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reddog Volljährigkeit geprüft
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Deutschlands Wilder Westen - Der Niederrhein


High-heels, Nylons und Korsett find ich auch an Männern nett!

Beiträge: 532

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  Re: Mehr, als ich bestellt hatte Datum:30.05.03 13:13 IP: gespeichert Moderator melden


Hi, Butterfly!
Ja, danke! Mehr, als ich bestellt hatte! *bg*
Gefällt mir gut! Auch wenn ich es, paranoid, wie ich nun mal bin, als Seitenhieb verstehen und genießen konnte.
Mehr davon!
Du bringst es!
Gruß
Detlef
Liebe Grüße vom Roten Hund
Detlef
Alles was Spaß macht ist entweder verboten, oder unmoralisch, oder es macht dick! (Orson Welles)
Die meisten Frauen benehmen sich so, als ob sie hübsch wären! (Oscar Wilde)

Meine Geschichten und Geklautes:
Malkia; C’est ça!; Das Seminar am Wochenende; Onkel Pauls Erbe; Es war einmal...; Die Indianerin; Anklage; Barbara; Wenn Frauen schon lügen...; Als Gott die Welt erschuf... und andere Fehler!
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LordGrey Volljährigkeit geprüft
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Beiträge: 1075

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  Re: Mehr, als ich bestellt hatte Datum:30.05.03 18:11 IP: gespeichert Moderator melden


Ne ne, die Geschichte hat ihre Existenzberechtigung hier. Ich hab ja selbst eine geschrieben ohne irgend welche Fesselungen (bis jetzt zumindestens
Grüssli
Lord Grey
I am the Lord of Leva, don't mess up with me!
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Ike59 Volljährigkeit geprüft
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Beiträge: 166

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arkon59  
  Re: Mehr, als ich bestellt hatte Datum:31.05.03 17:40 IP: gespeichert Moderator melden


hi butterfley,

alles was die phantasie anzukurbeln vermag und ein wenig spaß am lesen bringt gehört hierher.
diese geschichte fortzusetzen wäre doch sicher nicht schlecht - wer weiß was bei den beiden noch so passieren könnte..

gruß
ike
...leben & leben lassen...
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Butterfly Volljährigkeit geprüft
Story-Writer



Dieser Satz ist nicht wahr.

Beiträge: 756

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  Mehr, als ich bestellt hatte Datum:02.06.03 13:22 IP: gespeichert Moderator melden


VORWORT, bitte lesen
Leute, ich will das Forum hier nicht alleine bestreiten, oder es in eine bestimmte Richtung biegen. Ich muß warnen: In der Story, die ihr (vielleicht) jetzt lest, bleibe ich in einiger forumsrelevanter Hinsicht recht vage.
Aber wozu sollte ich die Details von irgendwelchen Fesseln, Windeln, Zwangsjacken, in aller Breite ausführen? Ihr kennt sie ja doch alle.
Stattdessen geht es in der Geschichte, die natürlich aus meiner Phantasie stammt, ein wenig darum, was passiert, wenn man versucht Phantasien in die Realität zu transportieren.

@Lord Grey: Wenn Eurer Lordschaft das Ganze zu verdreht, oder zu weit ins Philosophische abgeglitten erscheint, und der BDSM-Part der Geschichte (der vorhanden ist) zu gering, besitzt Ihr selbstverständlich das Recht, den Beitrag zu kicken. Ich würde es sicher nicht übel nehmen.

@Reddog: Ich dachte mir, ich bring auch mal ein wenig Erotik unter
Und auch, wenn diese Story ein meines Erachtens zufriedenstellendes Ende hat, möchte ich ausdrücklich nicht ausschließen, daß es eine Fortsetzung geben könnte... ich habe da noch ein paar Ideen, die nur auf die Muse (sic) warten, die mir hilft, sie in die Büchse zu tippen.

DISCLAIMER.
Alle Urheberrechte dieser Geschichte liegen bei mir. Ich stimme jeder freien Wiederverwendung in Foren, in Druckform und auf Webseiten zu. Ich schließe alle Veröffentlichungsformen aus, bei denen für den Benutzer Kosten über die normalen Einwahlkosten hinaus entstehen, z.B. dialerfinanzierte Seiten, Bezahlforen o.ä.
Auch darf dieser Disclaimer nicht entfernt werden.
The Unnamable, 2003

Spätsommer. Es hatte mehrere Tage gedauert, bis die drückende Hitze sich durch die Wände des vierstöckigen Betonbaus gefressen hatte, aber jetzt war sie da. Erschöpft lag ich auf dem Bett, das im neutralen Grau gehalten war, grün bezogene Matratze, das Bettzeug hatte ich wie üblich heute morgen in der Schublade darunter verschwinden lassen.
Ich war dankbar dafür, daß meine beiden Zimmergenossen, reichlich nervige Kerle, nicht anwesend waren.
Was machte ich eigentlich hier? Kurz gesagt: ich hatte die Krise bekommen. Mitten in meinem zweiten Semester hatte ich einfach keine Lust mehr gehabt auf das ewige Lernen, das meinen Kopf füllte, mit Dingen, die völlig sinnentleert waren. Wozu überhaupt?
Dazu kam, daß ich sehr einsam war, einerseits von außen gesehen, seit knapp einem halben Jahr auf eigenen Füßen, keine Freunde gefunden, Uni-Grundstudiumsalltag, andererseits nach innen hin, weil ich mich schon immer als Exot gefühlt hatte.
Ich muß höchstens neun Jahre alt gewesen sein, als ich das erste mal versucht habe, mir absichtlich einen Arm zu brechen, nur um einen Gips zu bekommen. Und im Laufe der Pubertät waren mit der Einführung des Kabelfernsehens und steigendem Konsum aller möglicher Filme weitere Phantasien wie Zwangsjacken, eingesperrt sein, Fesseln, ausgeliefert zu sein, hinzugekommen.
Außer unbeholfener Versuche, mir selbst einen Gips anzulegen und ähnlichem, war nie etwas in der Realität dabei herausgekommen.
Vielleicht war die Zeit gekommen, diese Phantasien in die Realität umzusetzen?

Einer meiner Schulkameraden war aufgrund eines halbherzig durchgeführten Suizidversuchs für einige Zeit in einer psychiatrischen Klinik behandelt worden. Man hatte immer nur in düsteren Andeutungen darüber gesprochen, und nach seiner Entlassung waren seine Eltern mit ihm umgezogen...
Warum sollte ich es nicht mal Herrn Nicholson gleichtun und eine Klapsmühle von innen besuchen? In der Nacht konnte ich kaum schlafen und malte mir die nächsten Wochen in den buntesten Farben aus.
Gleich am nächsten Morgen, bevor ich es mir anders überlegen konnte, trugen mich meine Füße zur psychosozialen Beratungsstelle des Studentenwerks.
Zufällig hatte die Beraterin Zeit über für mich. Ich heulte mich aus. Ich klagte über Gott und die Welt, den Druck, das Studium, die Sinnlosigkeit, meine schwere Kindheit, die Einsamkeit. Das alles so..., so..., so sinnlos ist. Das das ganze Leben eine Qual sei, von der ich mich zu entledigen trachtete.
Wirklich. Ich muß richtig gut gewesen sein, denn die Frau guckte mich mit zunehmender Besorgnis in den Augen an. Zum Teil war ich ja auch gar nicht weit von der Realität entfernt, daher fiel es mir nicht schwer.
Nach zwei Stunden war ich durch. Sie fragte mich, wie ich mir die Fortsetzung meines Studiums vorstellte. Ich sagte, daß ich mir das gar nicht vorstellen könnte. Wie es mit Alternativen aussähe. Keine Alternativen.

