf dem Westkontinent auf ein geschütztes Tal gestoßen, dass nur durch einen verborgenen Zugang in einer Felswand erreichbar war. Hier hatten sie beschlossen zu bleiben. Thrym, Ate, der Medikus, Pan und der in einem KG versperrte Ajax bauten hier neue Unterkünfte. Die Umgebung bot genügend Wild zum Jagen, Beeren und andere Früchte. Als Würdigung an ihre Königin erhielt ihre neue Heimat den Namen „Tal der Leda“.

Jeder erhielt eine eigene Hütte. Ausnahme waren Ate und Pan, die zusammenzogen. Nur Ate wusste von ihrem kleinen Geheimnis, dem Schlüssel für den Keuschheitsgürtel des Ajax. Vorläufig wollte sie niemandem – nicht einmal Pan – davon erzählen. Aber wenn sie den Schlüssel an ihrer Brust spürte, der an einem Lederriemen hing, während sie die Liebe von Pan empfing, durchströmte sie ein wohliges und gleichauf machtvolles Gefühl, das sie sich nicht erklären konnte.

Als Thrym mit seinem Langbogen außerhalb des Tales einem Hirsch nachstellte, hörte er jäh verdächtiges Rascheln hinter sich. Er schleuderte herum und hätte beinahe den gespannten Pfeil abgeschossen, als er den Mann erkannte. Thrym rief verdutzt: „Gladius?“ War er einem Trugbild aufgesessen? Ein untoter Walddämon in Gestalt des verstorbenen Gefährten? Doch wirkte Gladius immer lebendiger und menschlicher, je näher er kam.

Der Himmel über dem großen Meer verdunkelte sich gefährlich. Leda betrachtete die aufziehende Wolkenwand mit Besorgnis. „Das wird ein arg schweres Unwetter geben“, sagte sie mehr zu sich selbst und hoffte, dass ihr Ballon keinen Schaden nehmen würde. In wenigen Minuten war es trotz der Mittagszeit so düster wie am späten Abend. Unruhige Böen kamen auf und ließen den Ballon durch die Luft wirbeln und den Korb mit den vier Reisenden unsicher schaukeln. Zelos verkrampfte sich an zwei Haltegriffen, Hagbard und Nike spannten einen Schutz über ihre Köpfe. Leda zurrte den restlichen Proviant mit Seilen fest. Und schon brach es über sie ein wie ein Weltuntergang. Der Himmel öffnete alle seine Schleusen und goss den Regen wie aus Kannen hinab. Grelle Blitze und ohrenbetäubender Donner ließen nicht lange auf sich warten.

Trotz des Ballons über ihren Köpfen stand das Wasser knöchelhoch im Korb. „Das Feuer erlischt“, brüllte Hagbard warnend gegen den lauten Donner an. Der Ballon trudelte durch verschiedene Luftschichten, die heulten und pfiffen. Leda betete zu den Alten Göttern. Doch nun setzte schwerer Hagel ein und durchlöcherte den Ballon. Die dicken Hagelkörner prasselten auf den Stoff ein wie Geschosse aus Armbrüsten. Der Ballon fiel zusammen wie ein eingestürztes Zelt. Leda sah unter sich die tosenden Wellenkämme. „Die Götter wollen nicht, dass wir unser Land erreichen. Sie haben uns aufgegeben.“ Und im nächsten Moment fiel der Korb fast wie ein Stein vom Himmel. Leda riss ihre Augen erschrocken und in Todesangst auf. Das wilde Meer schien auf sie zuzuschießen.

Während ihr die kalte Luft ins Gesicht schoss, spürte sie die hilfesuchenden Blicke der anderen in ihrem Nacken wie sengende Hitze. Deren unausgesprochenen Worte des Vorwurfs hallten in Ledas Schädel lautstark: Was sollen wir tun? Warum rettest du uns nicht? Ist das unser Ende? Wir werden alle sterben. Warum lässt du das zu? Ist uns keine Rettung beschieden? Trachten die Götter uns nach dem Tode? Und warum führt uns unsere Königin, der wir uns verdingt haben, ins Verderben?

Thrym, Ate, Pan und Ajax hingen an den Lippen des heimgekehrten Gefährten und lauschten seinem spannenden Abenteuer. Gladius sprach schon eine ganze Weile.„Nachdem mich dieses fremde Volk gefangen genommen hatte, brachte man mich zu einer Art Medikus, der allerlei Untersuchung mit mir anstellte. Zwei seltsam uniformierte Männer fragten mich nach meiner Herkunft. Natürlich war alles nicht so einfach, weil sie unsere Sprache nicht verstehen. Aber mit der Zeit konnten wir uns mit Händen und Füßen ganz passabel verständigen. Man behandelte mich gut. Sogar ausgesprochen gut! Doch dann merkte ich, dass ich ein Gefangener war und bleiben sollte. Ich durfte nicht mehr zu euch zurückkehren. Und schließlich machte sich auch Unmut gegen mich breit. Ein unheimliches Fieber raffte einige Bewohner dahin, und mir wurde die Schuld dafür gegeben.“

Gladius erzählte, wie er im letzten Augenblick flüchten konnte, bevor der Mob ihn lynchte. Und dann zeigte er den verdutzten Gefährten den ominösen Knüppelstab, den er einer Wache aus der Hand hatte reißen können und demonstrierte die Waffe. „Sie nennen es Muskete.“ Thrym, Ate, Pan und Ajax zuckten erschrocken zusammen, als jählings ein lauter Knall ertönte und eine Rauchwolke aus dem Stab erschien. Gladius zeigte in die Richtung, in die er den Zauberstab gehalten hatte. Verblüfft merkten die Gefährten den zum Teil abgerissenen Ast an dem Baum, der aussah, als habe ein Berserker mit seiner Axt zugeschlagen. Gladius zeigte den Staunenden einen Beutel mit Metallkugeln und einen weiteren Beutel mit „Zauberpulver“.












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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:31.01.21 17:37 IP: gespeichert Moderator melden


Leda glaubte, dass ihr alle Knochen im Leibe zerbrachen, als der Korb auf die harte Meeresoberfläche aufschlug. Sie fühlte sich wie vom Henker gerädert. Das aufgewühlte Wasser überspülte brodelnd den Korb mit schäumenden Wogen, einer Wasserwand und weiterem Gischt. Der Ballon dagegen riss sich knallend von seinen Seilen und flog knatternd im heulenden Wind davon und verschwand in Streifen und Fetzen gepeitscht in der Schwärze der salzigen Luft.

Alle Kräfte benötigten die Vier, um sich an den Korb zu klammern, der gekentert aber doch noch halb über Wasser krängte, in tiefe Wellentäler eintauchte, um kurz darauf von gewaltigen Brechern überschüttet zu werden. Die Besatzung krallte sich so fest sie konnte an die Wände, während sie von ihren Beinen gerissen wurde, Salzwasser schluckte und zu den Alten Göttern betete. Das Meer spülte krachend in den Korb, um im nächsten Augenblick wieder mit bärenstarkem Sog aus ihm hinauszujagen. Fauchender Schaum erfüllte die Luft, so dass es kaum zu atmen möglich war. Längst klebten die Kleider der Notleidenden an ihren Leibern, teilweise war ihr Stoff durch die brutalen Kräfte der Natur sogar gerissen.

Die Elemente wüteten und tobten sich mit Urgewalten aus. Es herrschte ein donnerndes Grollen und Getöse, als sei ein apokalyptischer Krieg unter den Alten Göttern ausgebrochen, und Leda sei mit ihren Begleitern genau zwischen die Schlachtreihen geraten. Bald wusste die Königin nicht mehr, wo oben oder unten war, der schwarze Himmel oder die tiefe See, Wassermassen droschen auf den sich chaotisch drehenden Korb ein und machten ihn zum Spielball des Infernos. Er war eine kleine, unbedeutende Nussschale in der unendlichen Weite des Meeres. Und unter ihr harrten die Fische in den wirbelnden Strömungen auf ihre Mahlzeit.

Glimpflich würde dieser Tag nicht zuneige gehen, das war gewiss. Irgendwann verließen Leda die Kräfte, das Pfeifen und Zischen des Windes wurde in ihren Ohren dumpf und ihr wurde gewahr, dass sie eine schwarze Besinnungslosigkeit empfing, als die Dunkelheit sie verschluckte. Alles Weitere lag in den Händen der Schicksalsgötter.

Kerbera hatte die Westküste erreicht und ritt in eine kleine Siedlung ein. Dort wollte sie bei einem Bauern eine Kammer mieten und Famas Sieg abwarten. Dann würde sie zurückkehren und vielleicht eines Tages die rechte Hand der neuen Machthaberin Fama sein. Der Ritt führte sie einen mäandernden Weg entlang. Am Rand der Strecke ragte ein alter Galgen auf, der morsch wirkte und wohl eine Weile nicht mehr genutzt worden war. Ein Strang war nicht vorhanden. Und doch schien die Konstruktion beseelt von den Geistern der lasterhaften Toten. Kerbera hatte solchen Urteilen früher zuhauf beigewohnt und hatte wieder vor Augen, wie die Kerle um ihr Leben bettelten und dann an der Schlinge unter der jubelnden und spottenden Meute baumelten und zuckten, bis sie langsam ins Totenreich reisten. Während sie sich mit einem dezenten Lächeln daran erinnerte, schüttelte es Cain vor Grauen. Unbewusst griff er sich an den Hals.

Kerbera erreichte ein kleines Gehöft, das einige Steinwürfe weit abseits des Weges lag, und sprang vom Pferd. Ihr Umhang flatterte im Wind. An der Küste zeigte das Meer Schaumkronen als wäre es ein gewaltiger Krug mit Ale. Am Horizont türmten sich schwarze Gewitterwolken. Das benachbarte Dorf vermisste noch zwei Fischerboote, doch vermutlich waren sie Opfer des Sturms geworden. Am Holzkai der nahen Küste knieten vier wahrlich sonst nicht zimperliche Weiber und weinten bitterlich, ihre Hände vor die Gesichter gehoben, um ihre Männer oder einen Teil ihrer Sippe.

„Cain“, befahl sie ihrem Sklaven, „ich bin dein Weib, falls jemand fragt.“ Cain nickte ergeben und konnte sich ein Schmunzeln ob dieser Tarnung nicht verkneifen. Zum ersten Mal seit langer Zeit dufte er vollständig gewandet sein. Kerbera kam drohend auf ihn zu. „Aber glaube nicht, dass du auch die Rechte eines Mannes hast!“ Cain wirkte ein wenig eingeschüchtert. In diesem Moment trat die mollige Bäuerin vor die Tür. „Seid ihr auf der Durchreise?“ Sie rieb sich die Hände an ihrer Schürze sauber. Kerbera wollte gerade antworten, da sagte Cain mit dunkler, fester Stimme: „Ich bin auf der Suche nach Arbeit. Vielleicht als Fischer oder Knecht. Wir kommen aus dem Osten und sind vor dem Krieg geflüchtet, mein Weib und ich.“ Beim Wort „Weib“ schlug er Kerbera herzhaft auf ihr Gesäß.

Kerbera sah aus, als sei vor ihr ein Geist erschienen. Sie wurde kreidebleich, dann rot vor Zorn, reagierte aber nur mit einem gezwungenen Lächeln, das eher einer Grimasse glich. Die Bäuerin winkte sie zu sich. „So kommt mal herein in die gute Stube. Ihr habt sicherlich ob der beschwerlichen Reise guten Hunger und Durst mitgebracht.“ Cain drängelte sich vor sein Weib, das ihm mit zusammengepressten Lippen folgte. Die Zähne knirschten während Cains Grinsen immer breiter wurde.

Das „vermählte Paar“ ließ sich auf eine rustikalen Holzbank nieder und genoss die wärmende Luft, die von einem geziegelten Ofen ausstrahlte. Neben der Feuerstelle stand eine Zunderbüchse und lag ein Haufen Kienspäne. Die Frau tischte einen heißen Fisch-Eintopf, Brot, Butter und Schinken auf; dazu gab es einen Krug mit warmem Kräuterwein. Kerbera staunte. Sie hatte gedacht, dass die Einwohner dieses Küstenlandstriches eher ärmlich waren. Sie stellte fest: „Ihr lebt hier draußen recht unabhängig vom Königreich. Habt ihr keine männlichen Sklaven?“ Die Bäuerin schüttelte den Kopf. „Nein. Mein Mann lebt seit vergangenem Winter nicht mehr. Ein schweres Leiden in seinem Bauch hat ihn geholt. Zwei Knechte und drei Mägde helfen mir. Aber Leibeigenschaft haben wir hier an der Küste nie für manierlich befunden. Weder die von Weibern noch von Recken.“ Sie stellte ihren Kelch schwer auf dem Tisch ab.

„Aber sagt: Ihr kommt doch aus dem Osten. Warum ist Euer Gatte nicht Euer Eigentum, wie es dort üblich ist?“ Kerbera stockte. Ja, warum? Warum hatte Cain sich so hervorgetan? Er sollte doch nur ihr Mann sein und nicht gleich ihr Herr! Leidlich versuchte sie sich an einer Antwort. „Äh… Das ist so… Wir stammen aus einer Region, die ebenfalls keine Sklavenhaltung kennt.“ Cain mischte sich in das Gespräch der Weiber. „Deshalb sind wir geflohen! Um hier ein freies Leben an der Küste zu leben.“ Die Bäuerin nickte verstehend. „Darauf lasst uns die Kelche heben!“ Das Trio stieß mit den blechernen Gefäßen an.

Die Gastgeberin erzählte noch lange von der Geschichte der Küstenregion, gab einiges Fischerlatein zum besten, zum Beispiel berichtete sie von Seemonstern und haushohen Wellen, die ganze Boote verschluckten, von einer Meerjungfrau und einem gewaltigen Schatz am Grund des Ozeans, der von einer Seeschlange bewacht wurde. Dann fragte sie das Paar nach Neuigkeiten aus der Hauptstadt aus und goss einige Male die Kelche nach. Cains Zunge lockerte mehr und mehr, je später der Abend wurde. Er schilderte von dem feministischen System im Osten und dem harten Leben der Männer.

Erst viel später, als Kerbera und Cain sich zurückgezogen hatten, giftete die zum Eheweibe degradierte Frau ihn an: „Wie kannst du es wagen? Beinahe hätten wir uns verdächtig gemacht.“ Cain blieb überraschend gelassen und sagte spitzbübisch: „Wir würden uns höchstens verdächtig machen, wenn heute Nacht das Bett nicht knarren würde…“ Kerbera blieb der Mund offen stehen. Was war nur in Cain gefahren? So hatte er noch nie mit ihr gesprochen. Doch bevor sie ihm eine saftige Ohrfeige geben konnte, hatte er sie umschlungen und küsste seine Herrin.

Kerbera ließ es geschehen. Ihr Liebessklave wusste, wie er ihr Freude machte. Und das konnte sie jetzt dringlich gebrauchen. Sie genoss seine Liebkosungen, seine Zunge und seine Hände, seine Lippen und… Doch was tat er nun? Er forderte selbst seine Gelüste ein! Er drückte sanft ihre Schenkel auseinander und drang mit seiner Männlichkeit in ihre süße Spalte, die ihn hungrig aufnahm. Kerbera wollte dem unverschämten Cain seinen Platz zeigen, doch ihr eigenes Verlangen war zu groß. Sie ließ alles geschehen. Nur ganz schwach war ihr Widerstand, als sie hauchte: „Ich hätte dir einen Keuschheitsgürtel anziehen sollen, wie es sich für einen Liebessklaven gehört.“ Aber ihr wurde ansichtig, dass es dafür nun zu spät war.

Cain lag im Ellbogenstütz über Kerbera und hatte ihre Handgelenke auf das Laken gedrückt, als sei sie ein junges Mägdelein. Die ehemalige Senatorin hatte die Gegenwehr aufgegeben und genoss die Hingabe insgeheim, doch schaute sie immer noch, als wollte sie Cain wie eine Wildkatze die Augen auskratzen. Sie pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und hob den Kopf, um gierig den Kuss ihres „Mannes“ zu empfangen. Die beiden Leiber zuckten rhythmisch im Takt ihrer Liebe auf dem knarrenden Bett und leises Stöhnen und der glänzende Schweiß auf ihren Körpern zeugte von ihrer gemeinsamen Lust.

In der Metropole herrschte bei Sklavenhändlerin Ceres großer Unmut. „Ein Sklavenüberschuss!?“, raunzte sie die gerüstete Frau an, die nur gleichgültig mit den Schultern zuckte. „Der Kriegszug ist beendet. Viele Kampfsklaven mussten zwar ihr Leben lassen, aber dafür gehören nun mindestens die gleiche wohlfeile Menge zu Famas neuem Reich, die zuvor Megara unterstellt waren.“ Ceres war außer sich. Was malte diese Kommandantin da nur für ein grausiges Bild? „Das heißt, Ihr wollt meine Ware nicht kaufen?“ Die Kommandantin nickte selbstgefällig zur Bestätigung. „Und Ihr werdet auch in den Regionen um die Metropole herum oder weiter im Westen niemanden finden, der Euch auch nur ein Kupferstück pro Exemplar zahlt.“ Ceres konnte es nicht fassen. Sie fächelte sich Luft zu. Der Sklavenmarkt war völlig zusammengebrochen!

Ein rabenschwarzer Tag für ihre Unternehmung. Sie hatte jüngst noch zwei Schiffsladungen Frischfleisch von ihrer alten Bekannten Phoibe angekauft, die mit ihrer Galeere auf dem Ostkontinent auf Jagd ging, doch was sollte sie nun mit all den Männern tun? Aus dem vermeintlichen Meisterstreich war ein Reinfall geworden. Ceres versuchte es bei ihrer Konkurrentin Flagella, aber auch die war froh um jedes Exemplar, das sie noch verscherbeln konnte. „Es kommen auch wieder bessere Zeiten“, sagte sie wie zum gegenseitigen Trost, „aber vorerst werde ich keine Ware kaufen. Meine Lager sind noch voll bis oben hin. Keiner will kaufen. Sogar Cassandra, meine großzügigste Kundin, mit ihren riesigen Rohrzuckerplantagen hat abgelehnt.“

Ceres ritt frustriert nach Hause. Warum versagte ihr das Glück den Gehorsam? Wäre Fama doch niemals gegen Megara in den Krieg gezogen! Selbst ihr Liebessklave Aphron würde ihre Laune nicht heben können. Sie musste erst mal ihre Wut loswerden und rief nach einem Prügelsklaven, den sie mit einem Rohrstock verdrosch. Erst als sie ihr Mütchen gekühlt und ihrem Wohle geschmeichelt hatte, war ihr ein wenig leichter ums Herz und sie konnte sich auf das Liebesspiel von Aphron einlassen und sich ihm hingeben.

Sie schrie ihren Höhepunkt der Leidenschaft so laut hinaus wie nie zuvor. Aphron war kurz davor, seinen Samen zu verströmen, doch Ceres bestimmte: „Schließe dich in deinen Gürtel ein! Heute sollst du deine Begierde in dir behalten!“ Aphron seufzte. „Jawohl, Herrin. Ich hoffe, Ihr wart mit mir zufrieden?“ Ceres winkte ihn aus dem Bett. „Lass mich allein. Es war ein anstrengender Tag.“ Aphron verneigte sich demütig und zog sich leise zurück. Außerhalb der Schlafkammer fasste er sich mit gequälter Miene in den Schritt. Sechs Monde! Das Tor zur Erlösung seiner Lust blieb weiterhin verschlossen. Hoffentlich ging der Sklavenhandel bald wieder glorreicheren Zeiten entgegen. Sonst würde er unter der abträglichen Laune seiner Herrin noch mehr zu leiden haben, die längst des Harrens überdrüssig war.

Im Zentrum der Metropole ließ sich die kommissarische Statthalterin Helena von zwei Sklaven mit warmem Öl ihre milchige Haut massieren. Bald würde Fama von ihrem erfolgreichen Feldzug wiederkehren. Was würde dann aus ihr werden? Fama wollte die Hauptstadt ihres Reiches in die Metropole verlegen. Würde sie, Helena, dann in der westlichen Stadt Präfektin werden? Oder wieder als einfache Duxa Dienst im Heer tun? Die Zukunft kannten nur die Götter. Doch sie konnte Opfer bringen und beten, um ihre Gunst zu erlangen.

Ein pechschwarzer Briefrabe hatte vom Sieg der Fama berichtet und ihre baldige Rückkehr angekündigt. Schnell wie ein Lauffeuer hatte sich die Neuigkeit verbreitet. Mit allen Ehren und einem großen Prunkfest sollte sie empfangen werden. Die Vorbereitungen für den triumphalen Einzug und das anschließende große Spektakel in der Arena der Metropole mit zahlreichen Gauklern, Akrobaten, Feuerschluckern, Artisten, Zauberkünstlern, Fakiren, Messerwerfern, einem Wagenrennen und vielen Sklavenkämpfen und weiteren Belustigungen waren in vollem Gange.

Im fast undurchdringlichen Urwald des wilden Ostkontinents war derweil die Sklavenjägerin Phoibe mit einem Trupp von über zwanzig Jägerinnen unterwegs zu einem besonders abgelegenen Gebiet um einen alten erloschenen Vulkan. Eigentlich hatte Phoibe ihr Handwerk an den Nagel hängen wollen, denn Sklaven waren wegen des großen Überschusses kaum noch von Wert, doch dann hatte sie von der Legende um einen Troll gehört, der dort hausen sollte. Ein Gigant. Über drei Rösser hoch und schwer wie zwei Ochsen.

Phoibe versprach sich vom Fang des Ungeheuers einen enormen Preis. Und ihr Ansehen als Sklavenjägerin würde ebenfalls unvorstellbar steigen. Ein Troll als Höhepunkt in der Arena. Zu Ehren der Fama würde das Monster gegen Sklaven kämpfen. So etwas war noch nie da gewesen. Aber gab es so ein Wesen überhaupt oder war alles nur Hirngespinst und Fabel? Phoibe hatte viel in diese Expedition investiert. Den Jagdtross begleiteten 50 Trägersklaven. Der Weg zu dem Vulkan war gefährlich. Aus dem Hinterhalt konnten sie von Amazonen angegriffen werden, die in diesem Gebiet lebten. Und giftige Tiere, halb Drachen, halb Schlangen sollten dort nach alten Erzählungen hausen. Phoibe war auf der Hut. Trotz einer unterschwelligen Angst fühlte sie ein angenehmes Kribbeln unter ihrem bernsteinfarbenen Wildlederwams, eine Gefühlsaufwallung, die ihr bisher keine andere Jagd eingebracht hatte. Sollte ihr der Fang gelingen, so war sie eine gemachte Frau. Betucht genug, um ein neues Leben anzufangen.

Die durchlauchte Megara lief in den Hallen ihrer Festung herum wie ein eingesperrter Tiger in der Grube. Wie konnte das nur geschehen, dass diese infame Fama sie der Macht beraubt hatte!? Wie konnte eine noch so niedere Kreatur solch zügellose Raubgier an den Tag legen!? Fama fühlte sich an wie ein Stachel in ihrem Arsch. Und was war mit ihrer angeblich loyalen Streitmacht? Die Kraft in ihren Gliedern war da, um jede Rebellion im Kern zu zerschlagen, doch in ihren Köpfen fehlte sie offenbar. Die Tyrannin warf den x-ten Glaskelch an die steinerne Wand. Was sollte sie nur tun? Wie konnte sie sich ihr Reich von dieser vermaledeiten Usurpatorin zurückholen?

Nur wenige Soldatinnen und Kampfsklaven waren ihr innerhalb der Mauern geblieben. Zwar würde sie in ihrem Bollwerk nicht zu besiegen sein, doch wäre sie eingesperrt für alle Zeiten. Ihr rechter Arm tat weh von den vielen Schlägen mit der Peitsche. Wenn sie ihre Sklaven prügelte oder ihre Liebesdiener in ihrem Harem demütigte, würde dies an ihrem Schicksal auch nichts ändern. Es musste eine Lösung her. Sie rief die Führung der Leibgarde und Palastwache sowie die verbliebenen Beraterinnen zusammen, die ihr in ihrer Bastei geblieben waren.

Die Damen beratschlagten über diverse Vorschläge. Eine Kapitulation kam für Megara nicht infrage. Selbst, wenn sie eine Amnestie im Exil aushandeln könnte, würde sie diese erniedrigende Möglichkeit kategorisch ausschließen. „Niemals werde ich Fama diese Genugtuung gönnen!“, stellte die Tyrannin klar. „Außerdem traue ich einer Verräterin nicht.“ Ihre Vertrauten stimmten ihr zu. Es musste eine andere Strategie her. Ein Kampf war natürlich völlig ausgeschlossen, denn die paar Hundertschaften in der Burganlage würden gegen die zigtausend Aufständischen keine Chance haben. „Es wäre ein ehrenvoller Tod auf dem Schlachtfeld zu sterben“, meinte eine hohe Soldatin inbrünstig, doch Megara blickte sie seltsam an und schwieg. Eine Göttin war unsterblich.

Eine unbemerkte Flucht durch die meilenlangen Stollen des Bergwerks, das sich genau unter dem Palast durch die Felsen und Erdschichten wand, so schlug eine Adelige vor, könnte einigen Auserwählten gebührenden Vorsprung verschaffen, um im Hinterland im Westen unterzutauchen. „Je mehr durch die Schächte flüchten, desto leichter fällt es auf. Daher sage ich, dass nur eine Auswahl diesen Weg nimmt, und der Rest ein Ablenkungsmanöver startet. Zum Beispiel ein Ausfall aus den Toren.“ Megara nickte selbstgefällig. „So sei es. Schickt eine Truppe in die Mine, um zu erforschen, bis wohin die Gänge reichen, und ob es von dort einen Weg an die Oberfläche gibt. Falls dies so ist, beginnt mit den Grabungen.“ Die Despotin beendete die Runde und zog sich zurück.

Megara verschwand durch einen Rundbogendurchgang, der von aufgezogenen schweren Samtvorhängen gesäumt war, die von Quasten gebändigt wurden. Sie griff in eine vergoldete Obstschale und biss in einige Weintrauben. Noch gab es frisches Obst in Hülle und Fülle. Aber es war ein Dilemma: Viele Menschen würden viel Nahrung benötigen. Doch je weniger Verteidiger sie für die Zitadelle hatte, desto gefährlicher konnte Fama ihr werden. Und langsam gingen die ersten Luxusgüter aus. Die Hoffräuleins mokierten sich bereits hinter vorgehaltener Hand über die „eingesperrte Göttin Megara“ und murrten über die eigene Gefangenschaft: keine Ausritte mehr, keine Sklavenjagden, keine Kutschfahrten mehr, keine großen Feierlichkeiten und Bankette, bei denen die illustre Schar schmauste und soff, bis ihnen die Wänste und Mieder barsten. Die fehlenden Verlustierungen ließen sie ungemach werden.

Die Idee mit dem Geheimtunnel war gar nicht so übel, sinnierte Megara. Allerdings musste er freigeschaufelt werden. Schon vor längerer Zeit hatten die Sklaven alle Eingänge außerhalb der Burganlage zugeschüttet, so dass Fama nicht etwa durch die Mine in den Palast eindringen konnte. Megara erinnerte sich daran, dass vor vielen Jahren ihr Gatte Talos III. einige Schächte der Mine hatte verschließen lassen, weil sie teilweise eingestürzt oder mit Grundwasser geflutet waren. Und aus Erzählungen des Königs hatte sie erfahren, dass die Mine bereits seit zwei Jahrhunderten existierte, dass Talos I. sie zu seinen Zeiten hatte graben lassen. Angeblich gab es sogar ein natürliches Höhlensystem. Doch das war nur Teil einer alten Überlieferung.

Megara stolzierte mit ihrer rubinroten Robe in ihren Harem und winkte zwei Liebessklaven herbei, die sofort unterwürfig herbeieilten und sich vor die Füße ihrer Herrin warfen. Schleimig anbiedernd kämpften sie um die Gunst der Göttin, was sie nicht etwa anwiderte, sondern sie weidete sich geradezu am Verhalten ihrer Sklaven. Die devoten Männer ersehnten sich einen Aufschluss aus ihren Keuschheitsgürteln, so dass sie so gut wie alles dafür tun würden. Megara genoss die Macht über deren Männlichkeiten. Wenigstens darüber verfügte sie noch, dachte sie seufzend. Und über Abas! Ja, ihre Geisel hatte sie ja ganz vergessen. Megara rief nach einer Wache: „Bringt mir Abas, den Wurm! Wenn ich hier fertig bin, dürfen sich meine Haremssklaven an ihm gütlich tun.“ Sie würde jeden Augenblick genießen! Die Wächterin salutierte zackig und verließ das Liebesnest der Herrscherin, um den Gefangenen aus dem Kerker zu holen.

Im Innenhof amüsierten sich derweil einige Soldatinnen der Palastwache mit zwei nackten Sklaven, die zu einem Schlammringen genötigt wurden. Als der Sieger feststand, drückte eine Soldatin mit hüftlangem und seidigem Haar, das über ihren Lederharnisch floss, dem Verlierer das Gesicht mit ihrem Stiefel in den Morast. „Was für ein Dreckschwein wir hier haben!“, rief die uniformierte Frau und verhöhnte den Sklaven. Ihre Kameradinnen fielen mit ein und johlten. „Lasst ihn uns waschen!“, schlug eine der Aufseherinnen vor und zeigte auf einen Brunnen, der wegen seines schlechten Wassers nicht mehr verwendet wurde. Doch für eine Waschung der besonders Art sollte er nun gut genug sein.
Viele Grüße von prallbeutel
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Meine Geschichten:
+++ Die gemeine Miriam +++ Das Unzuchts-Komplott +++ Im Reich der Megara +++ Die Nachtschicht seines Lebens +++ Optional Genetics +++ Venus +++ Regina +++ Inkasso +++
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:04.02.21 13:11 IP: gespeichert Moderator melden


Weiterhin tolle und spannende Geschichte weiter so VG Alf
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:14.02.21 16:47 IP: gespeichert Moderator melden


Die Frauen befestigten an einem Fuß des Sklaven das Brunnenseil und ließen ihn in den gemauerten Schacht fallen. Die Leine rollte sich rauschend von dem dicken Balken ab und ließ den Mann hinab in die Dunkelheit stürzen und schließlich spritzend in brackigem Wasser eintauchen. Das Aufplatschen sorgte für reichlich Heiterkeit bei den Damen. Zwei weitere Sklaven mussten den Mann nun wieder hochziehen und dabei das Seil auf die Holzrolle wickeln. Kaum war er oben, so ließen die Sklaven auf Befehl wieder los und ließen den Leibeigenen erneut hinabrasen.

Seine Schreckensschreie heizten die Stimmung unter den Soldatinnen noch an, die in lautes Gelächter ob ihres Schabernacks ausbrachen. Einige äfften die Schreie zur gegenseitigen Belustigung nach. „Morgen werden wir dich wieder kämpfen lassen“, kündigte die Sprecherin der illustren Runde an. „Wenn du dann wieder versagst…“ Sie ließ den Satz unbeendet. Der Sklave, der ihr kopfüber im Brunnen hängend zugehört hatte, schrie wieder auf, als er blitzartig Richtung Brunnenboden schoss. Die Rednerin grinste ihre weiblichen Zuhörerinnen an und meinte laut: „Lasst uns morgen den Riesen aus der Wachmauerabteilung am Südturm nehmen. Ihr wisst schon, wen ich meine.“ Wieder ertönte schadenfrohes Gelächter und Gekicher. Gegen den Koloss würde der Sklave hoffnungslos verlieren. Das würde ein wunderbarer Spaß!

