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Blue Moon |
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Baden Württemberg
Meine Geschichten. Düstger, bizarr und immer für ein morderisches Ende gut.
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Herbstlaub !
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Datum:05.06.09 21:20 IP: gespeichert
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Jeder Mensch besitzt einen Ort, an welchen er sich von Zeit zu Zeit gerne zurück zieht, um allein zu sein. Auch ich habe einen Platz gefunden, welchen ich hin und wieder aufsuche, um einfach abzuschalten von dem alltäglichen Stress. Es handelt sich um eine kleine Anhöhe mit einer alten, einsam stehenden Eiche, unter der eine von den Jahreszeiten geprägte Holzbank steht. Von dort aus hat man einen herrlichen Panoramablick auf das schöne Schloss unserer Gemeinde und die herrliche Moorlandschaft. Hier ziehe ich mich gerne zurück, wenn ich meine Ruhe haben will und führe intensive Selbstgespräche mit mir. Auch heute Nachmittag verspürte ich das Bedürfnis diesen mir lieb gewonnenen Ort auf zu suchen und über mich selbst Gericht zu halten. Es ist Herbst und im Gegensatz zu den meisten Menschen liebe ich diese Jahreszeit. Die Natur bereitet sich auf den nahenden Winter vor. Die Bäume werfen ihre aus Laub bestehende Kleidung ab, dass nun verstreut auf dem Boden liegt und mit seinen unterschiedlichen Farben die Augen des Betrachters erfreut. Es scheint einem wirklich so, als ob die Zeit stehen geblieben ist und es liegt ein sanfter Geruch von Abschied, Schmerz, sowie Tod in der Luft. Der Wald bäumt sich noch einmal gegen die drohenden Winter auf, der mit seiner grimmigen Kälte alles Leben erstarren lässt und weiß doch, dass er zum verlieren verdammt ist. Nun sitze ich also auf der morschen Holzbank und meine Gedanken schweifen in die Ferne. Unter mir fließt ein kleiner Bach vorbei und durch den Regen der vergangenen Tage hat sich sein Wasser bräunlich verfärbt. In Gedanken versunken blicke ich auf ein Stück Holz das an mir vorbei treibt und sich schließlich in einer Wurzel verfängt. Es scheint als ob es sich verzweifelt fest zu halten versucht, aber das Wasser gewinnt diesen ungleichen Kampf und so entschwindet es langsam meinen Blicken. Nachdenklich blicke ich nun auf die Fragmente einer alten, verfallenen Kapelle und mir wird bewusst wie vergänglich die Zeit ist.
Im September bin ich 47 Jahre alt geworden und es wird Zeit das ich eine persönliche Bilanz ziehe über mein bisheriges Leben. Wenn ich so zurück blicke, muss ich zu geben, dass ich nicht sehr viel daraus gemacht habe. Ich habe keine Familie gegründet, keine Reichtümer angehäuft und auch sonst keine Statussymbole gesammelt, worauf ich auch ehrlich gesagt, nie großen Wert gelegt habe. Mein Konto ist ständig überzogen, ich lebe allein und besitze auch keinen großen Freundeskreis, worauf ich auch letzt endlich pfeife. Eigentlich bin ich ein sehr seltsames Wesen. Ich liebe die Einsamkeit und sehne mich gleichzeitig nach einer festen Partnerschaft. Ich bin entweder zu Tode betrübt, versinke in Selbstzweifeln oder bin vollkommen ausgeflippt und euphorisch. Ich ziehe mich gerne in mein Schneckenhaus zurück, bemitleide mich selbst und trinke entschieden zu viel Alkohol. Kurz gesagt, mein Leben ist eine einzige Katastrophe und wenn ich jetzt Abschied nehmen müsste, würde die Welt nicht viel verlieren. Meine Kindheit verlief eigentlich glücklich, aber schon damals war ich der geborene Einzelgänger, einer der sich von den anderen absonderte und die Einsamkeit vorzog. Ich beendete mit leidlichem Erfolg die Schule, begann eine Lehre, verliebte mich unsterblich in ein Mädchen, dessen Namen mir längst entfallen ist und sammelte erste Erfahrungen im SM-Bereich. Schon als Jugendlicher zogen mich dominante Frauen an und ich umschwärmte sie wie die Motten das Licht. Zu meiner Zeit war dieses Thema noch ein absolutes Tabu in unserer Gesellschaft, doch das war mir egal. Ich akzeptierte schnell, dass ich eben anders war als andere Menschen und wer damit nicht klar kam, sollte sich gefälligst zum Teufel scheren.
