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Butterfly Volljährigkeit geprüft
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Dieser Satz ist nicht wahr.

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  Nebel Datum:11.11.03 15:27 IP: gespeichert Moderator melden


Vorbemerkung
Dies ist eine mittellange aber einteilige Geschichte, die mir anläßlich des Wetters und um mich des Vorwurfes zu erwehren, nur Lovestorys zu schreiben völlig unspontan einfiel.
Und sie ist wirklich offtopic und überhaupt nicht lustig.
Kann ja mal passieren, oder?
Butterfly

Disclaimer
In dieser Geschichte geht es nicht um Sadomasochismus oder verwandte Themen. Leute, die Erotik o. ä. erwarten sind hier leider falsch und sollten wo anders hingehen, z.B. zu Disney.


Nebel
Herbst, Montagmorgen, trübes Licht. Die Scheinwerfer von Michaels Auto fraßen sich mühsam durch die dicken Nebelschwaden. Er fragte sich, warum er aufgestanden war. Ein seltsamer Traum hatte sein Bewußtsein noch nicht ganz verlassen. Blut, das sich in Wasser löste....
Unbewußt wischte er sich mit der Hand über die Augen, in dem vergeblichen Versuch, seine Sicht zu verbessern. Die üblichen neun Kilometer über Land, dann quer durch die winzige Großstadt. Selbst die Ampeln schafften es kaum, den Nebel zu durchdringen.
Anonyme Leute auf dem Bürgersteig, vermummt in Mäntel, mit Aktentaschen, Laptoptaschen, Rucksäcken, Handtaschen, hastig unterwegs, wartend an der Ampel. Grünes Licht. Michael fuhr an. Er war sowieso schon spät dran. Aber das machte keinen Unterschied, wie er sich eingestand.
Ein Gesicht in der Menge. Wie ein Farbbild in einem Schwarzweißfilm. Im Vorbeifahren verdrehte er seinen Kopf, versuchte, einen zweiten Blick zu erhaschen. Die gellende Hupe riß ihn zurück an das Lenkrad, er starrte in die Scheinwerfer, bevor er das Lenkrad herumriß und es noch schaffte, die Kollision zu vermeiden.
Mit pochendem Herzen und quietschenden Reifen blieb er stehen, schaute sich suchend um, ließ den Strom an Beschimpfungen und obszönen Gesten über sich ergehen, nahm ihn kaum wahr.
"Arschloch!" Ruckend fuhr das andere Auto an.
Das Gesicht war weg. Er machte eine entschuldigende Grimasse durch die beschlagenen Scheiben und fuhr weiter.

Der Vormittag war grauenhaft. Michael versuchte sich darauf zu konzentrieren, seine Arbeit zu erledigen, aber in irgendeinem Winkel seines Verstandes lauerte ihr Gesicht, stets bereit jedes Mal, wenn er gerade nicht auf der Hut war, seine Gedanken auf sich zu ziehen und festzuhalten. Ganz leise und unauffällig, ohne daß er sich dagegen wehren konnte, wie wenn man einschläft. Irgendwann stellte er fest, daß es Mittag war, und daß er nichts getan hatte. Nicht das es viel gegeben hätte, das zu tun gewesen wäre.
Michael stand auf, murmelte etwas in das leere Büro hinein und beschloß, ein wenig draußen herumzulaufen und sich ein Brötchen zu holen.

Er schloß ab, ging die paar Schritte zum Bäcker und weiter in die Fußgängerzone. Und erwischte sich dabei, wie er suchend seine Augen über die Gesichter der Passanten gleiten ließ. Verwirrt schüttelte er den Kopf. Es konnte doch nicht sein, daß ihn ein Gesicht so mitnahm. Er setzte sich auf eine Bank und versuchte festzustellen, warum ihm ihr Gesicht aufgefallen war.
Es war schwierig in Worte zu fassen. Es war nicht hübscher, nicht häßlicher, vielleicht etwas fahler gewesen als ein beliebiges anderes. Es war nicht das Gesicht eines Dämonen, nicht eines Engels gewesen, aber auch nicht das eines normalen Menschen. Nicht glücklich, nicht traurig, nicht jung, nicht alt, nicht lustig, nicht ernst, aber auf eine schwer zu beschreibende Weise lebendig. Lebendig. Das war es gewesen. Und es hatte ihn angesehen. Nicht zufällig. Es war etwas in dem Blick gewesen, das ihn irgendwo berührt hatte, wo noch nie jemand gewesen war, das sein Innerstes nach außen gekehrt hatte.

