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  Das Reich der Megara (Neuauflage)
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sheeeep Volljährigkeit geprüft
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:24.03.22 18:44 IP: gespeichert Moderator melden


Ja,Gott sei Dank geht es weiter mit dieser fantastischen Erzählung....wunderbar...
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prallbeutel Volljährigkeit geprüft
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Licentia poetica

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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:02.04.22 15:22 IP: gespeichert Moderator melden



Die Leibeigenen versuchten ihrer Angst, die sie bestürmte, Herr zu werden und nicht zu zittern, denn das gefährdete sie nur noch mehr. Allerdings waren die uniformierten Damen sehr zielsicher und halbierten gekonnt Obst um Obst. Schließlich wagte sich eine der Schützinnen sogar an den „Mundschuss“: Der Sklave musste in den Apfel beißen und ihn mit den Zähnen festhalten, bis ihn der Pfeil der Soldatin platzen ließ. Ihre Kameradinnen jubelten, und die Bognerin machte einen amüsierten Kratzfuß und lupfte dabei einen imaginären Hut.

Aurora schwärmte davon, auch einmal auf einen Mann anzulegen. Doch leider würde ihr Pfeil unberechenbar durch die Luft flitzen. Vielleicht sollte sie sich anfangs einen Bogen mit geringer Spannkraft und Pfeilen ohne Spitze begnügen, damit sie nicht Dutzende Sklaven verbrauchte. Als sie ihre neueste Spielidee der Majordoma mit einem Hauch eines triumphierenden Lächelns auf ihren Lippen vorschlug, wusste diese überraschenderweise zu berichten: „So ein ähnliches Gerät besitzt Cassandra zur Kurzweil. Darf ich die Königin fragen, ob sie es Euch leiht?“ Aurora war neugierig, was das wohl war und stimmte zu. Ursprünglich hatte sie mit Cassandra kein Wort mehr wechseln wollen, weil sie von ihr in ihrem Reich quasi gefangen gehalten wurde. Allerdings würde ihr Trotz bei der Despotin auch nicht weiterhelfen.

Cassandra lud die Prinzessin am nächsten Tag in ihren prunkvollen Herrschaftssitz ein. Im Lustgarten, den der Gast über eine Pergola aus Weinranken erreichte, um der Majestät die Aufwartung zu machen, begrüßte Aurora noch drei weitere Hofdamen, die ebenfalls mitspielen wollten. Jede Lady erhielt eine kleine Armbrust. Das Besondere waren die Schussbolzen. So etwas hatte Aurora noch nie gesehen. Es waren Metallstifte, etwa einen Finger lang und statt einer Spitze sah der Pfeil aus, als spanne sich vorne eine Kralle auf.

Cassandra demonstrierte der staunenden Metropolin die Wirkungsweise der perfiden Vorrichtung. Sie drückte das Vorderende gegen ein Kissen. Sofort schnappte die Kralle aus sechs kleinen eisernen Beinchen zu und klemmte sich in den Stoff. Cassandra schmunzelte. „Die Bolzen halten so sicher zum Beispiel in den Arschbacken unserer drolligen Häschen“. Aurora gluckste und ihr pausbäckiges Gesicht strahlte freudig. „Ihr nennt das Gezücht Häschen?“

Die Monarchin klatschte statt zu antworten mit den beringten Händen. Die vielen Armreifen rasselten dabei fast lauter als der Knall der zusammengeschlagenen Hände. Sofort flitzte ein Leibdiener in der cassandrischen Sklavenuniform herbei. Aurora musste über die eigenwillige Livree innerlich lachen. Der Diener trug schwarze Stiefel, einen Keuschheitsgürtel, ein schwarzes Geschirr, das sich im Schritt teilte und hinten mit einem Lederriemen zwischen seinen Hinterbacken straff nach vorne gebunden war. Ein breites Eisenband um den Hals war vorne und hinten mit einer kleinen Öse ausgestattet.

Der kahlköpfige Mann trug des Weiteren eine Lederhaube, die nur Augen, Ohren und Mund frei ließ. Cassandra strenge Stimme ertönte: „Mach mir das Häschen!“ Augenblicklich sprang der Sklave auf alle Viere, doch erhob er die Knie, so dass nur Füße und Hände den Boden berührten. Dann bewegte er sich mit geschlossenen Beinen hüpfend vorwärts, abwechselnd die Hände und Füße aufsetzend, den Hintern weit nach oben gestreckt. So hoppelte er umher wie geheißen.

Cassandra oblag es, ein Exempel zu geben, hob ihre Miniatur-Armbrust und legte einen Bolzen ein, zielte auf den Sklaven, drückte ab und grinste zufrieden, als das „Häschen“ aufjaulend zur Seite fiel, die Arme nach dem festgeklammerten Geschoss an seinem Hintern griffen, das beißende Eisen aber nicht entfernen konnte. Cassandra erklärte das vergnügliche Treiben. „Wir spielen gewöhnlich mit 20 Häschen im Garten. An der Farbe der Bolzen sehen wir später, wer die größte Ausbeute erzielt und damit beste Jägerin ist.“ Aurora war begeistert. „Das ist das anregendste Spiel, das ich kenne!“, fühlte sie sich erfüllt mit Freude, und ihre Augen funkelten.

Bald schon waren die edlen Damen in ihre Jagd vertieft und streiften wie Weidfrauen durch den königlichen Park, in dem 20 Häschen hoppelten, die es zu erspähen gab. Besonders amüsant fand die Prinzessin, dass die Hasen durch einen Zapfen mit Fellkugel am Ende und einem Stirnband mit langen Ohren an den Seiten, dem mümmelnden Haarwild ein wenig ähnelten.

Als alle Tierchen erlegt waren, schlug Cassandra eine Pause vor. „Lasst uns zunächst eine Erfrischung genießen. Eistee und Zitronenwasser stehen bereit. Später können wir die Häschen zählen.“ Und so lagen 20 japsende Leibeigene noch eine ganze Weile in der Sonne und ertrugen zwangsläufig die beißenden Klammern an ihren Kehrseiten. Die zuckenden und windenden Bewegungen zeugten von ihrer Qual.

„Darf ich einige dieser Bolzen haben?“, fragte Aurora, sich die Händchen reibend, bevor sie sich nach Hause begab. Cassandra reichte ihr eine kleine Kiste aus poliertem Ebenholz, die mit ihnen gefüllt war. Auch eine kleine Armbrust behielt die Prinzessin. Als Cassandra kurz darauf am hohen Fenster ihres Palastes die Abreise ihres Gastes beobachtete, begann sie herzhaft zu lachen, denn Aurora versetzte sämtlichen Sänftenträgern einen Bolzen in die Allerwertesten und drohte mit Nachschub, falls sie nicht schleunigst lostrabten.

Die Tyrannin verließ das Fenster und betrachtete eine Wandkarte aus Leder, die den gesamten Kontinent mit seinen Kleinstaaten kunstfertig darstellte. Am Rand war der Kontinent von den schwarzen Köpfen der Nägel umzingelt, die die Karte im Mauerwerk hielten. Cassandras Blick schwang zur Metropole und weiteren Reichen im Osten. Bald würde sie alleinige Machthaberin über ein gewaltiges Ostreich sein. Die Allianz mit der Metropole würde nur ein Vorwand sein, um ihre Truppen in die Stadt positionieren zu können. War ihre Streitmacht erst in Stellung, konnte sie die Regierung der Metropole entmachten. Vielleicht mussten dafür nicht einmal viele Kampfsklaven ihr Leben lassen. Davon gab es jedenfalls reichlich.

Vermutlich, so überlegte Cassandra, war nun Vesta, Famas zweite Tochter, auf dem Thron. Die Unerfahrenheit der Göre würde alles noch einfacher machen, lächelte Cassandra in sich hinein. Und wenn erst die Metropole in ihrer Hand war, fielen auch die restlichen Staaten der Reihe nach. Das eine oder andere Städtchen würde sie niederbrennen müssen, doch was war so ein bescheidenes Opfer im Gegensatz zu einer Ostmacht unter ihrer Stimme, die bald auch den Westen niederwalzen würde!? Cassandra sah sich in den Folianten der Chronisten bereits in einem Atemzug mit Megara genannt.

Als sich bereits wenige Tage später erste Truppenteile in Richtung Metropole bewegten, erhielt auch Aurora davon Kunde. Cassandras hinterhältiges Ränkespiel blieb nicht geheim, so dass auch die Prinzessin erschrocken davon erfuhr, welche Bösartigkeit sie vorhatte. Was sollte sie nun tun? Ihre Schwester warnen? Oder auf Seiten der Cassandra bleiben, kriecherisch den Kopf vor dieser Schlange neigen und vielleicht die zukünftige Statthalterin der Metropole werden?

Darauf kann ich nicht hoffen, mutmaßte sie. Ich muss Vesta vor dem feigen Überfall warnen. Dann kann ich die alte Vettel immer noch vom Thron stoßen. Aber ein halber Kontinent von Cassandra, dieser Metze, unterjocht… Die Alten Götter mochten dieses Verhängnis verhindern! Es stank nach Frevel. Auroras Köpfchen glühte, und letztlich kam sie zu einem bedeutsamen Entschluss.

Die Adelstochter nahm all ihren Mut zusammen, packte emsig einigen Vorrat und befahl einigen Haussklaven, drei kräftige Rösser zu satteln und hinter der Residenz im Schatten der hohen Mauer bereit zu halten. Sie steckte die kostbarsten Juwelen in einige dunkelblaue Samtbeutel und hoffte, dass sie damit die Wächterinnen bestechen konnte. Solch süße Versuchung erstickte oft alle Tugend und Pflichtgefühl.

Auch einen Dolch verleibte sie sich ein und band ihn am Strumpfband unter ihrem adretten Kleid in dem unerschütterlichen Willen fest, bis zum Tode für ihre Freiheit zu kämpfen. Sie setzte alles auf eine Karte. Sollte ihre Flucht nicht gelingen, würde Cassandra sie wohl in einen Kerker stecken oder den Priesterinnen des Malus-Kultes ausliefern. Und der Despotin gebrach es an jedwedem Mitleid oder Empfinden mit einer Verräterin. Aber die Angst wurde von ihrer Sorge um ihr Schwesterchen besiegt… oder war es die Sorge um den Verlust der Krone?

Aurora gelang es, ungesehen aus der Residenz und bis zu den Reittieren zu schleichen. Doch keinen Augenblick später war ihre Abwesenheit bemerkt worden. Alarmrufe schrillten auf. Die Majordoma lief hinter ihr her. Aurora drehte sich langsam um. War ihre Flucht hier schon zu Ende? Die Verfolgerin kam näher und baute sich vor ihr auf. Plötzlich zog die Prinzessin ihren Dolch und versenkte ihn schmatzend in der Brust der Frau, die ungläubig auf den verzierten Schaft der Waffe starrte und ihn umfasste. Sie öffnete den Mund und ein Röcheln erklang. Dann sackte sie zusammen.

Aurora setzte ihren Weg fort, als sei nichts geschehen. Bald stieg sie auf einen Schimmel und begleitete ihren Ehesklaven sowie einen weiteren Leibeigenen, der ihr hörig war, zur Stadtmauer. Zwei Soldatinnen kamen mit langen Hellebarden auf das Trio zu und versperrten ihnen den Weg. Aurora, die sich einen Seidenschal um Kopf und Gesicht gebunden hatte, um nicht erkannt zu werden, hielt ihnen zwei Beutel mit den funkelnden Edelsteinen hin. Die Frauen sahen sich an und nickten kaum merklich.

Eine von ihnen gab einen Befehl an mehrere Kampfsklaven, die an einer schweren Winde das Fallgitter in die Höhe zogen. Aurora und ihre beiden Begleiter ritten eilig durch das Stadttor und galoppierten über die Ebene. Hinter ihnen hörten sie Hörner Alarm rufen. Als Aurora sich im Sattel umdrehte, bemerkte sie eine Reiterschar, die ihnen folgte.

Im gestreckten Galopp konnte sich die Prinzessin kaum auf ihrem Schimmel halten. Als Aurora schon verzweifelt ihr Schicksal besiegelt sah, blieb die Schar gerüsteter Reiterinnen hinter ihnen zurück. Bald war der Trupp kaum noch in Sichtweite. Das Trio ritt etwas langsamer, um die erschöpften Tiere zu schonen. Hatten Cassandras Schergen aufgegeben? Aber warum? Im nächsten Moment hörten die Drei ein gewaltiges Dröhnen und Brüllen, das ihnen durch Mark und Bein ging. Ein Troll!

Plötzlich gingen die Rösser panisch auf die Hinterhand und wieherten, stießen zischend Luft aus ihren Nüstern und blickten hektisch umher, trippelten unruhig hin und her und schnaubten nervös. Als sein Tier aufbäumte, fiel der Leibeigene unglücklich zu Boden und jammerte: „Mein Bein!“ Er sah Hilfe suchend zu der Herrin. Aber Auroras Aufmerksamkeit war ausschließlich dem Troll gewidmet. Die Baumwipfel eines entfernten Haines bogen sich zur Seite. Das Ungetüm kam genau auf sie zu!

Der Leibeigene kämpfte sich auf die Füße, brach aber sofort vor Schmerz schreiend wieder zusammen. „Helft mir auf!“, flehte er furchtsam und voll Harm. Aurora ließ ihr Ross rückwärts tänzeln. „Nein, bleib du hier und halte das Monster auf. Mut tut nun Not. Sei kein Hasenfuß!“ Sie gab ihrem Schimmel die Sporen und jagte hinfort, aschfahl im Gesicht. Ihr Ehesklave folgte ihr so geschwind wie ihm möglich war. Die Hoffnung des verletzten Sklaven, vor dem Ungetüm gerettet zu werden, ward fortgewaschen. Er schloss die Augen vor dem sicheren Tode.

„Lasst mich nicht hier zurück!“, brüllte der Leibeigene in Todesangst hinterher, wurde aber von keinem Ohr mehr gehört. Entsetzt drehte er sich gruselbang zu dem Hain um: Der Troll erschien am Rand und kam stapfend und polternd auf ihn zu. Von Lidschlag zu Lidschlag wurde das Urvieh größer, gewaltiger und machte keinen Hehl aus seiner Gefährlichkeit. Die Erde bebte unter seinen Tonnen von Gewicht. Die Lefzen zogen sich zurück und entblößten Reißzähne, wie sie der Mann noch nie zuvor gesehen hatte. Aurora und ihr Gatte waren bereits weit entfernt, als der sich der Troll anschickte, sein Opfer zu verspeisen.

Abas stieg den höchsten der Türme von Ledas Burg hoch. Was Zelos ihm wohl so wichtiges und geheimes zu sagen hatte? Die Sonne war bereits untergegangen. Ein großer Vollmond schien gelb wie Butter herab und gab neben Abas Laterne das einzige Licht vom Firmament, dem in dieser Nacht die Sterne fehlten, wie ihm mit einem Blick ins Himmelszelt gewahr wurde.

Der Gemahl der Königin merkte, wie Fledermäuse durch die Dunkelheit flatterten. Es war kühl, so dass der Königsgemahl seinen Umhang um sein Wams wickelte und hoffte, dass der Oberste ihn nicht lange warten ließ. Seit der Kerkerhaft bei Megara spürte er jeden Luftzug unbarmherzig in seinen Knochen. Der Aufstieg die lange Wendeltreppe bis zur Aussichtsplattform des Turms war schon mühsam genug gewesen, obwohl er saumselig Stufe für Stufe hinter sich gebracht hatte. Überall zwickte es ihn. Bis auf ein entferntes Käuzchen war es still.

Als sich Abas herumdrehte, zuckte er zusammen: Zelos stand dicht hinter ihm. „Oberster!“, begrüßte der Königsgemahl den alten Weggefährten kurzatmig. „Ihr habt mich erschrocken. Was schleicht Ihr Euch so heran?“ Zelos entschuldigte sich formvollendet und deutete eine Verbeugung voll falscher Höflichkeit an. Insgeheim dachte er sarkastisch dabei: „Meiner Treu! Hat sein Gehör in der Kerkerhaft auch gelitten? Mich dünkt, ich sollte mir eine Rasselkette umbinden.“

Abas erkundigte sich nach dem Grunde für das Gespräch und den ungewöhnlichen Ort dafür. Zelos sah den Königsgemahl mit einem Faungesicht an. „Ich kenne Euer Geheimnis“, sagte er ihm auf den Kopf zu. Abas tat unwissend und zog die Stirn kraus. „Geheimnis? Werdet deutlicher!“ Zelos tat ihm gerne den Gefallen und schaute ihn mit sengendem Blicke entgegen. Kühn erkeckte er sich der Wahrheit, ohne dass sich seine Tücke wie zuvor hinter einer Maske verbarg. „Euer Keuschheitsgürtel.“ Abas wurde bleich wie Alabaster. Ein Gesichtsmuskel unter seinem linken Auge zuckte unkontrolliert. „Woher…?“ Zelos grinste bitter. „Ich war es, der Leda den Vorschlag gemacht hat, Euch einzusperren.“ Abas fiel der Unterkiefer hinab. „Was…?“ Er konnte nicht glauben, was seine Ohren vernommen hatten. Zelos nickte hochnäsig. „Und ich besaß Euren Schlüssel dazu!“

Abas zitterte vor Aufregung. Ihm fehlten die Worte. Zelos gluckste. „Und ich habe den Schlüssel zu Eurer Männlichkeit im Graben der Burg versenkt.“ Humorlos lachte der Oberste auf. Er starrte sein Gegenüber an. „Und wisst Ihr auch den Grund?“ Abas war starr wie aus Stein gehauen. Das da vor ihm musste ein Dämon sein, der ihm in einem Nachtmahr erschien. Doch Zelos hörte sich sehr echt und lebendig an. „Leda hat sich mir hingegeben. Ihre Gunst ist mein. Ganz und gar!“

Er kostete jedes Wort aus und betonte es genießend. Abas spürte jede Silbe wie einen Dolchstich in sein blutendes Herz. „Während Ihr im königlichen Nachtlager geschlafen habt. Ihr und Eure… nutzlose Männlichkeit. Doch das ist vorbei! Leda gehört nun mir! Habt Ihr das verstanden?“ Abas bebte am ganzen Leib. Doch er war weiterhin zu keiner Erwiderung fähig. Auf diesen Moment sann Zelos und packte die Gelegenheit ohne zu zaudern beim Schopfe. Der dünkelhafte Schurke kam auf den Königsgemahl zu und packte ihn am Wams. Mit Gewalt drückte er Abas auf den Abgrund zu.

Kurz zuvor hatte ein Stallbursche erschrocken festgestellt, dass er vergessen hatte, neues Heu in den Stall zu fahren. Eine ganze Wagenladung stand noch im Hofe der Festung. Wenn es regnete, würde er großen Ärger bekommen! Er erinnerte sich noch sehr gut an seine letzte Verfehlung, die der Stallmeister ihm einbläuend entlohnt hatte. Er schlüpfte emsig aus seiner Wolldecke und streifte sich sein speckiges Lederhemd über. Dann lief er im Dunklen hurtig über den Hof. Rösser anzuspannen machte zu viel Lärm. Aber wie sollte er den schweren Holzkarren nun bewegen?

Er trommelte vier Burschen zusammen, die ihm noch einen Gefallen schuldig waren und versprach ihnen in den nächsten vier Tagen jeweils seine Wurstration. Die Jungspunde folgten ihm noch müde aber willig zu dem Fuhrwerk und schoben auf ein geflüstertes Kommando des Stallburschen die Speichenräder vorwärts. So bewegten sie das schwere Gefährt über den Hof bis vor den Stall. Der Stallbursche öffnete gerade leise die Pforte und hoffte inständig, dass sie nicht zu laut knarrte, da zerriss die Nacht ein furchtbarer Schrei.

Im nächsten Augenblick landete etwas laut krachend auf dem Heuhaufen und stob Myriaden von trockenen Halmen durch die Luft. Die Jünglinge sahen mit offenen Mündern auf die Ladefläche des Karren. Ihre Augen fanden einen Mann dort mit verrenkten Gliedern liegen. War er etwa vom Turm gestürzt? Die Grünschnäbel sahen nach oben, erkannten dort aber nichts. Einer der Burschen lief schnell nach einem Medikus. Die anderen gruppierten sich um den Gestürzten, der ohne Bewusstsein war. Lebte er der arme Tropf noch?

Der Stallbursche sah in dem Zwielicht nicht, ob er die Person kannte. Ein Wächter vielleicht? Aber der Recke war nicht gerüstet. Ein Knecht? Als kurz darauf mehrere Wachen, ein Medikus und Nike, die Gardistin erschienen, erleuchtete die Umgebung von den mitgebrachten Fackeln und Laternen fast grell den sonst schwarzen Hof. Nike und der Medikus riefen wie aus einem Mund entsetzt: „Ihr Götter! Der Königsgemahl!“ Ein Raunen ging durch die Versammelten.
Kommentare willkommen!

Viele Grüße von prallbeutel
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+++ Die gemeine Miriam +++ Das Unzuchts-Komplott +++ Im Reich der Megara +++ Die Nachtschicht seines Lebens +++ Optional Genetics +++ Venus +++ Regina +++ Inkasso +++
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:16.04.22 10:30 IP: gespeichert Moderator melden



Der Heiler rief nach frischen Tüchern und heißem Wasser. Er lagerte den Souverän anders und verlangte nach einer Trage. „Er muss sofort in meine Kammer gebracht werden.“ Dort bewahrte er seine Utensilien auf: die verschiedenen Messer, die Substanzen, die Schienen, um Brüche zu richten. Kurz darauf erschien der Oberste mit fragender Miene. „Sprecht! Was ist geschehen?“ Nike berichtete ihm von dem schrecklichen Unglück. „Es war doch ein Unfall, oder glaubt ihr an einen Mordversuch?“, fragte sie. Zelos sah sie ernst an. Das Entsetzen in seinem Blick deutete die Gardistin als Sorge um den Königsgemahl, doch galt es der Tatsache, dass Abas noch lebte. „So ein Schlamassel! Ich muss mit der Königin sprechen.“ Ein Soldat salutierte. „Die Majestät ist bereits unterwegs.“

Als Leda besorgt aus der Krankenkammer erschien, passte Zelos sie ab. „Leda“, raunte er ihr zu. „Ihr müsst etwas Wichtiges erfahren.“ Leda sah ihn abweisend an. „Was sollte in dieser unheilvollen Nacht so bedeutend sein? Mich interessiert nur, ob Abas den Sturz überlebt. Wäre der Heuwagen dort nicht gestanden…“ Sie schluchzte leise, ihre schmalen Schultern bebten. Zelos nahm sie voll Heuchelei in die Arme und strich ihr tröstend über den Rücken. „Darum geht es, Leda. Als der Tumult begann, bin ich an der Schreibstube vorbei gekommen und sah die geöffnete Tür und die brennende Laterne. Ich fand einen Brief auf dem Tisch liegen. Er stammt von Abas.“

Leda sah Zelos verwirrt an. „Was soll das bedeuten?“ Zelos atmete schwer aus. „Ich fürchte, Abas wollte seinem Leben ein Ende setzen.“ Die Königin wollte das nicht glauben. „Niemals! Abas liebt mich doch…“ Zelos streichelte Leda. „Ich weiß, es ist schwer zu akzeptieren…“ Leda riss sich von dem Obersten los. „Lasst mich allein.“ Sie schritt den Flur entlang.

Nike kam ihr entgegen geeilt. Die Monarchin sprach sie an. „Bewacht meinen Gemahl und meldet mir sofort, wenn es ihm schlechter gehen sollte.“ Nike salutierte. „Sehr wohl, Majestät!“ Zelos raunte Nike zu: „Wie geht es ihm? Wird er es überstehen?“ Die Gardistin bedauerte unsicher: „Der Medikus weiß es nicht. Abas hat Blut verloren und innere Verletzungen. Die Knochenbrüche sind vergleichsweise glimpflich. Bei Sonnenaufgang wissen wir vielleicht mehr.“

Zelos verschwand in seinem Gemach. Was hatte dieser verteufelte Heuwagen da zu suchen? An Glück gebrach es dem Widersacher nicht. Wenn Abas überlebte, war er - Zelos - des Todes. Wäre der vermaledeite Krüppel doch nur nicht so gut bewacht! Ein Kissen würde das Problem schnell lösen. Der Oberste fand keine Ruhe. Er schritt zurück und schickte die Wache unter einem Vorwand weg. Dann wollte er noch den Heiler für einen Moment aus dem Lazarett locken, doch es war auch noch ein Helfer dabei. Und Nike kam auch noch dazu. Zelos kehrte frustriert in seine Kammer zurück und betete zu den Alten Göttern, dass sie Abas zu sich nahmen, bevor dieser aus seiner Ohnmacht erwachte.

Es zwang ihn zu Leda, um ihr den Abschiedsbrief ihres Gemahls bringen. Der Oberste stiefelte los und wurde an der Tür zu den königlichen Gemächern von der Hofzofe abgewiesen. „Entschuldigt bitte, Herr Oberster, aber die Majestät hat ausdrücklich ausnahmslos jeden Besuch verboten.“ Zelos kniff zornig die Augen zusammen, so dass sich eine senkrechte Zornesfalte auf der Stirn bildete. „Dann gib ihr das hier von mir! Eile dich!“ Die Zofe machte einen Knicks vor dem hohen Gardisten und nahm eine Papierrolle entgegen, die mit einem königlichen Siegel geschlossen war.

Grimmig stapfte Zelos zurück zu seiner Kammer. Bevor er sich zurückzog, befahl er einem Gardisten, „mir sofort Bescheid zu geben, wenn es dem Königsgemahl besser oder schlechter geht.“ In Gedanken hoffte er sehr auf eine Verschlechterung. Worauf wartete die Todesgöttin noch? Warum nahm sie ihn nicht mit in ihr dunkles Reich? Unwirsch riss er sich den Waffenrock vom Leib und bettete sich auf sein gefedertes Nachtlager.

In dieser Nacht konnten Leda und Zelos kein Auge zutun: die Königin aus Sorge, dass Abas sterben könnte, der Oberste aus Furcht, Abas würde überleben. Der Attentäter wusch sich in der Nacht ein Dutzend Mal die Hände, doch er fühlte sich immer noch wie mit Blut besudelt. Die Hände, die den Königsgemahl rückwärts über die niedrige Brüstung gestoßen hatten, klebten vor Sünde.

Aurora und ihr Ehesklave ritten durch die Freien Ländereien in Richtung Metropole. Dummerweise hatte sie ihren Dolch zurückgelassen, doch ihr Gatte war mit Waffen reichlich bestückt. Trotzdem litt die Prinzessin ständig Todesängste. Bei jedem Geräusch eines Vogels, eines Blattes im Wind oder eines Insekts, glaubte sie an Strauchdiebe, die sie überfallen und schänden wollten. Sie krampfte ihre Fingerchen um die Zügel ihres Rosses und sah sich immer wieder in alle Richtungen um. Doch bisher waren sie keinem Abschaum begegnet.

Der Proviant reichte nicht für die gesamte Route, aber ihr Gemahl besaß die Fertigkeit zu jagen. Als das Trockenfleisch aus seinem Ranzen aufgebraucht war, sorgte er für einen leckeren Braten aus Murmeltier. Aurora drehte sich angewidert weg, als ihr Mann die Beute ausweidete; aber als es über dem Feuer ansprechend duftete, genoss sie das knusprige Fleisch wie eine Delikatesse aus der königlichen Küche.

Am nächsten Tage fanden sie eine Wasserquelle, um ihre Schläuche aufzufüllen. Und so ritt das Paar der Metropole entgegen, um Vesta vor Cassandra zu warnen – und freilich auch, um ihre Krone einzufordern. Die Reise war langwierig, und der empfindsame Po der Lady beschwerte sich von Stunde zu Stunde mehr über den harten Sattel, doch alles Lamentieren nutzte nichts; sie mussten weiter, ihrem Ziel entgegen.

Und dann kam der Tag, an dem ein wütendes Brüllen aus einem nahen Wald ertönte. Panisch flogen ganze Schwärme Vögel in die Luft. Kleinere Tiere wie Eichhörnchen, Dachse und Kaninchen flohen ebenfalls vor dem Störenfried. Aurora wand sich zu ihrem Gatten um. „Was war das?“ Der Gemahl zuckte mit den Schultern. „So etwas habe ich noch nie gehört. Ein Walddämon?“ Solche Wesen hausten alter Überlieferungen nach in dieser Gegend im dunklen Gehölz. Aurora schlug ihm mit der Reitgerte quer durch das Gesicht. „Unsinn! Es gibt keine Walddämonen!“ Doch das Beben und Brüllen wurde lauter, kam näher…

Jäh bogen sich die Wipfel zur Seite und ein Monstrum, über zwei Klafter hoch, ragte plötzlich in die Höhe. Ein Gigant. Ein Riese. Ein Koloss. Ein… „Troll!“, schrie Aurora schrill und schlug die Sporen ihrer Stiefel in die Flanken des Pferdes, das davonjagte. Ihr Ehesklave zog seinen Bogen und schoss einen Pfeil auf den Muskelberg ab, doch die Eisenspitze kratzte nur an der dicken ledernen Haut.

