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 Nishuraswolf
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Prolog: Es Liegt in der Luft
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Datum:17.07.25 21:00 IP: gespeichert
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Ich war bisher immer nur stiller Mitleser aber jetzt habe ich mir selber mal etwas ausgedacht. Die Namen sind geändert da es eine Mischung aus Realität und Fantasie ist.
Prolog – Es liegt in der Luft
Es war ein Morgen wie viele andere.
Der Wind stand still, die Sonne kroch langsam über die Dächer, und in den Küchen dampften die ersten Tassen Kaffee.
In den Fenstern spiegelte sich das Leben einer Nachbarschaft, die ruhig wirkte – fast gewöhnlich.
Und doch war etwas anders.
Nicht auf den ersten Blick.
Aber in kleinen Gesten. In der Art, wie jemand wartete, bevor er sprach.
In Blicken, die mehr bedeuteten als Worte.
⸻
Die Menschen hier waren offen.
Nicht provozierend – nur… ungezwungener.
Nähe wurde anders verhandelt. Entscheidungen oft gemeinsam getroffen – aber nicht immer gleichberechtigt.
Manche Paare lebten ohne klare Rollen.
Andere… hatten sich längst auf etwas eingelassen.
Auf Strukturen, die man nicht sah, wenn man nicht hinschaute.
⸻
In einem der Häuser, am Rand der kleinen Straße, hatten sich drei Paare in den letzten Jahren ein Zuhause gebaut.
Nicht aus Stein, sondern aus Alltag.
Aus Gesprächen am Frühstückstisch, aus gemeinsamem Schweigen, aus geteilten Blicken durch halb offene Türen.
Sie lebten nicht in einem System.
Aber manchmal wirkte es so, als gäbe es Regeln, die nur sie kannten.
Oder Rituale, die nie laut ausgesprochen, aber nie gebrochen wurden.
⸻
An diesem Morgen war alles still.
Die Sonne fiel auf den Boden wie eine Einladung.
Und in einem der Zimmer stand jemand barfuß vor dem Spiegel, hielt den Atem an –
und fragte sich,
ob heute der Tag war, an dem sich etwas verändern würde.
Vielleicht nur ein bisschen.
Vielleicht ein ganzes Stück.
Aber irgendetwas lag in der Luft.
👠 Laura (2
• Älteste Schwester von Jana und Jonas
• Verheiratet mit: Paul – seit 4 Jahren, insgesamt 11 Jahre Beziehung
• Wesen: mutig, verspielt, aufmerksam, mit einem ruhigen Führungsstil
• Sexualität: mag Nähe, Weichheit – aber auch Härte, wenn sie übernimmt oder übernommen wird, mag es auch Leder zu spüren. Entdeckt auch neue Vorlieben und Fetische
• Spannung: Hat das Gefühl, dass in Paul mehr schlummert, aber sie kennt nicht alles
• Führung: führt meist über Gesten und Alltag – aber scheut sich nicht
⸻
🎭 Paul (29)
• Ehemann von Laura – 11 Jahre Beziehung
• Frühere Beziehung: war kurzzeitig mit Jana liiert, bevor er Laura kennengelernt hat
• Wesen: sensibel, kontrollsüchtig, tief unterwürfig aber auch ab und zu dominant
• Geheimnisse:
• trägt manchmal BHs, Ballerinas, Bodys auch oft unter der Kleidung
• Trägt Ballettschläppchen oft unter den Socken
• tanzt heimlich Ballett
• hat einen Keuschheitskäfig von dem
Nur Laura weiß es, will ihn aber nicht so einschließen, meist macht er es selber.
• Fetische: Füße, Schuhe, Bondage, feminisierte Kontrolle, Keuschheit, Penetration, Kontrollbereich, Windeln
• Innere Spannung: sehnt sich nach vollständiger Übergabe – am liebsten an eine Frau, die alles sieht und spürt. Aber nicht bei jedem bei manchen wird er auch dominant.
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🧁 Jana (26)
• Mittlere Schwester, offen & verspielt
• Verheiratet mit: David – seit 2 Jahren, Beziehung seit 5 Jahren
• Frühere Verbindung: hatte eine kurze, Beziehung mit Paul vor Jahren
• Wesen: intelligent, experimentierfreudig, spontan, offen für Neues
• Sexualität: bisher nicht tief eingetaucht, aber spürt, dass sie mehr will, und lernt ihr Fetische kennen
• Besonderheit:
• weiß dass Paul ab und zu Damensachen und Schläppchen trägt
• spürt Macht, aber ist sich noch unsicher
• Führung: beginnt zu testen – mit Regeln, Blicken, kleinen Ritualen, testet die anderen aus
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📘 David (27)
• Ehemann von Jana
• Beziehung: seit 5 Jahren, verheiratet seit 2
• Wesen: zuverlässig, ruhig, sehr ordnungsliebend
• Sexualität: wenig erforscht – aber klare Affinität zu Ritualen, Struktur, festen Grenzen
• Spannung: könnte empfänglich sein für Führung oder auch Kontrolle über andere
• Führung: lässt sich von Jana leicht lenken – manchmal mit einem fast zu perfekten Gehorsam
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🔥 Selina (24)
• Freundin von Jonas – 5 Jahre Beziehung
• Wesen: sportlich, modisch, feminin, selbstbewusst, leicht nymphomanisch
• Sexualität: leidenschaftlich, mit geheimem Spieltrieb – mag Kleidung, Kontrolle, Wirkung, entdeckt auch neue Fetische
• Besonderheit:
• liebt es, unterschätzt zu werden
• kennt die Wirkung ihrer Füße, Schuhe, Outfits – und spielt damit
Sie weiß dass Paul ab und an Schläppchen unter den Socken trägt und dass er besonders ist
• Führung: Spielt mit Charme, Anspielung und gelegentlicher Konsequenz – teils noch verdeckt, lässt aber auch Führung zu.