Als der Sklave erneut fast am oberen Brunnenrand ankam, beugte sich die Soldatin über das raue Mauerwerk und streckte sich nach dem Gemächt des tropfenden Mannes. „Morgen werden wir das Seil nicht wieder um deinen Fuß binden…“ Die Uniformierten lachten, schäkerten und feixten lauthals. Der Sklave schrie weibisch und grell auf, und die Seilrolle drehte sich wieder rasend um sich selbst, als sie das Hanftau abwickelte. Und wieder mussten die beiden Leibeigenen an den Kurbeln den nassen Sklaven hochziehen. Sie waren längst erschöpft, denn der Klamauk der Frauen dauerte inzwischen lange an, aber die Breitseiten der Schwerter motivierten die Männer bei ihrer Arbeit, denn regelmäßig knallten diese auf die nackten Gesäße.

Erst als die Soldatinnen wieder an die Mauern und Wachtürme gerufen wurden, endete die „fröhliche Waschung“. Die Centuria, die auch die spottende Wortführerin gewesen war, jagte die beiden Sklaven vom Brunnen weg und machte sich mit ihrem Trupp auf zu ihrem Standort. Die durchnässte und völlig erschöpfte, nackte Gestalt verblieb im Brunnen. Ihr Wohlergehen war nicht von Belang. Die Frauen hatten keine Verwendung mehr für das Subjekt. Wenigstens war das Seil so lang, dass das arme Geschöpf aufrecht im Wasser stehen konnte. Ein Mauervorsprung in etwa zwei Ellen Tiefe des stinkenden Wassers erlaubte ihm, sich ein wenig auszuruhen.

Erst, als es dämmerte, und es unten im Brunnen bereits stockdunkel war, wagte er, um Hilfe zu rufen. Eine Wächterin schaute nach einer Weile zu ihm hinunter und hielt eine Laterne so, dass sie die Umrisse des Mannes sah: „Was machst du denn da?“, rief sie hinab. „Ein Trupp Soldatinnen hat mich hier hinab geworfen“, antwortete er. Die Wächterin schnaubte. „Hier sind keine Soldatinnen. Komm jetzt raus da! Klettere am Seil hoch! Beeilung! Und beweg deinen Arsch zur Arbeit, sonst setzt es was! Schimpf und Schande! Dich Faultier werde ich noch lehren, was Gehorsam heißt.“

Der Sklave benötigte mehrere Anläufe, um an dem Seil empor zu klettern und seinem ungewöhnlichen, engen und nassen Gefängnis zu entkommen, aber aus lauter Verzweiflung und Angst schaffte er es schließlich über den Brunnenrand zu klettern. Kraftlos fiel er in den Staub. Jäh spürte er harte Tritte. „Wirst du wohl deinen Sklavenarsch bewegen!? Oder soll ich dir Beine machen?“, rief die Wächterin erbost.

Der Sklave mühte sich ächzend auf die Füße und stolperte, nackt wie er war, durch eine Pforte, die zum Stall führte, wo er täglich den Mist schaufelte. Die Wächterin setzte ihren Wachgang durch den Hof fort und hörte hinter der Stalltür eine laute Frauenstimme schimpfen: „Wo kommst du jetzt erst her, du fauler Hund!? Und wo ist dein Lendenschurz? Du stinkst wie eine ganze Herde Schweine! Mach deine Arbeit! Und bis morgen früh bleibst du bei den Schweinen und suhlst dich dort, denn da gehörst du hin!“ Peitschenhiebe knallten, und ein Sklave jammerte. Die Wächterin schmunzelte. Streiche, wie die mit dem Leibeigenen im Brunnen, gehörten einfach dazu und lockerten den sonst so ernsten Kriegsdienst ein wenig auf. Einen neuen Lendenschurz würde er sich wohl erst fleißig verdienen müssen. Und wer wusste schon, ob die Soldatinnen morgen nicht erneut der Hafer stach und sie erneut den armen Stallsklaven für ihren nächsten Streich auswählten, um sich auf seine Kosten zu laben. Feine Ladys waren das! Unter Königin Leda wären sie eher feine Dirnen! Doch hier herrschte eine andere Kultur.

Jenseits der Festungsmauern kommandierte die Soldatin Maia einen kleinen Trupp Arbeitssklaven durch die fast vollständig niedergebrannte Stadt. Die größeren Gebäude sollten als erstes wieder aufgebaut werden. Die Männer schwitzten in der heißen Sonne des südwestlichen Megarias, das wohl bald einen anderen Namen bekommen sollte, wenn es nach Fama ging. Vier Leibeigene wuchteten gerade einen dicken Balken auf die Schultern und transportierten ihn ab. Das ächzende Stöhnen der Kerle zeugte vom Gewicht des gewaltigen Kantholzes.

Maia nutzte die Peitsche nur selten, denn sie litt mit den Sklaven mit, seit sie sich in den Leibeigenen Boreas verliebt hatte. Maia hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihn zu finden, doch vor einigen Tagen waren die Sklaven von den Duxas anders aufgeteilt worden. Sie wusste nicht einmal, ob Boreas noch lebte. Doch heute sollte ihr Glückstag sein: Als sie just die vier Männer mit dem Balken auf der Straße entlang begleitete, kam ihnen ein anderer Tross Arbeiter entgegen. Die Soldatin musste zwei Mal hinsehen, denn Boreas und seine zwei Begleiter trugen ein Strafkorsett und wurden von einer Soldatin abgeführt, die sie mit einer spitzen Lanze antrieb, während sie das Trio mit Ketten, die an den Hälsen der Sklaven angeschmiedet waren, wie Pferdchen vor einer Kutsche lenkte.

Die Strafkorsetts waren enge, metallene Bänder, die um die Taillen der Sklaven angebracht waren und innen mit eisernen Dornen versehen waren. Sie sollten als Disziplinierungshilfe dienen, doch auf Maias Frage, warum die Sklaven die Gürtel trugen, sagte die Soldatin: „Befehl von Duxa Isis. Sie hat dies probeweise bei diesen drei Sklaven angeordnet. Vielleicht können wir damit Nahrung sparen. Die Korsettbänder drücken den Wanst kleiner. Wir wollen es einfach mal ausprobieren.“

Maia runzelte die Stirn. Glaubte diese abstruse Schlussfolgerung wirklich jemand, oder sollten die Männer nur aufs Schändlichste gequält werden, um die Soldatinnen zu belustigen? Da kam ihr eine Idee. „Ich benötige dringend noch einen weiteren Arbeiter. Befehl von Duxa Hera. Gebt mir den da!“ Sie zeigte auf Boreas. Doch die Soldatin schüttelte den Kopf. „Sucht Euch doch irgendeinen anderen! Warum ausgerechnet einen der drei Korsettträger?“ Maia wirkte sehr autoritär. Ihre Stimme ließ keine Widerrede zu. „Sofort! Es eilt! Sucht ihr Euch selbst einen neuen Korsettträger!“

Die Soldatin brummte missgestimmt. Aber sie wollte kein Ungemach mit einer Duxa riskieren. Wenn es wirklich ein Eilauftrag war, wäre es ungebührlich, ihn nicht schnurstracks zu erledigen. Sie zückte einen Schlüssel und öffnete das Strafkorsett bei Boreas. Dann reichte sie Maia die Halskette. „Hier! Aber warum ausgerechnet den? Der andere ist kräftiger. Schaut!“ Sie zeigte auf einen der beiden übrigen Gestalten. „Los! Spann deine Muskeln an!“ Der Sklave gehorchte flugs und nahm mehrere Posen ein. Maia winkte ab. „Nein, der dort soll es ein, und dabei bleibt es.“

Die Soldatin zuckte mit den Achseln und pikte den beiden Männern in den Allerwertesten. „Los jetzt! Wir brauchen einen neuen Kameraden für euch.“ Damit marschierte sie weiter und beschimpfte die Leibeigenen unflätig. Leise murmelte sie vor sich hin und schüttelte den Kopf. „Ta! Große Göttin der Weisheit, erleuchte mich! Was hat dieses Weib nur an der minderwertigen Kreatur da gefressen?!“ Boreas dagegen reihte sich in die Männer ein, die den schweren Balken trugen. Maia hielt die Kette fest, damit sie nicht auf dem Boden schleifte, denn sie war mit dem eisernen Halsband fest verschmiedet. So schnell würde sie ihren Liebsten nicht von der Bürde befreien können.

Als erstes gab sie allen Arbeitern einen großen Schluck aus einem ledernen Wasserschlauch, dann führte sie sie in eine kleine Gasse. „Balken ablegen!“, befahl sie. Die Sklaven schnauften vor Anstrengung. Ihre Körper waren nass von Schweiß. „Ruht euch aus! Ich muss dieses Haus hier inspizieren. Du da!“, zeigte sie auf Boreas. „Du begleitest mich!“ Der Mann folgte der Herrin gehorsam. Während Boreas und Maia hinter einer Eichentür eines der wenigen unzerstörten Stadthäuser verschwanden, ließen sich die zurückgebliebenen Sklaven erschöpft auf den Boden fallen. Pausen waren selten und wertvoll. Die Alten Götter meinten es heute gut mit ihnen.

Leise flüsterte einer von ihnen seinem Nebenmann zu: „Hast du heute Nacht das unheimliche Licht zwischen den Felsen gesehen?“ Seine Augen wirkten aufgerissen und fiebrig, wie er den Angesprochenen anstarrte. Doch der schüttelte den kahl geschorenen Kopf. „Nein, aber dumpfe Schreie habe ich aus der Weite vernommen. Ich dachte, die könnten von einer Züchtigung stammen.“ Doch der Nachbar grinste grimmig. „Die Lichter! Das waren die Todesgeister, die ein paar arme Seelen zu sich geholt haben.“ Die Sklaven schauderten bei dem Gedanken und waren zugleich froh, noch am Leben zu sein. Einen Unfreien erwartete nach dem Tod ein Dasein in endloser Qual und Pein in der Unterwelt - so hatten es die Priesterinnen stets gelehrt. Und so blieb einem Leibeigenen nur, so lange wie es ihm vergönnt war, in der hiesigen Welt zu dienen.

Kaum waren Maia und Boreas aus dem Blickfeld der anderen, umarmten und küssten sie sich. „Ich habe solche Ängste ausgestanden“, brach Maia zwischen den Küssen geschwind hervor, „ich dachte, dass du vielleicht gefallen wärst.“ Boreas erzählte, dass er ein Katapult bedient hatte und daher nicht in der größten Gefahrenzone an vorderster Front gewesen war. Nur einmal wäre er beinahe von einem Pfeil getroffen worden, war aber von dem Schützen knapp verfehlt worden. Maia stöhnte erleichtert auf und dankte den Göttern für ihre Gnade.

In dem Gebäude fanden die Zwei eine Kammer mit einem Bett und verriegelten die Tür. Und jetzt hielt Maia nichts mehr auf. Sie riss sich die Uniform vom Leib, um sich Boreas ganz hinzugeben. Als der Keuschheitsgürtel des Sklaven aufklackte, sprang ihr ein kleiner Krieger entgegen, der offenbar großen Hunger hatte. Ausschweifend befriedigten sie ihre Gelüste. Beide. Voller Wärme und in tiefster Zuneigung.

Viele Meilen weiter östlich waren in der Metropole die Vorbereitungen für Famas Triumphzug auf Hochtouren im Gange. Nach einem glamourösen Einzug in die Stadt sollte Fama in der großen Arena empfangen werden, in der zu Ehren ihres Sieges ein gigantisches Spektakel stattfinden würde. Die kommissarische Statthalterin Helena wollte mit dem Schauspiel nicht nur Famas Rückkehr feiern sondern auch sich selbst ein Denkmal setzen, denn sie würde zukünftig die ehemalige Hauptstadt leiten, während Fama das gesamte Reich von der Metropole aus reagierte, und war damit die zweithöchste Dame im Lande.

Helena, in ein Boden langes, aufgeputztes Krepp-Kleid geschmückt, inspizierte mit einer kleinen Delegation die Vorarbeiten und Abläufe in der Metropole und ließ sich erläutern und berichten, welche Arbeiten bereits geschehen, welche dagegen noch zu tun seien. Helena hatte sich frischweg an die Macht gewöhnt, die sie als kommissarische Statthalterin innehatte. Zukünftig würde sie in der alten Hauptstadt das Sagen haben. Sie träumte von großen Büsten und Statuen ihrer Person, die sie würde aufstellen lassen. Fama wäre weit weg. Nur Helenas Wort würde Gesetz sein im westlichen Land des Kontinents. Sie aalte sich schon bei diesen Gedanken zu ihrer baldigen Macht über Leben und Tod. Das wohlige und überwältigende Kribbeln, das sie dabei verspürte, war wahrlich bezirzend und sinnbetörend.

Ihre Sänfte, die von acht Sklaven getragen sowie von vier berittenen Wächterinnen begleitet wurde, führte sie zur Arena der Metropole. Am großen Torbogen des Hauptportals erwartete sie bereits eine Abordnung von Duxas, von denen sich Helena durch das Gebäude führen lassen wollte. Ob schon die unterirdischen Kerker mit Gladiatoren bewohnt waren, die zu Ehren der rückkehrenden Fama kämpfen sollten? Helena wollte sich überraschen lassen. Ihr war das Programm nur teilweise bekannt. Was wäre das Leben ohne Überraschungen? Sie sah vor ihrem inneren Auge die nackten und schweißgebadeten Krieger sich um ihre Gunst messen.

Ein Trio Duxas führte Helena durch den Eingang und zeigte ihr die neuen Mosaiken an den Wänden, die Fama als triumphierende Siegerin über Megara darstellten. Auf einem Bild hielt die siegreiche Fama Megaras Kopf an den Haaren wie eine Trophäe in die Höhe. Der enthauptete Leib der Tyrannin lag zu ihren Füßen im Staub. Ein riesiges Heer aus Kampfsklaven beteten die neue Monarchin knieend an.

Helena nickte anerkennend. Die Künstlerinnen, die das Bild geschaffen hatten, waren talentiert. Vielleicht würde sie auch in der ehemaligen Hauptstadt einige Damen des Kunsthandwerks finden, die ihr behilflich waren, um sie in der Öffentlichkeit angemessen zu präsentieren. Sie wollte sich als markige Imperatorin darstellen. Stärke und Autorität auszustrahlen war unabdingbar. Das Volk durfte ihr dankbar sein für seine Befreiung, aber Helena wusste, dass Dankbarkeit ein dünnes Band war, das schnell riss, wenn der Eigennutz des Volks in Streit damit geriet. Zucht dagegen versagte niemals.

Plötzlich wurde sie aus ihren Gedanken gerissen: Schreie kamen aus einem Gang zu ihrer Linken. Eine Duxa winkte vier Wachen zu, die sich flugs auf den Weg machten, um nachzuschauen, was da wohl vor sich ging. Die gerüsteten Frauen hatten ihre Hellebarden in Kampfstellung gebracht und stürmten in den Gang. Doch nach wenigen Schritten blieben sie schmunzelnd stehen: Eine uniformierte Frau, die nach ihrer Kleidung eine Kolonnenwächterin war, vergnügte sich mit einem Leibeigenen, der über einen Steinquader gebeugt stand. Die Wachfrau hatte sich einen ledernen Liebesstab umgeschnallt und verwöhnte den Mann damit von hinten mit rabiaten Stößen. Dabei zwirbelte sie dessen Brustwarzen hart zwischen ihren Fingern.

„Was ist hier los?“, rief eine der Gerüsteten streng. Erschrocken ließ die Wächterin von ihrem Lustobjekt ab und erstarrte in Habachtstellung. „Dieser Sklave hat eine Bestrafung verdient. Er hat... einen Ziegel zerbrochen.“ In Gedanken fügte sie dazu: „Nachdem ich ihm einen kräftigen Tritt in seinen Arsch gegeben habe und er zu Boden gegangen ist. Aber solche Lahmarschigkeit kann ich ja nun auch nicht dulden!“ Die Wachen nickten. Die Anführerin meinte: „So sei es. Aber das nächste Mal seid Ihr leiser! Helena ist anwesend!“ Die Wächterin schluckte. Präfektin Helena? Hoffentlich gab das keinen Ärger wegen der Belästigung.

Sie kramte in ihrem Lederbeutel, den sie an ihrem Gürtel trug, nach ein paar Münzen und reichte sie den Frauen. Die Wachen nahmen sie jedoch nicht entgegen. Stattdessen zeigte eine von ihnen mit ihrer Hellebarde auf das Gemächt des Sklaven, das zwischen den Schenkeln baumelte. „Ich will das da als Andenken haben. Dann soll Helena nichts erfahren.“ Die Wächterin zog ihren Dolch aus der verzierten Leder-Scheide an ihrem mit Nieten besetzten Wams und packte dem Sklaven zwischen die Beine. Die Schenkel zitterten wie Espenlaub. Einen Wimpernschlag vor dem Endgültigen rief die Anführerin: „Ach, das wird nicht nötig sein.“ Die Wachen der Statthalterin machten kehrt und verschwanden leise kichernd in dem Gang.

Die Wächterin der Sklavenkolonne drehte sich zu ihrem Sklaven um und ranzte ihn leise an: „Wegen dir habe ich beinahe Ärger bekommen. Das wirst du büßen, du Wurm!“ Sie riss den Lendenschurz des Mannes, der auf dem Boden lag, in lange Streifen, zog den Kopf des Sklaven an den Haaren in den Nacken, stopfte ihm den Stoff in den Mund und band ihm mit dem letzten Streifen den Knebel fest im Nacken zusammen. „Sei froh, dass ich dir nur Stoff in dein dummes Maul stopfe, du Nichtsnutz!“

Als die Wächterin mit ihrem Sklaven fertig war, stieß sie ihn grob zurück zur Kolonne, die in einem Ledergeschirr gerade eine gewaltige Marmorsäule über den fest gestampften Lehmboden zogen. Einige der Leibeigenen musterten den Kameraden mitleidig, anderen war die Schadenfreude ins Gesicht geschrieben. Sie wussten genau, was geschehen war. Die Wächterin hatte ihn nicht zum ersten Mal in eine dunkle Ecke gezerrt. Die Uniformierte ließ ihre lange Lederpeitsche über den Köpfen der Männer knallen und erwischte manchmal auch gezielt den einen oder anderen nackten Hintern, wenn jemand aus dem Takt kam.

Besonders einen Sklaven hatte sie auf dem Kieker. Der Leibeigene, der sie beinahe in eine Misere gebracht hatte. Seine Zunge war wohl recht geschickt gewesen, erinnerte sie sich mit einem Schmunzeln, doch seine Schreie eindeutig zu laut, obwohl sie ihm doch nur den ledernen Luststab tief zwischen die Backen gerammt hatte. Also hatte er ein paar Küsse mit der Geißel als Ansporn verdient. Zu große Güte war stets die Springquell verruchten Verhaltens, dem sie Abhilfe schaffen musste. Wenn die Götter es wollten, würde er so geläutert sein und zu einem besseren Sklaven werden.



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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:26.02.21 18:05 IP: gespeichert Moderator melden


Helena wurde auf die große Tribüne geführt, wo sie neben Fama würde sitzen dürfen. Der Boden der prächtigen Loge war bereits mit feinem rotem Teppich belegt. Die bequemen Sessel zeugten von erlesenem Geschmack und standen an ihrem Platz. Einige weitere Sitze waren für Ehrengäste reserviert. Im Hintergrund war eine Wand mit einem großen Banner bedeckt. Es war das Wappen der Metropole zu sehen. Peinlich genau waren sämtliche Ähnlichkeiten zu Megaras Wahrzeichen vermieden worden. Alle ihre Fahnen, Flaggen, Symbole, Siegel und Abzeichen waren verbrannt worden, Mosaike und Statuen zerstört. Natürlich auch die Embleme auf allen Uniformen. Wer noch mit Megaras Zeichen erwischt wurde, der musste mit drakonischen Strafen rechnen.

Mit den Fortschritten zur großen Siegerparade war Helena zufrieden. Die meisten Arbeiten waren erledigt. Sie würde Fama in einem offiziellen Akt zum Sieg über Megara gratulieren und sie öffentlich zur neuen Herrscherin des Alten Kontinents krönen. Die neue Regentin war mit einem großen Kriegstross auf dem Wege in die Metropole. Etwa ein Viertel ihrer Streitkräfte begleiteten sie, der überwiegende Teil jedoch blieb in der ehemaligen Hauptstadt, um die Belagerung Megaras Bollwerk sicherzustellen und den Wiederaufbau der Stadt zu gewährleisten.

Inzwischen wurde den Sänftenträgern ihr Gestell immer schwerer, obwohl Helena längst nicht mehr darin saß. Allerdings machte die Statthalterin auch nur einen Bruchteil des Gewichts der pompösen Konstruktion aus. Doch die Sklaven wagten es nicht, die Sänfte abzustellen. Wenn die Füße des Tragesessels staubig würden, könnten sie zur Rechenschaft gezogen werden. Einer der Männer streckte ächzend seinen Rücken durch. Seine Muskeln brannten und sein sonst so fester Griff, mit dem er gewöhnlich Hufeisen verbiegen konnte, gab mehr und mehr in seinen schwitzigen Händen nach. Ein furchteinflößender Gedanke durchzuckte ihn: Was war, wenn er den Griff verlor, während Helena auf dem Heimweg war? Bei acht Trägern würde es nicht direkt zum denkbar größten Unheil führen, doch würden die Wächterinnen dies bemerken, so gäbe es Hiebe auf sein bereits geschundenes Hinterteil.

Der wilde Dschungel des Ostkontinents war gewöhnlich durchwirkt von Vogelgesang und diversem Geschrei unterschiedlicher Tiere. Doch Phoibe und ihre Jägerinnen lauschten jäh einer beängstigenden Stille. Sie lagen auf der Lauer wie Raubtiere und warteten darauf, dass sich der Troll zeigte. Und tatsächlich: Dumpfe Schritte waren zu hören, die durch den Wald stampften. Fast glaubten die Frauen, der Boden erzitterte von den schweren Schritten eines gigantischen Wesens, dass sich auf sie zu bewegte. Die Jägerinnen hielten den Atem an. Was kam da auf sie zu? Die einzigen sonstigen Geräusche waren die gedämpfte Laute, die der geknebelte Sklave von sich gab, den sie als Lockvogel auf der kleinen Lichtung an den Stamm einer abgestorbenen Pinie gewickelt hatten. Und dann erschien das Monster.

Die Frauen starrten mit offenen Mündern auf das Wesen: Ein fast doppelt so groß wie ein Mann aufragender Gigant, bestehend nur aus brutalen Muskelbergen mit unglaublichen Ausmaßen unter einer festen, dicken, lederartigen Haut. Seine Breite und Haltung wirkten wie die eines Affen, doch seine Gesichtszüge ähnelten mehr einem Menschen. „Der Troll“, hauchte Phoibe ehrfurchtsvoll. Sie hatte also Recht gehabt. Die Erzählungen waren wahr. Der Koloss bewegte sich brummend, grunzend und grollend auf den gefesselten Sklaven zu, der hektisch und in Todesangst an seinem Stamm zappelte, an den Seilen zerrte und kläglich schrie. Er wusste, dass das Ungeheuer jeden Augenblick Hackfleisch aus ihm machen konnte.

Und dann geschah es: Wenige Schritte vor dem Stamm krachten die dünnen Äste, die die Fallgrube verborgen hatten, entzwei, splitterten und ließen den aufbrüllenden Troll hinabstürzen. Auch, wenn er mit seinen gewaltigen Armen herumfuchtelte, konnte er den Rand der Falle nicht mehr ergreifen und fiel in sein tiefes Gefängnis. Phoibe betete zu den Alten Göttern, dass der Troll die über fünf Klafter nicht hinaufspringen konnte. Doch trotz allen Respekts vor der Bestie winkte sie die Jägerinnen hervor, die sich mutig mit ihr der Grube näherten und sie einkreisten. Der Anblick war atemberaubend: Das Monster bleckte seine gewaltigen Zähne, brüllte so laut, dass die Ohren der Frauen schmerzten und der Boden zu vibrieren schien. Auf Phoibes Befehl spannten sechs Jägerinnen ihre Bögen mit speziellen Pfeilen, die statt einer Spitze nur eine Nadel aufwiesen, die zuvor in eine Rezeptur aus Mohnsaft und weiteren Zutaten getaucht worden war.

Phoibe wollte den Troll damit in einen tiefen Schlaf schicken, doch das Vorhaben misslang. Die Stiche machten das Biest nur noch wilder. Es tobte in der Grube und prallte von den Wänden ab. Es schlug auf die Seiten der Grube ein und versuchte an den Wänden empor zu klettern. Die Fingernägel hinterließen tiefe Spuren wie von einer überdimensionierten Raubkatze. „Neue Ladungen!“, rief Phoibe und griff selbst nach einem Bogen, spannte den Pfeilschaft aus Eschenholz mit der Nadel an seiner Spitze und ließ das Geschoss zischend auf den Troll los. Weitere Treffer folgten. Rasend vor Wut tobte das Vieh in seiner Grube. Als Phoibe schon befürchtete nicht genügend Spitzen zu besitzen, gab das Ungetüm endlich nach und wankte, wurde ruhiger, wirkte schläfrig, wankte mehr, sackte mit einem tosenden Donner auf die Knie und kippte dann zur Seite. Mit einem Krachen, das die Erde erbeben ließ, landete es ausgebreitet auf dem Boden des tiefen Lochs.

Erst jetzt hatten die Jägerinnen Zeit, sich den Fang genauer anzusehen. Bis auf die fliehende Stirn und die lederne Haut, die gigantischen Muskeln und die etwas zu langen Arme, sah der Troll aus wie ein übergroßer Mann. Wie ein nackter Mann, wurde Phoibe bewusst und starrte auf das Gemächt. „Allmächtige Götter!“, hauchte sie. Auch die anderen Frauen starrten nun auf den Liebesstab, der eher ein Liebesstamm war: über eine Elle lang und dicker als ein Männerarm. Und dann lagen da noch zwei melonengroße Kugeln, die den Samen des Untiers enthielten.

Eine ganze Weile starrten die Frauen auf das Monstrum hinunter, bis sie die dumpfen Geräusche des gebundenen Sklaven hinter sich wahrnahmen und ihn befreiten. Phoibe befahl: „Bevor wir den Troll in Eisen schlagen, müssen wir sicher sein, dass er bewusstlos ist. Werft den Sklaven da zu ihm hinab!“ Der nun nicht mehr geknebelte Mann schrie los: „Nein! Herrin! Bitte nicht! Bitte! Lasst mich nicht sterben! Mein Name ist Euklid und ich...“ Und schon im nächsten Augenblick stießen ihn zwei Jägerinnen über den Rand.

Der Sklave stürzte mit wirbelnden Armbewegungen auf den Troll zu und landete weich auf dessen Bauch. Der Leibeigene sprang auf wie von der Tarantel gestochen und presste sich ängstlich mit dem Rücken an eine Wand, um dem Troll möglichst weit aus dem Wege zu sein. Trotzdem war ein Fuß des Riesen nur wenige Handbreit von ihm entfernt. Der zitternde Sklave atmete hechelnd und starrte abwechselnd auf den Troll und nach oben zu den Frauen, die neugierig hinabspähten.

Auf dem Alten Kontinent schnaubte Megara: „Das ist… Blasphemie!“ Die Majordoma verzog verkrampft ihre Mundwinkel. „Es tut mir Leid, höchste Göttin Megara. Aber es lässt keinen anderen Schluss zu. Wir müssen einen Verräter unter uns haben. Sonst wäre des Nachts niemals der Hauptriegel des Tors geöffnet gewesen.“ Die Imperatorin konnte immer noch nicht glauben, was sie da gehört hatte. Konnte es sein, dass einige Soldatinnen so betrunken waren, dass sie einen Balkenriegel vom Haupttor öffneten? Nein! Niemals. Das war Sabotage. Eine Verräterin war in ihren Reihen, die die Möglichkeit eines arglistigen Eidbruchs am Schopfe gepackt hatte. Als sei sie nicht schon genug gestraft vom Schicksal. Megara seufzte tief und ließ sich auf ihren Thron fallen. „Befragt sämtliche dafür in Frage kommenden Wächterinnen! Und sobald es auch nur den geringsten Verdacht gibt, so soll die Foltermeisterin ihr ganzes Können anwenden, um die Wahrheit zu erfahren.“ Die Majordoma ließ die Tyrannin flink allein, bevor sie noch einen bronzenen Kelch an den Kopf bekam.

Die Befragerin im Kellergewölbe der Festung trug eine obsidianfarbene Filzhaube wie eine Henkerin. Auch ihre restliche Kleidung war schwarz. Sie war eine Meisterin des „Grillens“, der „Würgeschraube“ und des „Riemenschneidens“. Sie hatte naiv nach den Prügelsklaven der Soldatinnen gefragt, aber die Majordoma hatte sie angeblafft: „Ihr befragt die Wächterinnen höchstselbst!“ Ihr Ehrenkodex verbot zwar solche Methoden gegenüber Weibern, doch Megaras Befehle waren unbedingt zu befolgen. Meist war schon der Anblick der Zangen, Gabeln, Käfige, Schrauben, des Kohlebeckens und des großen Kessels über dem Feuer genug, um ein Geständnis zu erhalten.

Megara zog sich in ihr Harem zurück und ritt einen ihrer Liebesdiener, während sie sich vorstellte, was sie alles mit der Ketzerin machen würde: pfählen, köhlern… ach, es gab so vieles… Ein Leben war einfach zu wenig dafür. Leider. Hatte sich das Schicksal gegen sie gewendet, weil sie sich als Göttin ausgerufen hatte? Schauten gar die Alten Götter voll Neid auf sie und ihr Reich?

Als die Sonne am nächsten Tag über den Hügeln aufging, war die Anzahl der Verdächtigen auf eine Schicht begrenzt worden. Es kamen nur noch vier Soldatinnen in Frage. Die Wahrheit offenbarte, dass die vier Damen betrunken eingeschlafen waren und nicht bemerkt hatten, dass der Torbalken, der bei jeder Dienstzeit kontrolliert wurde, nicht richtig eingehakt gewesen war. Bei der Größe des Kantholzes hätte dies leicht auffallen können; da die Damen aber dem berauschenden Wein so gut zugesprochen hatten, war es unbemerkt geblieben.

Schließlich kam die letzte Gewissheit ans Licht, denn keine der Wächterinnen wollte genau erfahren, wie weit die Befragerin die Schrauben an Daumen, Füßen und Schädel drehen könnte. Und auch die rot glühenden Zangen und „Brustkrallen“ waren nicht so recht nach ihrem Geschmack. Eilig schüttelten sie alle Widerborstigkeit ab und gaben ihren Trunk zu. Noch hatten sie nicht leiden müssen. Jetzt konnten sie nur noch hoffen, dass die Nachforscherin ihnen glaubte und sie vor weiteren „Untersuchungen“ bewahrte. Aber Megaras Urteil würde noch folgen. Sollten sie trotz Geständnis am Galgen über den Festungsmauern baumeln? Gnadenakte passten nicht so recht zu der Tyrannin.

Den vier Wächterinnen wurde ansichtig: Ein Sündenbock musste her. In einem unbeobachteten Moment, als ihnen die Gunst des Schicksals zusprach, vereinbarten sie eine Mär über einen Kampfsklaven, der mit einem Kameraden ein Weinfass über den Hof transportiert hatte und gegen den Balken gestoßen war, so dass dieser aus der Halterung gesprungen war. Die Soldatinnen gaben zu, dass sie zu dieser Zeit völlig benebelt waren und die beiden Sklaven auch nur vage bemerkt hatten, wie sie gegen das Tor gerumpelt waren.