Sie erklärte mir, daß sie seitens des Studentenwerks eher als Beraterin eingestellt sei, und keine regelrechten psychotherapeutischen Behandlungen durchführen dürfe. Aber, natürlich immer mein Einverständnis vorausgesetzt, sie könne für mich einen Termin in der offenen psychotherapeutischen Einrichtung des Uniklinikums Ixburg vereinbaren, und daß sie mir diese Empfehlung sehr an das Herz legen würde.
Ixburg ist die "Schwesteruni" von Ypsheim... bei uns in Ypsheim gab es in erster Linie naturwissenschaftliche Fächer, dort Geisteswissenschaften und Mediziner.
Sie telefonierte nicht besonders lange. Sie sagte dem Gesprächspartner, daß sie einen jungen Mann da sitzen habe, der dringend professioneller Hilfe bedurfte.

Der Termin war bereits zwei Tage später.
Ich verließ das Büro und saß zwei Tage lang auf glühenden Kohlen und fieberte dem Termin förmlich entgegen... sollten meine Träume in Erfüllung gehen?

Bei dem Termin zog ich die gleiche Show ab. Allerdings hatte ich eine gehörige Angst, zu überziehen, und war mir auch gar nicht mehr so sicher, ob das Ganze eine wirklich gute Idee war. Ich war ziemlich aufgelöst, brabbelte wohl einigen Unsinn und hatte einen Puls, der sicherlich höher lag als mein IQ.
Der Therapeut, bei dem ich mich ausheulte, stellte mir einige Fragen. Ob ich schonmal an Selbstmord gedacht hätte. Ja. Wie oft mir der Gedanke kam. Täglich. Wieso ich zur psychosozialen Beratungsstelle gegangen sei. Die letzte Alternative vor dem Rasiermesser.
Er beschloß, daß ich wohl wirklich professioneller Hilfe bedurfte.
Der Therapeut hatte mir angeboten, daß ich einen Platz auf der offenen psychotherapeutischen Station bekommen könnte, selbstverständlich als freiwilliger Patient. Allerdings ließ er durchblicken, daß er mir jedenfalls helfen würde.

Die Drohung verstand ich. Schließlich hatten wir in der Schule "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" gelesen.
Ich stimmte zu. Er gab mir einige Papiere mit Einverständniserklärungen, Teilnahme am Lehrbetrieb, Informationen, was weiß ich. Ich unterschrieb.
Anschließend fragte er mich, wo ich mein Gepäck hätte. Ich schaute ihn verständnislos an. Gepäck?
Hmmm... er telefonierte kurz und organisierte einen Pfleger, der wie eine Reinkarnation von Arnold Schwarzenegger aussah, beauftragte ihn, mit mir zusammen nach Ypsheim zu fahren, und dort aus dem Studentenwohnheim die notwendigen Dinge für mich zu holen.
Der wollte mich gleich da behalten! Mir sackte das Herz in die Hose.

Auf der Fahrt blieb das Herz in der Hose stecken, ich rotierte vor mich hin, und hatte mehr und mehr den Eindruck, daß mir die Situation irgendwie entglitten war.
Zum Abendessen war ich ordentlich aufgenommener Patient.

Tja. Und jetzt war ich hier. Und mir war langweilig. Öde. Langweilig. Öde. Ich starrte an die Decke. Dagegen war ja ein Sissi-Tripel-Feature im Fernsehen spannend. Öde. Es war zu heiß, als das ich mich freiwillig auch nur einen Zentimeter regen würde, ich hatte nicht daran gedacht, Bücher mitzunehmen, es gab zwar einen Fernseher, der aber umlagert war von Leuten, die alles andere sehen wollten, nur nicht das was mich interessierte.
Die letzten drei Wochen waren die langweiligsten meines Lebens gewesen. Mein Therapeuth, der mich für übergewichtig befand, hatte mich dazu verdonnert, streng nach dem Motto "Gesunder Geist in einem gesunden Körper" jeden Morgen zusammen mit einer von einem Mitarbeiter angeführten Truppe einen Waldlauf zu machen. Einmal die Woche gab s Gestaltungstherapie. Malen sie mal, was sie bedrückt. Sagte mir wenig. Zweimal die Woche Gruppensport (sagte ich, daß ich noch nie freiwillig Sport gemacht habe? Sport ist Mord). Einmal die Woche Einzelgesprächstherapie, in der der Therapeut mir alle möglichen Probleme einreden wollte, die ich weiß Gott nicht hatte, zweimal die Woche Gruppengesprächstherapie.
Zumindest letzteres war irgendwie, zumindest als Kuriosität, lustig, da meine Gruppe aus 6 Personen bestand, die nicht unterschiedlicher hätten sein können. Was hatten wir einen Spaß. Nicht wirklich, denn allzu viele Themen, die uns gemeinsam gewesen wären, hatten wir nicht. Wenn einer mal was sagte, fanden sich sogleich mindestens 3 andere, die auf ihm herumhackten, was er doch für ein Idiot sei. Hauptattraktion war eine knapp 40jährige Frau, die es offenbar genoß, sich bis auf s Blut fertig machen zu lassen. Ich hatte es schnell aufgegeben, mich mehr als "pro forma" zu beteiligen.

Immerhin war ich jetzt soweit, daß ich die "Lizenz" hatte, mich, solange ich nachts da war und zu den festgelegten Therapiesitzungen erschien, frei zu bewegen. Aber wer wollte das schon tun, bei dem Wetter?

Was für ein Schuß in den Ofen. Immerhin funktionierte die Gerüchteküche hervorragend. Heute morgen war das Gerücht herumgegeistert, daß wir einen Neuzugang bekommen würden, eine junge Frau, die nach einem Selbstmordversuch in das Uniklinikum eingeliefert worden war und jetzt auf unsere Station kommen sollte. Ich rechnete mir aus, daß sie wohl in meine Gesprächsgruppe kommen würde, da wir mit 6 Leuten unterbesetzt waren.
Tatsächlich. Am Nachmittag war plötzlich emsige Aktivität und Türenklappern auf dem Flur zu verzeichnen. Gaffer. Ich blieb auf dem Bett liegen.

Beim Abendessen war sie dann da. Mein Unterkiefer machte Bekanntschaft mit meinem Brustbein. Sie war klein, nicht zu dünn, vielleicht 25 Jahre alt, vielleicht auch jünger. Bleiches Gesicht, knallbunt gefärbte Haare, ich konnte auf den ersten Blick blau, rot, grün und pink ausmachen, die büschelweise in alle Richtungen abstanden. Ein ebenfalls reichlich buntes Top, dessen Farben zusammen mit den Haarfarben beinah schmerzhaft wirkten, an den Unterarmen und Händen fingerlose weiße Handschuhe. Ich brauchte ein oder zwei Sekunden, bis ich realisierte, daß es sich um Verbände handelte. Einen schwarzer Minirock, eine grobe Netzstrumpfhose und weiße Birkenstocksandalen komplettierten die merkwürdige Erscheinung.
Offenbar wußte sie nicht, wo sie sich hinsetzen sollte, denn sie schaute sich etwas ziellos um.

Ich muß wohl gut und gerne für fünf Sekunden die Türe zum Speiseraum blockiert haben, denn ich bekam einen Rempler von hinten: "Willst du da ewig stehen bleiben?"

Ich klappte meinen Mund zu, nahm mein Herz in die Hand, ging auf sie zu: "Komm, da hinten ist es normalerweise am ruhigsten. Du willst nicht im Wege stehen, wenn die Irren anfangen, sich mit dem Essen zu bewerfen."
Innerlich versetzte ich mir einen Tritt. Was für eine blöde Anmache. Aber es zeigte Wirkung, denn jetzt klappte ihr der Unterkiefer herunter. Und sie folgte mir.

