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Lemwerder
Heute beginnt der Rest meines Lebens
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SCHWARZER ADVENT
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Datum:17.02.17 04:11 IP: gespeichert
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Im Advent zwei Jahre ...
Ja, tatsächlich. In drei Wochen, wenn die Menschen in Lemwerder die erste Kerze anzünden, ist das Blutbad bereits zwei volle Jahre her. Jahre, geprägt von grauenvollen Visionen, schrecklichen Schmerzen und brennender Schuld.
„Da wären wir, schöne Frau ...“ sagt der Taxifahrer, hält vor meinem Haus in der Friedhofsstrasse und schaltet den Motor ab.
Er sagt nicht etwa ‘Frau Becker’ sondern ‘schöne Frau’! Nennt mich selbst jetzt noch eine schöne Frau. Seit ich denken kann, weiß ich, dass ich sehr attraktiv bin und auf Männer anziehend wirke. Und nun? Die magische 40 ist seit August überschritten, starke Medikamente haben mein Gesicht aufgeschwemmt, ich bin vollkommen ungeschminkt und trage eine fürchterliche Farbenkombination, die aus einer verwaschenen Jeans, einem giftgrünen Regenmantel und weißen Turnschuhen besteht. Sieht so eine schöne Frau aus?
Die Kleidung hat mir Claudia, meine beste Freundin, besorgt. Gute alte Claudia. Sie ist die beste Freundin, die sich eine Frau nur wünschen kann. Aber Geschmack ist eben nicht ihre Stärke. In so einem Mantel möchte ich noch nicht einmal begraben werden und einfache Jeans trage ich seit meiner Jugend nicht mehr. Dafür bin ich mir zu schade.
Aber ich möchte mich nicht beklagen oder gar undankbar sein. Im Krankenhaus, in der Nervenklinik, in der Reha ... Claudia war immer für mich da. Besuchte mich, richtete mich mehr auf, als die ganzen Psychologen zusammen, und organisierte mir in mühevoller Suche sogar eine Putzfrau, die bereit war, dieses Haus sauberzuhalten. Ein Glück, denn meine Freundin selbst traut sich nicht hinein. Das kann ihr mit Sicherheit auch niemand verdenken.
Durch das beschlagene Seitenfenster des Taxis erspähe ich durch den prasselnden Regen einen ersten Blick auf mein Heim.
Es gibt leer stehende Häuser, die einen anzustarren scheinen wie das Gesicht eines Wahnsinnigen. Ist da vielleicht etwas? Etwas, das seit zwei Jahren auf mich wartet? War da nicht eben ein schwarzer Schatten hinter dem Fenster des bewussten Zimmers?
Nein! Unsinn! Da ist nichts. Natürlich ist da nichts. Erd- und Obergeschoss. Glänzende Fensterscheiben. Saubere Vorhänge. Ein kleiner Garten. Ein Zaun mit einladender Pforte. Ein typisches Reihenhaus, wie es in Lemwerder Dutzende gibt.
Dennoch schnürt die Angst mir die Kehle zu und ich bekomme, wie befürchtet, einen Schweißausbruch. Dann fangen meine Hände an zu zittern. Hoffentlich bemerkt der Mann neben mir es nicht. Das wäre mir äußerst unangenehm.
Angst! Haben Sie schon einmal so richtig Angst gehabt? Ich meine jetzt nicht etwa das mulmige Gefühl in der Magengegend, das viele Menschen bekommen, wenn sie durch dichten Nebel gehen, zum obersten Vorgesetzen gerufen werden oder sich einen Horrorfilm schauen. Nein, ich meine richtige Angst. Angst, die dem Menschen Probleme bereitet gleichmäßig zu atmen. Angst, die das Herz so schnell beschleunigt, dass ein tödlicher Infarkt droht. Haben Sie schon einmal solche Angst gehabt?
Nun, mir ist in meinem Leben leider schon sehr viel Schreckliches widerfahren und ich habe die Berührung des Molochs Angst schon so manches Mal erdulden müssen.
