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Deep Wishes
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  RE: Sechs Monate Datum:25.08.22 19:05 IP: gespeichert Moderator melden


...und gerne geht es weiter...

Melanies Erlebnis

Ich werde irgendwann in der Nacht wach und merke, dass ich auf die Toilette muss. Der Druck auf meine Blase ist noch auszuhalten, aber es fällt mir schwer, wieder einzuschlafen. Innerlich unruhig liege ich da, döse kurz ein, finde aber keinen richtigen Schlaf mehr. Als wir am Morgen geweckt werden, fühle ich mich wie gerädert. Es ist Schwester Gerda, die nun Dienst hat, also genau die Schwester, die mich gestern auf der Toilette überrascht hatte, als ich die Brille abgenommen hatte. Sie wünscht uns einen guten Morgen und schnallt zuerst mich los. „Ihre Brille setzen Sie nach dem Duschen auf“, sagt sie. „Machen Sie sich in Ruhe fertig. Frau Hendricks kommt auch gleich in den Waschraum. Übrigens, Frau Hendricks, Sie haben nach dem Frühstück ein Gespräch mit Frau Dr. Schardtwald wegen der Vorfälle gestern.“

Schwester Gerda nimmt mir das Knebelgeschirr ab, öffnet den Verschluss meines Overalls und dann gehe ich zum Duschen. Kurze Zeit später kommt sie zusammen mit Melanie in den Waschraum. „Ich möchte Sie bitten, Ihrer Bettnachbarin beim Duschen behilflich zu sein“, sagt die Schwester. „Klingeln Sie, wenn Sie beide fertig sind. Sie werden heute keine Windeln tragen. Ich muss Ihnen dann nur noch den Reißverschluss zumachen und Frau Hendricks anziehen.“ Melanie steht nackt vor mir wie ein Häufchen Elend. Ihre Hände sind mit einem Fixiergurt vor dem Bauch aneinandergebunden. „Hilfst du mir bitte“, fragt sie. Ich sage: „Klar doch.“ „Gestern habe ich echt Mist gebaut und habe schon richtig Schiss vor dem, was jetzt noch kommen wird. Dachte eigentlich, ich wäre so weit, nächste Woche entlassen zu werden. Aber seit gestern…“ erzählt sie mir beim Duschen. „Was war denn gestern?“ frage ich. „Hast du mich morgens auf dem Flur gesehen, so richtig schön verpackt?“ Ich nicke. „Hatte einen üblen Zusammenstoß mit Schwester Gerda. Auf dem Weg in den Waschraum hat sie mich regelrecht provoziert. War nicht schön, was sie gesagt hat. Und ich war mies drauf und habe sie einfach zur Seite gestoßen und irgendeine blöde Antwort gegeben. Sie ließ nicht locker und da habe ich ihr eine geknallt. Wie aus dem Nichts standen plötzlich zwei Pfleger mit der Zwangsjacke da. Als wenn sie nur darauf gewartet hätten, dass was passiert. Ich saß dann bis zum Mittagessen fixiert im Rollstuhl. Danach sollte ich zu Frau Dr. Hahn. Sie ist da, wenn die Schardtwald weg ist. Die Hahn tat sehr betrübt wegen meiner Attacke, säuselte etwas von Rückfall und so und gestand schließlich ein, dass die Provokation geplant war, um mich zu testen. Ich bin dann regelrecht ausgetickt. Die packten mich sofort wieder in die Zwangsjacke und weil ich dann anfing zu spucken, gab es noch den Ballknebel dazu. Dann ab in die Gummizelle, aus der sie mich erst kurz vor dem Abendessen wieder herauslassen wollten. Die Hahn persönlich kam dann, um nachzuschauen, ob ich mich beruhigt hatte. Wurde dann zuerst in einen Rollstuhl verfrachtet und fixiert und dann wollte sie von mir noch irgendwas Blödes wissen, wie ich mir denn meine Zukunft vorstelle und so. Auf so was hatte ich nun gar keinen Bock und weil sie nicht aufhörte mit ihren doofen Fragen, habe ich sie angeschrien. Dann haben sie auch meinen Kopf fest gemacht und weil ich nicht leiser wurde, gab es dann wieder den Knebel.“

Draußen klopft es energisch. „Jetzt müssen Sie aber bald fertig werden“, höre ich Schwester Gerdas Stimme. „Ja, sind wir auch gleich“, rufe ich zurück. „Ich sage gleich Bescheid.“ Schnell trockne ich mich ab und helfe Melanie auch rasch dabei. Als wir nun beide in unseren hübschen hellen Overalls da stehen, legt die Schwester jedem von uns dicke Fausthandschuhe an. „Das hatte ich Ihnen ja versprochen“, sagt die Schwester hämisch. Und zu Melanie gewandt: „Wie brav Sie doch sein können. Scheint ja heute ohne Knebel zu gehen.“ Wir können uns noch schnell die Haare föhnen, dann bekomme ich die Brille und den Helm wieder aufgesetzt und ab geht´s zum Frühstück.

Fürs Frühstück befreit mich Schwester Gerda von den Fäustlingen – „aber nur, wenn Sie Ihre Brille auflassen, ich beobachte Sie“, schärft sie mir ein. Schön, dass ich wieder selbständig essen darf.

Melanie und ich sitzen beim Frühstück zusammen; ich frage sie, was sie möchte, und reiche ihr das Essen an. Ich glaube, wir werden uns gut verstehen. Schade, dass sie nachher zum Gespräch muss, was bestimmt nicht angenehm für sie werden wird. Ich hätte sie so gerne bei der Maltherapie dabei.


Die Kunsttherapie

„Denk an mich“, flüstert Melanie mir zu, als zwei Pfleger plötzlich neben uns stehen und uns auffordern mitzukommen. Die beiden haben für jeden von uns einen Pflegerollstuhl mitgebracht, in den wir uns setzen und dann nach allen Regeln der Kunst festgemacht werden. Fixierweste, Schultergurte, Gurte über die Oberschenkel und selbst die Unterschenkel werden fixiert - es fehlt an nichts. Anschließend wird ein dicker Keil so am Sitz befestigt, dass meine Beine leicht gespreizt sind und ich noch nicht mal hin und her rutschen kann. Zum Schluss installiert der Pfleger noch eine große passgenaue Platte auf meinem Rollstuhl, auf die ich meine Unterarme lege. Der Typ scheint sehr zufrieden mit seinem Werk zu sein und lässt mich erst einmal so stehen.

Bald darauf teilt mir Schwester Gerda mit, sie würde mich nun zu den Ausmalbildchen bringen. Ich vermute, sie meint die Kunsttherapie. Ich stehe auf und die Schwester legt mir als erstes die Handschuhe an. „So, ich bring Sie dann mal hin und hole Sie auch später wieder ab.“ Es geht durch irgendwelche Gänge, von denen ich kaum etwas mitbekomme, und treten dann in einen Raum ein, der mir relativ groß zu scheint. Ich höre einiges an Stimmen, erkennen kann ich kaum etwas.

Da tritt eine kleine ältere Frau in mein Blickfeld. Sie stellt sich vor: „Guten Tag, Frau Ferner, ich heiße Margret Mellendorf und bin hier die Kunsttherapeutin. Wir machen Ihnen nun die Hände frei und ich würde mich freuen, wenn Sie sich auf das, was jetzt kommt, einlassen würden.“ Ich murmele eine Begrüßung, Schwester Gerda öffnet widerwillig die Verschlüsse meiner Fäustlinge und schiebt mich an den angewiesenen Platz. Wenig später sitzt Frau Mellendorf mir gegenüber und verwickelt mich in ein Gespräch über künstlerische Gestaltung und deren Bedeutung für den Therapieverlauf. Ich kann da nicht ganz mithalten, da mich Kunst eigentlich wenig interessiert und ich mich seit der Mittleren Reife künstlerisch gar nicht mehr betätigt habe. Nun, ich bekomme die Aufgabe, wahlweise mit Bunt- oder Wachsmalstiften, in abstrakter oder konkreter Form meine Befürchtungen und Erwartungen aufs Blatt zu bringen. „Lassen Sie sich ruhig Zeit“, ermuntert mich Frau Mellendorf. „Das muss heute nicht fertig werden. Denken Sie vorher in Ruhe nach und lassen Sie sich von Ihren Gedanken und Gefühlen leiten. Wenn Sie Fragen oder Probleme haben, rufen Sie nach mir.“ Ich danke ihr, frage aber noch, wie viele Patientinnen gerade hier sind, weil ich sie nur hören aber nicht erkennen kann. „Sie sind zu zehnt“, sagt die Therapeutin. „Nun wünsche ich Ihnen viel Muße und versuchen Sie, sich auf Sie selbst zu konzentrieren.“

Ich sitze ein wenig still, denke nach, dann nehme ich mir die Wachsmalstifte und entscheide mich für ein abstraktes Bild. Ich arbeite still für mich hin, die Brille hilft mir tatsächlich, alles andere auszublenden. Ich fühle mich wie in einem Kokon, es existiert keine Außenwelt und ich merke, wie gut ich in dieser Aufgabe aufgehe. Ich bin nun wirklich kein guter Maler, gebe aber meinem Gekritzel Bedeutung und vertiefe mich mit Akribie in mein Bild.

Als ich für meine Begriffe fertig bin, bitte ich Frau Mellendorf zu mir. Sie lässt sich interessiert mein Bild erklären, ich erläutere ihr die unterschiedliche Farbgebung und was diese mit mir zu tun hat. Ich habe zum ersten Mal das Gefühl, hier in Bodenhain richtig zu sein.
Frau Mellendorf sagt dann, dass wir in fünf Minuten aufhören müssen und bittet uns darum, unsere Plätze aufzuräumen. Zu schnell ist die Zeit hier im Kunstraum vorbeigegangen, ich freue mich schon auf das nächste Mal.

Plötzlich steht die Praktikantin Jasmin vor mir. Nach der konzentrierten Arbeit im Nahbereich gerade weiß ich erst, dass sie es ist, als sie mich anspricht. Erkennen kann ich sie kaum, erst als sie direkt vor mir steht. Verflixte Brille - aber andererseits, hätte ich mich ohne sie so gut in meine Arbeit vertiefen können?


Melanies Bestrafung

Jasmin zieht mir zunächst die Handschuhe wieder an und schiebt mich dann in den Speisesaal, fragt mich, welches der zwei Essen ich wünsche, und füttert mich dann. Ich bin heute milder gesinnt und gehe auf ihr dummes Geplapper ein.

Nach dem Essen kommt Schwester Gerda, um mich zur Mittagsruhe abzuholen. Sie bringt mich auf mein Zimmer, vorher darf ich noch zur Toilette gehen. Ich muss mich wieder auf mein Bett legen und werde von ihr sorgfältig festgegurtet. „Sie waren heute bisher ja sehr brav, deshalb können wir auf das Knebelgeschirr verzichten“, meint sie. Ich traue mich, sie anzusprechen: „Darf ich Sie fragen, was mit Frau Hendricks ist? Ich kann ja von hier aus nicht sehen, ob sie schon in ihrem Bett ist.“ „Fragen dürfen Sie schon, wissen müssen Sie aber nicht alles“ ist die dürre Antwort.

Eine Stunde später kommt Sven auf das Zimmer und macht mich los. Er ist in Plauderstimmung und ich frage ihn nach Melanie. „Na ja“, sagt er. „Gestern hat sie schon heftig reagiert. Deshalb heute das Gespräch bei der Chefin. Natürlich kommen jetzt Sanktionsmaßnahmen. Ist aber alles halb so wild. Sie weiß nun auch, dass sie noch ein bisschen bei uns bleiben wird. Ich bringe Sie mal zu ihr.“ Er vergisst nicht, mir die Handschuhe anzuziehen und den Helm aufzusetzen und geleitet mich dann in den Aufenthaltsraum. Endlich darf ich wieder selber gehen.

„Hier sitzt Frau Hendricks“, sagt Sven. „Die Unterhaltung dürfte aber schwierig werden.“ Wie immer in fremden Räumen erkenne ich erst einmal nichts. Dann stehe ich zwei Personen gegenüber. Die eine ist Jasmin, die erkenne ich. Ist die andere Melanie? Von ihrem Gesicht ist nur noch wenig zu erkennen. Sie trägt ihr Knebelgeschirr, hat wie ich einen kleidsamen Helm auf, trägt Ohrenschützer und eine riesige Brille mit schwarzem Rand. Die dicken Gläser vergrößern ihre Augen gewaltig. Melanie sieht in meine Richtung, scheint aber nichts zu erkennen. Ich spreche sie an und möchte sie gerne umarmen. Aber sie kann mich nicht hören. Ich gehe ganz nah auf sie zu. Da erkennt mich Melanie und lächelt. Ich möchte ihre Hand streicheln, kann aber nur die Fäustlinge anfassen, in denen die Hände stecken.

„Wir möchten versuchen, über Reizreduzierung Frau Hendricks möglichst schnell wieder in die Spur zu bringen“, erklärt Sven. „Deshalb die Ohrenschützer, die Handschuhe und die Brille. Hören, Tasten und Sehen sind jetzt sehr eingeschränkt. Nach und nach werden diese Maßnahmen nun wieder zurückgefahren, bis Frau Hendricks vielleicht wieder ohne auskommt.“ „Und das Knebelgeschirr?“ frage ich. „Ist eine Strafe für das Spucken und Schreien. Morgen darf sie wieder sprechen.“

Ich lächele Melanie an und bin so froh, sie wieder zu sehen. Leidensgenossin denke, solidarisch in der Hässlichkeit.

„Nun, Frau Hendricks kann natürlich heute nicht an der Gesprächstherapie teilnehmen“, teilt Sven mir mit. Das kann ich mir schon denken. Ich setze mich jetzt einfach neben Melanie. Wir kuscheln uns aneinander auf ein kleines Sofa, bis mich Jasmin zur Gesprächstherapie bringt.

Die gestaltet sich alles andere als spannend. Ich werde gerade mal so von dem Gesprächsleiter, einem Psychologen Herrn Meyer, registriert und dann dreht sich alles um irgendwelche Probleme der Teilnehmer vom letzten Mal. Ich kann kaum jemand erkennen und versuche so zu tun, als höre ich interessiert zu, tauche aber innerlich ab. Erst ein “wenn Sie das hier nicht interessiert, Frau Ferner, dann muss ich noch mal mit der Ärztin sprechen“ ruckt mich wieder wach und ich lasse den Rest des Nachmittages über mir ergehen. Viel lieber wäre ich wie gestern ein bisschen draußen. Das hat mir besser getan als das Gerede hier.

Jasmin bringt mich dann später zum Abendessen, bei dem ich das Füttern und das Trinken aus dem Schnabelbecher über mir ergehen lasse. Wieder auf der Station freue ich mich, Schwester Yvonnes Stimme zu hören. Sie ist so freundlich, fragt mich nach meinem Tag und lobt mein gutes Benehmen. Aufgrund der guten letzten Nacht darf ich heute ohne Knebelgeschirr schlafen. Yvonne verspricht mir, dass bei weiteren Fortschritten, sprich gutem Benehmen meinerseits, die weitere nächtliche Fixierung nach und nach gelockert werden kann. Dann löst sie meine Handschuhe und ich mache mich bettfertig.

Ich frage Yvonne nach Melanie, da ich nicht erkennen kann, ob sie schon im Zimmer ist. Yvonne führt mich an ihr Bett. Da liegt meine Freundin, ja ich mag sie schon so nennen, obwohl wir uns erst seit einem Tag kennen. Schön fest fixiert, von den Füßen bis zum Kopf, das Knebelgeschirr über den Mund gezogen zwinkert sie mir durch ihre dicken Gläser zu, als wenn sie mir sagen würde: „Alles wird gut.“

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sturmgras1
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Nordbayern


Ich liebe den Charme des Makels

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  RE: Sechs Monate Datum:26.08.22 21:02 IP: gespeichert Moderator melden


guten Abend.
möchte ebenfalls dickes Lob und vielen Dank sagen.
die Geschichte drückt soooo viele Knöpfe bei mir, einfach wunderbar.
Besonders die Storyline, sich selbstbestimmt einer derattigen Procedur zu unterwerfen- im wahren Wortsinne, mit Ende der Beliebigkeit vmtl. unangenehm erscheinender Therapiemassnahen, die resolute Liebenswertigkeit der Betreuer:Innen, der Zwiespalt im Kopf,
....es läuft schon wieder das Kopfkino..wobei mir Brillengläser wie Flaschenböden lieber wären, z.B...

freue mich auf die weiteren Folgen.

danke vorab und uns ein schönes Wochenende.

sturmgras
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Deep Wishes
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  RE: Sechs Monate Datum:28.08.22 13:48 IP: gespeichert Moderator melden


@sturmgras: Danke für die aufmunternden Worte. Katrin hat nun erst mal ruhigere Tage, bis...

Freundinnen

Die Nacht wird gut. Erstaunlich, wie schnell man sich an die nächtliche Fixierung gewöhnen kann. Am Morgen werden wir von Yvonne geweckt und dann duschen Melanie und ich. „Wie war es denn bei der Chefin?“ frage ich sie. „Och“, antwortet Melanie. „Eigentlich ganz sachlich und ruhig. Sie sprach dann von den reizreduzierenden Maßnahmen, die bei entsprechendem Verhalten aber relativ zügig wieder aufgehoben werden sollen. Ist ein komisches Gefühl so gut wie nichts zu hören, nichts anfassen zu können, nur hell und dunkel unterscheiden zu können. Macht ein bisschen einsam, erst recht wenn man nicht sprechen kann.“ „Aber heute darf ich ja wieder“, lächelt sie. „Wie lange hast du denn beim ersten Mal die Brille getragen?“ frage ich sie. „Und konntest du später wieder normal sehen oder hast du einen bleibenden Schaden erlitten?“ „Nein, nein, das nicht, alles gut jetzt“, sagt Melanie. „Ich musste die Brille mit den starken Gläsern etwa vier Wochen tragen, dann wurden merklich schwächere Gläser eingesetzt. Mit denen konnte ich so zwei bis drei Meter scharf sehen.

Wahrscheinlich waren sie mit meinem Verhalten sehr zufrieden, denn nach weiteren vier Wochen war ich brillenfrei. Aber die Gläser, die sie mir jetzt eingesetzt haben, sind schon sehr heftig. Ich sehe so gut wie nichts.“ „Und wie lang bist du schon hier?“ „Circa vier Monate“ sagt sie. Da öffnet Yvonne die Tür und bittet uns, uns fertig zu machen: „Es ist Frühstückszeit.“

Yvonne verzichtet darauf, uns Handschuhe anzuziehen. Dann führt sie uns zum Speisesaal, wo wir uns das Frühstück schmecken lassen. Die Verständigung mit Melanie ist schwierig, da sie noch den Ohrenschutz tragen muss. Aber ich bin glücklich, in ihrer Nähe zu sein.

Melanie darf noch nicht wieder an den Therapiemaßnahmen teilnehmen, ich aber gehe zur Musiktherapie. Dort schlagen wir in einer Kleingruppe nach Anleitung verschiedene Rhythmen, üben das Folgen und Vormachen. Es macht mir richtig Spaß. Allerdings wurden mir vorher – aus Sicherheitsgründen, wie es hieß, wieder die dicken Fausthandschuhe angezogen. So klingen meine Trommelschläge etwas dumpf.

Am Nachmittag ist frei. Wir gehen begleitet von Jasmin bei schönem Herbstwetter in den Park. Jasmin ist so rücksichtsvoll, uns ein bisschen an der langen Leine zu lassen. Trotzdem bin ich vorsichtig, was ich sage, denn ich glaube, ihr nicht trauen zu können.

Ich bin so froh, jemand gefunden zu haben, die auf ihre Art mit mir seelenverwandt zu sein scheint. Einmal stehen wir uns so dicht gegenüber, dass sich die Stirnpolster unserer Helme berühren. Wir sehen einander an, schauen in unsere großen Augen hinter dicken Gläsern und umarmen uns innig. „Ich kann dich ja nur erkennen, wenn du ganz nah vor mir stehst“, sagt Melanie. „Aber noch schöner ist es, dich zu fühlen.“

So vergehen die nächsten Tage. Melanie darf nun auch wieder an den Angeboten teilnehmen, sie muss keinen Ohrenschutz mehr, aber wie ich weiterhin die Fäustlinge tragen.

Am besten gefällt mir immer noch die Kunsttherapie, aber auch die Musik- und die Bewegungsangebote sind nicht schlecht. In der Gesprächstherapie komme ich mittlerweile immer besser zurecht. Ich werde mehr mit einbezogen und lerne allmählich, mich dem Kreis zu öffnen und von meinen Problemen draußen zu erzählen.