Das Ross stieg hoch auf die Hinterhand und wieherte vor furchtbarem Schrecken, als das Ungetüm auf den Reiter zu stampfte. Der Ehesklave fiel aus dem Sattel und zog wagemutig sein Schwert. Er hielt den langen Bihänder mit kraftvollem Griff und näherte sich vorsichtig dem Monstrum. Der Troll öffnete die langen kraftvollen Arme und kam auf den Recken zu. Das Gebrüll des Riesen ging dem Mann durch Mark und Bein. Er sah das mit langen Zähnen gespickte und weit aufgerissene Maul, aus dem der Goliath seiberte.

Todesmutig schwang der Kämpe sein Schwert und zielte auf das linke Bein, so dick, dass er es kaum mit beiden Armen umfassen hätte können. Doch unerwartet flink und gewand trat der Troll einen Schritt zurück. Den folgenden Schwertstoß blockte die Bestie mit so viel Gewalt ab, dass der Kämpfer seine Waffe fast aus den Händen verloren hätte. Im nächsten Moment trat der Troll näher auf den noch wankenden Gegner zu und versetzte ihm einen Faustschlag gegen den Rücken, der den Mann zu Boden brechen ließ.

Verzweifelt versuchte der Mensch seine Klinge erneut anzubringen, doch er konnte nichts mehr daran ändern, dass der Troll seinen Fuß hob, um sein Opfer zu zerstampfen wie einen Käfer. Der Ehesklave der Prinzessin wusste, dass ihm kein Knochen heil bleiben würde und schloss die Augen in Erwartung des sicheren Todes.

Der Troll nahm indessen seinen Fuß wieder herunter und bückte sich stattdessen nach dem Schwert. In seinen gewaltigen Klauen wirkte der Zweihänder wie ein kleiner Dolch. Das Urvieh packte das Ende der Klinge und den Griff und bog die Waffe zu einem Ring. Dann schleuderte er sie wütend tief in den Wald.

Das Reittier des Mannes war längst über alle Berge galoppiert, doch besaß der Leibeigene noch seinen Bogen, den er auf dem Rücken trug. Vorsichtig zog er einen Pfeil aus dem Köcher, der nur wenig entfernt im Staub lag. Der Troll schien sich nicht mehr für ihn zu interessieren. Der Kraftgigant scharrte mit seinen Füßen im Staub und besah sich den Kratzer an der Brust, den der Pfeil erzeugt hatte.

Langsam spannte der Mann den Bogen immer mehr und zielte auf den abgelenkten Riesen, der in die Luft schnupperte, als nehme er irgendeinen auffälligen Geruch auf. Der Mann musste ein Auge treffen. Das würde die Bestie töten. Als der Troll sich herumdrehte, war die Chance gekommen: Der Ehesklave zielte und schickte das tödliche Geschoss auf seinen Weg.

Aber seine Hände zitterten so vor Angst und Erschöpfung, dass er verfehlte. Erst jetzt bemerkte der Troll die Gefahr und kam wütend angestampft. Der Mann der Aurora wusste: Sein Schicksal war nun endgültig besiegelt. Seine letzten und heiser ausgestoßenen Worte waren: „Oh, Ihr Alten Götter! Steht mir bei!“

Die Prinzessin war mit dem Ross überfordert. Sie wusste nicht, in welche Richtung sie den Zossen lenken sollte. Sie hatte nicht nur ihren Kopfputz, sondern auch die Orientierung verloren und ritt ziellos umher, durch Wälder, über Felder und Wiesen, durch Hügellandschaften und an einem Bachlauf entlang. Als sie gegen Abend die Unruhe ihres Schimmels spürte, zitterte sie vor Furcht am ganzen Leib. In der Dunkelheit konnte sie kaum den Weg sehen. Wo war sie bloß? Vielleicht war sie längst von ihrem Kurs abgekommen, dämmerte es ihr langsam.

Aurora stieg aus dem Sattel und wollte lagern. Sie war müde und hatte vor bei Sonnenaufgang zu schauen, wohin sie ihr Ritt geführt hatte. Im nächsten Moment krachten Zweige und Äste ganz in der Nähe. Ihr Ross wieherte auf und jagte davon – ohne seine Herrin. Aurora stand alleine in der fremden Umgebung. Keine einzige Waffe hatte sie dabei. Sie fühlte sich verlassen, verloren und hilflos. Sie war jedem Feind ausgeliefert. Ihr Leben lag in den Händen der Alten Götter.

Hatte ihr Gemahl den Troll nicht aufhalten können? Hatte das Monster sie aufgespürt? Oder waren es nur irgendwelche Tiere, deren Augen in der Finsternis glühten? Aber dann wurde die furchtbarste Vorstellung zur Gewissheit: Der Troll erschien in seiner ganzen grausamen Macht und Größe aus dem Dickicht. Die zarte Prinzessin fiel unter einen Schatten, der noch schwärzer als die Nacht war.

Aurora wollte schreien, aber aus ihrer Kehle kam kein Laut. Hier also sollte sie ihr Leben verwirken! In einem dunklen und einsamen Wald inmitten der Freien Ländereien. Von einem Troll abgeschlachtet! Nie würde sie die Krone der Metropole tragen! Hier und jetzt würde sie ihren letzten Atemzug tun. Ihr kleines Herz raste und schlug wie wild gegen ihre Rippen.

Tatsächlich schritt der Troll auf sie zu und packte sie mit beiden mächtigen Pranken um die Hüfte und hob sie hoch. Wollte er ihr den Kopf abbeißen? Oder sie gar besteigen? Die riesigen Zähne näherten sich der grazilen Schönheit, die ihre Augen schloss und ihre Ende erwartete. Selbst für einen Todesschrei fehlte ihr der Mut und die Kraft. Sie hatte mit ihrem Dasein abgeschlossen.

Doch der Troll hielt seinen grobschlächtigen Schädel schief und schnupperte an seiner Beute. Sanft ließ er sie wieder auf den Erdboden und stellte sie dort ab, behutsam wie ein Teetässchen. Mit tiefer und dröhnender Stimme stieß er ihr seinen heißen Odem entgegen. „Waffen nicht gut! Dein Freund böse!“ Aurora verschluckte sich fast vor Überraschung. Dieser Troll konnte sprechen!

Aurora war in diesem Moment zu aufgeregt, als dass sie sich an den Troll erinnerte, den die Sklavenjägerin Phoibe vom Ostkontinent mitgebracht hatte und für Fama in der Arena kämpfen lassen wollte. Sklaven hatten damals berichtet, dass jener Troll auch hatte sprechen können – erlernt von den Amazonen, einem kriegerischen Weibervolk auf dem Ostkontinent.

Die Prinzessin sah den Berg aus Muskeln vor ihr an. „Was… Was willst du von mir?“ Eine vermutlich dumme Frage, doch ihr fiel in diesem Augenblick nichts Klügeres ein. Der Troll brummte: „Ihr Menschen böse! Euch alle töten!“ Aurora stöhnte erschrocken auf. Sie war kurz davor, in eine Ohnmacht zu fallen. Dann grollte das Urwesen: „Aber du ein sehr kleiner Mensch. Du nicht so böse wie Mann.“ Aurora sah zu ihm auf, einen kleinen Hoffnungsschimmer erkennend. „Ja, ich bin eine unbefleckte Jungfrau“, sprach sie so unschuldig wie ihr möglich war. „Bitte habt Erbarmen mit mir und lasst mich gehen.“ Sie sah ihn mit großen Augen an.

Der Troll grummelte und drehte Aurora mit seinen dicken Fingern im Kreis. Dann zerriss er ihr das Kleid ohne die geringste Kraftanstrengung mit jeweils einem Finger der beiden Hände. Der Stoff öffnete sich laut reißend. Die Prinzessin, im nächsten Augenblick nur noch in knapper Leibwäsche, starrte ungläubig an sich hinab. Bevor sie sterben durfte, sollte sie also noch geschändet werden! Welch grausames Schicksal hatten die Alten Götter für sie auserkoren?

Erst in diesem Momente erkannte sie, dass der Troll nicht nackt war, sondern einen Lendenschurz aus dickem Leder trug - offenbar aus mehreren Tierhäuten zusammengenäht. Der Troll packte Aurora wieder und legte sie vor sich hin, dann stieg er über sie und sank auf die Knie. Die Prinzessin schüttelte panisch mit dem Kopf. Was sollte das werden? Sie erinnerte sich nun an den Koloss in der Arena, doch so groß wie dieses Gemächt, wie dieser Liebesstab… Nein, es war ein Liebesrammbock! So etwas hatte sie noch nie gesehen! Und schon gar nicht genau über ihr, während sie auf dem Waldboden lag.

„Zeigen mir, wie Menschlein Liebe machen“, verlangte der Riese und schob seinen Lendenschurz zur Seite. Aurora glaubte, sich verhört zu haben. Doch der Troll grollte seinen Wunsch erneut. In der Prinzessin keimte ein Fünkchen Hoffnung auf. „Wenn ich dir zeige, wie das geht… lässt du mich als Lohn dafür frei?“ Der Troll nickte. „So soll es sein.“

Aurora griff nach dem letzten Strohhalm und willigte ein. „Du musst tiefer herunter. Aber setz dich nicht auf mich. Ich würde zerbrechen.“ Der Troll folgte ihrer Anweisung. Aurora starrte auf den versteiften Luststab, der schwer auf ihrem Bauch lag und von der Hüfte bis zu den Brüsten reichte und diese nach oben drückte. Sie spürte den pulsierenden Phallus. Der Prinzessin war klar: Der Körperbau des Trolls schloss eine Vereinigung wie zwischen Mann und Frau aus. Niemals würde sie ihn aufnehmen können. Also griff sie mit beiden Händen nach dem sündigen Fleisch und bewegte es vor und zurück.

Sie hatte das Gefühl, als umschlang sie vor sich einen jungen Baum – nur war dessen Rinde glitschig und weich und beweglich. Hin und wieder zuckte die Manneskraft auf und stieß Auroras Brüste fast bis an ihr Kinn. Sie spielte und streichelte und massierte die schwere Mordskeule auf ihrem Körper, kräftig und ausdauernd, in einem zügigen, jedoch nicht zu eiligen Rhythmus.

Langsam verlor sie die Angst vor dem gewaltigen Gemächt. Es war verrückt, doch sie verspürte nicht nur beim Troll sondern auch bei sich selbst steigendes Verlangen. Der Gigant stützte sich mit den Fäusten auf der Erde ab und lehnte sich leicht zurück. Nie zuvor hatte er solch schöne Gefühle erlebt. Sein Liebesschwert zuckte und pochte, so dass Aurora aufpassen musste, dass sie von ihm nicht im Gesicht getroffen wurde oder es aus ihren Griffen verlor. Er zappelte wie ein gewaltiger Fisch an Land.

Sie umfasste das heiße Fleisch und bewegte ihre Hände und Arme daran rauf und runter. Wieder und wieder. Dabei versuchte sie ihre Lenden nach oben zu drücken und sich an dem Koloss zu reiben, so dass auch ihre Begierde immer weiter stieg. Und dann kam der Vulkanausbruch: Der Troll verströmte seine Lust, die mit Gewalt durch die Brüste schoss und Aurora überschüttete wie ein ausgegossener Eimer. Gleichzeitig erreichte sie einen ungehemmten Höhepunkt ihres Feuers, dass Funken durch ihren Leib sprühen ließ, wie noch nie zuvor erlebt.

Der Troll brüllte vor Verlangen auf und sackte, zum Glück seitlich, neben die Prinzessin und starrte sie mit seinen großen, dunklen Augen an. „Du wunderbar“, sagte er. War da ein Lächeln auf seinem derben Gesicht? Konnte ein Troll überhaupt freundlich schauen?, fragte sich Aurora. Sie war über und über mit dem Beweis seiner Minne benetzt und fühlte nicht etwa Abscheu sondern genoss diesen zauberhaften Augenblick.

Erst nach einer Weile ertönte die tiefe laute Stimme des Ungetüms: „Du nicht sauber!“ Der Troll packte Aurora, setzte sie auf seine Schulter und stapfte mit ihr durch den Wald zu einem Tümpel, in den er sie in hohem Bogen hineinwarf, dass das Wasser hoch spritzte und die Nackte aufquiekte.

Aber Aurora hatte die Furcht vor dem Riesen längst verloren. Sie fragte nach ihrem Kleid. Der Troll stapfte zurück und holte es. Er betrachtete die Fetzen in seiner Pranke. „Habe kaputt gemacht?“ Aurora nickte, meinte aber: „Mit der Schnur aus dem Mieder kann ich es notdürftig wieder zurecht binden.“ Sie zog es über, obwohl ihre Scham vor dem Wesen zerronnen war.

Verwundert stellte sie fest, dass auch der Troll seinen Lendenschurz wieder trug. „Was ist mit meinem Begleiter geschehen?“, wollte sie besorgt erfahren und zog die Stirn kraus. Das riesige Wesen antwortete mit brummender Stimme. „Böser Mann wollte mich töten. Ich mich wehren.“ Aurora verstand. „Bringst du mich nach Hause?“ Der Troll zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Du gut zu mir. Du guter Mensch. Gutes Weib.“ Er nickte, um seine Aussage zu unterstreichen. Aurora setzte ihr süßestes Lächeln auf. Sie würde die Metropole schon bald wieder sehen! Statt eines vierbeinigen Reittieres, verfügte sie nun über ein zweibeiniges und zugleich den besten Schutz vor Gesindel und Raubtieren, den sich ein Fräulein nur wünschen konnte.
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:30.04.22 11:03 IP: gespeichert Moderator melden


In Ledanien hatte kein Versuch von Zelos gefruchtet, zu Abas vorzudringen. Noch immer hoffte er auf das baldige Ableben des Königsgemahls. Noch immer schwebte der zwischen Leben und Tod. Leda hatte den vermeintlichen Abschiedsbrief ihres Gatten gelesen, doch konnte sie nicht glauben, was darin stand.

„Liebste Leda,
ich bin seit der Kerkerhaft bei Megara
ein gebrochener Mann und falle dir
nur zur Last. Nimm dir einen kräftigen
Recken an deine Seite, an dessen
Schulter du dich lehnen kannst.
Auch habe ich gemerkt, dass
dein Herz an Zelos hängt. Meinen Segen
habt ihr. Du hast einen Besseren verdient
als mich. Werde mit ihm glücklich.
Ich möchte Euch nicht weiter im Wege stehen.
Dein Abas“

„Er hat sich niemals vom Turm gestürzt! Niemals!“, betete Leda tagtäglich hunderte male vor sich hin. „Und woher wusste er überhaupt von Zelos?“ So ein Freitod geziemte sich nicht für einen Königsgemahl. Nein, das hätte er nicht gemacht. Geschwind jagte eine Zofe aufgeregt wie ein aufgeschrecktes Huhn in das königliche Gemach. „Majestät! Euer Gemahl ist aus der Ohnmacht erwacht. Er versucht zu sprechen, ist aber zu schwach…“ Die Wangen der Bediensteten glühten vor Aufregung.

Leda wischte einen dunkelgrünen Umhang vom Haken und eilte mit der Zofe im Schlepp durch den Flur zur Kammer des Medikus. „Erzählt!“, forderte sie den Heiler auf. Der Mann berichtete von Abas. „Er hat kurz ein Auge geöffnet, aber es war zu schwach. Jetzt schläft er wieder. Er wollte auch sprechen, aber ich habe nichts verstanden. Seine Lippen haben sich bewegt, aber mehr als ein Hauch kam nicht hervor.“

Die Monarchin beugte sich über ihren Gatten. „Oh, Geliebter! So sprich! Was möchtest du uns sagen? Hat dich jemand vom Turm gestürzt? Hast du den Brief geschrieben?“ Tatsächlich bewegte Abas murmelnd die Lippen. Leda hielt ihr Ohr ganz nah über seinen Mund und lauschte. Seine Laute waren kaum zu vernehmen.

Zelos lief nervös vor der Kammer umher. Eingedenk Ledas gespitzter Ohren würde sie womöglich von seiner Untat Kunde erhalten. Er musste eine Möglichkeit finden, Abas zum Schweigen zu bringen, bevor es zu spät… Die Tür öffnete sich ruckartig und Leda befahl zwei Gardisten streng: „Nehmt den Obersten in Gewahrsam! Bringt ihn in den Kerker!“ Zelos schienen fast die Augen aus dem Kopf zu platzen. Die Uniformierten zögerten, Hand an den Obersten zu legen, aber der königliche Befehl war eindeutig. Sie nahmen ihm das Schwertgehänge und einen Gürtel mit einem Dolch ab und führten ihn ab. Die Männer gehorchten bedingungslos ihrer Majestät, obwohl sie verwirrt waren über diese seltsame Order, die sie sich nicht erklären konnten.

Zelos brüllte außer sich. „Was soll das? Ihr wagt es?“ Er versuchte sich aus dem Griff der Wachen zu befreien, aber diese hielten ihn kraftvoll fest. Leda spuckte voller Hass hinter dem Obersten her. „Verräter! Mörder! Du warst es! Du hast ihn meucheln wollen, damit er dir nicht mehr im Wege steht! Oh, wie konnte ich mich nur so täuschen in dir!“ Sie drehte sich angewidert weg. Ihr war in diesem Augenblick egal, ob sie sich königlich benommen hatte oder nicht. Ihr Herz raste in ihrer Brust.

Zelos Geschrei hallte durch den Flur. „Abas hat im Fieberwahn gesponnen! Glaubt nicht, was er fantasiert! Majestät! So hört doch!“ Aber die Königin achtete nicht auf den Festgenommenen und schritt sorgenvoll zum Medikus. „Wird er wieder gesunden?“ Der Heiler spitzte überlegend die Lippen. „Nun ja, ich habe seine Brüche versorgt. Die inneren Verletzungen werden heilen, wenn ich ihm von meinen Substanzen gebe und er sehr viel Ruhe einhält. Er hat wahrhaftig Glück gehabt, dass er nicht auf die Pflaster gestürzt ist.“ Leda berührte den Medikus kurz dankend an der Schulter, was sonst nicht ihrer Gepflogenheit entsprach, und strich dann Abas liebevoll über die Wange. „Alles wird wieder gut“, versprach sie ihm leise und verließ die Kammer, um in ihr Schlafgemach zurückzukehren und sich ihrer tiefsten Gefühle hinzugeben.

Am nächsten Tag, als die Sonne im Osten auftauchte, verkündete die Königin Gladius und ihrem ganzen Hof von Zelos hinterhältiger Tat. Ihre Liebesaffäre stellte sie etwas anders dar, als sie gewesen war und berichtete davon, wie sehr der ehemalige Oberste in sie vernarrt gewesen sei. Von Abas erfuhr Leda an diesem Tage noch einige Einzelheiten, die Licht in die Intrige brachten. So wurde es für sie zur Gewissheit, dass Zelos den Schlüssel zum Keuschheitsgürtel ihres Gemahls absichtlich im Burggraben versenkt hatte. Tief in den Schlamm und Moder gesunken, würde er nicht mehr zu bergen sein, musste sich Leda eingestehen. Sie war verpflichtet, eine andere Lösung zu finden, um ihren Gemahl aus dem eisernen Gefängnis zu befreien. Doch vorerst stand seine Gesundung an erster Stelle.

Die Monarchin beförderte Nike zur neuen Obersten, die stolz in eine neue angemessene Uniform schlüpfte und feierlich auf die Flagge Ledaniens schwor, dass sie gemeinsam mit allen Gardisten und Gardistinnen für Leda bis in den Tod treu sein würde. Ihre Untergebenen standen Spalier und präsentierten ihre Schwerter auf alte traditionelle Art und Weise. Nikes Gesichtszüge waren fest und ernst, aber im Innern wärmte sie ein lebhaftes und freudiges Gefühl der Befriedigung.

Leda entschloss sich zu einem weiteren bedeutenden Schritt. Sie gab vom Einschluss ihres Gemahls Kunde und erwähnte schweren Herzens, wie es dazu gekommen war. Sie habe nur Abas Bestes gewollt, sei aber vom ehemaligen Obersten böse hintergangen worden, der nur einen gehassten Konkurrenten hinter Schloss und Riegel sehen wollte. Er hatte seine Königin ausgenutzt und betrogen. Dass sie Zelos den Schlüssel eigenhändig übergeben hatte, verschwieg sie, doch sie erwähnte den furchtbaren Verlust des Schlüssels durch diesen Unmenschen.

Die Regentin hatte mit ernsten Vorwürfen gerechnet – vielleicht gar forsche Forderungen nach dem Verzicht auf die Krone -, doch der Hof zeigte Verständnis für ihre Tat und überschüttete die Königin geradezu mit gut gemeinten Vorschlägen, wie man den Schlüssel doch noch finden könne: Netze, Taucher, Trockenlegung des Burggrabens, Magierkräfte und vieles mehr, doch die Hoheit musste alles als erfolglos ablehnen. Nichts und niemand würden den Schlüssel finden. Allerdings konnte sie nun guten Gewissens einen Schmied zum Hofe kommen lassen, denn durch ihre Beichte war der Keuschheitsgürtel ihres Gatten vorm Volke kein Geheimnis mehr. Doch das wollte sie auf den Tag seiner Genesung verschieben, denn so ein Vorgang war ein weiterer Stich in den Stolz des Gemahls, und momentan war er seiner Manneskraft eh nicht Herr, sondern hatte einen Kampf um sein Leben zu kämpfen.

Noch an diesem Tag sprach Gladius bei seiner Königin vor. Der Schultheiß beschwor Leda, ihre und Abas beschmutzte Ehre durch einen Zweikampf mit Zelos wieder herstellen zu dürfen. „Bitte schlag mir das nicht ab! Ich bin fest entschlossen! Nie habe ich Euch um etwas gebeten, und Ihr wisst, dass ich mein Leben sofort für Euch geben würde…“ Er reckte beinahe trotzig sein Kinn und mahlte sichtlich mit den Kieferknochen. Ihn zurückzuweisen käme einem schimpflichen Affront gleich.

Die gekrönte Leda schluckte. Sollte sie Gladius sein Vorhaben erlauben? Er war ein brillanter Soldat gewesen, doch war das lange her. Als Schultheiß fehlte ihm die Übung. Und Zelos gehörte zu den besten Kriegern, die Leda jemals erlebt hatte. Der ehemalige Oberste galt selbst unter den besten Gardisten in ihren Reihen als fast unbesiegbar mit beinahe allen üblichen Waffengattungen. Was sollte Gladius ihm entgegensetzen, das ihn vom Geviert der Ehre lebendig zu ihr zurückschickte?

Da sie spürte, dass sie ihren alten Weggefährten Gladius tief verletzen würde, wenn sie ihm seinen Wunsch versagte, stimmte sie schweren Herzens und seufzend zu. „Doch soll der Zweikampf erst am Tage nach dem nächsten Vollmond stattfinden. So hat jeder Zeit, sich in der Schwertkunst zu üben. Auch Zelos soll seine Klinge und einen Kampfpartner im Kerker erhalten.“ Sie hatte bewusst das Schwert gewählt, denn damit hatte Gladius die besten Fähigkeiten.

Prinzessin Aurora ritt auf den breiten Schultern des Trolls und hatte ihre Hände in die zotteligen Nackenhaare des Urwesens gekrallt wie Zügel. Nach endlosen und anstrengenden Stunden bat sie um eine kurze Pause und kam auf den Einfall, aus einem Seidenschal eine doppelt so lange Schnur zu binden und diese dem Troll wie ein kleines Reitgeschirr umzulegen, so dass die feine Dame damit einen improvisierten Sattel erhielt. Das würde zwar ihren edlen Po ebenfalls beleidigen, doch wäre dieser Sitz zumindest ein klein wenig angenehmer zu ertragen.

Mehr als doppelt so hoch wie auf einem stattlichen Ross bewegte sich Aurora vorwärts. Kein noch so undurchdringliches Dickicht, kein Felsgestein und kein wilder Fluss hielten sie auf. Der Troll kannte keine Barrieren, stampfte oder drückte notfalls Hindernisse mit grober Kraft zur Seite und setzte seinen Weg nach Auroras Anweisungen fort. Unter ihnen knackten Äste und Wurzeln. Auf dem Untergrund hinterließ das Ungetüm tiefe Fußspuren.

Als die Prinzessin am Horizont eine Reiterschar bemerkte, hielt sie den Tross zunächst für „Freie“, aber die Fahnen an den hohen Standarten zeigten das Machtemblem der Metropole. Aurora jubilierte. Sie hatten es geschafft. Und bisher war von Cassandras Truppenverbänden noch nichts zu sehen gewesen. Der ersten Erleichterung folgte dann jedoch ein Schreckmoment: Einige der Soldatinnen stellten sich mit ihren Bögen in Kampfformation auf und bereiteten sich vor, einen Pfeilschauer auf den vermeintlich feindlichen Troll prasseln zu lassen. Und selbst, wenn der grobe Riese keine ernsten Verletzungen durch die Geschosse erleiden würde, so reichte bereits ein Treffer auf die junge Dame, um sie zu den Alten Göttern zu schicken.

„Lass mich runter!“, befahl sie, trommelte dem Troll ungeduldig auf den Rücken und befreite sich aus ihrem selbst gebastelten Sattel. Mit dem Tuch aufgeregt winkend lief sie atemlos auf die Uniformierten zu. „Nicht schießen! Ich bin es! Prinzessin Aurora!“ Die Lady wagte viel, denn ohne Deckung bewegte sie sich auf die Kriegerinnen zu. Hatten sie sie erkannt oder lief sie in ihr Verderben? Glorie oder Tod!, grummelte Aurora verbissen. Entweder werde ich mit Glanz und Gloria in die Metropole zurückkehren, oder ich werde auf diesem Felde gespickt mit Pfeilen mein Ende finden!

Nur einen einzigen Augenschlag vor dem tödlichen Hagel erkannte die Centuria, die den Trupp anführte, dass da etwas nicht stimmte. „Haltet ein!“, rief sie und kniff die Augen zusammen, ihre Hände an der Stirn, um ihre Augen zu beschatten. „Da läuft ein Weib vor der Bestie weg. Wartet noch, bis die Flüchtende hier ist. Das Monster folgt ihr nicht.“ Und nur wenig später sollte sie mit aufgerissenen Augen begreifen, wer da auf sie zulief. „Das Hohe Fräulein Aurora! Es ist die Prinzessin! Sie flüchtet vor dem Urvieh! Schnell! Nehmt sie in Empfang!“

Die junge Lady war außer Atem, klärte die Soldatinnen aber kurzatmig auf, was es mit dem Troll auf sich habe. „Er wird uns nichts tun“, versprach sie und winkte ihren Begleiter herbei, der langsam näher trottete und nicht so recht wusste, was er von der Situation halten sollte. Sehr misstrauisch beäugten die Frauen den Giganten, der immer näher kam und größer und größer zu werden schien. Nur mit viel Überzeugungskraft konnte Aurora die Gerüsteten überreden, ihre Waffen einzustecken.

Aurora berichtete von Cassandras schändlichem Plan, ihre Streitkräfte in die Metropole zu schleusen und gegen Vesta zu putschen. „Die Allianz war nur ein listiger Vorwand. Und seit meiner… äh… Abreise ist sie sowieso Makulatur.“ Sie ließ entkräftet ihre schmalen Schultern sinken. „Dann lasst uns so hurtig wie möglich Vesta benachrichtigen“, drängte die Centuria. Daraufhin ließ sich die Prinzessin von dem Goliath wieder auf die Schultern nehmen und so sogar mit den forsch vorwärts eilenden Rössern Gleichschritt halten. Die Soldatinnen staunten nicht schlecht und hielten respektvollen Abstand zu dem Ungetüm, der marschierend so zügig vorwärts stampfte wie die Pferde trabten.

Bereits am Grenzwall mussten zwei Reiterinnen als Vorhut vorauseilen, um Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Schließlich lief nicht alle Tage ein ausgewachsener Troll durch die Lande. Die Truppe konnte hier passieren, aber an der Stadtmauer weigerte sich die leitende Duxa, einen Troll ungefesselt in die Metropole einzulassen. Viel zu gefährlich sei es, falls dieser Riese in der Stadt wüten sollte. Die Uniformierte ließ sich auch nach langen Reden nicht überzeugen und blieb stur bei ihrer Auffassung.

Aurora besprach die Bedingungen mit dem Koloss und brachte ihn zu der Einsicht, dass ihm nichts geschehe. Der Troll vertraute der Prinzessin und ließ sich von schweren, kurzen Ketten Hände und Füße verbinden. Dabei waren seine Pranken eng auf den Rücken fixiert, die Fußfessel erlaubte nur kleine Schritte, die immer noch gute zwei Ellen maßen.