Die Schergin gab sich mit dieser etwas faden Aussage zufrieden. Doch Megara tobte: „Bringt mir das schuldige Gewürm!“ Aber dies stellte sich als schwierig heraus, denn keine der Küchenangestellten konnte feststellen, dass ein Weinfass fehle oder gar befohlen worden sei, dass Sklaven eine Eichentonne hatten transportieren sollen. Die Tyrannin tobte noch mehr und forderte sämtliche Sklaven zu einer strengen Kontrolle. Und nun war es an der Majordoma, ihre Herrin davon zu überzeugen, dass mehrere Hundertschaften nicht verhört werden konnten. Megara ließ allerdings nicht locker und keifte: „Dann lobe eine Belohnung aus! Verkünde, dass derjenige, gleich wer es ist, einen Beutel mit 25 Goldmünzen erhält, wenn er mir den oder die Schuldigen bringt. Sollte der Hinweisgeber ein Kampfssklave sein, so erhält er außerdem die Freiheit und auch die Erlaubnis, die Zitadelle zu verlassen, wenn er es denn will.“

Der Majordoma blieb der Mund offen stehen. Dann sagte sie: „Höchste Göttin Megara, dies ist sehr großzügig, doch bedenkt, dass damit Tor und Tür für Denunziantentum geöffnet wird. Jeder, der seinem Nachbarn etwas schuldig ist, wird diesen benennen. Es werden hunderte Meldungen täglich…“ Megara schnitt ihr das Wort ab: „Ruhe!“ Die selbsternannte Allmächtige spritzte der Majordoma ihren Rotwein ins Gesicht. „Meine Entscheidung ist gefallen. Vergiss nicht, dass ich Deine Göttin bin! Willst du die Gebote und Gesetze einer GÖTTIN in Frage stellen?“ Die Majordoma verneigte sich demütig: „Freilich nicht, höchste Göttin Megara.“ Die Herrin verzog ihren Mund zu einem humorlosen Lächeln. „Dann geh und verkünde mein Wort!“

Die geflüchtete Exsenatorin Kerbera saß mit ihrem Liebesdiener Cain in ihrer Kammer und vertilgte das Frühstück, dass ihnen eine Magd gebracht hatte: frisches Brot, Milch, Käse und Schinken, dazu Hühnereier. Sie stellte sich gerade vor, wie die Zitadelle ihrer Erzfeindin bis auf die Grundfesten niederbrannte. Plötzlich klopfte es an der Tür. Cain, der demütig vor Kerbera kniete, sprang auf und rief mit lauter Stimme: „Herein!“ Eine kleine Magd erschien in ihrem schmutzigen Rock und mit grauer Haube und fragte, ob alles zu seiner Zufriedenheit sei. „Danke, es mundet vorzüglich“, antwortete Cain und nahm sein „Weib“ in den Arm, um es zu knuddeln. „Nicht wahr, Weib?“ Kerbera zog geräuschvoll die Luft durch die Nase ein. „Ja, mein Eheherr“, sagte sie und lächelte ihn an. Ihre Mundwinkel schienen ihr dabei schwer wie Hinkelsteine. Cain fügte noch leicht spöttisch hinzu: „Ach, sei so gut und hilf mir in meine Stiefel. Mein Weib ist zu schwach für solche Aufgaben.“

Die Maid bückte sich dienstbeflissen und zog, schob und zerrte an den Stiefeln, dabei angestrengt stöhnend, bis sie schließlich perfekt saßen. „Habt Dank. Noch eine Frage sei erlaubt. Weißt du, ob hier an der Küste ein Broterwerb für mich oder mein tüchtiges Weib zu finden ist?“ Die Magd überlegte kurz. „Die Fischer sind schon alle unterwegs. Sie werden erst in mehreren Wochen zurückkehren. Aber in der Küche und im Stall ist immer genug zu tun. Dein Weib kann gern der Bäuerin zur Hand gehen. Wenn sie zufrieden mit ihr ist, bekommt ihr Kost und Logis von ihr.“

Kerbera wollte gerade etwas entgegnen, da antwortete Cain frischweg: „Das ist ja wunderbar. Weib, geh direkt mit ihr mit und lass dich zur Bäuerin führen.“ Kerbera pochte das Herz bis zum Hals vor Wut. Aber sie schaffte es, ihren „Eheherrn“ ganz ohne Verdrossenheit anzulächeln und gehorsam zu antworten: „Gewiss.“ Als sie der Magd folgte, warf sie einen Blick zu Cain zurück, der ihn schlucken ließ. Doch er grinste Kerbera unverschämt an. Die Rolle als freier Recke und Mann gefiel ihm immer besser. Und wenn sie nicht auffallen wollten, dann mussten sie fleißig arbeiten wie alle anderen Bewohner der Küste auch. Cain brach sich ein Stück Brot ab und ließ es genießerisch in den Mund gleiten. Ein wenig Tun und Schaffen würde Kerbera nicht schaden.

Kurze Zeit später stiefelte Cain in den Schankraum des Hofes hinab und ließ sich einen Krug Met servieren. So eine kühle Erfrischung tat bei der Hitze richtig gut. Die Magd brachte Kerbera derweil zur Bäuerin, die murrte: „Klappst du mir nicht zusammen, Mädel?“ Sie griff Kerbera an den Oberarm, um ihre Muskeln zu fühlen und schnaubte missmutig: „Du bist dürr wie ein vertrockneter Zweig. Kannst du Bast flechten?“ Kerbera fragte verwirrt: „Flechten?“ Die Bäuerin fasste sich an die Stirn, als bekomme sie Kopfweh. „Kannst du denn wenigstens einkochen?“ Kerbera räusperte sich. „Ich… Ich könnte… Ich könnte Eure Stallburschen und Knechte an der Waffe ausbilden.“ Die Bäuerin sah für einige Augenblicke wie erstarrt zu ihr, dann lachte sie aus vollem Hals: „Ein Weib, dass meine Mannsbilder an der Waffe ausbilden will! Bist du völlig närrisch, Weib? Geh, und fege den Hof! Danach meldest du dich in der Küche. Es müssen Rüben und Zwiebeln geschält werden. Und anschließend hilfst du bei der Blutwurst. Aber wage es nicht, schlapp zu machen! Sonst geht dein Magen heute Abend leer aus!“

Kerbera schluckte ihren Zorn auf die Bäuerin hinunter. Er lag nun schwer wie Dutzende Wackersteine in ihrem Bauch. Aber sie durfte ihre wahre Identität trotz dieses frevelhaften Verhaltens dieser alten Ziege auf keinen Fall lüften. Wer wusste schon, wie viel Macht Megara noch besaß, und ob nicht doch ihre Schergen auf Menschenjagd nach Westen geritten waren. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als weiterhin gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Phoibe kam mit einem Aufsehen erregenden Aufgebot in die Metropole geritten. Ihre Sklavenjägerinnen flankierten einen gewaltigen Ochsenkarren, vor den sechs der schweren Tiere gespannt waren. Auf der Ladefläche war ein riesiger Käfig verankert. Hinter dem Karren marschierten 45 Sklaven, deren Halsbänder mit Ketten verbunden waren. Jeweils fünf von ihnen liefen nebeneinander. Phoibe hatte Sklaven als Ruderer ihrer Galeeren benötigt. Einen Großteil der Schiffssklaven waren im Hafen geblieben, doch eine Auswahl hatte sie als Arbeitseinheiten mitgenommen auf die beschwerliche Reise.

Helena wollte sich das Ereignis nicht entgehen lassen und ritt persönlich mit einer Ehrenabordnung der Sklavenjägerin entgegen, um den besonderen Fang zu begutachten.
Und als sie schließlich, eingerahmt von vier Reiterinnen mit dem neuen Banner der Fama, bei Phoibe ankam, erstarrte Helena vor Überraschung und Bewunderung. Sie hatte ein großes Untier erwartet, aber dieser Troll war unvorstellbar gewaltig. Er brüllte und rüttelte an den massiven Eisenstäben seines Käfigs, seine Muskeln spannten sich wie Berge unter der dicken Haut, Adern traten wie Schlangen hervor, sein Maul öffnete sich geifernd weit und ließ mächtige Hauer und spitze Dolche aufblitzen, aus denen seine Zahnreihen bestanden.

Helena sah das Ungetüm in ihrer Vorstellung bereits in der Arena, wie es gegen ein Dutzend Kampfsklaven wütete und den Edelfräuleins auf den Rängen und vor allem Fama auf der Tribüne Begeisterungsrufe entlockte. Damit würde sie sich höchsten Respekt bei Fama erwerben und mit großen Machtbefugnissen als künftige Statthalterin der ehemaligen Hauptstadt im Westen ausgestattet werden. Das musste ihre Zukunft sein. So stand es im Buch des Schicksals geschrieben. Sie war zu Hohem berufen. Nachts hatten Orakelstimmen es ihr verkündet.

Ceres, eine reputierliche Sklavenhändlerinnen des Reiches, hatte ebenfalls bereits von dem Fang ihrer Bekannten gehört und erwartete voller Ungeduld den angekündigten Kampf in der Arena. Sie hatte einige kräftige Kämpfer ausgewählt, die gegen den Koloss antreten sollten. Das würde ein einmaliges Spektakel! Ein Gladiatorenwettkampf mit Netzen, Piken, Streitkolben, Morgensternen und allerlei Klingen. Und letztlich würden ihre Kämpen die Bestie in die Knie zwingen.







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+++ Die gemeine Miriam +++ Das Unzuchts-Komplott +++ Im Reich der Megara +++ Die Nachtschicht seines Lebens +++ Optional Genetics +++ Venus +++ Regina +++ Inkasso +++
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:10.03.21 20:09 IP: gespeichert Moderator melden


„Land!“, krächzte Zelos. „Da ist Land!“ Er zeigte aufgeregt mit gestrecktem Arm in eine Richtung zum Horizont. Leda, Hagbard und Nike blickten auf. Seit Tagen waren sie mit nur wenigen Resten des Proviants durch ein fast spiegelglattes Meer geirrt. Nur eine leichte Strömung hatte den durchlöcherten Korb vorwärts getrieben. Ständig hatten die Männer Wasser aus dem Korb schöpfen müssen. Seit gestern war das Trinkwasser verbraucht. Nach dem wilden Unwetter war eine Flaute eingetreten, die auch die unbarmherzige Sonne wieder vom Zenit hinab stechen ließ. Die geschwächten Personen, die noch vor wenigen Augenblicken kraftlos auf ihren Plätzen gelegen oder gesessen hatten, standen nun aufrecht und konnten ihren Augen nicht trauen: Der Alte Kontinent! Die Heimat hatte sie wieder!

Mit letzten Kraftreserven paddelten sie mit Brettern, die zu der Korbkonstruktion gehörten und sich beim Sturm beinahe abgelöst hatten, Richtung rettendes Land. Die nächsten Stunden wurden zur gefühlten Ewigkeit. Nur langsam kamen sie der Küste näher. Trotz all der Euphorie zeigte Leda eine instinktive Vorsicht. Was war, wenn das Unwetter sie zurückgeführt hatte? Wenn sie erneut am Westkontinent angekommen waren? Konnten die Alten Götter so grausam sein?

Nein, schalt sie sich im nächsten Moment nach ihren Zweifeln. Dem Sonnenstand nach musste es sich um eine Westküste handeln. Aber waren sie wirklich in der Heimat? Und wie gefährlich war ein Landgang? Würde Megara sie sofort gefangen nehmen und einkerkern? Während Hagbard und Zelos paddelten, grübelte Leda über ihre Zukunft nach. Was würde sie am Strand erwarten?

Endlich erreichten sie festen Boden und fielen völlig erschöpft auf das nasse Ufer, über das leichte Wellen flossen. „Wir benötigen als allererstes Süßwasser“, stellte Leda mit trockenem Mund und aufgedunsener Zunge fest und schickte Hagbard und Zelos ins Landesinnere, um nach einem Bach oder einer anderen Quelle zu suchen. Leda sah sich derweil an der Küste um. Ihr kam nichts bekannt vor. Waren sie doch vom Kurs abgekommen?

Doch als Hagbard und Zelos um die Mittagssonne herum zurückkehrten und von einem See erzählten, brachen Leda und Nike hoffnungsvoll mit ihnen auf und folgten ihnen. „Es muss sich um den Alten Kontinent handeln“, war sich Hagbard sicher. „Die Pflanzen und Bäume, die Landschaft… Alles sieht nach der Westküste aus. Ich bin als junger Bursche dort aufgewachsen.“ Das Quartett erreichte den See und sprang freudig in das erfrischende und klare Wasser und trank sich satt. Noch eine ganze Weile später waren sie am Ufer zwischen dem hohen Schilf und überlegten, wie sie nun vorgehen sollten. Konnte Leda wirklich hoffen, das Reich zurück zu gewinnen? Mit drei Gefolgsleuten? Eher nicht… Aber ihr Stolz ließ es auch nicht zu, sich vor Megara zu verstecken und ein Leben als ihr Knie beugende Untergebene oder Gejagte zu führen.

„Wenn wir überhaupt irgendwo Freunde finden, dann hier an der Westküste. Die Fischer der Gegend waren schon immer sehr eigenwillig. Ich glaube nicht, dass Megaras Macht bis hier durchdringt. Vielleicht finden wir hier einige Recken, die sich uns anschließen.“ Hagbard war skeptisch: „Eine winzige Gruppe will gegen die gesamte Armee der Tyrannin kämpfen? Wollt Ihr das wirklich, Majestät?“ Leda seufzte resignierend. Ihr Berater hatte wohl Recht. Sie würde ein Leben im Verborgenen fristen. Wie schändlich! Warum war sie überhaupt zurückgekehrt? Wäre sie doch auf dem Westkontinent geblieben.

„Wer seid ihr?“, rief jäh eine Stimme hinter ihnen. Die Vier drehten sich erschrocken um: Ein Mann in Jägerkluft aus Wildleder und mit zahlreichen Fransen verziert stand vor ihnen. Leda glaubte, einen Bewohner der Küste vor sich zu haben und antwortete daher: „Wir kommen von weit her und sind mit unserem Boot auf dem großen Ozean gekentert. Könnt Ihr uns den Weg zu einer Siedlung zeigen?“ Der Jäger nickte. Er trug einen Langbogen und einen Pfeilköcher auf dem Rücken. An seinem breiten Gürtel steckte ein großes Jagdmesser. „Ich führe euch in mein Dorf. Woher stammt Ihr? Irgendwoher kenne ich Euer Gesicht, Weib.“ Leda entgegnete ausweichend: „Das ist eine lange Geschichte. Ich erzähle sie Euch vielleicht später.“

Der Jäger führte die Vier in strammem Schritt hinter sich her durch einen Wald und einen Hügel hinauf. „Ihr seht ausgemergelt aus. Ich werde euch eine Mahlzeit aus feinstem Wildbret auftischen. Mein Weib bringt euch wieder zu Kräften.“ Leda räusperte sich: „Wir haben all unseren Besitz verloren. Wir können Euch nicht bezahlen.“ Der Jäger lachte. „Folgt mir zu meiner Hütte. Ihr müsst keine Zeche zahlen. Ihr seid meine Gäste.“ „Habt tausend Dank, Fremder. Wie heißt denn unser großzügige Gastgeber?“, fragte Leda. „Man nennt mich Schleichfuß. Aber eigentlich heiße ich Arcanum. Und wie werdet ihr gerufen?“ Leda stellte Hagbard, Nike und Zelos vor. Dann nannte sie auch ihren Namen. Arcanum grinste. „Leda… Wie unsere frühere Königin?“ Leda bekam rote Flecken an Hals und auf den Wangen und nickte eilig wie eine schüchterne Magd, schaute zur Seite und wechselte das Thema.

Unterwegs fragte Leda nach Megara. Der Jäger schnaubte verärgert: „Ich hoffe, Ihr seid keine Anhänger dieser niederträchtigen Despotin! Bis hier hat ihre Macht nie gereicht. Hier sind die Mannsbilder noch freie Geschöpfe! Und auch diese Revolutionärin aus dem Osten wird hier nichts zu sagen haben!“ Leda horchte auf. „Was für eine Revolutionärin?“ Der Jäger brummte: „Lasst Euch alles im gemütlichen Heim beim wärmenden Feuerschein berichten. Aber nun legt einen Schritt zu, sonst erreichen wir meine Behausung nicht vor der Dunkelheit.“ Sein letztes Wort sprach er aus, als fürchte er den Sonnenuntergang. Als sorge er sich um Geisterwesen, die nachts hervorkrochen und Böses im Schilde führten.

Die Gefährten mussten sich anstrengen, um dem Jäger zu folgen. Ihre Muskeln schmerzten von den Strapazen der vergangenen Tage und schrien förmlich nach einer Rast, doch der Weg zum nächsten Strohbett war noch lang. Hin und wieder blieb Arcanum stehen und lauschte in die Baumwipfel. Wonach er horchte, blieb den anderen ein Rätsel. Sie hörten nur vereinzelt Vögel zwitschern und den sanften Wind durch die Blätter rauschen.

Es herrschte eine seltsame Atmosphäre, als sich Helena und Phoibe begrüßten. Die Frauen forschten misstrauisch in den Augen der anderen, ob da nicht irgendwo ein Zeichen des Verrats zu sehen war. In diesen unruhigen Zeiten musste man vorsichtig sein. Niemand traute dem Gegenüber über den Weg. Der Tross bewegte sich langsam in die urbane Bebauung. Große Banner wehten im Wind. Die Rüstungen der Soldatinnen glänzten in der Sonne silbrig. Den Frauen der Phoibe war anzusehen, wie stolz sie auf ihren Fang waren. Und auch Helena musste anerkennen, dass die Sklavenjägerin etwas ganz Besonders erbeutet hatte.

Je näher sie der Metropole kamen, desto größer wurde der Andrang der Neugierigen, die den Weg säumten. Mehr und mehr Menschen drängten sich um den Trupp, um einen Blick auf den sagenumwobenen Troll zu erhaschen. Und trotz der Gefangenschaft des Ungeheuers wagten nur die Wenigsten sich dicht heran. Der Troll sollte in die Katakomben unter der Arena gebracht werden. Ein eigener Kerker war bereits für das Ungetüm errichtet worden. Das Gewölbe war mit ungewöhnlich massiven und dicken geschmiedeten Gittern verstärkt. Die Schmiede hatten behauptet, dass selbst ein Drache sicher darin untergebracht werden könnte.

Innerhalb der Stadtmauern waren die gepflasterten Straßen und Gassen gefüllt von Personen, die das Untier erleben wollten. Hunderte Schaulustige begafften den Troll in seinem großen Käfig, der ihnen wutentbrannt zubrüllte. Erschrocken wich die Menge einen Schritt zurück, um dann wieder näher die Köpfe neugierig in Richtung Karren zu recken. So brachten die Soldatinnen das Monster in die Kellergewölbe der Arena in sein neues Zuhause. „Womit sollen wir es füttern?“, hatte eine Wächterin gefragt, als sie das Biest ehrfurchtsvoll betrachtete. Eine andere Wachfrau meinte: „Der Troll wird sich über einige Bratenstücke freuen. Oder wir bringen ihm eine lebende Ziege. Vielleicht mag er lieber rohes Fleisch…“ Die Soldatin schauderte. Aber sie war neugierig, wie der Troll reagieren würde.

Das zwei Mann große Ungeheuer trottete mit stampfenden Schritten in seinem Kerker umher und schlug mit seinen gewaltigen Armen gegen das dicke Mauerwerk, dass von der Kraft des Gefangenen getroffen bröckelte. An den kräftigen Gitterstäben rüttelte der Troll so brutal, dass die Soldatinnen schon Angst hatten, das Eisen würde herausreißen oder verbiegen, doch das geschah glücklicherweise nicht. Es hielt selbst den gewaltigen Urkräften dieser Kreatur stand.

„Die Ziege! Bringt die Ziege!“, rief die Wachanführerin. Meckernde Laute schallten durch die steinernen Gänge, als das verängstigte Tier an einem Strick vorangetrieben wurde. Es spürte die Gefahr. Zwei Soldatinnen zwangen den widerspenstigen Bock vor eine niedrige Gittertür neben dem Kerker. Dort trieben sie das Tier mit Lanzen einen engen Gang entlang, der nach wenigen Schritten an einem Fallgitter endete, das genau in der Rückseite der Kerkerzelle des Trolls endete. Im nächsten Moment war das Vieh im Gefängnis des Trolls. Die Bestie drehte sich überrascht um und sah den Bock, der sich ängstlich an eine Wand drückte und meckerte.

Die Soldatinnen erwarteten nun einen animalischen Blutrausch, doch nichts geschah. Hatte der Troll nach der langen Reise keinen Hunger? Stattdessen ignorierte er den Bock, der langsam irgendwie zu spüren schien, dass ihm vom Troll keine Gefahr drohte. Zögerlich näherte er sich dem Koloss und leckte ihm sogar die Pranke. Die Wächterinnen kamen aus dem Staunen nicht mehr raus. „Schafft den Bock raus und bringt mir einen Sklaven!“, befahl die Anführerin. „Mal sehen, ob wir damit den Appetit des Trolls anregen...“ Mit einem Lassowurf zog eine Uniformierte das Tier zum hinteren Eingang und zerrte es eilig aus dem Kerker.

In Vorfreude schmunzelten die Wächterinnen und brachten einen jungen Leibeigenen herbei, dem sie seinen Lendenschurz hinunterrissen und durch den stollenartigen Zugang in die Zelle stießen. Der Mann jammerte und flehte um Gnade, als er sah, wohin ihn sein Weg führte, doch die uniformierten Frauen lachten ihn nur aus und zwangen ihn mit ihren Lanzenspitzen immer weiter bis zum Fallgitter zu kriechen und dann bis in die Zelle hinein. Hinter ihm fiel das Gitter wieder hinab. In der Ferne hörte er die Totenglocke. Galt sie ihm?

Der Sklave zitterte wie Espenlaub, als er vor dem Troll wie ein Wicht stand und fürchten musste, jeden Augenblick zerfetzt zu werden. Doch der Riese setzte sich stattdessen auf das am Boden liegende Stroh und betrachtete den Menschen gelangweilt. Die Wächterinnen wurden langsam ungeduldig. Sie hatten sich kurzweilige Zerstreuung erhofft. Trotzig meinte die Anführerin: „Das Untier wird schon fressen, wenn es hungrig wird. Warten wir einfach ab.“ Damit verließ sie den Kerker mit forschem Schritt. Hinter ihr eilten zwei Wächterinnen mit lodernden Pech-Fackeln her.

„Du auch gefangen?“, grollte der Troll, als die Wachen fort waren. Der Sklave verschluckte sich fast vor Schreck. Das Monster konnte sprechen? „Äh, ja. Ich bin ein Sklave. Wer… Was bist du?“, fragte der Leibeigene mit großen Augen. „Mein Name kannst du nicht aussprechen. Deine Zunge zu dumm. Aber ich bin ein Troll. So nennen mich Menschen. Wir sind alt Geschlecht. Seit Jahrtausenden. Vom Ostkontinent. Doch Amazonen, kriegerische Menschenweiber, jagen und töten uns seit Jahrhunderten. Daher nur wenige von Troll noch da leben.“ Der Sklave runzelte die Stirn. „Aber woher kannst du unsere Sprache sprechen?“ Der Troll antwortete schnaufend: „Wir haben von Amazonen gelernt.“ Der Sklave begriff nicht gleich. „Aber ich dachte, sie seien eure Feinde?“ Der Troll nickte mit seinem großen Schädel. „Auch wir hin und wieder Amazone gefangen…“ Der Sklave schluckte nervös. Da wollte er lieber nicht weiter fragen und wechselte das Thema. „Du weißt, was die Soldatinnen mit dir vorhaben?“ Der Troll nickte erneut. „Ich soll in Arena kämpfen. Gegen Wichte wie du.“ Der Sklave seufzte. „Du wirst dein Leben aushauchen – zur Belustigung der Edeldamen.“ Der Troll grinste und entblößte dabei seine gewaltigen Eckzähne. „Ach was. Ich werde gewinnen.“

Helena plante, den toten Troll nach dem Kampf ausstopfen zu lassen. Diese Trophäe würde sie Fama schenken. Das Monster würde als gigantische Figur im Thronsaal stehen und Famas Macht demonstrieren. Ob sich die Figur wohl besser machte, wenn sie einen Lendenschurz trug? Oder sollte die Präparatorin lieber seine Männlichkeit hervorheben? Helena schmunzelte. Ja, er sollte nackt ausgestellt werden. Es wäre doch eine Schande, wenn die gewaltigen… Helena kicherte in sich hinein. Sie stellte sich den Troll vor, wie er voller Begierde aussehen würde. Sie könnte ihn dann als eine Art Fackelhalter verwenden. Nein, das war natürlich nur Alberei. Aber wenn der Troll nackt kämpfte, könnte er auch nackt als Figur Wache stehen. Wenn nur seine Lenden nicht so dicht mit Haaren bewachsen wären, so könnte die Zier unverhüllter erscheinen. Da kam Helena eine Erleuchtung. Sie rief nach einer Palastwächterin und befahl: „Betäubt den Troll und schert ihm die Lenden!“ Die Uniformierte salutierte und gab den Befehl weiter. Sie war froh, dass sie nicht selbst in den Kerker zu dem Ungeheuer musste. Aber die Rasur würde sie sich nicht entgehen lassen. Begierig, der Prozedur beizuwohnen, ließ sie sich als Wache für den Kerker einteilen.

Vier Bogenschützinnen stellten sich eine halbe Stunde später vor dem schweren Gitter auf und jagten auf das Kommando der Anführerin ihre Pfeile mit der Betäubungstinktur in den Troll. Wütend sprang der Koloss gegen das Gitter, riss sich die kleinen Pfeile aus dem Hintern und den Oberschenkeln, rappelte zornig am Gitter, aber nach wenigen Momenten wankte er und kippte schließlich ins Stroh zu Boden. Der Sklave musste sich durch einen Sprung zur Seite retten, sonst wäre er von dem viele Zentner schweren Ungetüm zerquetscht worden. „Öffnet!“, befahl die Anführerin. Die Soldatinnen befolgten die Anweisung nur zögerlich, denn wer wusste schon, ob der Troll auch wirklich besinnungslos war?

Der Mitgefangene wurde von zwei Wächterinnen mit ihren Hellebarden in Schach gehalten und gegen eine Wand gedrückt. Eine der Frauen hielt ihm die scharfe Klinge unter die Nase, während die andere ihm grinsend ihre spitze Waffe an sein Gemächt drückte. Erst danach wurde die schwere Gittertür entriegelt. Die Anführerin schritt mutig als Erste in den Kerker. Sie stellte sich auf einen der massigen Oberschenkel des liegenden Trolls und holte mit einem Fuß weit aus. Dann trat sie mit voller Wucht in das Gemächt des Riesen. „Seht ihr? Es schläft“, stellte sie zufrieden fest. Nun getrauten sich auch zwei Damen herein, die bereits mit großen Rasiermessern bewaffnet waren und einen Kübel mit heißem Wasser herbei trugen.

Der Troll wurde jetzt seiner Schamhaare beraubt. Erst in der Folge sahen die Wächterinnen die ungeheure Ausmaße seiner Männlichkeit. Nun wirkte sein Luststab noch viel länger. Die Ausmaße eines männlichen Unterarms waren durchaus vergleichbar. Und auch der gewaltige Beutel kam nun zur Wirkung. Während eine Frau nur einen Teil hob, zur Seite drückte oder glatt zog, schabte die andere mit ihrer frisch geschärften Klinge die Haare herunter. „Wenn wir schon dabei sind“, meinte die Anführerin und deutete auf den Sklaven, „schert ihn auch.“ Damit verließ sie den Kerker.

Die Wachfrauen grinsten. Eine der Uniformierten packte ihre Hellebarde mit beiden Händen wie einen Stab quer vor sich und nahm den Gefangenen von hinten in einen Würgegriff. Eine andere wetzte die großen Rasierklingen und begann die Arbeit. „Hoffentlich übersehen wir da nichts Wichtiges“, scherzte sie. „Mit den großen Messern kann ich nicht so genau arbeiten.“ Der Sklave ächzte: „Das sind ja die reinsten Macheten! Damit könnt Ihr doch unmöglich…“ „Schweig still, Sklave!“, befahl die Frau. „Sonst kann ich mich nicht konzentrieren.“ Der Leibeigene getraute sich nicht, sich auch nur eine Fingernagelbreite zu bewegen. Nur seine Lippen zitterten nervös.

Als der Sklave blank vor den Damen stand, lachten sie ihn wegen seiner „Winzigkeit“ aus. Anschließend brachten sie ihn weg. Denn der Troll zeigte offenbar kein Interesse an lebenden Menschen für ein schmackhaftes Mahl. Bald darauf bewegte sich der Koloss gemächlich. Nur langsam kam er wieder zu Sinnen. Außerhalb der Zelle beobachteten ihn fünf Wächterinnen, die immer noch über die riesige Männlichkeit staunten. Als der Gigant so wach war, dass er seine Nacktheit bemerkte, zog er eilig die Beine an und drückte sie entsetzt zusammen. „Ein schamhafter Troll“, gackerte eine der Wächterinnen hallend. Und auch ihre Kameradinnen stimmten ins Gelächter mit ein.



[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von prallbeutel am 10.03.21 um 20:37 geändert
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:16.03.21 17:46 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Prallbeutel,
nach wie vor tolle Geschichte. Bitte weiter so.
GLG Alf
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:17.03.21 17:42 IP: gespeichert Moderator melden



Draußen in den Gassen und Straßen der Metropole gingen die Vorbereitungen für Famas Willkommen zu ende. Helena hatte eine fast 30 Fuß hohe Statue aus mit feinem Golde überzogener Bronze fertigen lassen, die die siegreiche Fama darstellte: Die Figur streckte ein Schwert in die Höhe gen Himmel. Einen Fuß hatte sie auf den Kopf der niederknienden Megara gesetzt, die als in Lumpen gewickeltes Weib um Gnade bettelte und vom Volk bespuckt wurde.

Von einem hohen Torbogen, der über eine gegenüberliegende Straße führte, war das Siegel der Megara abgeschlagen worden. Stattdessen meißelten zwei Sklaven gerade fleißig an dem Mauerwerk, um es zu glätten und anschließend mit Schmucksteinen zu besetzen, die Famas neues Wappen darstellen würden.

Ein Steinwurf weiter, auf einem kleinen Platz vergnügten sich einige Edeldamen beim Sklavenkampf. Rund um die zwei Kontrahenten, standen wettbegeisterte Damen, die ihren Recken anfeuerten. Ein junges Fräulein in einem kostbaren Seidenkleid mit auffälligen Volants und einer Hochsteckfrisur kam dazu und wunderte sich über die ungelenken Bewegungen der nackten Kämpfer. Sie lüpfte keck eine Handbreit ihren Saum, um die Männer zu erregen, aber dann bemerkte sie den Ausdruck einer Adelsdame, die zu den Sklaven zeigte: „Schaut doch! Sie tragen Augenbinden. Sie müssen auf die Anweisungen der Damen hören, um den Gegner zu treffen.“

Das Fräulein machte große Augen, als die Menge auseinander driftete, weil ein Mann bis fast in die Frauen geschleudert wurde. „Tölpel!“, riefen einige Damen, eine wütend, andere erschrocken, und ihre Grimassen bekamen den Stempel von Dümmlichkeit. Noch bevor der andere Leibeigene sich auf den Kontrahenten stürzen konnte, peitschten die Damen mit ihren eleganten Reitgerten auf den Gestürzten ein, so dass sich der Unterlegene freiwillig wieder in die Kampfrunde flüchtete und dort von dem Stärkeren mit einem Hagel Faustschläge gegen den Leib empfangen wurde.

Die junge Zuschauerin wendete sich ab. Solch grobe Brutalitäten waren nichts für ihr zartes Gemüt. Sie schlenderte ein Stück die Straße entlang und blieb fasziniert bei einer Dame stehen, die einen tanzenden Leibeigenen vorführte. Ein zweiter Sklave saß neben der Frau und spielte kunstfertig eine lebendige Melodie auf einer kleinen Holzflöte dazu. Das junge Fräulein freute sich über die eingeübten Bewegungen des schwitzenden Tänzers und beobachtete ihn noch eine ganze Weile. Nachdem ein Musikstück beendet war, gewährte die Besitzerin des Tanzsklaven ihm eine kurze Pause und befreite ihn von einer Kette, die ihn auf seiner Tanzfläche gehalten hatte.