Als Kind musste ich mir bei jeder Dämmerung Sorgen machen geschändet zu werden. Konnte kaum mehr als drei Stunden durchgehend schlafen. Wachte bei jedem kleinen Geräusch sofort schweißgebadet auf und mein kleines Herz drohte zu zerspringen. Wie sehr ich die anderen Kinder damals doch beneidete. Sie fürchteten sich nachts vor Spinnen und imaginären Monstern, während mir Schläge und Tritte meiner brutalen Mutter sowie die Schändung durch meinen selbsternannten Stiefvater drohten.
Mit Zwanzig arbeitete ich als Aufsicht in einer Spielothek. In einer schwülen Sommernacht zog der letzte Kunde plötzlich ein großes Messer. Bevor ich in irgendeiner Form reagieren konnte, schlug er mich nieder. Während ich benommen war, wickelte er mir etliche Lagen Paketklebeband um Körper und Kopf. Ließ nur noch die Nasenlöcher frei. Dann sperrte er sein hilfloses ‘Bündel Mensch’ in die kleine Besenkammer, wonach er seelenruhig einen Spielautomaten nach dem anderen knackte. Die zehn Stunden in der dunklen Kammer, oder sagen wir besser in der dunklen Sauna, waren eine Hölle für sich. Meine Kleidung klebte bereits nach wenigen Minuten so sehr wie das fesselnde Paketband an meinem Körper, ich litt unter schrecklichem Durst, mein Kopf schmerzte teuflisch und ich machte mir größte Sorgen mich übergeben zu müssen. Dann wäre ich jämmerlich am Erbrochenen erstickt. Doch das Schlimmste war der Sauerstoffmangel in meinem Verlies. Jeder Atemzug eine einzige Tortur. Als Rosa, die polnische Putzfrau der Spielhalle, mich am nächsten Morgen aus der Folterkammer erlöste, war ich mehr tot als lebendig.
Vor knapp fünf Jahren schwamm ich im Urlaub in Florida grundlos in die Dunkelheit hinaus. Keine Ahnung warum ich das tat. Wahrscheinlich veranlasste mich übermäßiger Genuss von rotem Wein zu dieser dummen Aktion. Irgendwann bemerkte ich, dass mich etwas Gigantisches umkreiste. Einmal sogar unter mir hindurchtauchte. Ein Hai? Etwa ein großer Weißer wie in Spielbergs Gruselklassiker? Oder doch ‘nur’ ein Barrakuda? Vielleicht sogar ein psychopathischer Taucher, der mich erschrecken wollte? Unzählige Schreckensvisionen erschienen mir. Ich weiß bis heute nicht genau, was damals unter mir war. Aber selbst, als ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, schrie ich noch vor Entsetzen.
Das alles ist wahre Angst. Verstehen Sie? Und dennoch ... Weder der potentielle Vergewaltiger, die Horrornacht in der Besenkammer, noch das unsichtbare Etwas im Meer sind auch nur annähernd so schrecklich gewesen, wie das unvorstellbare Grauen, welches ich in meinem eigenen Haus erlebte. Grauen jenseits der Grenzen der Vorstellungskraft eines zivilisierten Menschen.
Das Lächeln des Fahrers reißt mich aus meinen düsteren Erinnerungen. Ich erblicke kein herzliches oder freundliches Lächeln. Es ist jenes Lächeln, welches ein männliches Wesen aufsetzt, wenn es eine Frau erobern will. Offensichtlich wirke ich in der Tat immer noch attraktiv.
Die gute alte Zeit. Fast kein Raum im Haus ohne Spiegel. Kleider und Kostüme nach Maß vom Schneider, nur ganz selten von der Stange oder aus dem Versandhaus. Jede Woche einen festen Termin im ‘La Mirage’. Haare, Wimpern, Lippen, Nägel. Es gab für die sympathische Lena immer etwas zu tun. Doch das war einmal. Mein Aussehen interessiert mich nicht mehr.
„Ich kriege dann genau 34 Euro, Frau Becker.“ Das Lächeln weicht nicht aus dem Gesicht des etwa fünfundzwanzigjährigen Türken.