Am liebsten sind Melanie und ich morgens und abends im Waschraum zusammen. Dann fühlen wir uns am ungestörtesten und albern herum. Bei allen restriktiven Maßnahmen, die sie hier auf Lager haben, mir scheint, wenn alles gut läuft, gönnen sie einem die Lebensfreude.

Einmal setze ich abends im Waschraum Melanies Brille auf. Ich erschrecke sehr, alles total unscharf. Ich kann damit nichts, aber auch gar nichts mehr sehen, und damit läuft meine Freundin schon eine Woche herum. Sie meint aber, Schwester Yvonne hätte ihr versichert, dass nach einer „guten“ Woche die Stärke der Gläser reduziert würde.

So erleben wir gute Tage miteinander und auch die Nächte gestalten sich angenehmer. Mir wird nur noch die Bauch- und Armfixierung samt Schrittgurt angelegt – mit der Option auch darauf bald verzichten zu können. Und auch Melanies Fixierung wird nach und nach zurückgenommen.


Mit Helm und Brille

Ich wollte Psychiatrie und nun habe ich Psychiatrie. Ich lebe hier in einem starren Regelkorsett mit klaren Strukturen, eindeutig formulierten Erwartungen und genau festgelegten Belohnungen und Strafen. Diese festen Regeln sollen mir ja gut tun, aber manchmal rebelliert da etwas in mir. Ausnahmen werden grundsätzlich nicht gestattet. Der verbliebene Freiraum, den wir haben, ist auf die kurze Zeit vor oder nach den Mahlzeiten reduziert.

Morgens nach dem Wecken werde ich aus der Fixierung befreit. Das abendliche Festgeschnallt-werden nehme ich mittlerweile einfach hin; ich habe mir gut angewöhnt, auf dem Rücken zu schlafen. Dann geht es ins Bad, wo ich meistens genug Zeit habe, mich ausgiebig zu duschen. Meine Nachtwindel ist bisher immer trocken geblieben und da bin ich stolz drauf! Tagsüber darf ich wieder meine normale Kleidung tragen und gehe auch wieder ganz normal zur Toilette.

Im Bad liegen jeden Morgen meine Brille und der Lederhelm parat. Ich darf ohne Brille nicht aus dem Bad kommen, das ist die Regel. Ich setze die Brille morgens auf und trage sie brav den ganzen Tag über. Viel sehe ich damit nicht, ich lebe in meiner Ein-Meter-Welt. Jedenfalls mag ich es gerade, darin zu versinken und vieles, was mich nicht angeht, ausblenden zu können. Auch wenn die Brille mit ihren dicken, großen Gläsern nicht gerade meine Schönheit verbessert, schaue ich ab und zu in den Spiegel und beobachte mich. Fasziniert von mir selbst und wie anders ich aussehe. Übrigens lässt sie sich recht bequem tragen. Sie drückt nicht und rutscht nicht. Da hat Schwester Dorothea gut gearbeitet.

Danach ist der Helm an der Reihe. Ich setze ihm mir selber auf und ziehe den Kinngurt stramm und fühle, wie sich das Innenleder an die Kopfhaut schmiegt. Der Helm ist trotz seiner Größe und dem Leder gar nicht so schwer. Wenn ich ihn einige Zeit trage, spüre ich ihn schon gar nicht mehr. Ob ich ihn wirklich brauche, weiß ich allerdings gar nicht. Den Kopf gestoßen oder gar gestürzt bin ich noch nicht. Manchmal nervt der Helm jedoch auch, besonders wenn es warm ist. Aber ihn abzunehmen geht nicht; wie gesagt, Ausnahmen werden nicht gestattet.

So laufe ich also den ganzen Tag mit Lederhelm und dicker Brille über die Station. Ich bin aber nicht die einzige Frau, der es so geht. Einige der Mitpatientinnen sind genauso vorteilhaft ausgestattet. Scheinbar ergeht es den meisten Neuen so, wie ich es erlebe. Die dicken Fausthandschuhe wurde ich zum Glück nach vier Tagen los, selbstverständlich nicht ohne ausdrückliche Warnung, dass ich sei bei einem neuen Fehlverhalten wesentlich länger tragen müsse.

Nach zwei Wochen werde ich zum Gespräch bei Frau Dr. Schardtwald geladen. Sie lobt meine Fortschritte und erwähnt, dass ich mich gut eingelebt hätte. Sie vergisst aber nicht zu erwähnen, dass das Leben hier in der Einrichtung eine Art Schonraum sei und ich noch lange nicht so weit sei, mich den wahren Herausforderungen der Umwelt draußen zu stellen. Ich denke, dass ich darauf gerade auch noch gar keine Lust habe. Trotz aller Einschränkungen hier in der Klinik – ich fühle mich recht wohl.

Dass ich es so gut geschafft habe, von den Medikamenten loszukommen, ohne auszuflippen, wundert mich etwas und hätte ich mir schwieriger vorgestellt. Vielleicht sind es die übersichtlichen und klaren Strukturen hier, die mich haben ausgeglichener werden lassen.


Santionen

Es ist Abend, Schwester Gerda hat Dienst. Sie wirkt hektisch und ist schlecht gelaunt. Barsch befiehlt sie uns, sich im Bad zu beeilen, sie hätte noch mehr zu tun. Sie und ich, wir mögen uns nicht, das weiß ich, und es reizt mich, sie zu provozieren. Also mache ich ganz langsam und als sie von draußen ungeduldig klopft, rufe ich zurück, ich sei noch auf der Toilette. Melanie ist schon fertig. Sie warnt mich, es nicht zu übertreiben, und geht dann ins Zimmer.

Ich mache nun extra langsam, putze mir ausgiebig die Zähne, lege mir in aller Ruhe die Windel an und trödle auch sonst noch etwas herum.

Als ich dann ins Zimmer komme, ist Gerda nicht mehr allein. Zwei Pfleger, die ich nicht kenne, stehen neben meinem Bett und haben das komplette S-Fix-System installiert. Mir wird schlecht, als ich das sehe, und stammele eine Entschuldigung. Doch Gerda befiehlt mir lediglich, mich aufs Bett zu legen und still zu sein.

„Wenn Sie mich provozieren wollen, bitte“, sagt sie, „ wir können auch anders. Dann beginnt also wieder die Vollfixierung und sie werden einige gute Tage und Nächte brauchen, bis die Fixierungen reduziert werden. Sie wissen doch, wie das bei uns läuft.“

Ich liege nun auf dem Bett, schließe die Augen und spüre, wie sich ein Gurt nach dem anderen um mich legt. Erst um den Bauch, dann um die Handgelenke und die Fußgelenke und schließlich der Schrittgurt. Als sich die Schwester an den Schulterhalterungen zu schaffen macht, bettele ich: „Bitte, Schwester Gerda, die nicht auch noch, es tut mir wirklich leid“, doch statt einer Antwort holt die Schwester mein Knebelgeschirr, um mir es anzulegen. Ich schreie los und werfe den Kopf hin und her – mit dem einzigen Erfolg, dass sie es zu dritt doch irgendwie schaffen, mir den Knebel zu verpassen und meinen Kopf auch noch still legen. Dann werden die Schulterfixierungen noch mal extra nachgezogen und dann sind meine Finger das einzige, was ich noch bewegen kann. Ich kann nur noch grunzen – und hoffe, trotz der ganzen Fixierungen schnell einschlafen zu können.
Ich weiß noch, dass ich die Fixierungen im Bett in den ersten Tagen spannend gefunden habe, heute hasse ich sie.

Einige Tage später – ich war übrigens brav und ich werde im Bett nur noch am Bauch samt Schrittgurt, den Handgelenken und an den Füßen fixiert – bin ich nach der nachmittäglichen Therapie mit Anne und Amelie zusammen. Amelie ist schon länger hier und darf ohne Helm und Brille unterwegs sein. Anne ist kurz vor mir gekommen und ist genauso wie ich ausgestattet. Wir sind im Aufenthaltsraum, haben ein wenig Spaß miteinander. Irgendwann fangen wir an zu lästern und witzeln über den schmierigen Pfleger Arthur, über die ewig schlecht gelaunte Schwester Gerda und über die eigentlich ganz nette, jedoch so arg betuliche Schwester Yvonne. Als Amelie eine süffisante Bemerkung über die Ärzte macht, prusten Anne und ich los und kriegen uns kaum noch ein.

Amelie, die ja als einzige von uns gut sehen kann, ist plötzlich still und ich höre Schwester Gerda: „Ihre Unterhaltung ist ja wirklich witzig. Kommen Sie drei doch bitte mal mit.“ Plötzlich stehen drei Pfleger da, jeder von ihnen fasst eine von uns am Arm und führt uns zum Ärztezimmer. Ich soll mich im Wartezimmer auf einen Stuhl setzen, während mein persönlicher Bodyguard über mich wacht. Die Tür zum Sprechzimmer öffnet sich und eine weibliche Stimme stellt sich vor: „Ich bin Frau Dr. Hahn und habe heute Dienst. Frau Schulz und Frau Passlack, kommen Sie doch bitte herein.“

Anne und Amelie, zwei Pfleger und Schwester Gerda gehen ins Sprechzimmer. Ich höre, wie drinnen gesprochen wird, dann etwas Gemurmel und ein Stöhnen. Erneut öffnet sich die Tür und die Pfleger führen Anne und Amelie heraus. Ich kann gerade so erkennen, dass beide einen roten Ballknebel im Mund haben und ihre Hände vorne an einem Hüftgurt fixiert sind. Das reicht mir – ich springe auf und laufe zur Tür. Doch mein Bodyguard ist schneller und vor allem stärker. Er hält mich fest, bevor ich die Tür erreiche, und zusammen mit einem der anderen beiden Pfleger bugsieren sie mich ins Sprechzimmer und dann in diese Art Zahnarztstuhl. Blitzschnell schließt sich ein Gurt um meinen Rumpf, meine Handgelenke werden fixiert, dann meine Füße. Ich verliere völlig die Kontrolle über mich und kämpfe wie von Sinnen gegen die Gurte an. Ich zappele und schreie. Doch es hat ja keinen Sinn; als die Fixierweste geschlossen und stramm gezogen wird, ergebe ich mich in mein Schicksal. Ehe ich mich versehe, wird mir ein Ballknebel in den Mund gelegt und dann am Hinterkopf fixiert.

„Sie machen ja ein Theater, Frau Ferner“, sagt die Ärztin. „Jetzt beruhigen Sie sich erst einmal, wir kommen in einer Viertelstunde wieder.“ Und schon bin ich alleine.

Ich wimmere in meinen Knebel, mir tun die Knochen weh, die Gurte sind arg stramm – ich kann nicht mehr und lasse die Tränen laufen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt das Personal zurück und Frau Dr. Hahn hält mir eine Strafpredigt. „So, wie Sie drei sich vorhin aufgeführt haben, geht das gar nicht. Um zu Therapieerfolgen zu kommen, müssen Sie schon eine positivere Haltung an den Tag legen. Und unsere verdienten Mitarbeiter, die wirklich alles tun, damit Sie wieder gesund werden, so lächerlich zu machen, ist ein absolutes Unding. Aber Sie kennen ja die Regeln: auf Fehlverhalten folgt eine Sanktion. Haben Sie das so weit verstanden?“ Ich nicke. „Wenn wir Sie jetzt aus dem Stuhl herauslassen, werden Sie ruhig bleiben?“ Ich nicke wieder. „Also gut“, fährt die Ärztin fort. „Wie bei den beiden anderen: Ballknebel bis zum Abendessen, danach das Kopfgeschirr bis morgen früh. Und weil Sie vorhin ein besonders herausforderndes Verhalten gezeigt haben, ziehen Sie die Schutzjacke an.“ Ich verstehe zunächst nicht, was sie meint, und begreife erst, als einer der Pfleger eine Zwangsjacke in der Hand hält.

Ich stöhne in meinen Knebel, lasse mich dann aus dem Stuhl befreien und stelle mich hin. Einer der Pfleger hält mich fest, während sich die anderen beiden an mir zu schaffen machen. Ich stecke meine Arme in die Ärmel, dann wird die Jacke an meinem Rücken stramm geschlossen. Meine Arme werden verschränkt und die losen Enden der Ärmel am Rücken verschlossen. Schwester Gerda lässt es sich nicht nehmen, den vorne baumelnden Schrittgurt zwischen meinen Beinen durchzuziehen und ihn dann schön stramm hinten festzuzurren. „So, Sie sind fertig“, sagt sie. „Vielleicht lernen Sie jetzt endlich mal dazu.“ Ich spüre, wie mich der feste Stoff eng umschlingt. Mir wird arg warm und es drückt an den Schultern.

Ein Pfleger führt mich in den Aufenthaltsraum. Ich stelle mich zu Anne und Amelie. Wie die Zombies stehen wir da – den Mund verschlossen, der Speichel läuft, stumm schauen wir uns aus unseren dicken Brillengläsern an. Denn auch Amelie trägt jetzt eine Brille und dazu natürlich einen Lederhelm. Den anderen Frauen ist wohl eingeschärft worden, uns zu ignorieren. Denn keiner kommt zu uns und spricht mit uns.

Als es Abendessenzeit ist, werden wir drei in einen Extraraum geführt und auf eine Bank gesetzt. Einer der Pfleger nimmt uns unsere Knebel ab und eine Schwester, die ich noch nicht kenne, füttert uns mit klein geschnittenem Brot. Immer schön abwechselnd öffnen wir unsere Münder und nehmen unser Essen auf. Gesprochen wird nicht. Wir trauen uns aber auch nicht wirklich. Am Ende gibt es aus dem Schnabelbecher schauderhaften Tee. Wir dürfen dann unseren Mund ausspülen. Uns dreien werden kurz die Helme abgenommen und dann wird jedem von uns ein Knebelgeschirr angelegt. Eins hübscher als das andere. Dann den Helm auf und fertig sind wir fürs Abendprogramm, was im Wesentlichen daraus besteht, stumm und weitgehend bewegungsunfähig im Aufenthaltsraum darauf zu warten, dass Bettgehzeit ist.

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  RE: Sechs Monate Datum:01.09.22 19:31 IP: gespeichert Moderator melden


Eine Zwangsjacke nur für mich

Wie nicht anders zu erwarten, ist für die Nacht das komplette S-Fix-Programm für mich vorgesehen. Ich bin zunächst froh, aus der Zwangsjacke herausgelassen zu werden, dusche mich kurz und bin dann bereit für die nächste Prozedur. Die Gurte freuen sich schon auf mich. Schwester Gerda und Pfleger Arthur sorgen dafür, dass ich ja keinen Unsinn anstelle und fixieren sorgfältig einen Gurt nach dem anderen. Am Ende wird mir wieder das Knebelgeschirr übergestülpt, so dass ich keine Chance habe, mit Melanie zu sprechen.

Als ich fertig angegurtet im Bett liege, kommt Frau Dr. Hahn herein. Sie hält die Zwangsjacke im Arm. „So, Sie sind schon bettfertig“, sagt sie mit einem zufriedenen Blick auf die Gurte, „ich habe Ihnen etwas mitgebracht. Sehen Sie, das war vorhin ein äußerst aggressives Verhalten von Ihnen und unsere Erfahrung zeigt uns, dass es in Fällen wie bei Ihnen stets zu Rückfällen kommen kann. Deswegen haben einige von unseren Patientinnen eine eigene Schutzjacke in der passenden Größe, dann geht die Schutzmaßnahme im Notfall schneller. Das ist Ihre, hier ist Ihr Name.“ Und sie zeigt mir meinen Namen in einer kleinen Plastikhülle auf der Rückseite der Jacke. „Den Service haben nicht alle. Vermutlich war das heute nicht das letzte Mal, dass wir Sie vor sich selbst schützen müssen“, lächelt sie mich an und hängt dann die Jacke an einen Kleiderbügel.

„Und da Sie sich so gut mit Frau Schulz und Frau Passlack verstehen, dürfen Sie auch die Nacht miteinander verbringen“, fährt die Ärztin lächelnd fort. Arthur löst die Bremsen meines Bettes, zieht rechts und links die Gitter hoch und schiebt mich über den Flur in das letzte Zimmer am Ende des Ganges. Da liegen schon Anne und Amelie festgegurtet in ihren Betten, auch beide mit einem hübschen Knebelgeschirr versehen.
Das Licht wird gelöscht und wir drei werden uns selbst überlassen. Irgendwann kommt der Schlaf, aber es dauert.

Am nächsten Morgen weckt mich Schwester Gerda und ein mir unbekannter Pfleger. Ich bin noch ganz schlaftrunken, da lösen sie schon die Handgelenksgurte, ziehen dann aber sofort die Ärmel meiner Zwangsjacke über meine Arme. Dann werden die Schultergurte und der Bauchgurt geöffnet. Ich muss mich setzen und schon wird die Jacke an meinem Rücken fest verschlossen und meine Arme verschränkt an der Jacke fixiert. Das Knebelgeschirr lassen sie mir auf, als die beiden dann wieder die Gitter des Bettes hochziehen. So sitze ich nun in meiner Zwangsjacke im Gitterbett, Beine und Fußgelenke noch fixiert, und warte auf die Dinge, die da kommen werden.

Gerda und der Pfleger befreien Anne und Amelie von Gurten und Knebelgeschirren und scheuchen sie nacheinander ins Bad. Und dann, nachdem man mir mein Knebelgeschirr endlich abgenommen und die letzten Fixierungen gelöst hat, führt mich Gerda ins Bad, nimmt mir die Windel ab und ich kann kurz auf die Toilette. Dann wieder eine Windel an, die Hose darüber und Gerda befestigt den vorne baumelnden Schrittgurt hinten an meiner Jacke. Aber ich bin noch lange nicht fertig. Ein tiefer Rollstuhl steht von hinten bereit, in den ich sanft niedergedrückt werde. Ich zische: „Fassen Sie mich nicht an.“ Doch mit einem „schön ruhig“ befestigt sie eine breite Fixierweste vor meinem Oberkörper und fixiert dann meine Fußgelenke. So sitze ich nun schön sicher verpackt im Rollstuhl, herausfallen kann ich nicht… Für wie gefährlich halten die mich eigentlich? Nur weil ich mich gestern etwas gewehrt habe…

Dann gibt es das Frühstück. Raubtierfütterung denke ich. Wie gestern Abend werde ich mit klein geschnittenem Brot gefüttert. Lecker, lecker…
Warum das Ganze, erfahre ich, als Frau Dr. Hahn aufkreuzt. „So, meine Damen, wir haben gestern Abend noch über Ihr Verhalten gesprochen. Wir denken, dass sollte noch weitere Konsequenzen haben. Sie drei werden heute Vormittag nicht an den Therapien teilnehmen, sondern einen – zugegebenermaßen – ziemlich eintönigen Morgen haben. Wir befürchten, andere könnten sich an Ihrem schlechten Vorbild ein Beispiel nehmen, deshalb müssen wir dagegen steuern. Gerda und Eddie, bitte fangen Sie mit Frau Ferner an!“

„Wir schieben Sie jetzt auf den Flur. Ihre beiden Kolleginnen kommen nach. Da können Sie drei heute Morgen mal als abschreckendes Beispiel dienen. Ja, jeder ist zu was nütze“, kichert Gerda. Aber erst noch die Brille auf und darüber das Knebelgeschirr, dann auch noch den Helm. Und dann werde ich auf den Flur gerollt und irgendwo geparkt. Ich bekomme mit, dass die anderen Frauen gerade auf dem Weg zum Frühstück sind. Dann kommen Eddie und Schwester Gerda mit zwei weiteren Rollstühlen, in denen Anne und Amelie sitzen. „So, da sind wir“, kommentiert Eddie, „die drei Grazien nebeneinander. Ihnen hat es ja ziemlich die Sprache verschlagen.“ Und über seinen eigenen blöden Witz lachend, verschwindet er endlich.

Ich wende den Kopf zum Rollstuhl neben mir und artikuliere einen Gruß. Neben mir ist Amelie mit ihrer neuen klobigen Brille und ebenfalls mit Knebelgeschirr ausgestattet. Ich erkenne sie kaum wieder. Sie nickt mir zu und grunzt zurück.
Mir fällt aus, dass Anne und Amelie die Arme und Beine frei bewegen können. Nur mich hat man in die Zwangsjacke gesteckt – vielleicht wegen meinem Extra-Auftritt gestern?