Erst jetzt erkannte das Fräulein, dass unter der metallenen Unterlage glühende Kohlen lagen, die den Boden erwärmten. Das Fräulein stutzte. Bei dieser Tageshitze benötigt der Sklave wärmende Glut? Sie schlenderte kopfschüttelnd weiter und fächerte sich frische Luft zu. Mannsbilder waren so dumm! Aber was sollte man auch erwarten? Männer hatten nicht die Befähigung oder auch nur den Hang dazu, einen anderen Sinn im Leben zu sehen, als dem gehobenen Geschlecht zu gehorchen und zu dienen. Ansonsten, so war das Fräulein sich gewiss, wäre Sklavenhaltung nur Verschwendung von Ressourcen. Schweine und Ziegen konnte man wenigstens braten.

Ihr Fuß stockte an einem bunten Basar. Dort stöberte sie in den edlen Stoffen und Kleidern, betrachtete die vielen Tonwaren, und ganz besonderes Augenmerk erhielt von ihr eine Schmuckhändlerin, die geschnitzte Elfenbeinbroschen und Silberschnallen darbot. Doch am meisten waren dem Fräulein einige Ringe aus Gold an dem Stand ins Auge gesprungen, die sie auch sofort anprobierte. Sie entschied sich für gleich zwei schön geschwungene Modelle, die ein kleines Vermögen kosteten, doch verfügte das Fräulein über genügend Goldmünzen, die sie in einem kleinen Samtbeutel stets bei sich trug, wenn sie in der Metropole unterwegs war, und daher verzichtete sie darauf über den verlangten Preis zu lamentieren.

Auf dem Heimweg in ihre kleine aber luxuriöse und pittoreske Residenz beehrte sie noch eine Händlerin mit einem Besuch und erwarb einen amethystfarbenen Stoffballen, den sie von einem ihrer fünf Sklaven würde abholen lassen. Ihre Männer waren als Schneider, Weber und Teppichknüpfer bei ihr tätig und würden aus dem Stoff Tischdecken nähen, die sie an den Hof der Fama verkaufte. Sie hatte bereits etliche Näharbeiten an reiche Häuser geliefert und war in der gesamten Stadt und Umgebung für kunstfertige Tücher, Bänder, Teppiche und Decken erster Güte bekannt.

Ihre Sklaven hatten ein verhältnismäßig gutes irdisches Dasein bei ihr. Nur selten schwang sie die Rute. Es gab genug zu essen und zu trinken, und sogar eigene Schlafplätze hatten die Kerle. Hin und wieder erhielten sie sogar eine Kupfermünze, wenn ihre Herrin mit ihren Schneiderarbeiten besonders zufrieden war. Das Fräulein empfand das nur als angemessen. Schließlich verdiente sie an einem der vielen Decken mehr, als die fünf Sklaven gemeinsam in einem Jahr zusammensparen könnten.

Wenn da nur nicht der fürchterliche Neid und die Eifersucht unter den Leibeigenen wären, stöhnte das Fräulein innerlich. Nur, weil sie einen von ihnen als Bettgefährten bevorzugte, waren Missgunst und Zickereien an der Tagesordnung – zumindest, wenn die Männer dachten, sie würde es nicht mitbekommen. Vielleicht sollte sie sich von einigen der Schneiderlein trennen, sie verkaufen bei einer Sklavenhändlerin. Viele Münzen würde es für sie wohl nicht geben, schmollte das Fräulein.

Da kam eine Sklavenkutsche vorbei, die sie aus ihren Gedanken riss. Das Fräulein winkte der Kutscherin auf dem Bock, und diese ließ die acht vorgespannten Sklaven ruckartig anhalten. „Bringt mich zur Webergasse, wenn es recht ist“, rief sie der Führerin empor. Sofort sprang ein weiterer Leibeigener hinter der offenen Kutsche von einem Holztritt und öffnete die Tür für den Fahrgast unter einer tiefen Verbeugung und außerdem auf den Knien. Das Fräulein stieg ein, und schon setzte sich das Gefährt in Bewegung.

Die Fuhrfrau ließ ihre lange Peitsche über den Köpfen der Männer in dem Gespann knallen, während die großen Räder über die gepflasterte Straße klapperten. Unterwegs erfreute sich das Fräulein an den durchtrainierten Hinterteilen der laufenden Kutschsklaven. Das waren ja richtige Heißsporne im Gespann! Welch Freude ihr strammer Trab ihr bereitete. Vielleicht sollte sie sich ein eigenes Vehikel anschaffen. Münzen hatte sie genug, um sich solche Extravaganzen leisten zu können – und das, so deuchte sie, wäre ja auch eine wunderbare neue Aufgabe für zänkische Schneider…

Zuhause kam ihr ein völlig aufgelöster Sklave auf den Knien entgegen und winselte etwas Unverständliches. „Was ist denn los?“, wollte die Herrin wissen und zog ihre Stirn kraus. Endlich verstand sie, dass wohl in einer Webdecke ein Fehler entdeckt worden war. Das Fräulein betrachtete das Malheur: „Die kann ich so aber nicht verkaufen. Du weißt, was ich dir angedroht habe, wenn du schlampig arbeitest!“ Müßiggang und Tumbheit verabscheute sie gleichermaßen. Der Mann jammerte verzweifelt und warf sich vor ihr auf den Boden.

Die junge Herrin trat ihn mit ihrem Stiefel zur Seite und stolzierte, ihn nicht mehr beachtend, in ein anderes Gemach, dessen Zutritt für den Schneider verboten war. Schmunzelnd setzte sie sich auf einen prächtigen Diwan und griff nach einer reifen und saftigen Frucht aus einer Silberschale, in die sie schmatzend biss und nach ihrem Lieblingssklaven rief, der als einziger der Leibeigenen ihre privaten Räume betreten durfte. Wenn er sie heute nicht zu ihrer vollsten Befriedigung verwöhnte, würde sie ihm das Gleiche androhen, was sie auch ihrem anderen Arbeiter „versprochen“ hatte. Sie erinnerte sich nicht mehr an den genauen Wortlaut, aber sie hatte festgestellt, dass ein Schneider für seine Tätigkeit nicht alle Körperteile benötigte. Es war nur gerecht. Nahm er ihr die gute Laune, so nahm sie ihm ebenfalls etwas.

Fama stand kurz vor den Toren der Metropole. Ein Großteil der Streitkräfte war in der ehemaligen Hauptstadt geblieben, um beim Wiederaufbau zu helfen – und zweifelsohne zur Belagerung von Megaras Bollwerk. Die Soldatin Maia hatte es geschafft, ihren Geliebten Boreas unter ihre Fittiche zu bringen. Der Sklave gehörte zu einer kleinen Einheit, die Maia befehligte. Sie war für die Bewachung der Westmauer der Stadt zuständig – ein sehr gemütlicher Auftrag, denn ein Feind war nirgends zu erwarten, und Megaras Festung in der Mitte der Stadt war weit genug weg, als dass sie in Kampfeinsätze eingebunden würde, falls die Tyrannin und selbsternannte Göttin von Megaria in einem Anfall von Hybris einen Ausfall wagen würde.

Die meiste Zeit des Tages konnten die Sklaven im Schatten ruhen und dem Müßiggang frönen. Nur wenige Aufbauarbeiten fielen an der Westmauer an. Es gab ein tägliches Waffentraining, aber ansonsten wurde nicht mehr Schweiß als unbedingt nötig vergossen. Stets zur Dämmerung verschwand Maia mit Boreas unter einem Vorwand. Längst gab es Geflüster, doch niemand der Männer wagte ein offenes Wort, und andere Soldatinnen beschäftigten sich lieber mit ihren Untergebenen, wenn sie die Lust überkam. Um Liebeleien von Kameradinnen kümmerte man sich nicht.

Doch im Vergleich zu den nach Osten zurückkehrenden Centurias und Duxas war ihr Verhalten noch vornehm und reserviert, denn die stürmischen Wehrfrauen, die Fama begleiteten, sorgten auf ihrem Heimweg nach Osten für volle Haremhäuser und dort für ordinäre Sonderwünsche, die fast alle erfüllt wurden, denn die Besitzerinnen der Liebeshäuser freuten sich über jede Münze und waren außerdem stolz auf ihre siegreichen Soldatinnen.

Nach der strengen Disziplin auf dem Felde der Ehre und den Anspannungen der vergangenen Zeit, ließen viele uniformierte Damen in den Liebesnestern ihre gute Erziehung vergessen und sich nach Lust und Laune ungehemmt von ihren fleischlichen Begierden treiben. Hydra, die Inhaberin eines großen Haremshauses mit über 30 Liebessklaven winkte den abziehenden Offizierinnen mit einer Hand sehnsüchtig nach; die andere Hand umklammerte einen Lederbeutel mit klirrenden Münzen. Ach, gebe es doch noch mehr Feldzüge und heimkehrende Truppen, die nach einem männlichen Spielzeug gierten!

Als Fama den Stadtrand der Metropole erreichte, erwarteten sie bereits hunderte Schaulustige, die ihr zujubelten. Und je weiter sich der Tross dem urbanen Zentrum näherte, desto beeindruckender wurden die Menschenmassen, die Glitzerstreifen in die Höhe warfen, den Heimkehrerinnen begeistert zuriefen und alles Gute wünschten. Fahnen wurden euphorisch geschwenkt, Posaunen ertönten, und überall drängten sich die Menschen, um einen Blick auf die glorreichen Heimkehrer zu erhaschen.

Am großen Torbogen zum inneren Zirkel der Stadt begrüßte Helena die neue Herrscherin über den Alten Kontinent: Fama, die Siegreiche – das sollte ihr Beiname sein. Für solch stolze Titel hatte sie eine Schwäche. Er würde sich baldigst über das ganze Reich als frohe Kunde verbreiten. Und während die höchsten Militärs, der Adel und die dünkelhaften Edelfräuleins im Palast sich einem pompösen Bankett widmeten, feierte die Bevölkerung der Metropole ein Volksfest. Überall liefen die Menschen auf die Straßen und Gassen, grillten Fleisch über kleinen Feuern, prosteten sich mit Humpen und Tonbechern zu, tanzten und sangen, musizierten und begossen den Sieg über die im Volke mehr und mehr verhasste Megara. Selbst die Sklaven feierten mit und genossen heute so manche Privilegien, die sie sonst niemals gehabt hatten.

Spät in der Nacht begab sich Fama zu Bett im Palast, in dem bis gestern noch Helena als kommissarische Statthalterin gelegen hatte. Kein Käuzchen störte die Stille der Dunkelheit, und nur der Mond grinste still hinter einer Wolke lugend hervor. Morgen würde ein ebenfalls anstrengender Tag werden. Der wichtigste Moment ihres Lebens! Helena würde sie zur Königin krönen, und anschließend sollte die neue Herrschaft mit einem großen Spektakel in der Arena gefeiert werden. Ein Anflug von Lächeln fand sich in ihrem hübschen Antlitz.

In all dem Trubel hatte Fama ganz ihre beiden Töchter Aurora und Vesta vergessen. Sie waren bei dem Festbankett nicht anwesend gewesen, fiel Fama erst jetzt auf. Sie rief nach der Palastwache. „Wo sind meine geliebten Töchter?“ Die gerüstete Frau in dem kurzen Waffenrock und den langen Stiefeln stand stramm und druckste herum: „Edle Fama, Eure Töchter… Nur Helena weiß darüber bescheid…“ Fama sagte unwirsch: „Auf die Gefahr hin, ihr lästig zu fallen, aber bringt mir Helena her. Sofort!“ Als Fama ihre Vertreterin empfing, fühlte sich Helena offenkundig unwohl. „Edle Fama, ich wollte Euch Euren ersten Tag nicht belasten mit… Ungemach…“ Doch dann musste sie mit der unschicklichen Wahrheit herausrücken. Die Eskapaden von Vesta und Aurora, die Affäre von Famas Liebessklave Amatio mit der Schmiedin Gerra und deren Flucht – alles berichtete sie der neuen Herrscherin. Fama zitterte vor Wut. Ihre Augen starrten fiebrig auf die Uniformierte. „Wo sind meine missratenen Töchter?“ Kälter als diese Stimme hätte ein Schwall Eiswasser in den Nacken nicht sein können.

Es dauerte nur wenige Momente bis Fama im Schlafgemach von Vesta stand und Aurora von zwei Palastwächterinnen hereingebracht wurde. Ihre gesenkten Lider zeugten von ihrem schlechten Gewissen und der Ahnung, dass sich Schlamassel dräute. „Für diese Schande, die ich da hören musste, werdet ihr verdorbenen Gören noch auf unbestimmte Zeit in euren Keuschheitsgürteln verbleiben!“

Das Tochterpaar war auf der einen Seite schockiert, doch auf der anderen atmete es auch erleichtert auf, denn es hatte eine Züchtigung erwartet. Als Fama dann wie Gift speiend ergänzte: „Und 20 Hiebe mit dem frischen Haselnussstock auf den Hintern von jeder von euch!“, glaubten die beiden zunächst, dass ihre Prügelsklaven zu der Strafausführung geschickt werden könnten, doch weit gefehlt: Fama machte den Wächterinnen deutlich, dass Vesta und Aurora persönlich zu erscheinen hatten, um die Schläge entgegenzunehmen.

Den jungen Damen schoss das Blut in die Wangen, und ihre Herzen pochten vernehmlich, als die letzte Hoffnung auf ein glimpfliches Ende erlosch. Vestas Antlitz wurde feucht, und Aurora unterdrückte ein Schluchzen und überlegte, ob sie eine melodramatische Ohnmacht ob ihres Erdenjammers vorschützen sollte. Fama schäumte wahrlich voller Rage ob ihrer verwöhnten Brut. Ob sie nun ihre Sünden bekannten und beichteten oder närrischerweise verhehlten, war ihr einerlei. Sie musste den ungezähmten Eifer ihrer Gören zähmen und dafür sorgen, dass sie hinfort nur noch auf adäquaten Wegen wandelten.

In Abwesenheit der Sonne schrien zwei junge Edeldamen laut und wimmerten, winselten und jammerten, als ginge es um ihr Leben, wehklagten, drohten und bettelten, während ihre nackten Hinterteile ganz undamenhaft über einem Strafbock in die Höhe ragten und mit jedem Treffer des Haselnussstabes sengender und rot verfärbter wurden. Das fruchtlose Heulen und Aufbäumen erinnerte die Vollzieherin an die Laute, die so mancher Delinquent unter strenger Tortur mit glühenden Eisen ausgestoßen hatte.

Fama wohnte der Züchtigung nicht bei. Sie hatte sich in den Kerker in den Kellergewölben unterhalb des Palastes führen lassen. Ihre Fackel erleuchtete einen kleinen Kreis des Verlieses und ihr wurde eine einsame Gestalt gewahr. Sie stellte sich vor den Gefangenen, der auf ihr Geheiß in einen Eisenpflock gespannt war, und ein böses Grinsen stahl sich in ihr Gesicht. „Das hast du nun von deiner Unzucht!“ Amatio sah seine Herrin mit müden Augen an. „Verzeiht mir“, krächzte er mit trockenem Mund, denn nur selten erhielt er eine Schale mit brackigem Wasser seit er an diesem dunklen Ort war. Trotz allem versuchte er mit aller Willenskraft zu meistern, die ihm geblieben war, einen nicht zu würdelosen Anblick abzugeben.

Fama weidete sich höchlichst an seinen ungeschickten Versuchen, sich vor ihr zu verneigen, doch der Eisenpflock hielt ihn mit gespreizten Beinen in seiner unbequemen und exponierten Position. Befriedigt sah Fama ihm in den Schoß. Spott zuckte um ihre hübschen Mundwinkel. „Ich sehe, du wirst wohl kein Weib mehr betrügen…“ Sie betrachtete das Verlies mit dem alten Stroh, dem verbeulten Eimer für Amatios Notdurft und das nasse Mauerwerk, das über sein tristes Dasein bitter zu weinen schien. Hier würde er verrotten. Er hatte sein ihm gebührendes Schicksal selbst gewählt, als er mit der Schmiedin Unzucht trieb!

Sie stieg behände die Treppe hinauf in die prunkvollen Hallen des Palastes und legte sich in das große Bett und versank fast in den weichen Kissen aus Seide. Langsam führte sie ihre Hände an ihre Brüste und stellte fest, dass ihre Brustwarzen jäh erwacht waren, begierig ihre Berührungen genossen. Fama rief erneut nach der Palastwache: „Bringt mir einen Liebessklaven. Mir steht der Sinn nach ein wenig Zerstreuung. Etwas hübsches, junges.“



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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:27.03.21 18:04 IP: gespeichert Moderator melden


Als Gerra gehört hatte, dass Fama bereits nach Osten abgereist war, ärgerte sie sich maßlos. Sie hatte von Amatios Schicksal gehört und Fama bittere Rache geschworen. Nun war sie Centuria in ihren Diensten und in der ehemaligen Hauptstadt eingeteilt. Wenn sie nun zurück in die Metropole ritt, dann würde sie sich nicht nur der Fahnenflucht schuldig machen. Sie würde im Osten womöglich als Gerra erkannt werden. Die Schmiedemeisterin war ratlos, ja niedergeschmettert. Sollte eines Tages ein Feind vor den Toren des Reiches stehen… Sie würde alles dafür tun, um Famas Herrschaft in sich zusammenstürzen zu lassen.

Und die wahre Macht der Fama ward just in diesem Moment erst geboren: Die Regentin ließ sich von zwei Hohepriesterinnen und Helena zur absoluten Herrscherin und Königin krönen. Befriedigt ließ sich Fama das mit Edelsteinen besetzte goldene Kunstwerk auf das Haupt setzen und sah sich nach Beifall heischend im sonnendurchfluteten Saal um. Die goldtrunkene Imperatorin war am Ziel ihrer Träume angelangt. Sie regierte nun über den gesamten Kontinent. Megara war in ihrer Festung im Westen gefangen und würde dort nichts verrichten können. Und eines Tages würde die Vettel sogar vollends auch diese letzte Zuflucht aufgeben müssen und vor Famas Füßen kriechen. Die neue Herrscherin malte sich dies in allen Farben und Details aus und spürte, wie sich ein wohliger Schauer über ihre Haut zog, die von einem kostbaren Gewand bedeckt war.

Der Abend des großen Arenaspektakels war gekommen. Die Gladiatoren, die gegen den Troll kämpfen sollten und sonst an Todesmut nicht gebrachen, zitterten heute wie Espenlaub und beteten zu den Alten Göttern um Kraft und Glück im Kampf. Der Troll dagegen konnte es kaum erwarten, dass endlich das massive Fallgitter hochgezogen wurde, dass ihm noch den Eingang zur Kampfarena verwehrte. Während die Arena von hunderten Fackeln beleuchtet war, war die Umgebung mittlerweile in ein Stockdunkel getaucht, abgesehen von dem Mondlicht, das sich still im Wasser eines nahen Tümpels brach.

Die Ränge waren voll besetzt mit adligen Damen und ihren Hausdienern, hohen Militärs wie Duxas und einigen ausgewählten Centurias, reichen Damen unterschiedlicher Gewerbe und Edelfräuleins, die für diesen Abend angereist gekommen waren. Auf der prunkvollen Ehrentribüne saßen in der königlichen Loge neben Fama die Statthalterin Helena, daneben die Sklavenjägerin Phoibe, die den Troll gefangen hatte, zwei Sklavengroßhändlerinnen namens Ceres und Flagella sowie eine Plantagenbesitzerin mit hunderten Sklaven namens Cassandra.

Auch Vesta und Aurora hatten auf der Ehrentribüne Platz genommen und erwarteten eine spektakuläre Pläsanterie. Sie hatten sich auf besonders dicken Kissen aus Samt und voller feinster Daunen niedergelassen und rutschten unbehaglich hin und her. Nur wenige Eingeweihte kannten den Grund. Wenn Blicke hätten töten können, wäre Fama wohl augenblicklich von ihrem thronartigen Sitz gefallen, denn die Fräuleins kargten nicht mit sichtbarer Abneigung, ja siedendem Hass.

Vesta schwor sich verdrossen: „Eines Tages werde ich Mutters Krone erben. Oh, und dann werde ich ihr Grab einstampfen lassen.“ Die Worte schwebten auf ihrer erdbeerfarbenen Zunge, doch die Kühnheit, sie laut auszusprechen, brachte sie nicht auf. Aurora hatte ähnliche Gedanken. Sie biss sich abwechselnd auf Ober- und Unterlippe. Ihr Hintern brannte, ihre Venus hungerte nach ihrer Hand oder einem jungen Burschen. Alles war so schrecklich! Hoffentlich würde sie wenigstens durch den Trollkampf ein wenig Zerstreuung erhalten.

Im Hintergrund standen Sklaven in Lendenschurzen und wedelten den erhabenen Damen mit Palmzweigen kühle Luft zu. Neidisch beäugten sie die Leckereien und Getränke, mit denen es sich die Herrinnen gut gehen ließen. Die Männer hatten ihren Hunger am Morgen nur mit einer kleinen Schale Haferschleim bändigen dürfen. Fama stellte ihren goldenen Weinkelch zur Seite und klatschte lässig mit den Händen, so dass die acht geschwungenen Goldringe aufeinander klackten, die sie seit neuester Zeit trug. Die Majordoma hatte das Zeichen gesehen und spornstreichs weitergeleitet. Der Wettstreit mit der Bestie sollte beginnen, dass sich das werte Publikum daran laben konnte.

Vier Posaunen erklangen. Jubel schallte von den Zuschauersitzen, Rufe und anstachelnde Begeisterungsschreie sowie geifernde Anfeuerungsrufe von den Rängen brachen aus,die dem Spektakel euphorisch Beifall zollten. Das schwere Fallgitter ruckelte kreischend nach oben, dicke Ketten klirrten, der Troll sprang ungelenk bereits in die Arena, als die eiserne Tür noch nicht ganz hochgezogen war. Die acht Gladiatoren, die von der anderen Seite auf den Kampfplatz gestoßen wurden, starrten dem Koloss aus Muskeln achtungsvoll entgegen, dessen gewaltige Statur allein beredt genug angsteinflößend wirkte.

Wenigstens hatte man dem Troll keine Waffe gegeben. Die Sklaven sahen erschrocken, dass das Ungetüm auf sie mit aufbrausender Angriffslust zu sprintete. Offenbar hatte es keinen Respekt vor acht bewaffneten Gladiatoren. Der festgestampfte Boden schien unter den Schritten des Biestes zu erbeben, das auf die Männer zustürmte. Ob ihre Lanzen wie feine Hölzchen brechen würden, wenn der Troll gegen sie anrannte? Vermutlich würden sie nutzlos durch die Luft spritzen. Die Gladiatoren murmelten etwas von „Todgeweihten“ und machten sich jeden Lidschlag gewärtig auf einen Zusammenprall gefasst, der sie vielleicht mit verrenkten Gliedern in die Höhe schleudern lassen würde.

Doch plötzlich änderte der Troll seine Richtung und spurtete auf die Ehrentribüne der Fama zu. Zu spät spannten die Bogenschützinnen der Palastwache ihre Langbögen. Der Troll sprang mit seiner unglaublichen Beinkraft die hohe Mauer empor und landete krachend in der pompösen Majestätsloge. Die letzte Elle hatte er sich dafür an dem gemauerten Geländer hochgezogen und dabei durch sein monströses Gewicht Teile des Gesteins bröckeln lassen. Staub wirbelte in die Luft. Die edlen Damen rissen bang ihre Augen weit auf. Ceres ließ ihren Kelch fallen, dass der rote Wein auf den Marmor spritzte und anschließend ihr weißes Seidengewand besudelte wie Lebenssaft den Waffenrock einer Soldatin in der Schlacht.

Phoibe zog einen edlen Dolch mit gedrechseltem Heft aus Gebein, das mit Silber ziseliert war – die einzige Klinge, die sie trug. Doch wirkte die Schneide gegen den Troll wie ein Zahnstocher in ihrer kleinen verkrampften und zitternden Faust. Fama sprang auf und sah der unfassbaren Erscheinung fassungslos entgegen. Die Kreatur stand nur wenige Schritte vor ihr. Die Regentin war vor Schreck erstarrt wie eine Salzsäule und sah dem Untier kreidebleich und ungläubig entgegen. Ihr Herz wusste nichts von dem mutigen Blick ihrer Augen auf ihr Gegenüber. Innerlich schlotterte sie.

Ein tief dunkler Schatten fiel über die Frauen. Der mächtige Körper des Trolls sperrte die Sonne aus wie ein breites Scheunentor aus schwerer Eiche. Wie war es dem Untier nur gelungen die über zwei Mann hohe Brüstung zu überwinden? Doch sollten sich die Frauen darüber nicht zu sehr wundern. Schließlich war der Troll ebenso groß gewachsen. Das Urwesen bleckte seine gewaltigen Zähne und die Muskeln seiner Arme und Schultern quollen regelrecht hervor, Fäuste, groß wie Waschschüsseln, ballten sich und würden alles, was sich ihnen in den Weg stellte, zu Mus zu zerstampfen.

Zwei todesmutige Wächterinnen, die die Loge als erste erreicht hatten, wurden von dem Troll wie lästige Fliegen zur Seite geschleudert, so dass die Schöße ihrer Waffenröcke umherwirbelten, und stürzten samt und sonders keuchend in die Arena hinab, den Hort von Sieg oder Tod. Die Luft schien zu brennen, die Apokalypse brach an. War das das Ende? War der metzelnde Troll von den Alten Göttern geschickt, um die Menschen zu richten?

Kerbera hatte mittlerweile Routine in der Küchenarbeit. Und auch im Stall war sie zu gebrauchen. Zwar neckte sie der Stallbursche noch wegen ihrer Dürrheit, doch auch er musste zugeben, dass die Fremde schnell dazugelernt hatte und fleißig anpackte. Der Knecht wunderte sich trotzdem immer wieder über das seltsame Paar aus dem tiefen Innenland. Die schöne Kerbera schien ihren Cain recht gut an den Zügeln zu führen, denn oft hatte er unbemerkt die heimlichen Blicke zwischen dem Paar beobachtet. Cain schien großen Respekt vor seinem Weibe zu haben. Und doch wagte Kerbera kein Widerwort, wenn die Zwei unter Menschen waren.

Zu gern hätte der Stallbursche das schöne Rasseweib verführt, doch als er einmal im Stall von hinten herangeschlichen war und mit seinen schwieligen Händen ihr Hinterteil kneten wollte, war sie wie vom Blitz getroffen herumgedreht und hatte ihm eine saftige Ohrfeige verpasst. Der Pferdeknecht hatte sich die glühende Wange gehalten und gemurmelt: „Bei den Alten Göttern! Du zierst dich wie eine Hofdame von adligem Geschlecht.“ Bisher hatte keine Magd seine Avancen verschmäht. Noch dazu auf diese uncharmante Weise.

Heute holte Kerbera gerade Wasser vom Brunnen, als ein Reiter zum Hof galoppierte, das große weiße Gatter durchquerte und flink vom Sattel sprang. In diesem Moment überholte die lange Staubfahne, die er hinter sich hergezogen hatte, den Boten und ließ ihn fast darin verschwinden. „Magd, versorge mein Ross. Ich habe einen arg beschwerlichen Weg hinter mir. Ich muss schnell zur Bäuerin eilen.“ Kerbera sah dem Mann hinterher. Jäh erschien hinter ihr der junge Stallbursche: „Ich mache das schon. Bring du endlich das Wasser ins Haus. Und anschließend mistest du geschwind den Schweinekoben aus. Er hat es mehr als nötig! Eile!“ Kerbera knirschte mit ihren Zähnen und hastete mit dem schwappenden Wasserkübel ins Haus. Dort bekam sie gerade noch mit, wie die Bäuerin sagte: „Absonderlich. Und die Fremden sind vor der Küste gestrandet?“

Kerbera stellte den Kübel ab und schlich zur Tür der Stube. Sie legte ein Ohr an das dicke Holz und lauschte. Der Mann war zu hören: „…zwei Männer und zwei Weiber. Arcanum bringt sie her. Ich soll Euch fragen, ob ihr eine Herberge für sie habet. Aber es gibt noch etwas, das Ihr wissen solltet. Arcanum hatte eine Nacht, bevor die Fremden erschienen sind, einen ungewöhnlichen Traum bei Vollmond. Er hat mit erzählt, dass Königin Leda eines Tages zurückkommen werde, um ihr Reich zurückzuerobern und…“ Mehr verstand Kerbera nicht, denn sie hörte laute Schritte hinter sich: Der Stallbursche war mit seinen schweren Stiefeln hineingekommen und erschien nun an der Tür zur Diele. „Wo bleibst du denn? Wenn du weiterhin so träge bist, werde ich mich bei deinem Manne beschweren. Vielleicht kann er dafür sorgen, dass du morgen hurtiger arbeitest!“ Er grinste sie schief an. Kerbera krümmte die Finger wie eine Raubkatze, die ihre Krallen ausfuhr. Doch sie blieb äußerlich ruhig und eilte in den Schweinekoben, um die ihr aufgetragene Arbeit zu erledigen.

Leda – so ein Unfug! Welcher Schalk schwätzte nur solch Kraut? Als sei die ehemalige Königin nicht längst tot! Kerbera griff nach der Mistgabel und schaufelte den stinkenden Dreck. „Megara wird bald gefallen sein. Vielleicht ist sie es schon. Unter Fama kann ich flink wieder in eine mir gebührende Position gelangen. Dann werde ich bestenfalls Goldmünzen schaufeln und keinen modrigen und widerwärtigen Mist! Und Cain wird es büßen, mich so respektlos behandelt zu haben!“ Mit jedem Wort schaufelte sie kräftiger. All ihren Zorn steckte sie in ihre schweißtreibende Arbeit. Und so schuftete sie noch lange weiter, bis der Koben endlich sauber war. Erschöpft ließ sie die Mistgabel irgendwann fallen und zog den letzten Trog mit Unrat bis zu dem Haufen, den sie aufgeschüttet hatte.

Sie brauchte dringend ein Bad! Aber als einfache Magd musste sie zum Fluss, um sich den animalischen Gestank vom Leib zu schrubben. Ihr wäre sogar der Geruch von brandigen Wunden auf dem Schlachtfeld lieber gewesen. Dabei fiel ihr ein, wie sie den Stallburschen schon mehrfach beobachtet hatte, wie er sich hinter Büschen am Fluss versteckt hatte, als sie sich dort wusch. „Dieser lüsterne Bengel!“, schimpfte sie vor sich hin. Und tatsächlich spürte sie auch jetzt dessen faunischen Blick förmlich auf ihrem nackten Rücken, als sie dabei war, ihren Leinenrock und den Wams zu waschen. Dabei stand sie bis zur Brust im Wasser des Gewässers und genoss die Frische und Abkühlung. Als sie sich ruckartig herumdrehte, stand der Knecht sogar frech und frei am Ufer. Mit verschränkten Armen und einem unverschämten Grinsen starrte er sie an, prall von fleischlichen Trieben. Hastig bedeckte sie ihre blanken Brüste und schimpfte: „Wirst du wohl machen, dass du wegkommst!“

Kerbera fiel der Unterkiefer vor Erstaunen hinab, als der Jüngling keineswegs Anstalten machte, sich von Dannen zu machen, sondern im Gegenteil sein Wams über dem Kopf auszog und in das gelbe Gras fallen ließ. „Warte. Ein kleines Bad wird auch mir gut tun“, verkündete er frohgemut, als sei dies das Selbstverständlichste der Welt. Dann fiel auch seine ledernes Beinkleid und sein leinenes Leibhöschen. Kerbera schluckte. „Bei den Alten Göttern!“, hauchte sie. Würde es dieser Jüngling etwa wagen…? Der ungebetene Gast sprang unverhohlen in die Fluten und paddelte vergnügt im Wasser. Dabei kam er Kerbera näher und näher.