Wie in Trance greife ich in meine Geldbörse und gebe ihm einen Schein. Mich interessiert der Vorgang des Bezahlens nicht. Meine Gedanken sind bereits im Haus und ich frage mich, ob ‘Etwas’ auf mich wartet.
Ist meine Entscheidung hierher zurückzukehren richtig? Herr Doktor Buchholz, mein Psychiater, riet mir wieder hier einzuziehen, um mich der Vergangenheit zu stellen. Nur so kann ich meine grauenvollen Albträume loswerden.
‘Doch was ist, wenn der Albtraum nun doch real ist und mich loswerden will, Herr Doktor?’
„Stimmt so.“ sage ich, als ich sehe, dass der Fahrer mir Wechselgeld herausgeben will.
„Gleich sechzehn Euro“ fragt er ungläubig.
Das hohe Trinkgeld ist für mich ein ganz natürlicher Reflex. Durch meine erfolgreiche Schriftstellerei bin ich millionenschwer. Gebe seit Jahren hohe Trinkgelder. Das dürfte psychologische Gründe haben. Die in der Hamburger Gosse groß gewordene Susan Becker freut sich der Welt zu zeigen, dass sie nun Vanessa von Königsberg (mein Pseudonym als Autorin) ist, die auf der Sonnenseite des Lebens steht und mit Geld nur so um sich werfen kann.
‘Sonnenseite’? Wie zynisch so ein Wort aus meinem Mund. Das war einmal.
„Ja. Stimmt so.“ wiederhole ich und beschließe dem jungen Mann eine weitere kleine Freude zu bereiten „Weil Sie so ein charmanter Fahrer waren.“
Er lächelt. Diesmal keine Anmache sondern ehrliche Freude. Offensichtlich habe ich die Kunst, wie man einen Mann mit ein paar simplen Worten happy machen kann, nicht verlernt.
Danach greife ich zu meiner Reisetasche.
„Soll ich ..?“ fragt der Türke höflich.
„Nein, danke. Sie ist ganz leicht.“
Ist sie tatsächlich. Es sind nur noch ein paar Kleinigkeiten in ihr. Claudia hat vorher schon fast alles per Boten ins Haus bringen lassen.
Zögerlich öffne ich die Wagentür. Äußerst zögerlich. Jede Faser meines Körper sträubt sich, das Grundstück erneut zu betreten. Doch dann höre ich wieder Doktor Buchholz’ sanfte Stimme und trete entschlossen hinaus in Kälte und Regen.
Der Fahrer wird, wie von mir befürchtet, noch einmal aktiv. „Da ist übrigens so ein geiler Schuppen in der Bremer Innenstadt, Frau Becker ...“ Das Lächeln ist breiter als je zuvor. „Er heißt ‘Schippilada’! Vielleicht können wir ja einmal in einer lauschigen ...“
„Nein, danke. blocke ich sofort ab. „Es ist für Männer besser, mich zu meiden. Vertrauen Sie mir. Ich weiß, wovon ich rede.“
Oh, Gott! Was habe ich da gerade gesagt? Sarkastischer kann man ja wohl kaum antworten.
Meine von Krähennestern bewachten Augen werden feucht.
„Das finde ich jetzt aber echt krass, schöne Frau ...“ Der aufdringliche Türke lässt nicht locker. „Mir ist gleich, was Sie vor zwei Jahren angestellt haben.“ Er fährt sich mit der Zunge über seine spröden Lippen. Will dadurch wohl besonders cool wirken. Ahnt nicht, dass es abstoßend wirkt. „Nee, eigentlich ist es mir nicht schnuppe, schöne Frau.“ fährt er fort. „Das Ganze reizt mich sogar. Ich hätte zu gern einmal ein Rendezvous mit einer Frau, die eine zwielichtige Wildkatze ist. So wie die ultrageile Sharon Stone damals in ... Äh, wie hieß der sexy Kinofilm doch gleich?“ Er grübelt. „Auf jeden Fall wusste man bei der scharfen Sharon ja auch nie so ganz genau, ob sie nun eine brutale Mörderin ist oder nicht.“
Ohrfeigen! Seine Worte sind wie schallende Ohrfeigen für mich!
