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  Philosophisches: Was meint eigentlich "sich identifizieren"?
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bluevelvet Volljährigkeit geprüft
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Ich kann allem widerstehen, nur nicht der Versuchung.

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  Philosophisches: Was meint eigentlich "sich identifizieren"? Datum:22.09.05 22:30 IP: gespeichert Moderator melden


Vor einigen Tagen fiel mir morgens auf dem Weg zur Arbeit auf, das ich mir, soweit ich mich entsinne, eigentlich nie Gedanken über den Vorgang (!) des "Sich-Identifizierens" gemacht habe.

Wir sagen so leicht: "Er/sie hat sich damit voll identifiziert." Ein Arbeitgeber wünscht, dass sich seine Mitabeiter mit dem Unternehmen oder dessen Zielen identifizieren. Nur:

1.) Was meinen wir eigentlich mit "sich identifizieren"?

2.) Welcher Vorgang läuft dabei genau ab?

3.) Was sind die Ergebnisse und Folgen des Prozesses des "Sich-Identifizierens"?

Wie gesagt, mich interessiert vor allem der Prozess des Sich-Identifizierens in allen seinen Aspekten ...

Vielleicht fällt euch etwas dazu ein!

Bluevelvet

[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von bluevelvet am 23.09.05 um 06:35 geändert
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Nachtigall
Stamm-Gast



fatal error in reality.sys - reboot universe (Y/N)?

Beiträge: 3281

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  RE: Philosophisches: Was meint eigentlich "sich identifizieren"? Datum:23.09.05 11:10 IP: gespeichert Moderator melden


Guuute Frage! Ob die in die Philo-Ecke gehört, was meint ihr?

Bluevelvet,

ich hoffe, Du verzeihst mir das Fehlen von Nummern...

Wenn ich mich mit Protagonisten in einem Buch oder Film "identifiziere", also "ihre Identität annehme", dann ist die Grundvoraussetzung dafür ein Minimum an Gemeinsamkeiten. Die betreffende Figur hat vielleicht eine Geschichte, die meiner ähnlich ist, oder ähnliche Hobbies, sie ist wie ich weiblich oder laut oder dominant oder... es reichen Kleinigkeiten aus, um "in dessen Haut zu schlüpfen", natürlich ist eine "stimmige" Beschreibung dabei hilfreich. Auswirkung des "Sich-Identifizierens" wäre dann, mit der entsprechenden Figur mit zu fiebern, zu leiden bzw. allgemein zu fühlen - und das Buch/den Film dementsprechend spannend zu finden - und weiter zu empfehlen.

In Bezug auf eine Firma (Dein Beispiel) finde ich das schon bedeutend schwieriger, aber es läuft auch auf "Gemeinsames" hinaus. Mir reicht in dem Fall nicht aus, dass Firma und ich voneinander profitieren, nämlich der Betrieb durch meine Arbeitskraft und ich durch das dafür (hoffentlich) ausgezahlte Geld. Wichtig sind mir auch Zielsetzungen der Firmenpolitik, Betriebsklima, Umgang mit den Kunden: Ist das alles oder ein wesentlicher Teil davon mit meiner Haltung, meinem Wohlgefühl in Einklang zu bringen? Falls ja, wird mir die Arbeit leichter fallen und ich werde mich 100%ig in meinem Job einsetzen. Ist es nicht gegeben (in meinem Fall, wenn z.B. Umweltfeindlichkeit, miese Bezahlung der Angestellten, Ellbogenmentalität im Kollegium und/oder Betrug am Kunden zu den "Eigenschaften" der Firma gehören), dann werde ich das Nötigste tun, auf peinlich genaue Wahrnehmung meiner Pausenzeiten achten und mich ansonsten meinen Hobbies widmen. Klar möchte der Chef, dass die Angestellten "sich identifizieren" mit seinem Betrieb, oder besser, er möchte von der Auswirkung einer solchen "Identifikation" profitieren, denn die Leute sollen sich für die Ziele des Betriebs mit ähnlicher Energie einsetzen wie für die persönlichen. Ich hatte übrigens schon eine ganze Reihe von Chefs, denen diese Zusammenhänge absolut nicht klar waren und die zwar eine "volle Identifizierung" mit ihrer Firma einforderten, aber nicht wirklich die dafür notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen haben.