Dabei alberte er nur herum, ohne unzüchtige Blicke in Richtung des Weibes zu werfen oder sie gar unziemlich zu berühren. Bald war Kerberas Bestürzung guter Laune gewichen. Auch sie spritzte im Wasser umher. Und bald hatte sie ihre Blöße vergessen und die Zwei tobten wie unbeschwerte Bälger voll Unschuld im Wasser. Doch war nicht zu verhehlen, dass sie nun mal fleischlich Mann und Weib waren. Und so kam es, dass die Stimmung nach einigen zaghaften Berührungen plötzlich eine neue Richtung einschlug: Kerbera und der Knecht küssten sich und versanken um Blick des Gegenübers, noch bevor ihnen klar ward, was da gerade geschah. Und schließlich erforschten vier Hände den Leib des anderen und beide Leiber vereinten sich lechzend nach dem Gegenüber verzehrend in dem brusthohen Wasser.

Der Bursche hatte ein Knie von Kerbera angehoben und war in ihren Schoß eingedrungen, was wohlige Laute aus ihrem Mund zauberte. Auch der Knecht spürte, wie seine Luststandarte begierig pochte, sich durch die enge Weiblichkeit schob und ein schier unbeschreibliches Vergnügen empfing bis Kerbera sich krampfend an dem Jüngling festklammerte und spürte, wie sein Samen sich heiß in ihr entlud.

Viele Meilen weiter östlich, noch etwas östlich der Metropole, saß ein Haussklave bei Schreibarbeiten in der Bibliothek einer betuchten Dame. Mannsbilder, die schreiben konnten, waren schwer zu finden und im Gegensatz zu allen anderen sehr teuer, daher wurde Caduceus gut behandelt. Körperliche Züchtigungen hatte er bisher kein einziges Mal erdulden müssen. Andere Sklaven dagegen wurden einmal in der Woche der Reihe nach abgestraft – das war Usus bei ihrer Herrin.

Caduceus dagegen musste weder auf dem Feld noch in den Ställen schuften, keine Hausarbeiten verrichten und auch keine Liebesdienste ausführen. Er stand den ganzen Tag - und manchmal auch in nächtlichen Stunden bei einem tropfenden Öllicht - an seinem Stehpult und schrieb für seine Besitzerin auf Pergament. Er kopierte alte Bücher der Gebieterin und übersetzte auch Texte, die teilweise noch von Talos I. stammten. Seine Herrin war eine Schriftensammlerin, besaß hunderte Folianten und war selbst sehr gelehrt.

Er tauchte gerade seinen Gänsekiel in das Tintenfass, um eine neue Zeile auf einer Pergamentseite zu beginnen, da hörte er vor dem Fenster laute Stimmen. Neugierig begab er sich zu der Gaube und lugte hinaus. Ein Herold war gekommen und sprach mit der Herrin, die unter einem großen Sonnensegel saß und kühles gezuckertes Wasser trank. „Leda? Die alte Königin? Aber das kann doch nur ein Gerücht von Tratschmäulern sein!“ Der Herold meinte: „Es macht die Runde von der Westküste bis zur Metropole. Warum sollten die Westler so etwas in Umlauf bringen, wenn es nicht stimmte?“

Die Herrin hoch ihren Blick himmelan, hielt sich das Kinn und dachte nach. Sollte Leda wirklich noch leben, dann würde sie den Thron zurückfordern. Megara war besiegt. Fama war an der Macht. Aber ob unter Leda die Frauen noch ihr angeborenes Vorrecht ausleben durften? Oder ob sie wieder in die alte Zeit zurückfiel, in der Mannsbilder die gleichen Rechte besaßen wie Damen? So in Gedanken strich sie mit der anderen Hand über einen dornigen Rosenstiel und hätte beinahe ihre zarte, gepflegte Haut aufgerissen, aber die Vorsehung wollte, dass ihr nichts geschah.

„Verfügt Leda denn über eine Armee?“, fragte sie spöttisch. Der Herold verneigte sich unterwürfig. „Nein, edle Dame. Natürlich nicht. Sie wird niemals wieder den Thron besteigen. Fama ist die rechtmäßige Erbin der Megara.“ Die werte Lady nickte. „Das will ich auch hoffen, dass du so denkst, Bote.“ Sie warf ihm eine Kupfermünze vor die Füße, die sich der Mann schnell einsteckte. „Habt vielen Dank für Eure Großzügigkeit, edle Dame“, sagte er und verneigte sich tief.

Caduceus schlug sein Herz bis zum Hals. Leda lebt? Das wäre ja eine famose Fügung! Der Alchimist erinnerte sich an die Zeiten, als er an Ledas Hofe als Heiler und Gelehrter gedient hatte. Hastig schritt er zu einem abseits stehenden, hohen Regal voller verstaubter Bände und in Leder geschlagene Kladden. Er kletterte auf einen Hocker und griff in das oberste Fach, zog einen dicken Folianten herab und schlug ihn auf einer bestimmten Seite auf. Dort hatte Caduceus eine alte, magische Formel notiert. Wenn er noch die notwendigen Ingredienzien erhielt, würde er im Dampf des Gebräus bis tief in den Westen schauen und Leda sehen – wenn sie es war, von dem man berichtete. Er musste unbedingt Gewissheit haben.


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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:11.04.21 16:05 IP: gespeichert Moderator melden


Megara erhielt schlechte Nachrichten von ihrer Majordoma: „Höchste Göttin Megara! Zu meinem tiefsten Bedauern muss ich Euch berichten, dass die Grabungen eingestürzt sind. Der Boden ist wegen des Grundwassers einfach zu weich. Wir sollten die Versuche einstellen…“ Die Worte der Imperatorin peitschten der Majordoma entgegen: „NEIN! Weitergraben sage ich! Ich bin die Göttin! Hast du das verstanden? Mein Wille geschieht! Und wenn dabei hunderte Sklaven absaufen ist mir das auch egal!“

Die Majordoma verneigte sich vornehm und verließ pikiert den Thronsaal. Megara stapfte unruhig über den Marmorboden. Dann lief sie eiligen Schrittes in den höchsten Turm ihrer Festung, von dem sie auf den Marktplatz der Hauptstadt sehen konnte. Atemlos, nicht wegen der vielen Stufen, sondern wegen der neuen Statue der Fama, die ihr entgegen starrte, blieb ihr die Luft weg. „Blasphemie!“, schrie sie hinab und raufte sich die Haare.

Hier lief ihr alles aus dem Ruder! Was war überhaupt mit den schlampigen Sklaven, die die Festung gefährdet hatten? Die Tyrannin befahl einer Wächterin, sofort die schuldigen Kreaturen bringen zu lassen, die den Torbalken so fahrlässig verschoben hatten. Eine Weile später erschienen tatsächlich zwei Leibeigene in Ketten, die kläglich und leise schluchzend vor ihr niederknieten. Zwei Wächterinnen verneigten sich tief. Eine von ihnen zeigte auf die Rechtlosen und sprach: „Das sind die Schuldigen, höchste Göttin Megara. Was soll mit ihnen geschehen?“ Megara krampfte ihre Hände um die Enden der Armlehnen ihres Throns wie eine Krähe ihre Krallen um einen Ast. „Sie…“ Vor tosendem Zorn konnte sie kaum sprechen. „Schafft sie zur Foltermeisterin. Sie sollen…“ Die Tyrannin zählte eine schier endlose Liste auf, wie mit den Schuldigen zu verfahren sei. Sie sollten in nie dagewesenen Schmerzen baden.

Irgendwann merkte sie selbst, dass es einer genaueren Auswahl bedurfte, und sie brach mitten im Satz ab und starrte stoisch auf einen imaginären Punkt vor ihrem Thron. Ächzend wedelte sie mit der schwer beringten Hand. Musste sie sich denn um alles kümmern? Die Männer wurden abgeführt. Schwere Eisentüren fielen hinter ihnen ins Schloss und ein dicker, rostiger Riegel wurde quietschend vorgeschoben. Die Wächterinnen sahen sich mit schlechtem Gewissen an. Aber was hatten sie tun sollen? Irgendeiner musste ja der Schuldige sein. Die beiden Uniformierten hatten sich überlegt, wen sie aussuchen sollten. Die eine Wachfrau hatte sich erinnert, dass ein Sklave vor einigen Tagen unter seiner schweren Last vor ihren Augen gestolpert war und dabei ihre Stiefel mit Staub verdreckt hatte. Für sie war die Wahl nicht schwer gewesen.

Die andere Frau hatte längere Zeit nachdenken müssen. Dieser große Kerl mit den vielen Muskeln war ein richtiges Arbeitstier, auf das sie nicht verzichten wollte. Und die Männer aus der Westkolonne waren eine eingespielte Gruppe, wenn es um schwere Gewichte wie Bohlen, Steinquader oder Mühlsteine ging. Die vier Sklaven aus dem Stall? Nein, die kannten sich so gut mit den Rössern aus wie keine anderen. Die Kampfsklaven wurden alle für die Verteidigung auf den Mauern hinter den Zinnen benötigt. Und irgendeiner von den Minenarbeitern? Ob da nun zwei mehr oder weniger absoffen, weil Megara ihrem irren Plan frönte, einen Ausbruchtunnel zu bauen, oder ob diese im Kerker litten, war doch einerlei.

Der Wächterin war eingefallen, dass sie schon ein halbes Dutzend der Minenarbeiter für Liebesdienste herangezogen hatte. Da war doch mal einer gewesen, dessen Männlichkeit ihr sowieso zu klein geraten schien. Wer war das noch? Die Uniformierte war in die Mine hinab gestiefelt und hatte den Gesuchten auch bald gefunden. Sie hatte eine Wahl getroffen und den Auserkorenen zurück ans Tageslicht mitgenommen.

Das war gestern gewesen. Sie hatte den Leibeigenen waschen lassen und dann in ihr Quartier beordert. Eine letzte Liebesnacht würde sie ihm zugestehen, hatte sie entschlossen. Und es war eine ganz besondere Nacht geworden. Die Wachfrau konnte ihn noch jetzt in ihrer Erinnerung fühlen: wie sich sein Verlangen den Weg in ihre Weiblichkeit, die süße Schatulle, gesucht hatte. Wahrlich war sein Lustschwert eher ein kurzer Dolch; doch es war das letzte Begehr eines zum Tode geweihten, das so sehr ihre sinnlichen Lenden weckte. „So fühlte es sich also an“, schwärmte die Wächterin noch immer.

Megara brachte sich für die Befragung der Sklaven in Stimmung: Sie ließ Abas kopfüber an Ketten aufhängen, stopfte ihm eine Stumpenkerze in den Hintern und zündete diese an, während sie maliziös grinste. Der Raum war durch schwere Samtvorhänge abgedunkelt, und die wenigen Fackeln an den Wänden zauberten ein unheimliches und flackerndes Bild auf die Steine und den hängenden Königsgemahl. Die selbsternannte Göttin summte leise ein Lied vor sich her und stieß Abas gleichmütig an, um ihn zu schaukeln. Als das heiße Wachs dem Gefangenen über das Gemächt und zwischen die Hinterbacken lief, stöhnte er auf. „Das gefällt dir wohl?“, fragte sie scheinheilig und nippte an einem Kelch schwerem Rotwein, dessen Farbe dem Lebenssaft eines Gefallenen auf dem Schlachtfeld glich. „Du wirst mit mir untergehen!“, kam es in einem dämonischen Singsang über ihre Lippen. Und es hörte sich schon an, wie das Lied eines toten Gerippes.

Abas horchte auf. Hatte die Tyrannin gerade ihre Niederlage eingestanden? Hatte sie sich in ihr Schicksal ergeben? Obsiegte die Gerechtigkeit? Durch Abas Körper floss trotz seiner unpässlichen Lage eine erquickende Kraft, eine Quell der Freude und Hoffnung. Er würde Megaras Verderben noch miterleben. Da war er sich nun gewiss. Ihr Ende war besiegelt. Das war eine unbezahlbare Genugtuung für ihn. Und das Einzige, was er noch besaß.

In weit entfernten Landen: „Ich heiße Euch willkommen“, begrüßte die Bauersfrau die Reisenden, die von dem Jäger Arcanum zu dem Gehöft gebracht worden waren. Kerbera beobachtete die Ankömmlinge vorsichtig von der Scheune aus. War die eine der Weiber etwa Leda? Das konnte nicht sein! Nein, der Jäger war nur seinem nächtlichen Gespinst aufgesessen. Die Frauen wirkten beide nicht wie Königinnen. Und sowohl die zwei Männer wie auch die Weiber waren sofort bereit, für die Herberge in Stall und auf dem Feld tüchtig mit anzupacken. Eine Monarchin würde sich niemals die Hände mit Erde und Hühnerdreck schmutzig machen.

Und so machte sich Kerbera keine Gedanken mehr über die neuen Mitbewohner des Hofes. Zwar nannte sich eine der Weiber „Lina“, was eine wage Ähnlichkeit mit „Leda“ hatte, aber das war wohl nur Zufall, war sie sich gewiss. Die ehemalige Senatorin der Megara hatte sich inzwischen damit abgefunden, noch eine Weile als Magd leben zu müssen. Erst mussten die Machtverhältnisse in der Hauptstadt geklärt sein, bevor sie sich zu erkennen geben könne. Und ihre Liebelei mit dem jungen Stallburschen ließ sie die arbeitsreichen Tage überstehen.

Fast täglich trafen sie sich am Fluss oder in einem nahen Olivenhain, um ihrer Lust zu frönen. Erst nach einem halben Monat kam Cain hinter die heimliche Romanze und wollte den Stallburschen mit Hilfe seiner Fäuste zur Rede stellen, doch Kerbera drohte ihm in der Kammer: „Wenn du ihm auch nur ein Haar krümmst, werde ich dafür sorgen, dass du in einem Keuschheitsgürtel verrottest! Denk daran, dass du immer noch mein Sklave bist!“ Sie schaffte es, Cain mit ihren Worten einzuschüchtern, obwohl er hier an der Westküste doch als freier Mann galt. Aber die lange Zeit als Leibeigener unter Kerberas Fuchtel in einem strengen Matriarchat wie Megaria ließ sich nicht verleugnen. Sie war in seine Seele eingebrannt wie ein rotglühendes Eisen. Und so kuschte er unter seinem angeblichen Weib und tat gedemütigt so, als bemerke er die Liaison nicht.

Es gab einige Liebschaften am Hof: Diese Lina zog sich hin und wieder mit Hagbard zurück, und Zelos schwärmte ganz eindeutig für Nike, die ihn gern neckte und dann aber doch mit ihm das Stroh teilte. Des Weiteren trieben es immer offener und rücksichtsloser Kerbera und der Stallbursche miteinander. Inzwischen wussten das gesamte Gesinde und auch die Herrschaft von den beiden. Cain erntete immer öfter mal spöttische, mal mitleidige Blicke, doch niemand sprach ihn darauf an, dass sein Weib ihm Hörner aufsetzte. Er galt - je nachdem wen man fragte - als blind, Hasenfuß oder blöd.

Es dauerte noch einige weitere Wochen bis eigenartige Gerüchte die Westküste erreichten: Fama, die Siegreiche, sei in der Ostmetropole, dem neuen Zentrum ihrer Macht, beinahe von einem Troll gefressen worden. Bei einer Kampfveranstaltung in einer Arena habe sich das Drama abgespielt, als sich das Ungetüm gegen mehrere Gladiatoren habe behaupten sollen und jäh auf die Ehrentribüne gesprungen sei. Die Einen erzählten, dass der Troll einige Damen bei lebendigem Leibe verschlungen haben soll und ihm in der Massenpanik anschließend gelungen sei, zu flüchten – niemand habe seine Spur verfolgen können. Andere jedoch berichteten, der Troll sei zwar auf die Ehrentribüne gesprungen, doch von beherzten Bogenschützinnen überwältigt worden.

Fama habe an ihm ein Exempel statuieren wollen und ihn einen Tag später auf dem Marktplatz der Metropole ausstellen lassen: Breitbeinig sei der Troll in einen Standpranger gezwungen worden, und das Volk habe seine gewaltige Männlichkeit bestaunen können, die durch schwere Ziegel nach unten gezogen worden sei – und jeden Tag habe Fama persönlich einen weiteren Ziegel dem Gewicht hinzugefügt, um sich an der Strafe des frevelhaften Trolls zu weiden.

Was nun daran der Wahrheit entsprach, und was davon von Bänkelsängern erdichtet war, konnten die Hörer nur spekulieren. Die Westküste war weit weg. Wer wusste schon, was im Osten des Alten Kontinents vor sich ging? Und so musste sich Kerbera noch weiterhin gedulden und ihren niederen Arbeiten auf dem Hofe nachgehen. Dabei träumte sie schon von besseren Tagen, in denen sie Dienstboten herum scheuchen konnte.

Derweil hatte die Soldatin Maia ihren Dienst im Heer der Fama abgeleistet und sich mit barer Münze auszahlen lassen. Nach Ende des Kriegszuges war die Nachfrage nach Streitkräften deutlich gesunken, und Maia durfte mit einem Beutel voller Silbermünzen ihrer Wege ziehen. Sie kaufte sich in der ehemaligen Hauptstadt zwei gute Pferde, neue Gewandung, Proviant, einige gute Waffen und machte sich dann auf zur zuständigen Duxa ihrer bisherigen Abteilung.

Die Offizierin war bemächtigt, Maia Kampfsklaven zu verkaufen. Wegen der Schwämme an Leibeigenen war ihr Preis sehr gering. Doch hätte Maia wohl auch viel mehr als die geforderten drei Silberstücke gezahlt, denn ihr Interesse galt einem ganz bestimmten Sklaven. Die Soldatin, die Boreas übergab, wunderte sich: „Warum ausgerechnet diesen Kerl? Nehmt doch einen von denen da!“ Sie zeigte zu fünf Männern hinüber, die kräftiger und trainierter als Boreas aussahen. „Nein, ich will nur diesen da“, wies Maia zu einer Person hin. Die andere Soldatin schloss den Sklaven von seiner Kette und ließ ihm aber sein Metallhalsband. „Für eine neue Kette müsst ihr selbst sorgen. Ich würde es Euch allerdings raten. Sonst läuft er Euch noch weg.“

Maia verneigte sich dezent. „Habet dank!“ Sie zahlte die drei Münzen aus ihrer Geldkatz. Als sie dem Sklaven das zweite Ross anbot, in dessen Sattel er sich schwang und ihr treu folgte, schaute die Soldatin den beiden Reitern fragend hinterher. „Sie lässt ihn reiten?“ Die Uniformierte zog verwundert die Stirn kraus. Doch dann grinste sie frivol. „Jetzt begreife ich. Sie kennt das Exemplar und weiß, was es unter seinem Lendenschurz trägt. Und wer nicht marschieren muss, hat des Nachts mehr Manneskraft.“ Bei dem Gedanken rührte sich etwas in ihrem Schoß. Ein Kribbeln durchfuhr sie, und sie merkte, wie ihre Weiblichkeit feucht ward.

Sie prüfte den Stand der Sonne: Sie hatte noch Zeit, bevor sie wieder vor die Festung der Megara musste. Sie rief zu den Leibeigenen hinüber, die sie vorhin erwähnt hatte. „Hey, du da, mit den blonden Locken. Komm her!“ Der Sklave eilte zu der Soldatin und beugte demütig das Haupt. Die Soldatin schritt um ihn herum und zog ihren Dolch. Mit der Spitze der Klinge hob sie den Lendenschurz des Mannes und betrachtete Gemächt und das ansehnliche Gesäß. Ihr Grinsen wurde breiter. Ein Leckerbissen! Sie nahm ihn an der Halskette und zog ihn hinter sich her. Ein wenig Kurzweil hatte sie sich verdient, bevor sie wieder zu ihrer Abteilung musste.

Caduceus hatte die Substanzen aufgetrieben und sie zur Mitternacht entzündet. Er atmete den Dampf tief ein, schloss die Augen, konzentrierte sich, tauchte ab in eine Meditation und brachte sich in eine Art Traumzustand. Sein Atem ging langsam und gleichmäßig. „Leda…“, flüsterte er. Sein gesamter Leib zitterte. „Es ist also wahr! Die Königin lebt!“ Caduceus sah die Majestät als Magd eines Gehöftes Wäsche waschen. Und bei ihr waren noch weitere Personen… Vertriebene… ins Exil geschickte… Ihr treu ergebene Untertanen… Doch mehr konnte der Alchimist nicht erkennen. Die Bilder verwischten vor seinem Geist.

Wo hielt sich die Königin auf? Caduceus schlug das Herz nun, als wolle es seinen Brustkasten sprengen. Er musste sich mehr konzentrieren! Tiefer in die Illusionen eintauchen. Der Seher atmete tief ein und aus und sog den Dampf in seine Nase. Wenn die Majestät noch lebte, dann war alles möglich. Der Untergang der Megara hatte nur den Aufstieg eines genauso bösen Weibes zugelassen. Welch Graus! Doch damit musste er sich nicht abfinden. Leda! Sie lebte!

Nachdem Caduceus sich mit seinem Schicksal als Leibeigener längst abgefunden hatte, keimte in ihm die Hoffnung, eines Tages wieder als Freier unter Ledas Herrschaft leben zu dürfen. Der Alchimist entfernte alle Spuren seiner Sichtung und legte sich auf seine Kissen, die seine Herrin ihm in einer kleinen Kammer neben der Bibliothek zugestanden hatte. Doch ein Schlaf wollte sich lange nicht einfinden. Viel zu angespannt war er dazu.

Also stand er wieder auf und kritzelte mit seinem Gänsekiel weiter auf einem Pergamentbogen, auf dem er in verschnörkelten Schriftzeichen kunstvoll den Text aus einem der staubigen Bücher malte. Wenn er danach noch nicht müde sein würde, überlegte Caduceus, würde er sich noch an das Strafbuch machen, dass die Herrin führte. In Schönschrift trug er dort ein, welcher Sklave der Herrin sich welcher Sünde schuldig gemacht hatte, und welche Strafe ihn erwartete. Die Herrin führte darüber peinlichst genau Buch und liebte es, darin zu blättern.

Maia und Boreas ritten gen Westen. Irgendwo an der fernen Küste wollten sie sich niederlassen und als Mann und Weib zusammen leben. Je weiter sie nach Westen ritten, desto geringer wurde der politische Einfluss des Matriarchats. Zu Anfang waren sie noch oft schief angeguckt worden, denn Maia hatte Boreas in einer Schmiede sein Halsband entfernen lassen. Als sie ihn auch noch in feines Wildleder einkleiden ließ, kam die Schneiderin gar nicht mehr aus dem Staunen heraus. Ein Sklave in so edlem Zwirn? Und teure Stiefel dazu? Da kostete seine Gewandung ja mehr als sechs von seiner Sorte! Er war doch ein Sklave, hatte die Frau gerätselt. Schließlich war er nur ein Mannsbild! Was für eine absurde Verschwendung!

Doch um jede Meile, die sie weiter zurücklegten, verhielten sich die Menschen männerfreundlicher. Als sie endlich in der Küstenregion angekommen waren, war von Frauendominanz nichts mehr zu spüren. In einem Hafendorf suchten sie sich eine günstige Herberge. Das erste Gasthaus, das sie fanden, war aus einem Steinfundament und einem Holzaufbau mit einem flachen First gestaltet. Die Traufe hing weit über den Eingang und wurde von zwei dicken Balken stützt, die kunstvoll verziert waren. War eine Kammer hier zu kostspielig? Alles sah sehr gepflegt aus. Maia wollte zumindest nachfragen. Zu ihrem Erstaunen war der Preis für die Nacht erträglich, so entschloss sie sich, hier Quartier zu halten.

Maia, die noch aus alter Gewohnheit erklären wollte, dass ihr Begleiter nicht im Stall sondern in ihrer Kammer schlafen sollte, sorgte für ungewollte Heiterkeit bei dem Wirt. „Habt Ihr Fremdlinge Angst um Eure Rösser? Keine Sorge. Es tut keine Wache not. Pferdediebe werden hier streng bestraft. Forthin gibt es keine mehr.“ Er zog mit seinen dicken, kurzen Fingern in einer symbolischen Geste über seine Kehle.

Maia ward rot vor Verlegenheit und ließ sich die Kammer zeigen. Boreas trottete hinterher. Der Wirt wunderte sich erneut. Warum lief der Mann seinem Weibe hinterher? Was war denn das nur für ein Hasenfuß? Aber er behielt seine Gedanken für sich und zuckte nur mit den breiten Schultern. Hauptsache war, dass die Gäste für die Nacht und die Mahlzeiten berappten. Und Maia hatte dem Wirt bereits eine ganze Silbermünze in die Hand gedrückt. Dafür würde sie die Kammer einige Tage behalten können und herzhaft zu Brot, Braten, Suppe und Met greifen dürfen.

Zwei Tage später erreichte die Fischerflotte ihren Heimathafen. Mit reicher Beute kamen die rauen Männer nach wochenlanger Fahrt auf dem Ozean zurück. Mit ihnen näherte sich ein gewaltiger Schwarm aus Möwen und anderen Seevögeln der Küste. Geschäftiges Treiben an der Kaimauer und den Holzstegen war die Folge. Maia und Boreas fragten nach Arbeit und packten für einige Kupfermünzen pro Tag fleißig mit an, den Fang in Kisten zu verladen und diese auf Karren zu stapeln. Boreas schleppte Körbe mit Fischen, Hörnern, Muscheln, Korallen und Walfleisch, sortierte Fische, schrubbte die Decks der kleinen Schiffe; Maia reparierte Netze und Segel und bürstete überschüssiges Salz von eingepökelten Häuten und Fellen ab.

Hin und wieder wurde sie am ersten Tage während der Arbeit von Fischern bedrängt, doch konnte sie sich gut verteidigen. Nachdem ihr ein Seefahrer derb an den Hintern gefasst hatte und nach ihrer Brust greifen wollte, um hinein zu kneifen, hatte sich Maia geschickt weggedreht und dem Mann ihr Knie in den Schoß gerammt. Der Fischer war vornüber gesackt und hatte laut gestöhnt. Als er sich wütend aufrichtete und sich auf das widerspenstige Weibsbild stürzen wollte, verharrte er abrupt, als er eine scharfe Klinge an seinem Hals spürte. Maia lächelte ihn überlegen an. „Haltet ein! Kommt mir noch einmal zu nahe und ich setze meinen Dolch da unten an!“ Mit diesen scharfen Worten versetzte sie dem Fischer einen Knuff mit der Faust an die bereits schmerzende Stelle.

Unter dem Gelächter der anderen Seefahrer war der Kerl flink wie ein geprügelter Hund von dannen gezogen. „Gehabt Euch wohl, Bursche!“ Dies hatte sie ihm zum Abschied hinterher gerufen. Seit diesem Tage wurde Maia von allen Männern im Hafen und des Dorfes Respekt gezollt. Boreas hingegen lachten viele der Bewohner hinter vorgehaltener Hand aus, denn er galt als Hasenfuß und Duckmäuser. Denn Maia konnte ihre dominante Art nicht immer zurückhalten und gab ihrem Begleiter hin und wieder strenge kommandierende Anweisungen. Boreas gehorchte stets sofort und ohne Widerrede. „Das muss Liebe sein“, schwärmte eine Magd, die beobachtete, wie der Mann seinem Weibe zu Gefallen war. Doch ein Knecht neben ihr knurrte: „Unfug! Der lässt sich von einem Weib herumschicken! Willst du etwa so einen?“ Die Magd sah den Knecht neckisch an. „Na ja, es hat schon seine Vorteile…“


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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:18.04.21 15:57 IP: gespeichert Moderator melden



Nur wenige Meilen entfernt lag das Gehöft, in dem Leda, Nike, Hagbard und Zelos lebten. Auch sie zog es nun zum nächsten Hafen, um dort geschäftig mitzuarbeiten. Als die Vier gerade auf einem Steg einige Kisten auf einen Eselskarren verluden, stiegen einige Fischer von Bord eines Kahnes. Zunächst interessierten sich Leda, Nike, Hagbard und Zelos nicht besonders für die Männer. Doch dann erkannten sie unter den Kerlen eine Gestalt, die… Leda starrte sie an. „Das ist doch gar wundersam!“ Auch Nike, Hagbard und Zelos sahen aus, als hätten sie einen Geist gesehen. Der Mann, der gekleidet war wie einer der Fischer, sah Honos, ihrem ehemaligen Majordomus wie aus dem Gesicht geschnitten.

Auch Honos erkannte Leda und Hagbard. Aber er grinste nur frech und schritt an ihnen vorbei. Leda war außer sich. „Wie kann er es wagen!? Er ist ein Meuterer! Ich werde ihn…“ Doch da hielt Hagbard sie an der Schulter zurück. „Nicht so laut! Denkt daran: Ihr seid nun Lina, die Magd. Ihr habt keine Befehlsgewalt mehr über ihn.“ Leda haderte mit sich und biss ihre Zähne zusammen. Hagbard brummelte: „Mich würde aber interessieren, wie der Bursche es geschafft hat, vom Westkontinent zu entkommen und hier aufzutauchen.“ Nike schlug vor: „Fragen wir den Kapitän des Schiffes, mit dem er eingetroffen ist.“ Die frühere Gardistin machte sich auf den Weg und kletterte an Bord. Da kamen ihr der Schmied Tartaros und einige weitere Männer an Deck entgegen, die ihr irgendwie bekannt vorkamen.

Später berichtete Nike den Anderen, was sie von dem Seemann erfahren hatte: Die Fischerflotte war durch einen schweren Sturm weit von den üblichen Schifffahrtsrouten nach Westen abgetrieben worden und auf Schiffbrüchige gestoßen: sechs Männer, die halb verdurstet auf einem Floß dahin trieben, ausgehungert und ausgetrocknet. Die Meuterer waren anfangs 14 Personen gewesen: elf Soldaten, ein Gardist und Tartaros sowie Honos. Doch nur ein halbes Dutzend hatte das waghalsige Unternehmen überlebt.

„Aber warum sind sie überhaupt zurückgekehrt?“, fragte sich Leda und zog die Stirn kraus. „Sie haben mit mir gebrochen, und unter Megaras Herrschaft würden sie sogar versklavt.“ Hagbard grübelte. „Vielleicht sind sie auf dem Westkontinent vertrieben worden. Er ist ja offenbar bewohnt von einem seltsamen Volk.“ Leda machte sich noch bis tief in die Nacht Gedanken über das Wiedertreffen mit den Meuterern, kam aber bei ihren Überlegungen zu keinem rechten Schluss. Sie war nun eine kleine, unbedeutende Magd. Sie hatte keine Macht mehr über die Mannsbilder. Sollten sie doch zum Teufel gehen!

Wichtiger war ihr, was aus den Getreuen geworden war, die sie hatte zurücklassen müssen. Leda schmerzte das Herz. Thrym, Medikus, Ate, Ajax und Pan… Was war aus ihnen geworden? Eine quälende Ahnung wuchs in ihr: Waren sie Opfer des fremden Westvolkes geworden? Eine nicht weniger erschreckende Vorstellung: Waren sie den Meuterern über den Weg gelaufen? Oder lebten sie sicher in ihrer neuen Heimat? Und dann fiel ihr auch Gladius ein, den Soldaten, den sie vielleicht in den Tod geschickt hatte, als sie ihn als Späher ausgesandt hatte. Leda liefen ein paar Tränen über ihr Antlitz. Verschämt wischte sie sie weg, als Nike zu ihr in die Kammer kam und sich neben ihr zur Ruhe legte.

Doch Ledas Sorgen waren unbegründet. Denn die sechs Gefährten hatten sich stabile Unterkünfte aus Bambusrohren und großen Blättern gebaut. Zweige und Lianen schützten die Häuser zusätzlich vor Wind, Sonne und Regen. Die Umgebung, in der sie sich niedergelassen hatten, war sehr fruchtbar. Außerdem gab es viele jagdbare Tiere. Und seit Gladius mit der Muskete aufgetaucht war, ging das Waidwerk viel leichter von der Hand.