Er lacht laut auf. „Sie werden mich schon nicht gleich umbringen, Frau Becker. Wenn Sie noch eine Gefahr wären, würden Sie doch bestimmt immer noch in einer Zwangsjacke stecken und für weitere Jahre im Irrenhaus schmoren.“
Mir wird schwindelig.
„Und eine Frau, die in meinem warmen Bett liegt, kommt eh auf ganz andere Gedanken als Mord und Totschlag!“ Wieder das widerwärtige Gelächter. „Sie müssen vor Verlangen doch schon fast platzen, so lange wie sie weggesperrt waren. Ich könnte wetten, dass Ihr strammer Körper vor Ihrer Haftstrafe bestenfalls eine Woche lang ohne einen geilen fi**k existieren konnte.“
‘Zwangsjacke’! ‘Irrenhaus’! ‘Haftstrafe’! Er hat doch tatsächlich ‘Zwangsjacke’, ‘Irrenhaus’ und ‘Haftstrafe’ gesagt! Das war keine Ohrfeige mehr. Nein, das war ein ganz brutaler Tritt in meine Nieren. Plötzlich spüre ich abermals die unbeschreiblichen Schmerzen meines ehemals gebrochenen Beckens. Ich bin überzeugt, unter den Phantomschmerzen werde ich bis zu meinem Tod zu leiden haben.
Zuerst die Intensivstation. Dann die normale Pflegestation. Es folgte, aus freien Stücken, ein privates Sanatorium. Und natürlich die Rehaklinik für meinen geschundenen Körper. Warum redet der Kerl also von ‘Zwangsjacke’, ‘Irrenhaus’ und ‘Haftstrafe’? Weiß er als Ausländer vielleicht nicht, was er gerade für verletzende Worte wählte? Oder glaubt etwa der Großteil der Einwohner in Lemwerder und Umgebung, dass ich ein weiblicher Psycho bin und man mich gegen meinen Willen weggesperrt hatte?
„In diesen speziellen Filmen besorgen es sich die ausgehungerten Weiber im Knast ja notgedrungen immer gegenseitig. Ist das auch in der Realität so, Frau Becker? Voll krass sich vorzustellen, wie eine nach Sex gierende Blondine wie Sie, wahrscheinlich auch noch mit starken Medikamenten vollgepumpt, sich ans Bett einer anderen ...“
„Halt dein elendes Schandmaul, Kanake!“ unterbreche ich zornig.
Schimpfworte benutze ich nur sehr selten. Rassistische wie ‘Kanake’ verurteile ich sogar auf Schärfste. Doch die Beleidigung ist mir ganz spontan über die Lippen gekommen. Ich habe sein Reden einfach nicht mehr ertragen können.
Ohne in irgendeiner Form auf meinen Gesprächspartner weiter einzugehen, öffne ich die Pforte meines kleinen Gartenzauns und betrete das Grundstück. Er flucht etwas. Taktisch klug auf türkisch. Die Art der Beleidigung scheint wohl klar unter der Gürtellinie zu sein.
Als ich hinter mir vernehme, dass das Taxi wegfährt, bin ich erleichtert, denn ich fühle mich viel zu schwach für einen verbalen Schlagabtausch. Wenige Augenblicke später wünsche ich mir jedoch, dass der Fahrer noch da wäre. Vielleicht hätte ich ihn doch bitten sollen mit mir reinzugehen. Nur um kurz nachzusehen, ob da nicht doch jemand ... etwas ist und auf meine Rückkehr wartet.
Mein Körper fängt abermals an zu zittern. Mir ist kalt. Sehr kalt. Dennoch kriege ich wieder einen Schweißausbruch.
Realistisch betrachtet muss ich mir keine Sorgen machen, denn auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin hat Claudia in jedem Zimmer ein Terrarium mit einer Tarantel aufstellen lassen. Die dicken Spinnen würden die Präsenz des Bösen als Erstes bemerken und panisch versuchen zu flüchten. Ich muss nur auf die Terrarien achten, um zu wissen, ob ich allein bin oder nicht.