Womit ich bei einer dritten Bedeutung wäre (die zwar verbreitet, aber zum Glück nicht allein existent ist): Identifikation mit der Firma als "Arbeitnehmerpflicht" aufgrund der schlichten Tatsache, dass man dort seine Brötchen verdient. Ausführung erfolgt durch "Ablegen der eigenen Persönlichkeit inkl. Gewissen an der Eingangstür der Firma" ( entfällt bei Nichtvorhandensein eines eigenen Gewissens). Dafür unterschreibe ich in meinem Arbeitsvertrag, dass ich die Interessen der Firma wahren und Schaden von ihr fernhalten werde - was zwar Standard ist, aber je nach Firma von recht unterschiedlicher Bedeutung sein kann.

"Sich identifizieren" in meinem Sinn bedeutet also, sich und seine Ziele und/oder Eigenschaften in Jmd. oder etwas wieder finden. Der Gegensatz müsste sein "sich abgrenzen gegen...". Ich glaube aber, dass beide Prozesse in sich genau so individuell unterschiedlich ablaufen können wie z.B. sich verlieben oder (aus aktuellem Anlass ) sich eine politische Meinung bilden.

Mal ins Blaue und ohne großes Nachdenken geschrieben... wirklich ´ne gute Frage! Bin schon auf weitere Antworten gespannt.

Liebe Grüße,
Nachtigall
... sehr glückliche Besitzerin und KH des süßen CD Monika (Gugl-Gugl)

***
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Penthesilea
Gast


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  RE: Philosophisches: Was meint eigentlich "sich identifizieren"? Datum:24.09.05 01:35 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Blue,
ich glaube nicht, dass Identifikation ein in Einzelschritten nachvollziehbarer Prozess ist.
Ich halte es für eine unbewusste Übertragung unserer eigenen Wünsche auf andere Menschen (ob das mit Institutionen auch klappt, bezweifle ich), so dass es scheint, als würden diese Qualitäten tatsächlich in diesen existieren.
Wir sehen in ihnen das, was wir sehen wollen, was wir selbst nicht sein oder haben können, wir schlüpfen in ihre Identität gedanklich hinein, wie man in eine geliehene Jacke hineinschlüpft.
Deshalb verdienen *Idole* , Schauspieler oder berühmte Sportler, Unsummen an Geld: wir bezahlen sie dafür, dass sie unsere Helden sind, die unsere unerfüllten Träume und Sehnsüchte ausleben.


Gruß
Penthe
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Why-Not Volljährigkeit geprüft
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  RE: Philosophisches: Was meint eigentlich "sich identifizieren"? Datum:24.09.05 11:13 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Bluevelvet,

Du wirfst da eine knifflige Frage auf.

zu 1.) "Was meinen wir eigentlich mit "sich identifizieren"?"

Offenbar liegt eine große Schwierigkeit bereits darin, ein einheitliches Verständnis darüber zu erzielen, was man mit "sich identifizieren" meint. Die Bedeutung dieses Ausdrucks ist wohl kontextabhängig und auch unscharf abgrenzbar.

(a) "sich etwas zu eigen machen / etwas für sich übenehmen"
Man kann sich mit einer Idee oder einem Ziel identifizieren. Es kann sich auch um religiöse oder politische Überzeugungen handeln.

(b) "sich zugehörig fühlen"
Man kann sich mit einer Gruppierung (Stammtisch, Kegelverein, Firma, Kirche, Familie, ...) identifizieren.

(c) "sich in jemanden hineinversetzen"
Man kann sich mit fiktiven oder realen Personen identifizieren, indem man ihre Gedanken, Gefühle, Ansichten oder auch Situationen, in denen sie sich befinden, nachvollziehen kann.