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🎲 Jonas (24)
• Jüngster Bruder von Laura und Jana
• Beziehung: mit Selina, 5 Jahre
• Wesen: beobachtend, neugierig, noch nicht gefestigt
• Sexualität: entwickelt sich – reagiert auf Führung, zeigt aber (noch) keinen klaren Schwerpunkt
• Spannung: fühlt sich wohl in Selinas Nähe, merkt aber, dass sie ihn langsam formt
• Führung: nimmt Selinas Einfluss hin – schwankt zwischen Vertrauen und zaghafter Gegenwehr
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🐴 Michelle (31) – Nachbarin
• lebt allein, eigenes Pferd, Stall am Haus
• Wesen: selbstständig, körperlich stark, tätowiert – wirkt unnahbar, aber faszinierend
• Lebensstil: frei, bewusst anders, genießt klare Machtstrukturen – auch sexuell
• Spannung: kennt Jana und Laura aus Jugendtagen. Selina kommt ab und zu zum Reiten und Laura auch.
• Interesse: beobachtet die Konstellationen sehr genau… vielleicht zu genau
Sie hat im Stall eine große Sattelkammer und einen Laden, verkauft auch Sättel und Zubehör für Reiter und Pferde.
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🕵️ Der unbekannte Nachbar
• kaum Kontakt
• wohnt schräg gegenüber
• Bisherige Infos:
• sieht oft von seinem Balkon aus zu
• trägt meist dunkle Kleidung
• niemand weiß genau, was er beruflich macht
• Spannung: Es heißt, er habe schon einmal bei Michelle übernachtet.
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 Nishuraswolf
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RE: Kapitel 1 Es Liegt in der Luft
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Datum:17.07.25 21:47 IP: gespeichert
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Laura
(Zwischen Alltag und Ahnung.)
Es war ein Samstagmorgen, wie man ihn sich oft wünscht – aber selten bekommt.
Kein Wecker. Kein Geräusch von draußen.
Nur das gleichmäßige Atmen eines Menschen, der noch schläft, und das feine Knistern der Morgensonne, die durch den dünnen Vorhang fiel, als hätte sie sich mit Bedacht genau diesen Moment ausgesucht.
Laura war wach, ohne zu wissen, wann es begonnen hatte.
Vielleicht war es nicht das Licht. Vielleicht war es dieses leise, kaum greifbare Gefühl von… Erwartung.
Sie lag auf der Seite, den Kopf auf den Arm gestützt, und sah zu Paul hinüber.
Er schlief auf dem Rücken, einen Arm leicht angewinkelt, die Finger nicht ganz geschlossen, als hielten sie einen Gedanken, der ihm im Schlaf entglitten war.
Sein Oberkörper war frei. Die Decke lag auf Höhe der Hüfte – darunter ließ sich erahnen, dass er, wie oft in letzter Zeit, nichts weiter trug.
Laura kannte dieses Bild.
Und doch wirkte es heute anders.
Nicht, weil sich Paul verändert hätte.
Sondern weil sich in ihr etwas verschoben hatte.
Vielleicht war es der gestrige Abend.
Oder das kleine Detail, das sie tags zuvor in der Wäsche gefunden hatte: ein zarter Body, hellgrau, mit eingearbeitetem Brustpolster, der nicht von ihr war – den sie aber trotzdem gewaschen, gefaltet und kommentarlos in eine leere Schublade gelegt hatte.
Nicht als Vorwurf.
Sondern als Einladung.
⸻
Sie richtete sich auf. Ihre nackten Füße berührten den Holzfußboden, kühl vom nächtlichen Schatten. Sie stand langsam auf, streckte sich leise, bedachte Paul mit einem letzten Blick – und verließ das Schlafzimmer.
Im Flur war es still. Unten hörte man noch nichts, kein Schritt, kein Klappern.
Und doch hatte der Morgen eine Spannung, als sei etwas unterwegs, das nur darauf wartete, entdeckt zu werden.
Im Bad drehte sie kein Licht auf.
Sie mochte die halbe Dunkelheit, das matte Spiegelbild, das sie nicht festlegte.
Laura zog ihr Schlafshirt über den Kopf und ließ es zu Boden gleiten.
Dann öffnete sie die Schublade.
Die Unterwäsche lag ordentlich sortiert. Baumwollslips für den Alltag, ein paar Spitzenstücke, die sie selten trug.
Sie zögerte nur kurz.
Dann griff sie nach dem schwarzen Set.
Kein Drama – schlicht, aber weich, anschmiegsam. Der BH hatte zarte Lederträger, kaum sichtbar unter der Kleidung, aber spürbar auf der Haut. Sie trug ihn selten. Meist nur, wenn sie sich… bewusst spüren wollte.
Sie streifte ihn über, hakte ihn hinten zu.
Der Sitz war fest, fast wie eine kleine Umarmung.
Darüber ein leichtes Tanktop in dunklem Blau.
Dazu eine weite, graue Leinenhose, barfuß.
Sie musterte sich im Spiegel.
Nicht wegen des Aussehens.
Sondern wegen des Gefühls.
Es war nicht sexy. Nicht im klassischen Sinn.
Aber es war… wach.
⸻
In der Küche war es noch dämmrig.
Der Wasserkocher brauchte ewig, bis er summte.
Laura lehnte sich an die Küchenzeile, den Kaffee in der Hand, und ließ den Blick durch das Fenster wandern.
Der Garten war still.
Die Terrasse leer.
Aber auf dem Tisch draußen lag noch die Teetasse von gestern Abend.
Mit einem leichten Lippenabdruck. Ihrem.