„Arrghh ...“ stöhne ich. Die Phantomschmerzen in meinem Unterleib sind kaum mehr auszuhalten. Das Schwindelgefühl wird noch intensiver und ich lasse mich zur Sicherheit auf die bequeme Gartenbank direkt neben der Haustür fallen.
Natürlich spiele ich mit dem Gedanken die Tabletten aus meiner Reisetasche zu holen. Am besten gleich Schmerzmittel und Antidepressiva. Aber nein, ich habe mir geschworen, nicht den Rest meines Lebens an Tabletten zu hängen. Ich absolviere daher, wie in der Klinik gelernt, eine spezielle Atemübung, die Angst und Schmerz lindert.
Auf dem Grundstück meiner Nachbarn sehe ich am Küchenfenster den fünfzehnjährigen Marc stehen. Nein, Unsinn. Er ist nun ja bereits Siebzehn. Ich muss mich daran gewöhnen, dass die Zeit in den letzten zwei Jahren nicht stillgestanden hat.
Der charismatische Marc ist schon ein Kuriosum. Groß, blond, sportlich. Auffallend gutaussehend. Laut seiner redseligen Mutter in der Schule ein As und vielleicht der beste Jugendspieler, den der hiesige Fußballverein jemals besaß. Dennoch bekam der eigentlich aufgeweckte Junge immer einen roten Kopf, wenn er mich traf und geriet ins Stottern. Ich muss wohl seinen Hormonhaushalt gehörig durcheinandergebracht haben. Auf jeden Fall legte er mir gelegentlich nachts kleine Geschenke vor die Haustür. Pralinen und so. Obwohl ich mir noch nie etwas aus Süßigkeiten machte und sie Claudia schenkte, fand ich die Geschichte recht amüsant und freute mich stets.
Und jetzt? Wirke ich ungeschminkt, durch Krähennester entstellt und in diesem giftgrünen Albtraum von Regenmantel noch anziehend auf ihn? Hat er nicht vielleicht sogar Angst vor mir? Weil er glaubt, dass ich es war, die das Blutbad anrichtete?
Er lächelt mich an und winkt mir zu.
Erleichterung durchfährt mich. Gut so. Er vertraut mir und glaubt es ganz offensichtlich nicht.
Als ich gerade beginne mich darüber zu freuen, erscheint seine Mutter neben ihm am Fenster. In ihren Augen las ich von jeher Abneigung gegen mich. Denn ich besitze alles, was sie nicht hat. Geld, Erfolg und vor allem Schönheit. Doch heute lese ich keine Abneigung. Diesmal stehen ihr Angst und Verachtung ins Gesicht geschrieben.
Sie zerrt den Jungen vom Fenster weg.
Großer Gott! Ausgestoßen! Die Gesellschaft hat mich ausgestoßen!
Warum? Warum habe ich es nur nicht lassen können? Ich bin immer schon überzeugt gewesen, dass es gewisse Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, welche die moderne Wissenschaft nicht erklären kann. Aber warum war ich nur so versessen gewesen die Grenze zu übertreten? Was war es? Neugierde? Leichtsinn? Oder einfach nur Dummheit?
Wenn Sie einen guten Magen haben, dann hören Sie sich meine Geschichte an. Und dann machen Sie sich bitte selbst ein Bild davon, wie weit ich Schuld habe.
In Ordnung?
MICHI
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RE: SCHWARZER ADVENT
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RE: SCHWARZER ADVENT
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Datum:17.02.17 04:14 IP: gespeichert
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Wir haben Sonntag den 1. Advent.