Aber auch dieser Vormittag nimmt ein Ende und zum ersehnten Mittagessen werden wir drei aus unseren Rollstühlen und von unseren Knebelgeschirren befreit. Nebeneinander sitzend werden wir wie gestern Abend gefüttert und dann auf unser Zimmer geführt. Endlich aus der Jacke heraus, aber auf uns wartet wieder das komplette S-Fix-Programm …

Am Nachmittag steht die öde Gesprächstherapie auf dem Programm. Auch für den Rest des Tages wird mir wieder die Zwangsjacke angezogen, aber Yvonne, die jetzt Dienst hat, ist so rücksichtsvoll, sie nicht ganz so fest zu schließen. Zur Therapie darf ich zu Fuß, dann wieder mit Helm, „natürlich nur zu Ihrem Schutz“. Um die Fußgelenke trage ich einen Gurt, mit dem ich nur kleine Schritte machen kann. Yvonne hält mich an der Jacke und führt mich zum Therapieraum.
Während der Gespräche bin ich einsilbig. Natürlich steht auch mein gestriges Verhalten im Raum. Ich gebe alles zu, verspreche Besserung und bin dann froh, dass man mich in Ruhe lässt.

Und noch vor dem Abendessen ruft mich Frau Dr. Hahn in ihr Büro, hält mir einen Vortrag über aggressives und kooperatives Verhalten und öffnet mir dann die Jacke. Ich muss sie dann selbst auf mein Zimmer bringen, „vermutlich brauchen Sie sie bald wieder“, wie die Ärztin sagt. Noch ein Tag in Zwangsjacke? Nein danke, da kann ich gut drauf verzichten.


Froschgesicht

Vier Tage später an einem Freitag habe ich meine nächste unliebsame Begegnung mit Frau Dr. Hahn. Morgens im Bad habe ich etwas länger gebraucht, ich muss mich beeilen und laufe, nachdem ich mich angezogen habe, schnell zum Frühstückraum. Ich setze mich an einen Tisch zu Melanie, die mich sogleich fragt: „Wo hast du denn deine Brille?“ „Oh, Mist, die habe ich im Bad gelassen“, stelle ich fest. „Besser holst du die eben“, sagt meine Freundin. „Das geht jetzt schlecht, da ist doch nun alles zu“, antworte ich. „Wenn ich jemand vom Personal sehe, dann bitte ich, mir die Badezimmertür aufzumachen.“

Wir fangen an zu essen, da entdecke ich Arthur suchend in der Tür stehen, der anschließend auf mich zugesteuert kommt. „Arthur, können Sie mir bitte…“, will ich fragen. Doch er unterbricht mich: „Sie sollen bitte nach dem Frühstück sofort zu Frau Dr. Hahn kommen.“ „Warum?“ frage ich. Er zuckt mit den Achseln. „Und genießen Sie Ihr Frühstück. Könnte das letzte Mal für die nächsten Tage gewesen sein, dass Sie selbständig essen können.“ Und dann ist er weg.

Ich gucke ihm erstaunt hinterher und frage dann Melanie beunruhigt, was er wohl gemeint haben könnte. Sie weiß es auch nicht, ist aber ebenso beunruhigt wie ich.

Ich habe nun keinen Appetit mehr, trinke nur meinen Kaffee schnell aus und bleibe noch einen Moment bei Melanie sitzen. „Du, ich habe ein total schlechtes Gefühl, ich weiß gar nicht, was ich gemacht habe soll.“ „Vielleicht klärt es sich ja“, sagt sie. „Wenn du wieder aus dem Büro draußen bist, werde ich da sein, so lange es geht.“ „Wenn sie mich raus lassen…“, denke ich.

Arthur kommt wieder an unseren Tisch und fordert mich auf, mitzukommen. Ich gehe mit ihm in Stationszimmer, wo Arthur mir die dicken Schutzhandschuhe überzieht und sie natürlich sorgfältig an meinen Unterarmen befestigt. Mein Gefühl wird immer mulmiger. Dann bringt er mich zu Frau Dr. Hahn.

„Es gefällt mir gar nicht, Sie schon wieder hier empfangen zu müssen, Frau Ferner“, begrüßt sie mich. „Wo ist denn Ihre Brille und was ist mit dem Helm?“ „Das ist es“, denke ich und bin fast erleichtert. „Ich habe beides heute früh im Bad vergessen, weil es schnell gehen musste. Ich wollte eigentlich jemanden vom Personal fragen, ob er mir nach dem Frühstück das Bad aufmachen würde.“

„Tja“, sagt die Ärztin, “Sie kennen die Regeln, auch das Tragen der Brille betreffend. Wir arbeiten hier an Ihrer Selbststeuerung und Selbstkontrolle. Wenn etwas nicht klappt wie heute Morgen, dann müssen wir uns weitere Hilfen überlegen. Wir werden Ihnen helfen, dass das nicht wieder vorkommt. Schauen Sie mal.“

Frau Dr. Hahn nimmt eine Art Schwimmbrille in die Hand. „Dieses Teil hat geschliffene Gläser, genauso stark wie Ihre jetzige Brille. Und wir werden Ihnen diese Brille jetzt umschnallen und Sie werden sie für die nächsten drei Tage tragen. Und zwar permanent. Das heißt auch nachts. Sie werden diese Brille nicht absetzen. Und Sie werden auch ihren Helm immer tragen.“ Ich schaue sie an: „Aber es war doch nur ein Versehen. Das erste Mal.“ „Betrachten Sie unsere Maßnahme wirklich als Hilfe. Ich gehe davon aus, dass Sie nach dieser Maßnahme immer daran denken werden, dass hier alle Regeln sinnvoll sind und befolgt werden müssen.“ „Aber…“, beginne ich wieder. „Frau Ferner“, sagt die Ärztin, „ich diskutiere nicht. Und ich möchte auch nicht, dass Sie diskutieren. Arthur kann gerne ihr Kopfgeschirr holen, verstanden?“ Ich nicke. „Also gut“, fährt sie fort. „Die Regeln sind so. Drei Tage und Nächte jetzt diese Brille und den Helm, permanent. Danach wieder alles wie gehabt. Sollten Sie dann wieder Ihre eigentliche Brille nicht aufsetzen, aus was für Gründen auch immer, sieben Tage dieses Teil. Bei einem weiteren Fehlverhalten auf unbestimmte Zeit. Verstanden?“ Ich nicke. „Die Handschuhe behalten Sie bis heute Abend an. Im Bett werden die Hände fixiert. Das, damit Sie nicht in Versuchung kommen, sich die Brille abzuziehen. Sollten Sie es morgen dennoch versuchen, ziehen Sie für den Rest der Zeit wieder die Patientenhandschuhe über, verstanden?“ Ich nicke wieder.

„Gut. Ich sehe, wir sind uns einig. Na, dann setzen wir Ihnen mal die neue Brille auf.“ Die Ärztin streift sie mir über den Kopf und augenblicklich versinkt die Welt wieder in Unschärfe, erst allmählich nehme ich Konturen wahr. Arthur macht sich an meinem Hinterkopf zu schaffen und zieht das Band stramm.
Dann führt mich die Ärztin zu einem Spiegel. Ich erschrecke mich vor mir selber. Diese hässliche und seltsam schimmernde Brille und dann meine übergroßen Augen hinter den runden Gläsern – „Froschgesicht“, flüstere ich. Wie bitte?“ fragt die Ärztin. „Froschgesicht“, wiederhole ich. „Ich sehe aus wie ein Frosch.“ „Na, so schlimm wird`s wohl nicht sein“, lächelt Frau Dr. Hahn. „Und nun den Helm auf. Arthur wird sie dann nach draußen begleiten.“ „Ich gehe heute nicht zur Therapie. So kann ich nicht dahin.“ Ich schäme mich so für mein Aussehen. „Was haben Sie denn für Therapien heute?“ fragt die Ärztin. „Erst Gespräche und später Musik. Aber so gehe ich nicht dahin“, sage ich. „Arthur, holen Sie bitte einen Rollstuhl. Frau Ferner möchte den heutigen Vormittag angeschnallt und fixiert im Flur verbringen“, ist die prompte Antwort. „Nein, bitte nicht“, bringe ich heraus. „Was denn nun?“ fragt die Ärztin. „Ich gehe ja zur Therapie“, sage ich. Und schon stülpt mir Arthur den Lederhelm über, den ich nun auch drei Tage ununterbrochen tragen soll.

„Und noch was, Frau Ferner“, fügt Frau Dr. Hahn zum Abschied dazu. „Sollten wir uns in absehbarer Zeit aufgrund Ihres Verhaltens wieder hier treffen müssen, dann könnte ich mir vorstellen, dass Sie mal ein paar Tage auf Station D verbringen sollten. Gut möglich, dass Sie danach dankbar sind, wieder bei uns zu sein.“ Und damit bin ich entlassen.

Draußen wartet Melanie auf mich. Sie nimmt mich in den Arm und fragt, wie es mir ergangen ist. Ich erzähle ihr alles. Von Station D weiß sie nichts, aber Amelie, die dazu gekommen ist, kennt jemand, die mal drei Tage dort war. Auf der Station D sollen die austherapierten und unheilbaren Langzeitfälle untergebracht sein. Mich gruselt bei dem Gedanken…

Es lässt sich mit der Froschbrille aushalten, auch das Schlafen mit Helm klappt ganz gut. Nur heute wieder nicht meine Hände benutzen zu können, das ist schon hart. Die Mahlzeiten werden mir von Praktikantinnen angereicht; eine tolle Erfahrung, regelmäßig gefüttert zu werden.

Am Montag früh ist dann alles ausgestanden. Ich darf die Froschbrille abnehmen und bestaune die dicken runden Abdrücke rund um meine Augen. Jetzt bloß schnell meine Brille und den Helm aufsetzen und dann hoffentlich nicht mehr negativ auffallen.

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tatiana.m
Sklavin

Sachsen


uneinsichtig + starrsinnig + vorlaut = Ausschluss

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  RE: Sechs Monate Datum:02.09.22 08:46 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Deep Wishes,
werte Gemeinde.

Ganz vielen Dank für die weiteren Erlebnisse. Richtig gut finde ich, wie die Gründe Für "Ausraster" und die Rückschläge geschildert werden.
Katrin ist noch irgendwie nicht richtig angekommen. Kommt Zeit kommt Ruhe. Die personalisierte Schutzjacke ist da sehr hilfreich.

Ein grosser Gurthersteller (vorn mit S und hinten mit x) bietet, oder bot, diesen Service auch an.

Da schlüpft man gleich viel lieber hinein. Ist halt was eigenes.

demütige Grüsse
und vergesst das Lächeln nicht
miststück
Löschung des Accounts beantragt.
Vielen Dank für die schöne Zeit.


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cbobby
Einsteiger

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  RE: Sechs Monate Datum:03.09.22 22:50 IP: gespeichert Moderator melden


Tolle Geschichte. Wird von Teil zu Teil Besser. Ich danke dir sehr für das posten. Besonders Zwangsjacke und strenge Fixierung trifft genau meinen Nerv
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Deep Wishes
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  RE: Sechs Monate Datum:04.09.22 12:32 IP: gespeichert Moderator melden


Vielen Dank euch für das tolle Feedback. Und weiter gehts.

Das Beißen in der Nacht

Drei Wochen später. Schwester Yvonne hat sich in den Urlaub verabschiedet, sie hat ihn sich wohlverdient. Als Abschiedsgeschenk hat sie mir die Nachricht hinterlassen, dass ich ab sofort nicht mehr im Bett fixiert bin. Schwester Gerda hat nun häufiger Dienst bei uns, was ich natürlich nicht so schön finde. Sie ist häufig gereizt und kurz angebunden, ganz das Gegenteil von Yvonne. Nun, damit muss ich leben.

In einer der darauf folgenden Nächte schlafe ich sehr unruhig. Ich träume wild, wache mit einem Aufschrei auf und bin zunächst ein wenig desorientiert. „Pst“, flüstert Melanie, „ wenn die dich hören…“ Ich versuche mich zusammenzureißen, finde aber nicht mehr in den Schlaf. Tausend Gedanken gehen mir durch den Kopf und sie werden immer düsterer. Ich versuche mich abzulenken, aber das funktioniert nicht. Und dann greife ich zu einem mir alt bekannten Mittel, um mit meiner inneren Spannung umzugehen. Ich beiße mir in die Handoberfläche, ganz feste und immer wieder an die gleiche Stelle. Ich kann nicht damit aufhören, es tut gut, den Schmerz zu fühlen. Ich höre erst auf, als ich das Blut schmecke. Als es morgens dämmert, sehe ich mir meine linke Hand an. Die Haut gequetscht, die Schneidezahnabdrücke, das geronnene Blut.

Das bleibt natürlich auch Schwester Gerda nicht verborgen, als sie mich weckt. Sie lässt mich in Ruhe duschen, untersucht danach schweigend die Wunde und verbindet sie. „Sie gehen nach dem Frühstück zu Frau Dr. Hahn“, sagt sie nur. „Es ist klar, dass das Folgen haben wird.“ Dann legt sie mir achselzuckend eine ziemlich dicke Windel samt Gummihose an. Mir ist jetzt doch ziemlich beklommen zu Mute. Melanie hält sich in Schwester Gerdas Anwesenheit zurück, ich bin aber froh, dass sie in meiner Nähe ist.

Dann reicht mir die Schwester einen fliederfarbenen Overall. Als ich ihn anziehe, stelle ich fest, dass meine Hände nun in eingenähten Handschuhen stecken. Diese sind an der Handinnenfläche versteift, so dass ich meine Finger kaum bewegen kann. Ich fange fast an zu weinen, das bedeutet ja, dass ich die Kunsttherapie heute vergessen kann. „Bitte, Schwester Gerda“, fange ich an „Kann ich nicht doch…?“ „Nein“, unterbricht sie mich. „Sie haben sich selbst verletzt und nun müssen Sie die Konsequenzen tragen. Und seien Sie sicher, da kommt noch was.“ Dann setzt sie mir die dicke Brille auf, stülpt mir den Helm auf den Kopf und begleitet uns zum Frühstück. „So, Frau Hendricks, Sie dürfen sich jetzt revanchieren und ihre Freundin füttern.“

Mir ist es lieber, von Melanie das Essen angereicht zu bekommen als von irgendjemand sonst. Melanie hat es gut, sie trägt keinen Overall mehr, sondern ihre normale Kleidung. Auch hat sie schwächere Gläser bekommen, mit denen sie immerhin fünf Meter weit scharf sehen kann. Den Helm braucht sie auch nicht mehr tragen. Wir unterhalten uns leise und ich frage Melanie, was mich wohl erwarten würde. Sie vermutet, dass ich einige Tage dank des neuen Overalls meine Hände nicht gebrauchen kann. Dazu wohl wieder angegurtete Hände in der Nacht.

Beklommen werde ich von Schwester Gerda zu Frau Dr. Hahn gebracht. Dort empfangen mich zwei Pfleger, die mich zuerst auf diese Art Zahnarztstuhl setzen, mir den Helm abnehmen und dann sofort meine Beine, meine Unterarme und dann auch noch mit einem breiten Gurt meinem Hals fixieren. Nun bekomme ich es doch mit der Angst zu tun, ich habe doch niemandem außer mir selbst etwas getan. Dann kommt Frau Dr. Hahn und teilt mir mit, dass es auch in Fällen von Selbstverletzung einen ganz klaren Maßnahmenkatalog bei Verfehlungen geben würde. Drei Tage lang der neue Overall, der meine Hände unbrauchbar werden lässt, „und dann noch etwas ganz Besonderes“, wie sie hämisch hinzufügt. „Wir haben hier im Haus einen sehr schönen Helm für Sie. Den trug aber leider bis gestern eine andere Patientin. Wir werden den Helm jetzt desinfizieren und wenn er hier auf der Station eintrifft, dürfen Sie ihn tragen. Seien Sie mal gespannt. Und für die Zeit bis dahin, dieses hübsche Teil.“ Sie zeigt mir eine kleine metallene Vorrichtung mit einem Lederband. „Kennen Sie vielleicht vom Zahnarzt, damit der Mund schön offen bleibt. Den setzen wir Ihnen gleich ein, so dass Sie gar nicht erst in Versuchung kommen, zuzubeißen.“ Nein, das will ich nicht. Trotz des Lederriemens am Hals versuche ich den Kopf hin und herzuwerfen. Als einer der beiden Pfleger mir das Ding in den Mund setzen will, mache ich ihn ganz einfach fest zu. „Kommen Sie schon“, sagt die Ärztin. „es ist keine Katastrophe, den Mundspreizer zu tragen. Sieht zwar nicht hübsch aus, aber wir sind dann sicher, dass Sie sich nicht mehr beißen werden.“

Dann hält sie mir die Nase zu, ich schnappe nach Luft und diesen Moment nutzt der Pfleger, um mir das Ding einzusetzen. Dann wird durch irgendeine Vorrichtung das Teil gespreizt, mein Mund muss sich etwas öffnen, und dann verschließt der andere Pfleger blitzschnell den Riemen hinter meinem Kopf. Einer löst dann sämtliche Fixierungen, der andere setzt mir wieder den geliebten Helm auf. „So, Sie sind jetzt fertig“, sagt die Ärztin. „ Die erste Therapie fällt heute aus. Sie können ja doch nicht sprechen.“ Natürlich nicht, ich versuche es, stoße aber nur noch Laute aus. Dann bindet mir der Pfleger noch ein großes Lätzchen aus blauer Folie mit einer Art Auffangtasche um und hilft mir aus dem Stuhl. „Ist wegen dem Speichel“, erklärt er. Ich sehe mich vor dem Spiegel und breche fast zusammen. Ich sehe so was von debil aus. Der offene Mund, der silberne Spreizer, das Lätzchen, die übergroßen Augen hinter dicken Gläsern, der braune Lederhelm, der fliederfarbene Overall mit den dicken Handschuhen – ich möchte nur noch raus hier. „Setzen Sie die Patientin mal draußen auf die Terrasse“, sagt Frau Dr. Hahn. „Das Wetter ist noch so schön mild.“
Ich könnte heulen; diese Demütigung für solch eine Kleinigkeit. Die sind hier unerbittlich.

Auf der Terrasse lässt es sich einigermaßen aushalten. Aber, weil ich wegen dem Spreizer nicht schlucken kann, läuft mir der Speichel aus dem Mund, übers Kinn und dann übers Lätzchen. Wie muss ich für die anderen hier aussehen? Da fühle ich, wie mich jemand umarmt. Es ist Melanie. „Oh, was haben sie mit dir gemacht?“ stöhnt sie. „Anne sagte, sie hätte dich nach draußen gehen sehen. Sie war so nett mich zu begleiten, sonst hätte ich dich nicht gefunden.“ Ich möchte etwas sagen, stoße aber nur dumpfe Laute aus. Dann lasse ich meinen Tränen freien Lauf und fange an, mir mit den Händen an den Kopf zu schlagen. „Hör auf damit“, fährt mich Melanie an. „Sonst stecken sie dich in die Zwangsjacke. Die Hahn hat Dienst, die macht das.“ Und hält mir dann die Hände fest. Als ich mich etwas beruhigt habe, wischt sie mir, so gut es geht, die Tränen ab. „Komm, meine Liebe“, tröstet sie mich. „Du schaffst das, die lassen dir den Spreizer nicht den ganzen Tag drin.“ Nein, nur vorübergehend, möchte ich sagen, stoße aber wieder nur Laute und Speichel aus. Dann muss ich wieder weinen, so fertig bin ich. „Ich muss jetzt zur Therapie“, sagt Melanie. „Spätestens bis heute Mittag auf dem Zimmer, Katrin. Bleib stark.“ Und dann geht sie vorsichtig wieder ins Haus.

Irgendwann kommt Schwester Gerda vorbei, um nach mir zu sehen. So langsam müsste ich mal auf die Toilette und versuche ihr das irgendwie begreiflich zu machen. Sie teilt mir jedoch nur lakonisch mit, ich würde ihr schon genug Zeit kosten, eigentlich hätte sie jetzt Feierabend und nun muss sie noch einen Bericht über mich schreiben. Schwesterschülerin Viola würde gleich nach mir sehen.

Fünf Minuten später stellt sich eine etwa 17-jährige als Viola vor, die auf mich etwas aufpassen würde. Der Druck auf der Blase lässt mich immer unruhiger werden. Ich stoße Laute auf und zeige mit den Händen auf meinen Unterleib. Doch Viola will oder kann mich nicht verstehen. Ich werde richtig sauer auf sie. Bloß nicht noch einnässen, denke ich, bitte nicht das noch. Ich halte es noch etwas aus, aber dann geht es nicht mehr. Ich lass es einfach laufen. Ich kann nicht mehr. Es erschafft mir ungeheure Erleichterung, aber gleichzeitig ist die Feuchte zwischen meinen Beinen sehr unangenehm. Wenn ich ein paar Schritte gehen will, fühle ich meinen schweren nassen Windelpo. Ich könnte heulen. Ich möchte nur noch unter die Dusche, raus aus den Klamotten, weg mit Helm, Brille und Spreizer. Jetzt verliere ich völlig die Selbstkontrolle und schreie los, so gut ich das mit offenem Mund kann.