Sie hatte absichtlich stehen lassen, was sonst nicht ihre Art war.
Vielleicht wollte sie gesehen werden. Oder vielleicht wollte sie, dass jemand etwas spürt.
Die letzten Wochen waren ruhig gewesen. Zu ruhig.
Paul hatte sich verändert.
Nicht laut. Nicht plötzlich.
Aber er war später ins Bett gekommen. Hatte mehr Zeit im Keller verbracht, unter dem Vorwand, etwas zu „bauen“ – was vermutlich sogar stimmte.
Er hatte häufiger Wäsche gemacht – aber nicht immer ihre.
Und als sie letzte Woche die Socken sortierte, war da ein Paar, das ihr fremd war: weich, fast schon wie eine zweite Haut. Und viel zu klein für sie.
Sie hatte sie nicht weggeräumt.
Sondern auf den Spiegel im Schlafzimmer gelegt.
Er hatte nichts gesagt.
Doch zwei Tage später waren sie verschwunden.
Genau wie der graue Body.
Und das Paar Schläppchen, das sie aus Versehen in den Flurschrank gelegt hatte – eins davon war mit einem Haar von ihr gefüllt.
⸻
Laura nahm einen weiteren Schluck Kaffee.
Langsam, nachdenklich.
Dann trat sie zur Garderobe.
Die unterste Klappe des Schuhschranks klemmte wie immer leicht. Aber sie wusste, wie man sie öffnete – mit einem kleinen Ruck nach rechts, dann oben leicht drücken.
Sie tat es fast mechanisch.
Doch heute lag mehr darin.
Sie griff nach ihren alten Ballerinas. Schwarzes Leder, weiche Innensohle. Leicht abgewetzt, aber noch in Form. Die Art Schuhe, die man nicht mehr trägt – aber nicht wegwerfen kann. Weil sie… Geschichte haben.
Sie stellte sie ordentlich nebeneinander hinein.
Nicht lieblos.
Sondern so, als wolle sie jemandem zeigen: Ich weiß, dass du hier bist.
Dann schloss sie die Klappe wieder. Sanft diesmal.
Sie trat zurück, betrachtete die Garderobe wie ein Bühnenbild.
Und spürte plötzlich ein leises Kribbeln.
Wie ein Anfang.
Wie ein Spiel, dessen Regeln sie nicht vollständig kannte, aber trotzdem schon mitspielte.
Vielleicht wusste Paul es nicht.
Oder doch.
Vielleicht war er längst auf dem Weg, sich zu zeigen.
Und sie musste ihm nur die Räume geben, in denen das möglich war.
⸻
Ein Geräusch.
Oben. Schritte. Leicht. Nicht zielgerichtet.
Paul war wach.
Laura lächelte.
Nicht laut. Nicht triumphierend.
Sondern still.
Sie trat zurück in die Küche, stellte sich an den Tresen, nahm noch einen Schluck Kaffee.
Und murmelte leise, fast in sich hinein:
„Wenn du bereit bist… ich warte.“
Dann hörte sie, wie Paul auf der obersten Stufe innehielt.
Wie ein Atem kurz aussetzte.
Und sie wusste:
Der Tag hatte begonnen.
Aber nicht wie jeder.
———
Selina
(Schritte durch ein Haus, in dem nichts zufällig geschieht.)
Es war später Vormittag, als Selina die Augen öffnete.
Die Sonne war längst aufgegangen, aber das Schlafzimmer lag noch im Halbschatten – die schweren Vorhänge bewegten sich kaum, nur ein schmaler Streifen Licht wanderte über das zerwühlte Bettlaken.
Jonas war nicht da.
Sein Platz war leer und kalt.
Selina drehte sich auf den Rücken, streckte sich langsam. Ihr Körper war träge, aber wach. Diese Müdigkeit, die nur dann blieb, wenn der Tag keine Pflichten forderte. Oder wenn die Nacht mehr gegeben hatte, als sie sollte.
Sie wusste nicht, wie spät es war.
Sie wollte es auch nicht wissen.
Die Decke rutschte ein Stück nach unten, ihre Brüste lagen frei. Ihre Haut war warm, ein feiner Schweißfilm auf der Innenseite ihrer Oberschenkel.
Es war gut gewesen gestern.
Nicht besonders – aber vertraut.
Jonas war oft vorsichtig.
Aber in letzter Zeit… offener.
Wenn sie es wollte.
Manchmal hatte sie das Gefühl, er wartete auf einen Befehl. Oder eine Idee, die nicht seine war.
Und manchmal – gab sie ihm genau das.
⸻
Sie stand auf, ließ das Laken einfach fallen.
Ging nackt durch das Zimmer, trat vor den Spiegel.
Sie sah sich an, wie sie es jeden Morgen tat.
Nicht eitel.
Eher… analytisch.
Die Konturen ihrer Taille. Der Schwung ihrer Hüfte. Ihre Füße, leicht geschwollen von der Hitze der Nacht.
Sie liebte ihre Füße.
Nicht nur, weil sie hübsch waren.
Sondern weil andere darauf reagierten. Besonders Männer, die dachten, dass niemand etwas merkte.
Paul zum Beispiel.
⸻
Es war beim letzten Gartenabend gewesen.
Nichts Besonderes – nur sie alle draußen, die langen Gläser auf dem Tisch, Kerzen zwischen den Tellern, das flache Licht eines sommerwarmen Abends.
Sie hatte barfuß gesessen.
Zuerst, weil ihre Pumps drückten. Dann, weil sie spürte, wie sich die Spannung veränderte, sobald sie den Fuß ein wenig ausstreckte.
Paul saß gegenüber.
Ganz ruhig. Kaum eine Regung. Aber seine Finger bewegten sich leicht. Unbewusst.