Die adlige Lady sah fasziniert zu, wie mehrere, kräftige Sklaven, die neben dem Troll aussahen wie schmächtige Winzlinge, die schweren Ketten schmiedeten und dem Urwesen mit donnernden Hammerschlägen anlegten. Trotz der ehernen Sicherungen bewegte sich eine ganze Schar Soldatinnen mit langen Eisenspießen hinter dem Troll, und auf einem Streitwagen fuhr eine Gerüstete mit einer festgeschraubten großen, gespannten Armbrust mit einem langen dicken Bolzen, der sogar eine Holzwand sprengen würde.

Der Einzug in die Stadt führte zu einem Massenauflauf neugieriger Bewohner, die sowohl auf die Rückkehr der Prinzessin wie auch auf den geheimnisvollen Troll gespannt waren. Marketendersklaven, Arbeitssklaven und andere Leibeigene, die in der Metropole unterwegs waren, hielten in ihren Tätigkeiten inne. Viele von ihnen trugen schwere Körbe auf dem Rücken oder Drachten auf den Schultern. Ladys drängten sich am Rand der Straße, um Blicke auf das gefährliche Wesen zu erhaschen.

„Macht Platz“, befahl die Centuria einigen Männern, die dem Trupp zu nah kamen, weil von hinten die Leute nachdrängten. Sie ritt voran und führte Aurora und den Troll zur Arena. Dort sollte er zunächst verbleiben. Das Biest sah fasziniert die Gebäude und die vielen Menschen um ihn herum. Als es sich zu einem Turm aus Fachwerk umdrehte, kam es kurz aus dem Gleichgewicht und wankte zum Straßenrand, wo ein Scheitstock stand, in dem eine Axt steckte.

Der Koloss trat stolpernd gegen das unerwartete Hindernis. Durch die Wucht schoss der schwere Holzklotz samt Klinge in Richtung Zaungäste, die panisch auseinanderspritzten. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Allerdings schlug das Geschoss mit solcher Kraft gegen ein Rad einer Wassermühle, dass dieses krachend splitterte. Männer und Frauen schrien erschrocken auf.

„Warte hier auf mich“, verabschiedete sich Aurora von dem Troll, als sie diesen in der Arena zurückließ, um schnellstens zum Palast ihrer Mutter zu eilen, in dem inzwischen ihre Schwester Vesta regierte. „Gut, dass das Wesen nicht weiß, dass hier sein Gleichgesinnter als Gefangener kämpfen musste“, war sie erleichtert. Die Wachen ließen sie durch Tore und Türen. Sie eilte weiter und weiter, einen langen Marmorgang entlang. Und dann schlug sie die Tür zum Gemach ihr Schwester auf. Vesta riss die Augen auf. Konnte sie glauben, was sie sah? War wahrhaftig...?

Die jungen Ladys fielen sich herzlich in die Arme und küssten sich die Wangen. „Oh, Schwesterherz! Wie habe ich dich vermisst!“, behauptete Aurora. Und auch Vesta stimmte ein: „Aurora, was bin ich glücklich, dass du heil und gesund wieder Daheim bist!“ Aurora fasste ihr Gegenüber an den Schultern und hielt es in Armlänge von sich weg. „Lass dich anschauen! Wie prachtvoll deine Erscheinung ist! Ich bin so stolz, dass du die Krone unserer Mutter würdig führst!“ Dann seufzte sie. „Und ich erscheine hier in diesem dreckigen Fetzen! Dieses Lumpenkleid aus der Gosse ist das letzte, was mir geblieben ist auf der Flucht. Ich hoffe, du bist bereits von eine Duxa über Cassandras Hinterhalt unterrichtet worden?“

Vesta nickte. „Oh, ja. Sie wird keinen einzigen Kampfsklaven in die Metropole schicken! Wir werden die Allianz aufkündigen, die Mutter geschlossen hat.“ Aurora seufzte erneut. „Ach ja, Mutter! Die Arme! So jung gestorben!“ Sie zupfte sich gedankenverloren an der Lippe, als wollte sie ihre schmutzigen Lügen abstreifen. Vesta stimmte mit ein. „Es ist so traurig. Aber, egal welch schweres Opfer ich damit bringe, ich werde die große Verantwortung der Krone ertragen.“ Aurora lächelte sie voller Falsch an. Doch insgeheim kamen ihr düstere Gedanken.

Bei süßem Tee unterhielten sich die Schwestern, die sich auf zwei samtenen Diwanmöbeln gegenüber lagen. Dabei kam auch die Sprache auf den Troll. Vesta lauschte verwundert Auroras Erzählung. Die junge Königin äußerte eine Idee. „Wir sollten den Troll als Kampfsklaven einsetzen! Er wäre eine mächtige Waffe!“ Aurora widersprach. „Leider sind diese Urwesen gar nicht so dumm, wie wir denken. Ich fürchte, er lässt sich nicht dressieren. Sonst könnte man ihm ein paar Kunststückchen einbläuen.“

Vesta zog einen Schmollmund. „Dann wird er wenigstens in der Arena kämpfen. Ein unterhaltsames Spektakel wird dem Volk gefallen und meine Beliebtheit steigern.“ Aurora hob ablehnend die Hand. „Das ist zu gefährlich“, warnte sie. „Erinnere dich an den Troll, der aus der Arena ausgebrochen ist. Dieses Tier hat Phoibe und viele andere Personen auf dem Gewissen und ist doch entkommen.“

Vesta wischte die Sorge mit einer lässigen Bewegung ihrer kleinen Hand weg. „Dann bleibt er eben gefesselt und wird ausgestellt. Auch das wird die Massen begeistern.“ Aurora schmunzelte plötzlich. Vesta sah sie fragend an und hob eine fein gezupfte Augenbraue. Die Schwester raunte Vesta verschwörerisch zu: „Da hätte ich schon eine Idee.“ Sie klatschte in die Hände und befahl dem servil buckelnden Dienstsklaven, der sofort erschien: „Bringt die Schmiedemeisterin her.“ Der Leibeigene verneigte sich duckmäuserisch erneut und lief davon, die Order der Herrin auszuführen.


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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:01.05.22 19:43 IP: gespeichert Moderator melden


„Nehmt den Obersten in Gewahrsam! Bringt ihn in den Kerker!“
-Bleibt nur noch zu hoffen, daß er im Kampf gegen den Mann Namens Schwert, Gladius, erliegen wird!

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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:07.05.22 15:35 IP: gespeichert Moderator melden


Noch an diesem Tage erschienen Gardistinnen in Lederpanzern auf den Rängen der Arena und legten Betäubungspfeile auf den Troll an. Ein Dutzend der Spitzen reichten, um den Giganten in Windeseile müde und schläfrig auf die Knie brechen zu lassen. Im nächsten Moment kippte eine Wand aus Muskeln krachend in den Staub. Eine eiserne Tür zur Manege öffnete sich kreischend. Die Schmiedemeisterin erschien mit fünf Schmiedesklaven.

Als das Wesen erwachte, stellte es fest, dass es zwischen zwei gewaltigen Steinsäulen stand, die an einem Ende der Manege tief ins Erdreich hineingelassen worden waren. Wie ein „X“ war der Riese an schweren Ketten gefangen. Er zerrte wütend an seinen Fesseln. Warum hatten die Menschen ihn so befestigt? Wo blieb das kleine Weib, um ihn zu befreien? Und was zog so unangenehm an seinen Lenden?

Der Troll sah an sich hinab und stellte fest, dass er keinen Lendenschurz trug. Und noch arger: Unter seinem entblößten Liebesstab hing schwer ein dicker Eisenring um seine Männlichkeit und zog diese bleiern nach unten. Der Troll zürnte freilich wie wild über diese Schande, doch die mächtigen Eisenglieder hielten ihn erbarmungslos an Ort und Stelle. Einige Soldatinnen verspannten sich in Sorge, dass es der Bestie doch gelänge, sich zu befreien, doch die Bande war selbst für einen Troll unzerstörbar. Der Gigant riss und ruckte in seiner Position, dass es knackte, knarrte, kreischte und schrillte, so dass seine Erlösung im Schwange zu sein schien. Der Boden erzitterte und bebte, der Staub wühlte sich auf. Aber der Gefangene blieb in seiner erzwungenen Haltung. Selbst seine unbändigen und Angst einflößenden Kräfte reichten nicht aus, ihn zu befreien.

Durch seine wilden Bewegungen schaukelte das schwere und wuchtige Eisen zwischen seinen Beinen hin und her und zog erniedrigend an der voluminösen Männlichkeit, was den Koloss nur noch unfügsamer und unwilliger machte. Die Soldatinnen, aus deren Blicken Schreck und Entsetzen gesprochen hatten, erhielten ihre gute Laune zurück und lachten und spotteten nun über den hilflosen Muskelberg, dessen Verrenkungen nicht fruchteten.

Eine Stunde später erschienen die Schwestern auf der prunkvollen Tribüne der noch leeren Arena und besichtigten den Giganten. „Sieht er so nicht famos aus? Trolle in Gefangenschaft sind dünn gesät, würde ich meinen“, frohlockte Vesta über den einmaligen Fang. Aurora nickte. „Oh, ja, mit dem hübschen Eisenkranz zwischen seinen Schenkeln. Willst du ihn nur ausstellen, oder soll er auch kämpfen?“ Vesta grinste. „Vielleicht ein Dutzend Kampfsklaven als Gegner? Das wäre mal etwas Extravagantes. Wir könnten dem Vieh die Augen verbinden. Oder wie wäre es mit einem Kraftmessen…“ Die Königin kicherte. „Mich würde interessieren, wie viele Steinquader er mit seiner Männlichkeit hochheben kann, bevor er quiekt wie ein Schweinchen.“

Aurora fiel in das glockenhelle Lachen ein. „Oh, Schwesterherz. Das ist einfach grandios! Wir sollten zuvor Wetten ausrufen lassen. So hat das Volk seine Gaudi und wir ein feines Einkommen für die Palastschatulle.“ Plötzlich brüllte der Troll von seinem Platz zur Tribüne mit bassiger Stimme. „Kleines Weib! Rette mich! Ich bin gefangen!“ Auroras Blick glitt zu dem entsetzten Antlitz des Riesen und nuschelte in sich hinein. „Sieh an, er hat mich entdeckt.“

Vesta und Aurora verließen die Tribüne, um die Manege zu betreten. Über eine Steintreppe und den Innengang der Anlage, den Pechfackeln erhellen, erreichten sie ein Eisentor, das ihnen von zwei in Schwarz gewandeten Wachen geöffnet wurde. Sie schritten auf den mächtigen Troll zu. Vesta, die den Riesen bisher nicht aus der Nähe erlebt hatte, war der Respekt anzumerken. Aurora dagegen blieb ganz entspannt und winkte einer Gardistin zu. Sie nahm der Gerüsteten die Hellebarde ab und stiefelte damit zu dem Riesengeschöpf herüber. Die Spitze der Langwaffe hielt sie dem Gefangenen vor seine entblößte Männlichkeit und grinste frech. „Jetzt bin ich mal neugierig, ob wir dich nicht zum Singen bekommen.“ Die Kreatur zuckte. „Nicht, kleines Weib! Was tust du? Du böse?“

Aurora gackerte lauthals und griff sich verlegen an den Hals. „Du dummer Grobian! Du wirst uns zu unserem Vergnügen dienen.“ Sie pikste zu. Der Gigant rasselte in seinen Ketten, die Männlichkeit schaukelte. Der Riese grunzte laut und basstönend, der letzten Würde beraubt. Er bot ein Bild des Elends. Aurora wiederholte das Spiel mehrmals und erzeugte beim Troll verschiedene Töne und Laute. In dessen Leid sonnte sich die feine Dame genüsslich. Vesta sah dem ausgelassenen Treiben ein wenig eifersüchtig zu, eingedenk dessen, dass sie als Königin nicht so herumtollen durfte wie ein Backfisch. Sie stellte sich vor, wie Aurora als Jungfrau dem Troll unter frenetischem Beifall und Jubel von den Sitzen geopfert wurde. Bei diesen sündigen Gedanken empfand sie Hochgefühle, die durch ihren gesamten Leib rauschten.

Doch am nächsten Tag, als sich das Kolosseum mit Menschen füllte, saß Aurora mit ihr auf der königlichen Tribüne, die von ihrer Mutter Fama erweitert worden war, und genoss das Spektakel, dass der Troll, einige Gaukler und ausgewählte Gladiatoren lieferten. In der Luft über den Rängen hing der Duft von Spezereien, Dienstsklaven liefen mit kleinen Bauchläden umher und kredenzten Getränke und servierten kleine Delikatessen für die Damen.

Höhepunkt war die „Befreiung“ des Ungetüms von den Steinsäulen. Die Gladiatoren legten dem Troll gleichzeitig ein spezielles Geschirr an, dass ihn auf alle Viere zwang. Seine Männlichkeit war durch einen Querbalken nach hinten zwischen seine Schenkel gezwungen. Mehrere Kampfsklaven bestiegen ihr „Reittier“ und führten den Koloss durch die Manege. Soldatinnen mit Spießen trieben den Troll von hinten an und stachen immer wieder in das muskulöse Gesäß.

Die Ladys lachten herzlich, als das Urwesen vorwärts ruckte, wenn ihn die spitzen Eisenstangen in sein Hinterteil piekten. Ein Gladiator trug eine dicke Keule, die mit derbem Leder überzogen war. Damit versetzte er dem Troll geschwungene Hiebe auf sein Gemächt. Der Aufbäumende wütete und versuchte seinen Peiniger zu erreichen, doch drehte der sich ihn narrend mit ihm im Kreis. Es währte eine Weile, bis der gewaltige Riese seine Widerspenstigkeit aufgab und sich zähmen ließ. Schwindelig und entkräftet wankte er umher. Unter dem Jubel und Aufwallung der Ladys brachten die Gladiatoren und Soldatinnen das Ungeheuer dazu, allerlei Kunststückchen vorzuführen und jedem Befehl gehorsam zu folgen.

Während sie das Spektakel in der Manege musterte, sprach Vesta verträumt zu ihrer Schwester: „Wenn der Troll erst zuverlässig abgerichtet ist, werde ich auf ihm in den Krieg ziehen.“ Ein Lächeln spielte um Auroras Lippen. „Wer, wenn nicht du, hast das kräftigste und höchste Reittier verdient!?“ Sie stellte sich verborgen unter der Maske von Freundlichkeit vor, wie das seiner Würde bestohlene Ungetüm ihre Schwester unter sich zerstampfte wie eine Kakerlake, doch ihre Lippen schwiegen davon.

Im Reich der Cassandra herrschte derweil Aufruhr. Die Regentin war wutentbrannt aus dem Thronsaal gelaufen, als ihre Duxa von Auroras gelungener Flucht erzählte. Die göttliche Cassandra wusste, dass ihr Plan damit weggewischt war, die Metropole zu unterwandern. „Da hol mich doch die Räude! Schick Briefraben zu Vesta. Eile! Die Allianz ist hiermit aufgelöst.“ Ihre wütenden Worte unterstrich sie, indem sie sich ihre Perlenkette aus Jade vom Hals riss und sie hinfort schleuderte, so dass sämtliche Kugeln durch den Raum wirbelten wie Geschosse.

Die Despotin ballte ihre Fäuste. „Wir suchen uns im hohen Norden und an der Ostküste andere Verbündete. Und dann werden wir mit einem wahrhaft gewaltigen Heer, wie der Kontinent es noch nicht gesehen hat, vor den Toren der Metropole stehen und die Mauern bis auf den Grund vernichten!“ Die Majordoma nickte zufrieden und hub an: „Ihr seid ein Brunnen der Weisheit, Hoheit! Und Vesta und Aurora werden dafür büßen, sich gegen uns gestellt zu haben, meine erlauchte Gebieterin.“ Cassandra rümpfte die Nase. „Vielleicht werde ich die liederlichen Gören mit ihren Krallen gegeneinander kämpfen lassen. Die Siegerin darf mir als Sklavin dienen, die Verliererin wird meinen Kampfsklaven empfohlen, sie zu besudeln.“

Die Autokratin stiefelte durch ihren Kronsaal und betrachtete eine Schale mit glühenden Kohlen, über der eine kleine Teekanne pendelte. Wie gern würde sie die leuchtenden Stücke diesem Fratz in der Metropole in den fetten Arsch schieben. Morgens war ihr noch der Sinn nach einem lustwandelnden Spaziergang durch den Zierpark gewesen, aber nun raste ihr Herz vor Zorn und nährte ihren Hass immer mehr. Was für eine Bürde die Krone doch mit sich brachte!

Cassandra betrat den Kerker unter ihrem pompösen Palast. „Bring mir ein paar Sklavenärsche und eine lange Bullenpeitsche“, befahl sie der Wärterin schroff. Die Despotin musste sich ein wenig Zerstreuung gönnen, sonst würde sie noch den Verstand verlieren. Die forteilende Uniformierte erntete eine Kälte im Blick der Tyrannin, die die Untergebene im Rücken spürte wie ein Schwall Eiswasser und ihr eine Gänsehaut bescherte.

Es verlangte viel Geschick, mit dem langen Schlaginstrument kunstvolle Verzierungen ins Fleisch zu beißen. Die gemalten Linien würden nicht filigran sein, dafür aber umso schärfer umrissen und sehr lang anhalten. Und die leidenschaftlichen Rufe nach Gnade wären erst das Präludium einer Symphonie voll Schmerz und Schönheit. Die Diktatorin leckte sich über ihre vollen Lippen. Die großen Augen mit den langen Wimpern strahlten in Vorfreude.

Zum nächsten Sonnenaufgang rief Cassandra ihre Beraterinnen und Duxas zusammen. Die Kleinstaaten im Norden und Nordosten zu erobern, würde keine große Herausforderung. Das Reich um den debilen Führer Utz, den vertrauensseligen Seyfrid und die geschwächte Patrona, die kaum über Soldaten verfügte, waren leicht zu annektieren. Etwas schwerer würde es bei Tomen, Nemesis und Mignon werden. Doch Cassandra war bereit, einen Großteil ihrer eigenen Kampfhorden zu opfern.

Längst hatte die Metropole kein Monopol mehr auf den Nachschub aus dem Ostkontinent. Ihre eigenen Schiffe brachten reichlich Sklavenmaterial herbei. Eine Duxa gab zum Besten, dass ein Häuptling namens Barthel, Anführer eines Konglomerats aus „Freien“, versucht habe, die Transportwege zum cassandrischen Reich zu blockieren und die Sklavenkolonnen zu rauben, doch „unsere Truppe hat kurzen Prozess mit ihm gemacht und seine Wohnstatt ausgeräuchert“, sah die Duxa sich nach Beifall heischend in der Runde um. Affektiert klatschten einige der Damen, ganz nach der Gunst der Herrscherin heischend.

Cassandra war zufrieden. „So lasst es uns tun. Die Dummvölker um uns herum werden parieren. Dafür stelle ich sie unter meinen Schutz. Das mit Dreck befleckte Pack wird mir danken, mir dienen zu dürfen.“ Die Sache war beschlossen. Wer sich nicht freiwillig Cassandra und ihrer Hybris anschloss, der sollte auf andere, unfreiwillige Weise einverleibt werden.

In Ledanien waren die Bewohner mit anderen Dingen beschäftigt. Zelos war guten Mutes, seit er gehört hatte, dass ihm nicht das Richtbeil sondern ein Duell mit Gladius bevorstand. Leda hatte ihm sein Schwert und einen Übungspartner zugestanden. Seit diesem Tage verprügelte der ehemalige Oberste beim Drill einen Soldaten nach dem anderen. Seine Wut brach aus ihm heraus wie bei einem Berserker auf dem Schlachtfeld. Bald schon wollte sich keiner der Gerüsteten mehr dem Gefangenen stellen, doch Nike wies die „Freiwilligen“ der Reihe nach zum Exerzieren an. Und so verlängerte sich die Liste der Kämpen, die im günstigsten Fall mit blauen Flecken davonkamen.

Besonders übel erwischte es den Wärter Winand, der mit Zelos einen Strauß um seine Ehre ausfocht, aber dabei klar unterlag. Der zum zweiten Mal gedemütigte Wachmann schwor sich bittere Rache an Zelos - kalt serviert wie ein Karottensalat -, doch Nike hatte königliche Anweisung, dafür zu sorgen, dass Zelos stets zu Dritt bewacht wurde, so dass kein Wärter sich an ihm vergehen könne. „Mir einerlei, welche Schuld Zelos auf sich geladen haben mag – ich werde Gerechtigkeit üben. Er soll seine faire Chance erhalten“, hatte Leda stoisch verkündet. Ehrlichen Anklang fand sie dafür nur bei wenigen Untergebenen, denn viele wünschten sich einen Strick um den dreckigen Hals des Übeltäters und seinen luftigen Tanz in die Unterwelt.

Nike beobachtete mit Sorge, wie gewand und zugleich rabiat Zelos Schwert und Schild handhabte. Sie verfolgte sein beachtliches Können, und das pflanzte ihr Zweifel ein, ob Gladius ihm gewachsen war, was ihre Miene überschattete. Doch zu ihrer Überraschung musste sie eingestehen, dass auch der Schultheiß schnell wieder seine alte Kampfform aufbaute und unter den Soldaten und Gardisten ebenfalls für seine Schwertkunst gefürchtet wurde.

Während die Tage vergingen, heilten Abas Verletzungen erstaunlich schnell und gut. Ein Humpeln, eine pieksende Rippe und einige Narben würden bleiben, doch er hatte den meuchlerischen Hinterhalt des ehemaligen Obersten überlebt. Täglich dankte er den Alten Göttern in stillen Gebeten für ihren Schutz.

Schließlich war der so ersehnte und zugleich gefürchtete Zeitpunkt der Entscheidung gekommen: Im Burghof war eine kleine Manege abgesteckt, der Boden mit Holzspänen und Sand bedeckt war. Die beiden Kämpfer würden bei ihrem Duell über Leben und Tod entscheiden. Zelos trug einen braunen Panzer aus Lederschuppen und geschwärzten eisernen Schulterstücken. Gladius hatte sich für ein kurzärmeliges silberfarbenes Kettenhemd entschieden, unter den ihn ein weißes Stoffwams in den Farben Ledaniens kleidete. Beide trugen hohe Stiefel, die bis weit über die Knie reichten und aus derbem Leder geschustert waren.

Zelos hatte sein Langschwert gewählt, das neben der Blutrinne seinen Namensschriftzug sowie den Ausspruch „Ruhm oder Tod“ zierte. Zu der Blankwaffe hielt er einen genieteten Metallschild in Tropfenform. Er hatte sich für das Duell diesen Schild in purem Schwarz gewünscht. Kein Wappen sollte ihn schmücken, denn mit Leda hatte er nun endgültig gebrochen. Die Wahl von Gladius fiel auf ein Breitschwert mit wuchtiger Klinge, an dessen Griffende ein Metalldorn angebracht war. Sein Rundschild zeigte das Wappen seiner Königin.

Zwei große Trommeln und zwei Fanfaren, an denen kleine Flaggen angebracht waren, verkündeten lautstark die Ankunft der Regentin. Sie setzte sich auf ihren erhöhten Sitz, neben dem in der Folge auch Abas Platz nahm. Die beiden gaben sich ein wenig angespannt die Hand. Leda nickte erhaben zu Nike, die die Rolle der Majordoma eingenommen hatte und eine schwarze Soutane wie ein Schultheiß bei Gericht trug. Nun war also der Moment der Abrechnung gekommen.

Sie räusperte sich umständlich und eröffnete die Fehde mit lapidaren Worten. „Hier und jetzt soll die Schmach um den feigen Anschlag auf unseren Königsgemahl Abas weggewaschen werden. Doch nun sollen den Worten Taten folgen.“ Sie schlug mit ihrem Stab auf den Boden. Auf ihr Kommando betraten die Duellanten das Rund und stellten sich fünf Schritt voneinander entfernt gegenüber. Die Männer sahen sich kalt in die Augen. Beide waren bereit, den wohl wichtigsten Kampf ihres Lebens zu fechten. Nun folgte ein weiteres Signal, und die Fehde begann.

Zelos und Gladius zogen zeitgleich ihre Klingen mit schrillem Kreischen aus den metallenen Scheiden und stürmten aufeinander ein. Im nächsten Augenblick krachten die schweren Schwerter gegeneinander, dann knallten sie auf den Schild des Konkurrenten und kreuzten sich klirrend wieder. Verbissen stritten die Zwei miteinander. Doch noch konnte keiner den entscheidenden Treffer anbringen. Die Rivalen waren sich ebenbürtig. Immer wieder kam der eine in Vorteil, dann der andere.

Leda und Abas fieberten mit. Würde Zelos den Händel gewinnen, so durfte er frei seiner Wege ziehen und eine Kiste mit Goldmünzen und ein Ross seiner Wahl sein eigen nennen. Sollte Gladius siegen, so war der versuchte Meuchelmord gesühnt. Leda betete still zu den Göttern um Gerechtigkeit.

Wieder und wieder schepperten die bald schartigen Schneiden auf die mittlerweile verbeulten Schilde. Keuchend, ächzend und schnaufend stürmten und hämmerten die Kämpfer aufeinander ein. Zelos flog Speichel aus dem Mundwinkel, Schweiß nässte ihn unter dem Lederpanzer. Gladius spürte die brennenden Muskeln und bei einem vorpreschenden Angriff des Gegners die feindliche Klinge nur einen Fingerbreit an seinem Gesicht vorbei hieben.

Der Schultheiß stolperte rückwärts und verlor für einen Wimpernschlag die Deckung. Darauf hatte Zelos nur gewartet und stach tollkühn mit dem Langschwert in der Absicht zu, das Herz des Rivalen zu durchbohren und dem Duell ein Ende zu setzen. Aus dem Handgelenk winkelte Gladius sein Breitschwert ab und konnte die Gefahr kurzzeitig bannen, doch schon im nächsten Moment flog ihm seine Waffe aus dem Griff. Sie prellte schmerzhaft weg und landete in den Spänen auf dem Boden der Walstatt.

Zelos lachte in Anbetracht dessen rau auf und holte zum finalen Schlag aus, um Gladius seinen Schädel zu spalten. Der Schultheiß, der Gefahr gewahr geworden, bremste die tödliche Kraft mit seinem Rundschild über seinem Haupte ab, aber der Treffer zwang ihn endgültig zu Boden. Zelos hackte sofort nach den Beinen, die der Gefallene blitzschnell einzog, sich seitlich wegrollte und zu seinem Schwert sprang. Ein Aufraunen der Zuschauer war zu vernehmen.

Schon stand er seinem Widersacher wackeren Herzens erneut gegenüber. Zelos brüllte vor Wut, den nahen Sieg wieder aus der Hand gegeben zu haben, stampfte auf Gladius zu, und nun landete ein mächtiger Schlag nach dem nächsten gegen den Kontrahenten, der nur mit Mühe und letzter Kraft dieses Bollwerk aus roher und auf ihn einprasselnder Gewalt standhielt.

Aufgeregtes Getuschel und Zischen im Publikum ertönte mal hier, mal da. Die Schilde waren kaum noch als solche zu erkennen, so verbeult und verbogen waren sie. Die Klingen waren durch mannigfaltige Kerben und Scharten verunstaltet. Einige Male verpassten sich die Kämpen so knapp, dass die Klingen die Rüstungen nur streiften und aufplatzen ließen. Ein Hemdsärmel von Gladius flog reißend davon wie ein Wimpel im Sturm.

Der Himmel hatte sich verdüstert, die Luft war abgekühlt. Ein Schwarm Vögel suchte Schutz. Der Wind frischte auf und ließ einige Zuschauer frösteln. Nike zog sich die Robe enger um sich. „Als würden uns die Alten Götter die passende Kulisse bieten“, sinnierte sie. Die Augen von Zelos schienen zu glühen. Wild entschlossen prügelte er auf Gladius ein, alle Angst fahrengelassen. Allerdings raubten ihm die rabiaten Attacken so viel Kraft, dass er schon erschöpfter war als sein Gegner.