Anfangs war besonders Thrym skeptisch und äußerte abergläubisch: „Dieser Feuerstock kann nur dämonischen Ursprungs sein. Lasst ihn uns vergraben.“ Doch Gladius erklärte ihm, was er bei dem Westvolk darüber erfahren hatte: dass nämlich keine Zauberei, sondern einfache Alchemie der Grund für die Wunderwaffe war. Er berichtete ebenso von einem ausgeklügelten Zeitenmesser. Jene komplexe Konstruktion aus Zahnrädern und allerlei feinster Mechanik konnte jede Stunde des Tages anzeigen - ohne die Sonne zur Hilfe zu nehmen. Und eine andere Schöpfung mit einer schwimmenden Nadel in einer Dose zeigte verlässlich die Himmelsrichtung an - ebenfalls ohne Sternenzelt.

Thrym runzelte die Stirn. Die Erzählung mit dem Feuerstock war schon absonderlich genug, immerhin hatte er ihn mit eigenen Augen gesehen, aber den Rest - fürwahr - hatte sich Gladius gewisslich ausgedacht. Imaginationen, die seiner Fantasie entsprungen waren. Oder es war doch Hexerei!

So lebten die Zurückgebliebenen ein recht sorgenfreies Leben. Ate wurde als einziges Weib von den Männern hofiert, was ihr sehr gefiel. Keiner der Recken konnte Besitzansprüche an sie stellen. Ate entschied jeden Tag aufs Neue und aus freien Stücken nach Lust und Laune, ob sie die Nacht alleine verbringen oder mit einem ihrer Kameraden teilen wollte.

Oft war es Pan, den sie erwählte, obwohl er nach Ledas Abreise zu forsch für ihren Geschmack gewesen war. Mittlerweile aber hatte sie an seiner Gestalt Gefallen gefunden. Doch weil auch Gladius, Thrym und sogar der Medikus hin und wieder zum Zuge kamen, hielt sich die Eifersucht unter den Recken in Grenzen. Nur Ajax war unzufrieden, denn er steckte immer noch im Keuschheitsgürtel der Leda. Dafür verfluchte er die Schicksalsgötter heimlich, und dann hoffte er in seinen Gebeten auf eine Antwort. Doch die Stille, die er vernahm, rauschte nur laut wie das Meer in seinen Ohren.

Dass Ate die ganze Zeit über den Schlüssel verbarg, den Leda im letzten Moment ihrer Abreise aus dem Ballon geworfen hatte, um Ajax die Freiheit zu schenken, wusste außer ihr selbst niemand. Und aus irgendeinem Grund, den sie sich nicht so recht erklären konnte, wollte sie das Geheimnis vorläufig für sich behalten. Vorläufig… Ate hatte schon viele Stunden darüber nachgedacht. Aber inzwischen getraute sie sich auch nicht mehr, die Wahrheit aufzudecken, denn Ajax wäre gar sehr böse, wenn er davon erführe.

Und da war noch etwas in Ate, was sie von einer Beichte abhielt. Nie zuvor hatte sie so viel Erfüllung erlebt, wenn sie mit einem Manne beisammen lag. Die Gewissheit, den Schlüssel zu einer Männlichkeit zu besitzen, war unglaublich erregend und befriedigend. Wegen dieser Gefühle würde sie den Schlüssel niemals wieder hergeben. Anfangs hatte sie ein schlechtes Gewissen dabei gehabt. Besonders, wenn sie Ajax hörte, wie er seufzte und vor sich hin jammerte. Aber als sie bemerkte, dass Pan den Eingeschlossenen nicht etwa bedauerte, sondern sogar verspottete und offenbar sein Verlangen dadurch nach ihr größer und heißer wurde, da genoss sie das Spiel mit der Keuschheit.

Und eines Tages konnte sie ihr Geheimnis nicht mehr für sich behalten und teilte es wispernd mit Pan. Der Soldat reagierte so, wie sie es sich nur wünschen konnte: Er lachte gehässig, und seine Männlichkeit wurde so hart und fordernd, dass Ate alles um sich herum vergaß. Sie flüsterte Pan beim Liebesspiel ins Ohr, wie sehr sie ihn wollte, und wie sehr sie es genoss, dass Ajax in seinem Keuschheitsgürtel schmachtete.

So lagen Ate und Pan noch oft beieinander, teilten ihr Geheimnis und die unbändige Lust miteinander. Vor Ajax heuchelte das Weib weiterhin Mitleid und Verständnis, doch wendete sie dann stets ihr Gesicht mit einem hämischen Grinsen ab, während ihre Lust in ihrem Schoß erwachte.

Erst eines Tages kam es zu einem handfesten Streit zwischen den Männern, als Ate zunächst Gladius die Nacht versprochen hatte und dann auf sich warten ließ. Der Soldat machte sich leicht bekleidet und sichtbar voll Begierde auf die Suche nach Ate und fand sie leidenschaftlich in den Armen des Nebenbuhlers, der den Rivalen spöttisch angrinste und seine Hand auffällig auf Ates Brust legte. Gladius stürzte sich auf den Provokateur. Doch Pan zückte eine blanke Klinge, die sich in Gladius Leib gebohrt hätte, wäre dieser nicht im letzten Wimpernschlag zur Seite gewichen.

Ate war entrüstet über Pans hinterhältiger Attacke mit der Waffe. Sie schlug mit ihren Fäusten und Füßen auf Pan ein und verließ dann empört mit Gladius die Hütte. Pan blieb allein zurück. Nun brodelte die Eifersucht in ihm. Erst nachdem er seiner Lust eigenständig nachgegeben hatte, beruhigte er sich ein wenig. Morgen würde Ate wieder zu ihm kommen. Sie würde ihn anbetteln, damit er in sie tauchte. Doch dazu kam es nicht.

Das Weib hatte einen bedeutenden Entschluss gefasst. Pan gehörte bestraft. In der folgenden Nacht vertraute es sich Gladius an. Ate erzählte jedoch nur, dass sie den Schlüssel zu dem Keuschheitsgürtel vor kurzem gefunden habe, wo ihn Leda scheinbar hinterlassen habe. Sie verriet Gladius nichts davon, dass die Vorstellung des Versperrten auch ihr eigenes Feuer entfacht hatte. Und auch nicht, dass sie den Schlüssel schon viele Wochen an ihrem Herzen trug. Aber das musste er ja auch nicht wissen.

„Und was willst du nun tun?“, fragte Gladius sie. „Willst du Ajax erlösen?“ Ate nickte langsam und bedacht. „Ja, und Pan soll in den Gürtel gesteckt werden. Er hat nichts anderes verdient.“ Sie reckte fordernd ihr Kinn vor. Gladius zog sie zu sich und streifte ihr Wams von ihrem nun nackten und zarten Leib. Sein Verlangen war so groß wie nie zuvor. „Lass uns morgen reden…“ In diesem Augenblick ahnte sie, dass die Nacht voller Hitze sein würde, und der wackere Recke enttäuschte diese Ahnung nicht.

Als die Sonne aufging besprachen Gladius und Ate ihr Vorhaben mit Thrym und dem Medikus. Thrym, der sich als Anführer sah, traf den Richterspruch: „So soll es geschehen! Der Dolchangriff muss geahndet werden.“ Und noch in dieser Stunde wurde Pan überwältigt und gefesselt an einen Baum gestellt. Ate verkündete, dass sie den Schlüssel zu dem Keuschheitsgürtel gefunden habe und nun Ajax erlösen werde und statt seiner ab heute Pan verschlossen werde.

Thrym verkündete nun noch einmal das Urteil der kleinen Gemeinschaft. In Ajax Augen blitzte eine tiefe Genugtuung auf. Pan dagegen jammerte laut und plärrte würdelos, bettelte um Gnade und Erbarmen. Doch seine Worte verhallten ungehört. Sein Flehen war den Anwesenden so gleichgültig wie dem Baum, an den er gebunden war. Ate zerrte ihm die Kleider weg und flüsterte ihm zu, dass es niemand sonst hörte: „Unser Geheimnis bleibt unter uns! Sonst bleibt dein Gemächt für alle Ewigkeit versperrt. Niemand muss wissen, wie lange ich den Schlüssel schon hatte.“ Pan hatte das Gefühl, in ein tiefes Loch zu fallen, das ihn für immer verschlingen wollte.

Ate befreite Ajax aus seinem Keuschheitsgürtel. Sie zelebrierte die Öffnung regelrecht. Der Soldat stöhnte erlöst auf und griff sich an seine Männlichkeit. Fast standen ihm Tränen der Erleichterung und Freude in den Augen. Er sah noch, wie der grausame Kerker, den er so lange Zeit als barbarische Bürde hatte tragen müssen, mitleidlos um Pans Lenden schnappte, der nun jammerte wie ein Weib, und dann eilte Ajax mit seiner neu gewonnenen Freiheit, an die er schon lange nicht mehr geglaubt hatte, in seine Hütte.

Die Nacht sollte Pan am Baum gefesselt bleiben. Als die Dunkelheit hereingebrochen und der Mond aufgezogen war, konnte er durch einige Bäume noch das knackende Lagerfeuer sehen, um das die Gefährten gesessen hatten, und von dem ein Bratenduft herüber wehte, der Pan das Wasser im Munde zusammen laufen ließ. Langsam starben die Flammen. Nur noch die Fleischreste hingen am Grillstab. Doch schlimmer als der Hunger nach Fleisch war bereits jetzt der Appetit auf Ate. Ate, die ihn so schändlich erpresste, die Thrym erst auf die Idee gebracht hatte, ihn in den vermaledeiten Keuschheitsgürtel zu sperren.

Als Pan endlich die Augen zufallen wollten, wurde er durch Geraschel hinter seinem Rücken wieder wach. War da ein Tier gewesen? Oder nur der Wind, der ihm Gesellschaft leistete? Aber dann sah er zu seinem Erstaunen, wie Ate an seiner Seite erschien. „Was machst du hier?“, fragte er überrascht. Die Soldatin lächelte ihn an, streichelte seine Brust und sein Gesicht. „Ich möchte dich besuchen.“ Pan stöhnte vor Verlangen. Wäre er doch nur nicht gefesselt. Er würde sie nehmen wie ein Mann ein Weib nahm. Ach, und trüge er nicht diesen teuflischen Gürtel!

Doch dann erstarrte er fast vor Freude, als Ate ihm einen Schlüssel vor die Nase hielt. „Schau, was ich uns mitgebracht habe.“ Pan ächzte vor Begierde. „Binde mich los! Eile!“
Ate schüttelte langsam und amüsiert den Kopf. „Aber dann läufst du mir noch weg! Ich kann dich nur aufschließen, wenn du am Baum stehen bleibst.“ Pan stöhnte. „Also gut. Schließe mich auf!“ Ate streichelte über Pans Körper. Sie sah und spürte, wie sich seine Brustwarzen aufrichteten. Sie steckte den Schlüssel in das Schloss und befreite den Soldaten von dem eisernen Kerker.

Pan stöhnte erneut auf. Das Begehr wuchs in ihm in Windeseile in ungeahnte Höhen. Ate konnte beobachten, wie sich seine Männlichkeit aufrichtete. Pan versuchte seine Hüfte nach vorne zu stoßen, um Ate näher zu sein, sie zu berühren, doch die Seile hielten ihn am Stamm. Ate kicherte belustigt auf. „Willst du das hier?“, neckte sie ihn und näherte sich rücklings und vorgebeugt dem Stamm, die Röcke gehoben und ihre Weiblichkeit ganz offen zur Schau stellend.

Pan stöhnte hilflos auf. Ate bewegte sich mit wiegenden Schritten zu ihm, hielt sich aber immer wenige Fingerbreit aus der Reichweite seines Luststabes, der frustriert und hungrig in der Luft pochte und bebte. Ate ergötzte sich dabei an dem Schauspiel, genoss seine hoffnungslosen Versuche in sie einzudringen und spürte, wie sie selbst heiß wurde, wie die Leidenschaft in ihr zu brennen begann.

Als der Gefesselte es aufgeben und begreifen wollte, dass sie ihn nur aufzog, kam sie doch so nah, dass die Spitze seines scharfen „Schwertes“ kurz in ihre feuchte Spalte drang. Wieder stöhnte Pan lustvoll und zugleich gequält auf, als Ate erneut einen halben Schritt von ihm weg machte und sich ihm so entzog – nur eine Handbreit weg, und doch so weit, wie hundert Meilen. Nun begann sie auch noch mit ihren Fingern ihre Weiblichkeit zu erregen. Pan schluckte trocken und öffnete weit den Mund, als bekomme er nicht genug Luft zum Atmen. Seine Augen starrten ihr in den Schoß. Ate foppte ihn, steckte ihm einen Finger in den Mund, an dem er gierig ihren Duft und Geschmack einsaugte, dann gab sie sich ihm wieder hin, doch nur kurz, bevor sie sich ihm wieder frotzelnd entwand.

„Hör auf, mich zu martern!“, flehte Pan. „Bitte, Ate! Ich bin doch mit dem Keuschheitsgürtel schon gestraft genug.“ Doch Ate trieb ihr Spiel aus Lug und Trug wieder und wieder, ließ seine Spitze eintauchen, und einmal presste sie sich ganz in seinen Schoß, was ihm ein maskulines Luststöhnen entfahren ließ. Aber schließlich begnügte sich Ate damit, seinen Stab mit den Händen zu verwöhnen und brachte ihn mit ihren kunstfertigen Fingern fast auf den Gipfel der Lust. Pans gefesselter Leib war gespannt und verkrampft, wollte nur noch seinen Samen ergießen, aber dann…

…ließ Ate wieder von ihm ab und die hilflose, zappelnde und Fäden ziehende Männlichkeit allein und unbefriedigt zurück. Pan grunzte gepeinigt auf. In der Hoffnung, dass Ate im nächsten Moment wieder die Berührung mit ihm suchte, starrte er sie voller Begierde und Verlangen an. Er konnte gar nicht anders. Er war seinem Verlangen und damit der Soldatin schier willenlos ausgeliefert. Aber was er dann bemerkte, ließ ihn vor Entsetzen erstarren. Das musste ein Trugbild sein: Gladius kam zwischen den Büschen hervor.

Ate hatte augenblicklich nur noch für den Nebenbuhler Augen. Die Beiden küssten sich vor ihm leidenschaftlich, und Pan musste miterleben, wie Ates Finger die Lenden des Rivalen erforschten, wie Gladius Ates Brust und Gesäß knetete, wie die beiden stöhnend zu Boden sanken, Ate ihre Schenkel öffnete und die zwei sich vor ihm vereinten! „Nein!“, hauchte er krächzend. Seine Stimme versagte ihm. Das Bild und die Laute schmerzten stärker, als hätte Ate ihm in sein Gemächt getreten. Sie bog ihren Rücken in höchster Leidenschaft durch und gab sich Gladius bedingungslos hin. Vor Pans Augen verschwammen die Liebenden durch einen Regen von Wut, Frustration, Eifersucht und Trauer.


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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:25.04.21 16:21 IP: gespeichert Moderator melden


In der Metropole im Osten des Kontinents saß Fama, die Siegreiche, derweil mit einigen Senatorinnen zusammen. Hinter vorgehaltener Hand nannten sie einige der Damen wegen ihrer Marotten auch Fama, die Launische, aber das würde niemals laut ausgesprochen werden. Die Imperatorin sprach wie stets mit fester Stimme, hart wie Granit: „Es ist also beschlossen. Die Sklavenjägerin erhält keine Begräbniszeremonie.“ Die Entscheidung war einstimmig gefallen. Phoibe, die den Troll für die Arena gefangen hatte, war bei einem schrecklichen Unglück ums Leben gekommen.

Aber da erst ihr Fang das Desaster möglich gemacht hatte, war Fama nicht gut auf die Sklavenjägerin zu sprechen. Als der Troll vor den vollen Rängen der Schaulustigen gegen Gladiatoren kämpfen sollte, war er bis auf die Ehrentribüne gesprungen. Nur der mutige Einsatz zahlreicher Gardistinnen hatte verhindert, dass das Untier blutige Ernte unter den mächtigsten Damen des Reiches einholte.

Phoibe, die berühmte Sklavenjägerin, konnte den Gewalten des wütenden Ungeheuers allerdings nicht entkommen. Als habe der Troll genau gewusst, wem er seine Gefangenschaft zu verdanken hatte, hatte er sich als erstes auf Phoibe gestürzt und fürchterliche Rache genommen.

Fama, Helena, Ceres, Flagella und Cassandra konnten dagegen mit knapper Mühe der Todesumarmung des außer Kontrolle geratenen Giganten entkommen. Dabei zerriss das Kleid der Sklavengroßbesitzerin Cassandra, und sie flüchtete in schlichter Leibwäsche in die Katakomben der Arena. Panisch irrte sie in den steinernen Gängen umher, an zahlreichen Sklavenkäfigen vorbei, aus denen sich schmutzige Finger nach ihr streckten, Kreaturen, die nach ihr riefen, sie verlachten oder bedrohten.

Ceres, die Sklavenhändlerin, musste den grausamen Tod ihrer Freundin Phoibe ansehen und konnte nur mit einem beherzten Sprung in die Arena ihr Leben retten. Dort landete sie im Staub und machte sich zum Gespött der Menschenmassen, die hin und her gerissen waren zwischen fasziniertem Gaffen und Schauder über den ungeplanten Auftritt des Trolls in der Loge der neuen Königin.

Flagella, die andere Großhändlerin, stieß eine Wächterin in Richtung Troll, um selbst zu entkommen und flüchtete auf die Zuschauerränge. Von dort sprang sie dem Vestibül entgegen und wurde von der eigenen Leibgarde aus kräftigen Sklaven abgeschirmt.

Helena und Fama wurden von so vielen Palastgardistinnen umringt, dass der Troll nicht in ihre Nähe kam. Sie wurden so schnell von ihren Beschützerinnen aus der Loge gebracht, dass der tobende Riese ihnen nicht folgen konnte. Um ihre Töchter kümmerte sich Fama in diesem Moment nicht. Vesta und Aurora waren aufgesprungen und hatten ebenfalls versucht, aus der Reichweite des Trolls zu entkommen, doch in der allgemeinen Panik waren sie zu Boden gestürzt auf allen Vieren orientierungslos herumgeirrt wie blinde Kätzchen.

Aurora hatte Vesta auf den Saum ihres Kleides getreten und es mit lautem Ratschen zerrissen. Jäh krabbelte Vesta mit entblößtem Gesäß weiter, das von der Züchtigung immer noch rötlich schimmerte wie ein Sonnenuntergang im Frühjahr. Einige Hoffräuleins auf den Rängen konnten sie und ihre Pracht sehen und zeigten kichernd auf die Königstochter, die verzweifelt nach dem verloren gegangenen Stoff suchte, um sich zu bedecken.

Aber stattdessen geriet sie in die Reichweite des Trolls, der sie anhob wie eine Feder und in die Luft warf und ihr dabei noch den Rest ihres Kleides vom Leibe zog. Splitternackt flog Vesta in die Höhe und schrie wie am Spieß. Nur ihr Keuschheitsgürtel verdeckte wenigstens einen Teil ihrer Scham. Der Troll fing sie wieder auf und schleuderte sie nun wie einen angebissenen Apfel in die Arena hinab zu den Gladiatoren. Die Männer fingen die Königstochter auf, doch spürte Vesta daraufhin scheinbar Dutzende Hände an ihrem Leib, zwischen den Schenkeln, an ihren Brüsten, ihrem Gesäß… Sie schrie noch schriller als je zuvor und schlug wild um sich.

Aurora war inzwischen aufgestanden, aber über ihren eigenen Kleidersaum gestolpert und in voller Länge wieder hingefallen. Dabei verlor sie endgültig die Orientierung und taumelte nun dem Troll genau in die Arme, der gerade ihre Schwester über die Balustrade katapultiert hatte. Fast genau vor ihrer Nase baumelte das gewaltige Gemächt des Goliaths. Angst und Faszination mischten sich bei Vesta und ließen sie erstarren. Der Troll packte sie zu ihrem Glück nicht, sondern flüchtete mit einer Gewandtheit, die ihm niemand zugetraut hätte, aus der Tribüne auf die Ränge der Zuschauerinnen.

Sofort brandete Panik auf, und die Damen stoben auseinander. Der Flüchtende suchte jedoch nur den Ausgang aus der großen Arena. Schon wenige Wimpernschläge später war er verschwunden, ein Chaos der Verwüstung und Angst hinterlassend, der Staub noch in der Luft, den seine schweren Schritte in die Höhe gewirbelt hatte.

Fama brüllte: „Fangt ihn wieder ein!“ Aber die Soldatinnen reagierten nur zögerlich. Niemand hatte großes Interesse daran, von dem Ungeheuer zermalmt zu werden. Und so gelang es dem Untier, aus der Metropole zu fliehen und in den umliegenden dichten Wäldern Unterschlupf zu finden. Chaos und Angst hinterlassend, war er verschwunden.

Die Sonne war erst eine kurze Strecke über den Himmel gezogen, da tobte Fama in ihrem Palast und befahl mehreren Suchtrupps, die Fährte des Flüchtigen aufzunehmen, doch sollte der Troll verschollen bleiben. Eines stand inzwischen fest: Phoibe hatte das alles zu verantworten und sollte wie Gesinde verscharrt werden. Nur ihr Nachlass war zu regeln. Was sollte mit den Sklavengaleeren geschehen, was mit den Sklavenladungen? Ich werde alle annektieren, beschloss Fama. Zumindest das war ihr die törichte Phoibe schuldig.

Fama, die Siegreiche, war zutiefst verstimmt. Nach dem verhängnisvollen Arenakampf mit dem Troll benötigte sie einen politischen Erfolg. Sie schickte Helena auf dem schnellsten Wege in die alte Hauptstadt nach Westen, um endlich Megara aus ihrer Festung zu holen. „Brennt alles nieder, wenn es sein muss“, blaffte Fama, „egal, was es kostet! Stürmt dieses elende Bollwerk! Auch, wenn es tausende Sklaven benötigt.“

Helena machte sich bei der nächsten Morgenröte, es lag klammer Nebel über dem Boden, mit einer Gardistenarmee auf den Weg zu ihrem schwierigen Auftrag. Sie durfte Fama nicht enttäuschen, wenn sie die neue Statthalterin der westlichen Provinzen bleiben wollte. Die große Aufgabe, die vor ihr lag, zog an ihr wie eine schwere Fußkette aus dicken Eisengliedern.

„Es muss doch möglich sein, diese räudige Hexe aus ihrem Loch zu bekommen!“, raunzte sie eine Duxa an. Die hohe Offizierin antwortete: „Wie Euch beliebt, edle Helena. Ich werde eine Angriffsstrategie ausarbeiten und Euch vorlegen, noch bevor wir die alte Hauptstadt erreichen.“ Helena nickte zufrieden. „Nun denn. Versüßt mir den Tag.“ Sie griff in einen Beutel nach einer Weintraube und ließ sie zwischen ihren Zähnen zerplatzen.

Nach einem viele Stunden andauernden Ritt ließ sie auf einer baumlosen Ebene für die Nacht lagern. „Bring mir einen Lustsklaven ins Zelt. Und einen Zuber frisches Wasser. Morgen werden wir bei Sonnenaufgang aufbrechen.“ Die Duxa salutierte und verließ die Unterkunft der Führerin. Wenige Augenblicke später erschien ein junger und hübscher Sklave mit lockigem Haar, der sofort auf die Knie fiel, als er die Statthalterin auf einem Diwan liegen sah, und demütig zu Boden blickte. „Komm zu mir“, winkte Helena jovial lächelnd. „Dort vorne steht warmes Öl. Massiere mich. Mein Leib schmerzt vom langen Ritt.“

Der Jüngling gehorchte und zeigte, wie gewand er mit seinen Händen war. Während Helena die Behandlung genoss und die Augen geschlossen hielt, um zu entspannen, war der Sklave angespannt und nervös. Beinahe strauchelte er einmal über seine eigenen Füße. Wenn er Helena nicht zu ihrer vollsten Zufriedenheit verwöhnte, würde er gewisslich gezüchtigt. Zumindest hatte ihm die Soldatin, die ihn herbefohlen hatte, dies prophezeit.

Knetete er zu fest? Waren seine Griffe zu lasch? Hatte er das Öl auch sorgfältig genug auf dem zarten Körper verteilt? Waren seine Hände weich genug? Gefiel es der edlen Helena?
Der Sklave war voll banger Unentschlossenheit. Und trotz seiner Angst vor dem Versagen, fühlte er sich sehr geehrt, dass er die hohe Helena berühren durfte. Das konnten wohl nur die wenigsten Sklaven von sich behaupten. Dennoch war es ihm nicht einmal in seiner Fantasie möglich, sich ausmalen, was die Nacht noch für ihn bereit hielt.

Während sich der hohe Kriegstross in ungedrosseltem Schritt in Richtung Westen begab, schufteten unterhalb Megaras Festung Dutzende Sklaven an einem Durchbruch in das unterirdische Höhlensystem, um der Tyrannin eine Option zur Flucht zu gewähren. Die völlig übermüdeten und erschöpften Leibeigenen wurden von den erbarmungslosen Soldatinnen mit Peitschen und Knüppeln immer wieder an ihre Arbeit und tief in die Gänge getrieben. Die Kreaturen röchelten und strauchelten, schwitzten und stöhnten. Die großen Gefahren wegen Einsturz und Überschwemmungen mussten sie ignorieren.

Megara raufte sich das lange Haar. „Verrat! Verrat überall!“ Langsam wurde sie verrückt vor Sorge. Würden ihre Untertanen, die ihr noch geblieben waren, zu ihr stehen? Wie lange noch? Megara ließ Abas in einen kleinen Käfig sperren und diesen über die Zinnen an der Wehrmauer einige Ellen schabend hinabrutschen. „Der Wurm soll ein Symbol sein für alle, die sich gegen mich stellen!“, rief sie durch den Thronsaal. Eine Duxa, die den Befehl hinterfragte, wurde ihrem Dienstgrad enthoben und zur einfachen Soldatin degradiert.

Eine Centuria, die von der Duxa mehrfach als Oberaufsicht in die alten Minenschächte geschickt worden war, teilte die nun einfache Soldatin mit einem breiten Grinsen für die Wächtergruppe ein, die tief im Inneren der Erde dafür sorgen mussten, dass die Sklaven mit allerlei Hilfsmitteln die Wege frei gruben oder durch weitere harte Gesteinswände hackten – ein schmutziges und schweißtreibendes Unterfangen auch für die Wachen, denn in der Tiefe herrschte eine Hitze, dass man sich fühlte wie ein Schmorbraten über glühenden Kohlen.

Die Centuria wartete nur darauf, dass die Soldatin mit ihren Kameradinnen in die Minen hinab stieg. Dann ließ sie den Lustsklaven der ehemaligen Duxa rufen und vergnügte sich mit ihm. Schon bald erkannte sie den exklusiven Geschmack dieses Weibes und genoss die geschickte Zunge des Mannes. Ab heute würde er nur noch sie verlustieren.

Vor den Toren beobachteten zwei Duxas der Armee der Fama mit gefesselten Blicken, wie Abas in dem Käfig an der Außenmauer entlang schleifte. „Was bezweckt die alte Hexe damit? Wer ist das? Irgendein Sklave oder Kriegsgefangener?“ Die andere Duxa ließ sich ein Fernrohr bringen – eine neue Errungenschaften von Alchimisten. „Das ist… Das könnte…“ Sie erinnerte sich noch an die alten Zeiten, in denen sie als hochrangige Offizierin unter Königin Leda gedient hatte. Jetzt sträubten sich ihr die Haare vor Überraschung. „Abas, Ledas Gemahl!“

Die andere Duxa betrachtete den geschundenen Körper durch das Fernrohr, das sie zuvor mit dem Saum ihrer Uniform poliert hatte. „Das ist Abas? Aber was soll uns das sagen?“ Die Frauen sahen sich ratlos an. „Wenn es nach mir ginge“, stellte die Duxa fest, „würde Megaras Trutzburg längst dem Erdboden gleichgemacht sein. Auch, wenn es tausende Kampfsklaven kosten sollte!“ Ihre Nachbarin nickte zustimmend. Hoffentlich würde bald Helena zurückkommen, um weitere Befehle zu geben.

Und ihr Wunsch sollte sich erfüllen. Nicht lange Zeit später erschien ein Eilbote, der die Ankunft der neuen Statthalterin der alten Hauptstadt, Helena, ankündigte. Die Duxas staunten nicht schlecht, als die neue Oberbefehlshaberin die Erstürmung des Bollwerks anwies. Sämtliche Kampfsklavenabteilungen machten sich bereit für den großen Angriff.

Helena und ihre Duxas trafen sich zu einer geheimen Besprechung in ihrem Anwesen in der Stadt, darunter auch Ceres, die bekannte Sklavenhändlerin, die als Beraterin mitgereist war. Megaras Palast durfte nicht niedergebrannt werden, so war die Devise der Helena. Das entsprach zwar nicht den Befehlen, die sie von Fama, der Siegreichen, erhalten hatte; aber Helena wünschte nach Megaras Kapitulation in dem gewaltigen Bauwerk zu wohnen. Es ärgerte sie noch immer sehr, dass sie in einem bescheideneren Anwesen regieren musste, als das, was die längst entmachtete Megara ihr Eigen nennen durfte. Das würde sich bald ändern, grinste Helena. Sehr bald!

Inzwischen hatte sie die Information über Abas erhalten, der in einem Käfig über die Zinnen gehängt worden war. An Seilen erhielt er offenbar spärliche Mahlzeiten und Wasser, doch wurde er immer öfter von Krähen angegriffen, die ihn wohl schon für Aas hielten. Helena hatte dies nur mit einem Achselzucken hingenommen. „Was erpicht mich Abas! Leda ist tot, und Abas wird es auch bald sein. Wir werden die genauen Angriffsstrategie fein ausarbeiten und anschließend hält uns keine Macht des Kontinents mehr davon ab, die Bastei zu erstürmen!“

Doch dann erreichte sie ein Gerücht, Leda lebe noch – an der Westküste in einem Fischerdorf. Helena lachte indes nur. „So ein Unsinn! Willst du dir mit so einer lächerlichen Lügengeschichte eine Handvoll Goldmünzen verdienen?“, fragte sie das Weib, das bei ihr hatte vorsprechen wollen und schickte es höhnend weg. Die Frau verließ verärgert Helenas Anwesen. Als sie auf der Straße bei ihrem Ross anlangte, wo ihr Sklave und Pferdeknecht auf sie gewartet hatte, fragte dieser: „Habt Ihr Erfolg gehabt bei der Statthalterin, Herrin?“ Das Weib sah ihn böse an und versetzte ihm einige harte Hiebe mit der Reitgerte. „Was geht dich das an, du Hund!?“

Im Inneren der Bastion, die Helena erobern wollte, befahl Megara: „Bringt die Holzmaschine des Talos in den großen Hof. Mir ist ein wenig nach Zerstreuung. Und auch den Soldatinnen wird dies gut tun.“ Die Tyrannin meinte damit die Konstruktion, die ihr verstorbener Sohn, der fette Prinz Talos, zur Belustigung des Adelvolkes erfunden hatte. Besonders die Soldatinnen und Kampfsklaven, die das Gerät noch nicht kannten, scharrten sich neugierig um den merkwürdigen Bau, der im Hofe stand. Geflüster und Gekicher tönten durch die Reihen.

Megara erschien mit einer kleinen Delegation Palastwächterinnen und Duxas und zeigte willkürlich auf einen der Sklaven: „Der da! Schnallt ihn auf seinen Platz!“ Die Menge sah staunend und fasziniert zu, wie dem Leibeigenen der Lendenschurz weggerissen wurde, wie er auf die Konstruktion des Prinzen gefesselt wurde, und dann eine Wächterin begann, an einer Kurbel zu drehen, die dem Opfer einen Holzzapfen zwischen die Hinterbacken zwang. Der Sklave schrie vor Schreck und womöglich auch vor Schmerz, und sein Publikum übertönte seine Laute noch mit Begeisterungsrufen, Pfiffen und stürmischem Hohnlachen und Feixen. Auch Megara war vergnügt. Ihre schlechte Laune und all ihre Sorgen waren zumindest für den Moment verflogen.

