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eröffnet von M A G N U S am 09.05.21 04:44
letzter Beitrag von M A G N U S am 25.06.24 15:52

1. DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 09.05.21 04:44

Im Jahr 2030 lernt ein junger Mann über das Motorradfahren eine
sadistisch veranlagte Frau kennen; zusammen mit deren Lebenspartnerin und einer
weiteren Bekannten mit ausgeprägter devoter Neigung fahren sie in einen gemeinsamen
Urlaub nach Italien, wo sie erstmals die Auswirkungen des sogenannten »Condoma-
Virus'« bemerken, der die Geschlechtsorgane befällt. Gegen den jungen Mann laufen
polizeiliche Ermittlungen, er gerät immer tiefer in Verwicklungen, sein Schicksal
wird durch einen Brunnen besiegelt, den die devote Frau gegraben hat.

Der 1959 geborene, seit 1986 verheiratete Autor lebt in Erlangen; er möchte in
seinem ersten hier vorliegenden schriftstellerischen Versuch die Vorstellungskraft
der Leser anregen und diese teilhaben lassen an den Erfahrungen von Liebe und
Schmerz, Sehnsucht und Begierde, Lust und Tragik, indem er sich selber als Prota-
gonist in die Handlung einbringt. Seine lange Lebenserfahrung geben dem Roman eine
realistische Grundlage, auf welcher sich die einzelnen Episoden in ihren phantasie-
anregend gestalteten Überhöhungen aufbauen.
Soweit es die beruflichen und ehrenamtlichen Verpflichtungen zulassen, werden
die jeweiligen kurzen Abschnitte wöchentlich zum Wochenende hier eingetragen; wer
längere Geschichten im Zusammenhang lesen möchte, möge entsprechend warten und im
zweiwöchigen oder monatlichen, gar vierteljährlichen Turnus nachsehen.
Gute Unterhaltung wünscht M A G N U S.



ANFANG und ENDE berühren sich – Nach dem Sterben kommt neues Leben:
PROLOG = EPILOG

An diesem Morgen kommt es ihm vor, daß seine Herrin irgendwie in einer besonderen
Eile war, geradezu in wilder Hast: Kaum daß sie ihm, wie auch sonst üblich, die
Trinkflasche und eine trockene Semmel auf den Boden geworfen hat, stürzt sie wortlos
hinaus und knallt die Haustür hinter sich zu. Doch schon wenige Augenblicke später
schwingt die Tür wieder auf, die Herrin stürmt schnaubend herein, rafft von dem Tisch
ihre Handtasche, die sie liegengelassen hat, und eilt in gleicher Weise wieder davon,
ohne ihn nur eines Blickes zu würdigen.

Nachdem es für einige Minuten still geblieben ist, wagt er seinen Kopf zu heben
und seinen Blick durch das von der Morgensonne schwach erleuchtete Zimmer schweifen
zu lassen. Und da gewahrt er es, er muß zweimal hinsehen, um es zu begreifen: Seine
Herrin hat ihr Smartphone liegen lassen!

Wie ein Blitz durchzuckt ihn nur der eine Gedanke: Jetzt ist der Fall eingetreten,
den er sich schon lange aus dem Kopf geschlagen hat, die große einmalige Chance, tele-
phonieren zu können, um dem elendigen Sklavendasein ein Ende zu bereiten. Kurz hadert
er mit sich, ob er es wirklich tun sollte, doch dann streckt er die Beine aus, soweit
es die Ketten erlauben, und tatsächlich gelingt es ihm, mit den Zehen ein Tischbein zu
berühren.

Plötzlich überkommen ihn Skrupel, ob er sich trauen sollte, das Handy zu erheischen,
denn die Konsequenzen wären fürchterlich, wenn die Herrin ein weiteres Mal zurückkehrte,
um nach der vergessenen Handtasche nun auch das Gerät zu holen. Er malt sich im Geiste
die Strafen aus: Dunkelhaft, Hunger, Dauerbeschallung mit schmerzhaften Sirenentönen,
dann natürlich das übliche Auspeitschen und all die anderen schrecklichen Foltermetho-
den zur Bestrafung des Versuchs, an ihr Telephon heranzukommen, für dieses Kapitalver-
brechen, das einem Fluchtversuch gleichzusetzen wäre.

Es kommt ihm in den Sinn, sich rasch entschließen zu müssen, es gibt nur zwei extreme
Alternativen: Entweder wartet er noch einige Minuten, gar eine Viertel Stunde, um sicher-
zugehen, daß die Herrin nicht nochmals zurückkehrt, um ihr Smartphone zu holen, auf diese
Weise würde er sodann in aller Ruhe telephonieren können, allerdings mit der Möglichkeit,
daß sie während der Wartezeit doch zurückkäme, ihn zwar in Ruhe ließe, indes wäre die
Chance dann vergeben. Oder er handelt sofort auf die Gefahr hin, bei dem Versuch, das
Handy zu erlangen, auf frischer Tat erwischt zu werden mit allen Konsequenzen...

Er beschließt, sofort zu handeln: Das Handy im Blick, die wohl einmalige Chance zu
ergreifen, jetzt oder nie, das Sklavendasein gegen das Gefängnis einzutauschen. Mit
aller Kraft streckt er die Füße, die schweren Schellen schneiden in das Fleisch der
Unterschenkel, doch er ignoriert den Schmerz, mit äußerstem Willen drücken sich die
großen Zehen Millimeter um Millimeter um das quadratische Tischbein herum. Als die
Zehen jeweils eine Seite des Tischbeins berühren, versucht er, die Zehen so fest es
geht an das Holz zu drücken und seine Knie sodann anzuwinkeln, um das Tischbein auf
diese Weise zu sich herzuziehen, indes gelingt es nicht: Der Tisch ist zu schwer, die
Zehen rutschen ab, ohne daß sich der Tisch auch nur einen Millimeter bewegt hätte.

Frustriert starrt er auf seine Füße, schier fassungslos sitzt er da, für einige Sekun-
den wie gelähmt. Dann faßt er den Entschluß, die Schellen um seine Füße mit den Händen
so weit wie möglich nach oben über das Schienbein zu schieben, um wertvolle Millimeter
an Bewegungsradius zu gewinnen. Tatsächlich gelingt es ihm, trotz seiner gefesselten
Hände, die mit Handschellen nahe an seinen Bauch befestigt sind, die Eisenringe einige
Zentimeter weiter in die Waden zu drücken. Mit pochendem Herzen streckt er wieder die
Beine durch, erreicht mit den Füßen das Tischbein und jetzt gelingt es ihm, mit den gro-
ßen Zehen das Holz wie mit einer Zange zu umklammern, so daß sich die Zehen vorne berüh-
ren. Mit größter Anstrengung schafft er es, den Tisch ein bißchen in seine Richtung
zu bewegen, doch nach wenigen Sekunden muß er den rechten Fuß zurückziehen, ein wahn-
sinniger Schmerz durchzuckt den gesamten Unterschenkel, der Fuß verkrampft, er muß die
mühsam hinaufgeschobene Schelle von der Wade auf die Knöchel zurückstreifen und den Fuß
anwinkeln, um den Krampf abklingen zu lassen. Schnell zieht er auch das linke Bein zu
sich heran, denn sollte in dem Moment die Herrin hereinstürzen, darf nichts darauf hin-
deuten, daß er den Versuch unternommen habe, ihr Smartphone zu erangeln.

Glücklicherweise bleibt es an der Haustür still, der Schmerz läßt nach und er drückt
wieder die rechte Fußschelle so weit wie möglich auf die Wade, um einen neuen Versuch
einzuleiten, den Tisch zu sich herzuziehen. Tatsächlich gelingt es ihm nun, mit einem
beherzten Ruck das Tischbein um mehrere Zentimeter zu bewegen. Nach diesem kleinen Erfolg
zieht er seine Füße wieder an sich heran, um die Fußeisen von den Waden herunterzuziehen,
denn nun muß er nicht mehr um jeden Zentimeter Bewegungsfreiheit geizen, den die Fußket-
ten hergeben. Beim dritten Anlauf gelingt es ihm, das Tischbein soweit zu sich zu
ziehen, daß er nun mit den beiden Fersen das Holz umklammern kann und auf diese Weise
bewegt er kraftvoll den Tisch. Er zieht ihn bis auf etwa einem halben Meter heran, zieht
seinen rechten Fuß ganz zu sich zurück, hebt das Bein, bis der Fuß auf der Tischplatte
zu liegen kommt. Vorsichtig ertastet er mit den Zehen das Smartphone, schiebt es bis
zur Tischkante, gibt ihm einen festen Stoß, es fällt in einem leichten Bogen herab,
fliegt auf seine Brust, so daß er es schließlich mit den Händen auffängt.

Mit zitternden Fingern umfaßt er das Gerät, nach mehrfachen Herumdrücken erreicht er
schließlich das Notfall-Menü. Er atmet schwer ein und aus, rekapituliert nochmals das
Geschehen, wie alles ganz harmlos begonnen hat, wie das Spiel aus Lust und Leidenschaft
eine Eigendynamik entwickelt hat, wie es aus dem Ruder gelaufen ist. Mit pochendem Herzen
drückt er sodann wild entschlossen die drei Nummern auf die Mattscheibe, die er bis dahin
noch nie in seinem Leben gewählt hat – 1 1 0.
2. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 14.05.21 15:32

1

♪ Dinng-Donng – ding,ding,ding,Doonnng ♪

„Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur Tagesschau! Heute ist
Dienstag, der 19. Februar 2030.
In Berlin sind die Landwirtschaftsminister der Länder zu einer Sonder-
sitzung zusammengekommen, um über die unterschiedlichen Auswirkungen der
Klimaerwärmung in den Bundesländern zu beraten. Es wurde eingehend über
einen Erfahrungsbericht aus Italien diskutiert, wo in einigen Regionen
nach der Getreideernte ein zweites Mal ausgesät wird, um im Spätherbst
eine weitere Ernte einzufahren. Auch in Deutschland erfolgt die Getreide-
ernte von Jahr zu Jahr früher, je nach Region bereits Anfang Juni, in Aus-
nahmefällen sogar schon Ende Mai. In diesem Zusammenhang fordern die Inte-
ressensverbände einen finanziellen Ausgleich für all jene Landwirte, deren
Äcker auf höher gelegenen Gebieten liegen, wo das Getreide erst später
reift und somit eine zweite Aussaat und Ernte nicht möglich ist. Die Mini-
ster kamen überein, daß die Subventionierung der Landwirtschaft aus EU-
Mitteln entsprechend umstrukturiert werden müsse, Details werden in Arbeits-
gruppen erarbeitet.

Bundeslandwirtschaftsminister Knoll betonte in einem Interview, daß die Folgen
der Klimaerwärmung im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern in Deutschland
für die Landwirtschaft bisher nicht nachteilig gewesen seien. Dank der starken
Regenfälle bleibt der Boden trotz der hohen Temperaturen feucht, das Pflanzen-
wachstum wird dadurch nicht beeinträchtigt. Dennoch sieht er die Forderung nach
Begrenzung der globalen Erwärmung weiterhin für ein erstrebenswertes Ziel, wenn
auch die 2-Grad-Grenze bereits jetzt, im Jahr 2030, gegenüber der Durchschnitts-
temperatur der vorindustriellen Epoche, deutlich überschritten ist.

Nach einer repräsentativen Umfrage des renommierten Konsumforschungsinstituts
Fragdum sehen 73 Prozent der Deutschen den Anstieg der Erwärmung in Deutschland
positiv, vor allem hinsichtlich der ausgeweiteten Freizeitmöglichkeiten beim
Baden und Wassersport. Allerdings stellt Fragdum fest, daß 45 Prozent der Befrag
ten kältere Winter in den Bergen wünschten, um während des Winterurlaubs natürli
chen Schnee vorzufinden.

Klimaforscher verschiedener Institute räumten ein, daß die Konsequenzen des Tem-
peraturanstiegs in Mittel- und Nordeuropa deutlich milder ausfallen als befürch-
tet, der CO-2-Ausstoß sei dank wesentlich verringerten Heizungsbedarfs in Wohnun-
gen, Schulen, Verwaltungen und Gewer-bebetrieben spürbar zurückgegangen. Auch der
Reiseverkehr ging zurück,da viele Menschen im Land ihren Urlaub verbrächten, vor
allem fällt der Tourismus in den Süden Europas deutlich geringer aus. Drastisch
verschlimmert hat sich dagegen die Situation in den südeuropäischen Ländern, dort
sei der CO-2-Ausstoß gestiegen aufgrund des vermehrten Einsatzes von Klimaanlagen
und Wasserpumpstationen.

Nun noch eine Meldung aus Asien: Wie erst heute bekannt wurde, ist vergangene
Woche in Taipeh, der Hauptstadt von Taiwan, ein neuartiges Virus entdeckt worden.
Einige Dutzend Patienten sind in Klinken eingewiesen worden, als bei ihnen starke
Rötungen der Geschlechtsorgane aufgetreten waren, einhergehend mit hohem Fieber.
Zudem klagten viele Betroffene über Atemprobleme und allgemeine Schwächeanfälle.
Virologen vermuten eine Mutation des sogenannten Corona-Virus', das vor zehn Jah-
ren in der Volksrepublik China ausgebrochen war und sich dann schnell auf alle
Regionen der Erde zu einer bedrohlichen Pandemie ausbreitete.
...

Die weiteren Aussichten: Auch in den kommenden Tagen erreichen die Temperatu-
ren Tageshöchstwerte bis 25 Grad, die Niederschlagsneigung bleibt gering, ledig-
lich in den höheren Lagen der Mittelgebirge und in den Alpen können örtlich lei-
chte Regenschauer niedergehen.
Wir melden uns wieder mit der Spätausgabe der Tagesschau um 23 Uhr und wünschen
Ihnen einen schönen Abend!“

Gangolf beugte sich leicht von seinem Sofa nach vorne, um die Fernbe-
dienung von dem Wohnzimmertischlein zu ergreifen und den Fernseher
damit auszuschalten. Herzhaft gähnend legte er die Fernbedienung zurück
und nahm statt ihrer die Motorradzeitschrift „Zweirad“ in die Hand, um
darin ein bißchen herumzublättern. Im Gedanken war er noch bei dem eben
gehörten Wetterbericht, daß in den kommenden Tagen weiterhin optimale
Wetterverhältnisse für das Motorradfahren herrschen würden: Temperatu-
ren bis 25 Grad, kaum Regenwahrscheinlichkeit, mit Vorfreude fieberte
er den März entgegen, denn ab diesen Monat durfte er dank des Saisonkenn-
zeichens nach der Winterpause wieder sein Motorrad fahren. Er wollte
bereits letztes Jahr auf die Zulassungsstelle gehen, um den Anmeldungs-
zeitraum verlängern zu lassen statt bisher von März bis Oktober auf Feb-
ruar bis November; zwei Monate Winterpause genügten bei den milden Win-
tern der letzten Jahre.

Nachdenklich blickte Gangolf zurück auf die Zeit, als es diese Saison-
kennzeichen noch nicht gab: Brav montierten damals die meisten Motor-
radfahrer Ende Oktober das Kennzeichenschild ab, marschierten damit zur
Kraftfahrzeugzulassungsstelle, um dort den Stempel auf dem Kennzeichen-
schild herauskratzen zu lassen und in dem Fahrzeugschein den Vermerk
„abgemeldet“ eingestempelt zu kriegen. Die gleiche Zeremonie erfolgte
dann am Ende des Winters in umgekehrter Weise: Wieder zum Amt, Wieder-
zulassung beantragen, endlich nach Hause, das Kuchenblech wieder an-
schrauben und die Saison konnte beginnen.

Doch wie oft war es, daß Gangolf einfach nicht dazu kam, auf das Amt zu
rennen, dort teilweise stundenlang zu warten, so daß er häufig erst wie-
der im späteren Frühjahr fahren durfte, einmal schaffte er es gar erst
im Juni. Und im Winter war es manchmal ähnlich, daß er das Abmelden erst
kurz vor Weihnachten erledigte, als er längst wegen den damaligen Witter-
ungsverhältnissen nicht mehr Motorradfahren mochte.

Ohne nach etwas Besonderem Ausschau zu halten, blätterte Gangolf gedan-
kenverloren das Heft durch, bis er schließlich auf der vorletzten Seite
bei der kleingedruckten Rubrik „Kontakte“ hängen blieb; eine Kontaktan-
zeige stach ihm förmlich in’s Auge:



Hey, wo bist du mit deiner Rennmaschine,
wilde Fegerin sucht dringend Soziaplätz-
chen für geile Ausritte, Lüggen-Schlee-
wald und Umgebung, Bild wäre schön,
[email protected]


‚Wilde Fegerin, wie ist die denn drauf’, kam es Gangolf sofort in den
Sinn, so etwas liest man nicht alle Tage. Unverzüglich schwang er sich
aus den Tiefen des Sofas empor, schlappte zu seinem Computer, öffnete
seinen E-Mail-Account und antwortete, ohne groß darüber nachzudenken,
was er da so zusammenschrieb:
„Hey wilde Fegerin, super, wenn Du dich traust, auf meiner R1 ist noch
ein Platz frei, ruf mich einfach an, dann können wir alles besprechen,
wie und was: 0172 8141377 Magnus.“

Dann suchte er ein nettes Bildchen heraus, das er als Dateianhang zufügte.
Es zeigte seine Yamaha R1 mit ihm, wie er lässig darauf saß, den Helm unter
den linken Arm geklemmt.
Eigentlich erwartete Gangolf keine ernstgemeinte Antwort; es klang zu auf-
regend, um wahr zu sein: Da suchte eine Sozia, die sich selber als ‚wilde
Fegerin’ bezeichnete, eine Mitfahrgelegenheit, die sie als ‚geilen Ausritt’
bezeichnete, das wäre ja alles viel zu schön, um Wirklichkeit zu werden,
doch er sollte sich täuschen. Mit dem Klick auf den Senden-Button leitete
er einen Prozeß ein, dessen Verlauf und dessen schicksal-haftes Ende er
sich selbstverständlich nicht in den kühnsten Träumen hätte ausmalen kön-
nen. Jäh fiel ihm ein, was er in Kindertagen lernen mußte:
‚et ne nos inducas in tentationem’ – oder mit den Worten Eugen Roths zu
sprechen:
‚Den Teufel wird man nie erwischen, er steckt von Anfang an dazwischen’.

Der Anfang war gemacht.
3. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 21.05.21 21:46

2
In Gedanken vertieft schlurfte Gangolf in die Küche, um sich aus dem
Kühlschrank die angebrochene Bierflasche herauszuholen und eine neue
hineinzustellen. Er fand es bei den bereits Ende Februar herrschenden
Temperaturen wichtig, stets gekühlte Getränke im Schrank vorzufinden.
Nicht daß er übermäßig viel tränke, neben dem Bier ab und zu ein Gläs-
chen Weißwein, aber niemals einen Schnaps, er hatte gar keinen zuhause.

»Gangolf,« sein Name kam ihm in den Sinn, welch ein blöder Name, wie seine
Eltern wohl darauf gekommen waren, oder wer auch immer bei der Namensgebung
beteiligt gewesen war. »Hätten sie mich doch lieber Wolfgang genannt,
ein Name, der nicht so häufig vorkommt, aber doch allgemein bekannt war,
Mozart hieß so, Goethe, aber Gangolf, wer heißt denn Gangolf, irgendwo in
Bamberg gab es wohl im Mittelalter einmal ein Kloster mit diesem komischen
Heiligen, aber ich wüßte nicht, daß unsere Familie in irgend einer Weise
einmal mit Bamberg etwas zu tun gehabt hätte.«

In den E-Mails bezeichnete er sich als ‚Magnus’, Magnus, dieser Name
strahlt Stärke aus, wahre Männlichkeit, Karl der Große, lateinisch Caro-
lus Magnus, in Köln gibt es eine Magnus-Straße, ja, so wollte er heißen,
so wollte er genannt werden.

Mit seinem Bier stieg er die Kellertreppe hinab in seine kleine Elektro-
nikwerkstatt. Als Elektrotechniker hat er zwar bereits tagsüber mehr als
genug Aufgaben, besonders im Bereich Photovoltaikanlagen, dennoch mochte
er die allabendlichen Bastlereien nicht missen. Es bereitete ihm geradezu
erotische Freuden, an seinem augenblicklichen Projekt zu arbeiten: Fernge-
steuerte Handschellen. Im Internet kursierten zwar bereits etliche Konstruk-
tionen mit einem Zeitmechanismus, aber richtig einfach per Smartphone zu öff-
nende Schellen fand Gangolf noch nicht, einmal von einfachen Plastikteilen
abgesehen. Es sollten schon richtige stählerne Fesseln sein, wobei Sicherheit,
einfache Funktion und platzsparende Bauweise eine große Herausforderung dar-
stellten.
Freilich gab es immer wieder Rückschläge bei der Konstruktion, doch als gedul-
diger Mensch steckte er diese meist mit einem kurzen Seufzer weg, schaltete
in solchen Fällen den Lötkolben aus, schlappte die Kellertreppe hinauf, um
sich im Wohnzimmer auf das Sofa zu fläzen mit der Fernbedienung für den Fern-
seher in der Hand. Beim Durchzappen war er in solchen Situationen nicht wäh-
lerisch, was die Programmqualität anbetraf, indes sehr, was die Hauptdarstel-
ler anging: Sie mußten natürlich Frauen sein, schöne junge Frauen, schlank,
verführerisch gekleidet, mit modischen Sneakers an den Füßen, oder alternativ
mit Stiefeln oder Schuhen mit ordentlichen Absätzen, was leider selten zu sehen
war.
Meist gelang es ihm auf diese Weise, sich von dem Mißerfolg bei seinem Hand-
schellenprojekt abzulenken. Um dann nicht nachts vor dem Einschlafen in’s
Grübeln zu kommen, las er im Bett noch ein paar Seiten eines Kriminalromans,
bis er schließlich so müde geworden war, daß er den Inhalt nicht mehr klar
aufnehmen konnte. Mit letzter Kraft fügte er das Einmerkkärtlein in den Falz,
schloß das Buch und löschte das Licht.

4. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von piercedcock am 21.05.21 23:08

Ich finde, die Geschichte fängt spannend an und ich danke dir, dass du sie mit uns teilst.

Hast du deine Story-Line schon im Kopf?
Warte gespannt auf die nächsten Teile ...
5. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 22.05.21 03:55


Hab' Dank für dein Lob; tatsächlich ist die Geschichte vollkommen fertig,
im Gegensatz zu vielen anderen hier, die sich nur mühsam einem Ende
entgegenwinden. Das Ende habt Ihr ja bereits gelesen, aber ich verrate
nicht, wie viele Kapitel dazwischen liegen; gute Unterhaltung!
6. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 28.05.21 23:07

3
Bundeskanzlerin Prank-Barrenkauer eilte zu der dringlichen Kabinettsitzung, die sie aufgrund besorgnis-
erregender Nachrichten aus Taiwan kurzfristig einberufen hatte. Alle Minister samt ihrer Staatssekretäre
waren bereits anwesend, ausgerechnet Gesundheitsminister Scham mit seiner Mannschaft fehlte noch. Somit
bat Prank-Barrenkauer zwischenzeitlich Wirtschaftsminister Fettmeier, seine Einschätzung der Gesetzes-
novelle zum Regenerative Energien-Gesetz kurz darzulegen.
Nach diesem Gesetz mußten nun nicht nur bei Neubauten, sondern auch bei bestehenden Gebäuden auf den Dächern
oder an den Fassaden Photovoltaikplatten angebracht werden, gepaart mit einer Akkumulatorenanlage zur Spei-
cherung des gewonnenen Sonnenstroms. Zumindest für die ersten Abendstunden sollte dann der gespeicherte Strom
in den jeweiligen Gebäuden verwendet werden, bevor in den späteren Abend- und Nachtstunden Strom aus dem Netz
bezogen wurde.


Kurz vor dem Ende von Fettmeiers Vortrag kam sein Kabinettskollege Scham mit seiner Delegation herein, er
entschuldigte sich für die Verspätung mit der sich in die Länge gezogenen ressortinternen Besprechung der
alarmierenden Vorfälle in China. Scham bat einen seiner Staatssekretäre, Herrn Doktor Unwohl, die Ereignisse
zu schildern. Bereits nach wenigen Sätzen wurde er von der Umweltministerin Graumaus etwas gereizt unterbro-
chen, ob es sich nun um China handelte, wo der neue Virus ausgebrochen sei, oder um Taiwan. Staatssekretär
Gscheid vom Auswärtigen Amt gab ungefragt geschichtspolitischen Nachhilfeunterricht:

„Also Taiwan ist auch China, genau genommen Nationalchina, im Gegensatz zum Festland-China, das früher als
Volksrepublik China oder auch Rot-China bezeichnet worden war wegen der kommunistischen Diktatur, die dort
seit Jahrzehnten, seit Mao-Tse-Tungs Revolution diktatorisch herrscht. Der gewählte Staatschef Tschian-Kai-Schek
mußte mit seiner Regierung auf die Insel fliehen, wo bis heute eine Demokratie etabliert ist. Allerdings betrachten
die kommunistischen Machthaber Taiwan als abtrünnige Provinz, sie versuchen seit Jahren, die Insel von der Weltge-
meinschaft abzuschirmen und zu isolieren, um auf diese Weise Taiwan in die Knie zu zwingen. Und tatsächlich machen
wir doch fast ausschließlich mit Rotchina unsern Handel, dorthin exportieren wir unsere Autos, von dort holen wir
die billigen Massenartikel, während das demokratische China fallengelassen wird wie eine heiße Kartoffel!“
Staatssekretär Gscheid redete sich in Rage, bis die Kanzlerin Einhalt gebot. Die kurze Lücke nützte nun Fettmeier,
der sich als Wirtschaftsminister auf den Schlips getreten fühlte:
„Herr Doktor Gscheid, Sie brauchen uns nicht Nachhilfeunterricht in Demokratie und Diktatur erteilen und“
Ehe Fettmeier seinen Satz zu Ende bringen konnte, fiel Gscheid ihm in das Wort und geiferte zurück:
„Anscheinend doch, denn gerade Sie waren doch erst kürzlich mit hochrangigen Vertretern der Wirtschaft in Peking,
aber nicht in Taipeh!“
„Meine Herrn, mäßigen Sie sich“, mischte sich wieder Kanzlerin Prank ein, „Ende dieser Diskussion jetzt. Wir sind
hier zusammengekommen, um über die Virusepedemie zu sprechen, nicht über Wirtschaftsbeziehungen zu China.“
Ein neben Prank sitzender Staatssekretär beugte sich schnell zu der Kanzlerin und flüsterte ihr zu:
„Frau Kanzlerin, das heißt Epiiidemie“.
Prank erregte sich daraufhin, sie versuchte gar nicht, ihren Versprecher oder ihr sprachliches Unwissen zu verheh-
len:
„Ja bin ich denn heute nur noch von Gescheit-Männern umgeben, also Epidemie, hoffen wir bloß, daß sie nicht auch
wieder, wie vor zehn Jahren, sich zur Pandemie entwickelt. Kollege Scham, jetzt sagen Sie uns doch endlich, wo der
neue Virus herkommt, vom Festland-China oder von der Insel?“
Beinahe wäre ihr Sitznachbar, der Besserwisser-Mann, schon wieder hörbar geworden, doch er verkniff sich die Anmer-
kung, daß das Virus im Gegensatz zu vielen anderen Substantiven lateinischen Ursprungs auf –us endend sächlich sei.
Nun ergriff Scham das Wort und klärte auf: „Nach unseren Informationen wurde der Virus, ähm, oder ist richtiger das
Virus?“
Sein Blick richtete sich kurz zu dem Kulturstaatsminister Professor Siebenklug, der seine Frage mit einem lächelndem
Nicken zu beantworten schien. Scham fuhr fort:
„Also, ähm, der Virus, also die Informationen stammen aus Taipeh, also aus Taiwan, wo in einem staatlichen Institut
der oder das Virus festgestellt worden ist.“
Er tat sich hörbar schwer mit seiner Redekunst, so daß er die weiteren Ausführungen seinem Staatssekretär Unwohl über-
ließ, der bereits ein-gangs das Wort ergriff, bevor Ministerin Graumaus die Debatte über die beiden China-Länder vom
Zaun brach. Er berichtete von einigen Dut-zend Patienten, bei denen dort dieses neuartige Virus festgestellt worden
war. Prank fragte dazwischen, was man unter einigen Dutzend zu versehen habe, ob es genauere Infizierten-Zahlen gäbe,
gar Todesfälle. Der Staatssekretär warf einen kurzen Blick auf seine vor ihm liegenden Papiere:
„Nach unseren Informationen Stand 25. Februar waren es 335 Menschen, bei denen das Virus nachgewiesen wurde.“
„335?“ ereiferte sich Graumaus, „das sind ja dann nicht bloß ein paar Dutzend, sondern schon mehrere Hundert!“
„Wir sollten die Zahlen immer in Relation mit der Gesamteinwohnerzahl sehen, Herr Doktor Gscheid, wieviel Einwohner
hat denn Taipeh und wieviele die ganze Insel?“
Gscheid mußte indes einräumen, daß er das nicht wüßte, er meinte lediglich, daß es wohl schon mehrere Millionen seien.
Auch sein Chef, Außenminister Schmollz, wußte es nicht, doch bereits nach wenigen Sekunden meldete sich ein weiterer
Staatssekretär zu Wort, der hurtig per Smartphone das Internet konsulierte:
„Die Hauptstadt Taipeh hat fast 3 Millionen Einwohner, die gesamte Insel 25,3 Millionen.“
„Danke, da sind 335 Infizierte noch nicht so sehr viele im Verhältnis.“
Nun konterte Scham: „So fing das vor zehn Jahren auch an, erst waren es ein paar Wenige irgendwo in einer chinesischen
Provinz, die Behörden sagten, sie hätten alles im Griff, und dann war der Virus plötzlich überall.“
„Ja, das stimmt schon, ich will das ja nicht herunterspielen. Was sollten wir ihrer Meinung nach tun, Herr Scham,
wie verhalten sich andere Staaten, weiß man da schon was?“
Nachdem Scham nicht gleich antwortete, meldete sich Schmollz zu Wort:
„Nach unseren Erkenntnissen liegen die Dinge heute etwas anders: Taiwan ist ein Inselstaat, so daß die Verbreitung
des Virus’ nicht so einfach erfolgt wie vom Festland aus.“
Sein Staatssekretär Gscheid hakte sofort ein: „Aber ich bitte Sie, meinen Sie etwa, daß damals das Coronavirus mit
Karawanen über die Seidenstraße nach Europa gelangte?“
Ein allgemeines Schmunzeln wurde auf den Gesichtern in der Runde sichtbar, das zu leisem Gelächter mutierte. Prank
rief zur Ordnung:
„Meine Damen und Herren, ich darf doch bitten, das Thema ist zu ernst, bleiben wir sachlich. Besteht also die Gefahr,
ähnlich wie damals, daß sich der Virus schnell über die Insel hinaus ausbreiten wird?“
Wieder war es Gscheid, der sofort zum Besten gab:
„Selbstverständlich wird sich daaas Virus genauso ausbreiten, wie vor zehn Jahren das Coronavirus, denn die Verkehrs-
anbindung nach Taiwan ist die gleiche wie nach Festland-China: Personen per Flugzeug, Waren per Schiff. Nur den einen
Unterschied gibt es, aber das darf ich ja nicht mehr sagen.“
„Ja welchen denn?“, wollte Prank wissen, „und wer hätte Ihnen verbo-ten, diesen Unterschied uns zu sagen?“
„Wie ich schon ausführte, es sind die deutlich niedrigeren Wirtschafts-beziehungen zu Taiwan, so daß einfach die Wahr-
scheinlichkeit viel geringer ist, daß der Virus nach außen getragen wird.“
Wirtschaftsminister Fettmeier warf gereizt ein, daß prozentual zur Einwohnerzahl gesehen die Wirtschaftsbeziehungen
zu Taiwan vermutlich wesentlich höher lägen als zu Festland-China. Außenminister Schmollz meinte dazu, daß neben Festland-
China bereits viele andere Länder, darunter die meisten europäischen, Flugverbote in Erwägung zögen. Gscheid konterte
daraufhin, daß das wohl leicht in Kauf genommen werden könnte:
„... denn die Handvoll Mercedes’, die nach Taiwan jährlich verkauft werden, die könnten wir auch in Deutschland behalten,
ohne daß unsere Autoindustrie kollabiert, aber zu den Rotchinesen, da ist es ja wichtig, daß unsere Edelkarossen dorthin
verfrachtet werden, hunderttausendfach!“
Kanzlerin Prank-Barrenkauer unterbrach erneut Gscheids Redeschwall und verkündete eine viertelstündige Pause. Die mei-
sten Anwesenden verließen daraufhin den Saal, um sich die Beine zu vertreten. Auf dem Flur wurde in kleinen Gruppen weiter
eifrig über das Thema diskutiert. Nur Kulturstaatsminister Siebenklug blieb einsam in dem großen Raum sitzen, spannte
seinen Rücken über die Sessellehne weit nach hinten und blickte nachdenklich-konzentriert auf die Decke.