Plötzlich werde ich von zwei starken Armen von hinten gefasst, jemand anders packt meine Beine und ich werde in einen Rollstuhl bugsiert. Ich will um mich schlagen, so erschrocken bin ich, ich bäume mich auf, aber einer der Pfleger fixiert meine Arme, der andere die Beine und dann den Bauch. Ich schreie und stöhne vor mich hin, als die beiden mich durch die Station schieben. Dann geht eine Tür auf, die beiden lösen die Gurte und stellen mich auf den weichen Boden. Ich bin in der Gummizelle, die ich ja schon am zweiten Tag mal kurz kennengelernt hatte.
„Wenn Sie sich wieder beruhigt haben“, sagt einer der beiden, „dann können Sie wieder raus. Wenn nicht, dann eben nicht.“ Er schließt die Tür ab und ich bin allein in der Zelle.


Der neue Helm

Ich muss mich jetzt irgendwie abreagieren, laufe hin und her, pralle von einer Wand gegen die andere. Sollen sie´s doch sehen, denke ich. Ich schreie und tobe, möchte meine Wut herauslassen. Irgendwann bin ich so fertig, dass ich nur noch wimmernd in der Ecke sitze.

Nach einer gefühlten Ewigkeit geht die Tür auf, die zwei Pfleger stehen da. „Versprechen Sie uns, jetzt lieb zu sein?“ fragt einer der beiden. Ich nicke lebhaft. „Dann kann Viola Sie ja saubermachen.“ Die beiden bringen mich in einen Waschraum und Viola übernimmt mich. Sie öffnet den Spreizer und legt ihn weg, zieht mich aus und lässt mich kurz duschen. Dann legt sie mir eine neue Windel an, zieht mir einen sauberen Overall an und setzt mir die Brille auf. Meine Hände stecken wieder in den Versteifungen. Die beiden Pfleger halten sich im Hintergrund.

„Hallo, Frau Ferner, ich muss heute leider länger hier bleiben, da kümmere ich mich doch gerne um Sie“, höre ich eine bekannte Stimme, „Ihr neuer Helm ist inzwischen eingetroffen. Ein hübsches Teil, er wird Ihnen gefallen.“ Schwester Gerda steht vor mir und hält etwas Dunkelblaues in der Hand. „Dann mal anziehen“, sagt sie, stellt sich hinter mich und stülpt mir den Helm über. Ich schaue plötzlich durch ein Gitter. Tatsächlich, vorne an dem Helm ist ein Gitter angebracht. „Für Menschen, die gerne mal kraftvoll zubeißen“, flötet die Schwester, als sie die Gurte des Helmes am Hinterkopf verschließt. „Steht Ihnen nicht schlecht. Schauen Sie mal in den Spiegel.“ Die Pfleger helfen mir auf und ich sehe mich in meiner ganzen Schönheit. Mein Kopf dick eingepackt in einen dunkelblauen Helm, das Gitter als Beißschutz und dahinter die dicken Brillengläser. „Schwester Gerda“, stammele ich, „bitte nicht, nicht diesen Helm.“ Ich fasse mir ans Gitter, ich kann es nicht fassen. „Doch, doch“, lächelt die Schwester, „ das ist für die nächste Zeit Ihrer. Unverwechselbar, Frau Ferner, unverwechselbar.“ Der Helm fühlt sich weicher an; statt Leder ist es geschmeidiger, dicker Kunststoff, der sich eng um meinen Kopf schmiegt. Mal gar nicht so unangenehm. Allerdings umschließt das Kunststoff viel mehr meine Wangen als bei meinem alten Helm. Ich kann also nur nach vorne gucken, aber sehen kann ich sowieso nicht viel. „Nun sind Sie sicher eingepackt“, lässt sich Schwester Gerda noch mal vernehmen, „ beißen geht nun nicht mehr. Und sollten Sie wieder mit anfangen, mit dem Kopf zu schlagen – Sie sind jetzt so gut abgepolstert, der perfekte Schutz.“

Die beiden Pfleger fassen mich an den Oberarmen und bringen mich in den Aufenthaltsraum. Es ist gerade Therapiepause, viele Frauen sind da. Natürlich falle ich auf, so wie ich jetzt ausstaffiert bin. Fragen prasseln auf mich ein, doch ich mag keine richtig beantworten. Bin erst einmal völlig bedient. Melanie fragt mich, wie lange ich diesen Helm tragen muss. Ich weiß es nicht, auf unbestimmte Zeit irgendwie; am liebsten wäre ich jetzt allein. „Immerhin kannst du wieder sprechen“, sagt Melanie, „wir haben sowieso gleich zusammen Therapie.“

Und dann sitze ich dann mit anderen zusammen in der Musikstunde. Immerhin kann ich mit meinen eingepackten Händen dumpf trommeln und so mitmachen. Aber ich weiß, wie unmöglich ich aussehe, der Helm, das Gitter, die versteiften Hände. Ich schäme mich, wage kaum aufzublicken und bin froh, als die Stunde vorbei ist.

Viola steht dann in der Tür. „Ich soll Sie heute füttern, Frau Ferner.“ Und ich stehe auf und trotte hinter ihr her, jedoch nicht in den Speiseraum, sondern in einen kleinen Raum daneben.
Dort stehen ein Tisch und ein Stuhl. Auf den muss ich mich setzen und sofort werden meine Füße und mein Oberkörper fixiert. Dann kommt Viola mit einem Teller mit Kartoffelpüree und Spinat. Sie legt mir ein Plastiklätzchen an und nimmt mir vorsichtig den Helm ab. „Ich soll Sie darauf aufmerksam machen, dass es ernste Konsequenzen hat, wenn Sie mir etwas antun“, sagt die Schülerin und beginnt mit dem Füttern. Ich habe überhaupt keinen Appetit nach diesem Vormittag, aber sie lässt sich davon nicht abhalten. Viola schaufelt die Pampe in mich rein. Ich denke, was macht die da mit mir? Ich will jetzt nicht essen, schüttele mehrmals den Kopf und sage ihr, dass sie aufhören soll. Aber Viola macht einfach weiter. Dann reißt mir der Geduldsfaden. Ich schlage ihr den Teller aus der Hand, so dass das Essen in ihren Schoß fliegt. Gleichzeitig bekomme ich einen solchen Hustenreiz, dass ich der armen Viola die Spinatpampe ins Gesicht spucke. Viola schreit, ich schreie.

„Das reicht jetzt“, sagt eine scharfe Stimme. Frau Dr. Hahn steht plötzlich da. „Ich wollte sowieso mal nach Ihnen sehen“, meint sie. „Sie scheinen es ja heute auf eine Eskalation angelegt zu haben. Die können Sie gerne bekommen. Und wer so Sauereien mit dem Essen veranstaltet, kann mal drei Tage auf einer Station verbringen, wo so etwas häufiger vorkommt. Mal sehen, wie Sie das finden. Vielleicht sind Sie dann ja ganz dankbar, wieder zu uns zurück zu dürfen. Station D“, sagt sie zu den Pflegern. „Habe vorhin schon prophylaktisch mit Frau Dr. Hartmann gesprochen. Die haben noch ein hübsches Bett frei.“
Von der Station D habe ich vorher nur über Amelie etwas erfahren, und zwar nichts Gutes. „Wir bringen Sie dann mal rüber“, sagt einer der Pfleger, “ist besser, Sie wehren sich jetzt nicht.“ Das denke ich auch und lasse lieber alles mit mir geschehen. Zuerst machen die beiden mich einigermaßen sauber, dann setzen sie mir den blauen Helm auf und schnallen mich los. Ich muss mich dann in den bereit stehenden Rollstuhl setzen, wo meine Arme, Füße und Oberkörper gleich wieder fixiert werden. „So, es geht jetzt los“, sagt einer der beiden Männer.

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  RE: Sechs Monate Datum:05.09.22 19:41 IP: gespeichert Moderator melden


Oh, oh, oh, das wird bestimmt ganz schlimm für sie, hoffentlich bleibt es bei den 3 Tagen.
Bin total gespannt

Gruß
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DieFledermaus
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Bayern


Freunde findet man wie Sand am Meer, gute und wahre Freunde so selten wie Muscheln mit einer großen Perle darin

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  RE: Sechs Monate Datum:07.09.22 07:09 IP: gespeichert Moderator melden


Ohje die arme.

Aber langsam sollte sie wissen wie der Hase läuft. Ich denke mal das mit den 6 Monaten kann sie sich erstmal abschminken.
mit lieben Grüßen von der Fledermaus
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Deep Wishes
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  RE: Sechs Monate Datum:07.09.22 20:41 IP: gespeichert Moderator melden


Station D

Dann fahren sie mich durch Flure, in einen Fahrstuhl, dann herunter in eine andere Etage, wieder durch einen Flur. Das geht so schnell, ich nehme alles nur schemenhaft wahr. Eine Doppeltür wird geöffnet und mich empfängt eine Geruchsmischung von warmer Luft, Essen, Schweiß und menschlichen Ausscheidungen. Der Geruch kommt mir sehr bekannt vor; während meiner Arbeit im Altenheim war ich mal auf der Station der bettlägerigen Fälle, da roch es genauso.

„Guten Tag, ich bin Schwester Margot“, sagt eine raue Stimme, „Herzlich willkommen auf Station D. Habe gehört, Sie wollen uns für drei Tage besuchen. Das passt gut, in Zimmer 2 ist noch ein Bett frei.“ Sie öffnet die zweite Tür rechts und die beiden Pfleger rollen mich in ein Zimmer. „Wir nehmen Ihnen mal eben Ihre Brille ab, damit Sie alles gut sehen können.“ Die Schwester löst die Gurte des Helmes, hebt ihn ein wenig an, zieht die Brille ab und schließt den Helm wieder.

Es verschlägt mir den Atem. Nicht nur wegen des alles überlagernden Geruchs, sondern auch wegen dem, was ich durch die Gitter meines Helmes erkennen kann. Das ist hier jetzt wirklich Psychiatrie old school. Ich sehe in einem hellen Zimmer vier Netzbetten stehen. Zwei sind belegt, zwei sind frei. „Also“, sagt die Schwester. „Das ist hier die Station für die wirklich schweren und austherapierten Fälle. Ich denke, Sie werden sich hier problemlos eingliedern, sonst wird Ihr Aufenthalt bei uns leider verlängert. Machen Sie das Beste draus und benehmen Sie sich.“

Ich kann jetzt wieder schärfer sehen, meine Augen gewöhnen sich an die Sicht ohne Brille. In einem Netzbett sitzt eine Frau in einer Zwangsjacke im Schneidersitz. Sie schaukelt ihren Oberkörper rhythmisch von vorne nach hinten und lallt dabei unverständliches Zeug. Im anderen Bett kniet eine Frau in einem Nachtoverall. Sie hat dick gepolsterte Fäustlinge an den Händen und schlägt sich damit regelmäßig gegen den Helm, den sie auf dem Kopf trägt. Ich habe einen dicken Kloß im Hals und bringe kaum ein Wort raus. „Was ist…?“ will ich fragen. „Nun“, sagt die Schwester, “beide sind schon seit über zehn Jahren hier. Bei Frau Meyer ist es Alkoholismus im Endstadium.“ Dabei zeigt sie auf die Frau in der Zwangsjacke. „Bei Frau Allenstein ist es eine schwerste Form der Demenz. So nun aber ab ins Bett mit Ihnen.“

Ich bin absolut geschockt und lasse alles mit mir geschehen. Zuerst werde ich losgeschnallt, klettere dann auf ein Bett, wo sofort meine Beine und Füße fixiert werden. Wenigstens kann ich so noch sitzen. Dann wird das Außennetz wieder sorgfältig geschlossen, zunächst an der Seite und dann oben. Ich im Käfig.

Ich weiß nicht mehr, wie mir geschieht. Bin ich so gemeingefährlich, dass ich die Tage fixiert in einem Netzbett verbringen muss? Auch wenn es, wie es heißt, nur vorübergehend ist?

Plötzlich kommt eine andere Pflegerin herein, sie führt eine kleine, ältere Frau an mein Bett. „Guck mal, Elfriede“, sagt sie, „unser Neuzugang. Begrüß sie mal.“ Elfriede hat ein Frotteehandtuch im Arm, in das sie sich ein wenig einkuschelt. Dann steht sie vor den Netzen meines Bettes, starrt mich an und gibt krächzende Laute von sich. „Ich glaube, Elfriede freut sich über den Besuch. Nicht wahr, Elfriede“, sagt Schwester Margot. „Übrigens, mittlerweile ist das hier für Sie eingetroffen“, fügt sie hinzu und zeigt mir mein Knebelgeschirr und die Zwangsjacke. „Ist wohl nicht so ganz einfach mit Ihnen“, sagt sie, „aber sonst wären Sie jetzt ja auch nicht hier, Frau Ferner.“

Das Außennetz wird noch mal geöffnet und ich lasse mir bereitwillig das Knebelgeschirr anlegen. Natürlich auch wieder die Brille auf. Den Helm brauche ich ja jetzt nicht, kann mit dem Knebelgeschirr sowieso niemandem was antun. „So und nun jetzt brav die Arme nach vorne“, kommt das Kommando. Ich gehorche, mir wird die Jacke angezogen und dann die Gurte auf dem Rücken eng verschlossen. Nachdem das Netz wieder sorgfältig zugemacht worden ist, verabschieden sich die Schwestern bis zum Abendessen.

Von draußen scheint etwas die Sonne herein, das kann ich erkennen, und ich sitze hier in einem viel zu warmen und stinkenden Zimmer. Elfriede findet mich wohl sehr interessant. Sie steht vor meinem Bett und gibt ihre krächzenden Laute von sich. Als ich mich erschöpft hinlegen möchte, steht sie plötzlich am Kopfende des Bettes und lässt mir keine Ruhe.

Irgendwann wird sie dann doch herausgerufen, sie möge doch noch etwas die Sonne genießen, und ich liege still in meinem Netzbett. Ich höre das Klatschen der Fäustlinge der einen Frau gegen ihren Helm und das monotone Singsang der anderen Frau in der Zwangsjacke. Tiefer kann man nicht sinken, denke ich, aber irgendwie werden die drei Tage auch vergehen. Hätte jetzt gerne Melanie in meiner Nähe. Ob sie wohl erfährt, was mit mir passiert ist?

Irgendwann ist es Zeit zum Abendessen. Ich werde darüber aufgeklärt, dass hier alle das gleiche Essen bekommen und dass aufgrund von Personalknappheit das Anreichen des Essens sich ein wenig zweckmäßig gestalten müsse. Wie das dann aussieht, erfahre ich, als ich wenig später im Essraum der Station neben der Frau in der Zwangsjacke auf einem Stuhl sitze – wir beide natürlich schön sorgfältig fixiert und ich weiterhin in der Zwangsjacke – und auf einem schmalen Tisch zwei Teller mit irgendeiner Pampe und Plastiklöffeln stehen. Eine Schwester sitzt uns gegenüber und schiebt uns abwechselnd einen Löffel Brei in den Mund. Ich bin mittlerweile dermaßen zermürbt, dass ich alles so hinnehme, die Pampe herunterschlucke, dann warmen Früchtetee aus dem Schnabelbecher bekomme und mir am Ende der Mund abgewischt wird. Füttern im Akkord.

Dann werde ich einen Wickelraum gebracht, jemand zieht mich aus und dann fixieren mich vier starke Arme an Händen, Oberkörper und Kopf auf dem Wickeltisch. Ohne viele Worte bekomme ich meine noch trockene Windel ausgezogen und eine neue dickere für die Nacht wird angelegt. Dann werde ich schnell wieder angezogen, ich bekomme einen Hüftgurt um, an den meine Handgelenke fixiert werden, und ich werde zurück auf mein Zimmer gebracht. Man hilft mir auf mein Bett und nimmt mir die Brille ab. Ich bekomme zuerst mein Knebelgeschirr aufgesetzt und werde dann sorgfältig an allen möglichen Stellen festgeschnallt. Wenigstens der Kopf wird ausgelassen, den darf ich immerhin bewegen. Zum Schluss wird das Netzgitter sorgfältig geschlossen und ich bekomme mit, wie die anderen Frauen ins Bett gebracht werden. Frau Meyer bekommt die Zwangsjacke ausgezogen und alle drei Frauen werden genauso wie ich fixiert. Ich bin jedoch die einzige, die einen Knebel tragen muss.


Die Schülerinnen

Irgendwie geht auch diese Nacht in diesem warmen Zimmer voller Mief um. Am Morgen riecht es bestialisch nach Kot; ich weiß nicht, wer der anderen drei das vollbracht hat. Nacheinander geht es unter die Dusche. Ich darf sogar ganz alleine duschen; allerdings mit einer kleinen Sicherheitsvorkehrung: meine Hände sind durch einen Kunststoffgurt verbunden, der wiederum an der Duschstange festgemacht ist. Toll, die denken hier an alles.

Nach der Dusche gibt es von Schwester Margot eine frische Windel. Dann zieht sie mir den Overall an und die Brille wird mir aufgesetzt. Damit ich auf keine bösen Gedanken komme, stehen zwei Pfleger wartend in der Tür jederzeit bereit, einzugreifen. Dass sie mich begaffen, ist mir mittlerweile so was von egal.

Nach der gleichen Essensprozedur und einem ähnlichen Fraß wie gestern Abend, spricht mich Schwester Margot an. „Das Wetter ist schlecht“, sagt sie, „und weil der Aufenthaltsraum gerade neu gestrichen wird, müssen sie den heutigen Vormittag auf dem Zimmer verbringen. Ich sage es Ihnen jetzt schon, um nichts zu provozieren: heute sieht sich eine Gruppe Pflegeschülerinnen die Station an. Bitte stellen Sie sich darauf ein!“

Dann bringt sie mich in das Zimmer zurück, die beiden Pfleger verfrachten mich ins Bett, wo ich wieder an Beinen und Füßen fixiert werde und man mir den blauen Helm mit dem Gitter aufsetzt. Mein neuer Overall hat keine eingenähten steifen Handschuhe mehr – das ist auch eine Wohltat – und ich schaue mir meine doch ziemlich verbissene und lädierte linke Hand an. Schwester Margot cremt eine kühlende wohltuende Salbe auf die Wunde. Dann zieht sie mir die Fäustlinge über die Hände und befestigt sie sorgfältig an meinen Unterarmen. Das Netzbett wird geschlossen, ich sitze in meinem Käfig und die Welt ist nun wieder sicher vor mir.

Nach gefühlten zwei Stunden des Herumdösens und der Tagträume höre ich wie eine Gruppe von Menschen in das Zimmer kommt. Jemand, die, wie ich vermute, die Ärztin der Station, Frau Dr. Hartmann, sein muss, verkündet den staunenden Anwesenden mit etwas schriller Stimme, dass, wie sie ja nun gehört haben, die Station D von besonders schweren Fällen bewohnt wird. Um diesen gerecht zu werden, müssten besondere Maßnahmen getroffen werden; die jungen Damen sollten nun nicht erschrecken, sondern das, was sie sehen, erst einmal in sich aufnehmen, sie würde dann gleich weiter erklären. Gefühlte fünfzehn Besucher befinden sich nun im Zimmer, ich sehe Schemen auf und ab gehen, jemand nähert sich auch meinem Bett, um gleich wieder weiter zu gehen. „Sie müssen keine Angst haben“, sagt die Ärztin. „Auch wenn sich in diesem Zimmer hier die Fälle von Selbst- und Fremdgefährdung ballen, ist doch alles gut gesichert. Wir haben hier und in den anderen Zimmern diese psychiatrische Intensivbetten. Die Patientinnen sind teilweise darin fixiert und die Netze der Betten sind ausbruchsicher.“ Dann wird die Gruppe von Bett zu Bett geführt, es werden Fragen gestellt, es wird erklärt und irgendwann nähert sich die Gruppe meinem Bett. Ein Pfleger löst die Bremse und rollt mich samt meinem Bett etwas mehr in die Mitte des Raumes. Dann stellt sich die Gruppe um mich herum und ich fühle mich damit endgültig wie ein seltsames Tier im Zoo.