(d) "jemanden bewundern / jemandem nacheifern"
Man kann sich mit einem Vorbild oder Idol identifizieren, der so ist, wie man gerne sein möchte.

Wahrscheinlich gibt es noch mehr "Schattierungen" dieses Begriffs. Die Schattierungen überschneiden sich und sind nicht klar abgrenzbar - was zu heftigsten Mißverständnissen einlädt, wenn man sich über den Begriff des "Sich-Identifizierens" unterhält.


zu 2.) "Welcher Vorgang läuft dabei genau ab?"

Ich vermute, das wird sich nciht nur von Person zu Person anders darstellen, sondern auch davon abhängen, welche Bedeutung des Begriffs eigentlich gemeint ist. (s. o.)

Ganz allgemein bildet sich wohl aus einer - wie auch immer gearteten - Zustimmung eine emotionale Bindung. Und bei solchen Bindungen neigen wir dazu, die Objekte/Subjekte unserer Bindung zu idealisieren.


zu 3.) "Was sind die Ergebnisse und Folgen des Prozesses des "Sich-Identifizierens"?"

So, wie Vorurteile uns ersparen, bestimmte Situationen immer wieder neu zu analysieren, ersparen uns Identifizierungen die emotionale Eindordnung. Wer sich mit einem Fußballverein identifiziert, braucht sich nicht vor jedem Spiel zu überlegen, wem er den Sieg wünscht. D. h. zunächst einmal machen Identifizierungen (genau wie Vorurteile) unser Denken und Handeln effizienter. Und sie erleichtern es uns "Klümpchen zu bilden". Ich meine natürlich "soziale Gemeinschaften".

Genau wie Vorurteile machen sie uns allerdings auch für Abweichungen der Realität von unserer idealisierten Sichtweise unempfänglich. Wenn sich die Realität überhaupt nicht (mehr) mit unserem Idealbild vereinbaren läßt, wechseln wir dann mehr oder weniger abrupt von der Identifizierung in die Enttäuschung.

Soweit meine Überlegungen zu diesem Thema.

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Buch-Anfang: Dämonen der Leidenschaft (Teaser)

Session: Wir müssen reden, Aus dem Giftschrank, Gefangene Gefühle, Urlaub mal anders

Offtopic-Kurzgeschichten: Gesichter des Todes, Das Interview (mit Dr. Wolfram Schraubner), Die Bahnfahrt


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bluevelvet Volljährigkeit geprüft
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Ich kann allem widerstehen, nur nicht der Versuchung.

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  RE: Philosophisches: Was meint eigentlich "sich identifizieren"? Datum:24.09.05 16:41 IP: gespeichert Moderator melden


Zunächst meinen herzlichen Dank an euch für die klugen und guten Gedanken, die ihr dem Problem des "Sich-Identifizierens" gewidmet habt! Jeder Beitrag enthält wirklich wichtige Gedanken und Impulse!

Heute morgen habe ich versucht, meine eigenen ursprünglichen Gedanken zum Thema in eine gewisse Ordnung zu bringen.

Ist der Vorgang des Sich-Identifizierens vielleicht folgender?

Ich nehme etwas (=das, womit ich mich künftig identifizieren werde) wahr, konserviere diese Wahrnehmung als Vorstellung/Gedanken in mir und ordne dieses Bild/diesen Gedanken dem, was ich als Ich/Mein empfinde zu, ja, stelle eine Identität (=Selbigkeit) damit her; genauer: begreife dieses Verhältnis als Identität. Durch das Ergebnis dieses Prozesses wird künftig mein Handeln (mit-)bestimmt, dies umso mehr, je mehr Gefühl mit der Identität (als Ergebnis des Identifikationsprozesses) verbunden ist.

Ist meine Rekonstruktion des Prozesses des Sich-Identifizierens wenigstens halbwegs treffend oder irgendwie abwegig? Ich bin mir nicht sicher. Mir stellt sich jetzt die Folgefrage:

Habe ich durch das Mich-Identifizieren meine Identität ausgeweitet oder ist lediglich meine Unfreiheit größer geworden?