Nach der Pause forderte Prank die Vertreter des Gesundheitsministeriums auf, nun etwas über den Krankheitsverlauf und die
Symptome des neuartigen Virus zu berichten. Staatsekretär Unwohl ergriff wieder das Wort:
„Nach den Meldungen aus China, pardon, aus Taiwan, löst das Virus immer wieder kräftige Fieberschübe aus, im Abstand von
einigen Tagen. Nach Abklingen des Fiebers scheint die Krankheit überwunden zu sein, doch nach wenigen Tagen kommt es wieder
zu starkem Fieber. Das Fieber geht einher mit Atemproblemen, aber auch mit Verdauungsstörungen. Todesfälle sind noch nicht
gemeldet worden. Genauere Angaben liegen uns nicht vor, jedoch versprachen die taiwanesischen Behörden um sofortige Benach-
richtigung an alle Länder der Welt, sobald sie nähere Erkenntnisse erlangt haben werden.“
Umweltministerin Graumaus hakte nach: „Wie sieht es mit den Sym-ptomen aus, wenn ich mich recht erinnere, waren die damals
beim Corona vor allem Geschmacksverlust. Kann man da schon was sagen?“
Unwohl blickte bei dieser Frage etwas betreten in die Runde, fast alle Anwesenden hafteten ihre Blicke auf ihn, er fuhr
leicht irritiert fort:
„In der Tat berichtete das Institut in Taipeh von seltsamen Begleiterscheinungen, die mit den Fieberschüben einhergehen.“
Wieder machte er eine Pause und ließ seinen Blick in die Runde schweifen.
„Nun machen Sie es nicht so spannend“, kritisierte ihn die Kanzlerin.
„Also“, fuhr Unwohl fort, und es war ihm anzusehen, daß er sich dabei unwohl fühlte, er nestelte mit den Papieren herum,
die bislang unberührt vor ihm auf dem Tisch lagen. Er holte nochmals Luft und sprach dann beherrscht:
„Der Bericht berichtet von Juckreiz und Schwellungen der Geschlechts-organe.“
Es entstand eine kurze Stille, erstaunte Blicke waren auf allen Gesichtern zu erkennen.
„Und das können Sie uns nicht gleich frei heraus sagen?“, ereiferte sich Graumaus.
„Bitte lassen Sie mich ausreden“, entgegnete Unwohl etwas ungehalten, in dem Bericht stehen weitere Details dazu. Da wir uns
nicht sicher waren, ob es sich möglicherweise um Übersetzungsprobleme handelt, holten wir auch den englischen Text heran,
aber die Übersetzungen aus dem Chinesischen besagen das gleiche: Dieser Juckreiz geht bei einigen Patienten soweit, daß sie
sich die Brustwarzen und teilweise auch die Genitalien mit den Fingernägeln dermaßen aufreißen, daß sie blutig werden. Die
meisten Patienten mußten deshalb gefesselt werden zum Selbstschutz, sie bäumten sich dann in den Betten auf, der Juckreiz
muß schier unerträglich sein, er trieb einige in den ausgesprochenen Wahnsinn. Leider sind herkömmliche medizinische Mittel
nur kurzzeitig wirkungsvoll, sowohl Salben, als auch Tabletten.
Für die Behörden ist dieses Symptom, das den Patienten überaus peinlich ist, das eindeutige Erkennungsmerkmal für die Infek-
tion mit diesem neuartigen Virus. Die Insider gaben dem Virus einen entsprechend vul-gären Namen: Das Corona-Virus benannte
man damals nach seiner kronenhaften Erscheinungsform, die Leute in dem Institut in Taiwan sprechen vom ‚Condoma-Virus’.“
Wieder gab es lange Gesichter, bei einigen breitete sich das schiere Entsetzen aus. Nachdem das Raunen in der Runde nach-
gelassen hat, war es Minister Fettmeier, der sich zu einer Frage aufraffte:
„Weiß man schon was über das Ansteckungsrisiko?“
„Darüber steht in dem Bericht nichts konkretes, nur, daß sich alle bis-her festgestellten Infizierten in der Stadt Longtan
befinden, das ist mit über Hunderttausend Einwohnern ein Stadtviertel der Millionenstadt Ta-o-yuan, wenn ich das jetzt richtig
entziffere, die Polizei riegelte Longtan ab, bei uns würde man sagen, es handelt sich um eine Großstadt, dort ist es indes
nur ein Stadtviertel. Von Infektionen außerhalb ist nichts bekannt. Ich könnte mir gut vorstellen, daß es eine hohe Dunkel-
ziffer gibt, denn wer möchte mit diesen Symtomen zum Arzt gehen, das glaubt dem Kranken doch niemand, daß das ein krankhafter
Juckreiz ist, den man nicht mit Willenskraft unterlassen kann.“
Nach einer kurzen Atempause fuhr Unwohl fort:
„Ich erzähle Ihnen eine persönliche Geschichte: In meiner Jugendzeit hatte ich einmal die Krätze, ich sag Ihnen, dieser
Juckreiz war schlim-mer als jeder Schmerz, es war zum wahnsinnig werden. Was müssen da erst jetzt diese Patienten erleiden
mit dem – Condoma-Virus“.
Unwohl blickte wieder in verstörte Gesichter, jetzt war es Kultur-staatsminister Siebenklug, der eine Frage stellte:
„Könnte bitte jemand gleich einmal feststellen, wo dieses Longtan liegt, gibt es da irgendwelche Besonderheiten, etwa auch
ein Viren-Forschungslabor, wie damals in Wuhan in China, in dessen Nähe das Corona-Virus ausgetreten ist?“
Noch bevor Siebenklug seine Frage zuende formuliert hatte, sah man in der Runde bereits eifrige Staatssekretäre, die hurtig
ihre Smartphones in die Hand nahmen. Prompt meldete sich jemand und las vor:
„In Wikepedia steht: Longtan ist bis heute ein ländlich geprägter Bezirk mit einer relativ niedrigen Bevölkerungsdichte in der
Millionenstadt Taoyuan. Nach dem Ende der japanischen Kolonialzeit erlangte Longtan durch die Errichtung der Shimen-Talsperre 
(1964) und des Haupt-quartiers der taiwanischen Armee eine größere nationale Bedeutung. Auch das mit dem Militär zusammenarbei-
tende National Chung-Shan Institute of Science and Technology (gegründet 1969) ist hier angesiedelt. Das 1968 errichtete 
Institute of Nuclear Energy Research zählt zu den ältesten Forschungseinrichtungen für Kernphysik in Taiwan.“
Wieder breitete sich ratloses Schweigen in dem Saal aus. Minister Siebenklug ergriff erneut das Wort:
„Mir ist ein düsterer Verdacht gekommen, Verdacht ist vielleicht ein zu starker Begriff, lassen Sie mich es als eine Möglich-
keit formulieren. Stellen wir die Ereignisse Corona-Virus vor zehn Jahren und dem jetzigen gegenüber, wie sagten die Chinesen
dazu, Condoma-Virus?“
„Ähm, ja, Herr Siebenklug, völlig richtig“, pflichtete Unwohl bei.
„Also ich sehe jetzt zwei Szenarien:
Damals haben die Rotchinesen, wie Kollege Gscheid sich auszudrücken pflegt, den Virus-Ausbruch erstmals in Wuhan gehabt, ausge-
rechnet dort, wo auch ein Virus-Forschungsinstitut angesiedelt ist. Es könnte natürlich damals reiner Zufall gewesen sein, daß
dieses Corona-Virus plötzlich dort aufgetreten ist und rasch die ganze Welt besiedelte. In gleicher Weise könnte es sich jetzt
in Taiwan um einen reinen Zufall handeln, daß ausgerechnet in der Nähe dieses Forschungsinstituts, das mit dem Militär zusammen-
arbeitet, dieses abscheuliche Condoma auftritt.
Oder aber, und jetzt kommt mein böser Verdacht, das Condoma-Virus wurde von den Rotchinesen heimlich auf die Insel gebracht,
um es dort in Longtan auszusetzen, wo, wie wir gehört haben, das taiwanesische Militär-Hauptquartier liegt. Es würde sich also
um einen gezielten biologischen Angriff handeln, sauber-leise-unsichtbar, vor zehn Jahren ist ihnen das Corona-Virus wahrschein-
lich unabsichtlich ausgekommen, aber in Taiwan, das könnte doch wirklich eine kriegerische Absicht sein. Herr Gscheid berichtete
uns eingangs, daß Rotchina die Insel als abtrün-nige Provinz betrachtet, auszuschließen ist diese Theorie des biologischen
Angriffs nicht. Und sehen Sie, meine Damen und Herren, wann war das, wohl auch so vor etwa zehn bis fünfzehn Jahren, da kam Hong-
kong als britische Kronkolonie an China, und obwohl den Menschen in Hongkong Autonomiestatus und freie Wirtschaft vertraglich
zugesichert wurden, vereinnahmten die Kommunisten in den letzten Jahren diese Stadt vollkommen, alle Proteste wurden niederge-
schlagen. Und jetzt ist eben Taiwan dran, eine schauderhafte Vorstellung.“
Außenminister Schmollz überkam eine schlimme Ahnung: Vor zehn Jahren hat er es als Finanzminister geschafft, erstmals einen
ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen; dank niedrigstem Zinsniveau aller Zeiten ist ihm das gelungen, doch wenige Wochen dar-
nach wurden alle Sparziele zunichte gemacht mit den Milliardenhilfen für die Wirtschafts-hilfen, um die vielfach drohenden
Geschäfts- und Industrieinsolvenzen aufzufangen. Er malte sich aus, was geschieht, käme das neue Virus nun auch nach Europa
geschwappt; seinem Amtsnachfolger Pleitgei hin-terließ er seinerzeit einen riesigen Staatsschuldenberg, ein erneuter Niedergang
der Wirtschaft käme dem Staatsbankrott gleich.
Professor Siebenklug forderte Verteidigungsminister Schießmann auf, zu seiner These des chinesischen Konflikts Festland – Insel
Stellung zu nehmen. In militärischer Kürze äußerte sich Schießmann:
„Dem Verteidigungsministerium liegen keine Anzeichen einer besonderen Bedrohungslage für Taiwan vor. Die militärische Lage in
Fernost erscheint stabil.“
Nun fühlte sich Kanzlerin Prank-Barrenkauer bemüßigt, zum Thema der militärischen Situation in China ein Wort zu verlieren:
„Als damalige Verteidigungsministerin, als die Ausschreitungen in Hongkong stattfanden und auch als der Corona-Virus in Wuhan aus-
brach, gab es die von Professor Siebenklug und Doktor Gscheid beschriebenen Spannungen zwischen China und Taiwan, in der Tat geben
mir ihre Äußerungen sehr zu denken. Vielleicht sollten wir Frau von der Leyen konsultieren, was sie zu dieser prekären Situation
dort zu sagen hat, als meine Amtsvorgängerin und nunmehr bereits seit zehn Jahren Präsidentin der Europäischen Kommission dürfte
sie die tiefsten Einblicke in die politischen und militärischen Gegebenheiten dort haben.
Schließlich bat Regierungssprecher Schmarr um das Wort, wie er sich der Presse gegenüber verhalten sollte. Der Bericht in China
sei ja bereits vor einigen Tagen durch die Medien gegangen, wie er die Dinge einschätzt, bleibt ihm wohl nichts anderes übrig als
zu bestätigen, daß die Bundesregierung den Bericht aus Taiwan sehr ernst nimmt, daß aber vorerst noch abzuwarten sei, wie das Infek-
tionsgeschehen dort verläuft.
Kanzlerin Prank entgegnete: „Sie brauchen ja nicht gleich in’s Detail gehen, das mit den Symptomen nennen oder gar diesen obszönen
Namen für diesen Virus, den sich da die Taiwaner ausgedacht haben.“
„Das wurde aber alles schon veröffentlicht, sogar die Tagesschau brachte das alles bereits in der letzten Woche.“
„Tja, dann teilen Sie einfach mit, daß von Seite der Regierung noch keine konkreten Maßnahmen geplant sind.“
Nachdem auf diese nüchternen Worte keine weiteren Wortmeldungen mehr eingingen, beendete Prank die Sondersitzung mit der Bitte,
daß in den Ausschüssen und Arbeitskreisen der einzelnen Ressorts das Thema Virus weiter im Augen behalten werde.
7. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von EXTREM-shop am 30.05.21 08:06

Ich find die Namen in der Story ECHT GEIL. Endlich kann man hier mal die Wahrheit lesen. Bitte weiter so. und DANKE
8. RE: "Ich find die Namen in der Story ECHT GEIL... "

geschrieben von M A G N U S am 31.05.21 15:08

Freut mich, wenn allein schon die Namen "geil" machen;
die in den nächsten Fortsetzungen genannten Ortsnamen
lassen Rückschlüsse zu, wo sich die Geschichte abspie-
len wird!
9. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 04.06.21 21:23

4

Bewaffnet mit einer Erdnuß-Flips-Tüte und einer Flasche Bier schlen-
derte Gangolf den mit dichten Pflanzen des Erlenbruchwalds besäum-
ten Pfad zum Kanal hinunter, der nach wenigen Metern in den See mündet.
An der Mündungsstelle setzte er sich auf die niedrige Uferböschung;
nur an dieser Stelle kann man auf den See blicken, frei von dem sonst
rings um das gesamte Seeufer dicht stehenden Schilfrohrgürtel.
Von diesem Platz aus genoß er, wie er es an vielen Abenden tat, die
aufziehende Abendstimmung über dem leicht gewellten Wasserspiegel. An
diesem Abend hatte er wieder einmal das besondere Glück, die Sonne
kurz über dem Horizont über dem See untergehen zu sehen, das Abbild
des glutroten Feuerballs spiegelte sich auf der weiten Oberfläche und
tauchte das Ambiente in einen tiefen Frieden.
Im Gedanken versunken beobachtete Gangolf das Naturschauspiel, von
ganzem Herzen war er überzeugt, das Richtige getan zu haben, als er
vor knapp zwei Jahren seine bayrische Heimat verließ und die Erbschaft
verwendete, um hier in der Niederlausitz, fünfzig Kilometer südöstlich
von Berlin, einen alten Bauernhof zu erwerben. Er empfand es als aus-
gesprochenen Glücksfall, diesen einsamen Hof, weit entfernt von der
nächsten Ansiedlung, am Rande des Erlenbruchwalds am Röthener See zu
erstehen. Freilich verspürte er immer wieder Sehnsucht nach den Bergen,
die seine alte Heimatstadt umgaben, auf der anderen Seite genoß er diese
schier unendliche Stille am Nordufer dieses einsam gelegenen Sees.

Das Besondere an dem Gehöft war indes ein ganz seltenes Bewandtnis: Zu
dem Anwesen gehörte die große Insel, die sich gegenüber von seinem Ufer-
platz in 300 Meter Entfernung in dem See erstreckt. Auf der abgewandten
Seite der Insel beträgt der Abstand zum Festlandufer nur etwa 30 Meter,
allerdings ist diese Seite durchgängig mit einem sehr breiten undurch-
dringlichen Schilfgürtel umgeben. Nur an der Nordseite der Insel gab
es eine schmale Stelle, an welcher man mit einem kleinen Boot zum Insel-
ufer gelangen konnte, dort gab es einen einfachen Bootssteg, der nur aus
einer Holzbohle bestand.
Zwar war die gesamte Insel Naturschutzgebiet und niemand durfte sie ohne
behördliche Genehmigung betreten, doch war Gangolf sehr stolz auf seine
Errungenschaft: Immerhin war die Insel 400 Meter lang und 200 Meter breit.
Er war schon viele Male hinübergerudert, die Schneise in dem hohen Schilf-
gürtel, die zu dem Steg führte, war so versteckt gelegen, daß er sich sehr
sicherfühlte, nicht gesehen zu werden, wenn er dort hineinpaddelte.

Gangolfs Körper durchströmte jedes Mal ein unbeschreibliches Glücksgefühl,
wenn er seine Insel durchstreifte; fast überall war sie mit dichtem Gebüsch
und hohen Erlen bewachsen, die Vegetation hatte etwas Urwaldhaftes an sich,
so wie der gesamte sich im Süden anschließende Schleewald. Ständig peitschten
ihm Zweige entgegen, wann immer er sich einen Pfad durch das Gesträuch bahnte.
Lediglich in der Mitte der Insel befanden sich kleine Stellen ohne Baumbewuchs;
er nahm sich vor, in diesem Frühjahr, spätestens aber im Sommer ein Zelt auf-
zustellen, um dort zu übernachten und ein bißchen das Gefühl eines Robinson
Crusoe zu erleben. Was er so besonders an dieser Insel liebt, war ihre Größe
und gleichzeitig die Einsamkeit, denn dank des dichten Erlenbruchwalds und
des breiten Schilfgürtels war man vor Eindringlingen und neugierigen Blicken
ziemlich geschützt.
Die Erdnuß-Flips waren fast gänzlich aufgezehrt, die Bierflasche zur Hälfte
geleert, als gegen sechs Uhr die Sonne untergegangen war und der See in einen
kurzen Dämmerungszustand versetzt wurde. Gangolf blieb noch solange sitzen,
bis der Abendhimmel in seinen romantischen Farben blau, gelb, rot, glutrot
in den immer dunkler werdenden Nachthimmel überging. Im Osten und Süden glit-
zerten die ersten Sterne von dem Firmament hernieder, während im Nordwesten
immer noch ein tiefroter Streifen am Horizont stand. Nach wenigen Minuten
verschwand auch dieser letzte Zeuge des Tageslichts und ein tiefschwarzer Nacht-
himmel umspannte den See, aufgehellt durch das Funkeln zahlloser Sterne, unge-
trübt jedweden künstlichen Lichts aus Häusern oder Straßenlaternen.

Allmählich begann Gangolf zu frösteln, es war trotz aller Klimaerwärmung erst
Anfang März, und sobald die wärmenden Strahlen der Sonne versiegten, breitete
sich die nächtliche Kühle über den ruhenden See. In sentimentaler Stimmung kam
ihm das alte Abendlied aus Kindertagen in den Sinn:

1. Still ruht der See, die Vöglein schlafen, ein Flüstern nur, du hörst es kaum.
Der Abend naht, nun senkt sich nieder auf die Natur ein süßer Traum.

2. Still ruht der See, durch das Gezweige der heil’ge Odem Gottes weht.
Die Blümlein an dem Seegestade, sie sprechen fromm ihr Nachtgebet.

3. Still ruht der See, vom Himmelsdome die Sterne friedsam niederseh’n.
O Menschenherz, gib dich zufrieden, auch du, auch du wirst schlafen geh’n.

Nicht im Entferntesten hätte sich Gangolf ausmalen können, daß die letzte
Liedzeile bald auch in seinem Leben bittere Wirklichkeit werden würde,
indes wird es nicht er gewesen sein, der schlafen ging, sondern eine ihm
bislang unbekannte Person, vollkommen hilflos und einsam...

Gangolf entwand sich seiner Gefühlsduselei, daß die deutschen Volkslieder
auch fast immer so wehmütig mit dem Hinweis auf den Tod endeten, raffte
sich auf und setzte vorsichtig Fuß vor Fuß in dem in vollkommener Dunkel-
heit gehüllten Pfad zu seinem Gehöft.
Dort angekommen schaltete er den Fernseher ein, seit Jungendzeiten war er
es gewöhnt, die allabendlichen Nachrichten zu verfolgen. Er fand es gegen
allen Zeitgeist einfach angenehmer, sich bequem zurücklehnen zu können und
sich die Nachrichten vorlesen zu lassen, als auf dem winzigen Smartphone-
Bildschirm herumzutippen, um mühsam die Neuigkeiten selber ablesen zu müssen.






10. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 12.06.21 12:16

5

Gangolf kam anscheinend etwas zu spät, die charakteristische Erken-
nungsmelodie zu Beginn der Tagesschau war schon vorbei.
‚Im Grund genommen eine sehr simple Tonfolge,’ kam es ihm in den Sinn,
‚eine Quinte abwärts und dann die fünf Töne wieder aufwärts zum Anfangs-
ton zurück, dermaßen simpel, daß es schon wieder genial ist.’
In Hersbruck hat ein Organist diese einfache Melodie einmal zur großen
Verwunderung der Anwesenden auf einer Kirchenorgel gespielt. Doch dann
konzentrierte sich Gangolf auf die Meldungen:
„... weltministerin Graumaus empörte sich über die verharmlosenden
Verlautbarungen einiger Kabinettskollegen, welche die schädlichen Aus-
wirkungen des Klimawandels herunterspielten. Nach ihren Worten müsse
man von der Klimakatastrophe sprechen.“
Es folgte ein kurzer Filmbericht über den Zustand der weitgehend kah-
len Wälder im Erzgebirge und in Oberfranken. Bayerns Ministerpräsident
Schnöder bezifferte den Rückgang der Fichtenbestände auf ein Zehntel
des Bestandes von 2020, die Tanne sei in Bayern fast vollkommen ver-
schwunden. Die Aufforstung mit der norditalienischen Pinie kann die
enormen Verluste des Nadelholzes noch lange nicht ausgleichen, ein
Lichtblick sei es, daß das Wachstum der Pinienpflanzungen zufrieden-
stellend verliefe.
Der Nachrichtensprecher fuhr fort: „Der Präsident des Hamburger Schiff-
fahrsamts Stowasser mahnte in einem Interview rasche Maßnahmen gegen
das weitere Fortschreiten der Polkappenabschmelzung mit dem einher-
gehenden Anstieg des Meeresspiegels an, insbesondere schmelze das Pack-
eis auf der Westseite Grönlands in einem weit schnellerem Maße, als es
bisher angenommen wurde. Es wird immense finanzielle und technische
Anstrengungen kosten, die Hafenanlagen auszubauen, damit sie den immer
öfter auftretenden Hochwasserschüben standhielten. Schon heute kommt es
zu erheblichen Behinderungen des Hafenbetriebs, da häufig Hafenstraßen
und Kaimauern unter Wasser stünden.
Stowasser räumte ein, daß der Anstieg des Meeresspiegels für die Schiff-
fahrt bis zu einem gewissen Maße förderlich sei; so können seit einigen
Jahren bei auflaufendem Wasser höchste Tonnagen in den Hamburger Hafen-
anlagen gelöscht werden. Der auf der Sohle quer über dem Flußbett errich-
tete alte Elbetunnel behindere jetzt nicht mehr die Frachter. Auch die
Werft in Papenburg profitiert von der höheren Wasserführung, so gelingt
es heute wesentlich leichter, Kreuzfahrtschiffe und andere Ozeanriesen
über die Ems zu der Werft zu ziehen.

Berlin. Regierungssprecher Schmarr bestätigte auf Anfrage unseres Haupt-
stadtstudios, daß die Bundesregierung den jüngst von einem Forschungsla-
bor in Taiwan veröffentlichten Bericht sehr ernst nähme, man verfolge
in Arbeitsgruppen den Verlauf des von den taiwanesischen Behörden als
Condoma-Virus bezeichneten Erregers. Die Tagesschau berichtete bereits
vergangene Woche; Schmarr bestätigte auch die erstaunlichen Symptome in
Form starker Schwellungen und Juckreize der Geschlechtsorgane...“

Geradezu elektrisiert sprang Gangolf von seinem Sitzplatz auf, plötzlich
erinnerte er sich daran, bereits letzte Woche die Schlagzeile gehört zu
haben, doch hat er offenbar den Inhalt nicht weiter verinnerlicht. Mit
Schaudern kam es ihm in den Sinn, wie er vor zehn Jahren die Corona-Epi-
demie erlebt hatte. Vor allem die stumpfsinnige Maskentragerei nervte ihn
sehr, geradezu depressive Niedergeschlagenheit ereilte ihn an den Tagen
um Ostern herum, als damals außer Lebensmittelgeschäften und Tankstellen
alles geschlossen hatte. Sogar die Kirchen mußten geschlossen bleiben, in
2000 Jahren Kirchengeschichte eine einzigartige Situation: Der Papst las
die Ostermesse ganz allein in der riesigen Peterskirche in Rom, ein skur-
riler Anblick. Schlimm waren die Besuchsverbote quer durch die Familien,
die eigenen Eltern durfte man nicht mehr besuchen, die Altenheime waren
geradezu hermetisch abgeschlossen, Kinder nicht mehr auf Spielplätze,
keine Freunde besuchen, selbst in kleinsten Gruppen durfte man nicht auf
dem Gehweg zusammenstehen.
Gangolf hat noch gut den damaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württem-
berg im Ohr, der in der Tagesschau sagte:
„So schöh' des isch, mit de Nachbarn ei Schwätzle zu halte, des geht halt
ez nimmer.“
Gangolf überlegte, ob wohl mehr Menschen an Depression gestorben seien als
am Virus; er fürchtete, daß sich die Verhältnisse wiederholen könnten, auch
damals wurde zunächst abgewiegelt, man habe alles im Griff, ausreichend
Intensivbetten und so weiter, doch dann währte die Bedrohungslage über Jahre.
Erst mit den überraschend schnell entwickelten Impfstoffen legte sich die
Aufregung, zwar ließen sich nur 70 Prozent der Bevölkerung in Deutschland imp-
fen, weltweit gesehen noch viel weniger, aber das genügte, daß die Behörden
die Zwangsmaßnahmen aufhoben und die Epidemie damit faktisch für beendet
erklärten.

Beglommen ergriff Gangolf die Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus;
er hätte nicht gedacht, daß seine Befürchtungen bezüglich des neuen Virus’
mehr als berechtigt waren, daß dessen Auswirkungen auf das Leben alles bislang
Dagewesene weit übertreffen werden.

























11. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 19.06.21 08:00

6
Wie fast jeden Abend, wollte auch heute Gangolf nach der Tagesschau mit seinen
Handschellen-Bastlereien weitermachen; nach einigen Rückschlägen ist er in den
vergangenen Tagen gut vorangekommen. Es wird nicht mehr lange dauern, daß er
den fernsteuerbaren Öffnungsmechanismus eingehenden Tests unterziehen würde.
Doch bevor er in seine Elektronikwerkstatt hinabstieg, schlenderte er zum Com-
puter, seine E-Mails abzurufen. Während des Tages machte er das normalerweise
nicht, da er sich bei seiner Arbeit nicht davon ablenken wollte, darüber hinaus
war ihm das Tippen und Ablesen auf dem Smartphone-Bildschirm zu mühsam.

Die erste Mail kam vom DARC, das ist der Deutsche Amateur-Radio-Club, eine Ver-
einigung der Amateurfunker. Bereits in jungen Jahren beschäftigte sich Gangolf
mit dem Radiobasteln, sein Vater unterstützte ihn dabei. 16-jährig legte er die
Amateurfunk-Prüfung ab; er durfte dadurch kleine Sendeanlagen bauen und mit Funk-
sprüchen, sei es Sprechfunk oder mit Morsezeichen, mit anderen Amateurfunkern in
Kontakt treten. In seiner neuen brandenburgischen Heimat hat er indes noch nicht
die umfangreichen Antennen gespannt, obwohl er hier viel mehr Platz gehabt hätte
als an seinem elterlichen Wohnhaus.
Dann stach ihm die E-Mail der 'wilden Fegerin" in's Auge: Gangolf hatte gar nicht
mehr daran gedacht, schließlich war es schon einige Zeit her, daß er sie ange-
schrieben hatte. Er hielt es von Anfang an für eher unwahrscheinlich, daß eine
Antwort käme, deshalb hat er die ganze Geschichte in Vergessenheit geraten lassen.
Was er dann zu lesen bekam, ließ ihn stutzen: "Komm am Sonntag vormittag zur Eis-
diele in Grausneg um 10 Uhr und sei pünktlich, M."
'Wie ist denn die drauf', dachte sich Gangolf und wollte schon mit der nächsten
Mail weitermachen, als er doch nochmals zurückkehrte und eine Antwort formulierte:
"Hallo M., 10 Uhr geht nicht bei mir, aber 11 Uhr, das paßt mir gut, da ich um die
Zeit dann ohnehin in Grausneg sein werde. Liebe Grüße, in Vorfreude,
MAGNUS - 0172 8141377."

Gangolf gab nochmals seine Handy-Nummer an in der Hoffnung, daß sie anriefe; er
fand, daß gerade bei Terminplanung ein Telephongespräch viel einfacher zum Ziel
führte als das ewige Hin- und Hergeschreibe. Ohne sich weitere Gedanken zu machen,
stieg er in den Keller hinab. Mit großer Freude tippte er auf seinem Smartphone
einen Code ein und wie durch Geisterhand öffneten sich die mit von ihm entwickelte
Elektronik präparierten Handschellen. Es ging jetzt darum, Zuverlässigkeitstests
durchzuführen; sein Ziel war die absolute Sicherheit, das heißt, daß die Schellen
sich nicht nur bei Empfang des GPS-Signals hundertprozentig sicher öffneten, son-
dern auch bei Stromausfall oder nach einem längeren Ausfall des GPS-Signals.
Die Größe des Elektronikkästchens an der Seite der Schellen bereitete ihm ein Pro-
blem: Einerseits wünschte Gangolf sich ein kleines Gehäuse, das nicht so klobig an
den Schellen daran hängt, andererseits wollte er eine möglichst lange Betriebsdauer
gewährleistet haben, was nur mit großen Batterien verwirklicht werden konnte. Zwi-
schenzeitlich gingen ihm Gedanken durch den Kopf, einen rein passiven Sender zu ver-
wenden, wie er in Chip-Karten verwendet wird, ohne eigene Stromversorgung. Mit die-
sen als Zugangsberechtigung programmierten Chips konnte man problemlos Türen öffnen
oder Alarmanlagen ein- und ausschalten. Diese Schaltvorgänge verlangten dem Chip
indes keinen nennenswerten Strom ab, denn es erfolgte nur ein Datenaustausch. Der
Strom zum Öffnen der Tür kam von einem fest im Türrahmen eingebauten Netzteil.
Bei den Handschellen schaut die Sache anders aus: Zwar benötigte man zur für den win-
zigen Entriegelungshebel nur einen sehr kleinen Elektromagneten mit entsprechend ge-
ringem Stromverbrauch, doch mußte im geschlossenen Zustand der Schellen dieser Magnet
ständig unter Strom sein, um im Falle einer leeren Batterie oder einer sonstigen ei-
nen Stromausfall verursachenden Störung den Hebel zurückschnalzen zu lassen und die
Schellen damit zu öffnen. Die Technik könnte man als 'Ruhestrom-Prinzip' bezeichnen:
Waren die Handschellen im Ruhezustand, also geschlossen, floß immer ein Strom durch
den Auslöse-Magneten, andernfalls fiel die Magnetkraft ab und die Rückholfeder beweg-
te den Entriegelungshebel. Die 'Tragzeit' der Schellen war dadurch begrenzt, Langzeit-
fesselungen waren damit nicht möglich.
Lustvoll spielte Gangolf mit dem Gedanken, sich von der Ausfallsicherheit zu verab-
schieden und zum 'Arbeitsstrom-Prinzip' zu wechseln: Mit dieser Technik wäre der Strom-
verbrauch hundertfach geringer, es würde wohl eine Knopfzelle reichen, denn nur für den
Bruchteil einer Sekunde würde von der GPS-Elektronik das Signal zu dem Auslöse-Magneten
gelangen, der Magnet würde kurz anziehen und dadurch dem Entriegelungshebel einen Impuls
geben. Stromausfall wäre jedoch fatal, die Schellen blieben dann geschlossen, bis jemand
kommt, der mit einem dünnen Stift den Entriegelungshebel betätigte.
Immerhin könnte man argumentieren, daß ein Störungsfall unwahrscheinlich sei und der Ge-
fesselte eben dann zwar möglicherweise recht lange ausharren müßte, aber lebensbedrohlich
wäre das wohl nicht. Andererseits bleibt ein ungutes Gefühl auf beiden Seiten, wenn die
Spielpartner vielleicht Hunderte von Kilometern entfernt sind. Hinzu kommt das Schlupf-
loch für die Notentriegelung: Was hindert den Gefesselten, sich eine Büroklammer zu an-
geln, sie aufzubiegen und mit dem Draht in das Loch hineinzustochern, um den befreienden
Hebel damit zu betätigen.

Unschlüssig darüber, welches grundsätzliche Prinzip er weiter favorisieren sollte, beschloß
Gangolf, für diesen Abend Schluß zu machen; sein per Smartphone gesendetes GPS-Signal wurde
störungsfrei von seiner Elektronikschaltung an den Handschellen empfangen und es führte zu
einer zuverlässigen Betätigung des Entriegelungshebels.