Ich setzte mich neben sie. "Hi, ich bin Jörg."
Abwesend schaute sie in meiner Nähe vorbei: "Del."
"Del?"
"Ja."
Ich ließ sie in Ruhe ihr Essen hin- und herschieben. Auch wenn ich natürlich heillos übertrieben hatte, ging es beim Abendessen meistens hoch her, weil irgendwelche Leute immer anfangen mußten, über irgendwen anders zu lästern.
Del nahm die abfälligen Bemerkungen, die mehr oder minder offen über sie und ihre Erscheinung gemacht wurden ohne Regung hin. Ich hatte den Verdacht, daß sie sie nicht wahrnahm, bis ich plötzlich ihre Mundwinkel zucken sah.
Das muß wohl der Moment gewesen sein, in dem ich sie adoptierte.
Ich ließ meinem Ärger freien Lauf und wurde reichlich laut. "Jetzt laßt sie doch in Ruhe. Ihr blöden Arschlöcher müßt doch nicht gleich am ersten Abend alle Leute auseinandernehmen, die hier auftauchen."
Danach stand ich auf, wurde persönlich und schimpfte wie ein Rohrspatz, bis eine Schwester anfing, scharfe Blicke in meine Richtung zu werfen. Ich realisierte, daß ich wohl genug gesagt hatte.
In die Stille hinein sagte jemand hämisch: "Jörg hat sich verliebt." Gelächter.
Ich schnappte nach Luft und setzte mich. Das hatte wohl auf den Punkt getroffen.
Ich stellte auf einmal fest, daß ich mindestens zwei Hände zu viel hatte, denn ich hatte keine Ahnung, was ich damit machen sollte.

Ziemlich bald stand ich auf und verließ den Raum.
Eine halbe Stunde später ging ich an dem Raum vorbei, warf einen Blick durch die halboffene Tür und sah, daß Del immer noch auf dem gleichen Platz saß, während der Raum ansonsten verwaist war.
Ich ging hinein und setzte mich auf einen Stuhl, der eine solide Intimdistanz entfernt war.
"Willst du die ganze Nacht hier verbringen?"
Sie sah wütend aus: "Ich brauche dein Mitleid nicht!"
"Nä. Das siehst du falsch. Warum sollte ich dich bemitleiden?"
Das erste Mal sah sie mir in die Augen. Ich hielt dem Blick ziemlich lange stand, bevor ich zu Boden schaute.
Stille. Dann sprach sie: "Was machst du hier?"
Ich entschied mich, ihr reinen Wein einzuschenken. Das erste Mal in meinem Leben, daß ich über meine Neigungen und Phantasien sprach, auch daß ich mich häufig einsam und deprimiert fühlte. Sie unterbrach mich nicht. Aber jedes Mal, wenn ich aufblickte, sah ich, daß ihre Augen mich unablässig fixierten.
Als ich fertig war, blickte sie mich weiter an.
Ich fragte sie: "Und was machst du hier?"
Sie hob demonstrativ ihre Hände. "Ich habe mir die Pulsadern aufgeschnitten. Warum darf ich nicht entscheiden, wann ich sterbe? Ich will hier nicht sein. Ich gehöre nicht hierher."
Ihr Blick wurde noch intensiver. Ich hatte dem nichts entgegenzusetzen. Ich schwieg.

Am nächsten Tag war Gruppentherapie angesagt. Del sah schweigend zur Wand, während die anderen mich für mein unkonstruktives und unsachliches Verhalten am Abend zuvor zerfleischten. Normalerweise hätten mich einige der Dinge, die gesagt wurden, sehr hart getroffen. Aber irgendwie gelang es mir, alles von mir abgleiten zu lassen.
Nach der Sitzung blieben Del und ich schweigend sitzen, bis wir aus dem Raum geworfen wurden, da er für andere Zwecke gebraucht wurde. Im Rausgehen flüsterte sie: "Du gehörst auch nicht hierher."
Tagsüber war wenig zu tun. Ich spielte ein wenig auf meiner Mundharmonika, was allen anderen an den Nerven zu zerren pflegt, weil ich alles andere als ein musikalisches Wunderkind bin. Rache ist Blutwurst.

Nach dem Abendessen das gleiche Spiel wie am Tag zuvor. Wieder fand ich Del im Speisesaal sitzend.
Sie fragte mich, ob mir das ganze Spaß machte, wenn ich doch freiwillig hier wäre. Ich erklärte, daß freiwillig und freiwillig zwei unterschiedliche Dinge seien, und daß ich mir außerdem unter einer Klapsmühle etwas anderes vorgestellt hätte, das ich gerne mal eine Zwangsjacke ausprobiert hätte und so, daß ich mich aber nicht traute, das Personal zu fragen, und auch ziemlich sicher wäre, daß die nur mit erheblicher Verwunderung und Ablehnung auf meinen Wunsch reagiert hätten.

Del maß mich mit den Augen und stimmte mir zu.
Langsam wurde es dunkel draußen. Del rückte näher auf mich zu, und lehnte sich an meine Schulter. Ich saß wie versteinert und wagte kaum, zu atmen.
Dann sagte sie: "Mach die Augen zu."
Ich gehorchte. Sie stand auf, tat kurz irgendetwas, dann glitt ihre Hand in meine Hose und faßte meine Erektion an. Ich zuckte überrascht zusammen, doch eh ich irgendetwas sagen konnte, verschlossen ihre Lippen meinen Mund.
"Du darst die Augen wieder aufmachen."
In dem dämmrigen Raum stand Del nackt vor mir, bekleidet nur mit den weißen Verbänden an den Handgelenken. Über der linken Brust trug sie die Tätowierung eines blauen Schmetterlings.
"Gefall ich dir?"
Ich nickte.
"Leg dich auf den Boden."
Ich hatte keine Zeit für Bedenken.

Später schlichen wir beide leise in unsere jeweiligen Zimmer. Mit einem breiten Lächeln, wie ein dicker Pinguin, der sich gerade den Bauch voller Heringe geschlagen hat, schlief ich ein.

Mitten in der Nacht ging auf einmal das Licht an und ich wurde von vier stämmigen Pflegern aus meinem Bett und auf den Flur gezerrt. Dort rangen sie mich auf eine fahrbare Trage nieder und gurteten mich an. Ich schrie und tobte, hatte aber ihren geübten Griffen nichts entgegenzusetzen. Vermutlich habe ich die ganze Station geweckt.
Zügig wurde ich den Flur heruntergefahren und hinein in den Aufzug, der sich nach oben in Bewegung setzte. Einer der Pfleger rüffelte mich an: "Halt die Fresse, du perverse Sau.". Das beeindruckte mich überhaupt nicht und ich schrie eher noch lauter.
Als die Aufzugtüre aufglitt erkannte ich die Eingangstüre der geschlossenen Station. Ich verlangte zu wissen, was hier los sei. Der gleiche Pfleger rüffelte, daß ich das sehr genau wisse.
Sie fuhren mich in ein Zimmer, das außer einem Krankenhausbett bar jeder Einrichtung war. Ich wurde auf dieses Bett umgelegt, wobei ich wild und ineffektiv um mich schlug und trat. Nach drei Minuten waren meine Hand- und Fußgelenke in breite, dick gepolsterte und sehr eng anliegende Ledermanschetten geschnallt, die an den Ecken des Bettes befestigt waren. Dazu hatte man über meine Knie, das Becken und den Brustkorb jeweils noch einen ca. 8cm breiten Nylongurt geschnallt, die auch mit einer Polsterung versehen waren.
Dann schlug die Tür mit einem satten Geräusch zu.
Ich hörte bald auf, zu schreien und zu fluchen. Ich war völlig ahnungslos, was los war. Das waren ja allerbrutalste Gestapomethoden, mich ohne ein Wort fortzuschleppen und an einem Bett anzuschnallen. Was auch immer das sollte.