So einfach waren ihre Untertanen zu erfreuen. Und im Augenblick genoss sie das Bad in der Menge. Die „höchste Göttin“ war sie schon lange nicht mehr. Eine Göttin ohne Anhänger, ohne Reich? Oh, Graus! Sie war nur noch die alte Herrscherin. Und bald würde sie auch ihr letztes Refugium verlassen müssen. Doch sie schwor sich, dass sie eines Tages zurückkehrte und Fama, die Siegreiche, für ihren furchtbaren Verrat zur Rechenschaft zog. Stück für Stück.

Bei diesen lustvollen Gedanken, die sie wie warme Wellen durchfuhren, wurden ihr die Schreie des Sklaven wieder bewusst. Mit einer lässigen Geste wies sie die Soldatin an der Kurbel an, den Zapfen tiefer in den Leibeigenen zu zwingen. Heute wollte sie feiern, wollte all ihre Sorgen vergessen. Später, in ihrem privaten Gemach, würde sie sich einige ihrer hübschesten Haremssklaven kommen lassen und diese darum streiten lassen, wer von ihnen welche Zapfen tragen musste. Megara besaß eine hübsche Auswahl der unterschiedlichsten Größen.

Das bettelnde Gejammer des Sklaven an der „Talosschen Maschine“ und ihre Gedanken ließen sie ein wohliges Kribbeln spüren. „Freie Weinrationen für alle Soldatinnen!“, verkündete sie und wurde mit freudigen Dankesworten und Applaus belohnt. Sie musste sich der Loyalität ihrer Untertanen gewiss sein. Und dafür sorgte am besten Wein und Spektakel. Sie schaute zu dem Sklaven in dem diabolischen Holzgerät, der sich in Qualen wand und schrie, jammerte, bettelte und zappelte. Ihr dicker Bastard hatte wohl doch ein verborgenes Talent gehabt, sich solch eine Konstruktion zu erdenken.


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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:02.05.21 17:14 IP: gespeichert Moderator melden




Ceres ritt mit einigen hohen Duxas in die Nähe der Zitadelle. Dabei blieben sie sicherheitshalber außerhalb der Bogenschützenreichweite. Die ehemalige Kauffrau hatte Helena als militärische Beraterin begleitet. Als Sklavenhändlerin war zu diesen Zeiten kaum eine Unze Gold zu verdienen, denn seit die Armee der Megara kapituliert hatte, gab es eine wahre Sklavenschwämme, so dass sie kaum noch einen Wert darstellten.

„Es wird schwer, diese gewaltigen Mauern zu durchdringen“, stellte sie bitter fest. Sie schaute durch ihr Fernrohr, das mit kunstvoll verziertem Elfenbein eingefasst war. „Und das da ist also Abas, Ledas Gemahl?“ Eine Duxa bestätigte es. „Ob Megara uns damit etwas sagen will?“ Ceres schnaubte belustigt. „Auf jeden Fall werde ich antworten. Alles andere wäre unhöflich. Bringt mir den besten Bogenschützen, den wir haben.“ Die Uniformierte eilte davon, um den Befehl auszuführen.

Kurz darauf erschien eine Soldatin, die komplett in Hirschleder gekleidet war und einen Langbogen auf den Rücken geschnallt hatte. Unterarmlange Lederbänder waren um ihre Arme geschnallt. Lederhandschuhe hatte sie unter ihren breiten Gürtel des Beinkleides gesteckt, ein Köcher mit einem Dutzend Pfeilen erster Güte hing an ihrem Ross. Ihr langes, schwarzes Haar hatte sie streng nach hinten gezogen und zu einem formvollendeten Zopf geflochten, der unter einem Filzhut hervorwuchs.

Ceres deutete auf den Käfig mit dem nackten Gefangenen, der in der Weite an der hohen Mauer des Bollwerks hing. „Seht ihr das Seil?“ Die Schützin nickte. „Klar und deutlich.“ Ihr Auge war das eines Adlers. Ceres bemerkte den scharfen Blick ihrer grünen Augen. Was für eine dumme Frage sie gestellt hatte! Auch, wenn sie selbst Abas nur durch das Fernrohr hatte erkennen können und das Seil eher erahnte, als es wirklich zu sehen. „Zerschießt das Seil!“ wies Ceres sie an.

Die Duxa sah sie überrascht an. Sie waren doch außerhalb der Schussweite. Die Schützin dagegen nickte nur knapp und zog blitzschnell einen ihrer Pfeile aus dem ledernen Köcher, zog ihn auf die Sehne und flinker, als Ceres und die Offizierin es beobachten konnten, jagte der gefiederte Tod zischend und singend durch die Luft. Ceres starrte zu dem Käfig, der in der Ferne hing. Nichts geschah. Hatte die Schützin ihr Ziel verfehlt? Doch einen Wimpernschlag später jagte der Käfig mit Abas abrupt in die Tiefe!

Sofort bemerkte das eine Wächterin auf den Zinnen und brüllte einen Befehl. Einige Soldatinnen in gerüsteten Gewandungen versammelten sich auf den Zinnen und stierten auf das durchtrennte Seil. „Der Königsgemahl ist in den Burggraben gestürzt. Hier, der Schlüssel für den Käfig! Wer springt hinterher und rettet Abas vor dem Ersaufen?“ Die Soldatinnen sahen sich gegenseitig an und blickten hinab in die Tiefe, wo einige Blasen aufsteigen. Von hier oben sollten sie in das brackige Wasser springen? Die Wächterin wurde ungeduldig: „Wer nimmt den Schlüssel?“

Doch die Soldatinnen schüttelten den Kopf. Die Wachfrau wurde unruhig und blickte umher. Den Soldatinnen konnte sie keine Befehle geben. Aber wenn Abas absoff - was würde Megara dazu sagen? Endlich rief eine Uniformierte einen Kampfsklaven herbei. „Nimm den Schlüssel fest zwischen die Zähne und spring in den Burggraben, tauche nach dem Käfig und befreie den Gefangenen. Dann lauft ihr so flink ihr könnt zum Fallgitter, damit wir euch einlassen.“ Der Leibeigene war an unbedingten Gehorsam gewöhnt, doch als er in die Tiefe blickte, ward ihm ganz schwindelig. Er sah die Soldatin ungläubig an.

Als die Uniformierte ihm schon einen Stoß über die Brüstung geben wollte, hörte sie hinter sich eine erboste Stimme einer Centuria: „Was soll das werden? Habt Ihr Euren Verstand verloren? Warum soll mein Kämpe in den Burggraben springen?“ Sie vermutete einen kurzweiligen Ulk dahinter. Die Soldatin erklärte mit gehetzten Worten, was geschehen war. Die Centuria jedoch ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, beugte sich über die Burgmauer und blickte hinab in die Tiefe. „Bei der höchsten Göttin Megara! Der Käfig ist tatsächlich hinabgestürzt! Wie konnte das vonstattengehen?“

Die Soldatin und die Wache wussten sich keinen Reim darauf und zuckten ratlos mit den Schultern. Das Seilende war glatt durchtrennt. Musste es nicht faseriger sein, wenn es am Mauerwerk durchgescheuert worden wäre? Abas drehte und wand sich panisch in dem schlammigen Wasser innerhalb des Käfigs. So sollte also sein Ende aussehen? In fauligem Abwasser von Megaras Getreuen ersaufen. Da hatten die Schicksalsgöttinnen sich wahrlich ein feines Finale ersponnen. Abas spürte, wie seine Lungen brannten. Das Bedürfnis, einzuatmen wurde übermächtig, obwohl er wusste, dass dies seinen sicheren Tod bedeuten würde. Aber würde er nicht sowieso verrecken?

Eigentlich hatte die Centuria ausgerechnet diesen Leibeigenen ausgewählt, um mit ihm das Lager zu teilen. Wenn der Jüngling erst mal in dem Unrat des Grabens geschwommen war, so würde ihr die Lust auf das Mannsbild vergangen sein. „Soldatin! Bringt einen anderen Sklaven!“, befahl sie daher. „Aber…“, wagte die Wächterin entgegenzusetzen, „wir haben keine Zeit mehr. Wenn er nicht sofort springt, ertrinkt der Gefangene.“ Die Centuria rümpfte ihre Nase. Der Gestank des Grabens zog bis hier oben hoch. Es wäre wirklich schade um den knackigen Jüngling. Sie würde ihn nie wieder auswählen. „Also gut“, entschied die Centuria schweren Herzens.

Die Wächterin zeigte hastig über die Balustrade: „Los, Sklave! Spring und bring den Gefangenen herauf!“ Der Leibeigene kletterte auf die Zinne und starrte in die Tiefe. Sein Herz pochte wild in seiner Brust. Er machte sich gerade bereit, um zu springen, da erhielt er bereits einen kräftigen Stoß von der Wächterin. Der Sklave quiekte erschrocken auf und fiel wenig anmutig mit den Armen wedelnd hinab. Die Frauen beugten sich über den dicken Steinwall und folgten dem kleiner werdenden Springer, der mit einer Wucht in den schlammigen Graben platschte, dass die braunen Spritzer mehrere Männer hoch durch die Luft wirbelten und auch die Mauer und das gegenüberliegende staubige Ufer benetzten.

Bange Augenblicke vergingen. Würde der Sklave den Königsgemahl noch rechtzeitig befreien? Würde er in dem dreckigen Wasser den Käfig überhaupt finden? Der Graben war damals sehr tief ausgehoben worden, erinnerte sich die Centuria noch, als Megara damals nach Ledas Niederlage in die Festung einzog. Vielleicht hatte der Sklave den Schlüssel beim Sturz verloren, befürchtete die Wachfrau und bereute es, den Leibeigenen so kräftig gestoßen zu haben. Alle stierten in die Tiefe und viele hielten unwillkürlich die Luft an. Langsam beruhigte sich das noch schaukelnde Wasser wieder. Doch weder von dem Sklaven noch von Abas war etwas zu sehen. Anfangs waren noch Luftblasen an die Oberfläche empor gelangt. Doch offenbar atmete Abas nicht mehr. Und der Sklave? Von ihm gab es auch kein Lebenszeichen.

Aus der Weite beobachteten Ceres und die Duxa das Geschehen an der Wehrmauer. „Siehe! Offenbar ist er Megara doch noch etwas wert. Sie weiß jetzt zumindest, dass uns Abas nicht davon abhalten wird, ihr armseliges Heim zu überrennen“, erklärte Ceres grienend. Die Duxa, die ihren Blick durch das Fernrohr auf den Graben fixierte, rief plötzlich: „Was ist denn das?“ Die beiden Frauen sahen, wie zwei Gestalten an das hiesige Ufer krabbelten und in ihre Richtung sprinteten. Einer der beiden hinkte dabei erbarmungswürdig, doch kämpfte er sich verbissen hinter der vorderen Person her. Abas und der Sklave waren von Kopf bis Fuß mit einer schlammigen, stinkenden Schicht bedeckt. Auf den Zinnen herrschte große Aufregung. Ceres und die Duxa konnten sehen, wie sich Bogenschützinnen postierten und einen Schwarm Pfeile hinter den Flüchtenden herjagten.

„Was sollen wir tun? Abas und ein Sklave scheinen bei uns Deckung zu suchen.“ Ceres winkte den anderen Duxas, sich zurückzuhalten, denn die Offizierinnen wussten sich sehr wohl auch ohne Soldatinnen oder Kampfsklaven zu wehren. Ceres rief: „Die beiden Männer sind unbewaffnet. Lasst sie gewähren.“ Als Abas und der Sklave die Gruppe Reiterinnen sah, wollten sie schon seitlich ausweichen, doch wären sie dann von den Bogenschützinnen der Megara durchbohrt worden, denn gerade erst hatten sie die Reichweite des gefiederten Todes überschritten.

Verzweifelt hasteten sie weiter auf die uniformierten Reiterinnen zu. Die Freiheit hatten sie beim Feind wohl wahr nicht gewonnen. Aber konnte etwas schlimmer sein, als unter Megaras Fuchtel zu stehen? Bald schon fielen die Männer, halb vor Erschöpfung und halb aus Demut, vor den Frauen auf die Knie und sahen sie ängstlich an. Würde der Feind kurzen Prozess mit ihnen machen? Würde er sie gar zurückjagen und sie verhöhnen?

Doch dann kam die einzige Dame, die keine Uniform trug, auf sie zu. Sie zog keine blanke Klinge, um ihnen den Gnadenstoß zu erteilen. Doch was hatte sie vor? Die in edlen Zwirn Gewandete stellte sich vor die Flüchtlinge. „Wollt ihr uns mit dem Schwert küssen, so tut es gleich!“, forderte Abas trotzig, obwohl sein Mut nur gespielt war. Ihm schlotterten nicht nur aus Erschöpfung die Knie.

In den Wäldern rund um die Metropole im Osten des Kontinents waren mehrere Suchtrupps unterwegs, um den geflüchteten Troll einzufangen. Fama hatte ein gewaltiges Kopfgeld auf ihn ausgesetzt: eine Kiste voll mit Gold, die so schwer war, dass nur zwei Männer sie tragen konnten.

Viele Jägerinnen, die durch die Prämie ihren Mut fanden, machten sich auf die Suche, aber auch kleinere Einheiten aus dem Heer der Fama waren ausgeschwärmt. Unter den Suchtrupps wurde eine von Flagella angeführt, die bekannteste Sklavenhändlerin der Region. Sie führte ein halbes Dutzend ausgebildete Söldnerinnen an und wurde außerdem von doppelt so vielen Kampfsklaven aus ihrem Besitz begleitet.

Die Recken waren aus ihren schier endlosen Lagerbeständen sorgfältig ausgesucht worden. Die mit Muskelbergen besetzten fast sieben Fuß großen Hünen hätten auch als Gladiatoren eine gute Figur gemacht. So einem Kraftmenschen wollte niemand nachts in der Gasse begegnen und mit ihm in Streit geraten. Sie waren mit Harnischen und Bein- und Armschienen gerüstet, trugen gewaltige Streitäxte, Morgensterne oder Bihänder, die Flagella sicherlich kaum hätte anheben können.

Diese Kämpen, da war sich die Sklavenhändlerin sicher, würden mit dem Troll fertig werden, denn sie gehörten zu Sklavenklasse B. Das war die teuerste Güte. „B“ stand für „Barbar“. Nur Männer mit sehr ausgeprägter Stärke, Mut und Kampfausbildung sowie einem ungewöhnlich hohen Stockmaß erhielten sie. Flagella und ihre Söldnerinnen wirkten gegen diese Kolosse zierlich und zerbrechlich. Aber wegen der guten Erziehung durch die Frauen würden die Krieger niemals die Hand gegen sie erheben oder auch nur einen Befehl hinterfragen. Im Gegenteil: Ihr ganzer Lebenssinn bestand darin, ihren Herrinnen zu gehorchen. Unbedingt.

Die Wege durch das knorrige Gestrüpp waren schwer zu durchdringen, und der Tross kam nur langsam vorwärts. Die gewaltigen Schwerter mit den gewellten oder gezackten Klingen, die schweren Äxte und die Morgensterne, deren mit Eisendornen gespickte Kugel bereits so schwer war, wie ein Kübel mit gefülltem Wasser, rissen, schnitten und fetzten die Fußschlingen und das dornige Astwerk zur Seite. Doch auch die Schneise der Verwüstung war nichts gegen das, was ein so gewaltiges Untier hinterlassen hätte, das sie jagten.

„Wenn hier ein Troll herumgestapft wäre, würde es anders aussehen“, war eine Söldnerin der Auffassung und runzelte skeptisch die Stirn. „Warum halten wir uns nicht weiter nördlich?“, schlug sie vor. Flagella grinste wissend. „Nein, wir reiten in dieser Richtung weiter!“, bestimmte sie. Die schwitzenden Barbaren kämpften weiter das Unterholz frei, und die Söldnerinnen folgten hoch zu Ross. Flagella erklärte: „Der Troll wird einen Bogen geschlagen haben. Ich bin mir sicher, dass wir früher oder später wieder auf seine Fährte stoßen. Lasst uns die Abkürzung durch den Wald nehmen und vor allen anderen Kopfgeldjägerinnen auf seinen Fersen sein.“ Unterwegs murmelte die Sklavenhändlerin: „Meine Nase trügt mich nie! Wir sind ihm im Nacken! Ich rieche seinen Gestank förmlich schon!“

Als die Dämmerung hereinbrach, erreichte die Gruppe eine tiefe, steile Abbruchkante. „Hier kann der Troll nicht gewesen sein. Oder hat er das Fliegen gelernt?“, spottete eine Söldnerin. Flagella drehte sich ob der respektlosen Giftspritzerei wutschnaubend im Sattel um. Einige Krähen schrien am dunklen Himmel, als verlachten sie die Sklavenhändlerin. Flagella blitzte die Söldnerin an: „Weib! Kennst du deinen Platz nicht?“ Die Söldnerin spuckte verächtlich aus, wagte aber keine Widerrede. Flagella spie laut aus. „Ob ich mit fünf oder sechs Reiterinnen den Troll fange, ist mir gleichgültig.“ Was genau sie mit ihrer sibyllinischen Andeutung meinte, ließ sie ungesagt und folgte den Barbaren, die bereits weitere 60 Fuß entlang der Abbruchkante freigekämpft hatten.

Die Reiterinnen mussten bald absteigen und ihre Pferde zu Fuß an den Zügeln führen, denn der schmale Pfad leitete sie steil hinab, die Abbruchkante haarscharf entlang. Wenn sie während des Abstiegs bis in den Canyon von der Nacht überrascht wurden, würde nur noch Beten helfen. Aber Flagella wollte unbedingt das Tal bis zum Mondaufgang erreichen und erst dort lagern. Die Barbaren schritten als Vorhut den Pfad entlang und schlugen Schlingpflanzen zur Seite oder schleuderten loses Geröll den Abhang hinab.

Auf halbem Wege stellte die Kolonne fest, dass die Sonne zügiger unterging, als gedacht. Jäh standen sie in völliger Finsternis und versuchten mit Aug und Ohr die Schwärze erforschend sich nur im Schneckentempo vorwärts zu tasten. Ein falscher Tritt, und der Tod hieß sie willkommen. Hin und wieder fielen kleine Kiesel oder auch größere Erdbrocken über die Abbruchkante in die Tiefe und schlugen mit dumpfen Geräuschen weit entfernt auf. „Entzündet die Pechfackeln!“, befahl Flagella endlich.

Nachdem sie den gefährlichen Abstieg fast hinter sich gelassen hatten, schreckte die Gruppe auf, als vor ihnen der erste Barbar abrutschte und sich im letzten Augenblick noch am Bein seines nachfolgenden Kameraden festkrallen konnte, der ihn gemeinsam mit einem weiteren Helfer wieder auf den rettenden Pfad zog. Schwer atmend sahen die Männer anschließend in die Dunkelheit hinab: Hier wäre der Sklave etwa 50 Schritt tiefer auf spitzen Granitsäulen aufgespießt worden, die gruselig vom Mond angeschienen wurden, als wollten sie ihre Opfer anlocken wie das Feuerlicht die Motten.

Die Söldnerinnen hatten jedoch kein Verständnis für die Schreckminute der Barbaren und zückten die knallenden, langen Peitschen, um die Männer wieder anzutreiben. Ein Hüne mit einem geschorenen Schädel und breiter Narbe auf der rechten Wange erhielt dabei einen Treffer genau auf die Rückseite seines Lendenschurzes, der aufriss. Die uniformierten Frauen lachten. Eine Söldnerin gackerte: „An Brust, Rücken, Armen und Beinen ist er gerüstet – und am Arsch hat er nun seine Schwachstelle. Da können wir nur hoffen, dass ihn der Troll dort nicht beißt.“ Lautes Gegröle erklang, unter das sich auch einige Stimmen der Barbaren mischten. Nur der Betroffene presste seine Lippen zusammen und stapfte stumm weiter. Der blankgelegte Hintern ließ ihn innerlich vor Scham glühen.

Wenigstens hatte sich so die unerträgliche Spannung ein wenig Luft gemacht, dachte Flagella und ließ die Söldnerinnen weiter über das zerrissene Stück Stoff witzeln. Als sie endlich wieder festen Boden unter den Stiefeln und Schnürsandalen hatten, hörte die Schar jählings ein tiefes, dunkles, grollendes Brüllen, das die Stille der Nacht zerriss. War das der Troll? Die Söldnerinnen zogen ihre Schwerter. Die Krieger horchten ebenfalls auf und hielten sich bereit, um Mann für Mann gegen die Bestie in einem Kampf um Leben und Tod zu bestehen. Hatte ihre Schicksalsstunde geschlagen? Gar die Totenglocke? Oder sollten sie Ruhm und Sieg ernten?



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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:02.05.21 21:22 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Prallbeutel,
vielen Dank für die super tolle Geschichte.
GVG Alf
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:08.05.21 18:04 IP: gespeichert Moderator melden


Zitat
Hallo Prallbeutel,
vielen Dank für die super tolle Geschichte.
GVG Alf


Danke für das Feedback!

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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:08.05.21 18:05 IP: gespeichert Moderator melden


Caduceus hatte in dieser Nacht erneut seinen magischen Sud entzündet und atmete die Dämpfe ein. Sein Geist war vollkommen eingenommen von den Bildern, die sich verschwommen vor seinem inneren Auge bildeten. „Leda…Wo bist du? Suchst du Mitstreiter, um dein Reich zurückzuerobern? Oder bist du gar Gefangene?“, murmelte der Alchimist. Er sah sie vor sich: Die Königin schuftete als Magd. Aber was genau hatte das zu bedeuten? War sie Sklavin oder arbeitete sie aus freien Stücken? Abrupt erschien ein Ungeheuer in Caduceus Gedankenwelt. Ein Troll! Das Urtier aus der Sage. Groß wie ein Riese. Mit Pranken und Reißzähnen. Eine gewaltige Bestie wie aus der Unterwelt hervorgekommen. Ein Untier des Bösen. Es brüllte wütend und stürzte sich auf… Leda?

Der Alchimist fasste sich an die Schläfen, die wild pochten. Adern schlängelten sich sichtbar unter der Haut wie Würmer. Sein Kopf schien fast zu platzen. Bilder über Bilder schoben sich ineinander, übereinander. Schweiß brach ihm aus. „Leda!“, rief Caduceus in Sorge. Der Troll brüllte und zeigte seine gewaltigen Hauer, riss die Angst einflößenden Arme auseinander, um sie im nächsten Moment in einer tödlichen Umarmung zusammenzuführen und alles zu zerquetschen und zu zermalmen, was zwischen sie geriet.

Caduceus sah die Schemen einer Frau, wie sie angegriffen wurde. Der Troll stürzte sich gnadenlos auf die Hilflose. „Leda!“ rief Caduceus erneut, dieses Mal fast panisch. Rief er wahrlich oder nur in seiner Illusion? Dann waren die Trugbilder in einem Male weggerissen. Eine Stimme hinter ihm im Hier und Jetzt ertönte: „Was machst du hier mitten in der Nacht?“ Caduceus drehte sich ächzend vor Schreck herum: Seine Herrschaft stand vor ihm. „Ich… Ich habe versucht für Euch die Zukunft zu schauen, Herrin.“ Er wirkte völlig entkräftet. Die Dame sah ihn skeptisch an. „Schlaft jetzt! Ich will nichts mehr wissen von diesem Blendwerk. Und macht diesen fürchterlichen Kräutergestank aus!“ „Jawohl, meine Herrin“, gehorchte Caduceus und verneigte sich.

Als die Dame schon lange wieder schlief, lag der Alchimist noch wach und starrte an die Decke. Er versuchte die Sehung in seinem Kopf wieder zum Leben zu erwecken, doch die Erscheinungen blieben verborgen. Sollte seine verwegene Hoffnung, die erst kürzlich aufgekeimt war wie ein zierliches Pflänzchen, bereits zerfallen? War Leda in seine Gedankenwelt eingedrungen, nur um im nächsten Moment von einem Untier zerfetzt zu werden? Würde Caduceus alle seine Wunschträume auf den Niedergang des grausamen Matriarchats fallen lassen müssen? Er strebte danach, sich in den Schlaf weinen zu können, doch seine Augen blieben trocken.

Er wachte er mit einem fahlen Geschmack im Mund auf. Die Ahnung der Morgendämmerung kroch über das Himmelszelt, bis schließlich die letzten Überbleibsel der Nacht von der aufgehenden Sonne verschluckt wurde. Caduceus wünschte, seine Bilder wären nur Chimären gewesen, Hirngespinste, Nachtmahre. Aber später am Tage, als er schon über ein aufgerolltes Pergament in der Bibliothek gebeugt stand, erschien seine Herrin, deren umwölkte Züge ihren Worten einen strengen Ausdruck verlieh, und schalt ihn: „Dass mir das nicht noch einmal vorkommt! Sonst wirst auch du meine Gerte schmecken lernen.“ „Jawohl, meine Herrin. Bitte verzeiht mein unziemliches Verhalten. Es war ungebührlich und kommt nie wieder vor.“ Die hohe Dame dachte: „Schade. Mir würde es schon gefallen, die Backen des Caduceus rot zu färben.“

Doch stattdessen suchte sie im Laufe des Tages bei einem ihrer Sklaven etwas, an dem sie Anstoß nehmen konnte. „Komm mit auf den Strafbock!“, sagte sie schadenfroh und genoss die furchtsame Miene des Leibeigenen. Sie hatte sich bewusst bei einer Anweisung missverständlich ausgedrückt. Doch der junge lockenköpfige Mann wagte keine Widerrede sondern eilte zum Strafbock und hob brav und fatalistisch seinen Lendenschurz.

„20 Hiebe!“, verkündete die Herrin vollmundig. „Und in diesem Monat keinen Aufschluss aus deinem Keuschheitsgürtel!“, fügte sie genüsslich hinzu. Der Sklave ächzte darüber noch lauter auf, als wegen der Schläge. Die Herrin weidete sich geradezu an seiner Pein und schnurrte zynisch: „Lump! Lerne leiden ohne zu klagen, oder du schmeckst die Geißel umso mehr.“ Bald darauf klatschten die Lederriemen laut durch das Gewölbe schallend auf das zartrosa Fleisch, um es für seine Freveltaten reinzuwaschen - oder um der Lady rauschenden Genuss zu schaffen.

Caduceus quälte ein schlechtes Gewissen. „Ich habe die Herrin mit meinem Kräutersud verstimmt. Und nun muss der arme Jüngling noch einen weiteren Monat keusch bleiben. Oh, Graus! Wenn ich mich recht erinnere, so war ihm auch vergangenen Monat kein Aufschluss gewährt worden.“ Da lebte er selbst doch fast wie ein Edelmann im Vergleich. Er durfte Hand anlegen, so oft es ihn gelüstete, erhielt keine körperliche Züchtigung und war von schwerer, körperlicher Arbeit befreit. Caduceus machte sich wieder an sein Gewerk in der Bibliothek. Schnell kamen ihm andere Gedanken: Leda durfte nicht tot sein! Das durfte einfach nicht geschehen sein!

Der junge Sklave, der nun einen weiteren Monat auf eine Erlösung seiner Männlichkeit warten musste, war verglichen mit Aphron, dem Lustsklaven der Ceres, noch ein verwöhnter Jüngling. Nur ein Mal pro Jahreszeit wurde Aphron von der Sklavenhändlerin erlöst. Gewöhnlich bevorzugte Ceres einen aufschraubbaren Holzstab, den Aphron perfekt bediente. Außerdem besaß Aphron höchste Zungenfertigkeit – schließlich war er ein ausgebildeter Lustsklave. Daher war es nicht überraschend, dass Ceres sein Schloss nur vier Mal jährlich öffnete.

Daran hatte sich der Lustsklave gewöhnt, obwohl er den Tagen der Erlösung entgegenfieberte. Doch seit einiger Zeit musste er auf seinen alten Kameraden Nereus verzichten. Das war noch arger. Als Aphron mit Ceres und Helena nach Westen gereist war, hatte er Nereus zum letzten Mal gesehen. Ceres hatte für den Lustsklaven der Phoibe, den sie nach deren Tod übernommen hatte, keine Verwendung und ihn einer Duxa geschenkt, die in der Metropole in der Nähe des Palastes der Fama stationiert war.

Was wohl mit ihm, Aphron, geschehen würde, wenn Ceres im Kampf gegen Megara umkam? Wer würde seine neue Besitzerin sein? Wie würde sie ihn behandeln? Oder würde er einfach als Minen- oder Feldsklave sein restliches Leben unter der Peitsche fristen? Würde ihn jemand aus dem Keuschheitsgürtel befreien? Wohl nicht, sinnierte er, denn welche Dame würde darüber einen Gedanken verschwenden?

Ceres befahl ergrimmt: „Bindet die beiden Flüchtigen zusammen, damit sie nicht das Weite suchen ob ihrer Wanderlust.“ Abas und der Sklave wurden gefesselt und wie Schnürpakete über jeweils ein Pferd geworfen. Als Ceres ihren „Fang“ Helena vorstellte, präsentierte sie die beiden Männer nackt und an Händen und Füßen an jeweils einen Stock gebunden, der von je vier Kampfsklaven auf den Schultern getragen wurde, als handele es sich um erlegtes Wild, dass nun zubereitet werden sollte. Unterwegs hatten die begleitenden Soldatinnen anzügliche Bemerkungen gemacht und den Männern in den Hintern gezwickt, bis die Anführerin dies unterband. „Hört auf, mit ihnen Schindluder zu treiben!“ Was hatten diese jungen Weiber nur für Flausen im Kopf?!

Helena nickte Ceres anerkennend zu. „Seid gelobt. Vielleicht können uns die Schufte Auskunft über die Verteidigungsanlage der Festung geben.“ Abas und der Sklave horchten erschrocken auf. Würde man sie einer peinlichen Befragung unterziehen? Sie wussten doch kaum etwas. Doch sie sahen sich schon wie Spanferkel über dem Feuer rösten oder aufs Rad geflochten. Doch zu all dem sollte es glücklicherweise nicht kommen. Sie wurden in einen dunklen Kerker gebracht, aber nicht der Foltermeisterin vorgeführt. Ceres hatte Helena davon abgeraten, den Männern auf diese Art Auskünfte zu entlocken. „Megara wird den Königsgemahl sicherlich nicht frei herumgelaufen lassen haben. Und der einfache Pöbel weiß wohl auch nichts von Wichtigkeit. Ich empfehle Euch, hohe Statthalterin, die Beiden als primitive, unbedeutende Kreaturen zu verwenden. Das sind sie – und sonst nichts.“

Helena erinnerte sich an frühere Zeiten, als sie noch Untertanin der Königin Leda gewesen war – lange ist es her, grübelte sie. Doch trotz allem fühlte sie einen gewissen, unbeschreiblichen Respekt dem Königsgemahl gegenüber. „Holt Abas aus dem Kerker, wascht ihn und gebt ihm neue Kleider. Dann schafft ihn in mein Gemach“, wies die Statthalterin daher eine Gardistin an, die ihren Ohren kaum traute. Woher das augenblickliche Interesse – oder war es ein schlechtes Gewissen? – kam, konnte Helena sich selbst nicht erklären. Bedauerte sie gar ihre Fahnenflucht? Wäre sie Leda treu geblieben, dann wäre sie mit ihr ins Exil geschickt worden und vermutlich längst vom Schnitter heimgeholt, versuchte sie sich zu beruhigen. Noch an diesem Abend würde sie mit Abas sprechen.