Bevor es ins Schlafzimmer ging, warf er nochmals einen Blick auf seine E-Mail; die 'wilde
Fegerein' hat, wie er vermutet hatte, nicht geantwortet und angerufen hat sie erst recht
nicht. Jedenfalls wollte Gangolf seine Terminplanung nicht abändern: Er war für viele Dinge
meist kurzfristig verfügbar, sei es für eine Nachbarschaftshilfe, sei es für eine spontane
Zusammenkunft mit Freunden und Bekannten. Doch am Sonntag, das war ja bereits übermorgen,
wollte er an seinem kleinen Ehrenamt festhalten: Als nebenberuflicher Organist spielte er
als Vertretung des bereits 87 Jahre alten Hauptorganisten die Orgel in einigen Dörfern im
Gebiet des Schleewalds. Er freute sich darauf, am Sonntag in Grausneg den Gottesdienst in
dieser besonderen Kirche auf dem Hügel über dem Dorf zu spielen; wie üblich war auch hier
der Gottesdienst um 9.30, so daß ihm ein Teffen mit der Motorrad-Lady gegen 11 Uhr in Graus-
neg sehr gelegen kam, aber halt nicht schon um 10 Uhr.

Nachdem sich Gangolf für die Nacht bereitet hatte, schnappte er sich seinen Roman und las
darin, wie jede Nacht vor dem Einschlafen, einige Seiten. Manchmal ärgerte er sich über
die völlig unrealistischen Vorstellungen der Romanschreiber: Nur um dem Leser ein Gruseln
zu bereiten, wird da minutiös beschrieben, wie muskulöse Männer brutal niedergeschlagen
oder angeschossen werden und diese sich dennoch mit letzter Kraft in Sicherheit bringen
können, wie sich andere in letzter Sekunde aus brennenden Autowracks stürzen, bevor diese
explodieren, oder gar wie Frauen in dunklen Kellerverliesen gefangen gehalten werden.
Andererseits mußte sich Gangolf eingestehen, daß ferngesteuerte Handschellen sicherlich auch
nicht zu den gewöhnlichen Dingen des Alltags gehörten; er wußte selbst nicht mehr, wie es
überhaupt dazu kam, sich mit Handschellen zu beschäftigen, jedenfalls konnte er sich erinnern,
daß er früher immer von dem Anblick fasziniert gewesen war, wenn die Eisen am Gürtel der Poli-
zisten aufblinkten. Später wurden die Schellen meistens in spezielle Gürteltaschen gesteckt,
so daß sie nicht mehr so schön sichtbar waren, und Gangolf vermutete zudem, daß die Polizi-
sten anstelle der Schellen vermehrt Platikbinder dabeihatten.

Den folgenden Tag verbrachte Gangolf mit den unterschiedlichsten Arbeiten in seinem Hof,
vom Saubermachen bis zu kleineren Reparaturen, dann Einkaufen und Motorradpflege, alles,
was während der Woche liegenblieb und üblicherweise am Samstag erledigt wird. Am Abend er-
hielt er dann doch noch überraschend eine Nachricht, daß er sich morgen pünktlich um 10 bei
der Eisdiele einzufinden habe, sonst striche sie ihn von der Liste.
'Was für eine Liste', überlegte sich Gangolf, 'die ist ja völlig durchgeknallt, vergiß es,
hätte sie wenigstens angerufen, könnte ich ihr das plausibel erklären, aber so, dann halt
nicht.'
Mit diesen Gedanken beendete Gangolf den Samstag, er schlängelte sich den Pfad zum See hin-
durch und betrachtete am Ufer die friedlich vom Himmel blinkenden Sterne.
12. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 19.06.21 23:10

Hallo Magnus,

ich lese deine sehr gut geschriebene Geschichte gern und bin gespannt, wie es zum Treffen mit der "wilden Fegerin" kommen wird.

Freundl. Gruß
13. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 21.06.21 13:46


Hallo Sarah,
es freut mich, daß Du meine Geschichte gern liest; ich fürchtete schon, sie sei
langatmig-langweilig, in anderen Stories hier erfolgt viel mehr "Action".
- Eigentlich hat Gangolf die "wilde Fegerin M." bereits aufgegeben, nachdem diese
stur auf ihren Termin um 10 Uhr besteht. Oder meinst Du, Gangolfs männliche Be-
gierde würde siegen und er sagt seine Termine ab?
14. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 25.06.21 18:17

7

- Obwohl er eigentlich das Thema Motorrad-Sozia gedanklich streichen
wollte, schlich Gangolf am Sonntagmorgen gleich nach dem Aufstehen
zum Computer, um nachzusehen, ob in der Nacht doch noch eine Antwort
bezüglich des an diesem Vormittag geplanten Treffens eingegangen wäre.
Wie er schon vermutet hatte, war das nicht der Fall, dennoch beschloß
Gangolf, so wie er es immer machte, wenn das Wetter paßte, mit dem
Motorrad zur Kirche nach Grausneg zu fahren. Er verstaute Noten und
flache Schuhe in den Tankrucksack, auf dessen Unterseite starke Mag-
nete eingenäht waren. Dieser Tankrucksack war eigentlich gar kein Ruck-
sack, sondern eine spezielle Tasche, die man einfach auf den Tank des
Motorrads auflegte und die dank der Magnete darauf erstaunlich guten
Halt fand ohne lästige Schnürerei mit Bändeln und Schnallen.

- Als er die Hauptstraße in Grausneg entlangfuhr, sah er schon von wei-
tem Giuseppe mit der Kurbel die Markise über die Sitzplätze vor seiner
Eisdiele ausbreiten. Obwohl er die Motorrad-Sozia vergessen wollte, kam
ihm wieder diese ominöse Frau in den Sinn. Spontan beschloß er, kurz
anzuhalten, um Giuseppe zu begrüßen. Es war erst kurz nach neun, doch
saßen schon ein paar Gäste an den kleinen Tischen und genossen den italie-
nischen Kaffee.
- Giuseppe begrüßte Gangolf freundschaftlich und bat ihn mit einer ein-
ladenden Handbewegung Platz zu nehmen. Gangolf wiegelte ab, er müsse erst
zur Kirche, käme dann aber zurück. Jäh fiel ihm ein, daß er Giuseppe das
vermeintliche Treffen mit der Unbekannten mitteilen könnte. Er sprach mit
ihm italienisch, denn er wollte nicht, daß die Gäste ihre Ohren spitzten.
Seine häufigen beruflichen und touristischen Aufenthalte in Italien mach-
ten sich bezahlt, daß er zumindest einfache Konversation durchführen konnte:
- "Ascolta, aspetto una ragazza, non la conosco ancora, voleva essere lì
alle dieci, ma io verrò verso le undici. Ti prego di dicere la aspettarmi."
- Giuseppe schaute etwas verwundert, Gangolf wußte nicht, ob es an seiner
holprigen Grammatik lag oder an der Bitte selbst. Schließlich antwortete
Giuseppe:
- "Ah, dirò alla donna di aspettarti, è questo che vuoi?"
- "Si, grazie, a dopo, ciao!"
<-"Ciao!"

- Neun Jahre hatte Gangolf an einem neusprachlichen Gymnasium täg-
lich Englisch-Unterricht, absolvierte leidlich das Abitur in diesem
Fach, dennoch blieb ihm diese Fremdsprache fremd, geschmeidig-elegant
fand er dagegen Französisch und Italienisch und er war der Ansicht,
daß man spätestens mit dem Ausscheren Großbritanniens aus der Europä-
ischen Union kein Englisch mehr auf dem Festland bräuchte. Mit diesen
Gedanken ging er wieder zu seinem Motorrad, noch im Gehen faßte er
den Entschluß, es gleich hier stehen zu lassen und das kurze Stück
zur Kirche zu Fuß zurückzulegen. Er befestigte seinen Helm an einem
Haken unter dem Soziussitz und zog die Motorradtasche von dem Tank,
was dieser mit einem Pflopp-Geräusch quittierte.

- Um Viertel nach neun erreichte Gangolf die Kirche; bevor er in die
Sakristei ging, um den alten Prädikanten Schönred zu begrüßen, stieg
er auf die Orgelempore, um sich die Motorradstiefel und die Lederjacke
auszuziehen. Er holte die Schuhe aus der Tasche, die er immer zum Orgel-
spielen benutzte, lockerte die Bändel aus der seitlichen Schnürung,
schlüpfte hinein und zog die Bändel wieder fest, gekrönt mit einem schö-
nen Knoten. Er achtete stets darauf, die beiden Schleifen gleichmäßig
lang aus dem Knoten zu ziehen, damit weder die Schleifen, noch die losen
Enden der Bändel zu weit herabhingen und dadurch beim Treten der Pedale
hinderlich werden könnten.
- Als Gangolf die Sakristei betrat, fand er diese leer vor, weder der Prä-
dikant, noch der Mesner, der hier Küster genannt wurde, noch sonst wer war
anwesend. Das war ungewöhnlich, da der alte Herr Schönred sehr gewissenhaft
war und immer zeitig seine Vorbereitungen für den Gottesdienst traf. Nur
einen kurzen Augenblick nach Gangolfs Eintreten kam eine junge Frau herein,
Gangolf ging davon aus, daß es sich um eine Lektorin handelte. Erstaunlich-
erweise hatte sie einen großen Sack unter dem Arm geklemmt, den sie mit
einem leichten Seufzer abstellte. Gleich darauf wandte sie sich Gangolf zu,
reichte ihm die Hand und noch während ihres Händeschüttelns ließ sie sich
auf einen Stuhl plumpsen.

- "Bettina", stellte sie sich vor, "ich vertrete Herrn Schönred."
- Gangolf blickte sie etwas verwundert an und stellte sich vor: "Gangolf Stumpf."
- Seine Verwunderung steigerte sich, als die junge Frau den Sack öffnete, ein
schwarzes Knäuel herauszog, es schwungvoll auf den Tisch legte und schließlich
ein paar Schuhe herausholte. Noch während sie damit beschäftigt war, diese neben
sich abzustellen, streifte sie sich mit den Füßen ihre anscheinend sehr lose
gebundenen Chucks ab, die in einiger Entfernung im Raum zu liegen kamen.
- Sprachlos beobachtete Gangolf das weitere Geschehen: Erst jetzt gewahrte er,
um welche Schuhe es sich handelte, die von der Frau mitgebracht worden waren.
Es waren schwarze Plateau-Stiefeletten mit gewaltig hohen Absätzen, sie waren
deutlich höher als handbreit. Während das Mädel geschickt mit ihren Füßchen in
die Ungetüme schlüpfte, fragte sie ihn ohne aufzuschauen:
- "Und Sie lesen?"
- Gangolf starrte gebannt auf ihre Füße, die jetzt deutlich von dem Fußboden
erhöht waren. Erst als Bettina zu ihm aufschaute, begriff er, daß er mit der
Frage gemeint war, und leicht irritiert stotterte er:
- "Äh, nein, ich versuche, die Orgel zu spielen."
- Nun traf ihn ein breites Lächeln, das die gesamte Breite ihrer schmalen läng-
lichen Gesichtsfront einnahm. Sie antwortete, während sie sich von dem
Stuhl erhob:
- "Das trifft sich gut, daß du da bist, dann muß ich nicht mehr auf die Empore
hinaufsteigen."
- Bettina drehte sich um, dem abgelegten Knäuel zugewandt, entfaltete dieses,
ergriff den schwarzen Stoff und zog ihn zu sich heran.
- "Sei so gut und hilf mir, den Talar überzuziehen!"
- "Äh, ja, gern", stammelte Gangolf, immer noch perplex über die so unerwartet
eingetretenen Gegebenheiten. In dem Moment kam der Mesner aus der Kirche herein,
er stolperte leicht über Bettinas abgestreiften, mitten im Weg liegenden Leinen-
schuhe, erfaßte mit Kennerblick die Situation und den schweren schwarzen Pfaffen-
rock und schon stand das Mädel ganz in schwarz gehüllt vor ihnen. Dank der enorm
hohen Absätze, die von dem fast bis zum Boden reichenden Saum des Talars verdeckt
wurden, stand sie jetzt auf Augenhöhe mit den beiden Männern. Sie wandte sich an
den Mesner:
- "Ich hörte, daß in der Gemeinde schon lang kein Abendmahl gehalten worden ist,
weil ja meistens Prädikanten hier den Gottesdienst halten, und da hab' ich mir
gedacht, daß wir heute das Abendmahl feiern. Bitte bereite doch schon mal alles
vor!"

- Wie selbstverständlich ist sie zum Du übergegangen, der Mesner blickte kurz
erstaunt auf, nickte aber gleich darauf und wandte sich ab, entsprechend alles
vorzubereiten.
- Gangolf begriff zwischenzeitlich, daß es sich bei Bettina um eine hauptamtliche
Pfarrerin handelte; er fragte sie nach dem liturgischen Ablauf, ob irgendwelche
Besonderheiten zu beachten wären, wie sie es mit dem Psalmsingen hielte. Als alles
geklärt war, stieg er zur Orgel hinauf, bereits kurz darauf läuteten nochmals die
Glocken und der Gottesdienst begann.
- Gangolf fiel es schwer, sich auf das Orgelspielen zu konzentrieren, das Erlebnis
mit der Pfarrerin mit ihren wahnsinnig hohen Stiefelchen erregte ihn immer noch.
Nach dem einleitenden Orgelspiel stellte sich Bettina der Gemeinde vor:
- "Ich bin Bettina Litte und habe die Ehre, heute Prädikant Schönred zu vertreten,
der kurzfristig verhindert ist. Wir werden heute das Abendmahl
feiern, ich danke dem Küster und dem Organist für ihren Dienst und allen,
die sonst noch dazu beigetragen haben, daß wir hier zusammen den Gottes-
dienst feiern können..."

- Plötzlich kam Gangolf wieder die Motorrad-Lady in den Sinn und er verspürte
eine teuflische Lust, während der Predigt hinauszugehen und schnell zur Eis-
diele hinunterzulaufen. Seine Erregung steigerte sich immer mehr, prompt ver-
spielte er sich auch einmal. Nach dem Glaubensbekenntnis wurde, wie üblich,
noch ein Choral gesungen, bevor die Predigt begann. Es war vier Minuten vor
zehn Uhr, entschlossen schaltete Gangolf das Orgelgebläse aus, schwang sich
von der Orgelbank und stieg leise die Stufen zum Ausgang hinunter.
- Schwerfällig bestieg derweil die junge Pfarrerin die Kanzel, Gangolf konnte
ein verschmitztes Lächeln nicht verkneifen, da er wußte, warum sie sich so lang-
sam die Kanzeltreppe hinauf bewegte. Er hatte bereits den Griff der Kirchentür
in der Hand, als er ihre Stimme von der Kanzel hörte:
- "Da ich keine Zeit fand, mich eingehend auf eine Predigt vorzubereiten und
heute auch das Abendmahl gefeiert wird, möchte ich mich kurz halten und nur
ein paar spontane Gedanken zu dem Text aus dem Alten Testament wiedergeben..."
- Gangolf stockte der Atem: Während Prädikant Schönred stets langatmige Pre-
digten zu halten pflegte, die schier kein Ende nahmen, scheint es die Pfarrerin
flott zu machen; sollte er doch hierbleiben und ganz unauffällig wieder zur
Orgel hinaufschleichen? In seiner Wallung war er jetzt zu angeregt, um noch-
mals umzukehren und seinen spontanen Plan aufzugeben. Lautlos öffnete er die
Kirchentür, schnell lief er den Kirchenhügel hinunter zu der Hauptstraße. Dort
angelangt ging er dann bedeutend langsamer, um bei der Wärme des strahlenden
Sonnenschein nicht außer Atem zu kommen.

- Am Sonntag Vormittag war gewöhnlich wenig Verkehr auf der Hauptstraße des
Dorfes. Als Gangolf auf dem Gehweg Richtung Eisdiele dahintrabte, fuhr mit
hohem Tempo ein Lada Niva in seiner Richtung vorbei. Das Erstaunliche an dem
Fahrzeug war weniger seine grundsätzliche Eigenschaft, daß die würfelförmige
Karosserie seit Jahrzehnten unverändert gebaut wird, als vielmehr seine unde-
finierbare matte Farbgebung, die je nach Lichtverhältnissen zwischen dunkel-
grün über grau-blau bis braun zu schwanken schien.
- Noch im Gedanken daran, daß es sich um das Auto seiner seltsamen Motorrad-
Bekanntschaft handeln könnte, erkannte Gangolf, daß der Lada weiter vorne am
Straßenrand anhielt. Die Fahrerin stieg aus, beugte sich von der Straße aus
nochmals in den Wagen und zog eine Jacke heraus.
- 'Das könnte sie sein', folgerte Gangolf blitzschnell und beschleunigte seine
Schritte. Tatsächlich konnte er von der Ferne erkennen, wie sie in den Bereich
der Eisdiele eintrat. In diesem Moment begann die Kirchturmuhr mit den Schlägen
für zehn Uhr. Erschrocken hielt Gangolf inne, er hätte nicht gedacht, daß er
bereits vier Minuten unterwegs gewesen war, er mußte jetzt unbedingt umdrehen,
um rechtzeitig vor dem Ende der Predigt in der Kirche zurück zu sein. Giuseppe
wird ihr schon ausrichten, daß sie auf ihn warten soll, außerdem hat er ihr ja
geschrieben, daß er erst gegen elf da sein konnte.

- Leicht außer Atem keuchte Gangolf den Kirchenhügel hinauf, auf halber Anhöhe
hörte er aus der Kirche den Gesang anstimmen: Er war zu spät, die Gemeinde sang
das Predigtlied notgedrungen ohne Orgelbegleitung. Es war ein schauderhafter
Gesang, ihm wurde auf diese Weise bewußt, wie wichtig doch die Orgel war. Mit
hochrotem Kopf eilte er zur Empore hinauf, prompt knarrten einige ausgetretene
Treppenstufen, Pfarrerin Bettina blickte kurz von ihrem Gesangbuch auf.
- 'Auh, wie peinlich,' schalt sich Gangolf selbst, 'und das bloß wegen der blö-
den Kuh da unten an der Eisdiele, wär ich doch dageblieben'.
- Gangolf mußte sich eingestehen, daß es ihn mit einer gewissen Lust erfüllte,
jetzt zumindest schon einmal das Auto dieser seltsamen Motorrad-Begeisterten zu
kennen; sobald dieses Fahrzeug irgendwo ihm begegnete, würde er es selbstver-
ständlich sofort wiedererkennen wie den sprichwörtlichen Bunten Hund.

- Wie üblich endete der Gottesdienst mit dem Orgelnachspiel. Als Gangolf fertig-
gespielt hat und die Faltbretter über die Tasten klappte, richtete er unwillkürlich
seinen Blick über die Emporenbrüstung nach unten in das Kirchen-schiff. Erstaunt
stellte er fest, daß die Pfarrerin anscheinend seinem Schlußspiel gelauscht hatte,
sie saß auf der ersten Reihe der Kirchenbänke, erhob sich nun, wandte sich dabei
um, hob den Blick zur Orgel empor, bedachte Gangolf mit einem anerkennenden Lächeln
und hob zum Gruß die Hand, ehe sie würdigen Schrittes entschwand.
- Gangolf fiel ein Stein vom Herzen, anscheinend hat sie ihm seinen Austritt wie
selbstverständlich verziehen. Nachdem er die Schuhe mit den Motorradstiefeln
getauscht und seine Lederjacke über eine Schulter gehängt hatte, machte er sich
wieder auf den Weg zur Eisdiele. Eigentlich hatte er gar keine große Lust mehr,
die seltsame Lady kennenzulernen, es war vielmehr die kesse Pfarrerin, die ihn
vollkommen in den Bann zog.

- Auf der Straße zur Eisdiele stellte er fest, daß der Lada nicht mehr da stand,
tatsächlich erzählte ihm Giuseppe, daß die Ragazza gleich wieder weggefahren sei,
obwohl er ihr sagte, auf Gangolf zu warten.
- „Ist keine für dich“, raunte ihm Giuseppe zu, „voll verrückt alles schwarz ange-
zogen, mit Lederjacke mit Nieten überall und Piercing und so.“

- Von dieser Nachricht: >ist keine für dich< erleichtert, trank Gangolf seinen
Cappuccino aus und schwang sich auf seine Yamaha R1, um ein paar Dörfer weiter
zu fahren und dort ein Mittagessen einzunehmen. Es war schon gegen drei Uhr,
als er wieder zuhause war. Es drängte ihn jetzt, mit seinem neuen Kajak eine
Paddeltour zur Insel zu unternehmen. Hurtig entledigte er sich seiner Kleidung
und holte sein ärmelloses Neopren-Shorty heraus, ein ‚Sailfish Pacific’. Wäh-
rend die meisten Shortys Ärmelchen aufwiesen, war sein Teil vollkommen ärmel-
los, er hatte sich vor einiger Zeit dieses Modell bestellt, da er beim Rudern
die Achseln frei haben wollte, zumindest bei den nachmittäglichen Temperaturen.

- Jedesmal überkam Gangolf eine gewisse Erregung, wenn er in die Neoprenröhren
stieg und dieser besondere Stoff über seine Knie strich, um schließlich mit den
Oberschenkeln zu verschmelzen. Mit nicht unerheblichen Verrenkungen gelang es ihm,
das Reißverschlußplättchen an seinem Rücken in die Höhe zu ziehen; das in seinen
Augen alberne Zugband hatte er abgeschnitten, denn es baumelte beim Rudern bei
jeder Drehung des Oberkörpers, mithin bei jedem Ruderschlag, auf seinem Rücken
hin und her. Als das Neopren seinen Oberkörper fest umschlungen hatte, wurde es
Gangolf richtig warm, und ein wohliges Gefühl der Geborgenheit durchzog seinen
eingepackten Leib.
- Seine Erregung steigerte sich noch, als Gangolf schließlich in seine gummier-
ten Wassersportschuhe schlüpfte, und obwohl er es schon unzählig oft getan hat,
betrachtete er sich anschließend in dem großen länglichen Spiegel des Hausflurs,
um sich selbst zu gefallen, wie er so da stand in dem leicht glänzenden schwar-
zen Neoprenanzug mit den grauen Seitenteilen; der typische Geruch zog durch
seine Nase und ließ seine Erregung nochmals anwachsen.

- Langsamen Schrittes wandelte Gangolf zu dem Schuppen hinüber, in welchem er
seine Boote aufbewahrte; jede Unebenheit des Bodens übertrug sich über die dün-
ne Gummisohle auf die empfindsamen Nerven seiner Fußsohlen. Das Kajak war ein
Prijon-Falcon GFK, ein ausgesprochenes Schnellboot mit nur 55 Zentimeter Breite
und 17 Kilo Leergewicht. Letztes Jahr hatte er sich seinen Wunsch erfüllt und
sich dieses edle Stück zu einem Wahnsinnspreis geleistet. Es hätte auch eine
Ausführung in Carbon-Aramid gegeben, das war nochmals drei Kilo leichter, aber
der Preis dafür astronomisch höher.

- Das Kajak in der Rechten, die Paddel in der Linken watschelte Gangolf den
Weg zu dem Kanal hinunter, der an seinem Grundstück entlang führte. Nachdem
er das Paddel entlang auf den Steg gelegt hatte, nahm er nun auch die freige-
wordene linke Hand zu Hilfe, um das Kajak längs des Stegs in das Wasser zu las-
sen. Dann setzte er sich an den Rand des Stegs, griff mit der linken Hand an
den Wulst der Luke hinter dem Sitz, hob das linke Bein in die Luke, während er
sich mit der rechten Hand am Steg abstützte. Anschließend zog er auch noch das
rechte Bein nach, das Schifflein begann stark zu schwanken, doch als er schließ-
lich zu sitzen kam, beruhigten sich die Schaukelbewegungen, und Gangolf ergriff
das Paddel vom Steg. Obwohl er es bereits unzählig oft vollzogen hatte, verlangte
der Einstieg in das extrem schmale Boot stets höchste Konzentration.
- Nach wenigen Metern öffnete sich vor ihm die Weite des Sees, für ihn immer
wieder ein faszinierender Anblick. Während auf dem Kanal das schmale Kajak
problemlos-ruhig dahinglitt, zeigte sich auf dem offenen See schnell der Nach-
teil des schmalen Bootes, es neigte in den leichten Wellen hin- und herzukip-
peln. Doch Gangolf kam gut damit zu recht, er freute sich immer wieder, wie
schnell er mit diesem schwimmenden Pfeil vorankam.

- Man mußte den Schilfgürtel genau kennen, um die schmale Lücke nicht zu ver-
fehlen, welche die Einfahrt zu der Insel gestattete. Von dem meterhohen
Schilf links und rechts umgeben war das Paddeln hier sehr schwierig, da man
die Paddelblätter kaum seitlich in das Wasser stechen konnte. Meist genügte
der Schwung, um bis an das schmale Stegbrett der Insel zu kommen, das Paddel
benützte Gangolf nur zum Lenken.

- Berauscht von der Fülle der Natur, umgeben von der vollkommenen Einsamkeit
des Erlenbruchwaldes, setzte Gangolf vorsichtig Fuß vor Fuß; nach einer Weile
kam er in der östlichen Hälfte der Insel auf eine Lichtung, auf der er sich
niedersetzte. Die Baumkronen gaben in einem schmalen Oval den Blick frei auf
den blauen Himmel; Gangolf blickte gedankenverloren in die unendliche Ferne,
er ertappte sich, wie er im Gedanken zu philosophieren begann, doch er gestat-
tete es sich und träumte:
- Es war der richtige Entschluß, seine alte Heimat aufzugeben und hierhin zu
ziehen, wo ihm alles die vollkommene Freude bereitete, ja noch mehr, sein
ganzer Lebenswandel war die reinste Lustbarkeit: In dem engen Kajak einge-
zwängt die baumkronenumschlossenen Kanäle entlang zu gleiten, die große
Fläche des Sees zu überqueren, dann natürlich das Motorradfahren, diese
Lust, die schier unendliche Kraft des Motors so zu dosieren, daß man mit gekonn-
ter Schräglage durch die Kurven pfeilt, dazu die stimulierenden Anzüglichkeiten,
hier das Neopren, dort das Leder, selbst die Arbeit auf den Dächern mit den
Photovoltaikplatten war ihm meistens eine lustvolle Herausforderung:
- Die knöchelhohen Chucks, an den Füßen fest verschnürt, erlaubten dank der
sagenhaft rutschfesten Gummisohlen, auch auf steilen Dächern herumzuturnen;
im Verein mit seinen Kräften und seinem drahtig-schlanken Körper schwang Gan-
golf sich problemlos zwischen den Modulen hin und her, um die Anschlüsse her-
zustellen. Freilich war er nicht ganz schwindelfrei, die ersten Minuten vermied
er es, nach unten zu sehen, sondern richtete seinen Blick zunächst stets auf das
Dach. Nach wenigen Minuten legte sich das ungute Gefühl in der Magengegend, es
steigerte sich zu einem Glücksgefühl, wenn er dann weithin über das Land umher-
schaute.

- Gangolfs Gedanken schweiften zum Orgelspielen, auch das war für ihn die rein-
ste Lust, zum einen eine prickelnde Konzentrationsübung, stets die Gemeinde als
Ohrenzeuge seines Spiels zu wissen, aber auch das Bewußtsein einer dominanten
Komponente, den Gemeindegesang zu führen. Besonders gern spielte er auf der
150 Jahre alten sehr kleinen Orgel in Grausneg, zwar nur mit einem Manual aus-
gestattet, aber mit einem Pedal vollen Umfangs und vor allem sehr schöne helle
Register erlaubten ein kunstvolles Spiel mit ansprechenden Klangfarben. Im
Gegensatz zu seiner bayrischen Heimat, wo viele Orgeln aus dieser Zeit mit
sehr unzuverlässigen Spielsystemen ausgestattet wurden und zudem häufig nur
über dunkel-dumpfe Säuselpfeifen verfügten, die allenfalls romantische Schnul-
zen zu spielen zuließen, genoß Gangolf die barocke Orgelmusik, die er hier zu
Gehör brachte.

- Dann war da noch das Radiobasteln, Sender und Empfänger bauen, überhaupt
die vielen Bastlereien in seiner Hobby-Werkstatt, bei diesen Gedanken kamen
ihm seine ferngesteuerten Handschellen in den Sinn, auch das war natürlich
die reinste Lustsache, obschon er sich überhaupt nicht vorstellen konnte, wie
und wo er diese jemals zur Anwendung bringen würde.
- Gangolf vergaß, vorsichtig mit seinen Wünschen zu sein, bekanntlich könnten
sie in Erfüllung gehen...

- Bevor er die Insel verließ, begab sich Gangolf an das hintere Ende der Lich-
tung, scharrte an einer bestimmten, ihm wohlvertrauten Stelle das Laub mit sei-
nen Füßen weg, bis der silbrig glänzende Deckel einer eingegrabenen Aluminium-
kiste zum Vorschein kam.

15. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 02.07.21 20:32

8


Verkehrsministerin Umleid-Tung fing gerade an, in der wöchentlich ein-
berufenen Sitzung des Regierungskabinetts über den Eurotunnel zwischen
Frankreich und England zu referieren, als Staatssekretär Gscheid unge-
stüm in den Saal hereinstürmte. Fast alle Anwesenden warfen ihm einen
abfälligen Blick zu, Umleid-Tung unterbrach ihren Vortrag. Während sich
Gscheid auf einen freien Platz niederließ, rief er grinsend in die Runde:
- „Es ist da!“
- „Ja, Sie sind endlich da“, konterte Bundeskanzlerin Prank-Barrenkau-
er ungehalten, „bitte Frau Umleid, fahren Sie mit ihrem Bericht über den
Eurotunnel fort.“
Umleid murmelte, daß dieses Verlustloch nach ihren neuesten Informatio-
nen jetzt wohl endgültig zugeschüttet werden müsse, doch verkniff sie
sich, das laut zu äußern.

Zehn Jahre sind vergangen, daß Großbritannien aus der Europäischen Union
ausgetreten war; es kam kein Vertrag zustande über die Beziehungen zwi-
schen Großbritannien und der EU, schließlich kam es zu dem befürchteten
harten Brexit’, dem Ausscheiden ohne vertragliche Vereinbarungen. Das Ei-
senbahntunell war in den ersten Betriebsjahren defizitär, da zum einen
die geplanten Baukosten um das Doppelte überschritten worden waren, zum
anderen, weil das Fahrgastaufkommen viel geringer gewesen war als geplant.
Durch Umschuldungen und Gläubigerverzicht gelang es, das Tunell gewinnbrin-
gend zu führen. Mit dem ‚Brexit’ ging der Fracht- und Personenverkehr stark
zurück, so daß seitdem der Betrieb wieder Verluste einbrachte. Die Fahrzeit
für die Personenbeförderung hat sich mehr als verdoppelt, da nun wieder
strenge Zollkontrollen durchgeführt wurden.
Ministerin Umleid-Tung berichtete ausführlich, wie diese Kontrollen vonstat-
ten gingen:
Das früher geltende Verfahren der ‚juxtaposed controls’ wurde abgeschafft,
damals wurden die Grenz- und Zollkontrollen vor Antritt der Überfahrt in dem
jeweiligen Ausgangsland durchgeführt; Großbritannien erlaubte seit dem Bre-
xit den Franzosen nicht mehr, auf der Insel die Kontrollen für Reisende und
Fracht zum Festland vorzunehmen.
Seit einigen Jahren wurden die Kontrollen mitten im Tunell durchgeführt: Der
Zug hält an, alle Reisende müssen aussteigen und mit ihrem Gepäck durch einen
kurzen Querschacht zu der ‚Serviceröhre’ gehen, dort wurden lange Tische auf-
gebaut, auf denen die Gepäckstücke aufgelegt und zur Inspektion geöffnet wer-
den müssen. Derweil rangiert der Zug zur Rückfahrt über die Umführung zu der
anderen Gleisröhre, während ein neuer Zug aus dem Zielland heranrangiert wird,
in dem die Reisenden nach Beendigung der Kontrollen einsteigen und die Reise
fortsetzen.

Außenminister Schmollz ergänzte die Ausführungen der Verkehrministerin bezüg-
lich der allgemeinen Zollproblematik mit England. Er vermied dabei den Begriff
Großbritannien, da dieser Staat seit einigen Jahren nur noch aus England,
Wales und Nordirland bestand; den Schotten gelang es nach langem Hin- und Her,
sich von Großbritannien abzuspalten und als unabhängiger Staat wieder in die
Europäische Union einzutreten. Ein von verschiedenen Seiten vorgeschlagener
Zusammenschluß mit der Republik Irland konnte nicht vollzogen werden, das
Nationalbewußtsein ist in beiden Ländern bis heute zu stark ausgeprägt und
man wollte unbedingt verhindern, vom Regen in die Traufe zu kommen.
Als warnendes Beispiel wurde damals die Tschechoslowakei genannt: Die Slowaken
versuchten mehrfach, aus dem Staatenbund mit den Tschechen auszutreten, zuletzt
erfolglos während des Aufstandes gegen die stalinistische Diktatur 1968, bis
es endlich 1992 zu der endgültigen Losspaltung kam.
Während die Loslösung der Slowakei friedlich vollzogen wurde und der damalige
tschechische Präsident Havel sofort sich um beste nachbarschaftliche Beziehun-
gen bemühte, obwohl er die Trennung als Fehler ansah, war die Abspaltung der
Länder aus dem jugoslawischen Staatenbundes ganz und gar unfriedlich verlaufen,
es kam zu den blutigen Balkankriegen, die sich von 1991 bis 2001 dahinzogen und
zu einer völligen Auflösung von Jugoslawien führte.