Es werden Fragen nach meinem Zustand gestellt, warum ich fixiert bin, was es mit diesem Helm mit dem Gitter auf sich hat. Der Ärztin scheint es eine besondere Freude zu sein, mich als einen besonderen Fall darzustellen, der beißt, aus heiterem Himmel um sich schlägt, mit Essen wirft und anderen ins Gesicht spuckt. „So, meine Herrschaften“, doziert die Ärztin, „wir zeigen Ihnen jetzt noch weitere effektive Maßnahmen zur Vermeidung von Fremd- und Selbstgefährdung. Die Frau Ferner möchte ja bald wieder auf ihre Station zurück, deshalb denke, sie wird jetzt schön kooperieren.“ „Nicht wahr“, wendet sie sich an mich. Ich bin etwas verdattert, kapiere nicht ganz, was die Ärztin möchte. „Wir wollen den Damen doch mal zeigen, was wir tun, damit die Patienten sich nicht selbst verletzen, verstehen Sie?“ Ich nicke und stoße ein Ja aus. Ein Pfleger öffnet mein Netzbett, der andere löst die Gurte und sagt, ich könne jetzt aufstehen. „Zuerst wird Frau Ferner nun eine Schutzjacke anziehen“, kündigt die Ärztin an. Ein Pfleger nimmt mir die Fäustlinge ab und schon hält mir der andere Pfleger die offene Jacke hin, so dass ich nur noch hereinschlüpfen muss. Ich darf jetzt also als Model herhalten. Ich höre ein Tuscheln und Kichern von Seiten der Mädchen, während die Ärztin unverdrossen die Vorteile der Zwangsjacke aufzählt. Die Jacke wird schön stramm gemacht, und auch der Schrittgurt wird nicht vergessen. „Dann setzen Sie sich jetzt mal bequem hin“, weist Frau Dr. Hartmann mich an und ich muss mich in den bereit gestellten tiefen Rollstuhl setzen. Dort werde ich nach allen Regeln der Kunst fixiert, natürlich auch wieder mit der Fixierweste.

„Und nun, meine Damen“, kündigt Frau Dr. Hartmann eine neue Attraktion an, „zur Vermeidung von Schreiattacken dieses Kopfgeschirr.“ Und dabei zeigt sie den Mädchen mein Knebelgeschirr. Die Ärztin nimmt mir den Helm ab und setzt mir das Knebelgeschirr auf. Die Nasenriemen zieht sie dabei so fest über den Mittelsteg der Brille, dass sie total stramm sitzt. Aber außer grunzend zu protestieren habe ich keine Möglichkeit mich zu wehren. Die Ärztin erschrickt etwas, fängt sich dann aber wieder. Ich bekomme meinen Monsterhelm wieder aufgesetzt und bin als lebendes Anschauungsstück bestens ausstaffiert. „So“, schnarrt Frau Dr. Hartmann, „doppelt gesichert hält besser.“ Obwohl ich angezogen bin, fühle ich mich wie nackt. Nun sitze ich da festgeschnallt im Rollstuhl, sehe mit Glotzbrille, Maulkorb und Helm so richtig abstoßend aus, erkenne selbst kaum etwas und um mich herum stehen Frauen, kaum jünger als ich, und gruseln sich einen. Ich unterdrücke mühsam den Impuls, jetzt die Verrückte zu spielen, meinen Kopf hin und her zu schlagen, an meinen Fixierungen zu zerren und unartikulierte Laute in meinen Knebel zu grunzen. Ich versuche mich zu entspannen und schließe zornbebend die Augen. Leise entfernen sich die Stimmen und ich bleibe abgestellt hier sitzen.

Ich frage mich, ob diese Demütigungen System haben und denke an die Worte von Frau Dr. Schardtwald vom zweiten Tag, an das ausgeklügelte Belohnungs- und Bestrafungssystem. Da ja, wie ich bisher zum Glück auch erfahren habe, Wohlverhalten belohnt wird, beschließe ich, mich weiterhin zu ducken, alle Aggressionen so gut es geht unter Kontrolle zu halten und zu hoffen, dass ich übermorgen auf mein altes Zimmer zu Melanie zurückdarf.

Ich werde dann in meinem Nachdenken von Schwester Margot unterbrochen. „Wir brauchen dringend den blauen Helm“, sagt sie und fummelt mir ihn vom Kopf, „Notfall nebenan. Eigentlich bräuchten wir drei, vier von der Sorte.“ Auch gut, brauche ich nicht mehr durch Gitter zu sehen.

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Amgine
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  RE: Sechs Monate Datum:08.09.22 14:03 IP: gespeichert Moderator melden


Klasse Geschichte - bin gespannt, wie es mit Frau Ferner weitergeht..!
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Doran
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  RE: Sechs Monate Datum:08.09.22 21:47 IP: gespeichert Moderator melden


Patienten sollten doch nur mit einem Vornamen angesprochen werden wäre mein Vorschlag. Vielleicht sogar ein demütigender Spitzname.
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Deep Wishes
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  RE: Sechs Monate Datum:09.09.22 17:19 IP: gespeichert Moderator melden


Der Spaziergang

Den Nachmittag verbringen wir bei nun trockenem Wetter in einer Art Innenhof. Hohe weißgeputzte Mauern verhindern, dass von draußen jemand hereinsehen kann; Fallschutzmatten auf dem Boden sorgen dafür, dass wir uns sicher fühlen dürfen. Die Nachmittagsstunden ziehen sich endlos. Wenn man sich für einigermaßen gesund hält, ist es tödlich, einfach nichts tun zu können. Ich, wieder frei gelassen, gehe langsam ziellos über das Viereck, die Hände in den Fäustlingen, und bemühe mich mit niemandem zusammenzustoßen. Man hat mir meinen braunen Lederhelm aus der Station W2 gebracht. Es fehlt mir an nichts. Nun bin ich endlich wieder anstaltsmäßig ausstaffiert. Um mich herum wird kaum gesprochen, ich höre nur unartikulierte Laute, wie ich sie selber ja auch nur hervorbringe.

Dann gibt es doch noch etwas Abwechslung. Schwester Margot kommt mit einigen Schülerinnen in unseren Hof und teilt uns mit, dass diese gerne mit uns spazieren gehen möchten. Scheint wohl ein Teil ihrer praktischen Ausbildung zu sein.
Auch mir werden zwei Mädchen zugeteilt. Schwester Margot vergisst jedoch nicht, mich zu warnen. „Vorhin haben Sie ja schon Ihre Schutzjacke angehabt. Sie zählen ja zu den Auserwählten, die ihre eigene haben“, sagt sie grinsend. „Nun, ich hoffe auf Ihre Kooperation, Frau Ferner. Sollte irgendetwas vorfallen, dann haben Sie die wieder schneller an, als Sie denken können. Und die werden Sie dann etwas länger tragen.“ Nein, danke, auf die Zwangsjacke kann ich gerne verzichten, also spiele ich mit. „Dennoch werden wir Ihnen aus Sicherheitsgründen eine Transportjacke anziehen, um wirklich jedes Risiko auszuschließen.“
Schwester Margot hat mittlerweile aus einem Schrank eine Art Umhang geholt. Dieser besteht aus einem festen Stoff und wird mir um meinen Oberkörper gelegt. Ein Reißverschluss und mehrere Gurte auf meinem Rücken sorgen dafür, dass mich der Stoff eng und fest umhüllt. Dann werden der Kragen und ein Taillengurt fest geschlossen und zusätzlich ein Schrittgurt von vorne nach hinten durchgezogen und befestigt, damit ich die Jacke auch ja anbehalte. An den Oberarmen befinden sich zwei Schlaufen.

„So, meine Damen“, sagt die Schwester, „ich gebe Frau Ferner jetzt in Ihre Verantwortung. Passen Sie gut auf sie auf! Beim Gehen halten Sie Frau Ferner bitte an den Schlaufen fest, dann haben Sie alles gut im Griff. Und damit Sie sich etwas mit der Patientin unterhalten können, nehme ich Frau Ferner ihr Kopfgeschirr ab.“ Schnell löst die Schwester meinen Helm, fummelt das Knebelgeschirr ab und setzt mir den Helm wieder auf. Ich bin so froh, das Teil nicht mehr tragen zu müssen.
Dann nehmen mich die Schülerinnen in ihre Mitte und führen mich durch ein paar Gänge nach draußen. Ich scheine für die beiden Mädchen eher ein Mittel zum Zweck zu sein, um Erfahrungen zu sammeln. Ich als Person bin für sie vollkommen uninteressant. Sie sind bald in ein fachlich anspruchsvolles Gespräch über Wimperntusche, Tik-Tok-Filmchen und die Vorteile irgendwelcher Smartphones verwickelt. Ich schleiche mit ihnen mit, sage keinen Ton und irgendwo setzen wir uns auf eine Bank.

„Ist dir aufgefallen, was die für eine dicke Brille auf hat?“ fragt die eine. Ihre Freundin antwortet: „Hatten auf der anderen Station auch einige, habe ich gesehen. Boah, so eine könnte ich ja nie tragen.“
Ich bin einigermaßen fassungslos, meint ihr, ich trage sie freiwillig? Ich werde langsam sauer, aber mir ist es zu blöd, den beiden die hiesigen Maßnahmen zu erklären.
„Kann ich die mal aufsetzen?“ fragt die eine und schon zieht sie mir die Brille herunter. „Pass auf, dass sie dich nicht beißt“, kichert die andere. Dann giggert die, die meine Brille aufgesetzt hat: „Uh, ich bin blind. Ich sehe ja echt total gar nichts“ und fängt an, doof in der Gegend herumzutasten. „Lass mich auch mal“, bettelt die andere und nimmt ihr die Brille ab. „Oh Mann, was muss die für schlechte Augen haben“, stöhnt sie. „Na, wie sehe ich aus damit?“ fragt sie ihre Freundin. „Wunderschön debil“, ist die Antwort, „fehlt nur noch der Helm.“ Das ist so witzig, beide lachen sich halbtot. Merken die eigentlich nicht, wie doof sie sind? Doch als die, die gerade meine Brille aufgesetzt hat, an mir vorbeigehen will, strecke ich blitzschnell einen Fuß aus, so dass sie stolpert und hinfällt. Ein bisschen Freude muss man auch mir gönnen. Ich hoffe nur, es hat niemand gesehen.
„Scheiße, scheiße“, ruft die Schülerin. „Setz ihr mal schnell die Brille wieder auf, ich muss mich sauber machen.“ Die andere Schülerin setzt mir die Brille auf und schiebt ihn unter den Helm, da gönne ich mir den Spaß, genau in diesem Moment mit meinem Mund nach ihren Fingern zu schnappen. Ich höre einen schrillen Schrei und dann versinke ich wieder in meiner Ein-Meter-Welt. Dann lasse mich von den beiden Spitzenschülerinnen in die Station zurückführen.


Die Demütigung

Die zwei wollen mich bei einem Pfleger abliefern. „Ich habe gerade echt wenig Zeit. Setzt die Frau Ferner am besten dort in den Rollstuhl. Ihr trefft euch dann mit den anderen bei uns im Stationszimmer“, sagt der. Und ohne mir die Jacke auszuziehen, setzen mich die beiden in einen tiefen Rollstuhl und entfernen sich. Ich bekomme gerade noch mit, wie der Pfleger den Gurt um meine Taille schließt. Nun sitze ich hier festgeschnallt auf dem Flur und harre der Dinge, die da kommen sollen.

Die lassen nicht lange auf sich warten. Der fremde Pfleger tut entrüstet: „Frau Ferner, Sie machen aber auch einen Mist. Die beiden Mädchen haben mir erzählt, Sie haben versucht, sie zu beißen. Wie haben Sie das denn geschafft?“ Oh Scheiße, denke ich und antworte: „Ach, es war nur Spaß, weil sie mir vorm Gesicht herumgefummelt und dann die Brille abgenommen haben.“ „An Ihrer Stelle sollten Sie damit keinen Spaß machen. Das findet auch Frau Dr. Hartmann.“ Und der Mann hält einen roten Ballknebel vor mein Gesicht. „Nein, bitte nicht, bitte nicht“, bettele ich, „es war doch wirklich nur Spaß. Die haben mich so genervt.“ „Das ist Ihr Pech. Freiwillig den Mund auf oder soll ich noch einen Kollegen holen?“, ist die Antwort. Ich gebe auf, öffne meinen Mund und schon umschließen meine Zähne den harten Ball.

Nun sitze ich hier in diesem Rollstuhl, allmählich schmerzen meine Arme, da die Jacke jetzt im Sitzen ganz schön drückt, mein Gesicht ist ganz verspannt und ich muss nötig auf die Toilette. Bitte nicht noch mal einnässen, denke ich. Ich versuche auf andere Gedanken zu kommen, was gar nicht so einfach ist. Ich fühle mich abgestellt wie ein Möbelstück. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, wie es weitergeht, wann ich nun wirklich wieder von hier weg kann. Mir dämmert, dass ich nun wirklich ruhig gestellt bin; ich trage, seitdem ich hier auf Station D bin, fast dauernd einen Knebel, ich kann mich nicht verständigen, mit niemanden richtig kommunizieren. Ich kann wegen den dicken Brillengläsern alles, was weiter weg ist, nur schemenhaft erkennen, kann mich nur auf mein Gehör verlassen, merke aber, dass es nun langsam dunkel wird.

Da meine ich Schritte zu hören, ich brülle, so laut ich kann, in meinen Knebel – heraus kommt nur ein Blöken. Dann kommt es über mich, ich wippe mit dem Oberkörper hin und her, bäume mich vor und zurück, schlage mit den Füßen, rufe – möge irgendetwas passieren, ich möchte aus diesem Rollstuhl heraus, möchte auf die Toilette. Meine Bewegungen bewirken, dass der ganze Rollstuhl wackelt, ich höre Schritte angelaufen kommen. Und dann werde ich angeraunzt, was mir denn einfiele, so einen Radau zu machen. Schwester Margot fixiert meine Waden am Fußgestell, während der fremde Pfleger mit starken Händen meinen Oberkörper festhält. Dann befestigt sie irgendwie meinen Helm an der Kopfstütze und zu zweit legen sie mir einen breiten Brustgurt um. Ich bin nun absolut bewegungsunfähig und kann nur noch lallen. „Hören Sie auf damit, sofort“, sagt die Schwester, „still jetzt, verstanden? Das müssen wir natürlich dokumentieren und die Ärztin entscheidet dann, ob Sie bald wirklich wieder auf die W2 dürfen. Besser für Sie, Sie sind jetzt ruhig.“

Und dann entfernen sich die beiden. Ich kann nicht mehr, bin total fertig und lasse es laufen. Ich spüre die warme Nässe zwischen den Beinen und fange an leise zu weinen.
Irgendwann werde ich endlich aus dem Rollstuhl und der Transportjacke befreit. Ich strecke und recke mich ausgiebig und bin froh über das bisschen Freiheit. Später dann irgendein Essen, anschließend endlich der Windelwechsel und ab ins Bett. Die Nacht ist erträglich, den Gestank am nächsten Morgen kenne ich schon.

Der Tag, der nun folgt, ist nur furchtbar: es passiert so gut wie nichts. Ich verbringe die ganze Zeit in meinem Netzbett, nur unterbrochen durch die Mahlzeiten. Das Bett wird durch die Station geschoben, damit ich mal was anderes sehe – oder besser erahne durch meine dicken Gläser, und am Nachmittag darf ich sogar in meinem Käfig nach draußen. Endlich frische Luft. Niemand macht sich die Mühe, mehr als das Allernötigste mit mir zu sprechen. Außer Elfriede, die immer wieder neugierig um mein Bett schleicht. Und damit alle vor mir geschützt sind, trage ich ununterbrochen die dicken Fausthandschuhe, und um stillgelegt zu sein, mein Knebelgeschirr. Bin schon heilfroh, tagsüber nicht fixiert zu werden. An Toilettengänge ist überhaupt nicht zu denken, ich gelte schon als inkontinent. Abends bin ich natürlich nicht müde und finde nur schwer in den Schlaf. Ich weiß, wenn ich diese Monotonie und Fremdbestimmtheit hier noch viel länger erleben muss, dann bin ich wirklich reif für die Klapse.

Am kommenden Morgen mache ich mich dann wieder hübsch für den Tag, geduscht und frisch gewindelt, und ich genieße, wie ich inständig hoffe, zum letzten Mal das erlesene Frühstück. „Sie wollen uns also wirklich schon verlassen?“ grinst mich Schwester Margot an. Ich nicke nur und beiße mir fast auf die Zunge, um nichts Freches herauszulassen. Nach dem Frühstück bekomme ich mein heiß ersehntes Knebelgeschirr wieder angelegt, muss aber bis zur Visite in meinem Netzbett bleiben.

Irgendwann kommt Frau Dr. Hartmann mit einem Pfleger im Schlepptau. „Ich muss schon sagen, ich bin etwas enttäuscht von Ihnen, Frau Ferner!“ begrüßt sie mich. „Was war denn das letztens mit dem Schnappen nach der Hand der Schülerin und später Ihrem Auftritt im Rollstuhl?“ Sagen kann ich dazu nichts, zucke bloß mit den Schultern. „Eigentlich spricht gar nichts dagegen, wenn Sie noch einige Tage länger zur Beobachtung bei uns bleiben,“ fährt sie fort, „dennoch sind Frau Dr. Schardtwald und ich uns einig, dass Sie, weil Sie sich gestern ja ganz vernünftig benommen haben, heute wieder auf Ihre Station gebracht werden sollten. Damit Sie nachhaltig aber daran erinnert werden, dass Beißen, auch wenn es vielleicht witzig gemeint ist, gar nicht geht, setzen wir Ihnen jetzt noch mal den Mundspreizer ein. Bernd, öffnen Sie bitte das Bett.“ Ich zucke zusammen, halte aber besser den Mund. Ich will jetzt nichts tun, was meinen Aufenthalt hier noch irgendwie verlängern könnte. Der Pfleger öffnet nun das Dach und die Seite des Netzbettes und zieht mir zuerst die Fäustlinge an. Dann löst er das Knebelgeschirr und ich lasse mir bereitwillig das Metall des Mundspreizers einsetzen. Bernd öffnet den Mundspreizer ein wenig; ich bin brav und arbeite nicht dagegen an. Dann wird mir ein Folienlätzchen mit Speicheltasche umgelegt, die Füße und Beine im Bett fixiert, der Helm aufgesetzt und dann das Bett schön verschlossen. Und dann haben sie sich noch etwas Besonderes für mich ausgedacht.

Ich werde in meinem Käfig auf Rädern auf meine Station W2 gefahren und darf erst einmal ein abschreckendes Beispiel auf dem Flur abgeben. Patientinnen nähern sich mir und gehen weiter. Ich höre Getuschel und Gelächter. Ist das peinlich! Willkommen im Zoo. Und dann endlich die ersehnte Stimme: „Hallo Katrin, ich bin´s, Melanie. Wie schön, dass du wieder da bist. Wir dürfen nachher zusammen Mittag essen.“ Ich bin froh.

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cbobby
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Münsterland




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  RE: Sechs Monate Datum:14.09.22 10:31 IP: gespeichert Moderator melden


Tolle Fortsetzung. Ich hoffe es geht mit strenger Fixierung und gewisser Demütigung weiter

Danke für´s Schreiben.
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Deep Wishes
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  RE: Sechs Monate Datum:16.09.22 20:31 IP: gespeichert Moderator melden


In Frau Dr. Schardtwalds Sprechstunde

Dann setzt sich mein Bett plötzlich in Bewegung. Jemand, der es nicht nötig hat, mit mir zu sprechen, fährt es über den Flur und dann in irgendeinen Raum. „Kommt gleich jemand“, höre ich noch beim Herausgehen und dann warte ich wieder.

Kurz darauf kommt Schwester Dorothea, die rechte Hand von Frau Dr. Schardtwald, herein. „Ich darf Sie jetzt erst einmal hier herauslassen“, sagt sie und öffnet das Netz. Dann löst sie die Fixierungen und ich kann vom Bett absteigen. „Sie sollen in einer Viertelstunde bei Frau Dr. Schardtwald sein“, sagt Schwester Dorothea. „Sie haben genug Zeit, um sich frisch zu machen und umzuziehen. Hier sind neue Sachen für Sie, auch eine Höschenwindel. Sie haben bereits ein paar Mal tagsüber eingenässt, deshalb sollen Sie die während der nächsten Woche noch tragen. Die Handschuhe, den Spreizer, den Helm und die Brille nehme ich mit. Wir sehen uns später.“

Dann löst sie die Fäustlinge, den Helmgurt und den Mundspreizer und öffnet den Overall. Dorothea nimmt Brille, Helm und Knebelgeschirr und geht. Erst massiere ich mir etwas den Mund und dann mache ich mich in Ruhe frisch und ziehe mich dann an. Zum Glück keinen Overall mehr, sondern T-Shirt, Sweat-Shirt und Jogginghose. Allerdings leider weiter mit Windel. Und zum ersten Mal seit langem ohne Brille und Helm. Ich weiß gar nicht, wie ich mich fühle. Auf jeden Fall gut.