Bald merkte Zelos, dass er das Duell nicht mehr lange durchstehen würde, wenn es jetzt nicht zu einer Entscheidung käme. Er verlor das Gleichgewicht und sackte kurzzeitig auf ein Knie, die Chance für Gladius, ihm den Gnadenstoß zu versetzen, doch die Menge murmelte ratlos, als der Schultheiß ritterlich wartete, bis Zelos wieder bereit war. Gladius spie ihm entgegen: „Da kniet der Verräter im Staub, wo er hingehört. Diese Position kleidet dich am besten.“ Zelos grunzte: „Du sprichst übel über mich? Und du schiltst mich einen Verräter?“

Unbehagliches Gerede und Getuschel durchfuhr die Ränge. Zum „Dank“ für die Gunst der Pause spritzte der ehemalige Oberste seinem Gegner mit einer ruckartigen Bewegung seines Stiefels Sand bis ins Gesicht. Gladius taumelte zurück, versuchte sich die Augen mit einem Unterarm zu reiben, aber schon war Zelos heran und schwang sein Langschwert über dem Kopf. Die Menge buhte und schimpfte über die unehrenhafte Tat. Wieder krachte das Schwert des früheren Obersten gegen den Schild seines Opfers. Gladius stürzte von der Wucht getroffen zu Seite, der Schild schleuderte polternd vier oder fünf Schritt in unerreichbare Ferne.


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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:08.05.22 11:07 IP: gespeichert Moderator melden


Richtig spannend und mit tollen Ideen und Szenen !
Einfach Klasse!!
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AlfvM
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:09.05.22 17:50 IP: gespeichert Moderator melden


Dem kann ich mich nur anschließen.
Vielen Dank.
VG ALF
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:21.05.22 10:55 IP: gespeichert Moderator melden


Als Zelos nun seine Waffe drehte, um die Klinge wie die Spitze eines Fallgitters auf Gladius rammen zu lassen und ihn aufzuspießen, trat der Liegende dem Angreifer die Beine weg. Einen Herzschlag später sah der Ausgang des Kampfes völlig anders aus: Gladius hatte die Oberhand, kniete neben dem liegenden Widersacher und drückte ihm die tödliche Spitze seines Schwertes unter das unrasierte Kinn. Erschrocken und unversehens aschfahl geworden entrang sich ein Ächzen aus Zelos Kehle. Er ließ den Griff seiner Langwaffe los. „Tötet mich nicht“, flehte der Unterlegene. „Ich gebe auf! Ich bitte Euch um Eure Gnade. Waltet Milde!“

Gladius giftete dem Verlierer verächtlich ins Gesicht. „Meine Königin hat das Recht zu entscheiden!“, stieß er laut aus. „Nur sie kann dir Giftnatter Gnade erweisen.“ Leda atmete mit wogendem Busen tief durch und stand so würdevoll auf, wie es einer Monarchin geziemte. „Diese Burg soll nicht fürderhin von dem Verräter namens Zelos entweiht werden. Eine Kerkerhaft ist daher nicht angebracht. Aber ich werde den Unwürdigen aus Ledanien verbannen. Als zusätzliche Strafe soll er in einen Keuschheitsgürtel gesteckt werden und nur mit einem Leinentuch bekleidet bei Sonnenuntergang von Dannen ziehen. Finden ihn meine Soldaten bei den ersten Strahlen, die sich anschicken, den Morgen anzukündigen, noch in der Nähe des Wehrzaunes, so zeiht ihm dies niemand, und er hat sein Leben endgültig verwirkt.“

Die Worte der Regentin hallten in den Köpfen der Zuhörer noch nach, und es blieb eine Weile mucksmäuschenstill. Die Menge raunte auf, als Gladius sein Schwert mit den Zähnen knirschend vorwärts rammte und seitlich knapp am Kopf des Besiegten vorbei in den Boden spießte. Der Ehrenhändel war beendet. Fast hätte der Unterlegene der niederträchtigen Versuchung nicht widerstanden, in einem unbemerkten Augenblicke sein Schwert zu ergreifen und des Widersachers Herz doch noch zu durchbohren. Aber als er seine Hand danach ausstreckte, erhielt er von einem Gardisten einen groben Tritt mit dem Stiel auf seine Finger und ließ ihn jäh zurückzucken. „Ergreift ihn und bringt ihn in seine Zelle!“, befahl Nike laut. Während Zelos hinausgeführt wurde, feierten die Anwesenden Gladius, ließen ihn hochleben und jubelten ihm eingedenk seines Sieges leidenschaftlich zu.

Unterdessen in der Burg und auf dem Hof fröhliche Melodien aus Drehleiern und Flöten ertönten, die Soldaten sich zu Wein, Brot und Braten gesellten, schmiedete der Zunftmeister einen Keuschheitsgürtel um Zelos Männlichkeit. Die Arbeit erfreute ihn ungemein, denn dem Wüstling seine Manneskraft zu verschließen, war eine gerechte Strafe und nur die Frucht seiner Untat. Mit anschwellendem Entsetzen schaute der Verbannte auf sein Schloss und rüttelte daran. Oh, er fühlte neben der Schande schon jetzt die unsägliche Geilheit, die ihn zu quälen beschlich. Die Schmach lachte ihm und verspottete sein Gemächt.

Kurz darauf erschien der gehörnte Abas im Kerker und sprach verbittert: „In den Momenten, bevor du versperrt wurdest, hat mich der Schmied befreit. Das ist nun der bittere Preis, den du tragen wirst. Er ist dein einzig Lohn. In den Freien Ländereien findet du keinen Taler, der dir einen kundigen Schmied kaufen könnte.“ Mit diesen Worten voll süßer Genugtuung ließ der Königsgemahl den Verräter voll Zerknirschung allein. Er wollte ihn nie wieder sehen. Zwar würde der verfemte Zelos womöglich eines unbekannten Tages einen Weg finden, sich aus seiner eisernen Hose zu befreien, doch war dieser Tag gewiss noch in weiter Ferne.

Als der Schmied und Abas gegangen waren, nutzte der Wärter Winand, der nun doch eine Weile mit dem Gefangenen alleine war, die Gunst der Stunde, und revanchierte sich für die zweifache Schmach, die er erlitten hatte. So lernte auch der verfemte Zelos, seines Wamses entledigt, zu seiner Unbill einen Standpranger kennen und auch die Kunst „wie du dich in kommenden Tagen vergnügen kannst. Denn nur hinten ist dein neues Beinkleid offen“, lachte Winand hämisch und ließ in Vorfreude einen Besenstiel obszön durch seine Hand gleiten, durch den sein Gegenüber ungezähmte Zuneigung lernen sollte.

Weit im Osten ward ein Greis zu seiner Herrin gerufen. „Ihr habt mich bestellt?“, fragte der würdevolle Mann in seinem mit ungewöhnlichen Symbolen bestickten türkisfarbenen Umhang. Die Dame in ihrem schmucken Geschmeide nickte erhaben. „Lieber Caduceus, du warst mir lange Zeit bedingungslos treu. Und so will ich dir nicht verhehlen, dass unser kleiner Staat vor einem erzwungenen Bündnis mit der Tyrannin Cassandra steht. Ich brauch dir nicht zu erläutern, was dies für alle Leibeigenen und Diener bedeutet – spätestens, wenn die Priesterinnen des Malus-Kultes an die Macht kommen. Du sollst nicht unter ihre Fuchtel fallen. So verlasse das Land und reise nach Westen, wo du vielleicht auf ein freies Reich stößt.“

Caduceus lauschte den Worten. Vor längerer Zeit hatte er seiner Herrin von seinen Visionen berichtet, von der Armada eines fremden Westvolkes, von einem großen Sturm, der die Schiffe im großen Westozean hatte sinken lassen, und schließlich auch von Leda, die einst das Vereinte Reich regierte, bevor sie von Megara ins Exil getrieben worden war. „Vielleicht erreichst du Königin Leda eines Tages und lebst bei ihr als freier Mann. Oder du stirbst auf der Reise, doch du sollst nicht als einfacher Minensklave unter Cassandra dein Leben aushauchen. Dein Schicksal ist ein anderes, ein würdigeres.“ Ihr Gesicht strahlte Ernst und Entschlossenheit aus.

Dem Seher standen die Tränen in den Augen, seines Schicksals ansichtig werdend. Auch die Herrin kämpfte mit ihren Gefühlen mit zitterndem Kinn. Der Alchimist, sonst zungenfertig, verneigte sich und zog sich wortlos zurück, um die wenigen persönlichen Dinge zusammen zu packen, die ihm wichtig genug erschienen, mitgenommen zu werden. Es war ihm zuwider, die Gebieterin allein zu lassen, aber er beugte sich der Entscheidung. Sie sollte nicht zu einem Zankapfel zwischen ihnen werden. In der letzten Nacht, die er in der Residenz seiner Lady verblieb, setzte er sich auf seinen Lieblingsstuhl, dem er damit ein gewohntes Quietschen entlockte, und grübelte bis in den frühen Morgen.

Er bereitete eine Wahrsagung vor und konzentrierte sich, um zu erfahren, welche Gefahren ihm auf seinem weiten Weg quer durch den Alten Kontinent begegnen könnten. Dabei stieß er auf etwas völlig Unerwartetes: Das Westvolk hatte sich erneut gerüstet und eine gewaltige Flotte Richtung Osten geschickt. Die untergegangene Armada hatte sie lange Zeit abgehalten, eine zweite Invasion zu starten, doch nun war der Tag der Eroberungen zurückgekehrt. Und was Caduceus in seinen Trugbildern erkannte, ließ ihn sehr unruhig werden.

Das Reich der Leda würde an der Westküste als erste Region von den Fremden gebrandschatzt werden. Und dass die Eindringlinge nichts Gutes im Sinn hatten, zeigten die vor gefährlichen und ominösen Zauberwaffen starrenden Schiffe. Riesige Armbrustschleudern und Katapulte mit brennenden Kugeln waren noch lange nicht die größte Gefahr. Die Soldaten des Westvolks verfügten über magische Donnerrohre, die unnatürliche Kräfte entfesselten, die nur aus der tiefsten Unterwelt stammen konnten und tödlicher waren als alles, was man im Alten Kontinent kannte.

Caduceus ahnte, dass hier nicht etwa nur Zauberei, sondern schlicht geschickte Alchimisten am Werk waren, doch ward ihm auch die Gefährlichkeit dieser Waffen bewusst. Er musste Königin Leda dringend warnen. Doch wie sollte er als einzelner Greis die vielen Meilen durch gesetzfreie Ländereien und mehrere Frauenstaaten gelangen, in denen Mannsbilder keinerlei oder wenige Rechte besaßen? Er würde versklavt oder gemeuchelt, lange, bevor er sein Ziel erreichte. „Die Alten Götter werden mich geleiten!“, sprach er huldigend vor sich hin, sich Mut machend, und versuchte noch eine Handvoll Stunden bis zum Morgengrauen zu schlafen, um nicht gleich zu Anfang geschwächt die Reise zu beginnen.

Am nächsten Tag ließ die Herrin ihr bestes Ross satteln. „Nehmt diese Beutel mit Proviant mit, Caduceus. Und meinen Rappen.“ Der Seher wusste nicht, was er sagen, wie er ihr danken sollte. Er schenkte der Lady im Gegenzug eine Fibel mit seinen persönlichen Arzneirezepten. „Eines Tages wird der Alte Kontinent wieder frei sein von Despotinnen!“, hoffte er und drückte zum Abschied die Hand der Edeldame, gemahnte sich zugleich zur Mäßigung seiner Gefühlswogen.

Er schwang sich seinen langen Umhang über das Kamisol und befestigte eine bronzene Schließe an der Brust. Als der Seher davon ritt, erschienen in den Augen der Verlassenen Tränen. An ihren Busen gedrückt hielt sie das Büchlein, während eine Windbrise die weiten Ärmel ihres Gewandes bauschte. Sie schürzte ihre Lippen, um die tiefen Gefühle zurückzudrängen. Doch einige Tränen lösten sich im Winde und flossen ihr über die zarten Wangen.

Mit einem Pergament, das ihn als freien Mann ausgab, durfte er mehrere Wachposten passieren. Schließlich erreichte er die Grenze zu den Freien Ländereien. Hier gab es wohl keine grausamen Weiber mehr, doch dafür Marodeure und dunkles Gesindel jeglicher Couleur. Als Waffe besaß er einen Dolch im Gürtel und einen Bogen. Doch den wollte er für die Jagd auf Kaninchen und Rebhuhn nutzen. Zum Kämpfen war Caduceus viel zu alt und ungeübt. Trotzdem würde er lieber den Göttern gegenübertreten, als sich den Räuberbanden anheischig zu machen und sich für Gold der Sünde zu verdingen. Stets hielt er nach Spuren oder anderen Auffälligkeiten Ausschau.

Nach drei Tagesritten erreichte er eine Grasebene mit sanften Hügeln. Erst, als die Sonne den Horizont küsste, stieg er an einem kleinen Bach ab und ließ den Rappen saufen. Caduceus war von der Reise ermattet und wollte sich kurz ausruhen. Seine alten Knochen waren von der ungewohnten Sitzhaltung im Sattel bereits stark ermüdet. Und kaum lag er im willkommenen Grasbett, um dem Müßiggang anheim zu fallen, so war er schon eingeschlafen.

In seinem Traum tauchte wieder die Armada des Westvolks auf, die auf dem Alten Kontinent wütete wie eine Armee aus Feuerdrachen der Unterwelt. Die Menschen wurden versklavt, mussten fremden Göttern dienen und sich den Eindringlingen unterwerfen. Das durfte einfach nicht geschehen! Das wäre das Ende aller Freiheit, allen Lebens. Er musste es verhindern. Caduceus wand sich im Schlaf wild hin und her und stöhnte.

Plötzlich stieg in ihm eine innere Stimme auf, eine Kraft, die ihn magisch anzog. Sie führte ihn im Traum über Hügel und Berge, durch dichte Wälder und über Ebenen zu einem grün schimmernden Kristall. Caduceus konnte in seiner Vorstellung fliegen und erreichte den geheimnisvollen Stein wie ein Adler, der sich in die Lüfte schwingt und schließlich auf sein Ziel hinab schießt. „Befreie mich!“, ertönte eine dunkle Stimme. „Zerstöre den Kristall!“

Caduceus hielt sich im Schlaf die Ohren zu, denn die Stimme hallte in hundertfachem Echo lauter und lauter auf ihn ein, dass sein Schädel zu bersten drohte. In Schweiß gebadet wachte Caduceus auf. Gab es diesen Kristall wirklich? Und wenn ja, welche Wirkung hatte er? Und wo fand er ihn? Oder hatte sein Dämmerzustand gemeinen Schabernack mit ihm getrieben? Noch umnachtet sinnierte er lange, doch kam er zu keinem endgültigen Schluss.

Auch in den nächsten Nächten erschien ihm der Traum. Jedes Mal wurden neue Einzelheiten deutlich. Und so wusste der Seher bald, was zu tun war. Er würde den grünen Kristall zerstören und damit einen Leviathan von seinen magischen Fesseln befreien, die ihn seit Jahrtausenden auf dem Meeresgrund gefangen hielten. Das einem Drachen ähnliche Ungeheuer würde den Westozean unüberwindbar machen und den Alten Kontinent vor den Invasoren schützen.

Doch durfte sich dann auch kein Fischer aus Ledanien mehr zu weit auf das Wasser trauen. Sobald ein Boot die Sicht zur Küste verlor, würde es nie wiederkehren, denn der Leviathan unterschied nicht zwischen Westvolk und Ledaniern. Und nach der Jahrtausende dauernden Kerkerhaft war sein Hunger so gewaltig und schier unstillbar, dass er sich nicht mit einer Färse zufrieden geben würde. Dutzende Männer würden ihm anheim fallen.

Königin Leda machte ihre Drohung wahr: Zelos ward im Bettlergewande und in einen Keuschheitsgürtel gesperrt aus Ledanien verbannt wie es der Verräter verdiente. Zu Fuß und ohne Proviant oder Waffen musste er in eine ungewisse Zukunft marschieren. Nike brachte den Verdammten an die Grenze. Der Verurteilte musste zu Fuß hinter ihrem Ross herlaufen. Seine Hände waren mit einem Hanfstrick gebunden, der am Sattelknopf endete.

Die Grenzwächter bezeugten die Verbannung wider den Delinquenten und hatten sich in langen Reihen aufgestellt. Mit Panzerhandschuhen oder Schwertgriffen schlugen sie in einem bedrohlichen Takt auf ihre silberfarbenen Schilde. Leda und Abas blieben derweil in der Burgfestung. Sie standen im Fahnensaal und umarmten sich. Das dunkle Kapitel Zelos war abgeschlossen.

Der Renegat sah sich kein einziges Mal um. Er kochte innerlich wegen der zahlreichen Demütigungen, die er erfahren hatte, aber vor Nike durfte er nicht als flennende Memme dastehen. Er schwor sich eines Tages kalte Rache zu nehmen und die Schmach zu tilgen. An dem Krüppel Abas, der seiner Begehrten - und der Krone - im Wege stand und dessen eisernes Gefängnis er nun trug; an Leda, dieser verblendeten dummen Gans; an Nike, die seinen Posten eingenommen hatte und ihn am Pferd unmanierlich vorgeführt hatte; an Gladius, der ihm mit dem Duell seine Ehre und sein Leben gestohlen hatte; an Winand, diesem dreckigen kleinen Wärter, der ihm die letzte Ehre mit einem Besenstiel ausgetrieben hatte.

Zelos atmete scharf durch die Nase ein. Sein Gesicht verzog sich, seine Zähne knirschten laut. Und sein Antlitz wurde von der wild schmerzenden Entehrung tief rot wie die Abendsonne. Diese Schmach! Und dieser Abschaum im Kerker hatte auch noch darüber gelacht und ihm zur Verlustierung gereicht! Alle sollten sie sterben! Heiß vor Scham und Gram marschierte der Exilant mit raumgreifenden Schritten frischauf seinen Weg entlang. Doch er hielt den Hass in seiner Brust verborgen, wo er sich, glühend wie ein Kohlestück, befleißigte, hervorzubrechen, wenn die rechte Zeit gekommen sein würde.

Er wollte zunächst versuchen bis in Helenas Stadtstaat zu gelangen, wo Mannbilder zumindest einige Rechte besaßen. So die Götter wollten, konnte er Arbeit finden und sich bald einen Schmied leisten, der ihn befreite. Grimmig trottete er die staubige Straße weiter. Schritt für Schritt loderte sein Hass auf, der ihn umfing, und heizte ihm weiter ein.

Gegen Abend erspähte er einen Tümpel, aus dem er mit den Händen gierig Wasser schöpfte. Sein Magen knurrte. Zu seinem Ärger fand er nur einige wenige säuerliche Beeren. Hie und dort kreuzte ein Kaninchen oder ein Fasan seinen Weg, doch ohne Waffen konnte er nichts erbeuten. Später begegnete er einem offenbar entlaufenen Huhn und stürzte hinter dem gackernden Federvieh her, doch das verflixte Tier entwischte dem Jäger immer wieder aufs Neue, bis Zelos mit einer weißen Feder als einzige Beute in der Hand entnervt und erschöpft aufgab. Nach Sonnenuntergang lehnte er sich gegen den dicken Stamm einer Eiche und schlief hungrig und übellaunig ein.

Königin Helena hatte ein zweckmäßiges Bündnis mit Ledanien geschlossen, um sich gegen die Gefahren aus dem Osten zu schützen. Mannsvolk ward allgemach mehr Freiheiten zugestanden als bisher, und viele Männer lebten nicht mehr in Leibeigenschaft. Auch Zelos erhoffte sich in dem Stadtstaat, der früher einmal die Hauptstadt des Vereinten Reiches gewesen war, eine gute Zukunft. Doch der Weg bis dort war noch weit. Zumindest waren ihm unterwegs keine Marodeure oder Strauchdiebe begegnet. Ohne Blankwaffe wäre er dem Gesindel hilflos ausgeliefert gewesen.

Zwischen Ledanien und Helenas Reich sollten Handelswege entstehen, so dass bereits jetzt Patrouillen die Straße kontrollierten und für Kaufleute sicher machen sollten. Am nächsten Tag rollte dem einsamen Wanderer ein Holzkarren mit einem Esel entgegen. Ein junges Paar saß auf dem kleinen quietschenden Kutschbock. Das Gefährt war mit Webteppichen und Tonwaren beladen und schaukelte seines Weges dahin.

Als Zelos beim Eselwagen ankam, hielten die schweren Holzräder knarrend. „Wer seid Ihr?“, wollte der Jüngling wissen. „Und was macht Ihr hier ganz allein?“ Zelos machte eine Jammermiene. „Oh, gut, dass ich Euch treffe! Ich bin Kaufmann und von Freien überfallen worden. Stellt Euch vor: Die Schurken haben mir alles genommen! Meine ganze Ladung Duftwasser und Seidenschals für die Damen und wunderschöne Damastklingen mit kunstvoll beschnitzten Griffen aus Horn für die Herren. Auch mein Beutel mit all den Silbermünzen ist fort. Und sogar meine feine Gewandung haben die Strolche mir vom Leib gerissen!“

Der Jüngling fasste sich erschrocken an seinen grünen Gugel und schaute mitleidig, geblendet von der Lügenmär. „Das tut mir sehr Leid für Euch. Wollt Ihr uns nach Ledanien begleiten? Vielleicht kann man Euch dort helfen.“ Zelos hüstelte. „Nun, eigentlich müsste ich zwar dringend in den Stadtstaat. Dort wohnt mein Handelspartner, müsst Ihr wissen. Doch leider…“ Er sah zu Boden. „Ich kann ja nicht von Euch verlangen, dass Ihr wegen mir umkehrt. Ich werde wohl den Marsch alleine fortsetzen müssen. Ohne Reittier, ohne Stiefel, ohne Proviant, ohne Waffen…“ Er zerfloss beinahe in nur teils gespieltem Selbstmitleid.

Er sah aus den Augenwinkeln zum Kutschbock, wo der Jüngling gleichgültig die Schultern hob. Neben ihm saß ein Weib, ein Umhang um das Kleid geschwungen und eine rote Gugel aus Filz tief ins Gesicht gezogen, so dass er ihre Schönheit nur erahnen konnte. Zelos betrachtete seine Fingernägel und setzte scheinbar resignierend und kummervoll hinzu: „Wenn es Euch beliebte, würde es Euch ein Dutzend Goldmünzen einbringen, aber gewiss wollt Ihr zügig nach Ledanien und verdient dort ebenso gut.“





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AlfvM
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:29.05.22 22:27 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Prallbeutel,
super Geschichte weiter so.
GLG Alf
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:04.06.22 15:59 IP: gespeichert Moderator melden


Der Jüngling horchte auf. Sein Herz wurde weit. „Ein Dutzend Goldmünzen? Habt Ihr so viel?“ Zelos nickte verschwörerisch. „Ich nicht, doch mein Schwager im Stadtstaat.“ Trunken von Gier streckte der Jüngling seine Hand aus: „So eilig haben wir es nicht. Und wir sind Euch wohlgesonnen. Wenn ich helfen kann, tue ich das doch gern. Ich heiße übrigens Niclas, und das ist meine Verlobte Brida. Wie ist Euer Name, mein Herr?“ Zelos zögerte und räusperte sich. „Mich nennt man… Anonymos. Und Ihr nehmt mich wahrlich mit?“ Der Jüngling nickte. „Mit Verlaub! Ihr seht darbend aus. Ich kann Euch kalten Wachtelbraten und Maisbrei anbieten.“ Er langte nach hinten und holte aromatisch gewürztes Essen hervor, das dem Hungrigen sofort in die Nase stieg und ihm Speichel im Mund zusammenlaufen ließ.

Zelos schlang eine große Portion hinunter und spülte mit großen Schlucken Bier nach. „Habt Dank“, sagte er und rülpste zufrieden. Niclas lenkte den Esel in einer Kurve von der Straße und bog in entgegengesetzter Richtung wieder auf. Zelos saß auf dem Karren hinter dem jungen Paar und nippte an einem Krug mit Bier. Genüsslich knabberte er an einer Räucherwurst, die Niclas ihm noch gereicht hatte.

Trotz der Gewandung konnte Zelos die hübsche weibliche Silhouette von Brida erahnen. Ob sie lange güldene Haare trug? Wie ihre Gestalt ohne umhüllenden Stoff wohl aussah? Der weite Umhang, der von einer Fibula aus Knochen zusammengehalten wurde, verdeckte die femininen Kurven. In einem Badezuber ihren nackten Leib zu sehen, die zarte, reine Haut… Und wie gut das Mädel nach Rosenwasser duftete! Zelos verfluchte den engen Keuschheitsgürtel, der zu schrumpfen schien.

Holpernd näherte sich das Trio dem Reich der Helena Meile für Meile. Anonymos alias Zelos hatte viel Zeit, um nachzudenken. Kaum haben bei Helena die Männer mehr Rechte, schon trotzt so ein Jüngling vor Selbstvertrauen, grübelte Zelos. Ob seine Verlobte trotzdem das Sagen hatte? Der Verstoßene leckte sich über die Lippen. Eines stand fest: So ein Weib würde er nicht aus seinem Nachtlager werfen! Aber zunächst gab es Wichtigeres zu planen. „Ist die Stadtmauer erst in Sicht, kann ich dem naiven Pärchen entwischen“, überlegte er. Doch dann kam Zelos ein noch finsterer Gedanke: Wenn er den Eselskarren mit den Teppichen und Tonwaren zu klingender Münze machen könnte, würde er bald schon in der Lage sein, einen Schmied zu bezahlen!

Ihr Ziel, Helenas Stadtstaat, war allerdings noch einige Meilen entfernt. Noch war die Grenze nicht erreicht, geschweige denn die dicke Stadtmauer, die das ehemalige Machtzentrum der Megara wie ein schier unbezwingbares Bollwerk umrundete. Doch trotz der großen Schutzwälle litt die Monarchin des Gebietes in ihrem riesigen Palast mehr und mehr unter ihrer zwanghaften Angst vor Meuchelmord und Erkrankungen. Und in diesem Zuge löste die Regentin ihren Harem auf, um sich nicht mit „Liebeskrankheiten“ anzustecken.

Die Sklaven freute es; sie wurden sogar noch eingekleidet und mit einem Handgeld versehen, um dann ihrer Wege als freie Männer zu gehen. Nur von Aphron wollte sie sich nicht trennen. Sie genoss die Macht über den Leibeigenen zu sehr. Sie liebte es, wenn der Sklave sie um einen Aufschluss aus seinem Keuschheitsgürtel anflehte. Nein, auf dieses Vergnügen wollte sie nicht verzichten.

Doch damit hatte die Königin den sprichwörtlichen Bogen überspannt. Aphron gelang die Flucht aus dem Palast – eine abenteuerliche Odyssee vorbei an Wachtposten, Bediensteten und Gardisten. Er versteckte sich, er verkleidete sich, er nahm seinen Mut zusammen und spazierte wie selbstverständlich durch so manches Tor, und dann kletterte er zu guter Letzt über eine Mauer, die ihn in einen Außenbereich des Palastes führte. Von dort entkam er schließlich, indem er sich in einem leeren Weinfass versteckte, dass von einer Hökerin abgeholt wurde.

Beinahe hätte sich der Leibeigene in seiner geheimen Enge übergeben, denn die Gehilfen der Kauffrau rollten ihn über den Hof. Hart und polternd landete er endlich auf einem Ochsenkarren. Aber brachte der ihm endlich die Freiheit? Zumindest vorläufig. Wie würde er sich jedoch unbemerkt hinfort schleichen können? Und wohin? Nirgends im Stadtstaat wäre er sicher.

Würde ihm jemand Unterschlupf gewähren? Oder müsste er das Reich der Helena ganz verlassen? Aber wie und wohin? Tiefe Sorgenfalten bildeten sich auf Aphrons Stirn. Er hatte seine Flucht nicht gut durchdacht. Sollte er von seiner Herrin gefunden werden, so würde ihn ein schlimmes Schicksal erwarten. Als Lustsklave der Ceres hatte er bereits viel durchleiden müssen, Helena war genauso grausam gewesen. Jetzt wollte er endlich seine Freiheit!

Der Karren rumpelte durch die Gassen der Stadt und stoppte vor einem kleinen Lagerhaus, indem die Händlerin leere und volle Fässer mit rotem Rebsaft aufbewahrte.
Aphron hörte die dumpfen Stimmen der Männer, die sich bereits wunderten, warum das angeblich leere Fass schwerer war als gewöhnlich. Aber noch blieb Aphron unentdeckt. Da hörte er die Stimme der Händlerin. „Morgen früh ladet ihr die markierten Fässer da vorne auf. Wir haben eine Ladung nach Ledanien zu bringen. Ihr begleitet mich. Und keine Sorge vor Straßenräubern. Es gibt mittlerweile fast überall Patrouillen. Der Weg ist sicher.“

Aphron lauschte mit gespitzten Ohren. Eine Fahrt nach Ledanien? War das nicht das Königreich an der Westküste, wo Leda regierte? Wo es keine Leibeigenschaft gab? Wo er ein neues Leben beginnen könnte? Endlich hörte er, wie das schwere Tor von außen verriegelt ward. Aphron taten sämtliche Glieder weh. Er musste dringend aus diesem engen Fass. Mit aller Kraft drückte er von innen gegen den Deckel. Doch der ließ sich nicht entfernen. Kein Deut bewegte sich.