Dann hatte sie es getan:
Den rechten Fuß unter dem Tisch langsam in seine Richtung geschoben. Nur ein bisschen. Nicht berührt – noch nicht. Nur spürbar nah.
Und er hatte geschluckt.
Nur einmal.
Aber sie hatte es gesehen.
Und als ihre Zehenspitzen dann ganz leicht gegen seinen Knöchel stießen, hatte er sich nicht wegbewegt.
Er hatte nichts gesagt.
Nicht gelächelt.
Aber später, als sie durch den Flur ging, war sie sich sicher:
Sein Blick hatte ihre Füße verfolgt.
Nicht ihren Po.
Nicht ihre Hüfte.
Nur die Füße.
⸻
Sie schlüpfte in einen Slip – nichts Besonderes, aber mit schmalem Steg, hinten fast nur ein Streifen.
Dann zog sie sich ein kurzes, weiches Kleid über, das knapp über dem Oberschenkel endete.
Drunter trug sie nichts weiter. Kein BH. Keine Socken.
Nur ihre Haut.
Sie mochte das Gefühl.
Nicht nur für sich.
Sondern für die Möglichkeit, dass jemand es bemerkte.
Dass ein Blick zu lange verweilte. Dass jemand sich fragte, was sie trug – oder nicht trug.
Sie trat in den Flur.
Das Haus war still.
⸻
In der Küche hörte sie leises Klappern.
Laura.
Natürlich war sie schon wach. Selina konnte sie sich nicht anders vorstellen – immer ein wenig zu früh, ein wenig zu vorbereitet.
Sie bog um die Ecke.
„Morgen“, sagte sie, die Stimme noch rau vom Schlaf.
Laura drehte sich halb um.
Ein Lächeln, das gleichzeitig offen und abwesend war.
„Du bist spät dran“, meinte sie.
Nicht als Vorwurf. Mehr als Feststellung.
Selina zuckte mit den Schultern.
„Nachtschicht gestern. Hab mir Zeit genommen.“
Sie goss sich ein Glas Wasser ein, lehnte sich dann gegen die Kücheninsel – nur ein paar Meter von Laura entfernt.
Lauras Blick wanderte kurz an ihr hinunter. Nicht lang.
Aber lang genug.
Und Selina sah es.
⸻
Ein paar Sekunden Stille.
Dann sagte Laura beiläufig:
„Die Jungs sind alle oben. Ich glaub, Paul ist grad im Bad. Jonas ist schon weg. David schläft vielleicht noch.“
Selina nickte.
„Und du?“
Laura zog eine Braue hoch.
„Ich? Ich warte einfach mal, was der Tag bringt.“
Ein Satz.
Aber Selina spürte, dass mehr darin lag.
Sie sah auf Lauras Füße.
Barfuß.
Wie immer.
Aber heute: schwarz lackierte Zehennägel.
Sie war sich sicher, die waren gestern noch nicht da gewesen.
⸻
Als sie sich ein Stück bückte, um ihren Glasrand mit dem Tuch zu wischen, blitzte für einen Moment der Saum des Kleides höher.
Ein halber Blick auf ihre Pobacke – ungewollt gewollt.
Laura sagte nichts.
Aber der Blick blieb eine Spur länger als nötig.
Dann trat sie zur Garderobe.
Selina hörte, wie sie die unterste Klappe des Schuhschranks öffnete.
Das bekannte Knacken.
Ein leises Einatmen.
Dann wieder Ruhe.
Als Laura zurückkam, war nichts zu sehen – aber die Art, wie sie ging, hatte sich verändert. Etwas entschlossener.
Oder sinnlicher.
Selina warf einen Blick zur Garderobe, als Laura die Küche verließ.
Sie trat näher.
Tat, als suche sie etwas.
Beugte sich hinunter.
Öffnete leise die Klappe.
Da standen sie:
Schwarze, weiche Ballerinas.
Lauras alte.
Perfekt nebeneinander.
Wie für jemanden bereitgelegt.
Selina lächelte.
Langsam.
Und sehr still.
Dann flüsterte sie:
„Na, wer von euch beiden traut sich zuerst?“
Und schloss die Klappe wieder.
———
Paul
(Ein Käfig, den er selbst gewählt hat.)
Paul stand vor dem Spiegel im Bad.
Er war nackt.
Die Dusche hatte ihn aufgeweckt, aber nicht gelöst.
Sein Körper dampfte noch leicht, das Handtuch lag über der Schulter, aber er trocknete sich nicht ab.
Er betrachtete sich.
Nicht aus Eitelkeit – sondern mit einem Blick, der suchte.
Etwas in ihm wollte sich erkennen.
Oder sich vergewissern, dass es noch da war.
Sein Blick wanderte nach unten.
Der Käfig schimmerte leicht vom Wasser.
Er war aus Metall, schlicht, aber perfekt angepasst. Kein Spielraum. Kein Entkommen.
Er trug ihn freiwillig.
Zumindest… offiziell.
Und trotzdem fühlte es sich manchmal an, als hätte ihn längst jemand anders verschlossen.
Nicht Laura.
Nicht direkt.
Sie wusste davon. Sie sah es manchmal – besonders, wenn sie ihn nachdenklich musterte, wenn ihre Hand morgens über die Decke glitt und dann innehielt, genau dort.
Aber sie hatte nie gefragt. Nie verlangt, dass er ihn trug.
Und gerade das… machte es so viel stärker.
⸻
Er atmete durch, legte das Handtuch beiseite und zog die Schublade unter dem Waschbecken auf.
Darin: Rasierer, Zahnbürste, ein kleiner Spiegel – und hinten, fast verborgen, der dünne Slip mit der Einlage.
Er nahm ihn heraus.