Eigentlich bin ich eher ein Soft-Masochist und stehe mehr auf Bondage, als auf Schmerzen. Ich verabscheue sogenannte Dominas, die sich darauf beschränken ihrem Opfer unnötige Qualen zu bereiten oder laut herum brüllen. In meinen Storys sieht das natürlich zum Teil ganz anders aus, aber das ist eben nur reines Kopfkino und hat mit der Realität überhaupt nichts zu tun. Es folgten die wilden 80-iger Jahre und ich entwickelte mich zu einem kleinen Rebellen, der rein aus Prinzip gegen alles war, was unsere Gesellschaft bedienungslos akzeptierte. Ich demonstrierte gegen Atomkraftwerke, gegen die Ausbeutung der Entwicklungsländer und gegen den Rüstungswahnsinn. In der Verwandtschaft war ich rasch das schwarze Schaf und man hielt Abstand zu meiner Person. Dann folgte die“ Null Bock Phase“ und ich zog nächtelang durch die Kneipen, nach dem Motto“ Keine Party ohne Pega“. Der Alkohol floss in Strömen und ich begann auch mit Drogen zu experimentieren. Im Gegensatz zu einigen Freunden die an diesem verdammten Rauschgift starben, schaffte ich rechtzeitig den Ausstieg und irgendwann war meine wilde Zeit vorbei. Ich versuchte mich anzupassen, einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen und eine feste Beziehung einzugehen. Das letztere scheiterte ziemlich kläglich, da es keine Frau lange mit mir aushielt. Dies lag jedoch nicht am weiblichen Geschlecht, sondern zum größten Teil an meiner Person. Ich bin kein Typ der ständig jemand um sich herum haben will, sondern eben auch gerne einmal die Einsamkeit genießt. Eine meiner Verflossenen hat einmal gesagt, dass ich nicht beziehungsfähig sei und wahrscheinlich hat sie damit gar nicht einmal so unrecht.
Die warmen Sonnenstrahlen fallen auf mein Gesicht und ich muss die Augen schließen, weil das Licht mich blendet. Ich stecke mir eine Zigarette an und suche im Verzeichnis meines I-Pods nach einem bestimmten Lied. Es handelt sich um den Song“ Gib mir Sonne“ von der Gruppe“ Rosenstolz“. Tief inhaliere ich den Rauch der Zigarette ein und lehne mich zurück, um mich auf die Musik zu konzentrieren.
“ Es kann gar nicht hell genug sein, alle Lichter dieser Welt sollen heute für mich leuchten.
Ich wird rausgehen, mich nicht umdrehen, ich muss weg. Manchmal muss Liebe schnell
gehen, mich überfahren, mich überrollen. Manchmal muss das Leben weh tun, nur wenn’s
tut, ist es gut. Gib mir Sonne, gib mir Wärme, gib mir Licht, all die Farben wieder zurück.
Verbrenn den Schnee. Das Grau muss weg, schenk mir ein bisschen Glück. Wann kommt die Sonne?
Kann es denn sein, dass mir gar nichts mehr gelingt? Wann kommt die Sonne? Kannst du nicht sehen,
dass ich tief im Schnee versink?