Schwester Dorothea bringt mich dann zur Chefärztin, von der ich freundlich empfangen werde. Sie spricht mit mir über meine Fortschritte und lobt meine Beteiligung in den Therapien. „Sie sind auf einem guten Weg, Frau Ferner, Sie haben aber auch zuletzt gemerkt, dass dieser Weg noch weit ist. Einer Schülerin das Essen ins Gesicht zu schlagen, das geht nun wirklich nicht. Nun, Sie hatten einen Kurz-Urlaub auf Station D und es liegt in Ihrer Verantwortung, ob Sie dort noch mal ein paar Tage verbringen oder nicht. Haben Sie mich verstanden?“ Ich nicke. „Trotz dieses Zwischenfalls habe ich mich entschlossen, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Sie sehen an Ihrer Kleidung, dass wir Vertrauen in Sie haben. Hier ist Ihre Brille. Die neuen Gläser sind nun um einiges schwächer. Ich hoffe, es gelingt Ihnen weiterhin so gut, Reize, die Sie nichts angehen, auszublenden.“ Ich setze die Brille auf und tatsächlich – ca. drei Meter kann ich jetzt scharf sehen, danach wird es unklar. Ist doch schon mal eine Verbesserung. Ich bedanke mich und sage, dass ich mich weiter anstrengen möchte. „Eigentlich brauchen Sie einen Schutzhelm nun nicht mehr“, sagt Frau Dr. Schardtwald. „Es sei denn, Sie wünschen ihn, weil Sie sich dann sicherer fühlen.“ „Danke“, antworte ich, „das geht ruhig ohne.“
„O.k.“, sagt sie. „Eine Sache jedoch noch. Wegen der Attacke auf die Schülerin und weil ich möchte, dass Ihre Hand heilt, werden Sie die nächsten sieben Tage einen Beißschutz tragen.“ Ich schlucke, traue mich aber nicht zu fragen. „Und dann“, sagt die Ärztin, „möchte ich, dass dieses Spucken mit Essen nie, aber auch wirklich nie mehr vorkommt.“ Ich möchte etwas zu meiner Verteidigung sagen, sie aber schneidet mir das Wort ab. „Ja, ich war nicht dabei und kenne nur die Aktenlage. Die wird wohl stimmen. Und jetzt zeige ich Ihnen etwas.“

Frau Dr. Schardtwald holt aus einer Schublade ein kleines, flaches, silber-metallenes Körbchen mit mehreren dünnen Lederriemen. „Das ist der Beißschutz für Sie“, erklärt sie. „Man kann das sehr lange tragen, weil das Atmen dabei überhaupt kein Problem ist. Sieht natürlich nicht besonders schön aus, ist aber sehr effektiv. Sprechen kann man auch damit und zum Essen wird das Körbchen ausgehakt. Wie gesagt sieben Tage und erst recht nachts. Sie werden das mal in der nächsten halben Stunde ausprobieren. Damit setzen Sie sich so lange nebenan ins Besucherzimmer, das frei sein wird, und lesen ein bisschen. Schwester Dorothea legt Ihnen den Beißschutz gleich um und sieht nach dem Rechten.“ Und, als sie meinen erschrockenen Blick bemerkt: „Betrachten Sie es einfach als Warnung. Ist pure Prävention. Machen Sie Schwierigkeiten, werden Sie den blauen Helm wieder tragen, und zwar dauerhaft. Überlegen Sie, was Ihnen lieber ist.“ „Und Sie lassen das jetzt schön über sich ergehen“, fügt sie warnend hinzu.

Schwester Dorothea nimmt mir zuerst die Brille ab und führt mich dann zu einem Spiegel. Sie positioniert dann das Drahtkörbchen vor meinen Mund, indem sie zwei Riemen, die seitlich am Körbchen angebracht sind, an Hinterkopf und Hals festzurrt und dann zwei oben am Körbchen befestigte dünne Lederriemen an meiner Nase entlang zur Stirn und dann über meinen Kopf zieht und ebenfalls am Hinterkopf fixiert. „Das müsste so gehen. Innen am Körbchen ist Silikon angebracht, so dass das Tragen auf der Haut möglichst angenehm ist. Ich denke, Sie werden sich daran gewöhnen“, sagt sie. „Aber nun, versuchen Sie mal zu sprechen.“ Am liebsten möchte ich weinen, doch ich versuche ein paar Wörter. „Wie lange muss ich das tragen? Eine Woche?“ Es klingt etwas gepresst, doch ich kann mich einigermaßen artikulieren. Dorothea nickt und bringt mich ins Besucherzimmer. Zwischendurch gelingt es mir noch einmal einen Blick in den Spiegel zu werfen. Toll sehe ich aus, Katrin mit Maulkorb.

„Und wie soll ich damit essen?“ frage ich. „Kein Problem“, antwortet die Schwester, „die Kolleginnen werden den Korb einfach aushaken und nach dem Essen wieder einsetzen können. Wenn Sie mitarbeiten, geht das ganz leicht. Zum Schlafen werden Sie sicherheitshalber Fäustlinge tragen. Und sollten Sie versuchen, sich den Beißschutz selbst abzunehmen, dann wird das natürlich entsprechende Konsequenzen haben.“

Ich bekomme die Brille wieder aufgesetzt und sitze dann meine Zeit im Besucherzimmer ab und blättere durch die Zeitschriften. Zum Glück bin ich hier allein, die Anwesenheit anderer wäre jetzt doch sehr peinlich. Das Atmen mit diesem Maulkorb ist kein Problem, und auch wenn das Sprechen etwas angestrengt klingt, ich kann mich immerhin mitteilen.
„Sie haben jetzt frei bis zum Mittagessen. Vergessen Sie heute Nachmittag nicht die Gesprächstherapie.“ Und dann bin ich entlassen.


Der Maulkorb

Beim Mittagessen muss ich mich den anderen mit dem Maulkorb zeigen. Mir ist das total peinlich, aber ich versuche in die Offensive zu gehen. Ich erzähle Melanie von der Sprechstunde und dass ich ab jetzt den Maulkorb eine Woche lang immer tragen muss. „Den kannte ich bisher ja noch nicht“, sagt sie. „Ist der sehr unangenehm?“ Ich schüttele den Kopf und dann erzähle ich ihr leise von Station D, der Aufbewahrung dort und von den Menschen, die dort ihre Tage verbringen. Von der Zeit im Netzbett, dem Gefühl des Ausgeliefertseins. Melanie hat die Station nie gesehen, aber schon von ihr gehört. „Du“, sage ich, „das war wirklich Horror für mich, und das wissen sie auch. Frau Dr. Schardtwald drohte mir indirekt, dass sie mich, wenn mir noch mal was passiert, wieder dorthin schicken würden. Ich weiß nicht, ob ich das noch mal aushalte.“ Melanie meint, ich sei doch stark und würde es bestimmt schaffen. Und zu zweit seien wir noch stärker. Sie verspricht mir, die anderen über mein neues Outfit zu informieren. Dann werde ich sicher kaum mehr auf den Beißschutz angesprochen.

Vor dem Mittagessen kommt Schwester Gerda und nimmt mir den Maulkorb ab, nach dem Essen legt sie ihn mir sorgfältig wieder an. „Und sollten Sie mich dabei beißen, dann gnade Ihnen Gott“, droht sie mir.

Dann ist Mittagsruhe. Ich werde von Schwester Gerda wieder liebevoll an Rumpf und Füßen im Bett fixiert und mit dicken Fäustlingen ausgestattet und liege dann hellwach auf meinem Bett. Mit dem Gitter vor meinem Mund muss ich auf andere doch wie ein Kampfhund wirken, denke ich. Ich bin Melanie dankbar dafür, dass sie die anderen Frauen informiert hat. Trotzdem weiß ich, dass ich Hemmungen haben werde, mich ihnen unbefangen zu nähern. Ich muss ja wie zum Fürchten aussehen.
Sieben Tage und Nächte soll ich das Ding tragen. Ich weiß nicht, ob ich das aushalten werde.

Später geht es zur Gesprächstherapie, diesmal in einer Kleingruppe von vier Patientinnen plus Therapeutin. Thema ist auch mein Verhalten vor einigen Tagen, das mich auf Station D brachte. In Rollenspielen üben wir Aggressionen zu unterdrücken und alternatives Handeln zu entwickeln. Ich mache bereitwillig mit, hoffe, es nützt etwas. Zum Glück fragt mich niemand, warum ich dieses Ding vor meinem Mund tragen muss.

Die Zeit mit dem Maulkorb lasse ich geduldig verstreichen. Ich bin brav und angepasst, die Fixierung im Bett wird sogar ganz zurückgenommen. Nur die Fäustlinge muss ich tragen, wenn ich zu Bett gehe. Übrigens fällt mir, als ich einmal draußen bin, noch eine andere Patientin auf, die auch so ein Ding tragen muss. Ich traue mich nicht sie anzusprechen; als sie mich sieht, schaut auch sie verschämt weg.
Und dann ist die Woche um – ich bin meinen Maulkorb los. Noch mal gut gegangen.

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  RE: Sechs Monate Datum:18.09.22 11:13 IP: gespeichert Moderator melden


Eine ruhige Zeit

Die kommenden Tage und Wochen vergehen ruhig und ohne besondere Vorkommnisse. An allen Therapien und Sitzungen nehme ich motiviert teil, wobei ich zur Maltherapie besonders gerne gehe. Ich entdecke neue Talente an mir und freue mich über die Unterstützung von Frau Mellendorf. Gestalterisch tätig zu sein, das wäre etwas, was ich mir für mich irgendwann mal draußen auch vorstellen kann. Frau Mellendorf kennt einige kunsthandwerklich versierte Leute in meiner Stadt und verspricht mir Kontakte zu ihnen.

Alles in allem genieße ich die neu gewonnenen Freiheiten und lerne auch andere Patientinnen wie Anne nun besser kennen. Bin natürlich weiterhin sehr gerne mit Melanie zusammen. Auch wenn das Wetter merklich ungemütlicher geworden ist, es ist halt Dezember, sind wir so oft es geht draußen im Park und unterhalten uns.

Wir erzählen aus unserem früheren Leben. Melanie berichtet von ihrer Kindheit in der Kleinstadt, ihrer Schulzeit auf dem Gymnasium und von ihrem begonnenen Studium. Ich erfahre einiges über die schwierige Beziehung zu ihrer Mutter, von ihrem Vater, der sich aus allem heraushielt, von ihren exzessiven Selbstverletzungen. „Ich bin jetzt schon fast ein halbes Jahr hier“, sagt sie. „Und der Drang mir selbst weh zu tun, ist viel seltener geworden. Aber ich fürchte, er ist noch da. Diese Regeln, diese Übersichtlichkeit hier – draußen ist das Leben doch merklich komplizierter. Ich möchte es langsam wieder ausprobieren und überlege, ob ich nicht im Januar eine Woche zu meinen Eltern in Urlaub gehe.“ Ich zucke innerlich zusammen. Eine Woche ohne Melanie, das kann ich mir gerade schlecht vorstellen. Sie ist mein Anker hier, meine Bezugsperson. Ich weiß ja, dass ich mich da nicht so weit hereingeben darf. Bei aller Zuneigung ihr gegenüber muss ich mir selbst wieder mehr ein Stück Eigenständigkeit zugestehen. Aber bin ich schon soweit?

Melanie merkt, dass etwas nicht stimmt: „Du, ich komme ja wieder. Ich möchte einfach sehen, wie ich draußen zurechtkomme. Wenn es nicht klappt, breche ich den Urlaub ab. Aber versuchen will ich es, die Schardtwald ist auch einverstanden. Wir wollen doch nicht ewig hier in der Klinik bleiben, oder?“ Ich sage darauf erst einmal nichts. Will ich wirklich bald wieder hier heraus? Dieses stille Leben, dieses in einem engen strukturierten Rahmen Nur-für-sich-selbst-Verantwortung-übernehmen gefällt mir eigentlich ganz gut. Ich gestehe, gerade habe ich Angst vor der Welt draußen. Angst davor, wieder selbständig zu sein, Geld verdienen zu müssen, den Tag selbst in die Hand zu nehmen, Sinn zu finden.
Ich versuche, Melanie das zu erklären, aber so ganz kann sie das nicht nachvollziehen. „Du warst ja auch schon berufstätig“, sagt sie, „und musstest im Altenheim schon recht früh Verantwortung übernehmen. Aber bei mir war das halt anders, ich fühlte mich von zu Hause oft gegängelt. Und allmählich reicht es mir nun hier in der Klinik. Ich hatte in der ganzen Zeit nur einen Aussetzer – und der war noch provoziert. Ich glaube, ich bin bald so weit.“
Wir gehen schweigend weiter. Ich weiß ja, dass Abschiede zum Leben gehören, aber dieser würde mich ganz besonders traurig machen.

Dann kommt Weihnachten, was auch hier in der Klinik gefeiert wird. Ich schenke Melanie ein Aquarell, das Strand und Meer zeigt. Ich habe an diesem Bild ziemlich lang gesessen, dieses ist der mittlerweile sechste und, wie ich finde, beste Versuch. Melanie ist begeistert und fällt mir um den Hals. Für mich hat sie auch etwas eingepackt. Neugierig packe ich es aus; es sind sehr kompliziert gefaltete Sterne aus wunderschönem Papier. „Vielleicht fürs Fenster“, sagt meine Freundin, „dann hast du etwas von mir, wenn ich bei meinen Eltern bin.“ Ich bin sehr gerührt und unterdrücke ein Schluchzen.

Wir haben ruhige Tage zwischen Weihnachten und Neujahr. Fast ist es etwas langweilig, weil so gut wie keine Therapien stattfinden. Am 2. Januar ist es dann so weit. Jetzt heißt es, erst einmal Abschied nehmen. „Halt die Ohren steif, meine Liebe, und pass auf dich auf“, sagt Melanie und drückt mich ganz fest. „Ich möchte dich in genau einer Woche hier gesund und froh wiedersehen.“ Ich habe einen dicken Kloß im Hals und murmele nur: „Bis bald.“


Das Basketballspiel

In den ersten Tagen ohne Melanie geht es mir so lala. Ich suche mehr den Kontakt zu anderen Frauen wie Anne oder Amelie. Dass ich abends gerade niemand zum Reden habe, fällt mir schwer und immer öfter schlafe ich mit dunklen Gedanken ein. Seit dem 2. Januar ist auch jemand neues hier in der Gruppe. Sie heißt Ilka und war wohl früher in der Drogenszene, womit sie ziemlich angibt. Ich werde nicht richtig warm mit ihr, ihre ruppige und laute Art ist nicht so meins.

Am vierten Tag nach Melanies Abreise haben wir am Nachmittag eine Sporteinheit in der kleinen Turnhalle. Nachdem wir einiges an Gymnastik und Zirkeltraining gemacht haben, lässt uns die Sporttherapeutin Frau Meibach am Ende noch Basketball spielen. Die, die wie ich noch eine Brille tragen, legen sie so lange in die Umkleide. Ilka ist in der gegnerischen Mannschaft und so, wie sie spielt, verwechselt sie Basketball wohl mit Rugby. Ein paar Mal hat sie mich und einige andere Spielerinnen unserer Mannschaft schon gefoult, ohne dass Frau Meibach abpfeift. Als mir Ilka dann einen Bodycheck verpasst, ohne dass das Spiel unterbrochen wird, fahre ich Frau Meibach an, ob sie das nicht gesehen hätte. So langsam kocht es in mir hoch. Als ich bei einem weiteren Angriffsversuch hoch springen möchte, tritt Ilka mir auf den Fuß. Ich schreie vor Schmerz auf, da pfeift die Trainerin das Foul. „Mach das ja nicht noch mal“, zische ich Ilka zu. Wenig später, als ich auf den Korb zulaufe, fühle ich einen heftigen Stoß in den Rücken. Dabei verliere ich den Ball. Wieder Ilka! Ich drehe mich um und schleudere ihr meinen Ellbogen ins Genick. „So fühlt sich das an“, fauche ich. Sofort wird abgepfiffen. Ilka hockt sich und hält sich schmerzverzerrt die Schulter. „Nun simulier doch nicht so! Wer so austeilt wie du, muss sich nicht wundern!“ schreie ich sie an und stoße sie gegen den Oberkörper. Ilka fällt auf die Seite und da überkommt es mich völlig und ich trete auf sie ein. Mehrere Arme reißen mich weg, ich mache mich los und laufe Richtung Umkleide und dann auf den Flur.

Da kommen mir zwei Pfleger entgegengelaufen. Ich habe keine Chance und renne geradewegs in ihre Arme. Sie halten mich fest, haben mit mir aber gut zu tun. Ich winde und drehe mich in ihren Armen, so gut ich kann, da kommt ein dritter. Sie zerren mich in einen Raum und gemeinsam legen sie mir eine Zwangsjacke an. Ich schreie und keuche und als ich das Ding dann anhabe und ich merke, wie meine Arme strammgezogen werden, fange ich an zu treten. Zwei halten mich von hinten fest und dann wird etwas in meinen Mund gelegt und festgezurrt. Der Ballknebel sorgt dafür, dass ich nur noch grunzen kann. Die drei ziehen und zerren mich an der Jacke über den Flur und dann in die Gummizelle. Sie legen mich auf die Seite, zwei halten mich fest, dann fesselt der dritte meine Füße mit einem Gurt und zieht dann den Schrittgurt durch meine Beine und befestigt ihn hinten an der Jacke. Zum Schluss werden meine Füße nach hinten gezogen und mit einem weiteren Gurt mit dem einen Ende der Jacke verbunden. Nun liege ich in der Zwangsjacke auf dem Boden der Zelle, kann dank der Fesselung nicht aufstehen und grunze nur noch in meinen Knebel hinein. „Puh, die hat uns ganz schön zu schaffen gemacht“, sagt einer der Männer. „Du bist aber auch gerade nicht im Training“, lacht ein anderer. „Aber der Hogtie ist uns gut gelungen“, meint der dritte. „Die Hahn wird ihre Freude daran haben. Bis später, Schätzchen!“ Und sie schließen die Tür.

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Amgine
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  RE: Sechs Monate Datum:21.09.22 11:44 IP: gespeichert Moderator melden


Wieder eine gelungene Fortsetzung. Wie lange ist sie denn bereits in Behandlung. Der Titel der Geschichte legt ja nahe, dass es nach sechs Monaten ein Ende hat?
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Deep Wishes
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  RE: Sechs Monate Datum:21.09.22 16:35 IP: gespeichert Moderator melden


Katrin hat sich so gegen September in der Klinik vorgestellt. Jetzt haben wir Anfang Januar.
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Deep Wishes
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  RE: Sechs Monate Datum:21.09.22 16:45 IP: gespeichert Moderator melden


Wieder auf Station D

Ich liege auf dem weichen Boden der Zelle und denke nur, scheiße, scheiße, scheiße. Genau das durfte nicht passieren. Was werden sie jetzt mit mir machen? Fixiert in der Zwangsjacke und zur Schau gestellt im Rollstuhl wie Melanie? Den Schlag ins Genick wird man mir vielleicht noch nachsehen, war sozusagen ein Revanchefoul. Aber die Tritte gegen Ilka nie und nimmer. Ich bin einfach nur fertig, fühle mich so allein und könnte mich selbst ohrfeigen.

Irgendwann geht die Tür auf und Frau Dr. Hahn kommt zusammen mit den drei Pflegern herein. „Kann ich mit Ihnen sprechen?“ fragt sie mich. Ich nicke. „Und Sie sind jetzt vernünftig und versprechen, ruhig zu bleiben?“ Ich nicke noch mal. „Bernd, nimm ihr bitte die Fußfesseln und den Knebel ab.“ Bernd befreit mich von den Fußfesseln, ich strecke meine Beine. Dann nimmt er den Knebel aus dem Mund und ich lecke erst einmal meine Lippen, die ziemlich trocken geworden sind.

„Tja, Frau Ferner“, beginnt Frau Dr. Hahn, „über das Vorgefallene brauchen wir nicht groß zu reden. Sie wissen, dass das Konsequenzen haben wird. Wie die aussehen, erkläre ich Ihnen gleich. Ich setze Ihnen jetzt erst einmal Ihre Brille auf.“ Sie kommt zu mir und setzt mir die Brille auf die Nase. Ich stoße einen Schrei aus. „Was ist?“ fragt sie. „Ich kann ja überhaupt nichts sehen“, stammele ich. Ich sehe wirklich nichts mehr, alles ist milchig und unscharf. Die Pfleger und die Ärztin erkenne ich nur als Schemen. „Da, wo Sie jetzt hinkommen, brauchen Sie auch nicht viel zu sehen“, sagt Frau Dr. Hahn. „Sie können sich jetzt ganz auf sich selbst konzentrieren und zur Ruhe kommen. Sie werden diese Gläser nicht ewig tragen, aber die nächsten Tage schon. So, dann kommen Sie mal mit.“

Zwei Pfleger halten mich an der Seite fest und bringen mich zur Tür. „Wo komme ich hin?“ frage ich voll Angst. „Station D“, ist die knappe Antwort. „Das Zimmer kennen Sie schon. Eine Woche. So lange, bis Frau Kesslers blaue Flecken geheilt sind. Sie können froh sein, ihr nicht die Rippen gebrochen zu haben.“ „Nein, bitte nicht“, weine ich, „das kommt nicht mehr vor, lassen Sie mich hierbleiben, bitte!“ Ich höre nur noch „Ganzkörper-Fixierung bis zum Abend und mindestens für zwei Nächte und von mir aus noch das Ballknebelgeschirr.“ Und dann geht sie weg.