Exakt sechsundzwanzig rote Kerzen erhellen wie gefordert den ansonsten stockdunklen Raum im 1. Stock. Die Heizung ist bis ganz nach oben aufgedreht. Die große Kommode mit dem stattlichen Spiegel habe ich hergerichtet wie einen Altar. Perlen. Gold. Edelsteine. Ein Becher mit Tierblut. Verfeinert mit ein paar Tropfen Menschenblut aus meiner Fingerkuppe. Doch der Höhepunkt befindet sich ganz in der Mitte. Die mysteriöse Elfenbeinfigur des Kelems. Einer der wenigen Dämonen, die angeblich das Verlangen besitzen, mit wissbegierigen Menschen in Kontakt zu treten. Um ihnen von den Freuden und Gelüsten zu erzählen, denen sich die bizarren Wesen hinter der ultimativen Grenze hingeben.
Laut dem geheimnisvollen Buch ohne Titel soll der Kontakt im Advent, kurz bevor die Christen die Geburt ihres Erlösers feiern, am Einfachsten sein. Der Suchende muss frisch gesäubert und nackt sein. Nackt und schön. Die Fleischeslust ist ihm wichtiger, als der Drang sich zu vermehren. Und die Seelen der Verlorenen müssen ganz in der Nähe ruhelos durch die endlosen Straßen der Toten in ewiger Dunkelheit wandern.
Splitternackt und frisch geduscht stehe ich vor dem Spiegel. Es gibt kaum einen Tag in meinem Leben, an welchen ich dank meiner Schönheit nicht die begierigen Blicke der Männer registriere. Spüre, wie sie mit ihren lüsternen Blicken auf meinem athletischen Körper kleben. Jenem Körper, in welchem sie ganz tief eindringen möchten.
Ich liebe die unberührte Natur, vergöttere die himmlische Musik Richard Wagners und habe eine Schwäche für roten Wein. Doch Sex mit meinem Traummann Ecki ist mir das Wichtigste. Es gibt nichts Wichtigeres für mich, als die Momente, in denen unsere wohlgeformten Körper wie Magnete aufeinander kleben und sich vereinen.
Mein Haus liegt gegenüber dem Friedhof. Vor drei Jahren verfiel der ehemalige Besitzer dem Wahnsinn und tötete seine Exfrau. Tötete? Nein, er hat sie mit seiner Axt regelrecht abgeschlachtet. Wenn ich LSD schlucke und in eine andere Welt tauche, sehe ich ihren Geist, wie er ruhelos im Haus umherwandert. Immer noch vom Schrecken der Bluttat gezeichnet.
Die Voraussetzungen sind somit alle erfüllt. Allerdings sagt das Buch, dass der Suchende, bevor er sich auf die Figur konzentriert, ‘Erkenntnis trinken soll’ und ich kann nur hoffen, dass die Kapsel LSD vor mir die gewünschte Erkenntnis bringen wird.
Ich setze mich auf dem Stuhl direkt vor dem Spiegel. Begierig nach Kontakt. Dürste seit Jahren danach, mit einem der Wesen, die hinter der Grenze leben, zu kommunizieren.
Wird es klappen? Wird der Dämon mit dem unaussprechlichen Namen, auf dem ‘Pergament der Versuchung’ kurz ‘der Kelem’ genannt, erscheinen?
Bizarr, denken Sie? Nun, seit meiner Jugend, spätestens seit meinen umfangreichen Erfahrungen mit LSD, glaube ich, dass es neben der vertrauten Realität auch noch eine andere Welt gibt. Eine Welt, jenseits unserer Vorstellungskraft, in welcher böse Mächte regieren.
Angst? Ich? Nein, ganz bestimmt nicht. Angst habe ich noch nie vor ihnen gehabt. Denn ich glaube nicht, dass das ‘ultimative Böse’ so böse ist, wie die Kirche uns seit zweitausend Jahren vorgaukelt. Wer will sich schon das Recht herausnehmen zu entscheiden, wer oder was gut und was böse ist. Außerdem ändern sich Werte und Normen im Laufe der Jahrhunderte. Ich will auf jeden Fall von diesen Mächten kosten. Auch wenn es nur für einen kurzen Moment ist. Ein kurzer Moment für die Ewigkeit.
Sie wundern sich über mich? Kein Problem. Ich weiß, ich bin anders als andere Menschen. Nun, ich will Ihnen gerne erzählen warum ich bin, wie ich eben bin ...
MICHI
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