Eine Frau gab es in meinem Leben, mit der ich mir eine gemeinsame Zukunft hätte vorstellen können. Evi. Wir spielten zusammen im Sandkasten, besuchten gemeinsam den Kindergarten und auch die Schulzeit bestritten wir in der gleichen Klasse. Dann verloren sich unsere Wege und erst 20 Jahre später begegneten wir uns bei einem Klassentreffen wieder. Wir blickten uns tief in die Augen und da war auf einmal dieses intensive Gefühl, dass wir für einander bestimmt waren. Es war uns vergönnt 5 herrliche Jahre mit einander zu verbringen. Evi war nicht nur eine richtige Partnerin, sondern tolerierte auch meinen Fetisch für Bondagespiele. Dann kam jener verhängnisvoller Tag der unser Glück jäh zerstörte. Wir hatten über irgendeine belanglose Sache gestritten und sie stieg wütend in ihr Auto, um eine Freundin zu besuchen. 2 Stunden später klingelte es an der Tür und 2 Polizisten teilten mir mit das sie bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt war. Ich war geschockt und wollte diesen schrecklichen Verlust nicht akzeptieren. Mein Gehirn speicherte zwar diese entsetzliche Nachricht, aber mein Herz weigerte sich dieser Glauben zu schenken. Dann verspürte ich den tiefen Schmerz, gefolgt von einer unendlichen Leere die vollständig meinen Körper ausfüllte. Ich trank damals ziemlich viel, suchte eine Selbsthilfegruppe auf und schaffte es schließlich diese grausame Tragödie zu verarbeiten. Wieder zog ich mich in mein Schneckenhaus zurück, verbrachte viel Zeit im Internet und stieß schließlich auf die Seite von „ In Fesseln“, wo ich dann anfing Geschichten zu schreiben. Dann 2 Jahre später verstarb mein Patenkind Andrea bei einem Autounfall und erneut versank ich in Depressionen. Die beiden Menschen, welche mir alles bedeutet hatten, waren nicht mehr da und ich war wieder alleine.
„ Und ich trage meine Hoffnung, alle Türen ganz weit offen, hab keine Angst mich zu verbrennen.
Auch wenn’s weh tut, nur was weh tut, ist auch gut. Gib mir Sonne, gib mir wärme, gib mir Licht,
all die Farben wieder zurück. Verbrenn den Schnee, dass Grau muss weg, schenk mir ein bisschen
Glück. Wann kommt die Sonne? Kann es denn sein, dass mir gar nichts mehr gelingt? Wann kommt
Sonne, kannst du denn sehen, dass ich tief im Schnee versink?
Im Juni dieses Jahres lernte ich dann Renate kennen und anfangs glaubte ich mit ihr doch noch eine Partnerin gefunden zu haben, mit der ich vielleicht glücklich werden könnte. Leider erwies sich das als Trugschluss, da sich meine neue Bekannte anschickte, die totale Kontrolle über mein Leben zu ergreifen. Für sie war Bdsm keine Spiel, sondern völliger Ernst. Sie verlangte immer mehr von mir, mehr als ich zu geben bereit war. Sie stellte mich vor die Wahl, entweder sich ihr völlig unter zu ordnen oder aus ihrem Leben zu verschwinden. Ich entschied mich für die letzere Alternative und weiß dass meine Entscheidung richtig war. Doch manchmal frage ich mich, ob der Preis den ich bezahlt habe, nicht zu hoch war. Wenn ich alleine bin, kommt mir der Gedanke, ob ich es vielleicht doch riskieren hätte sollen. Nun es ist müßig darüber zu spekulieren, was hätte sein können, aber gereizt hätte mich die Sache schon, wenn ich ehrlich zu mir selbst bin. Jetzt bin ich also 47 Jahre alt und strafe meine Hausärztin Lügen, welche mir in Anbetracht meines ungesunden Lebenswandel höchstens 30 Jahre eingeräumt hatte. Ich habe mich meiner Umwelt angepasst. Ich gehe brav meiner Arbeit nach, zahle meine Steuern, halte die Schnauze und konsumiere fleißig. Wie eine Kuh stehe ich mit Millionen anderen Menschen auf der Weide, sehe kurz auf, wenn sich auf der Welt ein Unglück ereignet und grase dann gemütlich weiter. Obwohl, manchmal kommt in mir noch der kleine Rebell hoch. Dann möchte ich auf die Straße rennen und einfach nur laut schreien, um zu zeigen, dass es mir nicht gut geht. Doch dann setze ich mich doch lieber auf meine bequeme Couch und schalte die Flimmerkiste an.