Nur mit einem Beitel würde er das Holz aufstemmen können. Langsam kroch Panik in Aphron hoch. Ersticken würde er dank eines kleinen Loches nicht, aber wie sollte er entkommen, wenn er in dem Fass gefangen war? Außerdem bekam er bereits erste Krämpfe von der unnatürlichen, zusammengepferchten Haltung. Wieder stemmte er sich mit aller Macht gegen den Deckel. Kurzatmig und angespannt versucht er es weitere zwei Male vergeblich.

Er steckte tief in der Bredouille. Die Angst wurde immer größer, wieder drückte er mit Gewalt gegen das eisenbeschlagene Holz und dieses Mal sprang der Deckel auf und flog scheppernd zu Boden. Aphron atmete tief ein, als habe er unter Wasser die Luft anhalten müssen. Blitzschnell kletterte er aus seinem selbst gewählten Gefängnis, als habe er Sorge, dass der Deckel sich von alleine wieder verschließen würde.

Aphron reckte und streckte sich. Tat das gut! Oh, wie war das schön! Es kam ihm in diesem Moment wohler vor, als eine Massage mit warmem Öl und heißen Steinen. Einige Augenblicke genoss er seine wiedergewonnene Freiheit. Anschließend sah er sich um. Die Lagerhalle war von außen mit einem dicken Balken verriegelt. Licht kam nur durch Schlitze in den Holzlatten hinein, die so dick waren, dass er selbst mit Gewalt nicht aus dem Gebäude entkommen konnte.

Aber wo sollte er auch hin? Er nahm sich vor, ein paar Stunden ausgestreckt zu nutzen. Und bei Sonnenaufgang würde er sich in einem Fass verstecken, dass nach Ledanien gebracht werden sollte. Aphron sah die Fässer, die mit Kreide mit „Ledanien“ gekennzeichnet waren. Er rollte „sein“ leeres Fass zu ihnen. Obwohl… Was war, wenn die Fässer durchgezählt waren? Außerdem brachte ein leeres Fass – auch mit einem Mann darin – nicht das Gewicht eines vollen Weinfasses auf die Waage.

Aphron musste sich etwas einfallen lassen, um die Händlerin und die Gehilfen zu überlisten. Seine Reise durfte hier kein böses Ende finden. Er streckte sich auf dem Boden aus und faltete seine Hände unter dem Kopf, um sie als Kissen zu nutzen. „Denk nach“, forderte er sich selbst in Gedanken auf, „dein Leben hängt davon ab!“ Noch blieb ihm die Zeit dazu.

Der Seher Caduceus kam dem östlichen Reich der Metropole gefährlich nahe. Er hatte zwar bewusst eine nördliche Route eingeschlagen, doch zu weit nach Norden durfte es ihn auch nicht führen, denn dort würde er vom Regen in die Traufe kommen, falls ihn Sklavenjägerinnen der Cassandra erwischten. Dank seiner hellseherischen Fähigkeiten erkannte der alte Mann frühzeitig Gefahren und konnte diesen ausweichen: wilden Raubtieren, Walddämonen, Marodeuren, Milizen.

Doch eine Garantie waren seine Visionen nicht. Daher war er stets auf der Hut, suchte den Horizont ab und lauschte dem Wind, schaute nach Hufspuren oder Anzeichen für eine verlassene Lagerstatt. Caduceus wäre zweifellos auf bewaffnete Truppen der Cassandra gestoßen, die üblicherweise diese Gegend durchstreiften, jedoch hatte die gefürchtete Tyrannin alle ihre Streitkräfte aus Befehlshaberinnen und kraftvollen Kampfsklaven zusammengezogen, um sich für ihre geplanten Kriegszüge zu stärken.

Nach weiteren Tagen der Vorsicht konnte er etwas befreiter Richtung Westen reiten. Bisher war er nur ein einziges Mal einer kleinen Rotte Strauchdiebe begegnet. Und Caduceus hatte all seine Kraft gebündelt, um dem Mob ein Trugbild vorzugaukeln, er habe ein Dutzend schwer bewaffneter Soldaten bei sich. Nachdem das Gesindel kleinlaut weiter geritten war und sich vermutlich fragte, warum es nicht festgenommen worden war, fiel der Seher förmlich in sich zusammen und rutschte vor Erschöpfung aus dem Sattel. Die Vision hatte ihm alle Kraft geraubt, und die Erleichterung über seine Rettung ließ ihn ebenso einbrechen.

Am nächsten Tage, als die Sonne bereits hoch am azurblauen Himmel stand, begegnete er erneut einer Person. Ein einsamer Wanderer lief mit wunden Füßen und… Ja, was trug der Mann da? Caduceus wischte sich durch die Augen. Aber es war kein Hirngespinst. Der Bettler war nackt bis auf einen Keuschheitsgürtel. Er musste ein Sklave sein. Womöglich ein Entlaufener? Caduceus ritt heran.

Der Unbekannte bemerkte ihn und flüchtete von der Straße, um sich zwischen einigen Sträuchern hinzukauern, sich an die bange Hoffnung klammernd, nicht entdeckt worden zu sein. Der Seher hielt in der Nähe seinen Rappen an und rief: „Heda! Fremder! Habt keine Furcht! Ich will Euch nichts antun! Wer seid ihr? Sprecht!“ Nur langsam erschien ein sorgenvoller Kopf mit wirrem Haar und schmutzigem, aber jungem Gesicht. „Ich heiße Catulus und bin aus der Metropole verdammt worden. Und wie ist Euer Name, Herr?“

Caduceus fühlte, dass der Bursche die Wahrheit sprach und berichtete von seiner Reise und dem Vorhaben gen Westen einen magischen Kristall zu finden. Auch von seiner Vision erzählte er, erwähnte das fremde Westvolk und ihre gefährliche Armada mit den Donnerrohren sowie den Leviathan, der die Invasion verhindern würde. „Eine schöne Räubergeschichte habt Ihr da gedichtet. Aber das spielt keine Rolle. Wenn Ihr mich mitnehmt auf Eurem wunderschönen Rappen, dann werde ich Euch bei der Jagd helfen, Alter“, sagte der Ausgestoßene nun schon selbstsicherer als noch vor wenigen Augenblicken. Caduceus schmunzelte und betrachtete den fast Nackten auf eine seltsame Art. „Hier!“ Der Seher reichte ihm einen breiten Streifen Stoff, den er aus einer Satteltasche holte. „Nehmt dies und wickelt es Euch um die Lenden. Und dann steigt auf.“

Catulus nahm die Gabe dankend entgegen und folgte den Anweisungen des greisen Mannes. Er konnte sein Glück kaum fassen. Er würde mit dem Alten nach Westen reiten und irgendwo als freier Mann eine Arbeit aufnehmen. Er würde den Lohn sparen und schließlich einen Schmied bezahlen können, der ihn aus dem Keuschheitsgürtel befreite. Auch, wenn der Greis ein wenig wunderlich war mit seinen Märchen über Visionen und geheimnisvolle Völker, so schickten ihn die Alten Götter. Catulus schickte als Dank ein stilles Stoßgebet gen Himmelszelt.

Während die beiden Reiter sich ihren Weg Richtung Helenas Stadtstaat machten, rumpelte am nächsten Tag ein Ochsenkarren aus dem Westtor der Stadt, um mehr als ein Dutzend Weinfässer nach Ledanien zu liefern. Aphron hatte eine Marmorplatte in den Boden des Fasses, in dem er steckte, gelegt und mit Stoff umwickelt. Nun hatte er noch weniger Platz als zuvor. Ob er die ganze Reise in seinem engen Gefängnis ertrug? Seine Hoffnungen schwanden Meile für Meile, die er darin aushielt.

Sollte er einfach hinausspringen und im Dickicht verschwinden? So einfach würde das auch nicht werden, denn ihm war ein Bein fast bis zur Hüfte eingeschlafen und vermutlich hatte er sich den Rücken verrenkt. Als der Weinkarren einige Stunden unterwegs war, kam ihm ein Eselswagen entgegen. Ein junges Paar und ein Mitfahrer, der sich von der Händlerin und ihren Gehilfen abwandte, als wolle er nicht erkannt werden.

„Komischer Kauz“, murmelte die Frau und nickte dem Paar auf dem Kutschbock zu. Plötzlich rief der junge Mann an den Zügeln: „Haltet! Ich sehe, Ihr vertreibt Wein? Oder was steckt in den Fässern Gutes?“ Die Kauffrau bejahte. „Den besten Rebsaft, den es weit und breit gibt. Ich liefere ihn direkt an den königlichen Hof der Leda.“ Niclas schnupperte wie ein Jagdhund. „Er duftet bis hierher. Darf ich davon kosten? Vielleicht kaufe ich Euch einige Schoppen ab.“ „Warum nicht?“, meinte die Kauffrau und wies einen Gehilfen an, ein Fass zu öffnen.

Aphron hielt den Atem an, als es an seinem engen Versteck ruckelte und wackelte. Warum hatte er sich auch im Lager so positionieren müssen, dass er als letztes Fass aufgeladen würde!? Aber sich darüber Gedanken zu machen, war nun sowieso zu spät. Der Gehilfe stemmte den Deckel mit einem flachen Metallstab auf und glotzte verdutzt den verkrümmten blinden Passagier an. Aphron wollte hinausspringen und flüchten, doch die beiden kräftigen Gehilfen überwältigten den Liebessklaven und drehten ihm grob die Arme auf den Rücken. „Was haben wir denn da?“, fragte die Händlerin. „Wer bist du?“ Aphron war so voller Angst und von seiner Entdeckung verblüfft, dass er die Wahrheit vor sich hin brabbelte.

Der Mann, der auf der Ladefläche des Eselskarren saß, mischte sich ein. „Er trägt einen Keuschheitsgürtel! Er ist ein entflohener Sklave!“ Die Händlerin brummte. „In Helenas Reich gibt es keine Leibeigenschaft mehr. Seit es mit Ledanien einen Pakt geschlossen hat, muss niemand ein solches Schloss tragen. Lehnsherrschaft ist zwar üblich, aber die Mannbilder arbeiten gegen Lohn und freiwillig. Lüge also nicht, Junge!“, drohte sie Aphron mit jäh verhärteten Stimme.

Trotzdem beteuerte der Flüchtige wehklagend, die Wahrheit gesprochen zu haben. „Königin Helena verfügte bis vor kurzem über ein geheimes Harem. Sie ließ alle frei – bis auf mich. Da bin ich davongelaufen.“ Der Mann auf dem Eselskarren schmunzelte und stellte süffisant fest: „Da erhaltet Ihr eine gute Finderprämie! Auf den Sklaven wird die Königin sicherlich ein hohes Kopfgeld ausgeben, wenn Ihr ihn ihr zurückbringt.“

Aphron zitterte wie Espenlaub. Ein Stein fiel ihm vom Herzen, als er die Händlerin widersprechen hörte. „Nein! Ich bin als Bewohnerin der Metropole zwar durchaus für Sklavenhaltung, und ein flüchtiger Leibeigener muss hart bestraft werden, aber in diesem Fall denke ich, dass die Königin Helena sich ruhig an ihre eigene Politik halten sollte. Wenn sie die Sklavenhaltung abschafft, dann darf sie selbst auch keine Lustjünglinge in Keuschheitsgürtel stecken. Wasser predigen und Wein saufen – das liebe ich!“ Entschlossen setzte sie bestimmt hinzu: „Und derohalben werde ich Aphron nicht seiner Herrin ausliefern, sondern ihn mit nach Ledanien nehmen.“ Erleichtert fiel Aphron der Frau vor die Füße. „Danke, edle Dame! Habt unendlichen Dank!“

Kurz darauf fuhren die Karren ihrer Wege. Niclas mit seiner verschleierten Schönheit samt dem ominösen Mitreisenden namens Anonymos setzten ihren Weg in den Stadtstaat fort; der Ochsenkarren mit den nun um eines weniger gewordenen Weinfässern rollte langsam Richtung Ledanien weiter. Aphron lief neben den Tieren und führte einen Zügel – ganz zum Vergnügen der Händlerin, die vom Kutschbock aus die knackigen Hinterbacken des Jünglings betrachten konnte und gedankenverloren dabei ihren Bernstein rieb, den sie als Anhänger um den Hals trug.

Als Niclas mit seiner Braut und dem Fremden den Stadtstaat erreichte, wurde „Anonymos“ unruhig. Zelos wusste, dass sein Bluff von den Münzen bald auffliegen würde. Sollte er hinter dem Stadttor einfach davonlaufen? Niclas riss ihn aus seinen Überlegungen. „Höre, Anonymos! Bevor wir zu deinem Kameraden fahren, um die Münzen zu holen, so erlaubt mir, zunächst meiner lieben Schwester einen Besuch abzustatten.“ Zelos nickte. „Freilich sei Euch das gewährt. Ihr habt schon zu viel für mich getan.“


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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:12.06.22 12:46 IP: gespeichert Moderator melden



Als der Karren gemächlich durch das gewaltige Stadttor ruckelte, senkte Zelos seinen Blick. In ihm entfachte sich die Sorge, dass ihn irgendwer vielleicht doch erkannte. Schließlich war er Oberster in Ledanien gewesen. Aber die Wachleute interessierten sich nicht sonderlich für den Wagen und winkten Niclas vorbei.

Binnen kurzem schon erschienen prunkvolle Stadthäuser mit kunstvollen Fassaden und ausladenden Balkonen, die den gepflasterten Weg einrahmten. Zelos erblickte auch bald den großen Marktplatz, an dessen Ende der gewaltige Palast angrenzte, den vor vielen Jahren König Talos erbauen ließ, und der später von der Despotin Megara in dekadenter Art und Weise immer weiter vergrößert worden war wie ein aufgeblasenes Moloch.

Dort lebte also nun Helena, wusste Zelos und war von dem Protzbau imponiert. Mit zahlreichen Bediensteten und unvorstellbarem Luxus residierte sie dort in einer eigenen Welt. Außerhalb der Mauern pulsierte das Leben in der Stadt. In den Straßen und Gassen schlenderten nicht nur die Damen der feinen Gesellschaft umher, sondern auch viele Mannsbilder zogen emsig kleine Karren, trugen Holzstangen über die Schultern mit einem Bottich auf jeder Seite oder transportierten auf einem Rückengestell einen großen Strohballen, Säcke mit Mais oder Hafer sowie kleine Fässer mit unbekanntem Inhalt.

Zelos sah aber auch Recken in Uniform. Dabei handelte es sich nicht um Kampfsklaven, wie er feststellte. Helena schien offenbar Wort zu halten. Die Unterdrückung der Männer war abgeschafft. Zumindest befand sich Helenas Reich in einer Phase der Umgestaltung. Helena und ihre loyalsten Senatorinnen verfügten über mehr Macht als ihre politischen Gegnerinnen. Daher hielten die meisten Verfechterinnen der Sklavenhaltung still - manche jedoch nur, weil sie ahnten, dass sie von dem Bündnis mit Ledanien abhängig waren, vor allem dann, wenn es tatsächlich einmal zu einer Invasion der vereinigten Ostreiche käme.

Königin Helena hätte mit der Entwicklung zufrieden sein und sich feiern lassen können; aber ihre überzogene Angst vor Gefahren für Leib und Seele führte dazu, dass sie sich nur selten, und wenn überhaupt, dann nur verschleiert zeigte. Sie trug über ihrem güldenen Gewande mehrere Zauberamulette aus Blauquarz, Granat und Turmalin, die sie vor bösen Geistern und geheimnisvollen Krankheiten schützen sollten. Jede Nacht betete sie in einem Runenkreis zu den Alten Göttern für Gesundheit und Schutz vor Dämonen. Sie kniete sich in ihrem fast durchsichtigen weißen Nachtkleid aus Seide in dem großen Pentagramm aus Runen hin, entzündete fünf Kerzen und murmelte dabei magische Ritualformeln, die ihr eine Geistbannerin am Hofe gelehrt hatte.

Helena war so blind durch ihre Ängste und Schreckensvisionen, dass sie nicht bemerkte, was für fast alle ihrer Entourage offensichtlich war: Die Geistbannerin war eine Scharlatanin, die lediglich Gold für ihre dubiosen Dienste kassieren wollte. Die Majordoma der Herrscherin konnte nur mit dem Kopf schütteln. Leider war die Hoheit jeglichem Rate gegenüber immun.

Vor wenigen Tagen hatte sie Helena sogar aus den Katakomben unter dem Palast retten müssen, weil sich die Regentin in dem Labyrinth, der in ein schier unendliches Höhlensystem überging, beinahe verlaufen hatte. Auf die Frage, was sie denn dort unten gewollt habe, hatte Helena nur wie unter einer fremden Macht stehend geflüstert: „Hier bin ich sicher…“ Die Majordoma hatte seufzend geantwortet: „Sehr wohl, Majestät. Aber geht bitte nur in Begleitung hinunter.“

Die Bedienstete erinnerte sich an die Tage, als Fama, die Siegreiche, vor den Toren der Stadt stand und Megara schließlich in den Höhlen verschwand. Wilde Geschichten über entflohene Sklaven waren im Umlauf, die die Tyrannin damals geschändet hätten. Die Majordoma erschauderte und schüttelte die grausige Vorstellung ab.

Während Helena sich hinter ihren dicken Mauern verbarrikadierte und einen großen Karfunkel rieb, weil dies Glück bringen sollte, rollte der Eselskarren von Niclas und seiner Verlobten Brida über das Pflaster des Marktes. Am Rande des großen Platzes erreichten sie ein kleines Gebäude. Niclas zeigte auf die mit Stuck hübsch gestaltete Pilasterfassade: „Hier wohnt meine geliebte Schwester. Warte einen Augenblick, bis ich mit Brida zurückkehre.“ Zelos nickte lächelnd. „Gemach, gemach. Lasst Euch Zeit. Ich passe auf den Esel auf.“ Er klopfte beruhigend den Hals des Grautiers, das die Schmeichelei mit einem Schütteln beantwortete, als wolle es störendes Ungeziefer loswerden.

Niclas und Brida stiegen vom Kutschbock. Niclas klopfte an eine mit Tiersymbolen verzierten Holztür. Dann wollte er gerade den bronzenen Ring greifen, der am Türblatt angebracht war, damit sich Besuch lautstark ankündigen konnte, da öffnete bereits ein Bediensteter in Livree. Zelos wartete eine Weile ab und gab dann dem Esel leise das Kommando: „Hüh! Los!“ Er versetzte dem Vieh mit einer langen Gerte einen Schlag in die Flanke. Doch das Tier bewegte sich kein Deut vorwärts. Esel waren von Natur aus stur und machten gern das Gegenteil von dem, was sie sollten - zumindest bei Personen, die sie nicht mochten.

Zelos schimpfte vor sich hin. Dann werde ich wenigstens ein paar Waren mitgehen lassen, entschied er sich sinnend und griff beherzt auf die Ladefläche. Er packte einige kleine, aber besonders edel aussehende Tonwaren und stopfte sie vorsichtig in einen großen Ledersack. Mit seiner Beute, die ihm nur recht und billig schien, sprang er vom Gefährt und marschierte fröhlich pfeifend die Gasse entlang, bog um eine Ecke und sah noch einmal verstohlen hinter sich. Seine Abwesenheit war wohl noch nicht bemerkt worden.

Er hatte den ersten Schritt seines Planes in die Tat umgesetzt. Er war in der Stadt und konnte das Diebesgut feilbieten, um vom Erlös endlich eine Schmiede beauftragen zu können, seine eiserne Hose zu öffnen. Als Zelos bereits an Dutzenden Menschen vorbeigeschritten war, stand ihm just Angstschweiß auf der Stirn. Was war, wenn sein Konterfei erkannt ward? Wenn Leda eine Bulletin mit Briefraben geschickt hatte, um von seiner Verbannung zu künden? Dann durfte er sich nicht sehen lassen.

Allerdings wäre er längst erkannt worden. Zelos atmete erleichtert aus. Seine Furcht war unbegründet. Offenbar konnte er sich frei bewegen. Nur dem dummen Jüngling mit seiner Verlobten durfte er nicht mehr über den Weg laufen. Aber die Stadt war riesig. Das würde nicht geschehen, beruhigte er sein klopfendes Herz.

Jetzt wollte er zunächst mal die Tonwaren verscherbeln. Dann würde er dank der erworbenen Münzen aus dem Keuschheitsgürtel steigen. Und schließlich sehnte er sich nach Labsal und Huren, die ihn wieder als Recken fühlen ließen. Und eines Tages, so schwor er sich, würde er die Vettel Leda und alle anderen zur Rechenschaft ziehen. Welch Schimpf und Schande hatte er ertragen müssen! Wie einen Straßenköter hatten sie ihn aus Ledanien gejagt! Welche Schmach! Er ward rot vor Scham und Wut zugleich, und ihn mangelte nicht an Hass auf dieses Weib.

Zelos lief um eine bunte Menschenansammlung herum, die im Kreis um zwei Faustkämpfer mit freien Oberkörpern und mächtigen Muskeln standen und diese lautstark anfeuerten. Der eine Mann trug breite Ledermanschetten an den Unterarmen und ein Stirnband mit Nieten; sein Kontrahent war von ebenso beeindruckender Statur, und seine vielen Narben zeugten von Erfahrungen als Krieger. An seiner speckigen Lederhose prangte vorne eine breite Gürtelschnalle aus Eisen, die die Fratze eines Unholdes darstellte.

Eine Frau in schlichtem Kleid sammelte mit einem Filzhut Münzen ein. Mit einem begreifenden Nicken bemerkte Zelos, wie ein zweites junges Weib, dem Gesicht nach die Schwester, von hinten geschickt den gaffenden Zuschauern weitere Münzen aus der Gewandung stahl. Madame Langfinger ging dabei mit einer winzigen Klinge, die sie in ihrer Hand verbarg, so geschickt vor, dass sie in einem Fall sogar einem Mannsbild das Beinkleid am Hosenboden abtrennte, um an ihre Beute zu gelangen – und das Opfer bemerkte nichts davon, dass er mit blankem Arsch da stand.

Kurz zuvor hatte die schlitzohrige Spießgesellin dem Recken noch schöne Augen gemacht und ihm ihre butterweichen Brüste entgegengestreckt. Ihr mädchenhaft unschuldiges und dann abrupt so zügelloses Lächeln hatte sich in dem Moment, als der Mann sich wegdrehte, zu einem Zähneblecken verwandelt. Zelos schmunzelte. Weibliche Reize hatte er selbst zwar nicht, aber mit so einer kleinen Klinge würde er ebenfalls gern geschickt umgehen können. Dann hätte er das Geld für eine Schmiede schneller zusammengespart.

Er lief ein Stück weiter und fand, was er gesucht hatte: Grimmig trat er unter eine schmutzige Markise, die den Eingang zu einem kleinen Laden beschattete. Hier würde er als erstes versuchen, seine Waren zu klingender Münze zu machen. Es roch nach Weihrauch. Zelos rümpfte die Nase. Eine Frau in Beinkleidern und Seidenwams starrte ihn an. „Was ist dein Begehr, Kerl?“ Zelos räusperte sich und schluckte seinen Ärger hinunter. Dieses unverschämte Weib duzte ihn!

Dann fiel ihm ein, dass in Helenas Reich bis vor nicht allzu langer Zeit männliche Sklavenhaltung an der Tagesordnung war. Viele Frauen fühlten sich standesmäßig klar den Mannsbildern übergeordnet. Zelos spielte mit. „Ich heiße Anonymos und bringe Euch feinste Tonwaren für einen sehr niedrigen Preis. Ihr seht mir aus wie eine Dame von Kenntnis und wisst um den Wert dieser kunstvollen und seltenen Gefäße.“ Die süßliche Lobhudelei setzte sich noch eine Weile fort.

Zelos holte die gestohlene Ware aus dem Ledersack und reihte sie auf der Ladentheke auf. Jetzt konnte er nur noch hoffen, dass er nicht an eine Halsabschneiderin geraten war. Der abschätzige Blick des Weibes ließ nichts Gutes erahnen. Sie zog die Stirn kraus und blickte auf die kleinen Amphoren, als würden Maden daraus hervorkrabbeln. Sie nannte einen lächerlich geringen Preis, und Zelos tat erschrocken und beleidigt ob der schlechten Bewertung seiner Güter.

Während Zelos verhandelte näherten sich zwei Männer auf einem schwarzen Zossen von Osten der Stadt. Noch ein Tagesritt, dann würden sie das Herrschaftsgebiet der Helena erreichen. Bei Sonnenuntergang machten sie die letzte Rast und schlugen um ein kleines Feuer ihr Nachtlager auf. Caduceus fragte seinen Begleiter, ob er ihn weiter begleiten oder in dem Stadtstaat allein sein Glück versuchen wolle. Catulus meinte nachdenklich: „Ich werde hier vielleicht Arbeit finden. Eines Tages habe ich genug gespart, um aus dem Keuschheitsgürtel zu entkommen.“

Caduceus ahnte, wie lange es dauern würde. Auch, wenn sich der Jüngling zu harter Tätigkeit verdingte, musste er viele Monde lang schuften, bis er einen Schmied bezahlen konnte. In der Nacht saß Caduceus noch lange am Feuer, während Catulus bereits tief und fest schlummerte. In ihm reifte eine Idee. Er wollte dem jungen Mann helfen. Er sollte sein arges Leid nicht länger ertragen müssen.

Als die Sonne aufgegangen war überreichte der Seher dem Jüngling ein kleines Filzsäckchen. „Nimm das als Abschiedsgeschenk von mir.“ Catulus sah verwundert drein. Was das wohl war? Der Inhalt fühlte sich schwer an. Er öffnete den Beutel und ließ einen kleinen Klumpen in seine Hand fallen. Sein Mund stand vor Verblüffung weit offen, als er ahnte, was er da blickte. Abwechselnd gaffte er zu seinem Wohltäter und auf das Präsent. War das gar ein Goldnugget?

Der Seher erläuterte seine milde Gabe. „Du bist jung und voller Energie. Du solltest dir ein Weib nehmen und sie lieben. Stattdessen hat dich eine duttenwelke Vettel in einen Keuschheitsgürtel gesteckt. Gib das Nugget einem Schmied. Er wird dich dafür mit Freuden von deiner Bürde befreien.“ Catulus fiel dem alten Mann um den Hals. Ihm standen Tränen der Freude in den Augen. „Wie kann ich Euch danken?“ Caduceus hob eine Augenbraue. „Es gibt etwas, das ich mir ausbedinge. Das ich daran knüpfe. Du sollst eine gute Tat tun, bevor du den Stein einlöst.“ Catulus nickte eifrig. „Nichts leichter als das. Das werde ich tun. Habt Dank!“ Und so ritten die zwei Männer in die Stadt und verabschiedeten sich dort herzlich voneinander.

Nachdem der Seher sich in einem heimeligen Badehaus gewaschen und neuen Proviant gekauft hatte sowie seinen Rappen versorgt wusste, verließ er Helenas Reich bereits wieder auf direktem Weg nach Westen, der untergehenden Sonne entgegen. Denn die Höhle, in der der geheimnisvolle Kristall lag, befand sich in dem noch viele Meilen entfernten Ledanien. Der weite Weg würde beschwerlich werden, doch er musste ihn auf sich nehmen. Die Schicksalsgötter hatten sich dazu entschieden.

Unterwegs kamen Caduceus neue Visionen vor die Augen. Er erblickte die düstere Zukunft, falls er den Leviathan nicht von seinen Ketten befreite. Das Westvolk würde über den Alten Kontinent kommen wie eine böse Plage. Sie würden die Menschen versklaven, sie würden das Land verheeren und niederbrennen, und die Unterwelt würde mit ihren finsteren Dämonen an die Oberfläche gelangen. Schwarze Asche füllte die Luft und giftige Dämpfe stiegen aus der Erde empor, um auch das letzte Leben zu töten. Ob letztlich die Mächte der Unterwelt oder das Westvolk die Oberhand behalten würden, schien einerlei.

Caduceus konzentrierte sich auf eine andere, eine bessere Zukunft. Er sah sich in einer Höhle den Kristall vernichten. Er sah, wie der Meeresdrache vom Grund auftauchte und wütend brüllte. Er sah, wie die große Armada des Westvolks von ihm ausgemerzt wurde, wie die Schiffe versanken, wie die Krieger in den brodelnden Fluten ertranken. Trümmer der Flotte würden an die Ufer angespült wie Strandgut und die einzige Erinnerung an die Invasoren sein. Und nie wieder würde das Westvolk einen Versuch unternehmen, den Alten Kontinent zu annektieren.

Catulus war frohbeschwingt bereits auf dem nächsten Weg zur Schmiede gewesen, da fiel ihm sein Versprechen ein, zuvor eine gute Tat zu tun. Er lief durch die Gassen der Stadt und überlegte, was das sein könne. Er sah die vielen hübschen Ladys in ihren prächtigen, bauschigen Kleidern, aber auch junge Damen in praktischer Gewandung, die fast der eines Recken glich, stiefelten durch die Straßen und über die Plätze. Catulus kam sich in seinem Seidenschal ziemlich nackt vor und genierte sich. Niemand sollte hier wissen, dass er ein geflohener Lustsklave war und einen Keuschheitsgürtel trug.