Nicht allzulange später wurde ich aufgeklärt. Der Obertherapeut, den ich bisher vielleicht zweimal gesehen hatte, kam in den Raum. Er sah eigentlich auch nicht viel anders aus als ich, man konnte ihm ansehen, daß er wohl auch mitten in der Nacht aus dem Bett gerissen worden war, denn sein Hemd war falsch zugeknöpft. Allerdings hatte ich den Verdacht, daß es bei ihm wohl nicht 4 Pfleger gewesen waren, sondern wahrscheinlich eher ein Telefonanruf, daher hielt sich mein Mitleid mit ihm in engen Grenzen.
Er fing an, mir Vorwürfe zu machen, daß ich das Vertrauen, daß in mich gesetzt worden sei schamlos mißbraucht hätte, was ich mir dabei gedacht hätte, ein Affront gegen das Personal, noch einige andere Dinge.
Schlauer wurde ich davon nicht. Ich sah in lediglich an.
Als er Luft holte, fragte ich: "Was ist denn eigentlich los?"
Endlich rückte er mit der Sache heraus: "Sie haben Delores Ende im Speisesaal zusammengeschlagen und vergewaltigt." Und fuhr fort mit seiner Tirade, das das nicht ginge, daß die offene Station auf gegenseitigem Vertrauen aufbaue, was das dem Ruf der Klinik antuen könne etc.etc.etc.
Ich konnte es nicht fassen. Als er eine kleine Pause einlegte, fragte ich ihn: "Glauben sie eigentlich selbst den ganzen Unsinn, den sie hier verzapfen?"
Sprachlos schaute er mich an. Tat irgendwie gut, einen der Therapeutenriege mal sprachlos zu sehen. Dann ging er.

Ich schmorte ziemlich lange im eigenen Saft. Draußen fing es an hell zu werden. Ich war zwar ein paarmal eingenickt, aber immer sehr schnell wieder aufgewacht, wenn ich im Halbschlaf irgendwas an meiner unbequemen Lage ändern wollte.
Dann ging die Tür auf und ein Arzt schaute herein.
Bevor er etwas sagen konnte, ließ ich einen Wortschwall auf ihn los, daß ich ein freiwilliger Patient sei, daß es unverschämt sei, mich so zu behandeln, daß ich auf meiner sofortigen Freilassung und Entlassung aus der Klinik bestand.
Er schüttelte den Kopf: "Nein. Ihre freiwillige Selbsteinlieferung haben wir durch eine Zwangseinweisung ersetzt. Ich glaube nicht, daß sie so schnell wieder hier herauskommen, wie sie glauben. Heute vormittag werden sie einer Richterin vorgestellt, die über ihre Unterbringung hier zu entscheiden hat.
Nachdem sie heute Nacht einen der Therpauten auf der offenen Station tätlich angegriffen haben und mit Suizid gedroht haben, sahen wir uns veranlaßt, sie auf die geschlossene Station einzuweisen."
"Was erzählen sie mir für einen Blödsinn? Was ist mit Del?"
"Ich weiß von keiner Del. Und wenn sie nicht von uns zusätzlich zu Selbstmordgefahr und einer leichten paranoiden Psychose eine massive Schizophrenie diagnostiziert haben wollen, sollten sie lieber auf die Erwähnung von Personen, die ihrer Phantasie entsprungen sind verzichten."
Sprach s und ging.
Jetzt war nachdenken angesagt. Einfach aus Jux und Dollerei hatte ich wohl kaum eine Zwangseinweisung kassiert, irgendeinen Grund mußte es geben. Der Oberdoc der Offenen hatte gesagt, daß ich Del vergewaltigt hätte. Das konnte nicht alles meiner Phantasie entsprungen sein, oder ich mußte wirklich verrückt sein. Jetzt erzählte der andere, ich hätte einen Therapeuten angegriffen?
Irgendwann kam ich auf die Idee, daß die Klinikleitung sich entschlossen hatte, den Vorfall unter den Teppich zu kehren. Aber der Vorfall an sich... ich wußte ziemlich sicher, daß ich niemanden vergewaltigt hatte, eher war es umgedreht, aber sicherlich mit gegenseitigem Einverständnis gewesen.
Sollte Del...? Aber warum? Die Frau mußte völlig verrückt sein. Durchgeknallt. Irre. Und ich war ihr auf den Leim getappt.
Was sollte ich jetzt machen? Die Story würde mir kein Mensch glauben, zumal ja auch sicherlich leicht nachzuweisen war, daß ich Geschlechtsverkehr mit Del gehabt hatte.

Später wurde ich der Richterin vorgeführt. Zwei Pfleger banden mich los und verschnürten mich mittels einer Zwangsjacke in einen Rollstuhl. Das war bei weitem nicht so erregend, wie ich mir das vorgestellt hätte.
Die Richterin fragte mich nach den Gründen, warum ich den Therapeuten angegriffen hätte.
Ich spielte einsichtig und reuig: "Ich weiß, daß es nicht richtig war. Aber er hat mich als fettes, impotentes Weichei beschimpft, das nicht in der Lage ist, Mutters Rockzipfel loszulassen. Da habe ich rot gesehen."
"Das wurde aber seitens der Stationsbelegschaft anders dargestellt. Sie sollen völlig grundlos auf den Mann losgegangen sein."
"Nein. Das stimmt nicht."
Man sah ihr an, daß sie annahm, daß die Wahrheit irgendwo zwischen den beiden Darstellungen lag. Das war ein Punkt für mich.
"Und was ist mit der Suiziddrohung?"
"Blödsinn. Die haben mich mit mehreren Leuten in eine Ecke gedrängt und ich habe sicherlich alles mögliche geschrien. Aber das war doch nicht ernst gemeint sondern reine Panik."
Sie fixierte mich lange mit den Augen. Ich gab mein bestes, ihrem Blick standzuhalten.
"Naja. Sie haben ja niemanden ernsthaft verletzt, und sie machen einen sehr rationalen Eindruck auf mich. Wir machen einen Kompromiß. Statt der von ihrem behandelten Arzt vorgeschlagenen drei Monaten Unterbringung auf der geschlossenen Station werde ich eine Evaluationsperiode von 3 Wochen ansetzen, nachdem ich sie erneut vorgeführt haben möchte. Ist das ok?"
Ich nahm das Urteil mit einem Nicken an. Weniger war wohl nicht herauszuschlagen. Aber etwas konnte ich noch versuchen: "Bitte. Ich hätte noch eine Bitte. Können sie veranlassen, daß ich keine Medikamente bekomme? Ich will nicht als Drogenzombie herumlaufen."
Sie schaute mich erneut an, diesmal wohl noch länger. "Ok, ich werde ausdrücklich Zwangsmedikationen ausschließen und anordnen, daß ihnen nur nach schriftlichem Einverständnis Medikamente verabreicht werden."
Ich atmete sichtlich auf und bedankte mich.

Die Bedingungen der Einweisung schienen den Ärzten weniger zu behagen, während ich in Hochstimmung war. Unter den gegebenen Umständen hatte ich den Hauptgewinn gezogen.
Das Pflegepersonal schien komplett darüber informiert zu sein, daß ich ein agressiver Patient war, dem möglichst geringe Freiräume zu lassen seien. Daher verbrachte ich die nächsten Tage und Nächte abwechselnd angeschnallt an ein Bett oder eingewickelt in eine Zwangsjacke, und als Minimum, nach einer Woche, zwei aufeinanderfolgende Tage und Nächte in einer "Beruhigungszelle", einem sehr kahlen Raum, nur mit einer Matratze eingerichtet, mit Videoüberwachung, ich nur mit einer Unterhose bekleidet. Aber immerhin konnte ich mich endlich mal wieder bewegen.

Neun Tage waren rum. Hatte ich vorher gesagt, daß es auf der offenen Station öde und langweilig war? Ich hatte ja keine Ahnung gehabt. Hier war ich den lieben langen Tag zum wirklichen Nichtstun verurteilt. Und irgendwann hat man jeden Gedanken gedacht. Ich hatte sogar angefangen, zu versuchen, die diversen Gedichte, die ich weiland in der Schule hatte auswendig lernen müssen, zusammenzukratzen und zu rezitieren.
Langsam fing ich an, mir Sorgen um meinen Geisteszustand zu machen. Wenn man nicht schon verrückt war: hier konnte man es sicherlich werden.