Viele Meilen weiter ostwärts war die Jagdtruppe um Flagella von dem gewaltigen Troll angegriffen worden. Statt vor den Jägerinnen zu flüchten, hatte der Troll aus dem Hinterhalt mehrere gewaltige Felsbrocken auf die Kolonne der Frauen und Sklaven stürzen lassen. Von sechs Söldnerinnen und einem Dutzend Kampfsklaven konnten sich nur zwei Uniformierte und neun Leibeigene retten. Die Leiber der restlichen Weiber und Recken waren für alle Zeiten unter den tonnenschweren Gesteinsmassen begraben – darunter auch die berühmte Sklavenhändlerin Flagella.

Die zwei Frauen ließen die neun Sklaven zurück und eilten im gestreckten Galopp zurück in die Metropole. Sollten andere lebensmüde Kopfgeldjägerinnen und Glücksritterinnen dem Troll folgen! Die beiden Söldnerinnen wollten nur noch so flugs wie möglich zurück in die neue Hauptstadt. Was mit den neun Mannsbildern geschehen würde, war ihnen herzlich egal. Einen großen materiellen Schaden erlitten sie nicht, wenn sie die Leibeigenen zurückließen. Stattdessen nahmen sie lieber die vier nun unbesetzten Rösser bei den Zügeln, denn wie durch ein Wunder hatten die Reittiere alle unbeschadet überlebt. Für ein gutes Ross gab es in der Metropole mindestens zwei oder sogar drei neue Sklaven.

Während die beiden Söldnerinnen also schleunigst davon ritten, irrten die Kampfsklaven wie bei einer Stampede tollwütiger Kreaturen in der Wildnis umher. Die Angst saß den neun Männern im Nacken. Jederzeit konnte der Troll auftauchen und sie massakrieren! Als sich die Panik ein wenig gelegt hatte, vereinbarten die Überlebenden, dass sie zunächst gemeinsam den Weg nach Norden einschreiten wollten. Dort würden sie kaum auf Ansiedlungen treffen. Zwar waren sie nun freie Männer geworden – doch eher im Sinne von „vogelfrei“, denn laut Gesetz der Fama mussten Mannsbilder, die niemandem gehörten, damit rechnen, dass sie von der nächst besten Dame in Besitz genommen wurden. Und selbst wenn sie in der Wildnis streunerten, würden sie somit auf ewig in ihren Keuschheitsgürteln gefangen bleiben.

Und dieses Schicksal sollte sich für die Recken wahrhaftig erfüllen: Die „freien Neun“, wie sie sich fortan nennen würden, lebten noch viele Jahre in einem kaum bewohnten wilden Gebiet im Norden des Kontinents in einer gleichberechtigten Gemeinschaft. Nur ihre verschlossene Männlichkeit sollte sie an ihre Vergangenheit erinnern und der Preis sein, der ihre Freiheit in den Wäldern des Nordens hatte. Der Troll erschien ihnen nie wieder. Er hatte sich den Weg weiter in den Osten gesucht.

Während sich in der Metropole noch alle Bewohner vor dem Troll sorgten, schlich sich für Fama eine viel größere Gefahr in ihr Leben: Gerra, die Schmiedin, war aus dem Militärdienst ausgeschieden und unter ihrer neuen Gestalt nach Osten gereist, dem verhassten Weibe hinterher, das ihr ihren Liebhaber Amatio genommen hatte, und das dafür bitter bezahlen sollte!

Doch vorerst ahnte Fama nicht einmal von der Lebensgefahr, in der sie steckte. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, in der Metropole große Statuen ihrer Person aufstellen und sich von der Huld der Bevölkerung feiern zu lassen. Bald würde sie auch die Nachricht von Megaras schmachvollen Niedergang erreichen, wie sie erwartete. Ebenfalls hoffte sie darauf, dass die Tyrannin sich nicht mit Gift aus ihrer Verantwortung schlich. Fama, die Siegreiche, wollte ihren kühnen Triumph über Megara in vollen Zügen auskosten. Sie gedachte sie lebendig in die Finger zu bekommen. Lustvoll malte sie sich aus, was sie mit der alten Vettel alles anstellen würde…

Gerra hatte sich als Palastwächterin beworben. Genau dort wollte sie hin. So nah wie möglich in Famas Kreis eindringen. Ihre Gunst erwerben. Als Ex-Centuria verfügte sie über Kampffähigkeiten, wie sie eine gute Wächterin benötigte. Zum Beweis für ihr Geschick mit der Waffe musste sie mit Übungsschwertern und Lanzen aus Holz gegen zwei Recken bestehen, die sich widerspenstig gebären sollten. Sie stellte ihr Licht nicht unter den Scheffel und beeindruckte die Uniformierte.

„Vorzüglich“, lobte die Ausbilderin beeindruckt und lächelte. „Deine Vorstellung war reichlich überzeugend.“ Die beiden Kämpen lagen schnaufend und mit zahlreichen blauen Flecken vor ihren Füßen und hofften, dass der Übungskampf beendet war. Als Gerra schon dachte, sie sei in den Dienst genommen, rief eine weitere Uniformierte ermunternd: „Diese zwei Missgeburten haben sich dumm wie Bohnenstroh angestellt! Lasst sie erneut antreten! Und wehe, sie gehen wieder so eifrig zu Boden! Dann peitsche ich sie wieder hoch!“ Sie zeigte auf ihre Lederpeitsche, die sie aufgerollt an ihrem breiten Gürtel trug, nahm sie zur Hand und ließ den langen, geflochtenen Lederstriemen zur Boden fallen, wo das Ende neben den hohen Stiefeln im Staub landete.

Gerra drehte sich zu den zwei Sklaven um und fletschte die Zähne wie ein Schakal. Nun würde sie ihnen also eine neue Lektion verpassen müssen, um der Offizierin gewogen zu sein. Die beiden Männer ächzten und wankten wieder auf die Füße. Sie sollten ein weiteres Mal gegen dieses gefährliche Weib antreten? Ihnen war mehr danach, sich vor ihr in den Staub zu werfen und um Gnade zu flehen, doch das würde die Gardistin verstimmen. Also holten sich die Sklaven in der nächsten Begegnung weitere Blessuren, darunter einige unangenehme Begegnungen mit dem Knie der Frau, das einige Male zielgenau das Gemächt des Gegners suchte und auch fand, bis auch die zweite Ausbilderin endlich genug hatte und die Fremde mit einem herzlichen Handschlag ob ihres Geschicks beglückwünschte.

„Kommt mit! Ich zeige Euch, wo Ihr Euch einkleiden könnt. Und was die beiden Versager angeht…“ Sie zeigte abwertend auf die Kreaturen. „Keine Mahlzeiten mehr für drei Tage! Das wird sie vielleicht lehren, sich beim nächsten Mal ein wenig mehr zu bemühen.“
Gerra folgte der Gardistin in einen der großen Flügel des Palastes. Sie sah, wie an mehreren Stellen fleißig gebaut wurde. Auf ihren forschenden Blick, antwortete die Gardistin: „Unser ehrwürdigen Fama, der Siegreichen, ist diese bescheidene Residenz nicht angemessen. Der Palast wird erweitert. Hunderte Sklaven schleppen Marmor aus den Steinbrüchen heran. Und das seit Wochen.“ Gerra nickte und dachte finster: „Mich dünkt, sie benötigt bald nur noch ein Mausoleum, in dem sie fault!“

In einem kühlen Gewölbegang, in dem Dutzende Kleider und Uniformen hinter einem schweren Vorhang vor einem Alkoven hingen, durfte Gerra sich in ihre neue Gewandung einkleiden. Anschließend erhielt sie in einem Waffenraum einen scharfen Dolch, einen ebensolchen Degen, eine Gerte und eine lange Hellebarde. „Ich zeige dir nun deine Kammer, die du mit einer Kameradin teilen wirst. Einmal in der Woche bekommst du vier Silbermünzen Lohn. Jede vierte Woche hast du dienstfrei. Später zeige ich dir die Liebeshöhle. Dort dürfen sich die Wächterinnen außerhalb ihrer Wachzeiten mit Sklaven verlustieren.“ Den letzten Satz sprach sie mit einem fast schon obszönen Augenzwinkern.

Als Gerra in ihrer Stube lag und sich mit ihrer Kameradin bekannt gemacht hatte, fragte sie sie ein wenig über die Wachdienste und Palasthallen aus. Doch zu ihrer Enttäuschung musste sie erfahren, dass sie wohl vorläufig nicht in die Nähe der Herrscherin kommen würde, denn sie gehörte nicht zur Leibgarde. Die Schmiedin musste sich in Geduld üben. Als die beiden Frauen die Kerze löschten, um zu schlafen, lief Gerra eine Träne über die Wange. Amatio! Sie wusste von seinem schrecklichen Schicksal und wünschte sich so sehr, ihn wieder zu sehen. Aber dass hätte ihre Tarnung gefährdet. Sie ahnte, wie nah Amatio ihr war. Nur wenige Schritt Mauerwerk trennte sie von ihm. Und das machte es nur noch unerträglicher. Fama würde für ihr und Amatios Leid zahlen, schwor sie bei den Alten Göttern. Und diesen Schwur würde sie einhalten.
Viele Grüße von prallbeutel
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Meine Geschichten:
+++ Die gemeine Miriam +++ Das Unzuchts-Komplott +++ Im Reich der Megara +++ Die Nachtschicht seines Lebens +++ Optional Genetics +++ Venus +++ Regina +++ Inkasso +++
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+++ Ralfs neues Leben +++ Das Gespräch im Regen +++ Der auferstandene Engel +++ Seine Nummer Eins +++ Amour Libre +++ Die Erben +++ Aller guten Dinge sind drei +++ Das Abschiedspräsent +++ Natascha +++ Friday Talk +++ Tims Schicksal +++ Das Familientreffen +++ Der extravagante Gewinn +++ Lars +++ Der Impftermin +++

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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:15.05.21 19:06 IP: gespeichert Moderator melden




Kerbera lag in den Armen eines jungen Stallburschen. Die beiden tauschten leidenschaftliche Küsse aus. Längst war ihre anfängliche Liaison nicht mehr verborgen.
Der Stallbursche hatte zunächst Angst vor Cain gehabt, denn einem Mann, dem Hörner aufgesetzt wurden, sollte man mit Vorsicht begegnen wie einem wütenden Bullen. Doch inzwischen hatte Kerbera versichert, dass er von Cain nichts zu befürchten habe. Und der Jüngling hatte seine Zurückhaltung nach und nach aufgegeben und gehörte mittlerweile sogar zu den Männern, die Cain selbstbewusst im Brustton am lautesten verspotteten und Kerbera provozierend vor ihrem Manne umschlang und küsste. Der Bursche fühlte sich dabei großartig, männlich und mächtig.

Aber trotz allem blieb Kerbera in gewisser Weise eine dominante Dame aus dem matriarchalischen Reich der Fama, denn sie ließ den Pferdeknecht nur selten die Führung übernehmen, wenn sie sich liebten. Sie ritt ihn lieber temperamentvoll, als dass sie unter ihm brav die Schenkel öffnete. Sie ließ sich nicht servil auf den Hintern schlagen, sondern sie griff ganz ungeniert nach des Burschen Schoß. Und er musste ihre Erlaubnis einholen, bevor er ihre wunderbaren weichen und warmen Brüste berühren durfte.

Gerade das bezauberte den Jüngling und machte die hitzköpfige Kerbera für ihn noch begehrenswerter. So ein wundersames Geschöpf hatte er nie zuvor im Leben gekannt.
Cain dagegen durfte es sich nicht erlauben, mit einer Magd oder einem anderen Weib aus der Siedlung anzubändeln. Er hätte fast jedes junge Ding erobern können, denn er war ein hübsches Mannsbild und sehr geschickt, die Gunst eines Rockes zu erlangen, doch verbot Kerbera ihm jeglichen Umgang. „Du bist immer noch mein Lustsklave! Vergiss das nie! Und wenn mir der Sinn nach dir ist, so stehst du für mich bereit! Und zwar nur für mich!“, hatte Kerbera ihm bedeutungsreich zu verstehen gegeben.

Neidvoll beobachtete Cain die Paare auf dem Hof: Lina und Hagbard, Nike und Zelos, der Knecht und die Bauerstochter und andere, die sich heimlich im Stroh oder ganz offen vereinten wie Mann und Weibe. Cain blieb da nur zu träumen eine der erblühten Rosen zu pflücken, und dem Armen blieb nur, den nagenden Druck seiner Männlichkeit mit der Hand zu lindern. Weiber waren die Wurzel allen Übels, brummte er verbittert vor sich hin.

Und dann erschien eines Tages ein weiteres reisendes Paar, das nach Arbeit auf dem Hof fragte. Die Bäuerin bot den Beiden Tätigkeit im Stall und auf dem Feld an. Kräftige Arme konnte sie immer gebrauchen, wie die Hofherrin verkündete. Der Recke war in Wildleder gekleidet und wirkte gar nicht wie ein einfacher Arbeiter, obwohl er sehr kräftig gebaut war, doch er wollte auf dem Feld helfen. Sein Name war Boreas.

Sein Weib hieß Maia und machte sich in der Küche nützlich. Cain seufzte. Alle schienen glücklich als Mann und Weib zu leben. Nur er war von Kerberas Willkür abhängig und in Wahrheit ihr Lustsklave. Er mäkelte leise vor sich hin. Wie ungerecht diese Welt doch war! Dabei hätte er fürwahr große Augen gemacht, wenn er den Keuschheitsgürtel von Boreas erblickt hätte.

An einem der folgenden Abende brannte Cain vor Eifersucht und Neid lichterloh. Die Bäuerin hatte zu einem geselligen Hoffest eingeladen. Auch einige Dorfbewohner, unter anderem der Jäger Arcanum, waren gekommen und schlemmten, tranken und tanzten zu bekannten Melodien. Cain sah nur noch Paare, die sich in den Armen lagen. Schließlich wollte er dem Gelächter und der frivolen Atmosphäre aus dem Wege gehen und seine Ruhe in der Scheune finden. Er entschwand in die Dunkelheit, doch genau dort traf er auf mehrere Liebespaare, die dort augenscheinlich eine frohlockende Orgie der Ausschweifungen feierte.

Im ersten Moment verharrte er entsetzt, dann spürte er, wie seine eigene Lust anstieg wie eine Springflut, und schließlich wollte er nur noch weglaufen in die Dunkelheit, der unerreichbaren verbotenen Versuchung entkommen, aber da rief schon hinter ihm eine männliche Stimme hohnlachend: „Schaut ihn euch an! Cain! Komm doch näher! Dann siehst du auch mal, wie ein Kämpe ein Weib beglückt.“ Helles Gekicher aus mehreren Ecken hallte ihm entgegen. Cain schwitzte und wollte sich wegdrehen. Die unbedeckten Leiber, die anzüglichen Blicke und das schadenfrohe Grinsen waren Tortur, eine stechende Marter voll Grausamkeit. Er wollte nur noch weg, doch als er sich umdrehte, um davonzulaufen, hörte er eine strenge, befehlende Stimme: „Cain! Komm sofort her!“ Das war Kerbera.

Der Sklave schluckte. Seine Beine versagten ihm und knickten beinahe unter ihm zusammen. In ihm war ein unbeherrschbarer Zwang, seiner Herrin unbedingt zu gehorchen. Er drehte sich langsam zu ihr um und näherte sich ihr zögerlich. Er stand nun mitten in der Scheune und kam sich vor wie ein tölpelhafter Hofnarr bei seinem Auftritt vor einem König. Kerbera lag ungeniert in den Armen des jungen Stallburschen, der ihn herausfordernd ansah. Seine rechte Hand bedeckte eine blankgezogene Brust Kerberas. Ein dünnes, fadenscheiniges Laken war nur unsorgfältig über ihre Leiber gelegt, so dass Cain den nackten Hintern des Stallburschen sah, der sich auf die Seite gerollt hatte. Auch Kerberas Unterleib schien unbedeckt zu sein. Die anderen Paare waren aufmerksam geworden und warteten gespannt darauf, was nun geschehen sollte.

Kerbera betrachtete ihn amüsiert. „Ich sehe doch, wie sehr deine Männlichkeit nach einem Weibe lechzt. Zieh dein Beinkleid aus und zeig uns, dass du ein wahrer Kämpe bist!“ Wollte Kerbera ihn nur verhöhnen, oder durfte er sich Hoffnungen darauf machen, bei diesem Techtelmechtel mitzumischen? Wenige Wimpernschläge später kam er mit blank gezogenem Liebesschwert näher wie ein Lanzenreiter beim Angriff. Doch statt seine Herrin beglücken zu dürfen, zauberte sie aus dem Stroh einen dicken Umschnallzapfen, band ihn um ihre Hüfte und befahl mit einem breiten Grinsen: „Umdrehen und vorbeugen!“

Cain glühten die Wangen, und ihm brach Schweiß aus. Aber er gehorchte und stützte sich auf einen großen Strohballen vor ihm. Dann spürte er Kerbera hinter sich, ihren Atem und wie sie seinen Körper entlang tastete, wie sie ihm zwischen die Schenkel griff und sein Gemächt fest umschloss. Und dann kam der Schreckmoment, als Kerbera den Zapfen mit einer lässigen Bewegung aus der Hüfte in ihm versenkte. Tief hinein!

Cain stöhnte auf, hell wie ein Mädchen. Verzweiflung drohte ihn zu verschlingen. Die Umstehenden und Liegenden lachten belustigt. Kerbera stieß immer wieder in Cain und hielt sich dabei an dessen Gemächt fest, als sei es ihr Zügel. Die Herrin kicherte. „Zwei Liebende zu sehen - ist es kein Schauspiel für die Götter?“ Welche glühende Schande! Welche unschickliche Schmach! Der Liebessklave schämte sich in Grund und Boden, so bloßgestellt zu werden. Lieber wäre er ans Kreuz geschlagen worden. Und das Schlimmste daran war, dass seine Manneskraft vor Lust tropfte und um die Gunst jeden Stoßes zu betteln schien.

Schließlich lief sein Samen aus ihm hinaus und floss zu Boden. Kerbera schnallte den Zapfen ab und schlug ihrem Cain kräftig auf den Hintern. „Fertig! Nun geh wieder und kümmere dich um die Aufräumarbeiten. Wir haben hier noch zu tun…“ Sie erntete Gelächter und zustimmende Rufe. Cain befolgte Kerberas Anweisung, als wäre sie die Bäuerin persönlich. Die Zuschauer wussten nicht, worüber sie mehr verwundert sein sollten: über den Umschnallzapfen oder Cains Hörigkeit seinem Weibe gegenüber. Doch sie waren sich einig: Das Spektakel hatte allen gefallen.

Als Cain die Scheune verlassen hatte, widmete sich der junge Stallbursche sofort seinem Liebchen. Was für ein Weib, schwärmte er! Und jetzt wollte er in ihre Venus tauchen. Seine kräftigen Lenden frohlockten und pochten vor Leidenschaft. Kerbera gab sich dem Jüngling scheinbar ohne Zier und gar willenlos hin. So dominant und geradezu maliziös sie bei Cain soeben aufgetreten war, so hingebungsvoll und fast devot zeigte sie sich nun in den Armen des jungen Burschen.

Die anderen Paare sahen gar wunderlich zu diesem seltsamen Weibe. Leda, Nike, Hagbard und Zelos ahnten, dass Kerbera nicht das Geschöpf war, das sie allen vorgespielt hatte. Diese Lady musste aus der Matriarchat-Gesellschaft der Megara oder Fama kommen. Aber was tat sie dann hier? So die Götter wollten, würde sich dieses Rätsel noch lösen.

Am nächsten Morgen sprach Leda sie kurzerhand darauf an, als niemand am Fluss, wo sie Wäsche wuschen, mithören konnte. Sie wollte Kerberas Reaktion erproben und erwischte sie tatsächlich auf dem falschen Fuße. „Äh, ich? Wie kommst du denn… Ich komme aus dem Norden mit meinem Mann und…“ Leda unterbrach sie: „Von wo denn genau?“ Kerbera stotterte: „Aus… aus einem kleinen Dorf namens…. Das kennst du gewiss nicht.“

Leda wies ihr Gegenüber darauf hin, dass sie erzählt hatte, sie sei aus dem Osten gekommen. Kerbera antwortete aufgeregt: „Ach… Nein, das musst du falsch verstanden haben. Was versteht schon eine dumme Magd von den Weiten des Kontinents? Erledige deine Pflichten, Lina, und sei eine artige Dienstbotin! Sonst findest du dich eines Tages mit deinem hübschen Gesichtchen im Misthaufen wieder!“ Ihre letzten Worte versetzte sie kühl wie der Nordwind des Winters.

Sie hatte sich richtig in Rage geredet. Leda, die mädchenhafte Verwirrtheit vorgaukelte, war nun offenkundig, dass Kerbera eine Edeldame aus dem Reich der Frauenherrschaft war. Als Spionin würden sie keine hochgestellte Person in ein kleines Nest an der Westküste schicken, die dort als einfache Magd arbeiten musste. Aber vielleicht war sie nicht aus ganz freien Stücken hier und schuftete als Weib auf dem Hof. Vielleicht war sie auf der Flucht? Leda wollte sich mit Hagbard beraten und überlegen, wie sie weiter vorgehen würden.

In der vergangenen Nacht war auch Boreas zu seinem Vergnügen gekommen. Maia hatte ihn aufgeschlossen und sich zu ihm gelegt. Die beiden hatten ebenfalls in der Scheune Cains Demütigung miterlebt und waren nach einem kurzen Schrecken von dem Schauspiel weidlich erregt worden. Doch zum neuen Sonnenaufgang war der Sklave wieder verschlossen. Trotzdem war er zufrieden und glücklich, denn die Liebesstunden in der Scheune und später noch in ihrem Quartier waren lustvoll und sehr befriedigend gewesen. Mehr konnte er sich beileibe nicht wünschen.

Gern würde er für Maia auch weiterhin einen Keuschheitsgürtel tragen. Sie würden noch einige Jahre auf diesem Hof arbeiten oder andere Siedlungen an der Küste aufsuchen, um dort Münzen zu verdienen. Eines Tages hätten sie so viel Silber zusammen, dass sie sich ihr eigenes kleines Häuschen bauen könnten. Leider waren die politischen Verhältnisse jedoch derzeit so unsicher, dass daran vorläufig noch nicht zu denken war. Sollte wieder ein Krieg ausbrechen und sogar die Westküste erreichen und verheeren, würden sie alles wieder verlieren, was sie sich aufgebaut hätten. Maia beschloss daher, die gesparten Münzen gut zu verstecken und abzuwarten, wie sich die Lage im Reich entwickeln würde.

In der Metropole saßen die Statthalterin Helena und Abas, der Königsgemahl, gegenüber an einer Tafel und aßen zu Abend. Anfangs hatte sich Abas geweigert, an einem Tisch mit der Verräterin zu speisen, doch der Bratenduft der Tauben im Teigmantel und mit gehacktem Mangold, zartem Hasenrücken mit Pilzfüllung, Schweinebäckchen mit Linsen und Olivenöl sowie Fasane mit Maronen waren so verführerisch, dass er den Tantalusqualen nicht lange standhielt und eine knusprige Hasenkeule und anschließend mehrere saftige Scheiben Schweinebraten verzehrte und dazu zwei oder drei Kelche guten roten Rebsaft seine Kehle hinab goss.

„Du sollst es bei mir gut haben“, versuchte Helena das Gespräch ein wenig holprig zu beginnen und schluckte zügig ihren Wein die Kehle hinab, wie um ihre arglistigen Worte eilig wegzuspülen. Abas sah sie mit leerem Blick an, in dem sich seine Verlassenheit widerspiegelte und ohne die heuchlerischen Worte zu honorieren. „Ihr habt mir meine Leda genommen! Mein Leben hat keinen Sinn mehr!“ Helena bekam einen seltsamen Ausdruck. „Oh, dann darf ich Euch verkünden, dass Eure Leda vermutlich noch lebt – an der Westküste.“

Abas schaute skeptisch zu ihr hinüber. „Was sagt Ihr? Wollt Ihr mich und mein zerrissenes Herz verspotten?“ Helena verneinte: „Glaubt mir! Es sind zwar nur Aussagen von… Vereinzelten… Doch könnte es gut sein, dass…“ Abas winkte ablehnend mit der Hand. „Behaltet Eure Ammenmärchen in Eurem verkommenen Kopf!“ Auch wenn die Worte der Herrscherin noch so süß klangen, so waren sie doch unwahres Gift, dass sie ihm ins Ohr träufelte.

Die Gardistinnen, die einige Schritte entfernt an der Tür Wache standen, strafften sich, so dass die Schwertergriffe an ihrem Brustharnisch klirrten. So ein Frevel! Wie tollkühn oder wie dumm war dieser Mann, so mit der Statthalterin zu sprechen! Auf den kleinsten Wink der Helena würde der Kopf des Gefangenen über den Marmorboden rollen wie eine reife Melone, um ihn von seiner Unverfrorenheit zu heilen. Doch dieser Wink blieb aus. Stattdessen lenkte Helena Abas Gedanken geschickt auf Megaras Festung. Nicht sie, Helena, sei schuldig an Ledas und seinem Schicksal, sondern nur die Tyrannin Megara habe die Verantwortung dafür und sollte bezahlen. „Wir haben die gleiche Feindin“, erklärte sie. „Und der Feind deines Feindes ist dein Freund – so heißt es doch schon seit Talos I., nicht wahr?“

Abas betrachtete das undurchsichtige Antlitz der Statthalterin und nippte an seinem Kelch. „Was genau wollt Ihr von mir?“ Helena fragte gerade heraus: „Kennt Ihr die Festung? Schwachpunkte in der Wehrmauer? Dienstpläne der Wachen? Geheimgänge?“ Abas schwirrte der Kopf. Wenn er Helena half, würde er doch nur den Belzebub mit dem Teufel austreiben! Aber die Statthalterin hatte Recht: Megara musste fallen!

„Bereits lange Zeit vor Megaras Machtergreifung gab es große Teile der Bastion“, begann Abas und versuchte sich zu erinnern. „Es gebeutet manch Dinge, die ihr über diese Trutzburg wissen solltet…“ Helena spitzte ihre Ohren und drückte ihren Rücken kerzengerade durch. Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit war Ledas Gemahl gewiss. Und schließlich ließ sie sich Wein nachschenken, lehnte sich zurück und genoss den Trank voll süßer Labe.

In der östlichen Metropole brannte die Sonne vom wolkenlosen Himmel. Die Tage im Wachdienst in Famas Residenz waren langweilig und aufregend zu gleich. Gerra lechzte nach einer Möglichkeit, nah genug an die Herrscherin zu kommen, um ihr den Dolch in den Nacken zu stecken, doch schien dieses Vorhaben unmöglich zu sein. Die königlichen Gardistinnen bildeten einen undurchdringlichen Ring um die frisch gekrönte Majestät.

Gerra überlegte: „Was ist, wenn ich mir ihre Töchter schnappe?“ Doch in diesem Moment schlug ihr Herz plötzlich bis zum Hals vor Schreck. Aurora und Vesta! Sie durfte ihnen niemals über den Weg laufen! Auch in ihrer neuen Uniform würde sie von den ungezogenen Gören sofort erkannt werden! Dann würde die Wahrheit ans Licht gespült.
Und dann würde sie bei Amatio landen – allerdings nicht in seinen Armen, sondern neben ihm in einem eisernen Fesselbrett und bei fauligem Wasser langsam ihr Leben aushauchen. Voller Verdruss grunzte sie unfein und haderte mit dem Schicksal.

Die beiden jungen Damen spielten gerade mit einem Sklaven im Lustgarten der Residenz. Sie waren immer noch verstimmt und grollten ihren Erlebnissen. Erst die Rückkehr ihrer strengen Mutter, dann die höchstpeinliche Bestrafung und dann noch die gefährliche Begegnung mit dem Troll, der einfach auf die Tribüne zu ihnen gesprungen war! Und als wäre das nicht genug Marter: die Keuschheitsgürtel, auf die Fama weiterhin bestand! Niemand kümmerte sich mehr um Wohl und Wehe ihres Lebensweges. Wie schändlich! Das Schicksal war voll Trug und Gemeinheit!

Vesta und Aurora verfluchten die Schmiedin Gerra, die ihnen die Gerätschaften umgelegt hatte. „Wenn diese Vettel nicht geflüchtet wäre, würde ich sie jeden Tag im Kerker besuchen gehen…“, sagte Vesta und ballte ihr Fäustchen. Aurora nickte. „Ja, ich bete, dass sie von Mutters Schergen eines Tages gefunden wird. Lebendig! Ich habe so viel mit ihr vor!“ Vesta gab dem vor ihr auf allen Vieren kriechenden jungen Sklaven tadelnd einen herzhaften Tritt in den Allerwertesten. „Wirst du wohl nicht einschlafen!“ Sie hatte dem Leibeigenen befohlen im Kreis zu kriechen. Der Jüngling mühte sich zügiger und krabbelte flink um die beiden jungen Damen in ihren edlen Rüschenkleidern umher.

„Wetten, er kriecht emsiger, wenn ich ihn mit der Gerte streichle?“, behauptete Aurora mit einem feisten Grinsen. Vesta kicherte unbekümmert. „Obacht! Ich reite dabei auf ihm! Aber wehe, du triffst mich!“ Aurora ballte vor Freude und Aufregung ihre kleinen Fäuste und ihre großen blauen Augen glänzten ob ihres jüngsten Schabernacks. „Oh, ja! Aber später wechseln wir die Position!“

Die Ausdauer der beiden Edelfräuleins war deutlich ausgeprägter als die ihres „Reittieres“. Trotz harten Liebkosungen brachten die Damen ihr „Pony“ nicht mehr dazu, den inzwischen schleifenden und holprigen Gang zu beschleunigen. Immer wieder versuchten sie den nun trägen Sklaven anzutreiben, doch obwohl sein Gesäß mittlerweile die Farbe von frischem Heidelbeermus aufwies, schleppte sich der Leibeigene nur noch zitternd und völlig erschöpft Schritt für Schritt vorwärts und schickte sich beinahe an umzufallen.

„Lass uns einen Frischen nehmen“, schlug Vesta vor. „Dieser liegt bald darnieder wie ein Fisch an Land.“ Aurora schnaubte verächtlich. „So eine armselige Jammergestalt! Ich habe gleich gesagt, dass ein wahrer Kampfsklave stärker und geeigneter ist als dieser Taugenichts.“ Vesta wand ein: „Aber du weißt doch genau, dass wir mit keinen Kriegern spielen dürfen. Und außerdem sind die so groß, dass ich ja kaum in den Sattel käme“, kicherte sie. Aurora ergänzte: „Dafür hätte ich dann von hinten einen umso prächtigeren Ausblick auf seine dicken…“ Vesta kicherte unterbrechend und hielt sich die Finger vor den Mund: „Lass das Wort nicht über deine Lippen! Das ist so unschicklich!“

Die beiden Edelfräuleins lachten hell und stellten fest, dass sie hungrig und durstig geworden waren. Aurora steckte dem Sklaven die Gerte zwischen seine Zähne. Der Leibeigene, der den Damen überdrüssig geworden war, verharrte auf allen Vieren, zitterte vor Erschöpfung und konnte sich selbst so kaum noch halten. „Zur Strafe für dein Versagen bleibst du hier hocken bis die Sonne untergegangen ist und trägst zum Stolz, von uns gezüchtigt worden zu sein, die Gerte in deinem Maul!“ Aurora war sich gewiss: Wer die Peitsche spart, verdirbt den Sklaven. Aber vor allem wäre es nur das halbe Vergnügen.

Es wurden noch anstrengende, heiße und quälende Stunden für den Leibeigenen, bevor er bei Sonnenuntergang zur Seite kippte und gnädigerweise ohnmächtig wurde. Sein Schatten löste sich erst vom heißen Grund, als zwei Uniformierte ihn in einen Käfig schleiften und ihn mit Wasser aus dem Burggraben übergossen. Aurora und Vesta hatten ihr Opfer längst vergessen und kurzweilige Zerstreuung in einem Ballspiel und neuen Kleidern gefunden, die ihren weiblichen Silhouetten schmeichelten.


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