Hielt ihn in den Händen wie ein Bekenntnis, das keiner hören sollte.
Dann zog er ihn langsam hoch.
Die Einlage saß eng, drückte ihn leicht nach oben – gegen das Metall.
Nicht schmerzhaft. Aber spürbar.
Spürbar weiblich.
Darüber streifte er die weiche, blickdichte Strumpfhose.
Sie war nicht neu.
Aber sie gehörte zu seinem morgendlichen Ritual.
Seit einigen Wochen.
Laura hatte nichts dazu gesagt.
Nicht, als sie sie in der Wäsche fand.
Nicht, als sie einmal morgens ganz leicht mit dem Daumen über seinen Oberschenkel strich, durch die Hose hindurch, und spürte, was er darunter trug.
Sie hatte ihn nur angeschaut.
Und dann: nichts gesagt.
Aber ihre Lippen hatten sich einen Hauch geöffnet.
Nur für einen Moment.
⸻
Er stand noch immer vor dem Spiegel.
Sein Körper war nun bedeckt – fast.
Käfig, Slip, Strumpfhose.
Darüber kam die Alltagsverkleidung: Unterhemd, T-Shirt, Jeans.
Von außen: ganz normal.
Von innen: ein Raum, den nur er kannte.
Und vielleicht sie.
Er griff nach seinen Socken.
Und zögerte.
Dann öffnete er die kleine Holzkiste unter dem Waschbecken.
Seine „geheime“ – nicht wirklich versteckt, aber doch immer mit einem inneren Zögern geöffnet.
Darin lagen:
– ein paar Ballettschläppchen
– ein Body
– ein feines Halsband aus Stoff
– ein Paar weiche Kniestrümpfe mit Spitzenrand
– und eine einzelne Nachricht, auf ein kleines, zerfaltetes Papier geschrieben:
„Wenn du es wirklich willst – dann trag es nicht für dich.“
Er wusste nicht mehr, wann er den Satz geschrieben hatte.
Oder ob es jemand anders war.
Vielleicht ein anderer Teil von ihm.
⸻
Er nahm die Schläppchen heraus.
Weich. Schwarz.
Ein wenig riechend nach sich selbst.
Er setzte sich auf den Badewannenrand, schob den linken Fuß hinein. Dann den rechten.
Die Strumpfhose glitt ein wenig mit, aber er schob sie zurück.
Dann stand er auf.
Das Gefühl, so zu stehen – allein, leise, gefangen und zugleich frei – ließ ihn kurz die Augen schließen.
Ein Zittern ging durch seinen Rücken.
Er stellte sich vor, wie sie es sehen würde.
Selina.
Er wusste, dass sie es bemerkt hatte.
Dieser Blick. Beim letzten Gartenabend.
Wie ihre Zehen seinen Fuß berührten. Wie sie sich nicht entschuldigte, nicht lachte, nicht erschrak.
Nur wartete.
Und wie ihre Fußspitze dann wiederkam.
Etwas fordernder.
Wie eine Einladung.
Oder ein Befehl.
Er war danach lange im Keller gewesen.
Hatte die Schläppchen nicht ausgezogen.
Hatte sich auf den Stuhl gesetzt, den sie alle bisher nur angeschaut hatten.
Ohne Lehne.
Unter dem Haken in der Decke.
Und er hatte sich gefragt, was wäre, wenn jemand einfach käme…
und das Seil herunterließe.
⸻
Er zog eine Jogginghose über – weit genug, dass niemand etwas sah.
Aber eng genug, dass er es spürte.
Dann trat er hinaus auf den Flur.
Die Tür zum Schlafzimmer stand offen.
Laura war nicht dort.
Die Sonne fiel schräg durchs Fenster.
Er ging langsam die Treppe hinunter.
Und in seinem Kopf drehte sich nur ein Satz, den Laura einmal gesagt hatte. Fast beiläufig. Damals, als er ihr zum ersten Mal von der Keuschheit erzählt hatte.
„Du kannst dich einschließen, wenn du willst.
Ich schau nur, ob du dich wirklich zeigst.“
Er dachte, er hätte verstanden, was sie meinte.
Aber heute… war er sich nicht mehr sicher.
Unten roch es nach Kaffee.
Und nach etwas anderem.
Etwas Erwartungsvollem.
⸻
Als er die letzte Stufe erreichte, sah er Laura nicht.
Aber Selina trat gerade aus der Küche.
Barfuß.
Ein Kleid. Kurz. Ohne BH.
Er sah es sofort – ihre Bewegungen verrieten es.
Sie sah ihn an.
Nicht überrascht.
Nicht verlegen.
Nur wach.
Prüfend.
Fast… wissend.
Dann streifte ihr Blick über seine Beine – kurz, schnell, aber deutlich.
Und ihr Mundwinkel hob sich. Kaum sichtbar.
„Morgen, Paul“, sagte sie.
Und er antwortete nicht sofort.
Weil seine Zunge trocken war.
Weil sein Käfig spannte.
Weil seine Schläppchen warm wurden.
Und weil er in diesem Moment wusste:
Es lag etwas in der Luft.
Und es roch nach Leder, Fußsohlen – und nach Entscheidung.
———
Jana
(Zwischen Blicken, Spuren und einem leisen “Vielleicht”.)
Jana saß auf dem Bett und ließ die Bürste langsam durch ihr Haar gleiten.
Die Sonne war inzwischen voll aufgegangen, aber sie hatte die Vorhänge nur halb geöffnet. Der Raum war hell genug – weich, aber nicht grell.
So mochte sie es am liebsten.
David schlief noch.
Sein Atem war ruhig, gleichmäßig.
Er hatte gestern wieder Spätschicht gehabt und war spät ins Bett gekommen, wie so oft.