Daher war ich auf jede Form von Abwechslung gespannt, als sich die Türe öffnete. Rein kam der Obertherapeut der offenen Station. Er sprach mich an und fing an herumzudrucksen.
"Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen."
Ich war baff. Ich musterte ihn und merkte, daß es ihm ernst zu sein schien.
Langsam sagte ich: "Das wurde aber auch Zeit."
Das paßte ihm allerdings überhaupt nicht. Er schluckte. Und dann fing er an zu erklären.
Sie hatten in der Tat eine in der Raumecke zusammengekauerte und weinende Del im Speisesaal gefunden, mit mehreren Prellungen, Abschürfungen, zerrissenen Kleidern und blutender Nase. Unter schluchzen, schniefen und sehr unbeteiligt wirkend hatte sie erzählt, daß ich sie vergewaltigt habe. Bei genauerer Untersuchung hatten sich die Spuren des Geschlechtsverkehrs offenbart. Alles sei so, so zusammenhängend erschienen. Meine offensichtliche Gehemmtheit in sexuellen Dingen. Mein Interesse für Del.
Daraufhin war ich auf kürzestem Wege in die Geschlossene überstellt worden.
In einigen Kriesensitzungen in der Nacht war entschieden worden, daß die Geschichte nicht an die Öffentlichkeit dringen dürfe. Del hatte zugestimmt, Schweigen zu wahren, unter der Bedingung, sofort entlassen zu werden.
Das wurde so gemacht. Die Frage war gewesen, was man mit dem Vergewaltiger tun sollte... und da war ihnen die Richterin mit den eng begrenzten Auflagen für meine Verwahrung ziemlich in die Parade gefahren.
Hier unterbrach ich ihn: "Und welcher Umstand hat sich jetzt ergeben, damit sie mir das alles erzählen?"
Er biß sich auf die Lippe. Er hatte einen Brief bekommen. Von Del. In dem sie die Wahrheit über die Vorfälle des Abends offenbart hatte, und der mich vollständig entlastete. Wie sie, nachdem ich ins Bett gegangen war, ihre Kleidung zerrissen hatte und sich selbst einige Verletzungen zugefügt hatte. Sie hatte mit exakt der eingetretenen Reaktion der Klinikleitung gerechnet.
Bei mir dachte ich, daß sie wahrscheinlich außerdem noch davon ausgegangen war, mir einen Gefallen zu tun...
Der Doc begann wieder herumzudrucksen. Ich kam ihm zuvor: "Und jetzt wollen sie das Ganze komplett unter den Teppich kehren und wissen, unter welchen Umständen ich bereit bin, davon nie etwas verlauten zu lassen?"
Er gab auf: "So ungefähr."
Ich überlegte. "Eigentlich habe ich nur einen Wunsch: Ich will hier heraus. Und zwar so schnell als möglich. Als geheilt entlassen und vollständig rehabilitiert, mit Löschung der vorhandenen Akten. Aber, ehrlichgesagt, eine finanzielle Entschädigung für die körperlichen und psychischen Qualen, denen ich hier unterzogen wurde, wäre auch nicht verkehrt."
Das hatte er wohl vorausgesehen. Er könne mir offensichtlich kein regelrechtes Geld auszahlen, so ohne weiteres, denn das sei ja quasi als Schuldeingeständnis die Basis für Erpressungen.
Anstelle dessen bot er mir einen auf zwei Jahre laufenden, seitens des Klinikums nicht kündbaren Arbeitsvertrag als wissenschaftlicher Mitarbeiter ohne Vereinbarung über zu leistende Tätigkeiten etc. an. Mein Einkommen würde bei brutto 1200Eur pro Monat liegen.
Ich handelte ein drittes Jahr heraus.
Dann begleitete er mich auf die offene Station, wo der vorbereitete Vertrag unterzeichnet wurde und er mir meine fertig gepackten Sachen übergab. Ich verabschiedete mich und ging.

Als ich das Klinikum verließ und in Richtung des Bahnhofes ging, stieg eine junge Frau aus einem Auto und trat mir in den Weg. Sie hatte extrem bunt gefärbte Haare und trug ein buntes Top, das überhaupt nicht zu den Haaren paßte, einen Minirock, eine Netzstrumpfhose und weiße, fingerlose Handschuhe, die sich beim näher herangehen tatsächlich als Handschuhe entpuppten. Ich ging, mich plötzlich sehr unsicher fühlend, auf sie zu.
Sie sagte: "Ich wußte, daß du entweder heute oder morgen entlassen werden würdest. Was anderes konnte nicht passieren, nachdem ich den Brief abgesandt hatte."
Ich fragte sie, ob sie völlig wahnsinnig sei. Sie antwortete: "Nein. Ich wußte genau, wie die Reaktion ausfallen würde. Alles paßte so gut zueinander. Du wolltest Zwangsjacken, Fesseln und so weiter kennenlernen und ich wollte so schnell als möglich heraus aus dem Laden, da ich dort einfach keine Luft bekam, und dort jeden verbliebenen Lebenswillen verloren hätte.
Das einzige, wo ich auf eine Schätzung angewiesen war, war, wie lange ich mit dem Brief warten sollte, damit du auch wirklich das volle Programm bekommst.
Hast du es genießen können?"
Ich antwortete, das ganze von der humorvollen Seite nehmend, daß ich mehr als genug bekommen hätte.
Sie küßte mich.


Dann sagte sie: "Komm mit."
Wir fuhren in ihre Wohnung. Der Tag wurde noch ziemlich lang. Wir redeten, tranken und liebten uns. In der Nacht, im Bett schlug Del mir vor, daß ich vorerst ihr Gast bleiben könnte, bzw. zu ihr ziehen, wenn ich wollte. Ich überlegte mir meine Optionen. Zurück in das möblierte Zimmer im Studentenwohnheim, das retrospektiv doch sehr der Beruhigungszelle in der Psychiatrie ähnelte? Ich hätte binnen kürzester Frist wieder meine Sinnkrise gehabt.
Ich sagte, daß ich gerne zu ihr ziehen würde. Sie lächelte, murmelte: "...gut...." und war in meinem Arm eingeschlafen.
Wenig später schlief ich auch.

Ich wachte von geschäftigem Klappern in der Küche auf. War Del am Ende gar eine Frühaufsteherin? Ich reckte mich ausgiebig und stand auf. An meinem linken Handgelenk saß ein ungefähr 4 cm breiter und vielleicht 1 cm starker Ring aus matt glänzendem Metall. Eine Nahtstelle, Schloß oder Scharnier waren nicht erkennbar.
Verwundert beschaute schaute ich mir den Ring an. Er war leicht oval und ließ sich kaum um das Handgelenk drehen. Ihn über die Hand zu ziehen, war ganz klar nicht möglich. Dann bemerkte ich eine kleine Gravur: "Del".

Ich ging in die Küche, unbekleidet, bis auf den Ring.
"Del, was soll das sein?"
Sie schaute mich an, und es gelang ihr tatsächlich, wegen der Frage verwundert zu wirken.
"Ich pflege mein Eigentum zu markieren."
Wie jetzt? "Wie jetzt?"
"Naja. Es käme auch eine Tätowierung in Frage. Aber Tätowierungen sind doch ziemlich... endgültig. Ich wollte dir etwas mehr Zeit für die Entscheidung geben."
Wie jetzt? "Wie jetzt?"
"Du bist jetzt für solange mein Eigentum, bis ich entscheide, daß ich dich nicht mehr haben will."
Und was war mit mir?
Del fuhr fort: "Komm, laß uns das mit dem Frühstück verschieben. Du siehst sehr aufreizend aus, so wie du angezogen bist."
Belämmert folgte ich ihr in das Schlafzimmer.