Schmollzens Staatssekretär Doktor Gscheid grinste vor sich hin, als er den Aus-
führungen über die Situation in Großbritannien lauschte. Sein rüpelhaftes Herein-
platzen in den Saal war anscheinend längst vergessen worden. Kanzlerein Prank
schickte sich bereits an, die Sitzung für beendet zu erklären, als es schließ-
lich doch noch zu einer Wortmeldung kam. Eine Staatssekretärin hat sich an
Gscheids Worte erinnert, als er hereingestürmt war:
- „Herr Gscheid, Sie kamen herein mit den Worten, es sei da. Was hat es damit
auf sich, was ist da?“
Gscheid wendete sich zu der Kollegin und setzte dabei eine bedeutsame Miene auf:
- „In der Tat, es, das Virus, ist da, und zwar in England! Es freut mich, daß
wenigstens Sie, verehrte Kollegin, sich für diese meiner Meinung nach höchst
brisanten Nachricht interessieren, vielen Dank, daß Sie mir die Möglichkeit
einräumen, Ihnen das mitteilen zu dürfen.“

Sprachlos wendeten sich nun alle Blicke zu Staatssekretär Doktor Gscheid in Er-
wartung, daß dieser weiter spräche. Doch Scheid lächelte weiter in die Runde,
ohne dem etwas hinzuzufügen. Schließlich forderte Prank ihn auf, nicht so geheim-
nisvoll einfach eine Meldung in den Raum zu werfen, sondern endlich dazu Erläute-
rungen zu geben. Geschmeichelt fuhr nun Gscheid fort:
- „Ja, meine Damen und Herren, das ist ganz brandneu, wie Sie viel-leicht wissen,
verfüge ich über die amtlichen Kontakte unseres Ministeriums hinaus noch persön-
liche Kontakte nach England; ein Informant rief mich heute morgen an und steckte
mir diesen Hinweis mit der Bitte, diesen vertraulich zu behandeln, nicht daß die-
se Information gleich wie-der zur DPA gelangt und damit in die Medien, wo wie der
Bericht aus Taiwan vor zwei oder drei Wochen, das war ja ganz Formosa.“
Wieder legte er eine bedächtige Pause ein und wartete sichtbar darauf, daß jemand
nachfragte. Nun war es Gesundheitsminister Scham, der es genauer wissen wollte:
- „Und da handelte es sich eindeutig um das gleiche Virus?“
- „Ja, der Betroffene, also der, besser gesagt, die Infizierten leiden unter den
gleichen Symptomen wie die in Taiwan.“
- „Was war das nochmals, Reizung der Geschlechtsorgane?“
- „Ja genau und die Engländer, also die Ärzte dort, sprechen auch vom Condoma-Vi-
rus.“
- „Und das gelangte dort noch nicht in die Presse?“, wollte Regierungssprecher
Schmarr wissen.
- „Anscheinend noch nicht, und auch wir sollten meiner Meinung nach stillhalten.“
Kanzlerin Prank mischte sich ein: „Auf jeden fall sollten wir das noch nicht in
die Öffentlichkeit geben, denn zu schnell könnten falsche Schlüsse daraus gezogen
werden. Die Bevölkerung ist ja hochsensibilisiert, wenn sie das Wort Virus hört.
Ich erinnere mich gut daran, wie Sie, Kollege Schmollz, damals vor zehn Jahren
sinngemäß davon sprachen, daß wir nach der Corona-Krise auf jeden Fall andere Men-
schen sein werden.“
Schmollz setzte sein charakteristisches Lächeln auf, strich sich mit beiden Händen
über seinen nicht zu übersehenden Bauch und bejahte das Gehörte mit einem Nicken.

„Stop“, rief die Kanzlerin darauf hin, „bevor es jetzt zu einer wilden Diskussion
kommt, möchte ich Sie bitten, in den einzelnen Ressorts Arbeitsgruppen einzurich-
ten, was es alles für Möglichkeiten gibt, mit dieser neuartigen Ausgangslage umzu-
gehen und wie wir verfahren müssen, damit sich das Fiasko von damals nicht wieder-
holt! Ich schlage vor, daß wir bereits Anfang nächster Woche wieder zusammenkommen,
um in einer Sondersitzung nur über dieses Thema zu sprechen. Also sammeln Sie Vor-
schläge, denken Sie mit ihren Mitarbeitern in alle möglichen Richtungen, aber bitte
lassen Sie nichts nach draußen dringen, erst wenn wir uns einig sind, war wir ma-
chen wollen, also mit konkreten Schritten aufweisen können, dann werden wir frei-
lich unverzüglich diese der Bevölkerung mitteilen.“

16. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 10.07.21 06:30

9

Gangolf holte sich gerade eine Bierflasche, um sich auf dem Wohn-
zimmersofa niederzulassen als vorbereitende Maßnahme für das Kon-
sumieren der Tagesschau, als unvermutet das Telephon schrillte. Er
gehörte zu den wenigen jungen Menschen, die noch einen Festnetz-
Telephonanschluß im Haus hatten, denn er fand das ständige Herum-
schleppen des Smartphone gar nicht smart.
Im Winter war das erträglicher im wahrsten Sinne des Wortes, weil
man das Gerät dann doch recht einfach in eine Jackentasche stecken
konnte. Jetzt aber, im beginnenden Frühjahr, wo er kaum mehr Jacken
trug, bestenfalls Westen ohne tiefe Taschen, fand er das Mitsichführen
dieser Intelligenz-Geräte ziemlich lästig. Im Unterbewußtsein wider-
sprach das ständig für andere Erreichbarsein seiner ausgeprägten domi-
nanten Gefühlswelt, nichts haßte er mehr, als fremdbestimmt zu sein, er
wollte immer so unendlich frei sein.
Da noch einige Zeit bis zu den Nachrichten gewesen war, erhob er sich
nochmals und holte den Hörer von der Ladeschale. Zu seiner Über-
raschung meldete sich eine helle Stimme:
- „Guten Abend, hier spricht Bettina, die Pfarrerin vom Sonntag in
Grausneg, ich wollte mich bei Ihnen bedanken für ihr wunderschönes
Orgelspielen und vor allem für das Psalmsingen, das traue ich mir nicht
so zu.“
- ‚Erstaunlich’, dachte sich Gangolf, ‚wie schnell doch manche Leute beim
Du sind, wenn sie einem gegenüber stehen, und wie sie dann wieder
zum Sie zurückkehren, wenn man telephoniert oder schreibt.’
- „Danke“, entgegnete Gangolf, „es freut mich auch, daß Sie mir das
verziehen haben, daß ich während der Predigt hinausgegangen bin und
nicht rechtzeitig für das Lied danach zurück war“.
- „Aber bitte, Sie werden ihre Gründe gehabt haben, das war sicherlich
keine Absicht, Herr ... , ah, waren wir nicht schon beim Du?“
- „Ja gern, Gangolf heiß’ ich.“
- „Schön, Gangolf, ich möchte Dich einladen, daß wir uns bald einmal
treffen, ich finde es angenehmer, wenn man sich beim Sprechen
ansehen kann.“
Eine Einladung eines Geistlichen zu einem Gespräch ist Gangolf bislang
nur sehr selten vorgekommen, um so mehr freute ihn, daß ausgerech-
net dieses liebe Pfarrersmädel sich mit ihm unterhalten wollte. Sie ver-
einbarten, sich zwei Tage später im Pfarrhaus von Lüggen am frühen
Abend zu treffen. Bettina gab ihm eine Ortsbeschreibung:
- „Das Pfarrhaus liegt etwas außerhalb vom Zentrum, Paul Gerhard-
Straße 2, das ist eine Seitenstraße von der Logenstraße, Richtung Bahn-
hof, wirst schon finden mit Navi.“
Gangolf hörte gar nicht richtig hin, wird halt neben der Paul Gerhard-
Kirche, der altehrwürdigen Stadtkirche am Marktplatz, sein. Seine
Gedanken schweiften zu Paul Gerhard, dieser berühmte evangelische
Theologe, der die Texte zu vielen Chorälen geschrieben hat, lebte und
wirkte vor 400 Jahren hier an dieser Kirche.

Kurz zögerte Gangolf, ob er lieber mit dem Auto nach Lüggen fahren
sollte, doch das schöne Wetter ließ ihn dann doch das Motorrad aus dem
Schuppen holen. Er dachte sich, wenn Frau Pfarrerin im Gottesdienst 15
Zentimeter Absatz unter den Fersen hat, wird sie sich nicht stören, wenn
sie ihn in Motorradstiefel erblickt.
Die Kirche in Lüggen war nicht zu verfehlen, vor dem großen Markt-
platz mitten in der Stadt baut sich der gewaltige, fast 600 Jahre alte
weiße Kirchturm auf. Gangolf stellte seine Yamaha ab und umrundete
guten Mutes die Kirche. Er betrat die Kirchgasse und die Kirchstraße,
dann die Hauptstraße. Als er an der Sparkasse vorbeiging, lief ihm ein
kalter Schauder über den Rücken. Schließlich ging er über die Poststraße
zurück, doch eine Paul Gerhard-Straße konnte er nicht entdecken.
- ‚Verdammt’, schalt sich Gangolf, ‚hat sie nicht was gesagt von etwas
außerhalb?’
Das ausgedehnte Herumstiefeln bereitete ihn ebensowenig Gefallen wie
die Vorstellung, nach den Weg fragen zu müssen; es rächte sich seine
Arroganz, das Smartphone nicht mitgenommen zu haben. Die Lüggener
Paul Gerhard-Kirche war ja selbst für Blinde nicht zu übersehen, dann
mußte logischerweise die Paul Gerhard-Straße gleich da in der Nähe sein
und überhaupt pflegen Pfarrhäuser neben der Kirche zu stehen, damit
die Hochwürdige Geistlichkeit nicht weit zu gehen hat.
Gangolf spielte mit dem Gedanken, nochmals nach Hause zu fahren,
doch dann faßte er sich ein Herz, überquerte die Poststraße und sprach
zwei Jugendliche vor der Eisdiele an. Natürlich wußten diese nichts von
einer Paul Gerhard-Straße und vermutlich auch nichts von der in Sicht-
weite stehende Paul Gerhard-Kirche, doch waren beide anscheinend
geradezu angetan, gefragt worden zu sein, sie schienen unaufgefordert
einen Wettstreit einzugehen, wer von ihnen als erstes auf dem Smart-
phone den gefragten Straßennamen entdecken würde.
Fast gleichzeitig hielten beide ihre Bildschirmchen mit dem Stadtplan-
ausschnitt Gangolf entgegen, dieser erinnerte sich wieder an die Logen-
straße, davon hat die Bettina was erzählt, verdammt, hätte er doch ihr
zugehört und gleich zuhause auf dem großen Bildschirm den Stadtplan
konsultiert. Immerhin hatte er großes Glück, daß die Jugendlichen ihm
alle Zeit der Welt ließen, auf dem Display zu >scrollen< und zu
>zoomen<, bis er sich die Route eingeprägt hatte.

Verwundert stellte Gangolf fest, wie viele Autos in der Sackstraße
geparkt standen; unschwer fand er Dank eines großen Schildes das Paul
Gerhard-Gemeindezentrum. Auf der anderen Straßenseite gab es eine
Lücke zwischen einem Cabriolet und einem kastenförmigen Lieferwagen,
die gerade groß genug war, um seine Yamaha dort abzustellen.
Gangolf befestigte seinen Helm an einem Haken unter dem Soziussitz,
denn er haßte es, auch nur für kurze Strecken den Helm herumzutra-
gen, in ähnlicher Weise, wie er sein Smartphone nicht herumschleifen
wollte. Nach wenigen Sekunden baumelte die blau-weiße Kugel an der
Seite über dem Auspuff, er öffnete das Visier, stopfte die Handschuhe in
das Innere des Helms und klappte das Visier wieder zu.
Gerade wie er das schmale Vorgärtlein durchschritt, um zu der
Tür des großen Hauses zu gelangen, öffnete sich die Tür und eine große
Frau mit schwarzen Haaren schritt an ihm vorbei, ohne ihn nur eines
Blickes zu würdigen. Etwas verdutzt blickte Gangolf der Diva nach,
blinkte da nicht ein Ringlein aus der Unterlippe in dem schwachen
Abendlicht?
Die Tür war bereits wieder in das Schloß gefallen, so daß Gangolf sich
nach dem Klingelknopf umschaute. Bei den modernen Sprechanlagen
war das oftmals gar nicht so einfach, herauszufinden, an welcher Stelle
man drücken mußte, wenn man Klingeln wollte. Während er noch etwas
unsicher die Symbolik Licht und Klingel betrachtete, gewahrte er im
äußersten Rand seinen Blickfeldes, wie die Diva die Straße überquerte
und zu seinem Motorrad schritt. Während sie es einmal umrundete,
versuchte sie sich anscheinend irgend ein Detail einzuprägen.
Gangolf drückte beherzt den Klingelknopf, besser gesagt, die kaum
auszumachende rechteckige Fläche, hinter der er den Klingelkontakt
vermutete. Während er auf das Gequäke des Lautsprechers hinter dem
kleinen Aluminiumgitter wartete, ‚ja bitte’, schaute er nochmals auf die
Straße. Die Lady hat sich mittlerweile von dem Motorrad abgewandt und
öffnete die Tür zu dem Wagen davor – erst jetzt erkannte er den
Wagen, es war kein Lieferwagen, wie er zunächst flüchtig vermeinte, es
war ein Lada Niva!
Perplex starrte er auf die Schwarzhaarige, wie ihr Haarschopf
herumwirbelte, als sie sich in den Russen-Jeep schwang. Beinahe wäre
er gestürzt, als unvermittelt die Haustür aufging; er vernahm weder
Lautsprecher-Gequäke, noch Türöffnermagnet-Gesumme, vielmehr
dröhnte der startende Lada-Motor herüber, begleitet von einer kernigen
Qualmwolke.
Leicht irritiert stolperte Gangolf Bettina entgegen, die ihm lachend die
Hand reichte und ihn gleich aufklärte:
- „Das ist Martina, eine gute Bekannte von mir, eine Freundin, wenn du
so willst, ich glaube, die braucht eigentlich gar keinen solchen gelände-
gängigen Jeep, aber so ist sie eben, immer irgendwie extrem drauf.
Aber jetzt komm erst mal herein!“

- ‚Aha, das ist also der >wilde Feger<, so einfach ist das, wenn der
Zufall mithilft.’ Gedankenverloren folgte Gangolf Bettina in ein großes
Zimmer, wo sie ihm andeutete, sich zu setzen. Er hatte tatsächlich die
wilde Sozia längst aus dem Gedächtnis gestrichen, aber jetzt war sie
wieder ganz präsent, Giuseppe hatte recht mit den Piercings, und
schlagartig wurde ihm die Ausstrahlung ihrer unfaßbaren Dominanz
bewußt: Sie wartete damals nicht das halbe Stündchen auf ihn, sie
würdigte ihn keines Blickes, als sie beim Vorbeigehen sich fast berühr-
ten, nur sein Motorrad, das fand sie anscheinend begehrenswert.

Bettina und Gangolf unterhielten sich angeregt über die verschieden-
sten Themen, es war ein Geben und Nehmen, das heißt, ein gegensei-
tiges Sprechen und Zuhören, eine ungemein anregende, offene Unter-
haltung. Dabei kam natürlich auch Gangolfs berufliche Tätigkeit zu spre-
chen; als Bettina erfuhr, daß er nicht nur Elektrotechniker für Photovol-
taikanlagen sei, sondern sich darüber hinaus gut mit elektronischen
Anlagen und Funkgeräten auskannte, starrte sie ihn einen Augenblick
lang mit geöffnetem Mund an, ihre Augen zwinkerten ein paarmal, dann
schüttelte sie kurz den Kopf und ergriff ihr Glas, um einen Schluck zu
trinken.
- „Habe ich dich jetzt damit irritiert, darf das in deiner Erfahrungswelt
nicht sein, daß ein Organist beruflich ein Techniker ist?“
- „Ähm- nein, also durchaus kann ich mir vorstellen, daß das möglich ist,
sieht man ja an dir, ich bewundere dich, wie du Musik und Technik
betreibst.“
Gangolf bemerkte, daß sie dennoch irgendwie verdutzt war, aber er
ging nicht weiter darauf ein. Sie schien mit sich selbst zu ringen, ob sie
etwas zu seinem Elektro-Beruf sagen sollte. Doch sie wechselte darauf
hin das Gesprächsthema, Bettina erzählte etwas von ihrem Werdegang,
wo sie lebte und als Vikarin tätig war, bevor sie nach Lüggen kam.
Als scheinbar alle Themengebiete für’s Erste abgehandelt worden
waren, kam Bettina nochmals auf Gangsolfs elektrotechnischen Tätig-
keiten zu sprechen. Offenbar traute sie sich jetzt, ihn diesbezüglich
anzusprechen und ihm war klar, daß Handwerker im kirchlichen Bereich
immer gefragt waren. Bettina druckste etwas herum, ehe sie mit der
Sprache herausrückte:
- „Also die Martina, die du vorhin gesehen hast, die mit dem Jeep da
weggefahren war, die hat eine Freundin, also eine wirklich ganz Liebe,
unheimlich schüchtern, und die hat ein ganz schweres Los zu tragen. Sie
bräuchte einen ganz guten Elektrofachmann, der sich mit Elektronik und
so Sachen sehr gut auskennt, seit Jahren versuche ich schon, genauso
wie Martina, für sie jemanden zu finden, dem sie vollkommen in ihr Ver-
trauen einschließen kann.“
- „Was hat sie denn für ein Problem?“, fragte Gangolf arglos.
Bettina druckste wieder herum, wurde sogar leicht rot. Gangolf kam ihr
zuvor:
- „Wenn es dir schwerfällt, darüber zu reden, will ich gar nicht weiter
fragen, aber ich kann dann natürlich nicht helfen.“
- „Danke für dein Verständnis, das ist wirklich eine heikle Sache, auf der
einen Seite benötigt sie wirklich handwerkliche Hilfe, auf der anderen
Seite darf sie nur wirklich zutiefst vertrauenswürdige Menschen an sich
heranlassen. Dich würde ich nach unserem ausführlichen Kennenlernen
heute Abend dazu zählen, aber ich meine, die Entscheidung sollte ich
natürlich der Magda überlassen. Ich werde mit Martina darüber spre-
chen, das wäre eine Erlösung für das arme Mädel, aber bitte frag nicht
weiter, sondern sag nur, ob ich Martina von dir erzählen darf und ob du
dir gegebenenfalls natürlich ganz unverbindlich einmal Magdas Problem
ansehen willst.“
- „Ja schon, klar, kann ich machen, klingt ja sehr geheimnisvoll, ich
werde schweigen wie ein Grab!“
- ‚Wenn Bettina wüßte, daß ich mit Martina bereits im E-Mail-Kontakt
stand, daß sie der Grund war, daß ich während des Gottesdienstes
hinausging und somit das Predigtlied versäumte’, dachte sich Gangolf im
gleichen Atemzug, aber er konnte Schweigen und erzählte nichts von
dem zufälligen Kontakt zu der >wilden Fegerin< Martina.























17. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von kodan am 11.07.21 12:07

Tolle Geschichte mit stetig steigender Spannung. Ich warte gespannt auf den nächsten Teil.
18. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 17.07.21 09:02


Es freut mich, wenn die Geschichte "mit stetig steigender Spannung"
empfunden wird; als Autor kann ich das kaum beurteilen, denn ich
weiß, wie es weitergeht, und so fehlt mir die
Spannung. Viel Spaß beim Lesen, Magnus.


10
Bundeskanzlerin Prank-Barrenkauer eröffnete die Kabinett-Sonder-
sitzung zum Thema Condoma-Virus.
- „Um es gleich vorneweg zu sagen, wir müssen heute zu Beschlüssen
gelangen, die Zeit rennt uns davon, wir wissen nicht, wie lange noch die
Briten den Virus geheim halten werden.“
Innenminister Schneehoffer meldete sich zu Wort: „Wir müssen ver-
meiden, zögerlich vorzugehen, nicht den Fehler von vor zehn Jahren
wiederholen, als scheibchenweise Verbote und Gebote eingeführt und
wieder zurückgenommen wurden. Wir brauchen jetzt gleich zu Beginn
klare Regelungen, die in Gesetzesform verankert werden müssen.“
Justizministerin Juxa konterte: „So einfach geht das nicht, Herr Kol-
lege, wie Sie wissen, braucht es für Gesetzesänderungen, erst recht für
neue Gesetze, Vorlagen, die im Parlament besprochen und nach den
Lesungen verabschiedet werden, also im jetzigen Krisenfall ein viel zu
zeitraubender Prozeß.“
- „Haben wir denn schon den >Krisenfall<, wie Sie es nennen?“
- „Das ist Ansichtssache, aber dafür sind wir heute ja zusammenge-
kommen, um darüber zu beraten“, entgegnete die Kanzlerin. Darauf hin
sagte Juxa:
- „Wenn es sehr schnell gehen muß, bleiben noch die Notstandsgesetze“.
- „Die sind aber noch nie seit ihrer Einführung 1968 zur Anwendung
gekommen“, konterte Schneehoffer.
- „Für alles gibt es ein erstes Mal“, so Juxa wieder.
- „Also jetzt mal langsam“, mischte sich Prank ein, „die Notstandgesetze
wären wohl das letzte Mittel. Klären wir doch erst einmal die Frage, ob
wir mit dem neuartigen Virus eine akute Bedrohungslage haben. Was
meinen Sie dazu, Herr Doktor Unwohl, wie weit reichen die Erkenntnisse
im Gesundheitsministerium?“
Staatssekretär Unwohl räusperte sich und blickte kurz seinem Chef,
den Gesundheitsminister Scham, dieser nickte ihm freundlich zu und die
Kanzlerin wußte wohl, warum sie ihm das Wort erteilte und nicht dem
Minister selbst.
- „In England spricht man von mysteriösen Nervenleiden, die von einem
bisher unbekannten Virus ausgelöst wird. Die Symptome sind die glei-
chen wie in dem Bericht aus Taiwan vermerkt, es ist also zu befürchten,
daß es sich tatsächlich um diesen, wie sagen die Asiaten dazu, diesen
Condoma-Virus handelt.“
Jemand stellte die Zwischenfrage: „Weiß man denn jetzt was über die
Ausbreitung und die Ansteckungsgefahr?“
Unwohl fuhr fort: „Es ist zu befürchten, sehr hoch, also der Anstek-
kungsgrad; in Taiwan riegelten die Behörden gleich die gesamte Region
um Longtan ab, so richtig hermetisch, während in England das Virus
streute und dort wohl schon überall im Land Infektionen auftreten. Die
Patienten werden dort in den örtlichen Krankenhäusern versorgt, wobei
unklar ist, wie die Versorgung, also die Behandlung der infizierten
Patienten wirklich aussieht.“
Wieder wollte jemand wissen: „Gibt es Heilungschancen, wie lange
dauern die Erkrankungen, sind die Geheilten immun gegen erneute
Ansteckung?“
- „Darüber liegen uns leider keine Angaben vor, wir wissen nur aus Eng-
land und auch aus Taiwan, daß bislang wohl noch keine Patienten ent-
lassen worden sind. In den Berichten steht nur, daß nach Tagen des
scheinbaren Abklingens die Symptome plötzlich erneut auftreten.
Immerhin hat man nachgewiesen, daß die Ansteckung nicht so hinter-
hältig ist wie damals von zehn Jahren bei dem Corona-Virus, das ja
schon ansteckend war, bevor der Träger selbst von seiner Infizierung
wußte, also bevor er bemerkte, daß er überhaupt krank geworden ist.“
- „Eine tröstliche Erkenntnis ist das aber noch lange nicht’, warf Umwelt-
ministerin Graumaus ein, „vor allem, wenn kein Ende der Infektion
durch die natürliche körpereigene Immunabwehr zu erkennen ist.“
- „In der Tat eine sehr bedenkliche Erscheinung“, pflichtete Unwohl bei.
- „Den Engländern wird nichts anderes übrig bleiben, als die Infizierten
aus den Klinken zu entlassen, täglich werden es mehr, noch reichen die
Kapazitäten, aber ohne Heilungsaussichten, sei es durch körpereigene
Abwehrkräfte oder durch medizinische Stoffe, wird man die Patienten
ungeheilt gehen lassen.“
- „Und wie sieht es mit Quarantänemaßnahmen aus?“, wollte Schneehof-
fer wissen.
- „Quarantäne ist wohl sinnlos, wenn es keine Heilung gibt. Man müßte
die Patienten dann für immer darin einbehalten.“
- „Einsperren“, warf Juxa ein.
- „So deutlich wollte ich das nicht sagen, aber es geht in die Richtung.“
Nun ergriff Kanzlerin Prank das Wort: „Hab ich das jetzt richtig verstan-
den: Der Virus, Verzeihung, das Virus ist ansteckend, aber erst, wenn
die Krankheit ausgebrochen ist; sobald jemand damit infiziert ist, bleibt
er es, da es bislang keine Heilung gibt, er bleibt damit auch weiterhin
ansteckend.“
- „Ja genau“, antwortete Unwohl, „das sehe ich auch so, das ist der
Stand unserer Erkenntnisse im Ministerium“.
Gesundheitsminister Scham nickte wiederum sozusagen als Bestäti-
gung dessen, was sein Staatssekretär berichtet hatte. Graumaus dachte
sich, ob Scham wohl zu verschämt sei, das alles selber zu berichten; sie
jedenfalls würde es nicht zulassen, daß ein Sekretär ausführlich über
eine Sache berichtet, während sie als Chefin dabei nur zuhört.
Nach einer kurzen Pause fuhr Unwohl fort: „Das Eigenartige an dem
Virus ist seine Beständigkeit, seine Hartnäckigkeit, so etwas hatten wir
nach meiner Erkenntnis noch nie. Freilich gab es schon immer schlimme
Epidemien, denken wir an Ebula oder Pest und Cholera, so makaber das
klingen mag, aber an der Pest sind die Menschen im Mittelalter letzt-
endlich gestorben und nur auf diese Weise konnte zusammen mit
Hygiene- und Abstandsvorkehrungen die Pest besiegt werden. Aber hier jetzt
ist die Krankheit nicht tödlich, an kann das als Glücksfall ansehen,
aber sie gilt bis jetzt als nicht beherrschbar.“
- „Und wie sieht es mit Impfstoffen aus, wird daran gearbeitet?“, wollte
jemand wissen.
- „Angeblich arbeiten die Institute sowohl in England, wie in Taiwan, fie-
berhaft an einem Impfstoff. Doch solche Forschungen brauchen ihre
Zeit, auf die Schnelle geht da sicher nichts, erinnern wir uns an die
Seuche vor zehn Jahren, wie lange es gedauert hat, bis ein wirksamer
Stoff gefunden wurde. Die schnell auf den Markt geworfenen Arzneien
aus Rußland und Amerika haben nicht gewirkt. Erst die chinesischen
waren erfolgreich.“
Nun meldete sich Staatssekretär Doktor Gscheid vom Auswärtigen Amt
zu Wort: „Vor zehn Jahren, ich kann es nicht mehr hören, was jetzt los
ist, das ist wichtig, nicht, was damals war, vor zehn Jahren, ja damals
war Corona, damals begann die Klimaerwärmung, damals wurden wir
die Engländer los, was ist denn mit den Chinesen, also mit den Festland-
Chinesen, forschen die vielleicht schon an einem Impfstoff, sozusagen
als Gegenmittel zu den von ihnen nach Taiwan verschleppten Virus?“
- „Mäßigen Sie sich in ihrer Wortwahl“, rügte ihn Prank, "wären wir die
Engländer los, bräuchten wir uns hier und heute keine Gedanken
machen, daß das Virus auf Festland übergreifen könnte. Und das Virus
wird kommen, denn selbst wenn die Weltgemeinschaft die britische Insel
hermetisch ausgrenzen würde, wie das offensichtlich zur Zeit mehr und
mehr mit Taiwan geschieht, wird der Virus Richtung Schottland wan-
dern, Schottland wird sich nicht abschotten können, und darüber
wird der Virus auf’s Festland kommen.“
Juxa meinte daraufhin: „Also steht wohl zweifelsfrei fest, daß das
Virus, wie auch immer, nach Deutschland kommen wird und daß wir uns
über Gegenmaßnahmen Gedanken machen müssen“.
- „Vollkommen richtig“, stimmte Prank zu, „und zwar sehr schnell, des-
halb sind wir heute zusammengekommen und ich möchte nochmals
betonen, daß wir nicht auseinandergehen, bis wir konkrete Beschlüsse
gefaßt haben werden. Und die Zeit drängt, ist das Virus erst einmal da,
könnte es zu spät sein, wir müssen sofort handeln können, sozusagen
den Plan griffbereit in der Schublade haben.“

Es folgten weitere Fragen, beispielsweise nach dem Alter der Erkrank-
ten. Den Berichten zufolge sei bislang der Jüngste 15, der Älteste 65
gewesen. Anscheinend steht die Infektion mit der Ausbildung der
Geschlechtsorgane im engen Zusammenhang.
Nachdem eine Weile Stille eingetreten ist, fuhr Prank fort: „Fassen wir
zusammen: Das Virus wird kommen, Gegenmittel gibt es nicht, auch
keine Selbstheilung, das Ansteckungsrisiko ist hoch, aber vorhersehbar,
die Erkrankten werden weiter in der Gesellschaft leben, es werden
zwangsläufig immer mehr werden, eine düstere Ausgangslage. Ich
möchte jetzt die Sprecher der Arbeitsgruppen der einzelnen Ministerien
bitten, eine Zusammenfassung ihrer jeweiligen Erkenntnisse und Vor-
schläge vorzutragen, bitte das Gesundheitsministerium zuerst.“
Wieder war es Unwohl, der sich weiterhin als Sprecher seines Ressorts
ausgab: „Als einzige Abwehrmaßnahme bleibt der Schutz vor Ansteckung,
um die Verbreitung des Virus herauszuzögern, bis hoffentlich dann in
einigen Jahren ein wirksamer Impfstoff gefunden sein wird. Die
Ansteckung geschieht wohl ähnlich wie bei anderen Viren durch die
Tröpfcheninfektion. Die einfachen Masken, wie sie vor zehn Jahren
getragen wurden, haben damals nicht den gewünschten Effekt gezeigt,
sie waren eher ein psychologisches Beruhigungsmittel, aber auch zum
Teil ein gefährliches Mittel, denn viele Menschen dachten, wenn sie eine
Maske trügen, könnte ihnen nichts passieren. Neben dem Gebot des
Abstandhaltens sehen wir einzig hilfreich das Tragen von wirklich dich-
ten Masken, also von Gasmasken mit speziellen Filtern. Diese Filter
müßten natürlich regelmäßig ersetzt werden.“
Ein merkliches Raunen wabberte durch den Saal. Kanzlerin Prank bat
um Ruhe und nahm Stellung:
- „Das Tragen von schweren Gasmasken mit Filtern würde aber eine
erhebliche Belastung für die Betroffenen darstellen, aus meiner Zeit als
Verteidigungsministerin weiß ich, ich hab so eine Maske mehrfach auf-
gehabt bei meinen Truppenbesuchen, das wird wohl schwer, die Not-
wendigkeit eines solchen Vorhabens der Bevölkerung zu vermitteln.
Doch hören wir erst einmal, was die Arbeitgruppen der anderen Ressorts
zu berichten haben.“
Der Sprecher des Innenministeriums gab zu bedenken, daß Gesetze
nur so gut sind, wie ihre Einhaltung überwacht werden könne. Das sei
bei dem jetzt schon herrschenden Personalmangel bei der Polizei
schwierig, damals bei der Corona-Krise konnte die Polizei nur punktuell
die Einhaltung der behördlichen Anordnungen kontrollieren. Auch der
Sprecher des Verteidigungsministeriums wiegelte aus dem gleichen
Grund ab. Verteidigungsminister Schießmann ergänzte belehrend, daß
die Bundeswehr im übrigen nur zur militärischen Verteidigung bereit
stehe und nicht für Polizeiaufgaben.
Die Arbeitsgruppe des Justizministeriums gab bekannt, daß mit dem
Infektionsschutzgesetz allein nicht argumentiert werden kann, wenn es
darum gehen sollte, beispielsweise bundesweit Ausgangsverbote zu
erlassen. Die Gesundheitsgesetzgebung sei in erster Linie Länderange-
legenheit, die Länder würden zudem viele Regelungen auf Bezirks- und
kommunaler Ebene abwälzen. Bei der damaligen Corona-Krise hat sich
das zwar teilweise bewährt, daß nicht überall die gleichen Maßnahmen
ergriffen worden sind, die unterschiedlichen Beschränkungen stießen
indes auf Unverständnis in der Bevölkerung.
Ein Sprecher des Außenministeriums gab zu bedenken, daß nicht län-
ger auf Ergebnisse der Nachbarländer oder von der Europäischen Zen-
trale gewartet werden sollte. Dort blickt man mit gelähmten Entsetzen
nach Großbritannien und Taiwan, ohne selbst etwas zu unternehmen.
Staatssekretär Gscheid fiel seinem Ressort-Kollegen in’s Wort mit der
Bemerkung, daß man in Deutschland bislang auch noch nichts unter-
nommen habe. Kanzlerin Prank bedachte ihn mit einem bösen Blick,
worauf Gscheid den Sprecher fortfahren ließ. Viel gab es von ihm nicht
mehr zu berichten, einzig, daß wohl in den italienischen Gremien hitzig
über das Thema debattiert werde, ohne daß es bislang zu konkreten
geplanten Maßnahmen gekommen sei.
Als alle Ressortsprecher die Berichte vorgetragen hatten, unterbrach
die Kanzlerein für eine halbe Stunde die Sitzung, damit die Anwesenden
in kleinen Gruppen das bisher Gehörte besprechen konnten.