Jana mochte diese Phasen. Nicht, weil er nicht da war – sondern weil sie dann mehr Zeit für sich hatte. Zeit, um nachzudenken. Um zu spüren.
Und um zu testen.
Heute Morgen war da dieses Gefühl gewesen.
Schon beim Aufwachen.
Ein Kribbeln.
Als hätte etwas angefangen, ohne dass sie davon erfahren hätte.
Oder als wäre sie eingeladen worden – ohne, dass jemand es ausgesprochen hatte.
⸻
Sie stellte die Bürste ab, stand auf.
Trug noch den weichen, engen Schlafanzug – ein simples Set in Altrosa, fast körpernah. Sie mochte das Gefühl von Stoff auf Haut, besonders am Morgen.
Sie ging barfuß durch das Zimmer, streckte sich einmal.
Dann trat sie ans Fenster.
Der Blick ging in den Garten.
Sie sah Bewegung unten – kurz nur. Ein Schatten, vielleicht Selina. Vielleicht Paul.
Ihre Finger spielten unbewusst mit der Kette um ihren Hals.
Ein kleines Medaillon hing daran, leer. Noch.
Manchmal wünschte sie sich, jemand würde einfach entscheiden, was hineingehörte.
Ein Foto. Ein Wort.
Ein Symbol.
Aber sie war nicht der Typ für romantische Ketten.
Sondern für Zeichen, die Gewicht hatten.
⸻
Sie trat zum kleinen Schrank links vom Bett.
Darin lag ihre Sammlung:
– eine Schatulle mit Dingen, die niemand sonst kannte
– ein Seidenband
– ein kleiner Block mit handgeschriebenen Regeln, die sie nie jemandem gezeigt hatte
– und ein paar ausgeschnittene Wörter aus Magazinen. Sie sammelte sie. Ohne Plan. Nur Wörter, die etwas bei ihr auslösten: Gehorchen, Spüren, Verboten, Entblößt, Warten.
Heute legte sie einen neuen Zettel dazu.
Sie hatte ihn gestern gefunden.
Darauf stand nur ein einziges Wort:
„Wenn.“
⸻
Jana war schon immer gut darin gewesen, Dinge zu spüren, bevor sie passierten.
Nicht übernatürlich. Eher… feinsinnig.
Sie hörte zu, wenn niemand sprach.
Sah Blicke, die jemand zu verbergen glaubte.
Wie bei Paul.
⸻
Es war Wochen her, da hatte sie ihn zufällig im Flur gesehen.
Er trug normale Kleidung. Jeans, Shirt.
Aber als er sich bückte, blitzte etwas auf.
Ein Rand.
Dunkel, elastisch.
Kein Männerunterhemd.
Sie hatte nichts gesagt.
Aber ihr Blick war geblieben.
Später, als sie sich allein in der Garderobe die Schuhe auszog, war sie auf eine seiner Socken getreten.
Weich. Dünn.
Fast wie Tanzstoff.
Und da wusste sie:
Er trug Dinge.
Nicht ständig. Aber oft genug.
Und was noch wichtiger war:
Er wollte, dass jemand es sah.
Vielleicht nicht jeder.
Aber vielleicht sie.
⸻
Heute war sie sich sicherer.
Die Luft war anders.
Laura war früh aufgestanden.
Selina auch.
Und sie spürte, dass etwas sich verschob.
Nicht schnell.
Aber deutlich.
Wie ein Spiel, das begonnen hatte – mit Blicken statt Karten.
⸻
Sie trat ins Bad.
Wusch sich das Gesicht.
Dann öffnete sie die kleine Schublade unter dem Spiegel.
Darin lag ihr Lippenstift.
Sie benutzte ihn selten.
Aber heute – heute glitt er wie von selbst über ihre Lippen. Nur ganz leicht. Kaum sichtbar. Aber spürbar.
Dann griff sie zum kleinen Notizblock.
Blätterte durch die alten Seiten.
Auf einer Seite stand ein Satz, den sie vor Wochen geschrieben hatte – ohne zu wissen, warum:
„Wenn du mir gehörst, dann beginne damit, nicht mehr zu fragen.“
Sie lächelte.
Schloss den Block.
Und steckte ihn ein.
⸻
Im Flur war es still.
Sie schlich barfuß die Treppe hinunter.
Lautlos fast.
Sie mochte es, sich leise zu bewegen. Es gab ihr ein Gefühl von Kontrolle.
Unten hörte sie Stimmen.
Laura. Selina.
Dann – ganz kurz – Paul.
Er klang… angespannt.
Nicht äußerlich. Aber innen.
Jana kannte das.
Wenn jemand bemüht war, normal zu wirken, obwohl der Körper längst zu viel wusste.
Sie trat nicht gleich in die Küche.
Sondern zur Garderobe.
Öffnete die mittlere Klappe.
Sah hinein.
Dann schob sie ganz leicht die unterste Klappe auf.
Nur einen Spalt.
Und da standen sie:
Ballerinas.
Schwarz.
Weich.
Eingerahmt von Stille.
Sie berührte sie nicht.
Aber sie spürte etwas, als sie den Blick senkte.
Etwas war in Gang.
Etwas, das sie vielleicht nicht begonnen hatte.
Aber etwas, das sie verstehen – oder führen konnte.
⸻
Sie trat zur Küchentür, blieb stehen.
Hörte zu.
Ein Lachen von Selina.
Ein Satz von Laura, zu leise, um ihn zu verstehen.
Und dann Paul – der nichts sagte.
Jana lehnte sich an den Türrahmen.
Und dachte nur:
Vielleicht ist das Spiel nicht neu. Vielleicht bin ich nur gerade aufgewacht.
———
Jonas
(In der Mitte, ohne Richtung – und doch mittendrin.)