Bald schon würde er so manches weibliche Herz im Sturm erobern und Feuer darin entfachen. Allerdings würde das nicht in einem Seidenschal als Lendenschurz gehen. Da bernötigte er eindrucksvolleren Putz. Als er an einem Marktstand mit Stoffen und Gewandungen vorbeikam überkam ihn die Versuchung, einen Waffenrock in Schachbrettmuster oder ein dunkelrotes Wams und eine baumwollene moosgrüne Kniebundhose zu stibitzen. Er wollte nicht das Risiko eingehen, dass er später nicht mehr genug Vermögen besaß, um die Schmiede zu bezahlen.

Dann fielen ihm die Worte des Greises ein: eine gute Tat… Dazu zählte ein Diebstahl gewisslich nicht! Catulus seufzte. Neben einer großen Auswahl an wunderschönen Gewändern für Damen und Magdkleidern bot die Händlerin auch für Mannsbilder so manch edle Ausstattung. Mit glänzenden Augen starrte er auf die prachtvollen Westen, die Rüschenhemden, die mit Nieten besetzte Lederrüstung, eine dunkle Tunika mit goldener Bordüre, einen mit Lilienmustern bestickten Umhang mit schwerer Brosche aus Silber, Kettenhemden, Stiefel, Schnabel-, Holz- und Schnallenschuhe, Sandalen, Filzhosen, Gugel und vieles mehr. Eine Augenweide! Kleider machten Leute. Fürwahr!

Catulus tat so, als probiere er eine lenzduftige Gewandung an: Er schlüpfte in wollene Beinkleider mit einem breiten Ledergürtel und großer versilberter Schnalle, in weiche lederne Stulpenstiefel, zog ein Leinenhemd mit Schnürung an der Brust und eine Weste über, die ein ledernes Rückenteil besaß und vorne eine edle Stickerei aus Kreuzstichen aufwies. Stolz präsentierte er sich in einem verkratzten Spiegel. Die Händlerin kam herbei und meinte in lobpreisender Weise: „Wundervoll schaut Ihr aus, mein Herr! Die Kleidung steht Euch vorzüglich. Wie für Euch angefertigt! Und sie ist jede Münze wert, die sie kostet und noch mehr.“

Dann kniff sie plötzlich misstrauisch die Augen zusammen: „Euer Beutel ist doch nicht etwa leer, oder täusche ich mich?“ Catulus holte sein Säckchen hervor und zeigte der Frau den Goldklumpen. Plötzlich pries die Händlerin noch weitere Gewandungen an, die angeblich viel edler, viel passender für „so einen hohen Herrn wie Euch“ seien, und Catulus fragte ganz gezielt nach einer Art Mantel, die er nicht an dem Stand sah. Die Handelstreibende war in Verlegenheit und kaute einen Augenblick ratlos auf ihrer Lippe umher. „Nun, selbstverständlich könnte meine Näherin Euch alle Eure Wünsche erfüllen. Was haltet Ihr davon? Ich zeige Euch den edelsten Stoff, den Euer Auge jemals gesehen hat.“

Catulus nickte. Die Händlerin ging zu einer Kiste am Ende des Standes und kramte tief darin herum. Diesen Augenblick nutzte der entflohene Leibeigene und setzte sich blitzschnell ab. Als die Händlerin bemerkte, dass der Kunde mitsamt den Gewandungen das Hasenpanier ergriffen hatte, schrie sie lauthals mit überkippender Stimme: „Haltet den Dieb! Dieser Hundsfott! Er hat mich bestohlen!“

Doch es war zu spät. Ein Tumult entstand um ihren Stand herum, aber das buntverworrene Durcheinander von Menschen, die alle nach einem Schurken Ausschau hielten, hatte der fluggeschwinde Catulus längst hinter sich gelassen. Außer Atem bog er um eine Ecke, kletterte über eine Ziegelmauer, machte bei der Landung einen Purzelbaum in einem Blumenbeet und hockte sich hin. Was war er doch für ein Fuchs!



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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:19.06.22 14:33 IP: gespeichert Moderator melden



Während sich eine Schar unterdrückte oder bestochene Kleinstaaten um Cassandra sammelten und eine bedrohlich mächtige Streitmacht bildeten, verstärkte Vesta in der Metropole die Wehranlagen an den Grenzen und schickte Trupps in die „Freien Ländereien“, um über genügend Vorwarnzeit zu verfügen, sollte der Feind es wagen, die Metropole anzugreifen.

Besonders die Stadt selbst erhielt eine dickere und höhere Mauer mit Zinnen, Wachtürmen und Schießscharten, mit Verteidigungskatapulten und übergroßen Armbrustmaschinen, die Bolzen in die verfeindeten Reihen jagen konnten, die dick wie ein Bein waren und problemlos sogar einen Troll gefällt hätten. Das Eingangstor war geschützt durch einen Graben mit Eisenstacheln sowie einem massiven Fallgitter und dem davor liegenden ellendicken Holztor, mit gewaltigen Eisenplatten verkleidet.

Vom politischen Geschäft lenkte die junge Königin Vesta sich und die feinen Damen des Hofes mit regelmäßigen Spielen in der Arena ab, in denen die Gesellschaft dem Müßiggang anheim fiel und ihr Amüsement in den Leiden der Arenenkämpfer fanden. Der Troll war dabei stets der Höhepunkt des Spektakels. Die Soldatinnen hatten ihn mit Hilfe von Stachelbändern, Lanzen und langen Bullenpeitschen dressiert, so dass der Gigant in der Manege wie ein abgerichtetes Äffchen allerlei lustige Kunststückchen vorführte.

Vesta hatte den Troll rasieren und zwei dicke Eisenringe durch seine Brustwarzen stechen lassen, die mit einer Kette verbunden waren, die als Zügel diente. Auch einen fetten Nasenring trug der Troll zur bequemeren Handhabung. Eine Art von Mutprobe für Freiwillige war, mit der Hand das schwere Eisengewicht zwischen den Beinen des Riesen zu berühren, während der Troll mit seinem Nasenring an einen gewaltigen Bodenring eingehakt war. Dabei lenkten zwei Mutige das wütende „Vieh“ von vorne, voller Tatendrang sprühend, ab. Der Troll wischte mit seinen kräftigen Armen nach den Personen, die außer der tödlichen Reichweite um seine Aufmerksamkeit buhlten. Währenddessen kniete er mit dem Kopf am Boden. Von hinten war er also für einen dritten Mutigen erreichbar. Doch wehe, der Troll schob dabei seine mächtigen Oberschenkel zusammen oder trat aus!

Der Nervenkitzel war für die Damenwelt auf den Rängen eine Heidenposse. Man fächelte sich eilig Luft zu, jauchzte vor Belustigung, prustete unfein oder jubilierte kichernd oder schreiend, raunte und applaudierte. Jede der Ladys träumte davon, so eine Bestie ihr Eigen zu nennen. Diese Kreatur besaß so starke Männlichkeit - und dabei dachten die frivolen Damen nicht nur an die Muskelberge des Ungeheuers. Das Gemächt des Ungetüms schürte ihre anzügliche und fiebrige Fantasie auf kühne Art und Weise an.

Trotz all der Vergnügungen musste Vesta regelmäßig Krisensitzungen mit ihren Duxas halten; denn die Gefahr aus dem Nordosten wuchs von Tag zu Tag. Cassandra war mittlerweile Potentatin über ein majestätisches Reich, das vom wüstenartigen Süden bis zum eisigen Nordland reichte, das so kalt war wie das Herz dieses Weibes. Und die Metropole sollte ebenfalls befriedet werden. Neben den vielen Untertanen der angegliederten Staaten kamen noch ungezählte Ströme von frischen Sklaven dazu, die im Eilverfahren zu Kämpfern ausgebildet wurden.

Jedoch ahnte Vesta nicht, dass ihr noch eine ganz andere Gefahr drohte: Ihre herzallerliebste Schwester Aurora hatte damit begonnen vorsichtig ein Netz aus Intrigen und Bestechung zu spinnen. Sie wollte die Mehrheit der Duxas auf ihre Seite ziehen und mit einem Militärputsch an die Macht kommen. Schließlich stand ihr die Krone zu, war sie sich sicher und schmiedete daher dunkle Ränke. Eine Duxa erwies sich kurze Zeit später dabei pikanterweise als doppelte Verräterin. Sie kassierte von Aurora einen Schweigelohn und gab sie dann doch ihrer Schwester preis.

Des Mittags drangen vier bewaffnete Gardistinnen in Auroras Gemach, in dem sie sich gerade mit zwei Lustsklaven auf unsägliche Weise verlustierte. Grob nahmen sie die Schwester der Königin fest und brachten die zeternde und Drohungen ausstoßende Gefangene in den Kerker unter dem Palast. Als Aurora von einer Wachfrau erfuhr, wessen sie beschuldigt wurde, war dies keine große Überraschung. Wer sonst, als Vesta in persona, würde es wagen, sie festnehmen zu lassen!? Und das konnte ja nur eines bedeuten: Hochverrat!

„Ich will mit meiner Schwester sprechen! Sofort!“, schnarrte sie hinter den rostigen, dicken Eisengittern und umklammerte das kalte Metall mit ihren feinen Fingern. Sie erwartete, dass ihre strengen Worte die Stille zerrissen wie eine Klinge ein Pergament, und dass damit jedes Widerwort der Wache im Keim erstickt war. Ihr wohnte immer noch die Prinzessin inne, deren Wort Gesetz war. Doch es kam anders. Hämisch spie die Uniformierte vor ihr auf den Boden. „Du hast nun gar nichts mehr zu befehlen.“ Sie griff nach der Wandfackel und stiefelte aus dem Gewölberaum, knallte die schwere mit Eisen beschlagene Holztür des Vorraumes zu und ließ die konsternierte Aurora in stockdunkler Nacht zurück.

Durch einen Riss im Gemäuer hörte sie von Ferne Trommelwirbel wie zur Ankündigung einer Bestrafung. Vorsichtig tapste Aurora in der Finsternis umher. Ihre Hände hielt sie mit ausgestreckten Armen vor sich, wobei ihr schon davor graute, was ihre Finger wohl als erstes fühlen würden. In ihrer Zelle gab es keine Möbel sondern nur altes Stroh als Nachtlager. Die Prinzessin tastete an der rauen Wand entlang und bemerkte einige rostige Eisenringe, die in das grobe Mauerwerk eingelassen waren, einige sich klamm anfühlende Ketten und einen Rinnsal Flüssigkeit, das hinablief und auf dem Boden eine kleine Pfütze bildete. Sie lauschte, wie es in einer anderen Ecke tropfte. Dann erreichte sie wieder die Front ihres Gefängnisses, die aus einer rostigen Gitterwand bestand. Sie sackte an den Stäben zu Boden und schluchzte. Wie hatte Vesta ihren Plan nur aufgedeckt?

Es mussten Stunden vergangen sein, da schreckte Aurora aus einem unruhigen Schlaf auf. Sie hockte immer noch an dem Gitter. Ihr verwöhnter Hintern tat ihr vom harten Boden weh. Auch der Rücken schmerzte, der gegen die Eisenstäbe gelehnt war. Der Rost hatte ihr Kleid befleckt. Aurora horchte angestrengt in die Stille. Da war doch ein Laut gewesen. „Holla? Ist da wer?“, rief sie und lauschte auf eine Antwort. Aber sie vernahm nur unheimliche Stille. Hatte ihr Geist im Licht der Hoffnung auf Errettung den vernommenen Laut geschaffen? War sie einer Illusion erlegen? Wurde sie langsam verrückt?

Dann war es wieder da: ein Scheppern. War hinter der Tür in einem anderen Raum ein Leidensgenosse eingesperrt? Doch seufzend musste Aurora erkennen, dass die Geräusche von Würfeln stammten: Wachfrauen schlugen beim Glücksspiel mit einem Lederbecher auf den umgedrehten Boden eines Bottichs. Mal waren Jubel, mal verärgerte Ausrufe zu vernehmen. Aurora seufzte tief und ballte ihre kleinen Fäuste, dass ihre Nägel in das Fleisch schnitten. Ihr ging eine Frage nicht mehr aus dem Kopf: Wann würde ihre Schwester endlich auftauchen?

Zelos hatte bei weitem noch nicht genug Münzen zusammen, um eine Schmiede bezahlen zu können, doch war ein Anfang gemacht. Nun musste er sich eine Tätigkeit suchen, bei der er etwas verdienen konnte. Nachdem er einige Absagen bei einem Händler, einem Färber und einem Kesselflicker erhalten hatte, fand der ehemalige Oberste von Ledanien einen Zimmermann, der einen Gehilfen benötigte. Doch die Arbeit brachte ihm nicht den erwünschten Lohn. So brachte er nie die benötigte Summe zusammen.

Wenige Tage später stellte er sich als früherer Kämpfer bei einer Schwerterschule vor. Die Frau in Lederhose und Fransenwams beäugte Zelos von oben bis unten. „Ihr wollt meine Soldaten etwas lehren können?“ Ihre Stimme triefte von Unglauben. Sie hob spöttisch die Augenbrauen. Doch Zelos erhielt seine Chance und überzeugte die Leiterin der Ausbildungsstätte durch eine kleine Probe im Duell gegen einen der besten Schüler. Sie nickte zufrieden und küsste ihren Anhänger, den sie um den Hals trug und in der Form eines Trollzahnes gestaltet war – oder sollte es etwa ein echtes Exemplar sein? Zelos erfuhr es nicht. Aber wichtiger war: Von nun an brachte er Jünglingen, die in Helenas Heer aufgenommen werden wollten, den Schwertkampf nahe. So sparte Zelos, hier als Anonymos bekannt, Münze für Münze.

Als er an einem späten Nachmittag in seine einfache Unterkunft lief, kam er an einer Gauklerin vorbei, die auf einem kleinen Tischchen vor sich drei gleichgroße Wallnusshälften liegen hatte. Eine kleine Menschentraube hatte sich vor ihr gebildet und war gefesselt von dem Geschehen. Auch Zelos trat dazu und beobachtete interessiert, wie das Weib mit flinken Fingern die Nussschalen hin- und herbewegte. Schließlich hob sie eine an und zeigte eine Perle, die darunter lag. Jetzt stülpte sie die Schale wieder darüber, verschob die Nüsse erneut und fragte dann ihr Publikum, unter welcher Nuss sich die Perle wohl befinde.

Zelos verfolgte das Raten eine Weile. Fast immer fanden die Personen die richtige Nuss. Wer wählte, bezahlte vorher einen kleinen Einsatz. Wenn er schließlich auf die Schale zeigte, unter der sich die Perle befand, bekam er den doppelten Einsatz zurück. So ging es eine Weile hin. Zelos fragte sich schon, wie sich die Gauklerin es sich leisten konnte, so viele Münzen zu verlieren. Und dann siegte die Neugier, und er spielte mit. Das Weib war zwar schnell, doch Zelos geschulte Augen waren es auch. So verdiente er mehrmals hintereinander das Doppelte seines Einsatzes.

Die Gauklerin seufzte. „Alles oder nichts, sonst bin ich bald arm und meine Arme werden langsam müde.“ Zelos schlug ein und schob ihr seinen gesamten Beutel mit Münzen hinüber. All sein Erspartes. Doch würde er nun die Perle finden, hätte er genug Silber zusammen, um eine Schmiede aufsuchen zu können. Wieder verfolgte er die Schale mit der Perle ganz genau wie mit Adleraugen. Am Schluss war er sich absolut sicher. Er zeigte auf die rechte Nuss. Die Gauklerin hob die Schale an und Zelos Unterkiefer fiel hinab: Sie war leer.

Das Weib hob die beiden anderen Nusshälften, und die Perle fand sich unter einer der zwei. Zufrieden grinsend sammelte sie alles Münzen ein und räumte zusammen. „Ich muss weiterziehen. Gehabt Euch wohl, Fremder. Womöglich ist Euch das Glück ein anderes Mal hold.“ Entsetzt sah er der jungen Frau nach, die gar nicht flink genug verschwinden konnte. „Betrug!“, rief er ihr aufgebracht hinterher. „Du bist eine Schwindlerin!“ Er wollte ihr schon nachlaufen, doch da war er plötzlich von kräftigen Männern umringt. Zelos blieb nur der Rückzug. Mit hängendem Kopf marschierte er in seine Unterkunft. Er hatte alles verloren. Seine Spielneugierde hatte ihm bittere Ernte eingefahren. Die Alten Götter mussten ihn hassen!

Catulus lief zu einer kleinen Schmiede in einer engen Gasse, holte einen kleinen Büdel hervor und reichte der Handwerksmeisterin das Goldnugget. „Erlöst mich von meinem Keuschheitsgürtel, und er gehört Euch.“ Die Frau beäugte den Klumpen und biss mit überraschend weißen und gerade Zähnen hinein. Zufrieden nickte sie und pfiff laut nach ihren Helfern. Zwei stämmige Männer mit nacktem Oberkörper und Stiernacken erschienen. Sie zeigte auf den Besucher. „Befreit den Recken aus seinem Keuschheitsgürtel.“

Die glatzköpfigen Kerle machten sich ans Werk. Zunächst klemmten sie vorsichtig die Schelle zwischen eine Quetsche. Catulus verspannte sich am gesamten Leib vor Angst, die schweren Werkzeuge würden ausrutschen und ihn entmannen. Aber das Duo machte sich mit langen Zangen und Haken geschickt und beinahe routiniert, also hätten sie schon Dutzende Mannsbilder befreit, über die Vorrichtung her. Behuf sollte die Befreiung des Mannes sein, doch es kam anders. Der Keuschheitsgürtel leistete erbitterten Widerstand. Plötzlich hörten die Männer hinter sich die Schmiedemeisterin rufen. „Was ist das? Schwarze Magie! Dieser Schurke will uns begaunern! Lasst ab von ihm!“ Sie eilte wutentbrannt herbei.

Die Helfer traten erschrocken zu Seite. So hatten sie ihre Meisterin noch nie erlebt. Catulus starrte das Weib fragend an. „Was gehabt Ihr Euch denn so toll?“ Doch dann sah er die Bescherung: Das Nugget war zu einem wertlosen Kieselstein geworden. „Aber…“ Er wollte seinen Augen nicht glauben. Die Schmiedin kniff ihre Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und geiferte Speichel sprühend. „Ich weiß nicht, wie du Schuft das gemacht hast, aber du sollst einen gehörigen Denkzettel erhalten, der dir solche Untaten austreibt!“

Catulus ruckte und zerrte an der Quetsche, aber ohne den langen Hebel, den ein Helfer in der Faust trug, konnte sich der Jüngling nicht daraus befreien. Sein Gemächt saß fest zwischen den massiven Eisenbacken. „Lasst mich frei!“, forderte er und zerrte weiter. Aber die Schmiedin dachte nicht daran. Sie näherte sich von hinten mit einem glühenden Eisen. „Mal sehen, ob wir das Höschen nicht doch noch abbekommen. Auf ganz besondere Weise. Wenn es heiß genug ist, lässt es sich ganz einfach biegen.“

Catulus flehte: „Bitte, werte Schmiedin! Bitte tut das nicht! Ich wollte Euch nicht betrügen! Mein Wort als Ehrenmann!“ Die Meisterin gackerte, als habe er einen köstlichen Scherz gerissen. Dann hielt sie das orange aufleuchtende Ende ihres Stabes zwischen Catulus Beinen hindurch gegen seine Keuschheitsschelle. „Nicht bewegen, du Spitzbube!“, riet sie ihm. Catulus atmete schnell, flach, riss die Augen auf, drehte den Kopf umher. Seine Hilfe suchenden Blicke zu den Gesellen brachte ihm nur Hohn und Spott ein. Die Nähe zu dem glühenden Eisen war schon heiß genug, aber wenn…

Plötzlich schrie der ehemalige Sklave schrill aus vollem Halse auf. Die Schmiedin war abgerutscht und hatte seine Pobacke berührt. Es zischte und knisterte in der Luft. Schnell drückte sie ihm einen kühlen Hudel auf die malträtierte Stelle. „Gnade!“, jammerte Catulus. „Es tut mir Leid! Ich wollte Euch nicht…“ Die Meisterin fiel ihm ins Wort. „Ruhe! Lasst ihn frei! Er hat seine Lektion erhalten. Und wie ich sehe, war ich nicht die Erste, die seinen süßen Hintern mit dem Eisen verziert hat.“ Sie strich mit ihrem Finger fast liebevoll über die Brandzeichen auf seinen Backen. Wieder zeterte Catulus los, weil er im ersten Augenblick dachte, dass er erneut den heißen Stecken berührte. Hastig zog er sich die Hosen hoch und flüchtete aus der Schmiede, als seien alle Dämonen der Unterwelt hinter ihm her. Das Gelächter der Männer und des Weibes begleitete ihn bis in die Gasse, wo er immer weiter lief, bis ihm das Herz bis zum Hals klopfte.

Am nächsten Tag lernte Zelos einen jungen Mann kennen, den die Schwertlehrerin als Gehilfe eingestellt hatte. Der Jüngling namens Catulus sollte die Schneiden schärfen und die Waffen sauber halten. „Achte darauf, dass er gewissenhaft arbeitet“, sagte das Weib an Anonymos gerichtet. Zelos nickte. Er betrachtete den Gehilfen skeptisch. „Du bist sehr gut gekleidet für einen Handlanger. Wo kommst du her, Bursche?“ Catulus erzählte, dass er früher ein wohlhabender Mann gewesen sei, doch sein Vermögen verloren habe, als er aus einem fernen Reich hatte fliehen müssen.

Zelos fragte, ob er schon eine Bleibe habe, was Catulus verneinte. Zelos schlug vor: „Dann wohne bei mir. Dafür bekomme ich einen Teil deines Lohnes.“ Catulus willigte notgedrungen ein und murmelte: „Aber Kost und Logis! Ich brauche meinen Verdienst. Ich muss dringend einige Silbermünzen zusammensparen.“ Wofür er das Geld benötigte, verriet er nicht. Der ehemalige Oberste war einverstanden mit dem Handel und besiegelte ihn mit einem kräftigen Handschlag.

Einige Tage später erwischte Zelos seinen Untermieter im Geburtskostüm als dieser sich gerade unvorsichtigerweise aus einem Waschzuber erhob, als Zelos in die Kammer kam. „Sieh an! Er trägt einen Keuschheitsgürtel“, wunderte sich der Zeuge laut. Catulus stotterte mit hochrotem Kopf: „Das… äh… hat einen Grund… Ich trage ihn aus Treue zu meiner Geliebten…“ Zelos lachte humorlos auf- „Unfug! Du bist fürwahr ein entlaufender Leibeigener aus dem Osten. Seid der Wahrheit getreu!“ Catulus seufzte resignierend. Sein Gegenüber würde ihn doch wohl nicht etwa verraten? Aber an wen? Hier in Helenas Reich war er sicher.

Und zu seiner großen Überraschung hob Zelos – hier als Anonymos bekannt – sein fadenscheiniges Leinengewand und löste seinen Lendenschurz. Catulus war sprachlos. Anonymos trug ebenfalls einen Keuschheitsgürtel. „Aber… Wieso… du?“ Zelos winkte ab. „Ich könnte dir nun auch so eine Räubergeschichte erdichten, aber lassen wir es einfach. Ich bin kein Minnesänger oder Troubadour mit Weisen auf den Lippen. Wir haben beide dasselbe Problem und brauchen Silber, um eine Schmiede zu bezahlen. Also lass uns fleißig sein und für unseren Aufschluss schuften.“ Die Männer gaben sich die Hand darauf und versprachen, nichts vom Geheimnis des anderen auszuplaudern.




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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:06.07.22 19:00 IP: gespeichert Moderator melden



Anonymos und Catulus plagten sich von morgens bis abends in der Soldatenschule. Catulus schliff und polierte Klingen, schleppte Waffen, sortierte sie, versorgte kleine Blessuren der Schüler und garantierte für das Wohlergeben der Leiterin – wie genau, das wollte er Anonymos nicht erzählen.

Anonymos nahm die jungen Kämpen unter die Fittiche und bildete sie mit Schwert, Lanze, Schild und Morgenstern aus, zeigte ihnen die Kunst des waffenlosen Nahkampfes und lehrte sie einige weiterer Fähigkeiten, die ihnen auf dem Feld der Ehre vor dem Tode bewahren sollten, während der Übungsstunden jedoch zu blauen Flecken führten.

So wuchs, während die Tage vergingen, der Inhalt ihrer Geldbeutel langsam aber stetig.
Und als sie etwa die Hälfte des Schmiedelohns zusammengespart hatten, war Anonymos an einem Morgen verschwunden. Catulus hörte in der Söldnerschule, dass sein Kamerad nicht mehr dort arbeitete. Mit einer furchtbaren Ahnung lief er zurück zu ihrer Kammer und stellte fest, dass auch die wenigen Besitztümer von Anonymos nicht mehr da waren. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.

Catulus wühlte in dem Schrank, wo er seine Ersparnisse hinter einer alten Wolldecke versteckt hatte. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und perlte über sein Gesicht. Der Beutel war weg. „Dieser miese Verräter!“ Zornig zerrte er an seinem Keuschheitsgürtel. „Wann komme ich endlich aus diesem Kerker meiner Männlichkeit? Wann? Ihr Alten Götter! Warum? Was habe ich verbrochen, dass Ihr mich so grausam und unerbittlich straft!?“

Frustriert und resignierend sackte er zusammen. Das Sparen würde wohl wieder von vorne beginnen müssen. „Falls mir dieser Drecksack irgendwo in dieser Stadt über den Weg läuft, drehe ich ihm seinen Hals um wie einem Huhn!“, knirschte der abstinente Catulus. Der entflohene Liebessklave aus der Metropole war verzweifelt. Er verdammte vor lauter Frust seine Männlichkeit. Was hatte es doch ein Haremswächter aus früheren Jahren gut, dem solche schmerzhaften und unbarmherzigen Gelüste fremd waren! Anonymos hatte ihn in eine noch tiefere Unterwelt gestoßen. Dieser miese Verräter!

So vergingen die schweißtreibenden Tage für den entflohenen Sklaven, während Zelos als freier Recke im wahrsten Sinne des Wortes jedem weiblichen Rock hinterher jagte. Mit dem vollen Geldbeutel hatte er sich die Freiheit aus seinem Keuschheitsgürtel und ein edles Gewand erworben. Bald schon war er unter seinem hiesigen Namen Anonymos als Schürzenjäger verschrien, aber es gab immer wieder Mägde und sogar Damen von Stand, die seinem Charme und seiner Männlichkeit verfielen. Zelos genoss sein neues Leben in vollen Zügen.

Lediglich musste er aufpassen, dass ihn sein früherer Mitbewohner nicht aufspürte. Und die Sorge vor Entlarvung machte ihm mehr und mehr Sorge. Doch das Blatt wendete sich, als er eine schicksalhafte Begegnung mit einer Magd namens Insidia, einer unglaublichen Schönheit, die allen Mannsbildern den Kopf verdrehte, hatte. Natürlich verfiel auch Anonymos dem jungen wollüstigen Weibe, doch auch sie verliebte sich in den kräftigen und gestandenen Mann, der mit seinem Eisenschwert so geschickt war wie mit seinem Liebesschwert.

Bald schon waren die beiden ein Paar. Und in Anonymos reifte ein hinterhältiger Plan, wie er Catulus ein für alle mal loswerden könne. Insidia erschien eines Tages bei Catulus, der noch in der Kriegsschule arbeitete und bezirzte ihn nach allen Künsten der Verführung. Und trotz der Gewissheit seiner Gefangenschaft in einem Keuschheitsgürtel war er wehrlos gegen die fleischlichen Verlockungen dieses sirenenhafte Prachtweibes. Doch kaum lagen sie gemeinsam in wilden Küssen im Stroh – Insidia hatte leidenschaftlich ihr Kleid aufgerissen, um die gierigen Finger des Jünglings zu spüren – schrie sie plötzlich um Hilfe. Catulus wusste gar nicht, wie ihm geschah, da standen schon mehrere Krieger um ihn und zerrten ihn grob von der Schönheit weg.

Trotz der Beteuerungen des Burschen, ward er von Wachleuten unter der Leitung einer Centuria abgeführt und in das Stadtgefängnis gebracht. In Helenas Reich entwickelte sich zwar in diesen Tagen eine Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, doch war diese Entfaltung zunächst ein zartes Pflänzchen. Mannsbilder, die sich etwas zu schulden kommen ließen, mussten noch mit harten Strafen rechnen. Und die Richterinnen glaubten eher einem Weib als einem Manne.