Die Beratungen zogen sich zäh dahin, jeder hatte zu dem Thema etwas
zu sagen, Bedenken, Vorschläge, Erinnerungen an >damals<, nach
mehreren kleinen Unterbrechungen läutete die Kanzlerin die Schluß-
runde ein:
- „So wie ich das sehe, möchte ich Folgendes zusammenfassen: Die
Bedrohungslage ist akut, niemand kann voraussehen, wann das Virus
kommen wird, aber das Übergreifen auf Deutschland kann nicht ver-
hindert werden. Wir werden wahrscheinlich keine punktförmige Aus-
gangslage vorfinden, sondern vielmehr die Situation wie in Großbri-
tannien erleben, wo der Virus plötzlich überall im Land fast gleichmäßig
und gleichzeitig aufgetreten ist. Vermutlich werden sich viele Infizierte
aufgrund der peinlichen Symptome gar nicht melden, nur in schweren
Fällen, die mit starken Atembeschwerden und sonstigen Komplikationen
einhergehen, werden sich die Infizierten zu den Klinken begeben. Somit
werden wir die Situation haben, daß plötzlich überall im Land mit der
Krankheit gerechnet werden muß. In dieser Hinsicht unterscheidet sich
die Verbreitung des Virus mit bisherigen Viren, die einigermaßen zurück-
verfolgt werden konnten.
Wegen der bundesweit zu erwartenden Verbreitung muß eine bundes-
weit einheitliche Regelung geschaffen werden, das heißt, es müssen
neue Bundesgesetze verkündet werden oder bestehende entsprechend
erweitert werden. Das übliche parlamentarische Gesetzgebungsverfah-
ren ist oft sehr langwierig, gerade wenn sich die Fraktionen uneins sind.
Ich sehe jetzt schon, wie sich die NfD gegen alles sträuben wird, was die
Freiheit des deutschen Bürgers einschränkt. Wir müssen jetzt alles Demo-
kraten darin vereinen, von der Wichtigkeit der Umsetzung unse-
rer Beschlüsse überzeugen. Parteitypische Eitelkeiten müssen hintan
bleiben, so sehr sie die politische Vielfalt unserer parlamentarischen
Demokratie bereichern, hier geht es um eine ganz existentielle Sache.
Im Gegensatz zu Corona und anderen schweren Epidemien ist das neue
Virus zwar nicht tödlich, wird aber die Leistungskraft der gesamten
Bevölkerung immer weiter schwächen. Ziel muß es bleiben, die Anzahl
der Infektionen so gering wie irgend möglich zu halten, bis hoffentlich
bald ein wirksames Gegenmittel gefunden sein wird.
Als probates Schutzmittel wird einzig das Tragen schwerer Gasmasken
angesehen, die auch die Augen mit einbeziehen, denn die Atemorgane
stehen auch mit den Augen in Verbindung, das Absondern von Augen-
flüssigkeiten in Form der Tränen, seien sie durch kalte Luft oder Trauer
ausgelöst, muß unbedingt vermieden werden. Dieser Umstand wurde bei
der Bekämpfung des Corona-Virus vor zehn Jahren vernachlässigt bezie-
hungsweise gar nicht erkannt. Um die millionenfache Aushändigung der
Masken in kurzer Zeit zu ermöglichen, wird die Bundeswehr ihre
Bestände zur Verfügung stellen, die für den militärischen Ernstfall gela-
gert sind, darüber hinaus Altbestände, die zur Ausmusterung anstehen,
aber für den nichtmilitärischen Einsatz noch einige Zeit tauglich sind.
Sobald ein eindeutiger Nachweis für die Infektion mit dem neuen Virus
vorliegt, werden verpflichtende Reihenuntersuchungen für alle Bürger
flächendeckend durchgeführt. Das Tragen der Masken wird von speziel-
len Polizeikräften überwacht. Diese Spezialeinheiten werden aus den
bislang abgewiesenen Polizeianwärtern rekrutiert, sie durchlaufen eine
verkürzte Ausbildung ohne Waffen.
Die Bevölkerung wird aufgerufen, schon jetzt verdächtiges Verhalten
der Mitmenschen sofort zu melden und einen großen Abstand zu diesen
Menschen einzuhalten. Alle Behörden und behördenähnliche Institu-
tionen werden verpflichtet, die Bevölkerung von der Wichtigkeit der
einschneidenden Maßnahmen nach Kräften zu erläutern. Kanzlerin
Prank-Barrenkauer schloß nach vielen Stunden der Aussprache und
Beratung die Sitzung mit den pathetischen Worten:
- „Noch nie haben wir eine derart dramatische Situation vor uns gehabt,
wir fürchteten uns bisher vor Naturkatastrophen und Kriegen, die
Befürchtung, ja noch mehr, die Gewißheit, daß bald ein lähmender Virus
einsickern wird, der die Menschen unaufhörlich geiseln wird, raubt mir
den Verstand und ich möchte hier schon fraktionsübergreifend an die
Einheit aller Demokraten appellieren, an einem politischen Strang zu
ziehen, daß wir zumindest eine Chance haben, diese mit Sicherheit kom-
mende Krise bestmöglich zu meistern!“















19. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 17.07.21 20:42

Hm, versteh es bitte nicht als Meckern,

Aber mit was, grummel, grummel, schreibst Du Deine Geschichte?

Du gibst Dir viel Mühe mit der Formatierung um anderen ein schönes Schriftbild zu liefern.

Zwar ist das hier nicht die optimale Plattform für Geschichten, aber eines haben alle gemeinsam, sie geben den Text wieder und brechen selbstständig um. Je nachdem, wie hoch die Auflösung ist oder ob Quer- oder Hochformat, wird die Schrift eigenständig umgebrochen.

Modernere Seiten als diese können, auch innerhalb von Wörtern selbsttätig umbrechen, nur als Info, da könnte Dein Trennen noch problematischer sein.

Aber auch so, auf dem Smartphone ergibt sich folgendes Schriftbild:

Bundeskanzlerin Prank-Barrenkauer eröffnete
die Kabinett-Sonder-
sitzung zum Thema Condoma-Virus.
- „Um es gleich vorneweg zu sagen, wir müssen
heute zu Beschlüssen
gelangen, die Zeit rennt uns davon, wir wissen
nicht, wie lange noch die
Briten den Virus geheim halten werden.“
Innenminister Schneehoffer meldete sich zu
Wort: „Wir müssen ver-
meiden, zögerlich vorzugehen, nicht den Fehler
von vor zehn Jahren


Ich hoffe, Du verstehst was ich meine. Ich könnte jetzt ein Tablet oder irgend ein anderes Ausgabegerät auch benutzen, immer ergeben sich irgendwelche Probleme.

Ansonsten lese ich Deine Geschichte sehr gerne, vielen Dank,
dass ich sie lesen darf

Ihr_joe



20. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 17.07.21 23:25

Hallo Magnus,

mich stört deine Formatierung nicht.

Ich lese gerne deine Darstellung der Politik in den 2030er Jahren, freue mich aber schon auf ein erstes Treffen mit Martina.

mfg
21. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 18.07.21 11:01

@ folssom

Es sollte doch nur der Hinweis sein, wenn M A G N U S nur seine Ansicht sieht, kann er er nicht wissen wie es bei anderen Aussehen kann.

Allein durch die Formatierung der Nummer aber auch bei seinen anderen Posts , erkenne ich, dass M A G N U S auf so etwas wert legt.

Es bedeutet doch einen großen Mehraufwand an Zeit, die Geschichte so zu formatieren? Mit einem solchen (für mich unbefriedigenden) Ergebnis:

- „Und wie sieht es mit Quarantänemaßnahmen aus?“, wollte
Schneehof-
fer wissen.

Sollte ich mich falsch ausgedrückt haben, und aus irgend einem Grund es genau so gewünscht sein, tut es mir außerordentlich leid!

Vielleicht kam zu wenig zum Ausdruck, dass ich die Geschichte auch gerne lese.

Ihr_joe

22. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 18.07.21 19:28

Liebe Lese-Freunde, ich freue mich um jede Rückmeldung, tatsächlich ist Joes Einwand vollkommen berechtigt: An die "Smartphone-Leser" hatte ich überhaupt nicht gedacht, ich übernahm vielmehr den Zeilenumbruch aus dem "Word"-Manuskript. Auf meinem breiten Bildschirm ziehen sich andernfalls die Zeilen sehr lange hin und meine alten Augen haben Mühe, den Anfang der nächsten Zeile zu finden.
Ich würde mich freuen, wenn weitere Leser hierzu ihre Meinung schreiben. Gerne lasse ich den Zeilenumbruch aus Word sodann weg, wenn das mehrheitlich gewünscht wird.
Darüber hinaus ehrt es mich, wenn meine in ehrlicher Selbsteinschätzung doch recht träge und tröge dahindümpelnde Geschichte gern gelesen wird; als ich vor über einem Jahr erstmals schriftstellerisch tätig wurde, viel es mir schwer, richtig "in Fahrt" zu kommen, in den späteren Kapiteln wird viel mehr Handlung geschehen.
"Das erste Treffen mit Martina", liebe Sarah, immerhin kam es endlich zu einem wenn auch einseitigen zufälligen Zusammentreffen, und dann ist da noch die seltsame Bekannte mit ihrem geheimnisvollen Problem...
Nächsten Freitag abend oder Samstag früh kommt die Fortsetzung!
Magnus.
23. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 18.07.21 19:34

... und jetzt hab' ich mich glatt verschrieben: "Es fiel mir natürlich schwer", und es fällt mir immer noch, wie peinlich. Und die automatische Rechtschreibkorrektur erkennt so einen Fehler "natürlich" nicht!
24. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 23.07.21 19:25

Das folgende Kapitel wird versuchsweise ohne Formatierung dargestellt mit der Bitte um Nachsicht, sollten vereinzelt Trennungsstriche nicht entfernt worden sein:


11

♪ Dinng-Donng – ding,ding,ding,Dülülülü – Dülülülü – Dülülülü – Dülülülü ♪

Schnöd wurde die Tagesschau-Fanfare durch den nervtötenden Klingelton des Festnetz-Telephons unterbrochen, verärgert griff Gangolf nach dem Hörer und drückte die Stumm-Taste. In seiner Kindheit wurde ihm gelehrt, daß man nur aus sehr wichtigen Gründen nach acht Uhr Abends anriefe und auch darnach nicht mehr, da sich die Menschen zum wohlverdienten Feierabend vor dem Fernseher versammelten und nach den Nachrichten noch einen Film ansahen, bevor sie gegen zehn sich zum Schlafen bereiteten.

Für Gangolf galt die Tagesschau nach wie vor zu der verläßlichsten Informationsquelle, denn was alles im Internet, aber zunehmend auch in den seriös erscheinenden Tageszeitungen zu lesen war, basierte seiner Meinung nach vielfach auf Mutmaßungen. Das war ihm auch verständlich, denn seriöse Nachrichten-Recherche brauchte Zeit, und die hatte niemand mehr.

- ‚Der Anruf kann warten’, dachte sich Gangolf und lenkte seine Aufmerksamkeit dem Nachrichtensprecher zu:
- „In Venedig ist heute am Nachmittag gegen 16 Uhr der Palast Ca’ d’Oro eingestürzt, die prachtvolle Fassade ist größtenteils in den Canal Grande gestürzt. In dem Palazzo war eine bedeutsame Galerie untergebracht, die jedoch schon seit Jahren geschlossen war. Über Personenopfer kann derzeit keine genaue Angabe gemacht werden; ein Mann, der offenbar das Zusammenbrechen erahnte, versuchte sich aus dem zweiten Stockwerk aus der Loggia durch einen gewagten Sprung in den Kanal zu retten, er wurde jedoch im Wasser durch die herabfallenden Trümmer erschlagen und konnte nur noch tot geborgen werden. Eine weitere Leiche wurde mittlerweile aus dem Wasser gezogen, es ist zu befürchten, daß weitere Opfer sich unter den auf dem Ufer zu liegen gekommenen Trümmern verbergen.

In einer ersten Stellungnahme gehen Fachleute davon aus, daß die Durchfeuchtung der Ziegelmauern an den vom Canal Grande abgewandten Seiten des fast 700 Jahre alten Palastes für den Einsturz verantwortlich ist, aber auch die ständige Umspülung der kanalseitigen Säulen könnten als Grund für das große Unglück in Frage kommen. Der seitlich von dem Gebäude sich befindliche Schiffsanleger wurde nicht im Mitleidenschaft gezogen, allerdings der dorthin führende Steg entlang des Palastes.
Auf dem Canal Grande kam durch den starken Wellengang während des Eintrags der gewaltigen Steinmassen eine Gondel in’s Schlingern und kenterte, die Passagiere und der Gondoliere konnten sich an das Ufer retten. Auch der benachbarte Palazzo Miani Coletti Giusti wurde schwer beschädigt.

Nach den Worten des kommunistischen Bürgermeisters von Venedig, Morto, sei das Unglück auf die systematische Vernachlässigung der uralten Bauwerke in der Stadt zurückzuführen, weder von der italienischen Zentralregierung in Rom, noch von den Provinzbehörden, noch von der Europäischen Union kämen die seit Jahrzehnten zugesagten finanziellen Beteiligungen an dem Weltkulturerbe; die Wirtschaft der Stadtkommune Venedig liege vollkommen am Boden, auch die Einnahmen aus dem Tourismus sinken kontinuierlich, Venedig sei mit dem Problem der uralten Bauwerke und deren Gefährdung durch das ständig steigende Hochwasser allein gelassen.

Durch die Aufgabe des Hochwasserschutzsystems Mo.S.E. sei die Stadt den Fluten schutzlos ausgeliefert, der Einsturz des Ca’ d’Oro stünde erst am Anfang einer ganzen Reihe von Unglücken, die sich in den nächsten Jahren ereignen werden. Staatspräsident Maffisi eilte noch am Abend mit dem Hubschrauber an den Unglücksort, er versprach unbürokratische Wiederaufbauhilfen aus Rom. Morto kommentierte diese Zusage mit dem Hinweis, daß es da nichts mehr zum Aufbauen gäbe.
Hier im Ersten gibt es nach der Tagesschau eine Sondersendung zu dem Thema Venedig. Die sich anschließenden Sendungen werden sich um etwa fünfzehn Minuten verschieben.

Entsetzt sprang Gangolf auf, um aus der Nähe die eingeblendeten Filmszenen genauer verfolgen zu können: Venedig, seine Lieblingsstadt in Italien, einer der schönsten Paläste am Canal Grande ist eingestürzt, er traute seinen Sinnen nicht, das durfte doch nicht wahr sein. Beinahe hätte er vor Schreck sein Bierglas umgeschüttet, gerade noch konnte er es im Flug auffangen, so daß nur ein paar Tropfen sich über das Wohnzimmertischlein versprühten.
In der Sondersendung zum Einsturz des Palastes wurden zunächst Bilder des uralten riesigen Bauwerks gezeigt; nicht nur die darin aufbewahrten Kunstgegenstände sind nunmehr unwiderruflich verloren gegangen, das Gebäude selbst mit seinen reichverzierten Loggien, die Kassettendecken, Mosaikfußböden, die Säulenhalle zum Kanal hin.

Während man auf alten Photographien deutlich die Stufen zum Kanal hinunter erkennen konnte, wurden diesen neuere Aufnahmen gegenüber gestellt, wo die Stufen längst dauerhaft unter Wasser standen. Auf den derzeitigen Bildern sind die Stufen überhaupt nicht mehr zu erkennen gewesen, vielmehr stand das Wasser in den letzten Jahren ständig in der säulengestützten Eingangshalle. Die Dünung durch den starken Schiffsverkehr schlug auf diese Weise ständig auf die Innenmauern der Eingangshalle. Während die Außenmauern mit großen Steinquadern fugenlos errichtet worden waren, wurde bei der Errichtung der Innenmauern nicht damit gerechnet, daß diese ständig mit dem Wasserdruck beaufschlagt würden.

In der Sondersendung wurden noch weitere Mutmaßungen genannt, die zu dem Einsturz geführt haben könnten, bis hin zu dem undichten Dach, daß nicht auszuschließen ist, das eingedrungene Regenwasser sei für den Einsturz ursächlich gewesen. Doch waren sich die Kommentatoren einig, daß das immer häufiger eintretende Hochwasser in Venedig, >Aqua alta< genannt, schon zu unermeßlichen Bauschäden geführt hat.

Vor zehn Jahren wurde das seit vielen Jahrzehnten geplante Sturmflutsperrwerk, genannt >MO.S.E.< für >Modulo Sperimentale Elettromeccanico< vollendet. Mit diesem Sperrwerk konnten die drei Verbindungsstellen der Lagune mit dem offenen Meer verriegelt werden. Die Baukosten von einigen Milliarden Euro waren immens, Korruptionsskandale verzögerten über viele Jahre die Fertigstellung. Der erste Probebetrieb im Juli 2020 unter Beisein von Premierminister Conte verlief erfolgreich, die gewaltigen 78 Stahltore konnten problemlos nacheinander aufgefahren werden, so daß die Lagune tatsächlich vom Meer abgeriegelt worden ist.

Das Mose-Projekt ist schließlich zwei Jahre nach Inbetriebnahme schon wieder stillgelegt worden: Die jährlichen Betriebskosten beliefen sich auf viele Millionen Euro, der wirtschaftlich schwer angeschlagene italienische Staat wollte sich das Projekt nicht mehr leisten. Die internationalen Kulturstiftungen sahen sich zwar in der Pflicht, anteilig die vielen Baudenkmäler Venedigs zu erhalten, aber der Hochwasserschutz sei eine nationale Angelegenheit.
Das war schließlich das Ende des >Projekts<, die italienischen Konstrukteure waren sich anscheinend schon bei der Namensgebung im Klaren, daß das Vorhaben scheitern könnte, wörtlich übersetzt lautet der Text für >MO.S.E<: Elektromechanisches Versuchs-Modul, doch es scheiterte nicht an der Technik, sondern an den laufenden Kosten!

Es gab auch einen betrieblichen Grund: Die Lagune sollte erst bei wirklich hohem Hochwasser abgeschlossen werden, um die Gezeitenströmungen in der Lagune aufrecht zu erhalten und damit den ökologischen Anschluß an das Meer zu gewährleisten. Auch wollte man die Schiffahrt nicht unnötig einschränken. So sollten die Tore erst ab 110 Zentimeter über normalem Wasserstand geschlossen werden, dieser Wasserstand reichte aber bereits aus, daß der Markusplatz komplett unter Wasser stand.

Ab dem Jahr 2022 blieben die gigantischen Stahltore auf dem Meeresboden unter den drei Einlaufstellen in die Lagune nach nur zwei Betriebsjahren. Als 2027 sich eine neue dramatische Hochwasserflut anbahnte, versuchte man nochmals, das Sperrwerk zu reaktivieren. Während der Scirocco gnadenlos den Technikern um die Ohren blies und die Gischt sich immer höher auftürmte, um die Flut durch die drei Einlässe in die Lagune hineinzupeitschen, bemühten sie sich verzweifelt, die Kompressoren in Gang zu setzen, um die riesige Preßluftmenge zu erhalten, welche das Wasser aus den Stahlkammern der Tore drückt und auf diese Weise deren Auftrieb bewirkt.

Das war natürlich wieder eine Schnellschuß-Entscheidung, wie sie nur von Nichtfachleuten gefordert werden konnte: Der notwendige Überdruck konnte nicht innerhalb weniger Minuten aufgebaut werden, auch nicht in Stunden, selbst wenn die Kompressoren nach den Jahren des Stillstands sofort mit voller Leistung arbeiteten. Als schließlich das Hochwasser bereits seinen Scheitelpunkt erreicht hatte, hoben sich endlich die ersten Absperrtore in den Durchfahren von Malamocco und Chioggia, die Tore bei Punta Sabbioni waren indes nicht zu bewegen. Es war ein trauriger Anblick, daß man nach nur wenige Minuten die Ventile öffnen mußte, damit die Luft aus den Stahlkammern wieder entweichen konnte und an ihrer Stelle das Wasser eindrang, welches die Teile, nun wohl für alle Zeiten, auf den Grund des Meeres zurückdrückte.

Das Hochwasser schlug in diesem Jahr mit einer Rekordhöhe von 2,16 Meter über Normal auf die Lagunenstadt, sie stand komplett unter Wasser, selbst die Hilfsstege wurden unpassierbar überflutet, der damals entstandene Schaden bis heute längst nicht behoben. Aufgrund der schwachen Wirtschaftslage in Italien und Europa insgesamt werden die Bauschäden auch nicht mehr vollständig zu beheben sein, die Kosten sind immens, schon allein deshalb, weil man nicht mit Baufahrzeugen anfahren kann, sondern alles per Barken und Pontons durchgeführt werden muß.

Es gab sogar schon Überlegungen, die weltberühmte Rialto-Brücke von 1591 abzutragen, zum einen, um ihrem Einsturz zuvorzukommen, aber auch, daß die Schiffe ungehindert den Kanal entlang tuckern konnten. Durch den ständig steigenden Wasserspiegel müssen sich die >Vaporetti< nämlich in der Mitte des Kanals durch die Brücke drängeln, um an der höchsten Stelle des Bogens gerade noch hindurchzupassen.
Venedigs Ruf als düstere Stadt mit den höchsten Selbstmordraten weltweit wird durch den Einsturz dieses außergewöhnlich schönen 700 Jahre alten Palastes neue Nahrung erhalten, wie es der Bürgermeister Morto auf den Punkt gebracht hat: Wir stehen erst am Anfang, viele weitere Einstürze werden folgen, das Ende der gesamten Stadt ist im Grunde genommen besiegelt.
Ein Trost bleibt den Venezianern: Die Sturmfluthöhen von bis zu zehn Metern an der deutschen Nordseeküste bleibt ihnen wohl erspart, dort führen die Bewohner einen Kampf gegen das Wasser mit ganz anderen Dimensionen.

Schockiert griff Gangolf zur Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. Eigentlich wollte er sich den anschließenden Krimi ansehen, ein alter Tatort mit Maria Furtwängler als Kommissarin Lindholm. Heute werden solche Filme fast nie mehr gedreht, die modernen Streifen handeln nur noch von bodenloser Gewalt und völlig überzogenen Action-Szenen. Er konnte sich nicht vorstellen, wie man sich an dieser Art von Filmkunst erfreuen konnte, schon allein der rasante Szenenwechsel, gepaart mit schriller Musik, ließen ihn zurückschrecken.
Gangolf schloß für kurze Augenblicke die Augen, genoß die Stille, war im Gedanken bei seinem letzten Venedig-Besuch, dieser war schon einige Jahre her. Er wollte unbedingt noch einmal dort hin, bevor die Stadt endgültig zusammenbricht und aufgegeben wird. Tief in Gedanken versunken wird Gangolf durch das Trällern des Telephons aufgeschreckt, jäh wurde er daran erinnert, daß bereits vor einer halben Stunde jemand ihn sprechen wollte.

Nachdem er sich gemeldet hatte, vernahm er eine junge Frauenstimme: „Martina Weiß“.
- ‚Das ging ja schnell’, dachte sich Gangolf, nachdem er sich erst am Tag zuvor mit der Pfarrerin getroffen hatte, 'da gibt es anscheinend eine wirklich dringende Sache zu besprechen’.
- „Hallo Herr Stumpf! Also Pfarrerin Litte hat mir gesagt, Sie haben miteinander gesprochen und daß ich bei Ihnen anrufen darf, weil Sie so ein Fachmann für elektronische Geräte sind“.
- „So pauschal würde ich das jetzt nicht von mir behaupten, Elektronik ist ein weites Gebiet“.
- „Schon klar, aber bisher fanden wir noch keinen, der unser Problem hätte lösen können; es ist aber auch so, daß wir noch niemanden in unser Vertrauen zogen, denn es ist eine heikle Sache.“
- ‚Schon wieder diese Geheimniskrämerei’, dachte sich Gangolf und war dabei, sich einen Satz zu formulieren, mit welchem er das Thema abwiegeln konnte und das Gespräch damit beenden. Doch seine Gesprächspartnerin kam ihm zuvor:
- „Also ich möchte Ihnen vorschlagen, daß wir uns einmal wo treffen könnten, um uns Kennenzulernen und dann könnten wir weitersehen. Selbstverständlich würde ich mich ganz nach ihren Vorschlägen richten, wann und wo, sagen Sie einfach, wenn Sie ein bißchen Zeit haben, es wäre wirklich sehr wichtig.“
- ‚Vor der Arroganz keine Spur mehr’, dachte sich Gangolf, als er diese zuckersüßen Worte aus dem Telephonhörer vernahm. Als er ihr damals wegen der Motorradfahrerei eine E-Mail schrieb, kam nur eine ganz knappe, herrische Antwort: Zehn Uhr, und sei pünktlich, in diesem Sinn, wie anders klang das jetzt!

- „Laß’ mich kurz überlegen“, bat Gangolf und gab nach einer Weile zur Antwort:
- „Wie wär’s mit Sonntag Vormittag, so um elf Uhr, kennen Sie die Eisdiele an der Hauptstraße von Grausneg?“
Es war eine gehässige Provokation, freilich war sich Gangolf im Klaren darüber, daß Martina den Ort kannte und auch den Zeitpunkt, damals als angehende Motorrad-Sozia.
- „Ja klar“, schoß es ihm sofort aus dem Hörer, „kenn’ ich, da sitzt man schön, prima, also Sonntag gegen elf Uhr, ich werde auf jeden Fall da sein, Danke für Ihr Angebot, dann können wir alles in Ruhe besprechen, Ciao“.

Sie blieb hartnäckig bei’m >Sie<, offensichtlich wußte sie immer noch nicht, mit wem sie es zu tun hatte, und heimlich fand Gangolf Freude daran, den Unbekannten zu spielen.
Sinnend blieb Gangolf noch eine Weile auf dem Sofa liegen, dachte an die kesse Pfarrerin, an ihre Bekannte Martina und an deren Bekannte mit dem geheimnisvollen technischen Problem.
- ‚Wie hieß sie gleich wieder?’ versuchte er sich zu erinnern, Bettina hat ihren Namen erwähnt. Schließlich ergriff er doch wieder die Fernbedienung, um den Furtwängler-Tatort anzusehen, auch wenn er nun schon gut eine Viertel Stunde begonnen hatte. Er verspürte heute keine Lust mehr, an seinem Handschellen-Projekt weiter zu machen.


Liebe Leser,
wie findet ihr die Darstellung mit den unbegrenzt-langen Zeilen? Schreibt euere Meinung dazu, ich hoffe, ihr findet weiterhin Gefallen an der Geschichte,
Magnus.

25. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 30.07.21 18:55

12

Gelangweilt schlenderte Hauptwachtmeister Olaf Brause durch den kurzen Flur im ersten Stock der Polizeidienststelle in Lüggen; das große Gebäude wurde sehr schön mit roten und okerfarbenen Backsteinen und kunstvollen Fensterbögen vor über 100 Jahren gemauert. Am Ende des Flurs traf er auf den Dienststellenleiter, dieser bat ihn gleich in sein Büro herein, zu einem Gedankenaustausch, wie er es zu nennen pflegte. Im Grunde genommen war ihm genauso langweilig wie seinem Kollegen. Freilich durften sie das nicht zugeben, im Gegenteil, bei der übergeordneten Polizeidienststelle in Kaiserswuselhausen forderten sie, wie alle Polizeiwachen der Region, alljährlich wieder Budgeterhöhungen und zusätzliches Personal.
In früheren Jahren war mehr zu tun: Immer wieder verursachten betrunkene Autofahrer Unfälle, überladene landwirtschaftliche Anhänger kippten in engen Kurven um, Mopedfahrer kamen in's Schlingern und landeten im Straßengraben. Aber auch Wohnungsbrände kamen vor, doch in den letzten Jahren ist es still geworden. Die Wirtshausschlägereien verschwanden, weil die Bauern nur noch selten die Nächte in den Wirtshäusern durchzechten, die Verkehrsunfälle ließen nach, denn die drakonischen Strafen auf alkoholisiertes Fahren und Geschwindigkeitsübertretungen zeigten Wirkung.
- "Na, was gibt's Neues, Olaf," fragte Dienststellenleiter Nisselpriem und wies dem Hauptwachtmeister mit einer einladenden Geste, Platz zu nehmen, "was macht eigentlich Marlies Armdran, hast du sie wieder einmal besucht?"
- "Nee, die lief mir vorgestern auf dem Markt über den Weg, hat mich gleich gegrüßt, ich hätte sie wahrscheinlich gar nicht bemerkt; nee, die ist in Ordnung, die läuft uns nicht weg!"
- "Ruf doch mal in der Gülle an, ob die irgend welche Auffälligkeiten erkannt haben."
- "Ja klar, werde ich machen."
- "Sag mal, Olaf, was war damals eigentlich los mit dieser Marlies Armdran, ich war damals ja noch nicht da, was ist deine Meinung, was da damals abging?"
- "Eine seltsame Sache", antwortete Brause und setzte eine nachdenkliche Miene auf. "Ich glaube nicht, daß sie es war, aber wir werden ja nicht groß nach unserer Ansicht gefragt, alles Kriminelle geht ja gleich an die Kriminaler in Kaiserswuselhausen. Die hat so schnell gestanden, wahrscheinlich setzte der Staatsanwalt sie gehörig unter Druck, wenn sie nicht gestehe, käme es zur Mordanklage."
- "Du meinst also, sie hat gar nicht den mutmaßlichen Vergewaltiger erschlagen?"
- "Ja das weiß ich natürlich auch nicht, sicher ist nur, daß sie den Typ mit einer Blumenvase niederschlug, bevor dieser sich an ihr vergriffen hätte. Deshalb wollte der Staatsanwalt ihr daraus einen Mord anhängen. Erst durch das schnelle umfassende Geständnis und durch die Aussage ihrer besten Freundin wurde die Tat zum Totschlag heruntergestuft."
- "Und was sagte diese Freundin?"
- "Die wurde tatsächlich kurz vorher vergewaltigt und hat das auch angezeigt, das wurde auch bestätigt. Sie identifizierte den Getöteten sofort als den Mann, der sie wenige Wochen zuvor vergewaltigt hatte. Es war also naheliegend, daß dieser Scheißkerl auch die arme Armdran packen wollte."
- "Dann ist ja wohl doch alles geklärt worden", meinte der Dienststellenleiter.
- "Ja, vermutlich lief das so ab", entgegnete Brause, "doch gab es keinerlei Spurenaufnahme in der Wohnung der Armdran, ob es wirklich die Blumenvase war, ob das Teil ausreichte, ihn zu Fall zu bringen, immerhin war er ja nicht einfach benommen dagelegen, sondern war tot. Und dann ist die Marlies so ein zierliches, geradezu zerbrechliches Mädchen gewesen, mit ihren gerade mal 22 Jahren."
- "Du meinst, es könnte jemand anders zumindest nachgeholfen haben, den Kerl zu töten und diese Marlies hat die alleinige Schuld einfach auf sich genommen."
- "Ja, das könnte so gewesen sein, ist halt schon einige Jahre her, so genau kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich bin mir ziemlich sicher, daß da kaum in eine andere Richtung noch ermittelt wurde, ob da doch noch ein anderer Täter in Frage gekommen wäre."