Michael schaue auf seinen Hand, auf den goldenen Ring. Er hatte ihn immer daran erinnern sollen, daß er einen Bund fürs Leben geschlossen hatte. Treue, Ehrlichkeit, Liebe, auf Gegenseitigkeit. In guten, wie in schlechten Tagen.
Wie altmodisch, wie ironisch. Er hatte Julia über drei Monate hinweg verheimlicht, daß seine Firma insolvent war, versucht, die Fassade aufrecht zu erhalten. Wohl weil er sich selbst nicht eingestehen konnte, daß er versagt hatte, daß der Versuch, eine Existenz zu gründen, unter seinen Händen zerbröckelt war. Er war zahlungsunfähig, pleite, ruiniert. Nicht seine Firma. Er selbst.
Als Julia es schließlich zufällig herausbekommen hatte, war sie maßlos enttäuscht gewesen. Wie hatte er ihr so wenig vertrauen können? Warum hatte er nicht mit ihr geredet? Er hatte wortlos den Kopf geschüttelt, nicht gewußt, wie er antworten sollte.
Es gab keinen Vorwurf, den sie ihm machte, den er sich nicht schon selbst gemacht hatte. Sprachlosigkeit war alles, was ihm geblieben war.

Er lachte leise, stand auf und ging los, mit unbestimmtem Ziel.
Warum sollte er in sein Büro zurückgehen? Es gab nichts, was ihn dort erwartete. Seine paar Angestellten verlängerten seit dem Ersten die Schlange beim Arbeitsamt.
Er bemerkte seine Verfolgerin nicht.

Als Michael stehenblieb und versuchte, sich zu orientieren, stellte er fest, daß er im Nebel weiter gewandert war, als er gedacht hatte. Das geschäftige Treiben der Stadt hatte nachgelassen, vielmehr machten die Straßen einen sehr verlassenen Eindruck. Wenige Autos, die am Straßenrand parkten, und wenige Menschen. Leere Fenster starrten ihn an. Er mußte bei seiner ziellosen Wanderung in einen Stadtteil geraten sein, der ihm gänzlich unbekannt war. Er versuchte in Gedanken seinen Weg zurückzuverfolgen, aber es gelang nicht.
Ein Schauder lief ihm über den Rücken. Ihm war kalt. Der dünne Mantel, den er trug, war der Jahreszeit kaum mehr angemessen. Aber das war nicht alles. War er an der Kreuzung, die schemenhaft im Nebel erkennbar war, links oder rechts abgebogen? Oder geradeaus gegangen, um hierher zu kommen? Er schüttelte den Kopf. Er würde nicht zurückgehen, er wußte, daß es keinen Sinn hatte, wie ein verirrtes Kind im Wald hektisch hin und her zu laufen. Das war unter seiner Würde.
Würde. Wie absurd. Wieder lachte er leise.
Er zog sein Handy aus der Tasche. Fünf Striche sahen ihn an, bester Empfang. Aber wen hätte er anrufen sollen? Falsch verbunden. Irgendwie traf das auf das ganze letzte Jahr zu.
Er ging weiter, las an der nächsten Kreuzung die Straßenschilder. Die Namen sagten ihm nichts. Aber irgendwann würde er irgendwo herauskommen. Er ging weiter.
Und seine Verfolgerin ebenfalls.

Die Gegend wurde einsamer, der Nebel dichter. Michael zog seinen Mangel enger zusammen, schlug den Kragen nach oben und begann schneller zu gehen. Zunehmend machten die Häuser einen verfallenen Eindruck, die Autos am Straßenrand wurden immer älter. Er begann sich zu fragen, wann er den ersten Käfer sehen würde. Keine liebevoll restaurierten Yuppiekäfer natürlich, aber die standen ja auch alle in beheizten Garagen, sondern einen alten, gammeligen, abgemeldeten mit platten Reifen, dessen Farbe man kaum noch erkennen konnte.
Er beschleunigte seine Schritte. Irgendwann mußte er doch an einer Straße herauskommen, die er kannte?