Die drei Männer hieven mich auf ein Bett und ziehen mir die Zwangsjacke aus. Sofort werden mein Oberkörper und meine Beine und Füße fixiert. „Mund auf“, höre ich eine Stimme und dann ist ein Knebel in meinem Mund und die Männer legen mir mehrere Ledergurte um den Kopf, über das Gesicht und den um den Hals. „So, die ist jetzt erst mal still gelegt“, sagt einer der Männer. „War ja auch ziemlich heftig vorhin.“ Dann spüre ich wie auf meiner Stirn ein Ledergurt stramm gezogen wird. Ich kann mich nun kein bisschen mehr rühren. Scheinbar bin nun transportfertig.

Ich höre, wie die Netzgitter hochgezogen werden und das Dachgitter einratscht. Das Bett wird jetzt durch den Flur gefahren, dann ab in einen Aufzug und wieder durch einen Gang. Irgendwann kommen wir auf Station D an, die Pfleger sagen Bescheid und lassen mich im Netzbett auf einem Flur stehen. Ich merke, dass sich Personen meinem Bett genähert haben und um mich herumstehen. „Seid nicht so neugierig“, ruft eine Frauenstimme, „wir haben mal wieder Besuch. Kennt ihr doch schon.“ „Ich bin Schwester Ingeborg“, fährt die Stimme fort, „Frau Dr. Hahn hat mir alles erklärt. Ich bringe Sie jetzt auf Ihr Zimmer. Heute Abend dürfen Sie aufstehen.“

Die Schwester fährt mich nun über den Flur in das Zimmer hinein. Ich rieche die vertraute Mischung aus Wärme, Essen und menschlichen Ausscheidungen und will nur noch schlafen.

Aber dazu gehen mir zu viele Gedanken durch den Kopf. Was ich weiß, ist, dass ich mir den Aufenthalt hier so angenehm wie möglich machen will. Das heißt, ich werde brav sein und kooperieren. Keinen Mist mit dem Essen machen und so. Das Schlimmste hier wird die Langeweile sein. Sieben Tage nichts tun, aber auch rein gar nichts, was wird mich das anöden.

Am Abend kommt ein Mädchen herein, stellt sich als Schülerin Meike vor und möchte mir das Abendessen anreichen. Sie hat einen Pfleger mitgebracht, der das Gitter öffnet, und dann die Kopf- und Rumpffixierungen löst. Dann hilft er mir auf, legt mir ein Plastiklätzchen um und entknebelt mich. Was für eine Wohltat! Meike füttert mich mit weichem Brot und gibt mir etwas zu trinken. Dann schnallt der Pfleger mich ganz los, vorher führt er mir den Ball wieder in den Mund und bringt mich in den Waschraum. Die Duschprozedur kenne ich ja schon, festgemacht an der Duschstange, damit auch ja nichts passieren kann. Aber dafür mit Brille und wieder mit Ballknebel, auch was Neues. Danach zieht mir Meike eine Windel und einen durchgehenden Schlafoverall an und fertig bin ich für die Nacht.

Wieder im Zimmer klettere ich in mein Netzbett. Die Vollfixierung wartet schon auf mich. Und dann machen sie sich wieder an mir zu schaffen. Ich liege brav da, lasse es über mir ergehen; den breiten Rumpfgurt, die Hand- und Fußgurte, der Schrittgurt und dann der Schultergurt. „Dann wollen wir mal sehen, wie die Nacht wird“, meint Schwester Ingeborg und verschließt sorgfältig die Netzgitter. „Meine Brille?“, frage ich. „Bleibt auf, bis hier dunkel gemacht wird, “, sagt sie, „Meike und ich kümmern uns jetzt um die anderen.“ Ich höre Schritte und Stimmen, das Krächzen von Elfriede und denke, dass es immer noch die drei Frauen sein müssen, die hier schon bei meinem letzten Aufenthalt auf dem Zimmer waren. Als alle für die Nacht fertig gemacht sind, kommt Schwester Ingeborg. „Ihre Schutzjacke und Ihr Kopfgeschirr wurden gebracht“, sagt sie. Dann nimmt sie mir die Brille ab, legt mir mein heiß geliebtes Knebelgeschirr an und macht das Licht aus.
Ich kann nicht schlafen, zu viel geht in meinem Kopf herum, die Erlebnisse des Tages lassen mir keine Ruhe. Irgendwann schlafe ich ein, wache aber hundertmal in der Nacht auf und fühle mich am nächsten Morgen ziemlich erschöpft.


Im Käfig

Am Morgen bringen mich zwei Schwestern, die sich mir nicht vorstellen, in den Waschraum. Unter ihrer Aufsicht erledige ich meine Morgentoilette, dann bekomme ich eine Windel für den Tag angelegt. „Ich kann doch Bescheid sagen, wenn ich muss“, wage ich einzuwenden. Doch die beiden schütteln nur den Kopf und murmeln etwas von „ist hier so üblich“. Dann ziehen sie mir einen durchgehenden Overall mit integrierten Fäustlingen, einem eingebauten Fußteil und einem Reißverschluss an den Beinen an „damit wir Sie problemlos sauber machen können“. Ich denke, die Blöße gibt`s du dir nicht. Ich werde meine Windel trocken halten. Dank der Fäustlinge kann ich meine Hände kaum benutzen, das wird ja ein schöner Tag werden.

Eine der beiden setzt mir die Brille auf und schon versinkt alles in helle und dunkle Töne, erkennen kann ich nur noch das, was unmittelbar vor mir ist. Ich höre, wie die Tür zum Waschraum aufgeht und eine männliche Stimme stellt sich vor: „Guten Morgen Frau Ferner, ich bin Oberpfleger Heinz und heute für Sie zuständig. Da es gestern bei Ihnen zu einem Angriff auf eine Mitpatientin gekommen ist, müssen wir heute gewisse Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Ich hoffe, Sie kooperieren. Strecken Sie mal Ihre Hände nach vorne.“ Das tue ich auch brav und schon wird mir meine Zwangsjacke über die Arme gestülpt und blitzschnell in meinem Rücken befestigt. Zum Glück macht Heinz sie nicht so stramm zu wie die Männer gestern. Dann werden meine Arme fixiert und der Schrittgurt gespannt. „Geht es so?“ fragt Heinz. „Ganz okay“, antworte ich. Ist ja tatsächlich so, diese Jacke hat auch etwas Kuscheliges an sich. „Gut“, meint er, „auf ärztliche Anordnung sollen Sie sie heute den ganzen Vormittag tragen. Hey, die ist ja mit Ihrem Namen versehen. Sie haben es aber schon weit bei uns gebracht… So, nun muss Ihnen auch noch etwas an die Füße legen.“ Dann kniet sich Heinz hin und legt mir je eine Manschette um jedes Fußgelenk und verbindet sie mit einem Gurt. „Nun können wir gehen“, meint er und führt mich Richtung Flur. Mit dem Fußgurt kann ich nur kurze Schritte machen, sehen kann ich ja auch nicht viel; ich fühle mich höchst unsicher.

„Ich passe schon für Sie mit auf“, meint Heinz. „Wir gehen jetzt in unseren neuen Aufenthaltsraum. Also, eigentlich sind es ja zwei, für Sie ist der hintere vorgesehen.“ „Was meinen Sie damit?“ frage ich. „Werden Sie gleich merken. Sie laufen noch unter Sicherheitsverwahrung.“

Mir schwant Böses und mit einem Kloß im Hals lasse ich mich von Heinz über den Flur führen. Dann öffnet er eine Tür und wir sind da. Sehen kann ich nicht viel, nur bunte Schatten. Es ist nicht gerade leise hier und ich muss mir Mühe geben, zuzuhören, als mir Heinz erklärt: „Hier verbringen die meisten Patienten ihre freie Zeit, wenn das Wetter nicht so gut ist. Im Raum daneben geht es etwas ruhiger zu.“ Wir gehen durch eine weitere Tür. Heinz nimmt mir kurz die Brille ab, damit ich sehen kann, wo ich mich befinde. Ich sehe drei große Käfige aus einer Art Maschendraht, die fast den ganzen gepolsterten Raum einnehmen. Jeder dieser Käfige reicht bis zur Decke, vor ihnen ist ein schmaler Gang. In jeden Käfig ist eine Tür gelassen, durch die ganz links führt Heinz mich nun. Ich bemerke ein niedriges Bett und eine Matratze auf dem Boden. „Hier werden Sie den heutigen Tag verbringen“, sagt er. Er zuckt mit den Schultern: „Anweisung von oben. Strenge Sicherheitsverwahrung. Wenn was ist, rufen Sie. Ich bin nebenan. Möglicherweise kommen ab und zu Patientinnen herein, die etwas neugierig sind. Muss Sie aber nicht stören. Hier Ihre Brille.“ Und Heinz setzt mir die Brille wieder auf. Sogleich verschwindet wieder alles im Nebel. Auch gut, brauche ich wenigstens den Besuch nicht sehen. „Und wie gesagt, wenn was ist, rufen Sie. Bis dann“, sagt Heinz, geht und schließt die Käfigtür ab.

Ich frage mich ernsthaft, bin ich so gemeingefährlich, dass ich mit Fußfesseln und in Zwangsjacke in einem Käfig leben muss. Ich setze mich auf das Bett und denke nach. Der Käfig soll doch wohl nur für heute sein, so etwas Ähnliches hat Heinz gesagt, und die Zwangsjacke nur bis Mittag. Wenn ich mich benehme, werden die Sanktionen also aufgehoben und ich kann zu den anderen. Obwohl, will ich das überhaupt, unter lauten Verrückten meinen Tag verbringen?

Irgendwann wird es draußen plötzlich sehr laut. Ich bekomme mit, wie jemand polternd und schimpfend in den Raum geführt und im rechten Käfig untergebracht wird. Weil ich nichts erkennen kann, vermute ich, dass da jemand ausgetickt sein muss, der hier zur Ruhe kommen soll. Ich höre, dass der Jemand in seinem Käfig herumläuft, sich gegen die Wände wirft und dann sich dann wimmernd hinsetzt. Dann wieder gegen die Wände, dazu ein unartikuliertes Grunzen. Geknebelt ist sie also auch, da habe ich ja noch mal Glück gehabt.
Wenig später kommt Heinz herein und schaut nach dem Rechten. „Nun, haben sie sich etwas beruhigt, Frau Meyer?“ fragt er. „Und wie geht´s Ihnen, Frau Ferner?“ „Ganz toll“, antworte ich. „Tja, bei Frau Meyer gab´s ein Problem“, erklärt Heinz. „Nun sind Sie nicht mehr allein hier. Ich denke aber, dass sie sich jetzt beruhigt hat. Sprechen können Sie nicht mit ihr. Wir mussten sie ruhig stellen. Aber das kennen Sie ja schon.“ Na prima, denke ich, dann ich bin ja in bester Gesellschaft.

„Übrigens ist Ihr Helm so eben angekommen“, fügt der Pfleger hinzu. Ich sehe, dass er etwas Dunkelblaues in der Hand hält. Das wird doch nicht etwa wieder der Monsterhelm sein? „Meine Güte“, sagt Heinz, „das ist aber auch ein Teil. Haben Sie so viel angestellt, dass Sie das Gitter brauchen? Naja, ist ja auch zu Ihrer Sicherheit. Sie können ja kaum sehen, wohin Sie gehen, und falls Sie mal stolpern... Die Anordnung von oben lautet `dauerhaftes Tragen`. Wird wohl seine Gründe haben. Ich setz Ihnen den mal auf.“ Ich beiße mir lieber auf die Zunge anstatt groß darauf zu antworten. „Gucken Sie in meine Akte. Wird schon alles stimmen, was darin steht“, ist meine lapidare Antwort. Ich bekomme also meinen sehnsüchtig vermissten Helm aufgesetzt, dessen Gurte Heinz sorgfältig verschließt. Nun bin ich sozusagen doppelt vergittert.

Aber auch dieser Vormittag geht um. Von meiner Mitbewohnerin höre ich nur noch ein leises Schnaufen. Ich lege mich auf das Bett und döse ein. Das geht mit dem Helm erstaunlich gut. Weich gepolstert ist er ja. Der fürsorgliche Heinz guckt ab und zu nach dem Rechten und kann dann immer beruhigt gehen.

Zum Mittagessen wird die Käfigtür aufgeschlossen und Schwester Ingeborg kommt mit einem Tablett herein. Sie öffnet mein Helmgitter, löffelt mir die Pampe des Tages ein und gibt mir etwas zu trinken. Meine Bitte, eine Toilette aufzusuchen, verneint sie lächelnd. Das sei im heutigen Therapieplan nicht vorgesehen. Dann kommt Heinz dazu und zusammen nehmen sie mir die Zwangsjacke und die Fußfesseln ab. Dann legen sie mir einen Hüftgurt und Handmanschetten um, so dass ich auch weiterhin niemand etwas zuleide tun kann.

Der Nachmittag zieht sich endlos. Schlafen kann und will ich nicht mehr. Ich versuche mich daran, die Geräusche aus dem Nebenraum zu deuten. Es scheinen so um die zehn Patientinnen drüben zu sein. Kaum einer spricht richtig, zwischendurch höre ich die gut gelaunte Stimme von Heinz und die ruhige von Schwester Ingeborg. Was ich so höre, scheint es allen dort ganz gut zu gehen. Nun, wie es aussieht, bin ich morgen auch dabei.
Mein Bedürfnis, zur Toilette zu gehen, wird immer dringender. Aber ich will nicht einnässen, diesmal nicht. Ich glaube, ich schaffe das auch.

Am Abend werde ich wieder in meinem Käfig gefüttert. Ich bitte Schwester Ingeborg, ob ich nicht vorher zur Toilette kann, und tatsächlich, sie lässt sich erweichen. Glück gehabt.
Nach Toilettengang, Abendfraß und Waschraum geht es ins Bett. Ich bin noch gar nicht müde, fühle mich unruhig und kann noch nicht schlafen. Natürlich muss ich wieder in die Vollfixierung. Den Helm muss ich aber auch nachts tragen, na gut, so unbequem ist das nicht, und die Brille nimmt mir auch niemand ab. Als ich danach frage, bekomme ich von der Nachtschwester nur die Antwort, es sei dauerhaftes Tragen angeordnet. Zeitig wird das Licht ausgemacht und ich liege wach in meinem Netzbett. Ich höre die Schlafgeräusche der anderen und Schritte auf dem Stationsflur und irgendwann schlafe ich dann doch ein.

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  RE: Sechs Monate Datum:25.09.22 17:31 IP: gespeichert Moderator melden


Elfriede

Überraschung am nächsten Morgen – Schwester Ingeborg weckt mich mit einer frohen Botschaft. Weil ich mich gestern gut benommen habe, kann ich wieder einen normalen Overall ohne Fäustlinge tragen, brauche keine Windel mehr und kann nun auch wieder meine Hände benutzen. Schwester Dorothea kommt und tauscht die superstarken Gläser meiner Brille in schwächere, so dass ich mich einigermaßen orientieren kann. Den Monsterhelm muss ich jedoch weiterhin aufsetzen. „Sie haben doch Altenpflegerin gelernt“, bemerkt Ingeborg. „Was halten Sie davon, wenn Sie, so lange Sie hier bei uns sind, sich etwas mit den Patienten beschäftigen?“ Ich muss wohl etwas überrascht ausgesehen haben, denn sie fügt hinzu: „Positives Verhalten Ihrerseits melden wir natürlich weiter. Und außerdem vergeht so die Zeit für Sie schneller.“

Wo sie recht hat, hat sie recht. Warum auch nicht? Im Aufenthaltsraum gibt es tatsächlich einiges an Spiel- und Beschäftigungsmaterial und dazu noch eine vernünftig eingerichtete Küchenzeile in einem Nebenraum. „Heinz und ich haben heute wieder Dienst“, sagt Ingeborg. „Gucken Sie mal, was wir so mit den Patienten machen, und lassen Sie sich von Ihrer Berufserfahrung leiten.“

Elfriede aus meinem Zimmer findet mich, aus was für Gründen auch immer, weiterhin interessant. Mit ihrem Kuschelhandtuch im Arm sucht sie meine Nähe und kommuniziert mit mir durch ihr Krächzen. Ich bin gut gelaunt, spreche mit mir und mache kleine Scherze. Sie scheint keine Angst vor mir zu haben, trotz meiner Gitter vorm Gesicht. Als ich sie frage, ob sie Lust auf ein Spiel habe, holt sie eine Schachtel mit Memory-Karten. Heinz weist mich netterweise darauf hin, dass ein Spiel mit allen 64 Karten für sie zu anspruchsvoll sei. Also spielen Elfriede und ich mehrere Runden mit sechs Paaren, dann erhöhen wir auf zehn. Ich lasse Elfriede natürlich ein paar Mal gewinnen, damit sie nicht die Lust verliert.

Beim Mittagessen werde ich doch glatt vom Pflegepersonal um Mithilfe gebeten. Erst bin ich sprachlos, dann willige ich jedoch ein. Ich reiche einer Mitpatientin das Essen an, bevor ich selber esse. Schwester Ingeborg lobt meine Kooperation und scherzt, ich könne am besten gleich hier anfangen. Dass ich etwas sinnvolles hier tun kann, hebt merklich meine Stimmung. Ich fühle mich beschwingt und lebendig wie schon länger nicht mehr.

Auch der Nachmittag verläuft in ähnlichen Bahnen. Ich fühle mich fast wie eine Praktikantin und nicht wie eine Patientin, die zur Strafe hier ist. Dass Ingeborg und Heinz mir Vertrauen schenken, tut mir richtig gut. Als ich ihre Frage, ob ich backen kann, bejahe, erklären Sie mir kurz, wo sich was in der Küchenzeile befindet. Dann habe ich morgen ja schon was vor.

Die Nacht verbringe ich in meinem Netzbett in dem Vierer-Zimmer. Es ist oft unruhig, jemand schnarcht ziemlich und an jedem Morgen riecht es unangenehm. Ich bin froh, wenn das hier zu Ende ist und ich wieder in Melanies und meinem Zweier-Zimmer bin.
Am nächsten Tag backen Elfriede und ich einen einfachen Kuchen. Heinz hat mir vorher alles, was wir brauchen, aus der Küche besorgt. Elfriede ist sehr stolz auf unser gemeinsames Werk, aber die meisten anderen Patientinnen stopfen ihr Stück Kuchen leider nur in sich herein, ohne sich irgendwie zu bedanken.

Ehrlich gesagt kann ich mit den anderen Frauen der Station wenig anfangen. Fast alle leben in ihrer Welt und sind Angeboten gegenüber in keiner Weise aufgeschlossen. Ich bewundere Schwester Ingeborg und Pfleger Heinz, wie nett sie mit jedem einzelnen umgehen. Sie erzählen mir auch das wenige, was sie über Elfriede wissen. Sie müsse schon über dreißig Jahre hier sein, damals noch im schon lange abgerissenen Altbau. Sie war auf einer Sonderschule, hat aber nie sprechen gelernt. In eine beschützende Werkstatt konnte Elfriede nicht gehen, da sie als junge Frau wohl recht aggressiv war. Nun ist sie mit ihren ca. 50 Jahren wesentlich ruhiger geworden, mich scheint sie irgendwie adoptiert zu haben. Beharrlich sucht Elfriede meine Nähe und kommuniziert mit mir im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Nun, mir gefällt es, meinem Aufenthalt hier auf dieser Station etwas Sinn zu geben. Die Zusammenarbeit mit Ingeborg und Heinz klappt gut und eigentlich kann ich mir gerade gut vorstellen, bald wieder arbeiten zu gehen. Nach drei Tagen ist mir übrigens - wohl wegen guter Führung - erlaubt worden, den Helm abzusetzen. Ich bin sehr erleichtert, das Ding los zu sein. Die Welt sieht ohne Gitter doch schöner aus und - keine Angst – ich werde nicht mehr beißen.