Aus dem Frühstück wurde dann eher ein Mittagessen.
Als ich mich anziehen wollte, merkte ich, daß meine Klamotten verschwunden waren.
"Del, wo sind denn meine Anziehsachen? Ich bin sicher, daß ich meine Sporttasche gestern mit rein gebracht habe."
"Oooch... für meinen Geschmack bist du völlig hinreichend angezogen."
"Del, das wird mir jetzt alles doch viel zu merkwürdig. Ich will meine Anziehsachen wieder haben. Und mach den Ring ab. Ich will hier raus."
"Setz dich."
Ich setzte mich an den Tisch, ihr gegenüber.
"Jörg, du kannst gehen, wenn du willst. Hier ist der Schlüssel für das Armband, deine Sachen kann ich schnell holen."
Sie legte ein kleines Metallteil auf den Tisch. Ich griff danach.
"Aber wenn du jetzt das Armband aufschließt, dann mußt du gehen. Wir werden uns nie wiedersehen, oder wenn doch, dann per Zufall, und ich werde dich nicht mehr kennen.
Wenn du dich entscheidest, zu bleiben, dann zu meinen Bedingungen."
Ich zögerte, zog meine Hand ein Stück zurück.
"Es wäre schön, wenn du bleiben würdest."
Das gab den Ausschlag.
"Gut. Aber..."
"Kein aber. Ganz oder gar nicht."
Ich schluckte. "O.K."

Del schwieg einen Moment, maß mich mit den Augen.
"Du gefällst mir zwar wirklich sehr gut so, aber ich denke, wir brauchen etwas für dich anzuziehen."
"Aber..."
"Ich will dieses Wort nicht mehr hören!"
"... warum gibst du mir nicht meine normalen Klamotten?"
"Ich habe etwas anderes für dich im Hinterkopf... aber jetzt brauche ich noch etwas, was du während unserer Shoppingtour anziehen kannst. Warte, ich hole dir was."
Sie ging in das Schlafzimmer und klapperte geschäftig mit Schranktüren. Als sie wiederkam, sagte sie:
"So, das müßte dir passen," und warf ein schwarzes Bündel auf den Tisch.
Ich griff danach und wickelte es auseinander. Ich hielt eine (meine!) Unterhose, Socken, eine kurze, schwarze Lederhose, die an allen möglichen Stellen mit Nieten besetzt war und ein ebenfalls schwarzes Muskelshirt in der Hand.
So wollte sie mit mir auf die Straße gehen? Vielmehr, so sollte ICH auf die Straße gehen?
"Nun zieh schon an. Heute ist Samstag... so ewig haben die Geschäfte nicht mehr auf."
Ich zog mich an. Die Hose kniff furchtbar und ließ sich nur mit Mühe zumachen.
Del grinste: "Hmmm... die ist etwas knapp... aber für einen kurzen Stadtbummel wird es gehen. So, jetzt mal rein in deine Birkenstocks... ich denke, als erstes werden wir dir Schuhe kaufen müssen. Diese Ökolatschen sind ja unter aller Würde."

Ich wäre am liebsten gut getarnt von Hausecke zu Hausecke gehuscht, aber Del zog es vor, mit mir an der Hand mitten durch die reichlich belebte Fußgängerzone zu spazieren. Im Schuhgeschäft suchte Del mir ein Paar Schuhe aus, die bei mir unter "massive Stiefel" rangierten. Dazu wurden gleich Socken gekauft, und sie zeigte mir, wie ich sie stilecht umzukrempeln hatte.
Meine Güte, war mir das peinlich. Wir schienen die Hauptattraktion in dem Laden zu sein. Als ich die Stiefel wieder ausziehen wollte, kommandierte Del: "Laß gleich an," und warf demonstrativ meine Birkenstocks in den Altschuhcontainer neben der Kasse.
Ich traute mich nicht, aufzumucken, und fing an, einer Tomate Konkurrenz zu machen.

Anschließend zogen wir weiter und sie kaufte exakt das gleiche Modell Lederhose, wie ich sie bereits anhatte, nur eine Größe größer. Hier war ich derjenige, der das frisch Gekaufte anlassen wollte.

Wir gingen weiter. Plötzlich fragte Del: "Sag mal, hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht, dir ein Ohrloch stechen zu lassen?"
Ich blieb stehen: "Ja, aber..."
Sie drehte sich um und fuhr mich erneut an: "Ich sagte, ganz oder gar nicht. Also: Ja oder Nein."
"Ja, ich habe mir schonmal Gedanken darüber gemacht."
"Ich finde, jetzt wäre eine tolle Gelegenheit dafür."
Sie musterte mich kritisch: "Eindeutig das linke Ohr. Möchtest du?"
Ich wiegelte ab: "Das hängt vom Ohrring ab."
Ich hatte immer gedacht, daß man sich Ohrringe bei einem Juwelier durchstechen lassen würde, aber Del ging zielstrebig auf ein kleines Lädchen zu, das ein Schild mit "Tatoo / Piercingshop" über der Türe hatte.
Sie zeigte auf einen kleinen Ring mit einer schwarzen Kugel, der im Schaufenster ausgestellt war. Sah zugegebenermaßen dezent und kleidsam aus.
Ich atmete aus: "OK"
Wir gingen in den Laden und Del sagte: "Ich möchte meinen Freund piercen lassen."
Unbewußt machte ich einen Schritt rückwärts. Der breitgebaute Mann hinter der Kasse grinste und sagte: "Eine hervorragende Idee."
Dann handelte er ein Weilchen mit Del herum, was für ein Ring, wie teuer, wo, etc. Mit den Fachbegriffen konnte ich rein gar nichts anfangen. Der Mann beachtete mich überhaupt nicht.
Schließlich führte er mich in ein Hinterzimmer und ich setzte mich auf eine Art Zahnarztstuhl.
"Lehn dich mal gut an und mach s dir bequem."
Er sprühte etwas auf mein Ohr, das sehr schnell sehr kalt und ziemlich taub wurde.
Der eigentliche Vorgang war trotzdem recht schmerzhaft, aber er arbeitete schnell und geübt.
Als er fertig war, konnte ich im Spiegel mein ziemlich gerötetes Ohr betrachten, und stellte fest, daß der Ohrring weniger durch das Ohrläppchen ging, sondern vielmehr hinten auf drei-viertel Höhe.
Ich guckte, blinzelte, guckte noch einmal. Del sagte "Prima. Genau so hatte ich s mir vorgestellt."
Der Mann gab Del noch ein paar Hinweise, wie das Piercing zu pflegen sei. Sie sagte ihm, daß sie das nicht zum ersten Mal machte. Sie hatte bereits bezahlt und wir verließen den Laden.

Anschließend assen wir noch ein Eis und gingen nach hause. Hatte ich das wirklich gedacht? Ich dachte es nochmal. Nach hause. Dort angekommen verschwanden wir erstmal wieder im Bett. Später lag ich entspannt auf dem Rücken, Del neben mir.

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Tagsüber verbrachten wir viel Zeit im Bett. Nachts waren wir meistens unterwegs...

Wir besuchten eine Disko, ein Kellergewölbe. Stampfende Musik, wallende Nebel, wankende Gestalten auf der Tanzfläche. Ich hätte mich beinah nicht reingetraut, normalerweise ging ich an derartigen Läden eher vorbei, und so wie ich aussah... Del mußte schon recht energisch an meinem Arm ziehen, bis ich ihr folgte.
Drin stellte ich allerdings fest, während ich mich schüchtern in einer Ecke herumzudrücken versuchte, daß mein Outfit gar nicht so daneben lag. Ich fing an mich zu entspannen und dem Ganzen durchaus etwas abzugewinnen. Vor allem als Del anfing, für mich zu tanzen...

Ein Irish Pub. Livemusik, ausgelassene Gäste. Nach dem zweiten Guiness gelang es mir gut, die Blicke, die Del und mich trafen zu übersehen.