Er blieb stehen, horchte. Erst jetzt kam ihm die Totenstille, das trotz der Mittagsstunde trübe Licht wirklich zu Bewußtsein. Wann hatte er den letzten Menschen gesehen? Er konnte sich nicht erinnern. Er war wie eingesperrt unter einer kleinen Käseglocke aus Nebel, die mit ihm wanderte. Allein. Bis auf die Schritte, die näherkamen.
Da! Ein Schemen. Die Gestalt blieb am Rand seines Horizonts stehen. Er überwand seine Berührungsängste, sein kindisches Beharren, daß er sich selbst schon zurechtfinden würde, und ging auf die Gestalt zu. Sie schien amorph, unfaßbar. Aus irgendeinem verstecketen Winkel krabbelte die Angst hervor. Er versuchte, sie mit rationalen Argumenten wegzudrängen, aber sie kroch langsam mit eisigen Fingern sein Rückgrat empor und nahm ihn in einen brutalen Würgegriff. Gelähmt blieb er stehen, hilflos gefangen zwischen dem Drang, vor dem namenlosen Grauen zu flüchten und seinem Willen, genau das nicht zu tun.
Das unaussprechliche Ding, das vor ihm stand, glitt gemächlich die letzten paar Schritte auf ihn zu, wie ein Raubtier, daß sich seiner Beute sicher ist. Michael unterdrückte einen entsetzten Aufschrei, als es einen seiner Tentakel nach ihm ausstreckte. Seine schmale, fast weiße Hand.
Die amorphe Gestalt kondensierte in eine kleine junge Frau, die einen Schal wegzog, den sie sich vor das Gesicht gebunden hatte. Um ihren Hals eine Kette mit einem merkwürdig aussehenden Kreuz. Sie lächelte Michael freundlich an.
"Ganz schön kalt und einsam hast du es hier."
"Du?"
Sie zuckte die Schultern: "Wen hattest du denn erwartet? Yog-Sothoth? Hastur? Ein Skelett mit einer Sense?"
Sie schien auf eine Antwort zu warten.
Verwirrt schwieg Michael.
"Irgend jemand mußte dich doch abholen. Du kannst nicht hierbleiben."

Als sie seine Hand ergriff, erinnerte er sich plötzlich. Daran, wie Julia ihre Koffer gepackt hatte. Und an die Rasierklinge und sein Blut, das sich im Wasser löste.
Er ging mit ihr.

Ende

Ja, ich geb s ja zu. Ich mag einfach die Sandman und Death-Comics von Neil Gayman, die Vorstellung, daß am Ende eine freundliche Person da ist, die auf einen wartet.

(Diese Nachricht wurde am 11.11.03 um 15:27 von Butterfly geändert.)
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  Re: Nebel Datum:11.11.03 15:36 IP: gespeichert Moderator melden


Hi(gh) Butterfly
ich kenne weder Sandman, noch Deine Comics, und wenn ich sie kennen würde, wären sie mir wahrscheinlich zu trostlos, aber...
...Deine Geschichte
lockt mich jetzt zwar von meiner Stimmung weg, aber sie ist Schön.

Düster, aber Schön.

stephan


Wir haben zwar alle die gleichen Augen, aber das, was wir sehen, ruft sehr verschiedene Gedanken hervor. (Ernst R. Hauschka)
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  Re: Nebel Datum:11.11.03 15:46 IP: gespeichert Moderator melden


*grinsel*
Danke, L&L, aber genau das (trostlos) sind die Comics nicht.

Eher tröstlich.
Und (und das würde dir daran gefallen, denke ich) vollgestopft mit Querverweisen, Zitaten, Parodien auf alle möglichen tatsächlichen, sagenhaften, in der Literatur vorkommenden und weiteren Personen.

z.B. gibt es die Szene wo Morpheus (Dream, the Sandman) vor der versammelten Armee aller Dämonen der Hölle (sollte dir doch bekannt vorkommen, oder nicht?) steht, die ihn nicht gehen lassen wollen, und wo er fragt, was alle Qualen der Hölle wert wären, wenn die Gequälten nicht von der Erlösung träumen könnten.
Sie lassen ihn gehen.