Krähen landen auf den Ästen der alten Eiche und erfüllen die Luft mit ihrem Gesang. Langsam steigt grauer Nebel auf und bedeckt die Landschaft mit einem feingesponnen Mantel. Was wird die Zukunft für mich bereit halten? Ich weiß es nicht und vielleicht ist das auch gut so. Ich werde mich weiter treiben lassen, Geschichten schreiben und davon träumen, dass sich doch noch eine Partnerin für mich findet. Ich werde aber nicht mehr krampfhaft versuchen, die ideale Frau zu finden. Ich glaube fest daran, dass wenn es das Schicksal will, eine neue Lady in mein Leben tritt und meine Einsamkeit beendet. Es fängt zu regnen an und ich mache mich auf den Heimweg. In meinem Haar hat sich ein einzelnes, rotes Blatt verfangen. Ist das ein Omen? Keine Ahnung, aber ich stecke es ein und nehme es mit. Der Regen wird stärker und kühlt meine erhitzte Haut. Ich schalte meinen I-Pod ein und der Song von „ Rosenstolz“ begleitet mich auf meinen Weg nach Hause.
„ Feier das Leben, feier den Tag, feier das beide, es kommt alles zurück. Feier die Liebe,
feier das Glück, feier das beide, es ist alles gesagt. Hier kommt die Sonne, hier kommt
das Licht. Siehst du die Farben, es kommt alles zurück.
Ende! Meine Geschichten. Düster, bizarr und immer für ein mörderisches Ende gut.
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bluevelvet |
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Staff-Member
Ich kann allem widerstehen, nur nicht der Versuchung.
Beiträge: 5697
Geschlecht: User ist offline
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RE: Herbstlaub !
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Datum:05.06.09 22:30 IP: gespeichert
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Wunderschön geschrieben, Blue Moon. Die Geschichte klingt zunächst traurig: die schlimmen Verluste, die Ziellosigkeit etc. Aber als ich deinen Text fertiggelesen hatte, kam mir der Song von Karat in den Sinn, der mich selbst oft zu Tränen rührt und mir eine Ahnung von Sinn vermittelt, ohne das Dunkle zu bagatellisieren oder zu entwerten:
"Über sieben Brücken mußt du gehn,
sieben dunkle Jahre überstehn,
sieben mal wirst du die Asche sein,
aber einmal auch der helle Schein."
Auch der Text von Rosenstolz ist schön und tiefsinnig und scheint Ähnliches auszudrücken.
Viele Grüße
Blue
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Wenn alle wüßten sie wollen,gäbe es keinen mehr der ihnen etwas beibringen könnte
Beiträge: 2834
Geschlecht: User ist offline
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RE: Herbstlaub !
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Datum:05.06.09 23:17 IP: gespeichert
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Toll Blue Moon!
Du hast es. Ich habe es anderer Stelle schon mal geschrieben: Schreiben ist auch eine Form von
Selbstverteidigung.
Ich zitiere auch mal ausschnittsweise einen Text,den ich selber gern geschrieben hätte.
Nebenbei erklärt er kurz,knapp und präzise Sartres Existentialismus.
"Ein Mensch lebt auf dieser Welt
der mich über alle die and`ren stellt
der mit mir redet
mit mir schweigt
der mir all seine Gefühle zeigt
der wenn ich lache
mit mir lacht
der sich mit mir meine Sorgen macht
der wenn ich falle
mit mir fällt
selbst wenn ich lalle zu mir hält
Und dieser eine Mensch bin ich
Ich bin mein Freund
Ich liebe mich......" (by Joint Venture)
Dann schieb`ich noch das für mich perfekte Gedicht nach. Es heißt:
OHNE TITEL
Alle Theorien
wie Klischees
verpufft;all die
kleinen Gesichter
wie sie aufschauen
so gläubig und schön;
mir ist nach Heulen
aber Kummer ist
blöd. Ich möchte
glauben können
doch glauben ist
ein Friedhof.
Wir haben es auf
dem Punkt:
Schlachtermesser und
Spottdrossel.
Wünsch uns Glück
by Charles Bukowski.
Manchmal,ganz selten,erstarre ich in Ehrfurcht.
D`rum setz`ich nur eins von meinen dagegen:
The sweet kiss of silence
"..............................."
Ich wünsch uns was!
Black Panter
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Keyholderin
Beiträge: 701
Geschlecht: User ist offline
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RE: Herbstlaub !
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Datum:06.06.09 16:23 IP: gespeichert
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Ich erstarre in Ehrfurcht vor solch literarischen Meisterleistungen. Das hat wirklich den allergrößten Respekt verdient!
Mystery
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