Im Kino war es schon deutlich anheimelnder... Del kuschelte sich eng an mich, als das typische Alien mit seinem typischen Gemetzel anfing. Hinterher fragte sie: "Warum guckt ihr euch so etwas bloß so gerne an? Genügen euch die Träume nicht?"
Ich zuckte die Schultern und sagte etwas von "Wahrscheinlich, weil einen so ein Film einfach für zwei Stunden aus der Realität reißt, und man gefahrlos wieder zurückkehren kann."
Del schaute mich irritiert an.

Eine Oper. Verdi. Dels Konzession an mein Aussehen war, daß wir morgens eine lange schwarze Lederhose kauften. Trotzdem hätte ich mich am liebsten in meinem Sitz zusammengerollt, oder wäre in einem kleinen schwarzen Loch verschwunden. Sie gab mir einen mittelmäßigen Rippenstoß. Naja. Opern waren nicht so ganz mein Ding... so wenig, wie Kino Dels.

Der Spätsommer wurde zum Frühherbst.
Del schlug vor, mal einen ruhigen Abend einzulegen.
Ich wußte zwar nicht genau, was sie sich darunter vorstellte, aber stimmte zu, daß das eine gute Idee sei.
Wir fuhren aus der Stadt. Del hatte Wein, Baguette, etwas Käse eingekauft. Am Flußufer, an einer abgelegenen Ecke machten wir ein Picknick. Als es anfing dunkel zu werden, suchten wir etwas Holz zusammen und machten ein Feuer. Später, als es heruntergebrannt war, lagen wir da und beobachteten den Sternenhimmel und tranken die Stille.
Als das Feuer verglühte, sprach ich Del an: "Es könnte ewig so weitergehen."
Sie lächelte.

In der Nacht wurde mir bewußt, daß es eben nicht ewig so weitergehen konnte. Das ging nicht. Schon ganz banal: Woher kam das Geld? Del hatte die letzten Tage immer bezahlt, mein Portemonaie war völlig unangetastet geblieben. Genauer gesagt war es in unserer ersten Nacht mitsamt meinen anderen Besitztümern verschwunden.
Ich sprach Del an: "Du, wie sieht es eigentlich mit dem Geld aus? Hast du im Moment Urlaub, wovon leben wir eigentlich gerade?"
Sie schaute mich an, seufzte und sagte: "Ok. Irgendwann mußt du es ja mal erfahren. Irgendwann erfährt es jeder. Wie heiße ich?"
Ich war verblüfft. Ich dachte nach, tatsächlich hatte sie mir gegenüber nie einen anderen Namen genannt, als damals auf der Station. Auch auf der Türklingel stand nur "Del". Aber der Obertherapeut... "Delores Ende."
Sie lächelte. "Nein. Du würdest das einen Decknamen nennen, unter dem ich im Krankenhaus war. Auch Del ist nur ein Spitzname, meine große Schwester nennt mich immer so. Ist einfach haftengeblieben.
Tatsächlich heiße ich Marie-Josephine Schwarzenbach."
Das ließ keine Glocke klingeln. Verwundert zog ich die Augenbrauen hoch: "Ein Deckname?"
"Seit vor fünfzehn Jahren unsere Eltern bei einem Absturz ihres Jets starben, sind meine Schwester und ich die Eigentümer der Schwarzenbach Stahlwerke. Wir verbrachten die meiste Zeit unsers Lebens in teuren Privatinternaten, in die wir von einer Horde Anwälte und gieriger Verwandter gesteckt worden waren. Das einzige, was ich ihnen hoch anrechnen muß, ist daß es ihnen gelang, die Presse halbwegs von uns fern zu halten. Es gibt wenige Fotos von mir.
Vor zwei Jahren hat sie dann regelrecht ihr Erbe angetreten und führt jetzt den Konzern Sie ist ja so... pflichtbewußt. Ich hatte einfach nie Interesse daran. Und sie ist auch sehr froh, daß ich mich heraushalte... sie kümmert sich um das Geschäft."

"Zwei junge, hübsche Frauen, die im oberen Drittel der größten Privatvermögen in Deutschland rangieren... kannst du dir vorstellen, wie scharf die Yellowpress auf jedes Foto ist? Delores Ende ist eine Scheinidentität, die die Presse bisher nicht mit mir hat in Verbindung gebracht hat, und unter der ich normal leben kann, in einer spärlichen Mietwohnung und mit einen klapprigen Fiat. Letztes Jahr habe ich das erste Mal Lotto gespielt. Warte mal..."
Sie zeigte mir einen Kontoauszug. Da standen einige Stellen vor dem Komma...
Ich schwieg.
"Du siehst, Geld ist keine Sorge. Und jetzt geht dir natürlich all Das durch den Kopf. Armes reiches Mädchen. Geld macht nicht glücklich. Eine gute Partie. Schnell auf s Standesamt."
Bei den letzten Worten hatte sie geschnieft, jetzt brach sie in Tränen aus.
In Zeitlupe schüttelte ich den Kopf. Ich nahm sie in den Arm und spendete ihr allen Trost, den ich geben konnte.

Am nächsten Tag war Del wieder gut drauf. Beim Frühstück sprach sie mich an:
"Sag mal, Jörg, du hattest damals gesagt, daß dich Gipse antörnen..."
Ich wurde knallrot und der Toast blieb mir in der Kehle stecken: "... äh..."
"Ja was jetzt? Du hast das damals gesagt."
"Ja..."
"Wenn du einen Gips hättest, oder wenn ich einen hätte?"
"...äh..."
"Rück s raus."
Ich hatte mir nie wirklich Gedanken gemacht. Eine Freundin hatte es in diesen Phantasien nie gegeben. Aber der Gedanke machte mich ziemlich scharf...
"Wahrscheinlich beides...."
Sie lächelte zufrieden. "Dann gehe ich mal einkaufen..."

Nachdem sie weg war, fing ich an, die Küche aufzuräumen und ein wenig zu putzen. Schließlich kam Del wieder, fröhlich pfeifend. Sie packte die beiden großen Papiertüten, die sie trug aus. Ich war leicht enttäuscht, als nur ein Stapel Lebensmittel und ähnliches auf dem Küchentisch lag. Irgendwie hatte ich mehr erwartet...
Del fing an, die Einkäufe wegzuräumen. Schließlich konnte ich nicht mehr an mich halten: "Ist das alles?"
"Ja. Was hast du denn erwartet?"
Wieder machte ich einer Tomate Konkurrenz: "...äh...."
Sie schaute mich gespielt verwundert an und brach schließlich in lautes Gelächter aus.
"Du solltest mal dein Gesicht sehen...."
Ich mußte auch grinsen. Dann erklärte sie mir, daß wir nachmittags einen Termin hätten, wollte aber nicht weiter mit der Sprache heraus.