Gruß
Butterfly

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living_and_laughing
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  Re: Nebel Datum:11.11.03 15:56 IP: gespeichert Moderator melden


....Deine geschilderte Szene klingt zwar gut, aber wahrscheinlich würde ich, so wie ich mich kenne, 98,98 % der von Dir erwähnten Querverweise, Zitate und Parodien nicht als solche erkennen und mich dann regelmäßig in den Schlaf heulen müßen.


Aufmunternde Grüße
stephan
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  Re: Nebel Datum:11.11.03 22:13 IP: gespeichert Moderator melden


Diese Geschichte legt sich mir heute abend wirklich wie ein Nebel auf meine Seele ... sie ist morbide aber zugleich sehr sanft.
Als Jugendliche begann ich bei einem Shaolinmönch die klassischen Kampfkünste zu lernen und weil er mir über viele Jahre hinweg auch sein religiöses Wertesystem vermittelt hat, habe ich vielleicht nicht so viel Angst vor diesen Portalen zwischen Tod und Leben. Er erzählte mir immer, dass ich nach meinem Tod als reine Energie das Universum zusammenhalten helfen würde.
Ich denke, es wäre sehr schön, wenn mich auch für diese Aufgabe jemand "abholen" würde. Diese Idee hat etwas Behütendes.
Bei Deinen Geschichten fällt mir außer ihrer meist ungewöhnlichen Rahmenhandlungen vermehrt auf, dass sie auf ganz eigenwillige Weise Stimmungen transportieren, nur selten halten sie sich am äußeren Handlungsgefüge fest. Im Moment bin ich ganz vollbepackt damit.
leicht benebelte Grüße
ChariSMa

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  Re: Nebel Datum:12.11.03 01:21 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Butterfly,

diese Story verdient eine Antwort. Aber es fällt mir schwer, auch eine zu schreiben. Sie hinterläßt mich ähnlich, wie es der Film "The Sixth Sense" getan hatte.

Why-Not (leicht melancholisch)

Buch-Anfang: Dämonen der Leidenschaft (Teaser)

Session: Wir müssen reden, Aus dem Giftschrank, Gefangene Gefühle, Urlaub mal anders

Offtopic-Kurzgeschichten: Gesichter des Todes, Das Interview (mit Dr. Wolfram Schraubner), Die Bahnfahrt


Mehrere Bücher Inhaltsangaben und Leseproben hier auf meiner Homepage
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  Re: Nebel Datum:12.11.03 10:43 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo,
es freut mich, wenn die Geschichte etwas in euch berührt hat, das ist so mit das schönste, was mir jemand zu einer Geschichte sagen kann.

Aber, ChariSMa, ich habe die freundliche junge Dame Death mit dem Gruftioutfit als Personifikation des grimmen Schnitters nicht erfunden... das war Neil Gayman.
Grobes Zitat von ihr: "Warum sollte ich grausig sein? Freundlich zu sein ist doch viel einfacher."

Wie gesagt... sehr freundlich. Aber auch sehr bestimmend

Butterfly
P.S.: Keine Sorge, keine Sorge, ich bin nicht etwa akut dran, einen Suizid zu planen. Wirklich nicht.
Vielleicht ein wenig trübe gestimmt.
Kokettieren mit dem Rasiermesser im besten Harry Haller-Stil


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  Re: Nebel Datum:12.11.03 13:09 IP: gespeichert Moderator melden


Ach dunkelgestimmter Schmetterling, das tut gut, das so deutlich zu hören. Man bannt Gefühle mit Worten, gibt der verschwommen Welt der Ängste Gestalt damit.
ChariSMa
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träumerin
Gast



  Re: Nebel Datum:13.11.03 00:16 IP: gespeichert Moderator melden


hallo, mein schmetterling,

eine wunderbare, traurige geschichte, die bei mir erinnerungen weckt. ja, ich weiss wie es drüben ist. ein bisschen anders. aber deine art gefällt mir auch..

danke
die träumerin
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lionesse
Einsteiger



Wenn ich die Wahl habe zwischen dem Nichts und dem Schmerz, wähle ich immer den Schmerz.

Beiträge: 44

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slavelless  
  Re: Nebel Datum:19.11.03 14:30 IP: gespeichert Moderator melden


i know
and i think
and i m there

it was as i told you it would
be

regret
more than anything regret

but i had a life to save

we know she s waiting
i m waiting too

tell you later

love

lion
Der Tod ist auch nicht schneller als ein Flügelschlag, doch er trägt dich weiter.
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