Catulus fand sich in einer Sammelzelle mit Bettlern, Strauchdieben und anderen Strolchen wieder, darunter auch Schläger, Räuber und angeblich sogar Mörder. Hoffentlich würde sich seine Unschuld bald herausstellen, betete er zuversichtlich zu den Alten Göttern und grämte sich seines Schicksals. Doch die Mühlen der Justiz mahlten langsam. Wer wusste, ob es jemals zu einer Anklage kommen würde? Vielleicht sollte er Zeit seines Lebens im Kerker mit diesem lichtscheuen Gesindel verbringen?

Genug Zeit hatte er, darüber nachzugrübeln, warum die Schönheit ihn hereingelegt hatte. Solche Fallen wurden hin und wieder zwar reichen Mannsbildern gestellt, um sie auszurauben – aber er hatte doch nichts! Während Catulus sich keinen Rat wusste, erzählte Insidia ihrem Anonymos aufgeregt von der gelungenen Tat. Die beiden fühlten, wie die Hitze in ihnen aufstieg, und sie gaben sich den fleischlichen Gelüsten hin, die nun umso süßer schmeckte. Zelos suhlte sich in der Vorstellung, dass Catulus aus dem Weg geräumt war. Im Keuschheitsgürtel und Gefangener der Stadtwache – dort würde er vegetieren müssen!

Insidia versprach ihm, „dass ich mich darum kümmern werde, dass der Bursche uns nicht mehr die Wege kreuzt. Ich habe Freunde unter den Wächterinnen. Catulus wird bald, ohne vor eine Richterin gebracht worden zu sein, in den Kerker unter Helenas Palast geliefert werden und dort forthin verschwunden sein.“ Anonymos küsste seine Komplizin leidenschaftlich. „Oh, Insidia. Du bist so teuflisch klüglich wie schön!“ Nun gab es kein Halten mehr für die beiden Liebenden. Anonymos raffte ungeduldig ihren Rock hoch und stieß sein pochendes Schwert erneut in ihre Vulva, die heiß und nass voller Gier das harte Fleisch empfing.

Schon am nächsten Tag hatte Anonymos eine Idee, wie er künftig mit Insidia Münzen verdienen wolle. Die beiden gingen zu einer Schmiede und erwarben Dutzende Keuschheitsgürtel. In den Tavernen und Schenken der Stadt ging Insidia in den Folgenächten auf die Suche nach Opfern. Die Schönheit brauchte nicht viel Überzeugungskraft zu leisten, um so manchen Kämpen um den Finger zu wickeln. Die Kerle wurden von ihr angezogen wie die Motten vom Licht einer Laterne.

Die meist angetrunkenen Mannsbilder waren zu fast allem bereit, um die anmutige Aphrodite zufrieden zu stellen. Daher ließen sich die meisten Recken darauf ein, sich als „Liebesbeweis“ für einen Tag von dem Lockvogel in einen Keuschheitsgürtel stecken zu lassen. Am nächsten Morgen sollten sie dann ihre „göttliche Belohnung“ für ihren Mut erhalten.

Doch statt der ersehnten wilden Lust mit dem Prachtweib erschien ein angeblicher Bote der Dame, der den Schlüssel der eisernen Hose zum Kauf feilbot. Da der Preis immerhin noch etwas niedriger war als eine Schmiedin zu beauftragen – ganz zu schweigen von der Scham, diese aufsuchen zu müssen – ließen sich fast alle Geneppten darauf ein, nachdem sie endlich begriffen, das sie keine Wahl hatten und auf ein gemeines Biest von Weib hereingefallen waren. Anonymos und Insidia scheffelten so Beutelweise Silbermünzen und erwarben bald ein hübsches und komfortables Heim mit Dienstboten.

Fast war Catulus vergessen, bis Insidia Wochen später auf ihn zurückkam: „Was glaubst du, was aus diesem Sklaven geworden ist?“ Anonymos zuckte mit den Schultern: „Lass es uns herausfinden und ihn besuchen. Kannst du arrangieren, dass wir mit ihm alleine sind?“ Insidia nickte langsam und sah ihrem Geliebten tief in die Augen: „Welcher Schalk treibt dich nur hier wieder an?“

Sie sollte es bald erfahren: Anonymos und Insidia hatten eine ganze Stunde mit Catulus ohne Zeugen, dafür hatten sie mit ein paar Münzen und hübschen Augen bei der Wache gesorgt. Als Catulus seine Besucher erkannte, sprang er an das rostige Gitter und brüllte: „Ihr? Du verlogenes Biest! Und Du! Du Dieb! Du hast mir… Ihr gehört zusammen?“ Anonymos lachte dreckig. „Und wie du siehst, bin ich nun derjenige mit dem Brokatstoff. du dagegen trägst nur noch schmutzige Fetzen am Leib. Ach ja, und einen Keuschheitsgürtel immer noch.“

Insidia hauchte dem Entrüsteten entgegen: „Da dachten wir, wenn du schon Zeit deines kümmerlichen Lebens kein Weib mehr sehen wirst, sollst du zumindest noch ein einziges Mal eines betrachten dürfen.“ Sie räkelte sich vor ihm und öffnete lasziv die Schnüre ihres Kleides und nestelte an ihrem Mieder. Sie kam näher und zeigte ihm ihre blanken Brüste, die sich ihm entgegen reckten.

In Catulus tobte ein Widerstreit. Er wollte dieses Biest wegstoßen, doch genauso drängend war das Gelüste und Begehren, diese wundervollen Brüste zu berühren. Er streckte sehnsüchtig seine Hände nach ihr aus, doch blieb Insidia stets knapp aus seiner Reichweite und kicherte. Anonymos griff ihr unter den Rock und knetete obszön ihre Pobacken. „Und das sollst du auch wenigstens mit deinen hungrigen Augen verfolgen dürfen…“ Catulus war steif vor Entsetzen. In seinem Keuschheitsgürtel wurde es eng wie nie. Die beiden wagten es, vor ihm…

Er konnte sich nicht bewegen, nicht sprechen, nicht einmal die Augen vor dem verschließen, was sich da an Verlangen und Verlockungen abspielte. Die gleitenden Finger, die sündige Lust, die heiße Leidenschaft, Gekicher… ungezähmtes Stöhnen, wilde Bewegungen außer Rand und Band… ein Mahlstrom der Passion… Dann entlud sich die Hitze vor ihm. Seiner Zunge entfleuchte ein tiefer Seufzer. Catulus sah schmachtend und tief gedemütigt, wie das Paar in ihrem außergewöhnlichen Liebesnest ihre Freude teilte und sich an seinem grausamen Schicksal ergötzte.

Als die zwei feixend den Gewölbekeller verließen, in dem sich das Verlies des armen Sklaven befand, brannte es bitter in Catulus Augen. Tränen des Zornes, der Frustration und der Verzweiflung waren ihm die schmutzigen Wangen hinab geflossen. Dem späteren Gelächter und hämischen Bemerkungen der Wächterinnen zufolge, wussten auch diese Bescheid über seine grausame Vorführung. Die Frotzeleien ließen ihn zugleich frösteln und in Hitze versengen. Seine Folterknechte waren gegangen, aber die Qual war geblieben.

In der Dunkelheit plagten Catulus böse Nachtmahre: Umkreist von behelmten Wächterinnen, die ihm ihre nackten Brüste keck entgegenstreckten, die ihn auslachten und ihren Beinkleidern beraubten Wachmännern, die ihn mit ihrer eigenen Lust bespritzten… Schreiend und mit den Armen abwehrend wedelnd erwachte der Gefangene.
Er war allein in seiner Zelle. Allein mit seinem Keuschheitsgürtel als ewiger und einziger Begleiter. In den Mauern des Vergessens, wie der Kerkerkomplex der Helena auch genannt wurde. Denn das war er: ein Schauplatz der Verlorenen und ihrer Pein.

Weit entfernt näherte sich ein Reisender einem anderen Land. Nun rastete er auf einer kleinen Anhöhe neben einer Föhre. Der Seher Caduceus war bis an die Grenze zu Ledanien vorgerückt. Seine Visionen hatten ihn vor einer Begegnung mit einem Troll oder Räuberbanden verschont. Tief atmete er den Dampf einer geheimen Kräutermischung ein, die über einem kleinen Lagerfeuer siedete. Er musste den genauen Ort des magischen Kristalls kennen, um die Höhle zu finden. Und in dieser Nacht war es soweit.

Er brach auf, um schließlich den Grenzwall von Ledanien zu durchreiten. Die Wachen fragten ihn, wer er sei, wo er herkam und wo er hinwolle. Caduceus erzählte, dass er Reisender sei, der aus dem fernen Osten komme und an die Westküste möchte, um dort in einem Fischerdorf einen Neffen zu besuchen. Der leitende Grenzwächter winkte ihn mit einer Fuchtel gegen einen kleinen Zoll an einigen Lanzenreitern vorbei. Der alte Greis war wohl weder Räubergeselle noch feindlicher Spion. Und ein mittelloser Vagabund war er auch nicht; sonst würde er nicht auf so einem edlen Rappen sitzen. Der Uniformierte kaute auf einer Betelnuss herum und sah dem fremden Reitersmann gleichgültig hinterher. Vom Wegegeld würde er wie üblich ein Scherflein in die eigene Tasche stecken.

Caduceus hatte sich ganz genau eingeprägt, wo die Höhle sich befinden sollte. Seine Visionen hatten sich in seinem Hirn eingeprägt wie Brandeisen in nacktes Fleisch. Zu wichtig war seine Mission. Langsam stieg die Ebene ein wenig an, der Boden ward steiniger und beschwerlicher. Der Seher spürte die Nähe zu dem Kristall. Sein Herz schlug kräftig hinter seinen Rippen. Felsen dominierten die Umgebung, einige hoch wie ein Wehrturm. Manche von ihnen ragten senkrecht in die Höhe, andere erinnerten an gewaltige Splitter, als hätten wütende Riesen vor Äonen hier Steinblöcke auf dem Boden zerschmettert.

Nach einer weiteren Stunde Ritt stieg er von seinem Rappen und führte das Tier eine Weile über schroffe Felsformationen voller Geröll und Findlinge, dann hatte er den Eingang zur Höhle erreicht. Er band den Vierbeiner an einem knorrigen Olivenbaum an und betrachtete den engen Schlitz, der den Eingang zu dem unterirdischen Bau bildete. Teilweise mit Efeu bedeckt, war er für Uneingeweihte kaum zu bemerken. Krähen schrien schwirren Flugs wie zur Warnung laut am Himmel.

Caduceus entzündete eine Pechfackel und schob sich mit ihr in den schwarzen Spalt. Die Luft im Innern war feucht, kühl und stickig. Plötzlich raste etwas auf ihn zu. Caduceus duckte sich und glaubte schon an die Attacke eines Höhlenkobolds, doch der Angreifer stellte sich als aufgeschreckte Fledermaus heraus. Beinahe war ihm dabei die Fackel aus der Hand gefallen. Erleichtert stand der Seher wieder auf, kopfschüttelnd über seine Schreckhaftigkeit.

Tapfer trat er tiefer in die Höhle vor. Mit seinem lodernden Licht wischte er von links nach rechts, um den Raum auszuleuchten und sich vor Gefahren zu schützen, die womöglich in jeder dunklen Ecke lauern konnten. Vielleicht hatten die antiken Magier das Versteck des Kristalls mit tödlichen Fallen vor unerwünschten Besuchern abgesichert. Getarnte Fallgruben mit spitzen Lanzen am Boden wären auf dem Felsenboden kaum auszumachen. Langsam stapfte Caduceus Schritt für Schritt tiefer in den Gang vor, immer vorsichtig und auf der Hut. Die Luft war hier wie der kalte Abendhauch. Sie umrang ihn und nahm ihn gefangen. Wohl war ihm nicht dabei. Irgendetwas schien ihm den Hals zuzuziehen wie eine unsichtbare Garotte. Er schluckte schwer und sog den Odem tief in seine Lungen, um sich zu vergewissern, dass das einschnürende Gefühl nur Einbildung war.

Stalaktiten und Stalagmiten versperrten ihm teilweise den Weg. „Für solche Abenteuer bin ich mittlerweile zu gebrechlich“, schnaufte der Greis und quetschte sich ratschend an den Tropfsteinen vorbei. Jedes Geräusch, das der Seher machte, schallte und echote laut an den feuchten Wänden der Höhle. Und als der Eindringling schon erschöpft eine Pause einlegen wollte, erblickte er einen grünen Schimmer. Der Kristall! Ein wunderschöner Anblick und zugleich angsteinflößend. Er lag auf einer Art Podest aus Felsgestein wie auf einem Thron.

Caduceus arbeitete sich weiter vor. Jetzt spürte er auch die Kraft des magischen Steins. Je näher er kam, desto intensiver schien der Kristall von innen heraus zu leuchten. Und schließlich stand Caduceus fast ehrfürchtig vor dem geheimnisvollen Brocken. Er lag auf einem Felsentisch und strahlte so hell, dass der Seher seine Fackel kaum benötigt hätte. Er hatte sein Ziel erreicht und war ganz in den Bann des Steins gezogen, bewunderte seine Schönheit und vergaß dabei beinahe, warum er hier war.

Dann kam er wieder zu sich und überlegte, wie er den magischen Bann von dem Kristall nehmen sollte? Wie würde dieses gewagte Unterfangen gelingen? Er musste zerstört werden, so viel war ihm in seinen Visionen klar geworden. Doch womit? Ob er sich einfach mit einem Fels zerschmettern ließ? Und was würde dann geschehen? Caduceus rieb sich nachdenklich das Kinn. Wenn sein Versuch misslang, würde er vielleicht von einem Kraftstoß des Kristalls vernichtet werden?

Mitnehmen konnte er den grünen Stein auch nicht. Als er ihn anheben wollte, merkte er, dass der Edelstein unverrückbar auf seiner kalten Unterlage feststeckte. Und je näher der Seher dem Kristall kam, desto heller schien dieser zu strahlen, fast als wolle er den Eindringling abwehren. Warum habe ich nicht an einen Streitkolben oder ähnliches gedacht!, schalt er sich. Er sah sich in der Höhle um und schwenkte die Fackel. Nirgends lag ein loser Fels. Aber irgendetwas in ihm warnte ihn auch davor, den Kristall einfach zu zerschmettern. Vielleicht wäre ich des Todes, fürchtete Caduceus. Er beugte sich näher über den grünen Brocken und griff erneut danach. Er legte seine rechte Hand über ihn, dann zusätzlich die linke. Der Seher schloss die Augen und konzentrierte sich auf seine magischen Kräfte.

Die bannenden Ketten mussten dem Leviathan genommen werden, doch dazu musste der Kristall erlöschen. Caduceus murmelte rituelle Formeln und begann zu zittern. Die magische Arbeit kostete ihn beinahe alle Lebenskraft. Der Schein des Steins wurde schwächer und schwächer… und bevor das Lebenslicht des Sehers erlosch, erstarb das magische Band. Caduceus brach erschöpft zusammen. Die Magie des Kristalls war erstickt.



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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:11.07.22 22:24 IP: gespeichert Moderator melden


Nachdem ich unlängst für meine Geschichte neuerliche Anerkennung erfahren habe, möchte ich nun meinerseits nicht säumen, ein weiteres Mal meine vorzüglichste Hochachtung dem Autor dieses Romans entgegenzubringen; neben der schier unendlichen Phantasie bewundere ich den literarischen Erzählstil auf höchstem Niveau, wie offenbar geradezu spielerisch-selbstverständlich die Finger des Schriftstellers über die Tastatur fliegen und dabei perfekt die alte Sprache mit ihren archaisch anmutenden Begrifflichkeiten aufleben lassen, einzig die Anwendung der neuen Rechtschreibung beraubt die Illusion, es handelte sich um ein Werk des 19. Jahrhunderts, somit haben wir Grund zur Annahme, daß sich hinter dem Pseudonym des Prallen Beutels ein äußerts talentierter berufsmäßiger Schriftsteller verberge.
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:16.07.22 15:16 IP: gespeichert Moderator melden


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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:16.07.22 15:17 IP: gespeichert Moderator melden


Viele Meilen westwärts türmten sich auf dem großen Westozean die Wellen. Ein Sturm wütete und erzeugte weiße Schaumkronen, die durch die zornigen Böen durch die Luft fetzten. Der Himmel verdunkelte sich zu einem tiefen Grau, verdüsterte sich weiter und ward bald fast schwarz wie eine mondlose Nacht. Ein ohrenbetäubender Donner krachte, und ein gezackter Blitz erhellte justament grell die schwarzen Wogen. Die See brodelte und dann auf, wild und wilder; da tauchte ein Monstrum an die Oberfläche, das seit Jahrhunderten auf dem Meeresboden gefangen gewesen war. Der Leviathan war frei und brüllte so laut und durchdringend, dass das Wasser zu zittern schien. Endlich waren seine Ketten gelöst, die das Urvieh am Grund gefangen gehalten hatten! Jedes Schiff, das sein Reich zu durchqueren suchte, würde er gnadenlos in die Tiefe ziehen und zermalmen.

Ein ganzer Tag verging, bis Caduceus allgemach Kraft fand, aufzustehen und sich aus der Höhle zu schleppen. Das Himmelsblau war wunderschön und doch viel zu grell für seine entwöhnten Augen. Sein Rappe hatte sich von dem Ölbaum befreit und weidete nicht weit auf einer Wiese, durch die ein kleiner Bach floss, über dem sich Mückenschwärme sammelten. Der Greis wankte schwach und unsicher bis zu dem glucksenden Wasser und fiel wie leblos hinein, trank gierig das kühle und erfrischende Nass und sammelte langsam wieder Lebenskraft.

Später suchte er Beeren und andere Früchte und machte sich nach seiner einfachen Mahlzeit auf den Weg zu Leda. Was wird die Königin für Augen machen, wenn sie ihren alten Weggefährten wieder sieht, stellte sich Caduceus vor. Je näher er der Burg der Regentin kam, desto mehr Kraft durchströmte seinen Leib. Bald schon sah er die Fahnen des Staates auf den Türmen der Zitadelle wehen. „Leda“, sagte er zu sich selbst. „Wie habe ich mich nach diesem Wiedersehen verzehrt!“

Als er mit klappernden Hufen seines schwarzen Rosses auf die Zugbrücke ritt und vor dem Fallgitter den Wachen seine Ankunft ankündigte, eilte ein Uniformierter spornschlags zur Königin. Kurz darauf erschien Leda persönlich und eilte dem Greis, der vom Pferd gestiegen war, entgegen. „Caduceus! Das uns das Kismet wieder vereint! Wer hätte das gedacht? Die Alten Götter sind uns gnädig!“

Der Seher musste bei würziger Graupensuppe, knusprigem Wildbret, erlesenen Früchten, edlem Wein und heißem Mokka berichten, was er erlebt hatte. Auch Gladius und Nike gehörten neben Abas zu den Auserwählten der Runde und lauschten dem Alchimisten gespannt. Schaulustige versammelten sich um die Burg und auf den Gängen, um so geschwind wie möglich die Neuigkeiten zu erfahren, die sich wie Lauffeuer verbreiteten.

Unter die Wissensdurstigen gesellte sich auch ein neugieriger Wachmann, der erst seit kurzer Zeit im Dienste der Leda stand. Er war als mittelloser Flüchtling mit einer Weinhändlerin nach Ledanien gekommen und hatte sich der Streitmacht von Ledanien verdingt. Eisern sparte er nun seinen Lohn. Wofür, verriet er seinen Kameraden nicht. Zu sehr schämte sich Aphron für seinen Keuschheitsgürtel. Aber seine eingesperrte Männlichkeit hatte er für einige Stunden vergessen. Zu sehr fesselte ihn die Ankunft des geheimnisvollen Alten.

Später kümmerte sich Caduceus um den Königsgemahl. „Zelos, dieser Verräter!“, murmelte der Seher. „Vielleicht kann ich in meinen Visionen erkunden, was aus ihm geworden ist.“ Leda winkte ab. „Zelos ist für mich gestorben. Er ist verbannt und so soll es bleiben.“ Caduceus bereitete eine Kräuteressenz und kochte daraus einen Tee für den Genesenden. Dann bestrich der Heiler dessen Gesicht mit einer Salbe aus „Drachenblut“, einem Pulver aus Zinnober und Scharlachbeere. Der Greis hielt seine Hände über Abas Stirn und rezitierte Formeln.

Von diesem Tage an gesundete Abas deutlich zügiger. Und nicht nur das. Er spürte sogar, wie seine Manneskraft erwachte. Anfangs nur schwach und zart, dann allerdings umso prächtiger. Leda konnte es kaum glauben und erlebte seit langer Zeit wieder eine Liebesnacht mit ihrem Gatten, der die königlichen Äpfel sanft streichelte und dann mit einer Hand den Weg zu der aufgerichteten Knospe im Schoße der Majestät fand und sie umschmeichelte. Daraufhin schob sich sein Liebesschwert, stramm stehend wie ein Gardesoldat, in die Spalte, der er so lange ferngeblieben war, und tat sein labendes Werk. Leda jauchzte erquickt, während ihre Sinne tobten. Ein euphorischer Rausch durchströmte die beiden in höchstem gemeinsamem Glück. Ihre Leiber und Herzen verschmolzen miteinander in heißer Glut, und als die Lust gestillt war, schmiegten sie sich aneinander und schworen sich – Auge in Auge und Mund auf Mund - ewige Treue.

Als Abas eingeschlafen war, ließ Leda ihren Gefühlen freien Lauf und weinte still vor Glückseligkeit - aber auch aus schlechtem Gewissen, denn nach dem mutigen Duell von Gladius war in ihr erneut ein sündiges Verlangen nach dem Schultheiß erwacht. In ihren Träumen durchlebte sie hunderte Male die Leidenschaft im Exil, die sie mit Gladius in vergangenen Tagen erfahren hatte – als sei es gestern gewesen. Doch diese verdorbene Vereinigung sollte und durfte es nie wieder geben.

In der Liebesnacht des Königspaars stand Caduceus allein am Spitzbogen-Fenster seines Turmes, in dem er eine Kammer bewohnte und schaute in die tiefschwarze Nacht, die heute keine Sterne und nur einen schmalen Neumond zeigte, hinaus. Plötzlich landete ein Falke am Mauerwerk, schrie und flatterte. Der Seher schloss die Augen. Sofort erschienen ihm verschwommene Trugbilder: Der Leviathan war entfesselt. Keine Armada würde den Alten Kontinent erreichen. Würde das Westvolk eine zweite Invasion versuchen, so scheiterte sie gar fürchterlich. Der Drache würde sämtliche Schiffe in ihr nasses Grab ziehen und die armen Seelen verspeisen.

Der Hofalchimist brühte sich eine kleine Menge Schlafmohn, um seine Augen schwer werden zu lassen und begab sich auf sein Nachtlager. Dann blitzte ein Gedanke in ihm auf: Auch im Osten braute sich Gefahr zusammen. Ledanien musste wachsam bleiben. Caduceus würde beim nächsten Lichtmond die Alten Götter befragen, ob der Feind bereits auf dem Weg war, die Westküste zu verwüsten…

Nur drei Dutzend Tage später erschienen in ganz Ledanien Barden, die von Caduceus Reise sangen. Ein Mann in grünem Filz und mit Fasanenfeder an seinem Spitzhut spielte laut auf einer abgenutzten Drehleier und gab Verse über einen monströsen und Feuer speienden Leviathan zum Besten, den die Alten Götter als Protektoren des Kontinents vor bösen Dämonen geschaffen hatten.

Ein anderer Minnesänger mit einer Laute und in einen fleckigen Leinenwams gewandet, der schon bessere Tage gesehen hatte, verkündete den heldenhaften Kampf zwischen einem Magier und einem bösartigen Drachen, der aus der Unterwelt ausgerissen war. Das Untier sei durch Blitzschläge aus dem Stab des Hexenmeisters besiegt worden und müsse ihm nun dienen, der den geflügelten Lindwurm seit diesem Tage zum Schutze des Kontinents über den Westozean geschickt habe. Keine bösen Mächte oder fremden Völker sollten jemals den Kontinent bedrohen können.

Weit im Osten eroberte Cassandra bis auf die Metropole auch die letzten Kleinstaaten. Die Monarchen Erce und der dicke Marduk mussten sich als letzte Bastionen unterwerfen. So existierten nur noch vereinzelte kleine Stämme im Norden, Einsiedler und lose Gemeinschaften von „Freien“. Es brodelte in den Ostgebieten des Kontinents. Cassandra fieberte dem Kriegszug auf die Metropole entgegen. Die Zeit der Kleinstaaten war vorüber. Bald würde Cassandria den gesamten Osten des Kontinents einnehmen. Die Tyrannin wusste von der Allianz zwischen Ledanien und Helenas Stadtstaat, doch die „werde ich auch eines nicht mehr fernen Tages unter meinen Sohlen zerstampfen“, giftete sie siegesgewiss.

Noch wagte sie nicht den großen Vorstoß auf Vestas Reich, aber bereits jetzt traten kleine Truppen über die Grenze und überfielen Ansiedlungen. Gegenseitige Grenzstreitigkeiten waren an der Tagesordnung und sorgten für regelmäßige Scharmützel. Die ungeliebte Geduld war der bittere Zug, den sie im Kelch ihrer Herrschaftsvorstellungen ertragen musste. Und während Cassandra Tag für Tag ein größeres Heer aus Kampfsklaven um sich sammelte und Waffen schmiedete, verstärkte Vesta beständig die Wehrmauern der Metropole.

Der Nachschub an Sklaven vom Ostkontinent war ihr abgeschnitten worden. Die Angst vor Cassandra versuchte die junge Königin mit Wein herunterzuspülen. Sie feierte rauschende Feste und ließ Arenakämpfe veranstalten, um auch das Volk zu beruhigen. Der gefangene Troll wurde in der Manege immer wieder vorgeführt und erniedrigt. Der Koloss war gezähmt und dressiert, die Wachen hatten ihm Ringe durch Brustwarzen, Nase und Mannesstab getrieben. Gegenwehr hatte der Reise verlernt. Die feinen Damen der Gesellschaft begafften das gewaltige Gemächt, dass an einer Kette zu ihrem Pläsier präsentiert wurde.

Vesta träumte voller Inbrunst von einem zweiten Troll, damit sie einen Zweikampf hätte veranstalten können, doch die Giganten lebten auf dem Ostkontinent, der für sie unerreichbar war, solange cassandrianische Seestreitkräfte das Ostmeer unsicher machten. Riesige Galeeren mit Rammspornen und prall gefüllt mit Kampfsklaven durchschnitten die Wellen des heißen Meeres.

Vesta saß auf ihrer durch eine Sonnenplache beschatteten Prunkempore des Kolosseums auf ihrem mit edlen Bezügen bespannten Sessels und betrachtete die nackten Tänzer, die im Handstand und mit Fackeln in ihrem Allerwertesten Formen und Zeichen bildeten, Räder schlugen und zur Musik hüpften. Dabei klirrten die Schellen, die sie um Hand- und Fußgelenke trugen. Das erheiterte Publikum schrie und applaudierte frenetisch und übertönte die zappelnden Sklaven. Vesta dagegen sah gelangweilt zu und hob die Hände nur selten und geziert, um den Akteuren zu applaudieren.

Andere Mannsbilder zwängten sich eilig krabbelnd durch einen engen und niedrigen Gang aus Gitterstäben, der in das Kolosseum führte und ahmten dabei diverse animalische Laute nach: Schweine, Hähne, Hunde, Kühe, Ziegen und Äffchen. Außerhalb des Gitterganges trieben Soldatinnen ihre „Tiere“ mit Piken, Peitschen und Fackeln an, was zu weiteren lustigen Ausrufen der verängstigten Objekte führte. Im Zirkusrund angekommen blieben die Sklaventiere auf allen Vieren durch ein geradezu sadistisches Geschirr in ihre unnatürlichen Positionen gezwungen und wurden von den Aufseherinnen durch die Manege getrieben und vorgeführt.

Ein Exemplar musste sich durch eine besonders perfide Konstruktion eines Jochs im Passgang fortbewegen, war derohalben nicht so geschwind wie die anderen Kreaturen, und eine Frau stemmte ihm ihren Stiefel in die Seite, so dass er umkippte und sich von alleine nicht mehr aufrichten konnte. Die Hoffräuleins klatschten Beifall und zeigten belustigt auf das hilflos strampelnde Geschöpf. Sofort waren drei Uniformierte da, die dem Gefallenen mit Schlägen helfen wollten sich wieder aufzurichten und der Herde zu folgen, doch immer wieder kippte der Verzweifelte zur Seite.