Wir wanderten zu Fuß los. Als wir dann vor einer orthopädischen Praxis standen, schwante mir etwas. Ich schaute auf das Schild: "Aber da steht doch, daß heute nachmittag geschlossen ist..."
Del klingelte.
Der Arzt, höchstens 35, öffnete die Tür und winkte uns in ein Behandlungszimmer: "So... schön, daß sie gekommen sind... häufig mache ich sowas ja nicht, aber so nett, wie sie gefragt haben... sie müssen mir nur hier eine Erklärung unterschreiben, die mich entlastet. Wie hätten sie es denn gerne?"
Ich schaute ziemlich unsicher. Del warf einen Blick in meine Richtung: "Na los schon. Was willst du?"
"..."
Als sie merkte, daß von mir nichts kommen würde, lächelte sie den Arzt an: "Kein Problem, dann fange halt ich an. Das rechte Bein. Vom Oberschenkel runter, einen Gehgips. Aber lassen sie die Zehen frei, ich will damit wackeln können."
Er grinste und schien sich zu entspannen. "Richtigen Gips oder Kunststoff?"
Del schaute mich an. Ich zuckte die Schultern. "Geht s auch in bunt?"
"Hmmm... ja, Fiberglas geht zumindest mit bunte Streifen."
"Prima... Pink und Blau."
Der Arzt legte los. Er schien mit der Sache hinreichend vertraut... Zügig verschwand Dels Haut zunächst unter einer Schicht Polsterwatte, dann kamen einige Rollen Fiberglasgips. Nach knapp 30 Minuten war das Kunstwerk fertig.
Del bewunderte sich im Spiegel. Mit ihrem unvermeidlichen Top und den Haaren... Ich schnappte nach Luft und konnte kaum an mich halten, sie zu berühren.
Sie sah mich an: "Jetzt du."
Ich schluckte. Ich war mir ziemlich sicher gewesen, daß das hatte kommen müssen. Ich hatte mich vorbereitet.
"Ich hätte gerne links einen langen Gipsarm. Oberarm bis Finger. Die Finger und den Daumen ganz mit eingegipst. Und den linken Fuß. Einen Gehgips vom Unterschenkel, wie bei einer Bänderzerrung."
Der Arzt meinte, ein solcher Gipsarm sei ziemlich ungewöhnlich... damit würde ich auffallen. Del sagte: "Aber das ist doch der Sinn des Ganzen..."
Der Arzt resignierte und diskutierte noch, wie die Hand eingegipst werden sollte. Bei der Frage nach der Farbe rief Del: "Schwarz natürlich."
Eine Dreiviertelstunde später waren mein Arm und mein Fuß fest und unbeweglich in Gips eingeschlossen. Ich hatte Mühe, meine Erektion zu verbergen.
Del drückte dem Arzt einige Geldscheine in die Hand, wieviel genau konnte ich nicht sehen. Wir verabschiedeten uns und gingen. Naja. Mehr oder weniger schnell. Aber die Übung ließ nicht lange auf sich warten.

Auf der Straße zogen wir die Blicke der meisten Passanten hinter uns her, wie wir Hand in Hand durch die Fußgängerzone humpelten. Aber das störte mich überhaupt nicht weiter und Del ohnehin nicht.
Zuhause angekommen verschwanden wir erst einmal im Bett. Als Del unbekleidet bis auf die unvermeidlichen weißen, fingerlosen Handschuhe und das Gipsbein dalag, gab es für mich kein Halten mehr.

Wir standen zum Abendessen wieder auf. Del bat mich, mich anzuziehen, auch sie selber zog sich an.
Nach dem Essen mit Tischtuch, Wein, Kerze und allem drum und dran fragte ich Del: "Sag mal, seit wir zusammen sind, frage ich mich, warum du dich umzubringen versucht hast. Du bist die lebensfroheste Person, die mir bisher begegnet bist und freust dich an allem, was du siehst."
Ich hatte mir die Worte vorher recht gut überlegt, um sie möglichst wenig zu verletzen. Aber ich war einfach neugierig.
Leicht traurig und ohne jeden Vorwurf sagte sie: "Das mußte ja irgendwann mal kommen."
Nach einer Pause fuhr sie fort: "Ich habe nie versucht, mich umzubringen."
Sie zog die Handschuhe aus, ohne die ich sie noch nie gesehen hatte, und von denen ich immer gedacht hatte, sie würden ein paar grausliche Narben verdecken. Nichts. Ihre Handgelenke waren makellos.
Jetzt war ich wirklich verblüfft. Ich wußte nicht genau, was ich denken sollte: "Aber...."
Del fragte: "Was ich in der Klapsmühle gemacht habe?"
"...Ja..."
"Ich habe dich abgeholt. Irgend jemand mußte sich ja um dich kümmern."
Was auch immer das heißen sollte. "Na klar. Sicher doch."
In dem Moment klingelte es an der Tür.
Ich fragte: "Hattest du Besuch erwartet?"
Aber Del war schon unterwegs und humpelte zur Tür.

Sie kam wieder, zusammen mit einer ebenfalls nicht großen jungen Frau, die offenbar in einer Gothic-Phase steckte, denn sie hatte schwarzes Haar, sehr bleiche Haut, schwarzen Lippenstift, eine Spirale unter dem einen Auge. Komplett in schwarz gekleidet, eine Kette mit einem Ankh um den Hals.
Del stellte sie mir als ihre Schwester vor.
Dann sagte sie: "Jörg, du kannst nicht länger bleiben."
Ich sah sie fragend an.
"Ich habe dich angelogen... Damit du dich besser fühlst... Damit deine Seele vor der Reise Ruhe findet."
Sie fuhr fort: "Ich sagte dir, daß ich nie versucht habe mich umzubringen, sondern daß ich mich nur um dich kümmern wollte. Auch der Rest ist nur ein Teil meines Reiches, den ich so gestaltet habe, daß du dich wohl fühlen kannst."
Sie berührte mein Handgelenk und der Stahlreifen, den ich dort getragen hatte, verschwand. Mit ihm die Gipsverbände, und ich konnte auch sehen, daß ihrer verdunstete.
Ihre Schwester streckte eine Hand nach mir aus: "Wir müssen jetzt los. Nichts dauert ewig, nicht einmal das Universum."


NACHSPIEL
Der Arzt schüttelte den Kopf: "Wir haben ihn verloren," drehte sich vom Bett weg und schaltete den kläglich fiependen Herzmonitor aus. "Bitte notieren sie den Todeszeitpunkt."
Die Schwesternschülerin, die neu auf die Station gekommen war, schaute fragend. Er erklärte.
"Herr M. kam als freiwilliger Patient wegen Depressionen auf die offene Station der psychiatrischen Abteilung. Nach kurzer Zeit dort wurde er immer weniger ansprechbar, bis er schließlich keine Reaktionen mehr zeigte und in eine Art Koma verfiel. Wir haben ihn von vorne bis hinten untersucht, aber keinerlei physischeUrsachen finden können. Vor ungefähr einer Woche begann dann ein organischer Verfall, den wir nicht mehr aufhalten konnten. Ich denke, als Todesursache können wir ein Multiorganversagen festhalten."

(Diese Nachricht wurde am 02.06.03 um 13:22 von Butterfly geändert.)
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  Re: Mehr, als ich bestellt hatte Datum:02.06.03 13:25 IP: gespeichert Moderator melden


Mahlzeit...
ich habe die zweite Hälfte (definitv, ein drittes Drittel wird es nicht geben) drangehängt.
Wünsche euch Freude beim Lesen.
Regards
Butterfly
P.S.: An die "Frohnaturen" unter euch: Ich hoffe, es wird sich trotz des Endes das eine oder andere finden, woran ihr euch erfreuen könnt.

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Deutschlands Wilder Westen - Der Niederrhein


High-heels, Nylons und Korsett find ich auch an Männern nett!

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  Re: Mehr, als ich bestellt hatte Datum:04.06.03 18:10 IP: gespeichert Moderator melden


Hi, Schmetterling!
... und grandios geht es dem Ende zu!
Gelungen!
Einfach gelungen!
Gruß und Dank
Detlef
Liebe Grüße vom Roten Hund
Detlef
Alles was Spaß macht ist entweder verboten, oder unmoralisch, oder es macht dick! (Orson Welles)
Die meisten Frauen benehmen sich so, als ob sie hübsch wären! (Oscar Wilde)

Meine Geschichten und Geklautes:
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  Re: Mehr, als ich bestellt hatte Datum:05.06.03 08:27 IP: gespeichert Moderator melden


@Reddog
Wow. Die Antwort ist wirklich Balsam für die gequälte Seele.
***freudig in der Gegend herumflatter***
Danke!
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  RE: Mehr, als ich bestellt hatte Datum:21.10.12 01:02 IP: gespeichert Moderator melden


Wow,
eigentlich weiß ich gar nicht was ich sonst noch schreiben soll außer nochmal Wow.
Eine so tiefe Geschichte hätte ich hier nie erwartet.
Ich hoffe dir geht es besser als deinem Hauptdarsteller.
Es grüßt ein sehr beeindruckter windelfreak.
P.S.: Vielleicht schreib ich noch mehr wenn ich mich wieder gefangen habe.
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