Jonas saß auf den Treppenstufen, die vom Keller zurück ins Erdgeschoss führten.
Nicht ganz oben. Nicht ganz unten.
Wie so oft.
Die Werkstatt war leer.
Paul war früher da gewesen, wie meistens. Und wieder gegangen, wie immer – still, mit leichtem Druck in den Bewegungen, als hätte er Dinge bei sich, die man nicht sehen durfte.
Jonas hatte es bemerkt.
Nicht direkt.
Aber in den kleinen Resten, die Paul oft hinterließ.
Heute war es ein Geruch.
Nicht Schweiß, nicht Metall.
Sondern… weich.
Fast süß.
Ein Geruch wie warmer Stoff, der Haut berührt hatte.
Wie… Einlage.
Jonas wusste nicht, warum er das Wort kannte.
Oder warum es ihn traf wie ein Flüstern, das nicht für ihn bestimmt war.
Er mochte die Werkstatt.
Sie war unordentlich auf eine funktionale Art – voll mit Ideen, Holz, Metallteilen, Kabeln, Halbfertigem.
Und Dingen, die manchmal zu viel Bedeutung hatten für das, was sie sein sollten.
Wie der Holzrahmen mit Ösen.
Oder die kleine Box mit der Aufschrift „Verwandlung 1.0“.
Er hatte nie gefragt.
Aber er hatte gesehen, wie Paul sie einmal geöffnet hatte – ganz vorsichtig, wie ein Ritual.
Und dann sofort wieder geschlossen, als er merkte, dass Jonas da war.
⸻
Jonas fuhr sich durch die Haare, stand auf, ging langsam nach oben.
Im Flur war es leer.
Die Küche war nicht zu hören.
Vielleicht waren sie draußen. Oder alle in Bewegung.
Er ging weiter ins Wohnzimmer, ließ sich auf das große Sofa sinken.
Der Raum war vertraut.
Aber irgendetwas… war anders.
Vielleicht war es die Stille.
Vielleicht auch das Gefühl, dass hier mehr gesprochen worden war, als er gehört hatte.
Er sah zur Terrasse hinaus.
Die Bank. Die Gläser.
Er erinnerte sich an den Abend vor einer Woche.
Selina barfuß.
Paul gegenüber.
Und dieser Moment, als sie den Fuß ein Stück vorschob – unter dem Tisch.
Jonas hatte es gesehen.
Nicht genau.
Aber genug.
Und Paul hatte… reagiert.
Nicht mit Worten.
Nicht mit Bewegung.
Sondern mit dieser Spannung, die man spürt, wenn jemand sich zurückhält – um nicht zu verraten, wie sehr er getroffen wurde.
Jonas war unsicher, was er damit anfangen sollte.
Es war nicht Eifersucht.
Nicht direkt.
Aber irgendetwas hatte sich verschoben.
In Selina.
Und vielleicht auch in ihm.
⸻
Er war nicht naiv.
Er wusste, dass Selina Dinge mochte, die über das Normale hinausgingen.
Sie hatte ihn manchmal provoziert – mit Blicken, mit kleinen Befehlen.
„Mach das noch mal.“
„Langsamer.“
„Nein, so war das nicht.“
Er hatte sich daran gewöhnt.
Sich sogar daran gewöhnt, es zu mögen.
Aber es gab auch Momente, in denen er nicht wusste, ob sie ihn prüfte – oder ob sie ihn bereits formte.
Und manchmal… wollte er es einfach nur wissen.
Was sie mit ihm vorhatte.
Was sie mit anderen vorhatte.
⸻
Er hörte Schritte.
Oben. Dann unten.
Dann ein Lachen.
Selina.
Und Paul.
Beide in der Küche?
Er stand auf.
Tat, als müsse er nur sein Glas holen.
Doch als er in den Flur trat, blieb er stehen.
Denn dort, an der Garderobe, stand Selina – allein.
Die unterste Klappe war offen.
Sie hatte einen ihrer Füße hineingestellt.
Und schob ihn langsam wieder heraus.
Dann sah sie Jonas.
Ihre Miene veränderte sich nicht.
„Na, verschlafen?“ fragte sie.
Er nickte nur.
Sie trat näher, blieb vor ihm stehen.
Ihre Zehen fast auf seinen.
Er roch ihre Haut.
Und dann sagte sie leise:
„Du solltest öfter früher aufstehen. Sonst verpasst du, wie manche Dinge… beginnen.“
Dann war sie weg.
Wie eine Spur, die man zu spät gesehen hat.
Und Jonas stand da.
Unsicher.
Und sehr wach.
———
David
(Ordnung, Stille – und ein leises Ziehen, das nicht mehr weggeht.)
David wachte auf, wie er immer aufwachte: kontrolliert.
Nicht plötzlich, nicht träge.
Sondern mit einem inneren Signal, das ihm sagte, dass es Zeit war.
Er öffnete die Augen, lauschte einen Moment.
Im Haus war Bewegung. Aber nicht laut.
Er wusste, dass Jana schon wach war.
Ihr Platz im Bett war leer, das Laken kühl.
Er roch sie noch.
Und es machte ihn ruhig.
Er mochte es, wenn sie zuerst wach war.
Wenn sie Dinge tat, ohne ihn zu wecken.
Wenn sie Entscheidungen traf, ohne ihn zu fragen.
Er sagte es ihr nie.
Aber manchmal… hoffte er, dass sie es wusste.
⸻
Er stand auf, ging ins Bad.
Alles war ordentlich.
Sein Rasierer an genau dem Platz, wo er hingehörte.
Das Licht war sanft, aber klar.
Er rasierte sich wie immer – mit festen, gleichmäßigen Zügen.
Dann duschte er.