Bluevelvet

[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von bluevelvet am 24.09.05 um 16:46 geändert
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Penthesilea
Gast


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  RE: Philosophisches: Was meint eigentlich "sich identifizieren"? Datum:24.09.05 23:23 IP: gespeichert Moderator melden


Ich kann das sicher nicht für Dich beantworten, Blue, aber aus meiner eigenen Weltsicht heraus:alles, was Dich inspiriert, ist auch ein Aspekt von Dir selbst.
Wenn Du etwas positiv an einem anderen Menschen wahr nimmst, dann nur deshalb, weil Du selbst das Potential hast, genau das Wirklichkeit werden zu lassen, was Du siehst. Denn in jede Sehnsucht ist die Mechanik ihrer Erfüllung eingebaut und in jede Identifikation sicher auch.
Deshalb kann Identifikation eigentlich keine Einengung sein - allenfalls eine Rückführung auf Dich selbst oder auch eine Ausweitung in Deine eigenen Tiefen.
Wir sind nicht von der Welt isolierte Wesen und nehmen sie distanziert von außen wahr, die ganze Welt ist vielmehr auch in uns, wir sind mit dem Stempel des gesamten Universums geboren.

Aber bitte schön, das ist meine reine Privattheorie und sie stößt an eine leider nicht zu verleugnende Grenze: denn wenn ich ein Mikrokosmos bin, der den gesamten Makrokosmos reflektiert, warum bin ich dann zu blöd zum Kopfrechnen?

ich arbeite dran ...

Gruß
Penthe

[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von Penthesilea am 24.09.05 um 23:30 geändert
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living_and_laughing
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nimm das Leben nicht zu ernst, denn Du überlebst es doch nicht

Beiträge: 1137

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  RE: Philosophisches: Was meint eigentlich "sich identifizieren"? Datum:25.09.05 03:46 IP: gespeichert Moderator melden


Na das Kopfrechnen iss ja wohl einfachst zu beantworten.
In einem Paralleluniversum sitzt eine Penthesilea, die ein Rechengenie ist.

Oder

Das Weltall braucht keine Rechenkünstler.



Beide Theorien könnten ihre Berechtigung haben.
Wir haben zwar alle die gleichen Augen, aber das, was wir sehen, ruft sehr verschiedene Gedanken hervor. (Ernst R. Hauschka)
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LeLoup
Gast


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  RE: Philosophisches: Was meint eigentlich "sich identifizieren"? Datum:25.09.05 12:00 IP: gespeichert Moderator melden


Im Moment tendiere ich dazu, bei der Identifikation zwei *Häufchen* zu bilden. Auf die eine Seite ordne ich u.a. die Idole ein, generell aber all die Personen und Gruppen, deren Ziele oder Ideen ich gerne ebenfalls erreichen würde, bei denen ich das aber aus verschiedenen Gründen nicht kann (z.B. mangelnde Fähigkeiten, finanzielle Situation o.ä.). Die andere Seite umfaßt die Personen bzw. Gruppen, bei denen mir diese Angleichung - zumindest teilweise - gelingt.
Der Prozeß an sich besteht aus dem Vergleich der eigenen Ziele und Werte mit denen der o.g. Kategorien. Bei Übereinstimmung, deren Grad nicht genau definiert werden kann, *identifiziere* ich mich. Wenn sich Details ändern, ändert sich ggf. auch die Identifikation und damit eventuell auch das Gefühl der Zugehörigkeit.

@Penthesilea
Vielleicht siehst Du das auch nur falsch. Dir sind die Grundregeln bekannt, es mangelt nur ein wenig am Training *lächel. Faszinierend finde ich die Leute, die Wurzeln und andere Rechenspielchen im Kopf lösen können und ich frage mich dann auch immer, wofür braucht man so etwas ...

Le Loup
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