Die heutigen Spiele waren unverkennbar ein voller Erfolg, aber all die Kurzweil und die stimmungsvollen Lichtbilder, das ungezügelte Gejammer der Geschundenen und der gute Wein in der erfrischenden Nacht raubten der jungen Monarchin die miesepetrige Laune nicht. Frühzeitig verließ sie das Spektakel und begab sich unter den Palast in den Kerker zu ihrer Schwester. Sie hatte einen Einfall, wie sich ihre Stimmung würzen ließ. Vesta verkündete Aurora in süffisantem Ton, dass sie in ihrer großen und unendlichen Güte beschlossen habe, „dich vor dem Tode durch das Richtbeil oder den Galgen zu bewahren“. Aurora sah ihre Schwester misstrauisch an. „Stattdessen wirst du den Rest deines kümmerlichen Lebens in einem Keuschheitsgürtel verbringen und im Kerker Zwangsarbeit leisten.“

Mit einem wölfischen Grinsen, der getaugt hätte, einen wahren Wolf in die Flucht zu schlagen, verließ die Schwindende den Kerker. Aurora ächzte nur, alle Hoffnungen waren ihr erloschen. Was würde sie erwarten? Sollte sie Steine schleppen? Dann würde sie wenigstens bald daran zerbrechen und endlich Erlösung finden, sinnierte sie voller Selbstmitleid und starrte gegen die Steinquaderwand vor ihr. Für die Eingekerkerte wurde es eine schier ewig gedehnte Nacht mit unablässigen düsteren Gedanken und einem endlosen Fluss der Trauer. Die Totenstille in ihrem lausigen Gefängnis machte sie wahnsinnig, denn sie schrie ihr im Schädel. Und die tanzenden Schatten der Fackel an der kahlen Wand, fütterten ihre Furcht.

Aurora sah in den sich wechselnden geisterhaften Formen einen Inkubus, der sich des Nachts auf ihre Brust setzen und mit ihr dämonische Bastarde zeugen würde. Aber dann fiel ihr der Keuschheitsgürtel an. Selbst ein Inkubus war hier machtlos, rümpfte sie ihr Näschen, und wusste nicht, ob sie froh oder enttäuscht sein sollte, über die Wahrheit, die ihr wie ein Schwall Eiswasser über den Rücken floss, nur, um im dreckigen Boden zu versickern und sie dann in Form neuer Visionen zu quälen.

Als sie eingeschlafen war, träumte sie von „Nachtgängern“, Dämonen mit langen Zähnen, die es auf den Lebenssaft ihrer Opfer abgesehen hatten. Jäh hatte eines dieser schaurigen Wesen das Antlitz ihrer Schwester, und Aurora schrie im Schlaf auf, als die spitzen Zähne sich in ihren zarten Hals gruben. Sie wand sich wild umher und brabbelte unverständliche, flehende Worte, doch niemand scherte sich darum. Später wechselten die Trugbilder in ihr: Vesta erlöste sie aus dem Kerker und übergab ihr sogar die Krone des Reiches. Doch als sich Aurora das Symbol der Macht aufsetzte, rutschte es ihr über den Kopf und schloss sich um ihren zierlichen Hals, garottierte sie, bis ihr Gesicht erst rot und dann blau anlief und ihre Zunge weit aus dem Mund hing. Schwulstig wurde ihr Antlitz, verzerrte sich bis zur Unkenntlichkeit. Haut löste sich, dann fiel faules Fleisch von den Knochen des Schädels...

Die Alpträume erwiesen sich freilich als düstere Hirngespinste. Vesta hatte sich etwas Originelles für ihre Schwester ausgedacht. Und das sollte etwas völlig anderes sein als ein schneller Tod. Am nächsten Tag erhielt das Schwesterherz zunächst ihre eiserne Hose, die sie nie wieder ablegen durfte, wenn es nach Vesta ginge. Dann brachte man ihr Stapel aus Decken, Teppichen und Kissen, die sie für die feinen Damen der Gesellschaft zu besticken hatte. Immerhin nicht irgendein beliebiges Motiv sollte es sein: Die Wärterinnen brachten nackte Jünglinge herbei, sorgten dafür, dass diese ihre Erregung deutlich zur Schau stellten, und präsentierten sie als Motive für die Handarbeit mit Nadel und Faden. Als Sitz erhielt die Gefangene einen dicken Scheitstock in die Zelle gestellt. „Dein Thron, hohes Fräulein!“, höhnte eine Wärterin.

Aurora knirschte mit den Zähnen. Schon jetzt juckte es sie in dem Keuschheitsgürtel. Und schuld waren nicht die Läuse und Flöhe, die den Kerker beherbergten. Ihre Lenden waren so heiß und hungrig vor Sinnendurst wie nie im Leben – zumindest hatte sie das Gefühl. Ein Stimulus, der sie schier verrückt machte und ihre unbefriedigte Geilheit nährte. Die Männlichkeit vor Augen, die sie nie wieder erreichen würde, die ihr nie wieder eine Befriedigung ihrer Gelüste gaben, die sie in ihrer Lust verhungern lassen würde - welch Agonie!

„Ich werde mich weigern!“, schwor sich Aurora grimmig und trotzmütig. Von ihrem Schwur nahm sie dann zweifelsohne Abstand, als sie hörte, dass sie ein Tagessoll erfüllen musste: Zehn Kissen sollten fertig werden. Und schaffte sie ihre Arbeit nicht, so gab es ein Dutzend Hiebe auf ihren jungfräulichen Hintern! Hohnlächelnd verkündete eine Wärterin diese Anweisung der Hohen Majestät. Aurora fielen fast die Augen aus dem Kopf über so viel Impertinenz. Trotz der Drohung lieferte sie am ersten Tag nur acht Motive ab. Gnadenlos legten Wachfrauen die Prinzessin daraufhin über einen Strafbock und versetzten ihr mit Lederriemen das Dutzend versprochene Schläge. Das Kreischen und Wüten der Adelsdame nutzte ihr da wenig. Nach der Züchtigung rieb sich Aurora voller Gram den gestriemten Po, wischte sich durch das mit Tränen überströmte Gesicht und zitterte vor schäumender Wut und Entsetzen ob des frevelhaften Verhaltens der Uniformierten.

Am nächsten Tag fertigte sie die geforderten zehn Motive und warf sie voller Abscheu der Wärterin vor die Füße. Beinahe hätte sie dabei ausgespuckt, doch dann obsiegte ihr Verstand. Die Wachfrau schickte die zeternde Prinzessin erneut auf den Strafbock. Aurora verstand die Welt nicht mehr. Die Wärterin fragte amüsiert: „Und wo sind die zwei fehlenden Arbeiten von gestern? Die hättest du nachholen müssen!“ Also setzte es erneut zwölf Hiebe. Dieses Mal schlug das Büttelweib von der anderen Seite, so dass ein „hübsches Karomuster“ auf dem Sitzfleisch der jungen Dame entstand, wie die Wärterin feststellte. Nach der schmerzhaften und erniedrigenden Behandlung sah Aurora die Gitterstäbe ihrer Zelle nur durch einen Tränenschleier. Längst hatte sie die juckenden Flöhe und Läuse vergessen, die ihre einzigen Mitbewohner waren.








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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:20.07.22 17:58 IP: gespeichert Moderator melden


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Nachdem ich unlängst für meine Geschichte neuerliche Anerkennung erfahren habe, möchte ich nun meinerseits nicht säumen, ein weiteres Mal meine vorzüglichste Hochachtung dem Autor dieses Romans entgegenzubringen; neben der schier unendlichen Phantasie bewundere ich den literarischen Erzählstil auf höchstem Niveau, wie offenbar geradezu spielerisch-selbstverständlich die Finger des Schriftstellers über die Tastatur fliegen und dabei perfekt die alte Sprache mit ihren archaisch anmutenden Begrifflichkeiten aufleben lassen, einzig die Anwendung der neuen Rechtschreibung beraubt die Illusion, es handelte sich um ein Werk des 19. Jahrhunderts, somit haben wir Grund zur Annahme, daß sich hinter dem Pseudonym des Prallen Beutels ein äußerts talentierter berufsmäßiger Schriftsteller verberge.
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:29.07.22 20:12 IP: gespeichert Moderator melden


Vesta vernahm mit Wonne die Meldung über die zweite Züchtigung ihrer ungeliebten Schwester und nippte genießerisch an einem kleinen Tässchen exklusivem Tee, schluckte das süße Getränk hinab und gluckste. Die Herrscherin der Metropole labte sich an den Gemeinheiten gegenüber ihrer Schwester und grausamen Spielen in der Arena. Sie wollte nichts von einem bevorstehenden Feldzug von Cassandra wissen. Verteidigungsstrategien überließ sie den Führerinnen ihrer Streitmacht. Strategische Konferenzen waren ihr zuwider. Ihre Beraterinnen würden schon wissen, was zu tun war. Sie widmete sich lieber dem Vergnügen und der Schönheitelei.

Die Duxas kümmerten sich um die Bauarbeiten an der Grenze und vor allem der Stadtmauer der Metropole sowie der Ausbildung der Kampfsklaven. Aber trotz aller Verbesserungen glaubten längst nicht alle mehr an einen wahrscheinlichen Sieg gegenüber dem verhassten Feind. So manche der Soldatinnen liebäugelte damit, ob sie im Falle einer Kriegserklärung vielleicht die Seite wechseln sollte, bevor es zu spät war. Wie ein Wimpel im unsteten Winde.

Viele Duxas waren der Ansicht, dass Vesta dem Thron in dieser schwierigen Zeit nicht gewachsen war und haderten mit der jungen Herrin. Statt den Troll als nützliche Kampfmaschine abzurichten, wurde er zur Pläsanterie missbraucht. In Friedenszeiten wäre das angemessen gewesen, aber heutzutage war es wichtiger, das Reich zu stärken. Bis zu einer Palastrevolte war es jedoch ein weiter Weg. Niemand getraute sich, den ersten Schritt zu einem Aufruhr zu wagen, der unweigerlich auf dem Henkersklotz enden würde.

Ganz im Gegensatz zu Cassandra: Ihre Sklavenjägerinnen hatten unverzagt das Kunstwerk vollbracht, insgesamt zwölf ausgewachsene Trolle zu haschen und bis nach Cassandria zu verschiffen. Unter größten Gefahren und mit couragiertem Vorgehen waren die Giganten des Ostkontinents in riesige Fallen getapst und betäubt worden, dann auf den Galeeren in riesigen Käfigen mit Gitterstäben, dick wie Unterarme, transportiert und schließlich bis nach Cassandria gebracht worden.

Die Tyrannin lachte laut, als ihr eine Duxa die Ankunft der Trolle verkündete. „Wir werden sie zu Berserkern ausbilden und mit ihnen das Heer verstärken. Die Schmieden sollen gewaltige Streitkolben und Morgensternen für meine neuen Soldaten fertigen. Und Rüstungen.“ Allein der Knauf einer solchen Waffe war groß wie ein Menschenkopf und wies oft einen eine Handspanne langen Dorn an der Unterseite auf. Cassandras Gesichtszüge entglitten zu einer hasserfüllten Fratze. „Die Metropole wird fallen, und Vesta wird mir zu Füßen kriechen und meine Sohlen lecken…“

Die Despotin konnte es kaum erwarten. Die gewaltigen Trolle würden ihr Heer immens verstärken und den Feind niederwalzen wie eine Naturgewalt. Die autokratische Schönheit lächelte bei der Vorstellung der voluminösen Muskelberge dieser Kreaturen. Ganz anders waren da verhärmte Minensklaven, die erst aufgefüttert werden mussten, um sie aufs Feld der Ehre zu schicken. Zu teuer. Zu langwierig. Zu wenig effektiv.

Ihre Eroberungen im Osten des Kontinent und um die Metropole herum hatten ihre Beliebtheit im Reich zwar gehoben, doch gab es genügend Kritik an ihrem Regierungsstil, so dass sie mit einem Sieg über das urbane Bollwerk ihre Macht endgültig festigen wollte. Die meisten Beschwerden der feinen Damen erreichten sie über den Maluskult. Die angesehenen Priesterinnen, die in Cassandria viel Einfluss und Autorität besaßen, standen quasi über dem Gesetz und sorgten für Unmut bei einigen Ladys. So gab es forthin Entführungen auf offener Straße, Sklaven verschwanden einfach in den Tempelanlagen.

Zwar waren Reinigungen durch Feuer und andere Rituale für Leibeigene üblich, die von den Heiligen Frauen als „die sieben Prüfungen“ ausgeführt wurden, um das Böse in den Sündern zu überwinden, doch sich bei Sklaven zu bedienen, als seien diese Beeren, die nur von einem Strauch zu pflücken seien, ging den Besitzerinnen zu weit. Noch grollte der Unmut beinahe unsichtbar, aber ein Funke hätte gereicht, um den Zorn der Damen in einen offenen Händel zu entfesseln.

In der Hauptstadt von Cassandria ging das Gerücht um, dass die Maluspriesterinnen ihre Beute auf Auktionen weiterverkauften. Andere flüsterten von den großen Geheimharems unter den Tempeln, die die Priesterinnen für ihren eigenen Bedarf in Kellergewölben betrieben. „Dort sollen sich die schönsten Mannsbilder des Kontinents befinden“, munkelte eine Lady. Auch sie war nicht gut auf die Damen in den schwarzen Roben zu sprechen, denn ihr Liebesdiener war vor einigen Tagen verschwunden. „Vielleicht schuftet er schon in irgendeiner Mine oder befindet sich in einem der unterirdischen Harems.“ Sie hatte ihr Eigentum zwar gebrandmarkt, doch was hieß das schon? Leicht war so eine Kennzeichnung mit einem fremden Wappen zu überbrennen.

Die Bekannte der Lady wedelte sich mit einem Seidenfächer kühle Luft zu und tuschelte gewichtig: „Wer weiß das schon? Es geht das Gerücht von zynischen Riten beim Maluskult, die Unmengen an frischen Sklaven brauchen. Einige Priesterinnen vereinigen sich nur mit jungfräulichen Leibeigenen. Andere wiederum benötigen viele Männer für schaurige Opfermessen, bei denen den Männern eine ganz besondere Rolle zugewiesen wird…“ Sie schaute sich um. Hörte auch keine Priesterin mit? Sie wollte keinen Zwist mit dem Maluskult bekommen. Wer seine Zunge gegen die Heiligen Frauen erhob, riskierte als Ketzer angeklagt zu werden.

Die Getreue war ganz Ohr und hakte nach: „Was für Opfer?“ Die Bekannte machte nur rätselhafte Zeichen mit ihren Fingerchen, aber die Freundin verstand nicht. Und so musste sie ihre Fantasie anstrengen, was wohl in den Katakomben geschah. Das Geplänkel führt zu nichts, winkte die andere Dame ab und schaute sich nach ihrem Sklaven um. Wo steckte nur die dumme Kreatur?

Der Leibeigene stand stramm und demütig zu Boden blickend einige Schritte entfernt, um sofort auf das Geheiß seiner Herrin zu reagieren. Die Lady winkte ihn lässig aus dem Handgelenk herbei. Sie griff an sein breites Halsband aus Eisen, das er trug, und in dem das Hauswappen der Besitzerin eingestanzt war. „Du sollst näher bei mir bleiben“, hieß sie ihn gehorchen und versetzte ihm eine ordentliche Backpfeife. „Sonst stehlen dich die bösen Priesterinnen. Willst du das?“ Der Sklave schüttelte furchtsam den Kopf. „Iwo, edle Herrin. Das möchte ich nicht.“

Kritisch prüfte die Lady, ob einzelne Haarstoppeln auf dem Körper des Mannes zu finden seien. Neueste Mode in Cassandria war, die Haussklaven absolut haarlos zu halten. Irgendwie schade, dachte die Lady, dass er sich so penibel rasierte. Denn hätte sie ein Härchen gefunden, so wäre eine drakonische Strafe fällig gewesen. Vielleicht fand sich ja ein anderer Vorwand, um ihm eine Strafe aufzubrummen. Sie liebte es, wenn er um Gnade bettelte und schwor, in Zukunft gehorsamer zu sein. Manchmal erlaubte sie ihm sogar, sich vor sie zu knien und ihre Beine zu umgreifen, während er flehte. Das machte ihr so ein blumiges Gefühl in ihrer Weiblichkeit. Die Dame verabschiedete sich von ihrer Freundin und schlenderte mit ihrem Leibeigenen ein Stück durch die Stadt.

An einer abschüssigen Pflasterstraße sah sie einen Menschenauflauf. Interessiert ging sie darauf zu. „Zu spät“, artikulierte eine Frau in ledernen Beinkleidern mit Fransen an den Seiten, die wohl glaubte, dass die Lady an dem Wettbewerb teilnehmen wollte. Erst jetzt erkannte die Sklavenhalterin, dass hier das beliebte „Fassrollen“ stattfand: Herrinnen steckten ihre Sklaven in Fässer und ließen sie eine Senke hinabrollen. Wessen Fass am nächsten an der Zielfahne stoppte, gewann. Wenn das Fass allerdings zu weit rollte, fiel es entweder einen kleinen Abgrund hinab oder landete in einem Fluss oder Weiher oder wie in diesem Fall auf einer Wiese mit wilden Stieren, die zum Vergnügen der Zuschauerinnen die hölzernen Tonnen über den Boden schoben, während der lebende Inhalt vor Angst schlotterte.

Der Zeitvertreib mit den Leibeigenen in der Stadt war jedoch harmlos gegenüber der harten Welt der Galeerensklaven auf den weiten Wassermassen des Ostens. Cassandra verfügte mittlerweile über eine Furcht einflößende Armada an Kriegsschiffen auf dem Ostmeer und beherrschte den Ozean völlig. Die Ruderer waren mit Ringen auf ihren Bänken festgekettet, die sie direkt um ihr Gemächt trugen. So waren sie sicher befestigt und hatten trotzdem möglichst viel Bewegungsfreiheit mit Armen und Beinen, um sich ganz dem Rudern zu widmen. Kleidung gab es für die Ruderer nicht.

Auch just in diesem Moment durchschnitt ein kleiner Verband aus Schiffen die See, um die Küste der Metropole und ihre Anfurten zu kontrollieren. Kein Boot der Vesta sollte aus dem Hafen entweichen können. Die Galeere „Aegaeon“ rauschte in führender Position vor den anderen her. Vorne über dem Rammsporn prangte eine mit Blattgold überzogene Galionsfigur, die einen nackten und muskulösen Kampfsklaven mit Doppelaxt darstellte. Die Bugwelle schwappte hoch und floss seitlich am langen Rumpf weiter.

Die Kommandantin im Rang einer Duxa, auf See auch als Capitana bezeichnet, stand an der Reling des Achterdecks unter einem weißen Sonnensegel und blickte hinab aufs Mitteldeck, wo ein Rudersklave über einem verkeilten, liegenden Fass bäuchlings festgeschnallt wurde. 48 Ruderblätter zeigten simultan nach oben. Das Schiff fuhr noch eine Weile und stoppte dann. Auf ein Handzeichen der Capitana knallten zwei Soldatinnen ihre Lederriemenpeitsche im Wechsel über das blanke Gesäß. Jeder Schlag ging den Kameraden durch Mark und Bein. Laut und scharf schoss das Flechtwerk zischend durch die Luft. Alle waren mucksmäuschenstill. Der Gemarterte brüllte auf und flehte bald schon um Gnade, doch erntete er nur ein spöttisches Grinsen der Weiber.

Die Geißeln schnalzten laut und bissen in die Haut des Delinquenten. Wieder und wieder. Anfangs wurden die Schmerzensschreie lauter und wütender, dann verzweifelt, dann leiser, bis sie völlig versiegten. Mit vorgerecktem Kinn schaute die Capitana zufrieden und mit einem feinen Lächeln in den Mundwinkeln auf die geschundenen Hinterbacken des Mannes. Ihre Laune war gut, und der Sklave würde wohl zwei oder drei Tage vom Ruderdienst befreit sein, bevor er sich wieder auf die harte Holzbank anketten lassen musste. Andere Männer hatten nicht so viel Fortune mit der Barmherzigkeit. Einige der Zweibeiner wussten gar nicht mehr, wie sich ein heiler Hintern anfühlte. Unter den Offizierinnen wurden sie die „Rotärsche“ genannt.

Später übergoss ein Kampfsklave den Gezüchtigten zur Säuberung mit einem Bottich Salzwasser. Das brachte dem Mann die Lebensgeister schlagartig zurück. Diese Art von Bestrafungen war täglich zu erleben und sorgte für ein wenig Abwechslung in dem öden Tagesablauf auf hoher See und wurde schon bei den kleinsten Anlässen bestimmt. Strikte Disziplin galt als oberstes Gebot und als ungemein wichtig. Auf anderen Galeeren war es üblich, dass Ruderer, die aus dem Takt kamen, für den Rest des Tages an seine Schlafstatt gekettet wurde, während seine Kameraden für ihn mitrudern mussten. Des Nachts revanchierte sich die Mannschaft dann bei dem aasigen Faulpelz. Und am nächsten Tag hatte der Geschundene wunderlicherweise den Takt im Blut wie kein Zweiter.

Die Capitana, deren prächtige Uniform ihre Autorität und Weiblichkeit in gleichem Maße unterstrich, griff neben sich an den wohl geformten, runden Hintern des nur mit einem dünnen Seidentuch bekleideten Jünglings. Große blaue Augen und güldenes Haar – so mochte sie ihre Gespielen. Jede Capitana verfügte an Bord ihres Schiffes über einen Liebesdiener. Meist suchten die Damen ihn aus den frisch gefangenen Sklaven oder Ruderern. Nur die ansehnlichsten Burschen waren prädestiniert. Sie wurden nicht geschlagen und mussten nicht rudern oder kämpfen; dafür standen sie ihrer Capitana und auf Wunsch der Herrin auch den Offizierinnen für Liebesdienste zur freien Verfügung und verfügten über einen makellosen und lindglatten Leib.

Die Capitana der „Aegaeon“ liebte es vor allem nach einer Züchtigung, sich mit ihrem Liebling in ihre Kabine zurückzuziehen. Gern hätte sie noch die weiteren Bestrafungen genossen, aber ihre Lust hielt sie nicht mehr an Deck. Ihr Gespiele streifte die wenige Gewandung ab, die er trug und legte sich ins Bett der Kommandantin, um ihr dort jeden Wunsch von ihren Lippen abzulesen. Eine Offizierin übernahm daher so lange das Kommando an Deck.

Bald darauf wurde ein Ruderer an einem Seil über Bord geworfen. Das Schwimmen fiel ihm sichtlich schwer, obschon die Galeere inzwischen keine Fahrt mehr machte, denn ein Gewicht an seinem ansehnlich ausgebildeten Gemächt zog ihn unweigerlich nach unten. Auf ein Zeichen der Offizierin wurde der Sklave mit einer Schlinge um seine Hände wieder an Bord gezogen, kurz bevor er auf ewig in den Fluten in ein kaltes Grab versunken wäre. In dem Augenblick, in dem das Gewicht in der Luft pendelte und nun verstärkt an seinem Gemächt zog, jammerte der Delinquent erbärmlich auf und strampelte mit den Beinen in der Luft. Verwunderlich, wie viel Kraft das Geschöpf noch aufbrachte.

Von der Reling brandeten Gelächter und Hohnrufe auf. Der Sklave würde zur Buße sein Gewicht noch einige Tage tragen müssen. Am Ruder würde es bei jeder Bewegung ziepen und zerren, aber vielleicht würde er beim nächsten Mal dafür im Takt bleiben, wenn es wieder hieß: „Angriffsgeschwindigkeit!“ Die Offizierin zuckte mit den Schultern. „Sie müssen es ja irgendwie lernen!“

In der Metropole schimpfte die gekrönte Vesta über eine Beraterin. „Wie konntet Ihr Donneraas es zulassen, dass Cassandria das Ostmeer mit seiner Armada beherrscht? Habt Ihr geschlafen und alle warnenden Anzeichen in den Wind geschlagen?“ Die Duxa wollte gegen die Schelte einwenden: „Aber, Hohe Majestät, Ihr habt doch…“ Vesta verbot der Offizierin mit einer unwirschen Handbewegung jedes weitere Wort, so dass diese sofort inne hielt. Sie geiferte über die verhasste Konkurrentin, titulierte sie als Schmutzkübel und Hurenpack und spuckte ein Schimpfwort nach dem anderen aus, alle Damenhaftigkeit war gewichen. Ihren Jähzorn hatte sie neben ihrer schwarzen Seele von ihrer Mutter Fama geerbt. Dezent zog sich die Duxa katzbuckelnd zurück und wischte sich den Schweiß von der Stirn, als sie leise und verhuscht die Tür geschlossen hatte.

Vesta blieb noch in düstere Gedanken versunken auf dem Thron sitzen. Sie sollte die Unfähigen aus ihrem Kreis ausmerzen. Sie hatte da schon zwei wohl gar verräterische schwarze Schafe im Auge, und eine peinliche Befragung würde deren Lippen die Wahrheit abschmeicheln. Plötzlich wurde sie durch einen ohrenbetäubenden Donnerknall aus ihrer Entrückung gerissen. Der Thronsaal war längst in fahles Mondlicht getaucht, aber für einen Lidschlag erhellte ein zuckender Blitz den Raum grell.

Ihr Blick wurde von einer runden Schatulle angezogen, die aus einem Totenschädel und Elfenbeinapplikationen gefertigt war. Die zwei Rubine, die als Augen eingelassen waren, blitzten bei dem abrupten Lichtschein wie lebendig auf. Die junge Gebieterin fühlte sich von ihnen beobachtet. Ja, gar verhöhnt! Als gehörten sie Cassandra, die bereits in ihr Reich eingedrungen sei. In gewisser Weise stimmte das ja auch: Cassandra hatte die Metropole quasi umschlossen und beherrschte auch die Küste. Die Schiffe der Vesta waren in den Häfen hilflos festgesetzt. Die Küstenregion hatten viele Bewohnerinnen sogar verlassen und sich hinter die Grenzbefestigungen zurückgezogen.

Einige Landstriche waren noch in der Macht von Vestas Heer, aber der Feind stand vor den Toren. Es waren Belagerungstürme zu sehen, Heerlager, Spähtrupps. Die Übermacht war beeindruckend. Viele Arbeitssklaven wurden daher zwangsrekrutiert. Nur ein kleiner Anteil blieb an seinem angestammten Platz an den Wassertreträdern der Mühlen, der Winden für die Aquädukte, die Minen, die Zuckerrohr- und Baumwollfelder sowie die Getreide-, Gemüse- und Obstäcker. Der überwiegende Teil bekam einfache Waffen und lernte, auf dem Feld der Ehre zu kämpfen und notfalls stolz sein Leben für die erhabene Vesta zu geben.

Während der Osten kurz vor einem Sturmangriff stand, herrschte im Westen noch vermeintliche Ruhe. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Ledanien und dem Stadtstaat der Helena entwickelten sich prächtig. Um die Allianz weiter zu festigen, stattete Königin Leda mit einer Delegation der Verbündeten einen Besuch ab. Leda ritt auf ihrem edlen Schimmel begleitet von berittenen Fahnenträgern, Gardisten und Beratern auf der Handelsstraße nach Osten und wurden am Stadttor herzlich willkommen geheißen.

Etwas merkwürdig fanden die Gäste schon, wie zurückgezogen Helena lebte. Sie trug einen Schleier als Schutz vor bösen Geistern und Krankheiten, war behängt mit Amuletten und begrüßte den Besuch reserviert aus mehreren Schritten Entfernung. Abas, Nike und Gladius, die zu der königlichen Begleitung gehörten, stutzten, als Helena ihren Mundschenk den eigenen Wein probieren ließ. „Vorsicht ist besser als Nachsicht“, betonte diese. Nach einem Festbankett unterschrieben die Regentinnen weitere Verträge, um den Handel zu vertiefen. Lange Feierlichkeiten mit ermüdenden und salbadernden Damen standen allerdings nicht auf dem Programm. Helena zog sich bald unter dem Vorwand zurück, sie habe Magengrummeln. Ihre Schritte führten sie jedoch nicht in ihr Schlafgemach.

Die Wahrheit sah anders aus: Sie musste dringend in ihre Marmorwanne steigen, um sich mit heißer Lauge abschrubben zu lassen. Wer wusste schon, welche Krankheiten die Fremden mitgebracht hatten!? Fleckenfieber, Beulenpest, Keuchhusten und Knochenfraß waren nur einige, die ihr augenblicklich einfielen. Und zum Süßholz raspeln stand ihr nicht der Sinn. Hinter der Zofe, die sie mit einem Schwamm badete, standen zwei Gardistinnen mit gezückten Klingen. Helena musste vorsorgen, dass sie nicht von einer irren Bediensteten im Badewasser ertränkt würde.









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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:31.07.22 12:57 IP: gespeichert Moderator melden


"aufs Feld der Ehre zu schicken",
das Feld der Ehre, welch ein Euphemismus, noch heute als Inschrift auf nicht wenigen Gedenktafeln an Kriegerdenkmälern und Kirchen- und Friedhofsmauern zu lesen!
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