Die beiden Polizisten pflegten noch eine Weile ihren >Gedankenaustausch<, schließlich kamen sie auf einen Raubüberfall auf die Sparkasse in Lüggen zu sprechen, der vor zwei Jahren für große Aufmerksamkeit sorgte. Auch dieser Kriminalfall wurde nicht restlos aufgeklärt; gesichert galt, daß vor dem Eingang ein Motorrad mit zwei Männern vorfuhr, der Sozius schwang sich vom Sattel und lief in die Sparkasse, ohne seinen Helm abzunehmen. Mit vorgehaltener Pistole erzwang er die Herausgabe von 45.000 Euro, offenbar wußten die Räuber, daß sich an diesem Tag ein dermaßen hoher Betrag in der Filiale befand. Ein Kunde meldete einige Tage zuvor die Barauszahlung an. Der Räuber stopfte das Geld und die Pistole in eine Umhängetasche, lief nach draußen und während der Alarm ertönte, brausten die beiden davon.
- "Das Merkwürdige war der zweite Motorradfahrer gegenüber", erläuterte Brause redselig, "vielleicht stand der rein zufällig mit seiner Maschine gegenüber vor der Bäckerei. Vielleicht war er aber ein Kumpan. Zeugen berichteten jedenfalls übereinstimmend, daß dieser Zweite seinen Helm aufsetzte und den beiden anderen nachjagte."
- "Waren die Banditen tatsächlich tot, als sie aus der Kurve flogen?", wollte der Dienststellenleiter wissen.
- "Ja genau, zwischen Schlepptsich und Grausneg flogen sie im hohen Bogen in den Wald, haben wohl die Rechtskurve nicht gekratzt. Der eine war vermutlich gleich tot, der andere lebte schwerverletzt, starb aber später im Krankenhaus. Interessant ist, daß der bei einer ersten Befragung noch im Wald sagte, daß der unbekannte zweite Motorradfahrer sie verfolgte und daß dieser nach ihrem Abflug in die Büsche anhielt und zu ihm kam, ihm die Umhängetasche entriß und damit davonlief. Kurz darauf hörte er den aufbrausenden Klang eines davonjagenden Motorrads."
- "Dieser hatte demnach nichts mit den eigentlichen Räubern zu tun?"
- "Das behauptete zumindest dieser Schwerverletzte, als die Polizei ihn und den toten Ganoven fanden. Der hat einfach den Geldsack mitgenommen und ist damit abgehauen".
- "Und man fand nicht heraus, wer das war?"
- "Nein, die Zeugen konnten sich nur an ein blaues Motorrad erinnern, zwar wurden alle Besitzer von blauen Motorrädern in der ganzen Umgebung besucht, alle ließen bereitwillig ihre Wohnungen durchsuchen, aber so blöd war natürlich keiner, die Geldscheinbündel unter das Kopfkissen zu legen, die liegen sicher irgendwo gut versteckt."
- "Aber ganz auszuschließen war es auch nicht, daß dieser Zweite doch ein Komplize war."
- "So ist es, das wurde nie weiter untersucht, denn dieser Zweite wurde ja nie identifiziert, die Suche nach ihm wurde irgendwann eingestellt."

Während die beiden Kreisstadt-Polizisten ihrem Gedankenaustausch frönten, wurde im Bundesgesundheitsministerium lautstark und kontrovers diskutiert. Es kam zu einem regelrechten Schlagabtausch, Minister Scham ließ die Wortverfechter gewähren, er selbst war kein guter Redner, so lehnte er sich lieber still zurück und hörte sich an, was seine Staatssekretäre und Referatsleiter alles zum Besten gaben. Neben den Regierungsbeamten waren auch namhafte Mediziner eingeladen, ihre Meinung kundzutun, Staatssekretär Doktor Unwohl bemühte sich redlich, leider nicht ganz erfolgreich, die Debatte auf einer sachlichen Auseinandersetzung zu halten.
Ein Beteiligter sagte: "Aus England hört man, daß der Krankheitsverlauf gar nicht so schlimm sein soll."
Ein anderer entgegnete prompt: "Nicht so schlimm? Nennen Sie das >nicht so schlimm<, wenn sich jemand vor lauter Juckreiz die Eier aufkratzt?"
Ersterer blökte zurück: "Er wird nicht daran sterben!"
- "Muß man erst sterben, um eine Krankheit als schlimm zu bezeichnen?" geiferte der andere zurück.
Jetzt donnerte Unwohl dazwischen: "Meine Herren, ich darf doch bitten, schlimm oder nicht so schlimm, es geht darum, die Ausbreitung dieses unheimlichen Virus' mit allen Mitteln zu verhindern".
Wieder ein Anderer aus der Runde schnappte prompt, kaum daß Unwohl den Satz vollendet hatte:
- "Mit allen Mitteln? Soll man die Erkrankten erschießen? Dann wär' das Problem gleich erledigt."
Eine Woge der Empörung schlug dem Redner mit seiner völlig unqualifizierten Bemerkung entgegen, und es dauerte mehrere Minuten, bis in dem kleinen Saal wieder einigermaßen Ruhe eingetreten war.
Doch der Wortführer gab nicht auf und fuhr fort: "Entschuldigen Sie bitte, das war sarkastisch, das habe ich natürlich nicht im Ernst gemeint, aber es ist doch wirklich was dran, wenn da so ein Ärmster auf völlig unbestimmte Zeit in die Quarantäne gesteckt wird, weil die Infektion durch körpereigene Abwehrkräfte nicht besiegt werden kann und medizinische Gegenmittel fehlen."
Minister Scham klatschte in die Hände, nach kurzer Zeit endete das Gemurmel und jeder in der Runde wandte sich ihm zu. Doch statt einer erwarteten kurzen Rede, was der oberste Chef zu der Sache zu sagen hätte, formulierte er mit viel Mühen einen kurzen Satz:
- "Es wird wohl sein, daß wir die Infizierten herauslassen müssen in den normalen Alltag".
Da nun nichts weiter kam, ergriff Unwohl das Wort zu einer Frage: "Meinen Sie damit, daß man die Menschen, nachdem man sie eindeutig als mit dem Virus infiziert getestet hat, einfach wieder hinaus in das Alltagsleben gehen läßt, wo sie dann beliebig viele weitere anstecken werden?"
Scham räusperte sich und setzte verlegen an: "Äh, ja, wir können sie ja nicht ewig einsperren, also wir brauchen Schutzmaßnahmen, daß sie dann keine anderen Leute anstecken."
- "An welche Schutzmaßnahmen denken Sie", warf jemand ein, "übertragen wird das Virus über Tröpfcheninfektion, wie damals beim Corona."
Ein anderer entgegnete: "Dann müssen halt die gleichen Gegenmaßnahmen wie damals her!"
- "Die billigen Stoffetzen, die sich die Leute vor den Mund geschnallt haben?"
Der Redner, der für Empörung gesorgt hatte, ergriff erneut das Wort: "Das mit den Stoffmasken war doch eher eine symbolische Maßnahme, Sie können das als psychologische Gegenwehr bezeichnen, wobei wir beim Placebo-Effekt wären. Meiner Meinung nach war das mit den einfachen Stoffmasken ein solidarischer Akt, die meisten haben mitgemacht, um ein Zeichen zu setzen, in der Gemeinschaft einzustehen, in dem Gefühl, das Virus damit aktiv zu bekämpfen."

Nun trat erstmals während der hitzigen Debatte eine Stille ein. Schließlich unterbrach sie Unwohl:
- "Mir ist jetzt Folgendes klar geworden, bitte unterbrechen Sie mich jetzt nicht, damit ich mich auf das zu Sagende konzentrieren kann! Also zum ersten muß ich Herrn Minister Scham Recht gegen, wir können die Infizierten nicht beliebig lang in Quarantäne halten, ganz gleich, wie diese auch aussehen möge. Wir benötigen folglich geeignete Schutzmaßnahmen, um die Verbreitung der Infektion wirksam zu verhindern. Wenn die einfachen Stoffmasken nicht ausreichen, müssen eben die wirklich gasdichten Gasmasken her, wie das bereits neulich in der Kanzlerrunde besprochen wurde und sogar als unabkehrbarer Beschluß gefaßt wurde."
- "Und wie soll das gewährleistet werden, daß die Betroffenen die Maske dann wirklich tragen?", fragte jemand nach.
"Das ist eine berechtigte Frage", entgegnete Unwohl, "mir ist bei dem Gedanken tatsächlich unwohl, daß die Betroffenen zu ihrer Plage auch noch die schwere Gasmaske tragen sollen, zum Spott der Gesunden, die sich gar einen Spaß daran machen, die Armen mit ihrer Maske, schwer schnaufend, belustigt anzugaffen."
- "Wurde denn diese Tragepflicht-Problematik im Kanzleramt nicht angesprochen?", wollte jemand wissen.
- "Die Details sollen in den Arbeitskreisen der einzelnen Ministerien ausgearbeitet werden, somit müßten wir uns hier eigentlich nicht damit befassen, wie wir das Tragen der Masken für die Infizierten verpflichtend durchsetzen können", meinte Unwohl. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort:
- "Da soll eine eigene polizeiähnliche Schutzmannschaft aufgestellt werden, die speziell das Maskentragen beaufsichtigt. Wie das gehen soll, kann ich mir nicht vorstellen, aber das ist jetzt nicht unsere Sorge. Wir sollten uns um die medizinischen Gesichtspunkte der Maßnahmen sorgen."
Wieder ergriff der Redner das Wort, der zwar anfangs für Empörung sorgte, indes zunehmend als ernstzunehmender Gesprächspartner anerkannt worden war, auf dessen kritische Einwände hin zum Kern der Sache vorgedrungen wurde:
- "Was halten Sie davon, allen eine Maske zu verpassen, also den einen, um die anderen nicht anzustecken, den anderen, um nicht von ersteren angesteckt zu werden?"
Ein Gemurmel erhob sich in dem Raum, bis sich Scham nicht dafür schämte, stotternd das Wort zu ergreifen, nicht ohne seinem vorausgehenden typischen Händeklatschen, um sich Gehör zu verschaffen:
- "Sie meinen also, die Infizierten kriegen ein Filter wo sie beim Ausatmen den Virus im Filter zurückhalten, und die Nichtinfizierten müssen beim Einatmen durch ein Filter einatmen, damit sie beim Einatmen also nicht die vielleicht mit den Viren voller Luft, also die Luft voller Viren, einatmen."
~ 'Wie konnte der nur Bundesminister werden', dachte sich Unwohl und mit ihm wohl so mancher unter den Anwesenden, 'der ist ja nicht einmal Mediziner, reiner Politiker, und schafft es nicht, einen einfachen Satz zu formulieren.'
Nachdem niemand Schams Ausführungen kommentiert hatte, wandte dieser sich nochmals in die Runde:
- "Also was halten Sie von dem Vorschlag mit den zwei Masken, für alle eine".
Nun meldete sich der Sprecher des Ministeriums zu Wort: "In der Tat halte ich das für einen gangbaren Weg, eine Art Gleichberechtigung zwischen Gesunden und Erkrankten herzustellen. Auch die Frage der Überwachung wäre damit einfach, wenn jeder eine Maske tragen muß."
Nun platze wieder der Provokant in die Runde: "Können Sie sich vorstellen, daß jeder von uns hier sitzt mit der Gummifotz` vor dem Maul und wir uns durch das Gummi anblöken? Wie skurril ist denn so was, beim Barras haben wir als Rekruten solche Späßchen gemacht, es war richtig affengeil gewesen!"
- "Mäßigen Sie sich in der Wortwahl", entrüstete sich Unwohl, "wir sind hier nicht im Wirtshaus".
Jetzt entgegnete Scham in Person, indem er kurz die Hand hob als Zeichen, daß eine Chefansage käme:
- "Mir gefällt Ihre Wortwahl auch nicht, aber Sie haben Recht, manchmal braucht es derbe Worte, die aufrütteln und uns den ganzen Wahnsinn vor Augen führen, wie einen Spiegel, wie das dann alles sein könnte, mit Gasmasken dasitzen und diskutieren, oder draußen die Leute, wenn sie arbeiten müssen, das geht doch eigentlich gar nicht. Aber was anders fallt mir auch nicht ein."
Nach einem Moment der Stille meldete sich ein Redner zu Wort, der bislang noch nichts gesagt hat:
"Man müßte zweifarbige Filter einführen, die einen grün für gesund, die anderen rot für krank, als Zeichen für Gefahr, die von dem Träger ausgeht. Freilich wäre das eine Art Stigmatisierung, wie es schon in der Bibel steht von den Aussätzigen, Moses verfügte: >Solange das Übel besteht, bleibt er unrein; er ist unrein. Er soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers soll er sich aufhalten.<"
Ein anderer ergänzte: "Da gab es doch sogar so Warnglocken oder Warnklappern, mit denen der Aussätzige die Gesunden waren mußte, damit diese Abstand hielten, oder sie mußten >unrein, unrein!< rufen.“
Dann meldete sich ein Virologe zu Wort: "Was bisher noch nicht angesprochen wurde und was auch damals bei dem Corona-Virus meiner Erinnerung nicht erkannt wurde ist die Tatsache, daß sich das Virus außerhalb der menschlichen Atemwege nur sehr kurz, sowohl räumlich, als auch zeitlich, aufhält. Somit besteht in geschlossenen Räumen, also überhaupt in Räumen, in denen es trocken ist, so gut wie gar kein Infektionsrisiko. Ganz anders ist die Situation draußen im Freien: Wenn die Luftfeuchtigkeit hoch ist und überhaupt draußen im Wald zum Beispiel ständig, bei Regen, an Gewässern, da hält sich das Virus lange Zeit und bleibt ansteckend. In Räumen aber nicht und auch nicht bei Trockenheit, also beispielsweise tagsüber an heißen Tagen auf den Straßen unserer Städte."
"Das ist ein ganz neuer Aspekt", gab Unwohl zur Antwort, doch wollte er diese Aussage durch weitere Meinungen untermauert sehen: "Weiß dazu sonst noch jemand was zu sagen?"
Ein anderer Mediziner bekräftigte die Aussage des Vorredners und ergänzte: "Wie schon gesagt wurde, war das gesamte Maskentragen bei dem Corona-Virus meiner Meinung nach nur ein politisches Machtspiel, ein Test, wie weit sie die Bevölkerung steuern können, etwas zu tun, um damit vermeintlich etwas gegen den Virus zu unternehmen. Im Feuchten ja, da wären die Gasmasken wohl hilfreich, in beiden Richtungen, aber im Trockenen braucht man keine Angst haben."
Ein Raunen ging durch den Saal, als ob es sich um ein Aufatmen handelte, nachdem die beiden gleichlautenden Meinungen zur Übertragbarkeit eine gewissen Hoffnung gaben, daß das maskenlose Miteinander in Räumen weiter möglich sei, auch an warmen Tagen draußen. Somit könnte man weiterhin zusammen plaudern, essen, spazierengehen.
- "Da werden sich die Wirtsleute freuen", warf ein Schlaumeier ein, "aber wie sieht es bei den Frisören aus, dürfen die dann nur Trockenschnitt durchführen? Und in den Kirchen, wenn das Weihwasser verspritzt wird?"
- "Lassen Sie den Zynismus", tadelte Minister Scham den provozieren-den Schlaumeier, "seien wir froh, daß wir jetzt doch einen kleinen Schritt weiter sind."
Unwohl meldete sich zu Wort und führte aus: "Darf ich zusammenfassen: Wir werden aus medizinischer Sicht empfehlen, Masken mit Ansaug- und Ausblasfilter verpflichtend für alle einzuführen, die in feuchten Gebieten getragen werden müssen. Ich denke, für heute machen wir hier vorerst einmal einen Schlußpunkt, immerhin sind wir zu einem Ergebnis gekommen, als zukünftige Themenschwerpunkte müssen wir uns unterhalten, wie wir die Reihenuntersuchungen durchführen, erstmalig und dann wiederkehrend, und wie wir vermeiden können, daß Menschen absichtlich oder unabsichtlich die falsche Maske nehmen, um sich zum Beispiel in einer Gruppe nicht ausgegrenzt zu fühlen."
- "Ich dachte, daß alle durch die Maske keuchen müssen, wenn es feucht wird", entgegnete der Schlaumeier, der sich bereits eine Rüge eingehandelt hatte.
- "Ja aber der Aussätzige hat einen roten Schnorchel vor der Gosche, der Reine einen grünen", belehrte der mit seinen provozierenden Bemerkungen bekannt gewordene Wortführer höhnend. Scham klatschte daraufhin in die Hände und verkündete:
- "Also bevor wir jetzt handgreiflich noch werden, beenden wir die Sache, ich danke Ihnen für ihr Kommen, und dann treffen wir uns bald wieder, wie wir das mit der Kontrolle machen, vielleicht könnten wir damit auch gleich das HIV-Virus mit den Pflichtuntersuchungen in den Griff kriegen, denn das Virus breitet sich ja in letzter Zeit wieder stärker aus!"

Hauptkommissar Brause wählte in seinem kleinen Dienstzimmer die Nummer der GÜL in Näherdorf, die >Gülle<, wie die Zentralstelle polizeiintern genannt wurde, sie meldeten keine Vorkommnisse für den Bereich Lüggen.



26. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 30.07.21 21:51

Zitat

Liebe Leser, wie findet ihr die Darstellung mit den unbegrenzt-langen Zeilen? Schreibt euere Meinung dazu, ich hoffe, ihr findet weiterhin Gefallen an der Geschichte, Magnus.


Na dann schreib ich mal Dankeschön,
Jetzt hörten die unbegrenzt langen Zeilen, dort auf, wo sie sollen, an deren Ende.

Noch einmal Danke für die Geschichte.

Ihr_joe


27. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 01.08.21 23:48

Hallo M A G N U S,

ich lese auch weiterhin deine kurzweilige Geschichte sehr gern.

Die anfängliche Formatierung würde ich jedoch bevorzugen.

mfG
28. RE: Formatierung...

geschrieben von M A G N U S am 04.08.21 13:03

"lese auch weiterhin deine kurzweilige Geschichte sehr gern."

Das freut mich sehr, obschon ich selber im Rückblick dazu neige, die ganze Geschichte als recht schwerfällig zu betrachten, wie bei einem alten Roman.

Mein Schwiegersohn zeigte mir, daß man durch "Klicken" auf die beiden übereinander liegenden Rechtecke den Bildschirmausschnitt verkleinern und anschließend den Rand des "Fensters" mit der Maus nach links oder rechts bewegen kann, was zur Folge hat, daß die Zeilen kürzer und die Texte dadurch leichter lesbar werden. Die Verschmälerung der Fensteransicht hat indes seine Grenzen, treibt man die Einschnürung zu eng, werden die Zeilen nicht mehr automatisch umgebrochen, sondern abgeschnitten.

Somit möchte ich Dich, Sarah, bitten, diese Betrachtungsweise auf deinem Bildschirm auszuprobieren.

Es ist schon wieder Mittwoch, die Zeit rast dahin, übermorgen kommt die nächste Fortsetzung, bis dahin alles Gute!

- M a g n u s. -
29. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 06.08.21 19:10

13

Die Vögel zwitscherten an diesem Sonntag in aller Frühe dermaßen laut, daß Gangolf sich überwand aufzustehen, um das gekippte Fenster des Schlafzimmers zu schließen. Schläfrig warf er kurz einen Blick auf den Sternenhimmel, bevor er den Vorhang wieder schloß, den er einen spaltbreit zurückgeschoben hatte, um an den Fenstergriff zu gelangen.
Eigentlich hätte Gangolf sich beliebig lang ausschlafen können, denn an diesem Sonntag hatte er keinen Orgeldienst. Er legte sich wieder nieder, doch wollte sich kein richtiger Schlaf mehr einstellen. So döste er in einer wohligen Müdigkeit vor sich hin, bis er dann doch einen Blick auf sein Smartphone warf, um die Uhrzeit festzustellen.
Es war kurz vor sechs Uhr, um diese Uhrzeit herum pflegte er üblicherweise stets ohne Wecker aufzuwachen. Trotz seiner Schläfrigkeit verspürte Gangolf eine unerklärliche Unruhe, als ob etwas ganz Besonderes ihn an diesem Tag erwarten würde. Wie sich zeigen sollte, lag er mit diesem Gefühl richtig, und so gab er sich einen Ruck und erhob sich nochmals aus den Federn, diesmal, um endgültig aufzustehen und sich dem Kommenden zu stellen.
Immerhin hatte Gangolf heute Vormittag um elf Uhr wieder einmal einen Termin an der Eisdiele, wieder einmal mit dieser ominösen Dame, vor Wochen war sie die unnahbare Lady M., jetzt die zuckersüße Madam Weiß.

'Wenn ich mich beeile, könnte ich wieder einmal einen Sonnenaufgang über dem See erleben’, kam es Gangolf durch den Sinn. Da es an diesem fünften April nach der sternenklaren Nacht recht frisch sein dürfte, nahm Gangolf diesmal nicht sein Neopren-Shorty aus dem Schrank, sondern den >Long John<-Neoprenanzug, vertauschte diesen mit seinem Schlafgewand und streifte sich darüber eine warme Kapuzenwollweste. Sollte es ihm beim Rudern zu warm werden, konnte er den Reißverschluß dieser Weste leicht öffnen, um so die kühle Luft von vorne zu seinem Oberkörper streichen lassen.
Gangolf nahm schnell einen Schluck Wasser, bevor er in den Schuppen hinübereilte, um sein geliebtes schnelles Kajak herauszuholen. Nachdem er es in’s Wasser gesetzt hatte, klemmte er sich vorsichtig in die enge Luke und setzte sich mit seinem Pfeil in Bewegung. Als er nach wenigen Metern aus dem den Kanal säumenden Bruchwald auf die weite Seefläche hinauskam, wurde es im Osten bereits dämmerig. Während er mit schnellen Ruderschlägen nördlich der Insel nach Westen paddelte, wurde es immer heller. Nach etwa einem Kilometer blickte er auf die Uhr, es war dreiviertel Sieben. Er beschloß, jetzt zu wenden, um beim Zurückpaddeln den bald zu erwartenden Sonnenaufgang beobachten zu können.

Tatsächlich schimmerte wenige Minuten später das Licht gespenstisch durch die Baumstämme am Ufersaum, bis der rotglühende Feuerball sich majestätisch über den Wipfeln erhob, begleitet von schmalen Wolkenschlieren. Gangolf hörte mit dem Rudern auf, ließ das Paddel quer vor sich auf der Luke ruhen und betrachtete schier andachtsvoll das Naturschauspiel. Schnell verfärbte sich das Rot in ein gleißendes Gelb, die Intensität nahm stark zu, so daß er selbst mit zu einem Schlitz geschlossenen Augenlidern nicht mehr in das Sonnenlicht blicken konnte.

Gangolf wendete sein Kajak Richtung Süden und umrundete seine Insel. Im Süden war die Insel nur wenige Meter weit von dem Land getrennt, an dieser Stelle lag das Dörflein Röthen. Nachdem er die Insel umrundet hatte und wieder nordwärts in den Kanal einbog, freute er sich auf ein gutes Frühstück. Noch im Neoprenanzug steckend betätigte er Kaffeemaschine, Eierkocher und Toaster, auf diese Weise konnte er, nachdem er sich umgezogen hatte, unverzüglich mit dem Frühstücken beginnen.

An diesem Sonntag wollte Gangolf wieder einmal einen katholischen Gottesdienst besuchen. Er informierte sich im Internet, daß in Lüggen ausnahmsweise nach längerer Zeit ein richtiger Priester die Messe lesen würde. Das kam in den letzten Jahren nur noch selten vor, denn der Beruf des Priesters war in Nord- und Ostdeutschland so gut wie ausgestorben.
Den Priestern war es immer noch untersagt zu heiraten. Kaum vertraute sich ein Priester seinem Bischof an, daß er eine Frau liebe, war es mit seinem Priesteramt vorbei, mehr noch, meist wurden ihm sämtliche Ämter genommen, so auch den Schulunterricht, und der Mann stand dann buchstäblich auf der Straße, des Pfarrhauses verwiesen, ohne finanzielle Unterstützung von Seite der Kirche. Gangolf kannte einen Organisten-Kollegen, der auf diese Weise zu einem ehemaligen Priester wurde, immerhin erlaubte ihm die Ortsgemeinde, die Orgel zu spielen, nach dem Kirchenrecht dürfte er selbst das nicht mehr tun.
Umgekehrt munkelte man hinter vorgehaltener Hand, daß fast ein jeder Priester im Laufe seines Lebens einmal bei einer Frau war, solange darüber nichts bekannt wurde, blieb das ohne Folgen; ein drastischer Widerspruch zur Wahrhaftigkeit, jenem Gebot, das seit Moses in einem Atemzug mit der Keuschheit genannt wurde.
Die Kirchenleitung geht pragmatisch vor: Anstelle der von Priestern gelesenen Heiligen Messen gab es fast nur noch sogenannte >Wort Gottes-Feiern<, die von Laien gehalten wurden, von >Ungeweihten<, im Grunde genommen begab man sich auf die Ebene eines evangelischen Gottesdienstes, nur mit dem qualitativen Unterschied, daß die katholischen Laien zwar manchmal, doch eher selten Theologie studiert hatten.
Mit diesen Gedanken betrat Gangolf die Trinitatis-Kirche in Lüggen, ihn interessierte neben dem eigentlichen Gottesdienst, wie seine Organistenkollegen spielten, wie sie mit den Vorspielen auf die Choräle einstimmten, welche Orgelstücke nach dem Ende des Gottesdienstes erklangen.

Der Gottesdienst begann mit einem Paukenschlag: Ein alter Mann hinkte aus der Sakristei in die Kirche, mit dem rechten Arm auf einen Stecken gestützt, die linke Hand an dem Arm des Meßdieners geklammert. Plötzlich gab es einen markerschütternden Schlag, es hallte im gesamten Kirchenraum, erschrocken wandten sich die Gottesdienstbesucher um, die Orgel verstummte.

Der gebrechliche Priester stieß an das an einer schmalen Stange befestigte Mikrophon und riß es nieder; als es mitsamt der Stange umfiel und auf den Boden aufschlug, übertrug sich dieser Aufprall über die Lautsprecheranlage in Form eines ohrenbetäubenden Knalls. Immerhin erfaßte der Meßdiener rasch die Situation, und um zu verhindern, daß Hochwürden über das am Boden liegende Gestänge stolperte, kickte er es elegant auf die Seite, während sich der alte Priester vor Schreck gleich noch fester mit der linken Hand an ihn klammerte.

Durch das Wegstoßen des Mikrophons kam es zu einem Art Trommelwirbel, angstvoll rief der alte Mann, ob denn die Kirche einstürzte. Doch der Ministrant beruhigte ihn mit der Nachricht, daß nur das Mikrophon umgefallen sei. Der Organist setzte sein Vorspiel fort, der Priester ließ sich zu dem breiten Sessel führen, der seitlich des Altars aufgestellt war, und ließ sich mit einem Seufzer darauf niederplumpsen.

‚Was haben die denn da für einen Opa ausgegraben’, dachte sich Gangolf, dann bemerkte er, daß der gute Mann anscheinend schwer sehbehindert war, denn er ließ der Lektorin nicht nur die Epistel lesen, sondern sogar das Evangelium, ein Privileg, das bei Anwesenheit eines Priesters nur dieser inne hatte. Zuvor hatte die Lektorin auch das Tagesgebet gesprochen, das sonst ebenso nur der Priester sprechen durfte.
Dann wurde es interessant: Was würde uns dieser Seh- und Gehbehinderte predigen? Der alte Mann unternahm keine Anstalten, sich zu erheben, sondern gab dem Meßdiener ein Zeichen, den Mikrophongalgen, den er beim Einzug umgeworfen hatte, vor ihm aufzustellen. Der Priester drückte den >Schwanenhals< so weit es möglich war nach unten und begann im Sitzen mit der Predigt.
Er verwendete dabei keine Aufzeichnungen, sondern sprach vollkommen frei. Gangolf war von seiner klaren hellen Stimme überrascht, er sprach langsam, dadurch war seine Ansprache gut verständlich.

- „Liebe Christen, wahrscheinlich sind Sie enttäuscht, heute anstelle eines jugendlichen Predigers einen alten Mann zu hören. Immerhin birgt das Alter auch Vorteile: Man kann zurückschauen auf gute Zeiten, auf schlechte Zeiten, und schlechte Zeiten hatte ich vor allem in meiner Kindheit, als ich fünfjährig das Kriegsende in Berlin erlebte. Als ich neulich im Fernsehen die Bilder sah, wie in Venedig ein Palast eingestürzt ist, wurde ich unwillkürlich an die Szenen in Berlin erinnert, 1945, als reihenweise die Häuser durch die Bomben zum Einsturz gebracht wurden, und wo wir als Kinder dann über die Schuttberge gestiegen sind, um aus ihnen etwas Brauchbares herauszuzerren. Dabei waren uns die Größeren natürlich immer überlegen und ich war schon mächtig stolz, meiner Mutter ein paar Holztrümmer zum Heizen gebracht zu haben.
Aber darauf will ich gar nicht näher eingehen, viel interessanter, ja viel wichtiger erscheint mir die Verinnerlichung des Textes, den wir soeben in der Lesung im Korinther-Brief gehört haben, das Hohe Lied der Liebe. Erinnern Sie sich noch, wie das begann:

>Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen reden würde und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz.<

Nun ja, mit Engelszungen würde ich wohl nie reden, ich krächze höchstens mit meiner menschlichen angegriffenen Kehle herum, aber, und jetzt kommt das Entscheidende: Wenn ich dabei die Liebe nicht hätte, dann wäre das Reden vergebens, >wie tönendes Erz<, also vielleicht wie eine Glocke, aber die Glocke kann nur ihren einen Ton erzeugen, nicht im Klingen die Liebe übertragen, welche die Herzen der Zuhörer bewegt. Paulus bringt in weiteren Versen, wie wichtig bei allem menschlichen Tun und Handeln es ist, daß die Liebe dabei mitwirkt, ohne ihr Mitwirken bleibt alles nichtig, ich würde einmal sagen, es bleibt alles oberflächlich.“

In diesem Sinne sprach der alte Mann noch eine Weile weiter, bis er sich entschieden an die Gemeinde wandte:
„Und nun möchte ich mit Ihnen ein Experiment wagen, eine Bitte an Sie aussprechen für etwas, worum ich bislang noch nie gebeten habe, aber vielleicht ist es wirklich so, daß man für gewisse Dinge des Lebens alt werden muß, um weise zu werden, und deshalb fordere ich Sie nun auf, so wie Sie hier sind, sich gegenseitig diese Liebe zu zeigen. Stehen Sie auf, begegnen Sie ihren Banknachbarn, umarmen Sie ihn, vielleicht wagen ganz Mutige gar, sich zu küssen.
Ich kann das ja aus der Ferne nicht mehr erkennen, mein Augenlicht hat zu stark nachgelassen, als daß ich ihre Liebesbezeugungen sehen könnte, aber ich möchte Sie doch ganz herzlich bitten, erfüllen Sie mir diesen einen Wunsch!“

Die Gottesdienstbesucher sahen sich verwundert an: ‚Was will der Alte da, daß wir aufeinander zugehen und uns umarmen, gar küssen?’
Nach einer Weile überwanden sich die ersten Besucher, die als Paar gekommen sind und ohnehin nebeneinander saßen, sich einander zuzuwenden, sich zu umarmen und auch zu küssen. Angeregt durch dieses Tun standen darnach auch Einzelne auf, gingen zu ihrem Banknachbarn, zu ihrer Nachbarin, oder sie drehten sich um zu den hinter ihnen Sitzenden, umarmten sie als Zeichen der Liebeserweisung.

‚Warum eigentlich nicht,’ setzte sich die Meinung mehr und mehr durch, ‚warum immer nur zum Friedensgruß sich die Hand reichen; der alte Priester wandte sich nach links um und umarmte den neben ihn sitzenden Ministranten, dann kam die Lektorin die zwei Stufen zum Altarraum hinauf, setzte sich auf den leeren Stuhl neben den Priester, umarmte ihn gleichfalls – und gab ihm einen ganz tiefen, langanhaltenden Kuß.

Tief bewegt kamen dem alten Mann die Tränen, die Gottesdienstbesucher sahen dabei gerührt zu. Nach einer Weile erhob der Priester wieder seine Stimme:
- „Ich danke Ihnen allen, mir diesen Herzenswunsch erfüllt zu haben, ich konnte Sie nicht sehen, wie Sie im Einzelnen diese Liebesbezeugung durchgeführt haben, aber ich habe es gespürt, hier ist die Liebe des Heiligen Geistes unter uns wirksam. Mir ist schon klar, daß es im Urtext der Heiligen Schriften vielerlei differenziertere Ausdrucksweisen dafür gibt, was wir im Deutschen einfach mit Liebe bezeichnen, natürlich spricht Paulus in diesem Zusammenhang nicht von der erotischen Liebe, davon könnte ich ja auch gar nichts sagen, denn die sexuelle Liebe ist uns Priestern ja versagt. Und da brauchen sich die Kirchenoberen nicht wundern, daß es kaum mehr junge Priester gibt. Wissen Sie, zu meiner Zeit war das vermutlich noch eine andere Sache, mit heute nicht mehr vergleichbar:

Wir waren als Schüler froh, in das bischöfliche Internat zu kommen, denn die Eltern hätten ja nie die Kosten für ein weltliches Internat aufbringen können, damals, nach dem Krieg, mein Gott, und dann war der Weg im Grunde fast automatisch geebnet, viele andere aus der Klasse kamen anschließend mit mir in das Priesterseminar. Auf diese Weise war uns der Militärdienst erspart geblieben, denn wir wären damals als junge Männer gleich mit die ersten Jahrgänge gewesen, die wieder hätten den Krieg üben müssen.