Nicht zu heiß. Nicht zu lange.
Die Fliesen waren glatt unter seinen Füßen, der Wasserdampf legte sich wie eine feine Decke auf seinen Rücken.
Er dachte an Jana.
An ihre ruhige Art.
Ihre Spontaneität, die ihn manchmal aus der Spur brachte – aber nie zu weit.
An den kleinen Block, den er einmal gesehen hatte, als er im Schlafzimmer etwas suchte.
Seiten voller Wörter.
Kein Tagebuch.
Eher… Regeln.
Oder Gedanken über Regeln.
Er hatte nicht gefragt.
Aber seither wusste er:
Etwas in ihr plante.
Und vielleicht war er Teil davon.
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Er zog sich an.
Dunkle Hose, graues Shirt.
Schlicht.
Wie immer.
Doch bevor er das Schlafzimmer verließ, ging er noch einmal zur Kommode.
Öffnete die zweite Schublade.
Dort lag ein kleines Stoffband. Schwarz.
Noch nie benutzt.
Aber irgendwann, davon war er überzeugt – würde sie es ihm geben.
Vielleicht wortlos.
Vielleicht mit einem Blick.
Und wenn es so weit war – würde er es nehmen.
Ohne zu fragen.
⸻
Er trat auf den Flur.
Die Treppe hinunter.
Im Erdgeschoss hörte er Stimmen.
Aber noch war es nicht Zeit für ihn, sich einzumischen.
Noch war er Beobachter.
Doch in ihm… arbeitete etwas.
Ein Ziehen.
Kein Verlangen. Noch nicht.
Aber eine Art von Neugier.
Eine Frage, die er nicht stellte – und trotzdem bald beantworten musste.
———
Michelle
(Stillstand nur auf den ersten Blick.)
Michelle zog die Kapuze tiefer ins Gesicht.
Der Wind war noch kühl an diesem Morgen.
Nicht unangenehm – eher wachmachend.
Sie stand am Rand ihrer kleinen Weide, eine Hand auf dem Zaun, die andere locker in der Jackentasche.
Neben ihr schnaubte das Pferd leise.
Jara.
Schwarz, kräftig, ruhig.
Wie sie selbst.
Michelle hatte keine Eile.
Nie gehabt.
Sie tat die Dinge, wenn es an der Zeit war.
Und die Zeit… begann sich zu bewegen.
⸻
Ihr Haus lag etwas abseits, nur ein Feld zwischen ihr und der Straße, die zu den anderen führte.
Sie konnte sie nicht sehen.
Aber sie konnte sie hören.
Und manchmal… fühlen.
Heute war so ein Tag.
Etwas war anders.
Nicht laut.
Nicht sichtbar.
Aber sie roch es.
Wie man den Regen spürt, noch bevor er fällt.
⸻
Sie ging zurück zur Sattelkammer.
Holzdielen. Alte Spinde. Der Geruch von Leder, Metall, Staub.
Kein Dreck – sie hielt Ordnung.
Aber nichts war neu. Nichts glänzte.
Alles hatte Geschichte.
In einer Ecke: ein alter Westernsattel, eingeritzt mit Initialen, die nur sie lesen konnte.
In der Mitte: ein neuer, noch unbenutzter. Schwarz, schmal, für leichten Körperkontakt gebaut.
Sie fuhr mit der Hand darüber.
Dachte an Laura.
An die letzte Reitstunde.
An das Lachen.
An den Blick, der dann kam – tiefer, gespannter.
Laura wusste nicht, dass Michelle längst mehr sah.
Nicht nur das, was sie zeigte.
Sondern auch das, was sie verbarg.
Und Paul…
Michelle hatte ihn nie wirklich beachtet.
Nicht, bis zu diesem einen Abend.
⸻
Es war spät gewesen.
Ein Grillabend mit allen.
Sie war früher gegangen. Hatte noch einmal zurückgemusst – einen Sattelgurt vergessen.
Als sie am Haus vorbeilief, hatte sie durch das Arbeitszimmerfenster gesehen.
Paul.
Auf dem Boden.
Kniend.
Ein BH über den Schultern.
Etwas Dunkles an den Füßen – weich, fast tänzerisch.
Er war allein. Und er hatte die Augen geschlossen.
Michelle hatte nicht gelächelt.
Nicht geschmunzelt.
Nur geschaut.
Und dann: weitergegangen.
Aber etwas war geblieben.
In ihr.
Und seither sah sie Dinge anders.
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Heute, im Sattelraum, öffnete sie eine der unteren Schubladen.
Darin lag nicht nur Reitzubehör.
Sondern auch:
– ein Knebel aus weichem Leder
– Handschlaufen
– ein alter, ausgeleierter Maulkorb
– und ein einzelner, schmaler Lederhalsriemen mit kleiner Metallschnalle.
Sie hatte ihn nie benutzt.
Aber sie hatte ihn nie weggegeben.
Sie nahm ihn in die Hand.
Spürte das Material.
Und stellte ihn dann auf den Haken am Türrahmen.
Nicht als Andeutung.
Nicht als Warnung.
Nur als Erinnerung:
Dass sie bereit war.
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Draußen ging die Sonne weiter auf.
Ein Vogel landete auf dem Zaun.
Jara hob kurz den Kopf, ließ ihn dann wieder sinken.
Michelle trat hinaus.
Sah zur Straße.
Da bewegte sich jemand.
Ein Schatten.
Barfuß.
Selina?
Oder Laura?
Sie schloss die Augen.
Atmete tief ein.
Und wusste:
Sie würde bald eingeladen werden.
Vielleicht nicht mit Worten.
Aber mit Blicken.
Mit Zeichen.
Und wenn es so weit war, würde sie nicht fragen.
Sie würde handeln.
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