Am vorletzten Tag meiner Strafe sagen die zwei mir abends, dass sie nun beide ein paar Tage frei hätten. „Schwester Margot und Bernd werden uns vertreten“ – Bernd ist einer der Pfleger, die mich nach der Sportstunde in die Zwangsjacke steckten – „Wir werden aber auf Ihrer Station melden, wie kooperativ Sie waren und wie nützlich Sie sich machten. Alles Gute für Sie! Übrigens, Sie werden es vielleicht nicht bemerkt haben, vorhin ist jemand neues in die Sicherheitsverwahrung gekommen.“ Nein, das habe ich tatsächlich nicht bemerkt, ich war so sehr in das gemeinsame Puzzle mit Elfriede vertieft. „Es ist Frau Kessler, sie wissen schon.“ Ilka also. Dann muss sie sich ja irgendwas geleistet haben, dass sie nun auch auf Station D ist.


Die Verlängerung

Am nächsten Morgen werde ich von Schwester Margot geweckt. „Wie´s aussieht, Ihr letzter Tag bei uns. Habe gehört, Sie haben sich schön nützlich gemacht. Das freut mich. Helfen Sie wieder beim Frühstück?“ Ich sage zu und frage, wann ich wieder auf meine alte Station darf. „Darüber entscheiden die Ärzte, Frau Dr. Hartmann und Frau Dr. Hahn. Ich nehme aber an, im Laufe des Nachmittags.“
Und so scheint es auch zu sein. Ich bin etwas nervös und kann mich nicht so recht auf ein Spielen mit Elfriede konzentrieren. Ilka sehe ich nirgends, allerdings kann ich auch mit den neuen Gläsern nicht den ganzen Raum überblicken. Aber eigentlich müsste man sie hören, so laut ist sie immer.

Nach dem Mittagessen werde ich immer unruhiger. Ich gehe rastlos durch den Aufenthaltsraum. Die Nähe von Elfriede macht mich jetzt ein wenig aggressiv, ich versuche aber, mir nichts anmerken zu lassen.

Plötzlich bekomme ich wie aus dem Nichts einen Tritt von hinten in die Kniekehlen. Ich stürze nach vorne, knalle mit dem Kopf gegen einen Stuhl – jetzt wäre der Helm mal nützlich gewesen – und dann werde ich mit Fußtritten traktiert. „So, jetzt sind wir quitt!“ schreit eine nur zu bekannte Stimme. Ich rappele mich wieder hoch und bearbeite Ilka mit meinen Fäusten. Die wehrt sich natürlich und ich muss aufpassen, nicht allzu viel einzustecken. Plötzlich werde ich von hinten festgehalten und jemand packt meine Arme und verdreht sie auf dem Rücken. Vor Schmerz schreie ich auf und trete nach hinten. Es kommt zu einer heftigen Rangelei, ich höre einen Schrei, dann spüre ich plötzlich einen Stich im Oberarm. Mir wird schwindelig, meine Zunge wird pelzig, die Bewegungen erschlaffen und ich verliere das Bewusstsein.

Ich weiß nicht, wie lange ich ohnmächtig war. Als ich langsam wieder wach werde, finde ich mich in einem Rollstuhl wieder. Ich bin mit einem kombinierten Brust- und Schrittgurt darin fixiert, die Beine natürlich auch, und selbst den Kopf kann ich nicht bewegen. Ich trage wieder einen Lederhelm, der irgendwie an der Kopfstütze festgemacht sein muss. Der Rollstuhl ist mit einer Tischplatte ausgestattet und auf der ruhen meine Unterarme, schön mit Gurten auf der Platte fixiert. Meine Hände stecken in ganz steifen Handschuhen, ich kann buchstäblich keinen Finger rühren. Und irgendwas Metallenes ist vor meinen Mund geschnallt, so dass ich nicht sprechen, ja noch nicht mal die Lippen bewegen kann.
Mir ist total schlecht, ich habe heftige Kopfschmerzen und irren Durst. Ich versuche herauszufinden, wo ich bin, ja, es muss der leere Aufenthaltsraum sein. Ich versuche zu rufen, aber heraus kommt nur ein undeutliches Blöken.

„Na, wach geworden?“, fragt mich Schwester Margot. „Da haben Sie zwei sich ja einen tollen Kampf geliefert.“ Ich grunze eine Erklärung vor mich hin. „Sie brauchen nichts zu sagen“, meint Schwester Margot, „wir wissen, dass Frau Kessler angefangen hat. Der geht es jetzt auch nicht besser als Ihnen. Aber Sie haben sich dann auch ganz schön gehen lassen und die Tritte wird Bernd Ihnen nicht so schnell vergessen. Tja, nun wird sich Ihr Aufenthalt bei uns noch etwas verlängern und das wird für Sie nicht so lustig werden. Sie brauchen keine Angst zu haben, Bernd wird sich nicht rächen, aber so nett wie unsere Vorgänger sind wir nicht. So ein buntes Treiben wie in der vergangenen Woche können Sie vergessen.“

Ich versuche ihr deutlich zu machen, dass ich dringend etwas trinken muss und blöke etwas in diese Art Gitter vor meinem Mund. Schwester Margot löst meinen Helm von der Kopfstütze und fragt nach, ob ich vielleicht trinken möchte. Ich nicke mit dem Kopf.

Dann stellt sie mir eine Plastikflasche mit Wasser auf die Tischplatte und führt einen Strohhalm in meinen Mund. „Das ist das Praktische an Ihrem Mundgitter“, sagt sie, „trinken kann man auch damit. Ich zeig Ihnen nachher mal, wie hübsch Sie damit aussehen.“

„Essen sollten Sie jetzt besser nichts“, fährt sie fort, „wir gehen nun zur Toilette und in den Waschraum, dann mache ich Sie bettfertig und danach ab ins Bett.“ „Und sollten sie irgendein Problem machen“, droht mir Margot, „dann wird aus den anvisierten fünf Tagen ganz schnell ein unbegrenzter Aufenthalt hier, verstanden?“ Ich grunze in das Metall als Zeichen, dass ich sie verstanden habe.

Im Waschraum werde ich aus dem Rollstuhl befreit, aber dann gleich wieder auf einer Liege fixiert. Margot legt mir eine Windel an und verlässt dann den Raum. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt sie mit einem Schlafoverall zurück. Zuerst hält sie mir einen Spiegel vors Gesicht. Ich sehe meinen Mund hinter einem silbernen Metallgitter, das mit dünnen Lederriemen rund um meinen Kopf befestigt ist. „Ja, Frau Ferner, Sie laufen jetzt unter akuter Fremdgefährdung. Da müssen wir alle erdenklichen Schutzmaßnahmen beachten. Auch was ein mögliches Beißen angeht“, erklärt mir die Schwester. Ich erschrecke vor mir selbst, erst der Maulkorb vor einigen Wochen, jetzt das Mundgitter. Da muss man doch Angst vor mir haben…

Dann macht die Schwester mich los, zieht mich an und führt mich aufs Zimmer. Ich fühle mich immer noch schwindlig und lasse alles mit mir geschehen. Auf dem Bett liegend werde ich wieder bis auf den Kopf sorgfältig festgeschnallt, sie nimmt mir Brille und Helm ab, das Metallgitter bleibt umgeschnallt und anschließend schließt sie das Netzbett. Das Licht lässt Schwester Margot an – „Meike und ich kümmern uns jetzt um Ihre Zimmergenossen“ – und dann bin ich allein.

„Noch fünf Tage“, denke ich. Wenn ich richtig rechne, müsste Melanie jetzt schon seit drei Tagen wieder in der Klinik sein. Ob ihr jemand gesagt hat, was mit mir ist? Ich habe Sehnsucht nach ihrer Nähe, Sehnsucht danach, mit jemand sprechen zu können, nach etwas Verständnis. Nun muss ich noch fünf Tage Geduld haben und hoffe inständig, dass ich mich zusammenreißen kann.

Die Nacht verläuft unruhig. Die Fixiergurte stören und irgendwann bin ich wach und muss fürchterlich auf die Toilette. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, kann mich auch nicht verständlich machen. Ich versuche wieder einzuschlafen, aber es geht nicht – der Druck auf die Blase ist zu groß. Und dann lass ich es einfach laufen…


Tage im Rollstuhl

Am nächsten Morgen werde ich geweckt und losgeschnallt. Dann wird mir das Metallgitter vom Mund genommen und die Handschuhe abgestreift und ich darf mich im Waschraum sauber machen, meine Hände werden aber wieder mit dem Kunststoffgurt an der Duschstange verbunden. Immerhin habe ich genug Bewegungsfreiheit, um mich gründlich zu duschen und mir die Haare zu waschen. Keine Sorge, ich werde nicht versuchen, abzuhauen.

Schwester Margot und die Schülerin Meike kommen nun herein. „Meike wird Ihnen beim Anziehen und beim Frühstücken behilflich sein. Danach geht es wieder in den Rollstuhl für den Rest des Tages, verstanden?“ Ich nicke. „Und sollte es zu irgendeinem Vorfall kommen, dann wird es Konsequenzen haben, die Sie sich nicht wirklich wünschen, o.k.?“ Ich sage, dass ich mich benehmen werde, sie müssten sich keine Sorgen machen – und denke, für wie gemeingefährlich halten die mich mittlerweile? Ich werde noch mal ausdrücklich gewarnt: „Beim kleinsten Vorfall liegen Sie wieder im Bett und zwar voll fixiert.“

Meike legt mir eine neue Windel um und ich ziehe mich an. Danach befestigt Meike erst die steifen Handschuhe an meinen Händen und dann muss ich mich wieder in den großen Rollstuhl setzen, in dem mich Meike sorgfältig fixiert. Bauchgurt, Brustgurt, Hand- und Fußriemen – alles dabei. Ein dicker Keil wird zwischen meinen Oberschenkeln justiert. Die Tischplatte wird wieder vor meinem Oberkörper befestigt, darauf meine Unterarme und dann schiebt sie mich in den Frühstücksraum. Außer meinem Kopf kann ich mich nun buchstäblich überhaupt nicht rühren.

Hat Meike die Brille und den Helm vergessen oder war das Absicht? Brot und Früchtetee stellt Meike auf meinen Tisch und dann werde ich mal wieder gefüttert. Als wir fertig sind, legt sie mir wieder das Metallgitter an den Mund, zieht es schön stramm und fährt mich dann in den Aufenthaltsraum.

Nun sitze ich da weitgehend bewegungsunfähig und ohne mich äußern zu können. Wie jemand, vor dem man Angst haben muss, der nicht anders gebändigt werden kann. Ich frage mich zum wiederholten Male, ob ich wirklich so schlimm bin.

Auf jeden Fall habe ich nun ausgiebig Zeit, die Mitpatientinnen zu beobachten. Ich sehe Frau Meyer, die auch heute in der Zwangsjacke steckt. Sie sitzt auf einem Stuhl vor dem Fenster und schaukelt ununterbrochen immer im gleichen Rhythmus ihren Oberkörper vor und zurück. Frau Allenstein tigert durch den Raum. Ab und an bleibt sie stehen und hämmert ihre Fäustlinge gegen ihren Helm. Dann ist da jemand, die in jeder Hand eine Puppe hält und mit ausdrucklosem Gesicht vor einer Wand steht und leise vor sich hin redet. Jemand anders fuchtelt dauernd mit den Armen in der Luft und stößt Schreie aus. Zwei andere sitzen an einem Tisch, haben ihre Köpfe auf die auf der Tischplatte verschränkten Arme gelegt und dösen vor sich hin. Noch jemand in diesem Panoptikum steht in einer Ecke und wiegt ähnlich wie Frau Allenstein ihren Oberkörper hin und her. Elfriede scheint mir noch die Aufgeweckteste von allen zu sein. Mit ihr kann man wenigstens kommunizieren und etwas machen. Ich weiß, dass diese bizarren Verhaltensweisen mit Hospitalismus zu tun haben. Rational ist mir das klar, aber in dieser Ballung macht es mir Angst. Ich will hier nicht mehr länger bleiben.

Elfriede hat mich entdeckt und stellt sich vor mich. Sie kräht mich an und ich grunze zurück. Elfriede streichelt meine Oberarme und ich versuche mir so etwas wie ein Lächeln abzugewinnen.

Da kommt eine etwas verschreckte Meike herein. Sie hat meine Brille und den Helm dabei und scheint, weil sie es wohl vergessen hatte, gerade etwas heruntergeputzt worden zu sein. Schnell setzt sie mir die Brille auf – „Die brauchen Sie doch.“ – und dann den Lederhelm, dessen Kinngurt sie auch wieder schön sorgfältig stramm zieht.

Gerade noch rechtzeitig, denn ich bekomme mit, wie Frau Dr. Hartmann mit Besuch hereinkommt. Es müssen wohl irgendwelche Fachleute sein, denn sie ist groß im Erklären. Irgendwann steht die Gruppe auch vor mir und ich werde beschrieben wie ein Gegenstand. Frau Dr. Hartmann weiß, dass ich alles verstehe, aber sie redet über mich, als wenn … „Und hier haben wir es mit einem Fall von Selbst- und Fremdgefährdung zu tun. Frau Ferner ist vorübergehend auf dieser Station, bis sich ihr Zustand soweit gebessert hat, dass sie wieder auf die W2 kann. Wir mussten bei ihr einige Maßnahmen der sensorischen Deprivation anwenden, um die eruptiv auftretenden Aggressionsschübe eindämmen zu können. Zurzeit ist an eine wie auch immer geartete Therapie leider nicht zu denken, es hat gerade gestern wieder Gewalttätigkeiten von ihr gegeben. Eine Mitpatientin war betroffen, dann sogar ein Pfleger. Um die anderen vor Frau Ferner zu schützen, aber auch damit sie selbst wieder zur Ruhe findet, halten wir die weitgehend durchgängige Fixierung für eine geeignete Maßnahme.“ Auf mein hübsches Metallgitter vor dem Mund zeigend fährt sie fort: „Wir wollen kein Risiko eingehen. Es kam schon zu Bissverletzungen.“ Und an die Ärzte gewandt: „Ich würde mich freuen, wenn wir im Anschluss über diesen spannenden Fall noch ausführlicher sprechen könnten.“ Die lauschenden Koryphäen murmeln sich etwas zu, dann wenden sie sich ab und gehen zur Nächsten. Ich glotze vor mich hin – bin ich ein Monstrum? Nun immerhin ein spannender Fall. Ich darf stolz auf mich sein.

Zu Mittag werde ich natürlich gefüttert und dann geht es zur Mittagsruhe vollfixiert ins Netzbett. Kurz danach habe ich das sichere Gefühl für den Stuhlgang. Nein, ich möchte nicht in die Windel machen, auf gar keinen Fall. Ich grunze und werfe den Kopf hin und her, bis Schwester Margot auf mich aufmerksam wird. Sie hat den richtigen Riecher und sagt nur: „Machen Sie jetzt bitte keine Sauerei. Einen Moment noch warten.“ Und dann kommen Meike und der Pfleger Bernd und bringen mich zur Toilette. Ich darf alleine mein Geschäft erledigen, bekomme dafür die Handschuhe ausgezogen – was für eine Gnade! Dann legt mir Meike eine Windel an, ich ziehe mir die Hose hoch und dann gibt es wieder die steifen Handschuhe an. Bernd fixiert mich dann gründlich im Rollstuhl.

Es ist einfach nur schlimm, dazusitzen, sich nicht rühren zu können, nicht sprechen zu können, wenig zu sehen und warten, dass die Zeit vergeht. Sie zieht sich endlos. Endlos. Endlos.

Und so ungefähr vergehen auch die nächsten Tage. Ich habe mein Metallgitter vor den Mund geschnallt, so dass ich außer ein paar Lauten nichts von mir geben kann. Morgens herein in den Rollstuhl, zur Mittagsruhe heraus und dann am Nachmittag das Gleiche. Und immer sorgfältig fixiert, so dass ich nur meinen Kopf bewegen kann. Vormittags und nachmittags darf ich für je eine Stunde heraus aus dem Rollstuhl und in dem umzäunten Außengrundstück etwas umherlaufen. Damit ich ja nichts Böses anstelle, trage ich dann die Zwangsjacke. Ich bin schön brav, wenn sie mir angezogen wird, strecke meine Arme zuvorkommend nach vorne und wehre mich nicht. Wenn mich sonst schon niemand hier auf der Station mag, vielleicht mit Ausnahme von Elfriede, so kann ich mich wenigstens selbst umarmen.

Am Donnerstagnachmittag winkt dann endlich etwas Abwechslung. Bernd erklärt mir, dass heute wieder Praktikantinnentag sei und eine Schülerin mich nachher spazieren fahren würde. Das Wetter sei ja für Januar heute recht angenehm, Zeit, dass ich mal nach draußen käme. Und dann bietet sich bald folgendes schönes Bild: Frau Meyer, Frau Allenstein und ich alle in unseren Rollstühlen sitzend und festgeschnallt, Elfriede steht dazwischen und es kommen vier junge Frauen, die mit uns nun eine Stunde nach draußen gehen sollen. Meine Freude kennt keine Grenzen. Bernd schärft ihnen noch ein, uns ja nicht loszuschnallen, da wir dann schnell aggressiv werden könnten. „Und damit die Frau Ferner nicht rumschreit, müssen wir sie sicherheitshalber stilllegen“, kündigt er an. Er hätte jetzt ja schon das zweite Kämpfchen mit mir gehabt und mein Tritt in seine Kronjuwelen merke er noch immer. „Ich glaube, ich habe das Recht auf eine kleine süße Rache.“ Dann nimmt er mir den Helm und das Mundgitter ab, befiehlt mir, den Mund zu öffnen und setzt dann blitzschnell etwas Weiches und Gummihaftes mit einem Schlauch in meinen Mund. Ich weiß nicht, was das ist, will schreien, aber zu spät – das Ding in meinem Mund füllt sich mit Luft, wird größer und größer, legt meine Zunge lahm und spannt meine Wangen, bis ich nur noch fiepen kann. Dann setzt Bernd mir wieder den Helm auf, schnallt ihn an der Kopfstütze fest und macht den Schlauch ab. „Ich schreibe in den Bericht, dass Sie trotz Mundgitters zu laut waren und ich deshalb mit dem Butterfly eine andere Maßnahme ergreifen musste“, grinst er und überlässt mich dann den Schülerinnen. Bitte, lass diesen Tag vorübergehen, denke ich.

Die Karawane setzt sich in Bewegung und ab nach draußen; drei, die die Rollstühle schieben, und die vierte mit Elfriede im Griff, die eine Transportjacke anhat. Wir müssen umwerfend aussehen – hoffentlich sieht mich niemand, den ich kenne. Meine Wangen schmerzen leicht; durch die Nase bekomme ich zwar ausreichend Luft, aber dieser Knebel ist schon sehr, sehr unangenehm. Aber es tut wirklich gut, mal wieder richtig nach draußen zu kommen. Irgendwann parken die vier uns, da höre ich bekannte Stimmen. Das ist Melanie, ich bin mir sicher, und Anne. Nein, so sollen die mich nicht sehen, bitte nicht. Doch die Stimmen nähern sich: „Da ist ja Katrin“ ruft Anne. Und schon stehen sie vor mir. „Oh, Katrin,“ stößt Melanie hervor, „was haben sie mit dir gemacht?“ „Vorsicht!“ ruft eine der Schülerinnen, „Gehen Sie nicht zu nah heran, die Patientin ist hochaggressiv.“ „Keine Angst,“ lacht Melanie, „wir kennen uns gut.“ Als Anne und Melanie so vor mir stehen, kann ich nicht anders und fange an zu weinen. Beide halten nun meine Hände, die wie immer in Handschuhen stecken, und streicheln über meine gespannte Wange. „Katrin,“ sagt Melanie, „ich habe vorhin mit Frau Dr. Schadtwald gesprochen. Sie sagte, es liefe bei dir zwar nicht alles glatt, du würdest aber bald auf unsere Station zurückkommen. Du hättest eine weitere Chance verdient.“ Plötzlich ertönt die scharfe Stimme von Bernd: „Wenn sie bitte meine Patientinnen in Ruhe lassen würden, die müssen sich hier ein bisschen entspannen.“ Anne und Melanie geben mir beide ein Küsschen auf die Wange. „Bis bald, meine Liebe,“ verabschieden sie sich.

Bernd guckt nun nach dem Rechten und sagt den Schülerinnen, sie sollen spätestens in einer halben Stunde zurück sein. Wieder auf Station angekommen lässt er endlich die Luft aus dem Knebel und holt ihn aus meiner Mundhöhle. Was bin ich froh, als es Abend wird. Dann fährt Meike mich in den Essraum und füttert mich wieder wie ein Kleinkind.

Und tagsdrauf werde ich, ohne dass mir etwas angekündigt oder erklärt wird, am Nachmittag aus der Station D gerollt, komme in den Fahrstuhl und dann ab zur Station W2. Man stellt mich voll fixiert im Rollstuhl und wie ein Möbelstück einfach auf dem Flur ab und ich warte auf die Dinge, die da kommen sollen.

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