Mein Gott, kaum die totale Niederlage verschmerzt, ging das schon wieder los mit dem Militarismus. Ja, ach so, ich muß aufpassen, mich nicht zu verzetteln, was ich sagen wollte, da im Priesterseminar, da waren wir junge Männer im Grunde vollkommen abgeschirmt vom Leben draußen in der Stadt. Freilich durften wir die Eltern besuchen, aber die üblichen Lustbarkeiten, da war wenig los, wir hatten ja schon praktisch gar kein Geld dafür.
Und auf diese Weise blieb uns als angehende Priester die Sache mit der Liebe fremd, mit der Liebe zu den jungen Frauen, das haben wir damals wohl irgendwie gepackt, ohne deshalb schwul geworden zu sein, es war halt einfach so, ohne das groß zu hinterfragen und zu thematisieren. Doch bleiben wir bei Paulus: Die Liebe, die er der Gemeinde in Korinth anempfiehlt, ist die Liebe des Herzens, daß man alles menschliche Tun und Reden im Geiste des Wohlwollens verrichtet, nicht des Müssens, weil man zum Beispiel Arzt ist und deshalb einem Menschen hilft, weil man das aus beruflichen Gründen tun muß, sondern entscheidend ist, daß man es gern tut, weil man den Patienten liebt.

Das ist freilich ein schwere Anforderung, und man kann nicht immer alle Menschen lieben. Auch ich habe und hatte in meinem langen Leben meine Probleme damit. Und wenn ich mich dann besonnen habe, kam mir der letzte Vers in den Sinn:
>Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die Größte unter ihnen<.

Die Worte dieses alten Mannes machten Gangolf betroffen, er überlegte, daß dieser, wenn er fünfjährig das Kriegsende erlebt hatte, jetzt 90 Jahre alt sein muß, und dabei war er so wach im Geist, so klar in seiner Ausdrucksweise, wenn auch die Worte langsam über seine Lippen kamen. Vielleicht war es aber gerade diese Langsamheit, überlegte Gangolf weiter, welche die Worte so eindringlich in das Bewußtsein des Zuhörers eindringen ließ.
Wie oft hatte Gangolf das gegenteilige Gefühl empfangen, daß der Prediger, so gut auch der Inhalt war, mit monotoner und hastiger Redeweise das Gehör und damit die Aufnahmefähigkeit bereits nach kurzer Zeit überforderte.

Und dann war Gangolf natürlich noch ganz gerührt, daß sich die junge Frau mit den langen blonden Haaren, die sie über die Banklehne nach hinten fallen ließ, zu ihm umdrehte und ihn küßte.

Es sollte an diesem Tag nicht die einzige Frau sein, die ihm einen Kuß gab...


30. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 13.08.21 22:18

Und schon wieder ist es Freitag-Abend, Zeit für die nächste Episode!

14

Als Gangolf an diesem Sonntag von der Kirche mit seinem Golf nach Hause fuhr, verursachte er, im Gedanken versunken, beinahe einen Verkehrsunfall. Nachdem er in den letzten Tagen nur noch mit dem Motorrad unterwegs gewesen war, kamen ihm die Fahrstreifen beim Autofahren sehr eng vor, so daß er in einer Rechtskurve etwas über die Mittellinie hinaus geriet. Glücklicherweise reagierte der entgegenkommende Fahrer mit einer Notbremsung und einem langanhaltendem Dauerhupton.
Gangolf riß ruckartig am Lenkrad nach rechts, prompt kam das Auto in’s Schlingern, und er hatte alle Mühe, einen Zusammenstoß zu verhindern; der Entgegenkommende quittierte das Ende des Strafhupens mit dem Vogel-Zeichen auf die Stirn, anschließend gab er kopfschüttelnd Gas und brauste davon, während Gangolf mit leicht pochendem Herzen und Schweißperlen mit deutlich reduzierter Geschwindigkeit seinen Weg fortsetzte.
Zuhause angekommen nahm sich Gangolf erst einmal etwas zu trinken und setzte sich, immer noch leicht benommen unter dem Eindruck des gerade noch entgangenem Unfalls. Nicht im geringsten hätte er sich gedacht, daß er nur eine Stunde später erneut knapp einem Unfall entkommen würde, der noch wesentlich verheerendere Folgen für ihn und für eine andere gehabt hätte.
Eigentlich ist Gangolf die Lust an dem Treffen mit der mysteriösen Martina Weiß ziemlich vergangen, doch es war sein Grundsatz, einen einmal zugesagten Termin nicht ohne wirklich sehr triftigen Gründen abzusagen. Schon während der Messe überlegte er sich, ob er nicht nach dem Ende des Gottesdienstes der jungen Frau mit den langen blonden Haaren folgen sollte, die ihm so überraschenderweise einen Kuß verpaßte, als der alte Priester während seiner komischen Liebes-Predigt aufgefordert hatte, den Banknachbarn eine Liebesbezeugung zu erweisen.

Gedankenverloren blickte Gangolf auf die Uhr und stellte erschrocken fest, daß er sich jetzt aber beeilen müsse, um rechtzeitig um elf Uhr in der Eisdiele von Grausneg zu sein. Er holte seine Lederkombi aus dem Schrank, zog sich die Hose über die Beine und zwängte sich in die Jacke. Diese war zwar längst nicht so eng wie das Neopren-Oberteil, das er meistens zum Kajakfahren anzog, doch ihr speziell für das Sitzen auf dem Motorrad ausgelegte Schnitt nötigte den Träger, die Arme leicht nach vorne gedreht zu halten.
Mit dem Taillen-Reißverschluß verband Gangolf die Jacke mit der Hose und betrachtete sich vor dem Spiegel im Flur. Die Kniehöhlen waren stark ausgebeult, im Stehen rutschten sie mitsamt den eingearbeiteten Protektoren über die Knie hinunter auf das Schienbein, erst beim Sitzen saßen die Protektoren dann einigermaßen richtig auf den Knien. Überhaupt hatte Gangolf das Gefühl, daß das Leder an vielen Stellen ausgedehnt an seinem schlanken Körper herumhang, beim Sitzen auf dem Motorrad fiel das nicht so auf.
Sehr ärgerlich empfand Gangolf auch die besonders an der Vorderseite der Jacke ausgeblichene Farbe. Ursprünglich waren hier dunkelblaue Streifen im gleichen Farbton des Motorrads, Fahrer und Maschine bildeten eine Einheit: Neben der farblich abgestimmten Lederkombi ergänzten die schwarz-weiß-blau gefärbten Handschuhe, die schwarz-blauen Stiefel und der blau-weiße Helm die Zughörigkeit des Fahrers zu der blau-weiß lackierten Yamaha R1.
Gangolf besah sich nochmals im Spiegel und schüttelte den Kopf: Nein, so wollte er sich nicht der Dame präsentieren, mit dieser verwaschenen, abgelederten Kluft. Zudem waren sie heute nicht verabredet, um eine Motorradtour zu starten, sondern um die Lösung eines seltsamen technischen Problems zu besprechen. Er schälte sich wieder aus dem Leder, warf es in eine Ecke und zog sich eine neue Jeans an, dazu ein Kapuzen-Shirt.
Als Gangolf sich mit seiner Yamaha auf der Bundesstraße befand und entsprechend schneller fahren konnte, bemerkte er, daß es recht frisch war an diesem Vormittag des fünften April. Die Klimaerwärmung ist noch nicht so weit fortgeschritten, daß bereits sommerliche Temperaturen herrschten, und er überlegte nochmals umzukehren, um statt des einfachen Kapuzen-Shirts die Lederjacke anzuziehen. Andererseits war er schon spät daran, es war fünf vor elf und es lagen noch fast zehn Kilometer zu fahren vor ihm.

Gangolf drosselte die Geschwindigkeit, damit es ihm nicht zu kühl wurde, ihn freute das Gefühl der wiedererlangten Freiheit, besonders bezüglich des großen Freiraums, den er im Gegensatz zum Autofahren rechts bis zum Fahrbandrand und links bis zum Mittelstreifen ausnutzen konnte. Als er auf die Hauptstraße von Grausneg kam, sah er schon von Weitem den Lada auf der anderen Straßenseite stehen. Vor der Eisdiele legte er in Angeber-Manier ein scharfes Bremsmanöver hin, er genoß die Vorstellung, wie die Gäste ihre Blicke auf ihn richteten. Er hätte nicht gedacht, daß dieses Bremsmanöver eine gute Vorübung werden sollte für den Ernstfall...

Entgegen seiner Gewohnheit, den Helm an dem Motorrad festzumachen, nahm Gangolf ihn diesmal mit. Lässigen Schrittes betrat er den Platz mit den Tischchen vor der Eisdiele, an denen sich bereits etliche Gäste niedergelassen hatten. Sofort erkannte er Martina, wie sie allein an einem der Tischchen saß, sie winkte ihm heftig zu, denn sie war sich nicht sicher, ob Gangolf sie wiedererkannt hat, nachdem sie neulich, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, schnellen Schrittes an ihm im Vorgarten des Lüggener Pfarrhauses vorbeiwetzte.

- „Martina Weiß“, stellte sie sich vor und wollte bereits aufstehen, um Gangolf zu begrüßen. Doch der entgegnete schnell:
- „Gangolf Stumpf, bleiben Sie sitzen!“
Sitzend gaben sie sich die Hände und setzten dazu ein Lächeln auf. Keiner von beiden wußte, wie sie die Konversation beginnen sollten, doch Giuseppe, der stets aufmerksame Eiskellner, rettete die Situation, indem er zu ihnen kam:
- „Ah, da habt ihr euch heute also doch gefunden, letztes Mal warst du einfach zu spät, also was wollt ihr haben?“
Martina blickte ihn etwas irritiert an, bestellte einen Früchteeisbecher mit einem Espresso, während Gangolf einen Schokoeisbecher mit Cappuccino orderte. Als Giuseppe gegangen war, um die Bestellung auf den Weg zu bringen, blickte Martina Gangolf mit großen Augen an und fragte:
- „Sag’ mal, bist du der M a g n u s ?“
Das Eis schien gebrochen zu sein, Gangolf gab zu, diesen Namen zu bevorzugen und sich mit ihm auszugeben, da er seinen richtigen nicht so mochte. Das Heimlichtun-Spiel war damit beendet, ehe es richtig begann. Gangolf vermeinte, ein leichtes Schuldgefühl in Martinas Stimme zu verspüren, als diese anhub:
- „Also neulich war ich etwas im Streß, ich konnte nicht länger hier warten, eigentlich hat mir der Termin gar nicht gepaßt, entschuldige bitte, ich hätte dir das sagen sollen.“

‚Ja, das hättest du’, dachte sich Gangolf, ‚doch ich glaube nicht, daß du wirklich fort mußtest, es war eher deine Arroganz und Dominanz, du wolltest absolut deine Terminvorstellung durchsetzen; wie hieß es in der knappen E-Mail-Nachricht: Sonntag 10 Uhr und sei pünktlich, sonst kommst du von Liste.’
Offenbar wurde er tatsächlich von der Liste gestrichen, dachte sich Gangolf weiter, anscheinend führte sie eine Liste, auf der sie gnädig alle in Frage kommenden Motorradfahrer notierte und bei Nichtgefallen wieder strich. Doch er sagte nichts, er ließ sich nichts anmerken, daß er ihr diesen plumpen Entschuldigungsgrund nicht abnahm. Vielmehr wiegelte er ab:
- „Egal jetzt, schön, daß wir uns heute getroffen haben!“
- „Kommst du wieder von der Kirche?“ fragte Martina.

‚Woher wußte sie, daß er damals von der Kirche kam’, überlegte er sich, ‚aha, da hat die Frau Pfarrer ihr das gesteckt, daß ich an dem besagten Sonntag dort die Orgel gespielt hatte.’
- „Ähm, ja, ich war wieder in der Kirche, ich geh’ eigentlich fast jeden Sonntag irgendwo in die Kirche“, gab Gangolf zur Antwort.
- „Aber du kamst aus der anderen Richtung.“
- „Richtig, ich war heut’ nicht hier in Grausneg, sondern in Lüggen.“
- „Ah, wieder bei der Pfarrerin Litte.“
- „Nein, diesmal in der katholischen Kirche.“
- „In der katholischen, spielst du dort auch?“
- „Nein, das nicht, würd’ ich aber auch gern einmal machen.“

Giuseppe kam mit einem kleinen Tablett heran und kredenzte die bestellten Eisbecher und die Kaffee auf das Tischchen.
- „Prego, buon appetito. Möchtet ihr noch Extra-Sahne dazu oder sonst was?”
Gangolf fühlte sich jedesmal leicht gekränkt, daß die italienischen Kellner zwar die Grußfloskeln auf italienisch zum Besten gaben und auch das >prego< und >grazie< den deutschen Gästen zu verstehen abverlangten, ansonsten wieder auf deutsch weiterredeten. Entsprechend gab er höhnisch zurück:
- „Krazie“.
Eigentlich mochte er Giuseppe gern und sie sprachen auch hie und da ein paar Worte auf italienisch, aber so ganz konnte sich Giuseppe nicht vorstellen, daß ein biederer Elektriker aus Brandenburg einigermaßen fließend italienisch sprach. Das Thema Orgelspielen war jedenfalls erst einmal beendet. Beide stachen jetzt ihre Eisberge an und schlürften den Kaffee.
Wieder trat diese peinliche Stille ein, bis Martina das Wort ergriff:
- „Was hat dir denn die Pfarrerin alles über mich erzählt?“
- „Das gleiche wollte ich gerade dich fragen“, entgegnete Gangolf, und beide schenkten sich wieder ein verlegenes Lächeln. Gangolf fuhr fort:
- „Sie erzählte was von einem Problem, das deine Freundin, wie hieß sie gleich noch, Martha, glaub’ ich, hat sie gesagt, hat, irgendwas furchtbar Geheinmisvolles, es geht um etwas Vertrauliches und ich soll erst mir dir reden.“
- „Ja, so ist es, sie heißt Magda, also wir nennen sie so, und ich meine, es ist das beste, wenn du sie mit ihrem Problem kennenlernen wirst, ich versprech’ dir, das ist ein ganz liebes Mädel, sehr schüchtern erst einmal, aber wirklich lieb!“

‚Das hilft mir jetzt auch nicht weiter’, dachte sich Gangolf, und ohne das Thema weiter zu behandeln, kamen sie auf das Motorradfahren zu sprechen. Jetzt erst entwickelte sich ein lockeres, aber gleichzeitig doch interessiertes Zuhören und Erzählen. Martina berichtete von einem früheren Freund, den sie zwar in die Wüste geschickt hatte, nun aber doch das Motorradfahren mit ihm vermisse, und daß sie seine rasante Fahrweise genoß, sich ihm dabei voll auslieferte, während sie sonst in der Beziehung durchaus die Oberhand hatte.
So etwas ähnliches hatte sich Gangolf damals gedacht, als er die Anzeige in der >Zweirad<-Zeitschrift gelesen hatte, >wilder Feger<. Daß sie dazu die >Oberhand< in der Beziehung ausübte, auch das konnte sich Gangolf gut vorstellen.

Die Eisberge schmolzen dahin, der Kaffee war ausgetrunken, als Martina anregte:
- „Jetzt lass’ uns doch noch eine Runde fahren, ich möchte endlich wieder einmal auf einer Maschine sitzen, und du hast auch so eine richtige Rennmaschine!
- „Ja – jetzt hab’ ich aber keinen zweiten Helm dabei,“ entgegnete Gangolf, und überhaupt war das eigentlich für heute gar nicht das Thema, sondern doch nur diese seltsame Magda mit ihrem noch seltsameren Problem.
- „Ich hab’ meinen im Auto liegen,“ antwortete Martina, und nachdem Gangolf die Rechnung bezahlte, >tutto insieme<, was Martina offensichtlich geradezu selbstverständlich betrachtete, machte sich diese auf dem Weg zum Lada, um ihren Helm zu holen.

Irgendwie war es Gangolf nicht wohl bei dem Gedanken, ohne die Sicherheit suggerierende Lederkombi durch die Gegend zu brettern, doch Martina, die wilde Fegerin, hat ihn dazu eigens nochmals angestachelt, sie bräuchte das Gefühl der totalen Hingabe, der Schwerelosigkeit hoffnungslos ausgeliefert zu sein, wie sie es nannte. Sie war im motorradmäßigen Sinn auch nicht besser gekleidet: Jeans, dünnes kurzes Lederjäckchen mit allerhand Nieten gespickt, immerhin einigermaßen taugliche feste Stiefel, ebenfalls mit den neckischen Nieten, und in gleicher Weise dünne Lederhandschuhe.

Wenn Gangolf eine neue Braut hintenauf geladen hatte, bemerkte er gewöhnlich nach wenigen Metern, wie es mit der Sozia bestellt war, ob sie sich ängstlich an ihn klammerte, ob sie einigermaßen locker blieb, oder ob sie, wie in diesem Fall heute wie selbstverständlich sich dem Fahrtrythmus unterwarf und damit dem Fahrer vergessen ließ, daß überhaupt jemand hinter ihm sitzend mitfuhr.

Die Sonne hat die Luft angenehm erwärmt, es war weder schwül noch windig, der Verkehr hielt sich in Grenzen; zwar waren die Sonntagsausflügler aus Berlin deutlich zu erkennen, doch kamen die Hauptstädtler entgegen, die Fahrspur Richtung Westen und Norden war dagegen ziemlich frei. Martinas Lust übertrug sich in unerklärlicherweise auf Gangolfs Glücksempfindung, so daß er hemmungslos Gas gab, auf die Kurven zuraste, im letzten Augenblick abbremste und in schwindelerregender Schräglage abwinkelte.
Martina ging dabei spielerisch mit, sie griff mit ihren Händen durch Gangolfs Arme und stützte sich beim Bremsen auf dem Tank ab, gleich darauf mußte sie geistesgegenwärtig die Hände nach innen abwinkeln, um sich bei dem folgenden Beschleunigungsvorgang an Gangolfs Bauch festzuhalten, sonst hätte sie gnadenlos ihren Sitzplatz nach hinten verlassen und Gangolf wäre allein weitergefahren.

In einem Dorf ist es dann eingetreten, was eintreten mußte. Ein großer Lieferwagen stand am Straßenrand abgestellt, Gangolf bog auf die linke Fahrbahnhälfte, um an ihm vorbeizufahren. In diesem Moment kam ein Bauer mit seinem Traktor aus der Hofeinfahrt heraus, er blickte wohl nach rechts und überzeugte sich, daß von dort keiner kam. Links konnte er wegen des Lieferwagens nicht in die Straße einsehen, zudem kam er nicht auf die Idee, daß von links jemand kommen könnte, da ja das Lieferauto da im Weg stand.
Gangolf packte den Bremshebel und drückte ihn, daß dieser gefühlt fast an dem Lenkergriff anschlug, das Hinterrad hob ab, Martina knallte mit ihrem Helm an Gangolfs Helm, so schnell konnte sie gar nicht reagieren, daß sie sich hätte abstützen können, mit voller Wucht landete ihre Brust an Gangolfs Oberkörper, und nicht nur ihre Brust! Gangolf durchfuhr ein jäher Schmerz im Lendenbereich, als Martinas Vorderpartie einen tiefen Abdruck in seinem Rücken hinterließ.
Gleichzeitig durchströmte beiden ein gewaltiger Adrenalinschub, so daß Gangolf diesen seltsamen Schmerz zunächst gar nicht richtig wahrgenommen hatte. Erst als sie wenige Zentimeter vor dem riesigen Hinterrad des Traktors zu stehen kamen, tat es ihm wirklich weh und er mußte unbewußt gleich mit rechten Hand nach hinten an die Stelle der Lendenwirbel greifen, als ob er damit hätte fühlen können, ob ihm dort jemand ein Messer in den Rücken gerammt hätte.

Gangolf legte schon viele Notbremsungen hin, doch so heftig noch keine; meistens war er ja alleine unterwegs, und dadurch war der zu vernichtende Bewegungsimpuls wesentlich niedriger, auch die Schwerpunktsverhältnisse waren beim Alleinefahren günstiger, denn der Soziusplatz war um einige Zentimeter erhöht, damit der oder, wie es meistens der Fall war, die Mitfahrende über die Schulter des Fahrers schauen konnte.

Vollgepumpt vom Adrenalin setzten die beiden ihren Weg fort, am Ortsausgang befand sich neben der Straße eine kleine befahrbare Fläche, die Gangolf ansteuerte, um dort anzuhalten. Martina stütze sich gekonnt auf Gangolfs Schultern ab, hob den linken Fuß von der hoch angebrachten Fußraste und streckte das Bein durch, streckte gleichzeitig das rechte Bein durch, so daß sie auf der linken Seite von ihrem Sitz hinunterrutschte; als sie mit dem linken Fuß auf den Boden aufkam, spreizte sie die Beine und zog mit einer eleganten Drehung das rechte Bein nach hinten über das Heck.

Während Gangolf anschließend mit immer noch stark pochendem Herzen gleichfalls abstieg, entledigte sich Martina ihres Helms, ließ ihn zu Boden sinken und schmiegte sich an Gangolfs Vorderfront, umarmte ihn, und ehe er begriff, wie ihm geschah, stellte sie sich auf die Zehenspitzen, umgriff jetzt seinen Helm, drückte diesen etwas zu sich hinab und plazierte auf dem geschlossenen Visier einen dicken Kuß!

Gangolf starrte durch das zwischen den beiden befindliche Plastikteil auf große Augen in Martinas Gesicht, ganz nahe, ihre Lippen bildeten ein wunderschönes rotes Oval. Es war eine skurrile Situation, vollkommen unwirklich, er konnte ihren Kuß nicht erwidern, die Scheibe begann anzulaufen, ihr Antlitz verschwamm.

Endlich ließ Martina von Gangolf ab, so daß er sich gleichfalls von dem Helm befreien konnte; kurz darauf fanden sich beide im Gras liegend wieder, jetzt bekam auch er die Gelegenheit, seine neue Bekanntschaft ausgiebig zu umarmen und zu küssen. Kurz schweiften seine Gedanken an die liebe Blonde von heute Morgen in der Kirche, er wollte ihren Kuß als ehrenvolle Anerkennung bezeichnen, Martinas Kuß hingegen war die reinste Hingabe, die hemmungslose Leidenschaft schon lange nicht mehr ausgelebter Triebe.
Dabei kam ihm Tersteegen in den Sinn, wie Paul Gerhard war Gerhard Tersteegen ein Kirchenlieddichter, er schrieb den Text zu der bekannten Hymne:
>Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart, ich geb’ mich hin dem freien Triebe, wodurch auch ich geliebet ward...<
‚Eigentlich schon großartig und weitherzig’, dachte sich Gangolf, ‚wie die Alten von der Liebe sprachen und sangen, und wie prüde war die kirchliche Praxis noch bis weit in seine Jugendzeit hinein, zum Teil sogar noch heute. Der alte Priester heute Morgen stellte da eine wohltuende Ausnahme dar’.

Tersteegen dichtete diesen Text bereits vor 280 Jahren; wie doch die Wortwahl des >freien Triebes< heute einen negativen Touch erhalten hatte! Als der größte Liebessturm vorbei war, raffte sich Gangolf in die Sitzposition auf. Mühsam gelang es ihm, ein paar Worte zu formulieren:
- „So knapp war es noch nie, entschuldige bitte, so eine Vollbremsung hab’ ich noch nie hingelegt, daß gleich das Hinterrad abgehoben ist.“
Martina saß und kniete gleichzeitig im Gras, die Knie zwischen Gangolfs leicht gespreizten Oberschenkeln, die Zehen leicht nach vorne gedrückt auf den Fersen sitzend. Sie wollte seine Entschuldigung nicht hören, im Gegenteil, sie empfand die Notbremsung mit Aufprall auf Gangolfs Rücken als den ultimativen Kick, den Höhepunkt der Lustgefühle, den sie in dieser Weise noch nie erlebte; sie hatte sich schon an unvorstellbar bizarren Handlungen berauscht, doch mit der unmittelbar bevorstehenden Lebensgefahr wurde sie bislang in ihrem jungen Leben noch nie konfrontiert.

Als Martinas Helm an jenen von Gangolf aufschlagen und ihr Oberkörper gleich darauf eine Handbreit nach oben gedrückt worden war, erfüllte sie der Anblick des riesig-hohen Traktorreifens mit seinen tiefen furchteinflößenden Profilrillen mit einer unbeschreiblichen Lust, es schüttelte sie geradezu im Unterleib, während sich Gangolf, als sie zu Stehen kamen, den Kopf zerbrach, was sich da in seinem Lendenbereich leicht schmerzhaft hineingebohrt hatte.
Martina hielt Gangolf den Mund zu, er genoß den Duft des Lederhandschuhs unter seiner Nase. Sie hauchte:
- „Das war das Geilste, was ich je erlebt habe.“

‚Die ist schon irr’, dachte sich Gangolf, ‚knapp dem Tod entronnen oder zumindest einer schweren Verletzung, und da spricht sie vom geilsten Erlebnis, das sie je erlebt hatte; ist die denn komplett wahnsinnig?’
Als Martina ihre Hand von Gangolfs Mund wegzog, neigte sich sein Blick nach unten, und er erblickte eine seltsame Wölbung in ihrem Unterleib, die er bislang nicht wahrgenommen hatte. Diese Wölbung kam anscheinend nur in dieser besonderen halb sitzenden, halb knienden Körperhaltung zum Vorschein, es sah sehr merkwürdig aus, als ob sie einen erigierten Penis hätte, den sie nur mit Mühe unter der engen Jeans verbergen konnte.
Gangolf wollte sie nicht danach fragen, doch er beschloß, vor der Abfahrt, wenn sie wieder aufgesessen war, mit einer Hand nach hinten zu greifen und zu fühlen, was sich da gar so Hartes in Martinas Taillenbereich versteckte. Martina unterbrach seine diesbezüglichen Gedankengänge mit einer ganz und gar unerotischen Frage:

- „Ich hab’ jetzt Hunger, du auch?“
Bevor Gangolf zu einer Antwort ansetzen konnte, nahm Martina diese schon vorweg:
- „Wir fahren jetzt zur Magda, die soll uns ein gutes Mittagessen kochen!“
Und bevor Gangolf irgend etwas entgegnen konnte, zog Martina ihr iPad heraus und rief Magda an:
„Hey, ich bin’s, mach’ eine Portion mehr, ich bring noch jemand mit!“
Gangolf konnte nicht verstehen, was Magda geantwortet hatte, Martina fuhr indes fort:
- „Und zieh’ deine kurzen Pantis an!“
Anscheinend zeigte sich Magda von diesem Vorschlag, oder sagen wir besser, von diesem Befehl, nicht begeistert; Martina rief jetzt gereizt in das flache Telephongerät:
- „Das soll er ja sehen, der Typ ist in Ordnung, der kann dich davon erlösen!“

Gangolf wurde die Sache immer rätselhafter, was sollte er da sehen und wovon sollte er sie erlösen, was hatte das mit einer kurzen Hose zu tun? Hatte sie eine Beinverletzung, die er auf diese Weise leicht betrachten könnte, doch da wäre ein Sanitäter, ein Arzt der richtige Fachmann. Kurz war Gangolf geneigt, auf kürzestem Weg nach Grausneg zurückzufahren, um Martina an ihrem Lada abzusetzen und die Sache als einmaligen Tagesausflug zu betrachten, doch sie durchkreuzte erneut seine Überlegungen und sprach zu ihm in ihrem Befehlston weiter:
- „Also wir fahren jetzt zu ihr nach Lüggen, auf dem kürzesten Weg, ich sag’ dir dann, wohin wir dort müssen!“

Als beide auf dem Motorrad wieder ihre Sitzpositionen eingenommen hatten, und Martina als Sozia ihre Stiefelchen artig auf den sehr hoch angebrachten Fußrasten oberhalb des Auspufftopfs plaziert hatte, wodurch sie genötigt war, ihre Knie stark anzuwinkeln, griff Gangolf, noch bevor er seine Handschuhe sich überstülpte, mit der linken Hand hinter seinen Rücken, um Martinas Unterleib zu ertasten.
Martina wollte schon empört aufschreien, doch besann sie sich im letzten Moment und ließ ihn gewähren; er würde es ohnehin früher oder später erfahren. Gangolf ertastete durch den Jeansstoff genau in der Mitte über ihrem Schritt ein erstaunlich hartes Teil, das ihm den Schmerz bei dem durch die Notbremsung ausgelösten Aufprall bereitete; ratlos zog er seine Hand wieder ab, fragte nicht danach, sondern legte sich seine Handschuhe an und startete den Motor.

In der Nordost-Ecke der Lüggener Altstadt wurden in den letzten Jahren leerstehende Lagerhäuser zu einfachen Wohnungen umgebaut. Martina lotste Gangolf in den tristen Hof mit sich in die Länge hinziehenden grauen Fassaden. Es war nicht ausgesprochen schön, hier zu leben, aber die neu eingerichteten Wohnungen waren zweckmäßig ausgestattet und einigermaßen preiswert. An der Haustür befand sich ein einfaches Messingschild mit zwei Klingelknöpfen. Martina drückte auf den oberen, Gangolf konnte daneben einen mit A beginnenden Namen entziffern, als zu seinem Verwundern Martina einen Schlüsselbund aus einer Innentasche ihrer Lederjacke hervorholte und die Haustür damit öffnete.

‚Es sind also jedenfalls recht eng befreundete Mädels’, dachte sich Gangolf, als er ihr die Stiege in das Obergeschoß hinauf folgte. Sie machte keine Anstalten, ihm den Vortritt zu lassen; die Alte Schule des Benehmens ist diesbezüglich längst vergessen und selbst im gehobenen Bürgertum nicht mehr bekannt. Als sie oben angekommen waren, ging die Wohnungstür auf und eine zarte Frau mit Schürze stand lächelnd im Türrahmen. Martina umarmte sie, Gangolf konnte hinter ihnen stehend nicht erkennen, ob sie sich auch ein Küßchen gaben.
Anschließend trat die mädchenhafte Person, Gangolf nahm an, daß es sich wohl um die geheimnisvolle Magda handeln müsse, zur Seite, um die beiden Neuankömmlinge hereinzulassen. Martina ging stracks zum Tisch, auf welchem bereits aufgedeckt worden war, und winkte Gangolf herein:

- „Komm’, setz’ dich, Magda hat ihr Wort gehalten und gekocht!“
Der Essensduft strömte Gangolf entgegen, jetzt verspürte auch er ein gewisses Hungergefühl, und er freute sich darauf, ein frisch gekochtes Mittagessen zu bekommen. Überrascht gewahrte er, daß bereits eine Frau mit dem Rücken zur Tür an dem Tisch saß, als sich Martina näherte, stand sie auf und die beiden umarmten sich. Erst jetzt erkannte er die Frau wieder, überrascht stellte er fest, daß es die Pfarrerin Bettina war.

- „Ihr kennt euch ja schon“, rief Martina frivol in den Raum, und Bettina wandte sich an Gangolf, um ihm die Hand zu reichen. Ihm fiel auf, daß die Gastgeberin, diese Magda, bei der Begrüßung ganz außen vor blieb, niemand hielt es für nötig, ihr ihn vorzustellen. Sie schickte sich bereits an, wieder in die Küche zu entschwinden, als Gangolf sie gerade noch mit einem kurzen >Hallo< -Ruf erreichen konnte, ihr die Hand anbot, die sie dann mit einem verlegenen Lächeln nahm.
Auch hier war die Alte Schule längst dahin, daß die Frau dem Mann die Hand reiche, erst recht die Gastgeberin dem Gast.
- „Gangolf Stumpf“, stellte er sich vor, manche sagen auch Magnus zu mir.
- „Magda“, lächelte sie ihn schüchtern an und verschwand in die Küche. Martina hat während dessen sich neben Bettina niedergelassen, sie fanden anscheinend sofort einen Gesprächsstoff. Gangolf folgte Magda in die Küche und fragte sie, ob er ihr in irgend einer Weise behilflich sein konnte. Magda verneinte, nicht anders hatte es er erwartet, es hat den Anschein, daß Magda hier, wie ihr Name es suggeriert, die Magd da war.
Magda meinte lediglich, daß sich Gangolf ein Getränk aus dem Kühlschrank aussuchen solle, oder ob er lieber etwas Warmes hätte, Tee oder Kaffee.

‚Mein Gott, wie ist die rührend-besorgt, viel zu lieb für die Welt’, dachte sich Gangolf, als er sich ein Bier nahm. Schon sprang Magda zu ihm mit einem Flaschenöffner und einem Bierglas. Während er sich das Bier eingoß, blickte er verstohlen in das Zimmer mit dem Eßtisch. Die beiden Damen waren in eine angeregte Plauderei vertieft, so daß Gangolf es vorzog, in der Küche stehen zu bleiben und der Magda zusah, wie sie geschickt mit den Küchenutensilien hantierte.
Für Gangolf ergab sich jetzt die beste Gelegenheit, Magda eingehend zu betrachten. Mit ihrem schmalen Gesicht glich sie in gewisser Weise der Bettina, ihre Wangenknochen waren aber nicht so hervorstechend wie bei dieser, ihre Haare wiesen eine undefinierbare Farbgebung zwischen blond und braun auf, sie hingen etwas ungleichmäßig geschnitten bis auf der Höhe des Kinns herab.
Unter Magdas Schürze gab sich ein T-Shirt zu erkennen, tatsächlich trug sie, wie ihr von Martina aufgetragen wurde, eine kurze Hose aus Jeansstoff mit ungleichmäßig ausgefransten Säumen. An den Füßen hatte Magda dicke Wollstrümpfe übergezogen, die fast bis zur halben Höhe der Schienbeine reichten. Gangolf betrachtete eingehend ihren schlanken Körper, er konnte keine Ungewöhnlichkeiten feststellen, einzig, daß ihm ihre Haut sehr hell vorkam.
Als Magda sich anschickte, einen der schweren Töpfe mit zwei Tüchern an den Henkeln anzufassen, um ihn auf den Tisch hinauszutragen, ließ sie diese Tätigkeit Gangolf ausführen, denn er kam sich schäbig vor, nur dazustehen und zuzusehen, wie die Magda die ganze Arbeit alleine vollbrachte. Gangolf bereitete das Kochen keine Freude, er kochte sich zwar ab und an selber etwas, aber über Nudeln oder Kartoffeln, zu welchem er eine Konservenbüchse entleerte, deren Inhalt er einfach im Mikrowellenherd erhitzte, kam er nie hinaus. Somit ehrte es ihn, wenigstens beim Servieren behilflich zu sein.


Hauptkommissar Brause hatte an diesem Sonntag Nachmittag Dienst. Nachdem er sämtliche auf der Dienststelle auffindbare Zeitungen und Zeitschriften durchgeblättert hatte, faßte er den Entschluß, der Marlies Armdran einen kurzen Überraschungsbesuch abzustatten. Er überlegte sich, daß Sonntag Nachmittag ein günstiger Zeitpunkt sei, die Frau zuhause anzutreffen, denn weder Einkäufe, noch Konzert- oder Kirchenbesuch war um diese Zeit angesagt. Freilich bestand immer die Möglichkeit, daß sie am Fluß entlang spazieren ging oder am Markt in einem der Cafés saß.

Brause gab einem Kollegen Bescheid über sein Vorhaben, ging in den Hof hinunter und nahm sich ein Polizeiauto. Auf seinem Weg in die Innenstadt führte ihn die Straße am Fluß entlang, er hielt nach Armdran Ausschau, bog dann über die alte Brücke in die Altstadt ein. Dort umrundete er den Marktplatz, doch auch dort konnte er sie nicht erblicken. Es wäre auch ein Zufall gewesen, indes war das ungeplante Zusammentreffen zweier Personen in einer Kleinstadt gar nicht so unwahrscheinlich wie in einer größeren Stadt.

Guter Dinge bog Brause in nördlicher Richtung in die Kirchgasse ab und erreichte nach wenigen Metern den nordöstlichen Teil der Altstadt. Auf dem langgestreckten Areal der vormaligen Lagerhallen fand er problemlos einen Parkplatz. Er blieb neben einem Lada-Niva stehen und wunderte sich, daß diese >Russenkarren< immer noch herumfuhren.
Es dauerte eine ganze Weile, bis er Schritte auf der Stiege vernahm, nachdem er geläutet hatte. Er wollte bereits ein zweites Mal den Klingelknopf drücken, doch fiel ihm noch rechtzeitig ein, daß es hier keinen elektrischen Türöffnermagneten gab, so daß Frau Armdran herunterkommen mußte, um einem Besucher zu öffnen.

Brause konnte seine Überraschung nicht verbergen, als er anstelle von Frau Armdran Martina erblickte, die ihm die Haustür öffnete.
- "Brause mein Name", begrüßte er sie, "wir haben uns auch schon gesehen, aber jetzt fällt mir ihr Name nicht mehr ein!"
- "Martina Weiß", erwiderte sie und trat zu Seite, damit er eintreten konnte, "Marlies ist oben in ihrer Wohnung!"
Brause war etwas enttäuscht darüber, daß er nicht allein mit Frau Armdran sein würde, seine Enttäuschung steigerte sich, als er weitere zwei Personen in dem kleinen Raum an dem Tisch sitzend versammelt sah.

- "Ah, Frau Pfarrer Litte, Sie sind auch da, freut mich", log er und setze sein charakterisierendes Grinsen auf, "und Sie kenn' ich auch irgendwo her, wir sind uns auch schon mal wo begegnet!"

'Begegnet ist gut gesagt', dachte sich Gangolf, 'der schnüffelte den ganzen Tag in meinem Hof herum in der Hoffnung, das bei dem Raubüberfall auf die Sparkasse erbeutete Geld zu finden.
- "Gangolf Stumpf", half er Brause auf die Sprünge.
- "Ja richtig, Sie haben doch den großen Hof da in Wesserbarg, ganz am Ende, fast schon am Röthener See gelegen."
Gangolf bestätigte das Gehörte mit einem leichten Nicken, sagte aber nichts dazu, denn er wollte ein Gespräch mit Brause vermeiden. In dem Moment kam Magda aus der Küche, sie errötete, als ihr Blick den Wachtmeister traf.
- "Wie geht's Ihnen, Frau Armdran?", begann Brause seine Konversation, den Blick auf Magda gerichtet, "ich sehe, Sie haben Besuch, da will ich gar nicht lange stören."
- "Gut", antwortete Magda artig, obwohl ihr anzusehen war, daß es ihr in diesem Augenblick alles andere als gut ging, "bitte setzen Sie sich, ich wollte gerade den Nachtisch bringen, es gibt Schokoladenpudding, wollen Sie auch einen?"
- "Nein, nein, ich bin im Dienst, wissen Sie, aber trotzdem herzlichen Dank für Ihr Angebot!"
- "Aber wenigstens einen Kaffee?", fragte Magda.
- "Ja gern, das wird mir schon erlaubt sein", grinste Brause.
Magda ging in die Küche, füllte die Kaffeemaschine mit Wasser, falzte das Filterpapier, steckte es in den Trichter, löffelte das Kaffeepulver mit Hilfe des Meßbechers hinein und drückte auf den kleinen Kippschalter, worauf ein rotes Lämpchen erglühte und die Maschine mit fauchend-gurgelnden Geräuschen ihre Arbeit aufnahm.
Anschließend brachte Magda die große Schüssel mit dem Nachtisch herein, die Schüsselchen standen bereits auf dem Tisch, die Teller waren abgeräumt. Nun verdrehte Brause seine Äuglein, nahm seine Dienstmütze ab und meinte schmeichelhaft:
- "Das riecht ja köstlich".
Jetzt war es Martina, die ihn aufforderte:
- "Nun probieren Sie doch auch was davon, dann müssen Sie den Kaffee nicht so trocken hinunterschütten!"
Brauses Grinsen weitete sich zu einem ehrlichen Lachen und er freute sich sichtlich, nun doch eine gehörige Portion des frischgekochten Puddings zu erhalten, Dienstvorschriften hin oder her. Magda verschwand wieder in die Küche, um die Kaffeetassen zu holen. Brause stand unvermittelt auf und folgte ihr. In der Küche angelangt, schloß er die Tür hinter sich zu und fragte Magda:
- "Was macht ihr Dings da, gibt's irgendwelche Probleme, darf ich es einmal sehen?"
Magda bückte sich hurtig und schob den Saum ihrer linken Wollsocke weit auf den Fuß hinunter, so daß die gesamte Wade sichtbar wurde - und nicht nur diese.
- "Danke", entgegnete Brause knapp und half ihr, die Zuckerdose und das Milchkännchen in den Raum hinauszutragen, während Magda die Tassen mitsamt den Untertassen und Löffelchen jonglierte.
Bettina gelang es, eine oberflächliche Plauderei in Gang zu setzen und am Leben zu erhalten; als ein jeder seinen Pudding aufgegessen hatte, verabschiedete sich Brause und bedankte sich für die Gastfreundschaft.

'Was war denn das für ein Blitzbesuch eines Gendarmen', überlegte sich Gangolf, ihm war nicht klar, warum der Polizist unvermittelt auftauchte und warum er selbst zu diesem Kränzchen geladen worden war.
Doch die Lösung folgte auf den Fuß, im wahrsten Sinne des Wortes. Martina wandte sich Magda zu und forderte sie auf:
- "Nun zeig' doch endlich auch Gangolf deinen Fuß!"
Magda errötete wiederum und wiederholte die Zeremonie, die sie bereits kurz zuvor in der Küche in Gegenwart des Polizisten vollzog. Interessiert erhob sich Gangolf und blickte über den Tisch. Erstaunt gewahrte er es - ein unscheinbares hautfarbenes Ding an der Außenseite von Magdas linkem Knöchel.


31. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 15.08.21 00:31

Dann schau'n wir doch mal, ob M a g n u s in der Lage und Willens ist, Magda von der Fußfessel zu befreien.

mfg
32. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 20.08.21 22:02

"Willens" wird er wohl schon sein, Magda von der elektronischen Fußfessel zu befreien, doch ob er auch in der Lage sein wird?
Viel Vergnügen bei der Lektüre!

Magnus.



15

Wie an jedem ersten Freitag des Monats fand auch an diesem lauen Abend des dritten Mai der Vereinsabend der Schleewald-Amateurfunker statt. Gangolf besuchte diese Abende nur unregelmäßig, da er das Amateurfunk-Hobby zwar nicht ganz aufgegeben, aber doch ziemlich zurückgestellt hatte. Die per SMS ferngesteuerten Handschellen haben nur am Rande etwas mit der eigentlichen Funktechnik zu tun, doch heute wollte er an dem Clubabend teilnehmen, um zwei Funker-Freunde zu treffen.
Leider stellte sich heraus, daß weder der langjährige Gerätewart Hans da war, noch der Computer-Freak Joe. Gangolf hörte mit halben Ohr den Ausführungen eines Fachmanns zu, der über neuartige Antennen für einen Höchstfrequenzbereich dozierte. Immer wieder ertappte er sich, wie seine Gedanken von dem Vortrag abschweiften zu jener Aufgabe, der er sich seit des Besuchs bei der Magda verpflichtet fühlte. Er verwendete lieber den Begriff >Aufgabe< anstelle von >Problem<.
Als der Vortrag zu Ende war, pirschte Gangolf sich zu dem Vereinsvorsitzenden vor und schilderte ihm seinen Wunsch, spezielle sich im Eigentum des Ortsvereins befindliche Frequenzmeßgeräte auszuleihen. Der Vorsitzende gab ihm die Telephonnummer des Gerätewarts und er meinte, daß der Hans üblicherweise am Samstag Vormittag in den Räumen des Vereinsheims anzutreffen wäre. Mit der Telephonnummer des Joe war es etwas schwieriger, nach längerem Suchen fand der Vorsitzende jedoch auch diese. Gangolf plauderte noch mit einigen Clubkollegen und verabschiedete sich relativ bald.

Tatsächlich erreichte Gangolf am nächsten Morgen den Gerätewart Hans, ein älterer Herr mit einem reichen Erfahrungsschatz, was die alte Funktechnik anbetraf, mit der Höchstfrequenz- und Computertechnik wollte er sich nicht mehr beschäftigen. Der Hans war sehr erfreut über Gangolfs Besuch, doch als dieser darum bat, ihm die speziellen Frequenzmeßgeräte leihweise auszuhändigen, wurde er sehr zurückhaltend.
- „Bring’ doch deine Schaltungen her, dann können wir sie gemeinsam durchmessen,“ begeisterte sich Hans.

‚Wenn du wüßtest’, dachte sich Gangolf, mit ihm konnte er über seine >Aufgabe< nicht sprechen, mit Joe schon eher, als äußerst aktives Mitglied des Berliner Caos Computer Clubs war dieser gewohnt, Nachforschungen in der geheimen Computerwelt und des Netzwerks anzustellen, welche, vorsichtig formuliert, am Rande des Legalen standen. Gangolf hörte davon, daß es in dem Berliner CCC sogar eine eigene Abteilung Funktechnik gäbe, doch er hatte mit diesem Club bislang keine Berührungspunkte.
Endlich gelang es Gangolf, den Hans zu überreden, ihm doch einige seiner Heiligtümer leihweise auszuhändigen. Als Vereinseigentum standen die Geräte allen Mitgliedern zur Verfügung, doch gab es die Anweisung, möglichst keine dieser kostbaren Dinger zu entleihen. Gangolf schaukelte ihm vor, daß es um umfangreiche Schaltungen eines Probeaufbaus handelt, die er nur mühsam hierher bringen konnte, und als schließlich der Vereinsvorsitzende telephonisch sein Einverständnis gab, händigte Hans die Geräte aus. Er half Gangolf, diese hinunterzubringen und in den Golf zu verstauen, nicht ohne mahnende Worte, umsichtig damit umzugehen, und auf jeden Fall statische Aufladungen zu vermeiden.

Gangolf fühlte sich ein bißchen in seinem Ehrgefühl verletzt, war er doch längst kein unachtsamer Jugendlicher mehr, der im Eifer des Gefechts möglicherweise einen Schaden hätte herbeiführen können. Andererseits weiß man ja nie, dachte er sich, es kann immer einmal was passieren, und dann hat der Gerätewart wenigstens warnende Worte gesprochen. Im Grunde war er ihm dankbar, daß er über seinen Schatten sprang und die Geräte doch noch herausgerückt hatte. Zum Glück bestand der Hans nicht darauf, mit ihm zu seiner Bastelbude zu kommen, um die >umfangreichen Schaltungen< zu begutachten.
Gangolf holte tief Luft, startete seinen Golf und fuhr vorsichtig zu sich nach Hause. Das letzte Wegstück auf einer Länge von fast einem Kilometer bestand aus einem Feldweg, dort mußte er besonders vorsichtig fahren, je nach Schlaglochtiefe häufig kaum mit Schrittgeschwindigkeit. Die asphaltierte Straße führte von der Bundesstraße nur bis zu den verstreut stehenden Häusern von Wesserbarg. Es wäre ihm sehr peinlich gewesen, wenn die sensiblen Geräte allein durch die Erschütterungen des Transports in Mitleidenschaft geraten wären.

Als Gangolf gegen Mittag endlich zu seinem Hof kam, fuhr er das Auto in die Garage, welche er gegen seiner sonstigen Gewohnheit verschloß, und holte sich sein Kajak aus dem Schuppen, um in’s nächste Dorf zu rudern, wo er Mittag essen wollte. Das Paddeln versöhnte ihn wieder mit der Welt, kräftig schlug er die Blätter in’s Wasser, die Gischt spritzte ihm entgegen, er konnte sich dabei hervorragend abreagieren.

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Sie waren bereits ziemlich weit fortgeschritten, doch kamen sie ohne Worte überein, das Finale noch etwas hinauszuzögern. Die silikonummantelten Teile lagen griffbereit auf den Nachtkästchen des Doppelbetts, auch die dazu gehörenden Fernbedienungen.
- „Meinst du, er wird es schaffen?“ vernahm man den leisen Flüsterton in dem von Jasmin-Duft geschwängerten Raum.
- „Ja klar, der ist der totale Technik-Freak“.
- „Und daß er doch einmal Bedenken kriegt, was er da macht?“
- „Nöö, glaub’ ich nicht; hast du ihn angesehen, als ihn der Brause begrüßte und mit ihm ein Gespräch anfangen wollte?“
- „Ne, hab’ ich nicht mitgekriegt, was war da?“
- „Irgendwie kannten sie sich, doch Gangolf wollte da nichts davon wissen, nickte nur kurz und sagte nichts weiter. Wird wohl nicht bloß ein Strafzettel wegen Parkverbot gewesen sein.“
- „Du meinst, Gangi hätte von sich aus schon gar kein Interesse zur Nähe zur Polizei?“
- „Ja genau, das Gefühl hatte ich, wahrscheinlich war da `mal was, denn der Brause wußte plötzlich wieder Bescheid, daß er da bei ihm war in Wesserbarg.“
- „Ah, aus Wesserbarg kommt er, das wußte ich gar nicht.“
- „Hm, wir wissen vielleicht vieles noch nicht über ihn, irgendwie ist er schon auch ein geheimnisvoller Typ. Ich werd’ ihn morgen fragen, wie er die Chancen einschätzt, daß er was machen kann.“
- „Siehst du ihn morgen?“
- „Ja, wieder in Grausneg, und er spielt immer so schön, komm’ halt auch, dann hörst’ ihn auch einmal und dann kannst’ ihn gleich fragen, ob er die Meßgeräte hat, von denen er was gesagt hat.“
- „Hm, weiß noch nicht, ja, wenn ich nicht verschlafe!“
- „Du Dumpfbacke!“
- „Aua“, riefen plötzlich beide gleichzeitig auf, denn sie waren miteinander in lustvoll-schmerzhafter Weise verbunden: Das Piercing-Stäbchen der linken Brustwarze der Einen war über ein dünnes Messing-Kettchen mit dem Piercing-Ring der rechten Schamlippe der anderen verbunden und umgekehrt: Die rechte Warze Letzterer mit der linken Lippe Ersterer. Manchmal hängten sie in der Mitte, wo sich die beiden Kettchen überkreuzten, ein Häkchen ein mit einem kleinen Gewicht, damit auf ihnen immer etwas Zug herrschte.

Im Geiste malte sich Martina bereits die bizarrsten Vorstellungen aus, was sie mit ihrer Magda alles anstellen würde, sobald diese endlich wieder den Stadtbereich von Lüggen verlassen konnte, um zu ihr hier hinauszukommen. Die Frau Pfarrerin war durchaus lieb, aber nicht ausgesprochen masochistisch veranlagt, doch als Sadistin begehrte Martina nach unterwürfigen Personen, nach >Objekten<, wie sich auszudrücken pflegte, was sie freilich im Bettinas Beisein vermied.

Martina war froh, Bettina in langsamen Schritten vorsichtig etwas in die bizarre Welt des Sadomasochismus eingeführt zu haben, doch sie erkannte, daß sie bei Bettina schnell an Grenzen stieß. Um sie nicht zu verschrecken, dämpfte Martina ihre sadistischen Neigungen und gab sich mit den andeutungsweisen Spielchen zufrieden. Im Geheimen sehnte sie sich nach Magda, da würde es dann richtig zur Sache gehen. Sie würde Gangolf befehlen, spezielle Einrichtungsgegenstände zu montieren, um ihr Reich zu vervollständigen. Bettina würde sie dann wohl nicht mehr brauchen...

Schließlich sahen sich beide an, blinzelten sich einvernehmlich zu, rückten auf den Kopfkissen noch etwas höher, was beiden ein leichtes Aufstöhnen entlockte, und griffen zu den Lustspendern.









33. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 27.08.21 21:58


Die namhaften Schriftsteller waren fleißig in den letzten Tagen und versorgten uns mit reichlichem Lesestoff; wie jeden Freitag möchte ich nun meinerseits der verehrten Leserschaft die nächste Fortsetzung meiner kleinen Geschichte bieten, ich wünsche viel Freude beim Lesen,
M a g n u s .



16


Von seiner kleinen Kajak-Tour zurückgekehrt wollte Gangolf den späten Nachmittag nutzen, die kostbaren Frequenzmeßgeräte, die er heute Morgen ergattert hatte, in Magdas Wohnung zur Anwendung bringen. Da er ihre Telephonnummer nicht hatte, versuchte er, Martina zu erreichen, sie zu bitten, ihm ihre Nummer zu sagen. Es war das erste Mal, daß er Martinas Nummer aus dem Kontakte-Verzeichnis seines Smartphones heraussuchte; es traf ihn fast der Schlag, als er Martinas Spruch auf der Mail-Box vernahm:

- „Hallo, sag’ jetzt, was du zu sagen hast, fasse dich kurz, ich entscheide dann, ob ich zurückrufe!“

Das war Gangolf dann doch zu blöd, er drückte die rote Beenden-Taste und beschloß, ohne Vorankündigung bei der Magda aufzutauchen. Wachtmeister Brause nahm sich das neulich auch heraus, warum sollte er das nicht dürfen, wo er ja eine höhere Mission hatte.

‚Wie kann die Martina nur so arrogant sein’, ärgerte sich Gangolf, >ich entscheide, ob ich zurückrufe<, so ein arroganter Mist, das will ich gar nicht darauf ankommen lassen, ob ich dann in der Gnade stünde, zurückgerufen zu werden.’
Als er in Lüggen die Kirchstraße entlang fuhr, entdeckte er auf der anderen Straßenseite einen Lada-Niva.
‚Daß es diese Karren immer noch gibt, die Martina hat auch so eine Gurke, was sie nur an so einem Vehikel empfindet’, überlegte er im Vorbeifahren, beachtete das Fahrzeug nicht weiter, sondern konzentrierte sich darauf, die Einfahrt in den Hof zu finden, wo sich Magdas Wohnung befand. Während bei dem ersten Besuch Martina vorausgegangen war und als Vorwarnung ihres Nahens den Klingelknopf gedrückt hatte, obwohl sie gleich darauf mit ihrem Schlüssel die Haustür aufgesperrt hatte, war Gangolf heute auf sich gestellt, den richtigen der beiden Knöpfe zu wählen. Da sich Magdas winzige Behausung im Dachgeschoß befand, würde es wohl der obere der beiden Klingelknöpfe sein, schlußfolgerte Gangolf und erspähte daneben ihren Namen: Armdran.

‚Was es nur für seltsame Namen gibt’, durchfuhr es Gangolf, und gerade als er das Knöpfchen drückten wollte, ging die Tür auf. Der Mann, der im Begriff war, auszutreten, wich leicht erschrocken etwas zurück, als er Gangolf vor der Tür stehen sah, ging zur Seite, um ihn einzulassen, und als Gangolf die Stiege betrat, ging der Fremde hinaus, und die Haustür fiel hörbar in’s Schloß.

Gangolf traute seinen Ohren nicht, als er gedämpfte Schreie aus Magdas Wohnung vernahm. Rasch nahm er die Stufen hinauf und hielt vor der Wohnungstür inne. Es war kein lautes ununterbrochenes verzweifeltes Schreien oder Rufen um Hilfe, sondern kurze Aufschreie, dazwischen unterschiedlich lange Pausen von einigen Sekunden. Gebannt lauschte er an der Tür, manchmal vermeinte er, ein Zischen oder Knallen zu vernehmen, das den Schreierufen vorausging.

Von einem ihm unerklärlichen Instinkt geleitet wandte sich Gangolf um und stieg, so leise es ihm möglich war, die Stufen wieder hinunter. Die Haustür ließ er nicht einfach von dem Verschließmechanismus selbsttätig in’s Schloß fallen, sondern führte sie vorsichtig, daß es zum einen nicht das typische In’s-Schloß-fallen-Geräusch gab, zum anderen hoffte er, dadurch die Zunge einige Millimeter vor dem Einrasten in die Falle anhalten zu können, was bei schlecht geölter Mechanik manchmal möglich war. Tatsächlich gelang es ihm auf diese Weise, daß er die Tür notfalls wieder hätte öffnen können.
Unschlüssig, was er tun sollte, schlenderte er zu seinem Auto, das er in der Nähe in dem großen Hof abgestellt hatte. Dann kehrte er jedoch wieder um und ging an dem Haus entlang, ob er auch hier draußen die seltsamen Schreie hören würde. Entweder waren die Fenster entsprechend schalldicht, oder sie haben aufgehört, er vernahm sie jedenfalls von hier unten nicht.
In seinem Auto sitzend kam ihm die Idee, Bettina anzurufen, was sie von der merkwürdigen Begebenheit hielte:
- „Soll ich nochmal hinaufrennen und läuten?“ fragte er mit erregter Stimme.
- „Hm, warte mal, laß’ mich kurz überlegen“, bat Bettina. „Ich glaube nicht, daß Magda wirklich in Gefahr ist, das ist `was anderes“, versuchte sie ihn zu beruhigen. Gangolf spürte indes in ihrer Stimme eine gewisse Unsicherheit, als ob sie die Wahrheit wüßte, diese aber ihm nicht mitteilen wollte. Statt den von ihr vermuteten Sachverhalt zu erläutern, stellte sie rasch eine Gegenfrage:
- „Wo bist du denn?“
- „Ja vor ihrem Haus!“
- „Können wir uns wo treffen, ich bin hier gerade in Holzbuch fertig, dann könnten wir über alles sprechen.“

‚Schon wieder diese Geheimnistuerei’, ärgerte sich Gangolf, am liebsten wäre er mit Vollgas davongebraust, um dem Hans die Meßgeräte wieder zu bringen; ‚blöde Weiber’, knurrte er im Gedanken, doch dann lenkte er ein:
- „Ja dann komm’ doch einfach bei mir vorbei, wenn du jetzt in Holzbuch bist!“
- „O ja gern, sag’ mit noch schnell, wie ich zu dir komme!“
- „Bieg’ von der Bundesstraße ab nach Wesserbarg, dann die Ortsstraße immer weiter, bis der Asphalt aufhört und dann noch fast einen Kilometer weiter den Feldweg fahren, der macht dann einmal eine Biegung, und ganz am Ende findest du dann meinen Hof. Aber fahr’ vorsichtig, daß dir mit deinem Wägelchen keine Achse bricht!“

Als Gangolf von Lüggen zurück kam, sah er Bettinas rotes Elektroauto in seinem Hof stehen; sie war natürlich schon vor ihm da, denn von Holzbuch her war es nicht so weit wie für ihn von Lüggen her. Bettina hatte die Wartezeit genutzt, um auf dem Hof herumzutigern; sie hatte bei dieser Gelegenheit Gangolfs Fuhrpark inspiziert, sowohl das Motorrad, als auch die drei Boote: Das Schnell-Kajak, dann ein breiteres, kürzeres und schließlich einen normalen Ruderkahn.

Als sie Gangolf auf den Hof einfahren sah, wandte sich Bettina zu seinem Auto um; nach einer herzlichen Umarmung meinte sie lapidar:
- „Das ist also deine Residenz“.
- „Residenz ist gut gesagt, ich würde dir auch gern gleich eine Schloßführung geben, vor allem die ausgedehnten Parklandschaften laden zwar nicht zum Lustwandeln ein, eher zum Autoparken, aber jetzt möcht’ ich doch gleich wissen, was du davon hältst, von diesen kurzen Aufschreien aus Magdas Wohnung. Kannst du dir vorstellen, was da war?“
- „Ach Gangolf, ja, schon aus Berufsgründen darf ich nicht lügen und dir will ich auch nichts vormachen, doch laß’ uns bitte erst mal in’s Haus reingehen, also wenn du erlaubst.“
- „Aber bitte,“ entgegnete Gangolf in einer Mischung von Verwunderung und Erleichterung, denn offenbar konnte es nichts sehr Schlimmes sein, das sich hinter den Schreien verbarg. Er öffnete die Haustür und ließ ihr den Vortritt.
- „Einfach immer geradeaus durch den Flur und dann rechts!“
Bevor Gangolf Martina etwas zu Trinken anbot ließ er sich in einen Sessel plumpsen und wies Bettina an, ein Gleiches zu tun.
- „Jetzt aber sag’ endlich, wird da oben bei ihr jemand stoßweise zu Tode geprügelt oder gehört das zu einer besonderen Atemtechnik?“

- „Gangolf“, erhob Bettina mit einem leichten Seufzer die Stimme, blickte ihn mit großen Augen an, „ich weiß’ nicht richtig, wie ich dir das erklären soll. Dürfte ich um etwas zu Trinken bitten?“
„Dürfte ich um etwas zu Trinken bitten, das klingt ja sehr geschwollen, gehört das zu deinen Stilmitteln, die du für deine Predigten anwendest, um die Spannung zu steigern, bis du endlich zum Kern der Sache kommst? Ja, du darfst, und dürfte ich fragen, mit welchem Getränk ich mir deine huldvolle Zuwendung erheischen könnte?“
Nun brach Bettina in ein herzhaftes Lachen aus, das Gangolf erwiderte.
- „Ich mach’ jedenfalls jetzt einen Kaffee. Magst du auch einen?“

In der Zwischenzeit, während Gangolf den Kaffee bereitete, überlegte sich Bettina, wie sie ihm ihre Vermutung erläutern sollte. Es fiel ihr schwer, auf die Schnelle kluge Formulierungen zu finden. Als er mit dem Kaffeeservice in das Wohnzimmer zurückkam, warf sie alle ihre Überlegungen über Bord und sprach frei heraus:
- „Ich glaub’, die spielen miteinander da oben; also Martina und Magda.“
Nach einer kurzen Pause, die sie nutzte, um Gangolf in’s Gesicht zu sehen, um abzuschätzen, wie er das Gehörte aufnahm, fuhr sie fort, dabei schoß ihr das Blut in die Wangen, denn ihr war bewußt, daß sie jetzt nicht die ganze Wahrheit sagen würde:
- „Also du hast ja wohl sicherlich schon `mal von so SM-Spielchen gehört, von der Sado-Maso-Szene, für mich wär’ das ja nichts, ich liebe gern und werde gern geliebt, aber ohne Schmerzen und ich kann mir nicht so vorstellen, daß man dann da erst recht Lust verspürt dabei.“

‚Aha, so ist das also’, machte sich Gangolf derweil Gedanken, ‚aber warum wirst du jetzt so rot, könnte es nicht sein, daß du da doch ein bißchen Gefallen find’st, zumindest so im Geiste, vielleicht beim Zusehen.’
Er mußte sich selber eingestehen, daß er gleichfalls gewisse Neigungen in diese Richtung empfand: Genüßlich geilte er sich vor dem Fernseher auf, wenn in einem Film in einem tiefen Keller Menschen gefesselt werden und hilflos alleine in der Dunkelheit angekettet blieben, besonders wenn es sich dabei um junge Frauen handelte, die auf diese Weise schmachten mußten.
Bettina blickte ihn wieder mit einem fragenden Gesicht an, als ob sie auf seine wohlwollende Antwort wartete. Noch in seinen Gedankengängen verstrickt entgegnete Gangolf leicht stammelnd:
- „Äh, ja, freilich, so was hab’ ich schon gehört, also meinst du wirklich, aha, ja, das könnte ich dann schon verstehen, daß da immer so kurze Aufschreie waren.“
Von dem Zischen in der Luft erwähnte er erst einmal nichts, auch behielt er für sich, daß er etwas weiter entfernt, auf der Straße draußen einen Lada gewahrte.

Als sich der Duft des frisch gebrühten Kaffees bis in das Wohnzimmer gezogen hatte, sprang Gangolf auf, um ihn zu holen. Bettina nutze die kurze Weile des Alleinseins, um tief durchzuatmen und um auf diese Weise ihre Röte aus dem Gesicht zu verlieren, derer sie sich nur zu gut bewußt war.
Mit der Glaskanne in der Hand kam Gangolf nach wenigen Sekunden wieder herein, goß die Brühe in die Tassen, stellte die Kanne auf einer kerzenbefeuerten Warmhalteplatte ab und sagte mehr zu sich selbst:
- „Ach, jetzt hab’ ich wieder den Zucker vergessen, und die Milch muß ich auch noch holen.“

Als diese Utensilien herangebracht worden waren, wandte sich Gangolf noch zu einer Kommode, auf welcher er Naschereien abzustellen pflegte. In Daumen und Zeigefinger beider Hände geklemmt ging es einer Erdnuß-Flips-Tüte an den Kragen, welche sein Platzen mit einem charakteristischem Ploppen kundtat. Anschließend ratschte die Plastikumhüllung einer After-eight-Packung mit einem nestelnden Geräusch entzwei und verhalf den pfefferminzummantelten Schoko-Täfelchen zum Aufatmen nach wochenlangem luftdichten Einschluß.
- „Laß’ doch“, wehrte Bettina mit einer Hand ab, Gangolf kam sofort Wachtmeister Brause in den Sinn, der auch erst einmal Magdas Nachtisch verschmähen wollte, indes gefangen in seiner Eß-Begierde schwach geworden war.
- „Dann eß’ ich sie eben allein auf“, antwortete Gangolf mit einem Lächeln und setzte nach:
- „Ich glaub’, die Martina hätte sich da nicht so geziert, die ist da gradan, wie man bei uns in Bayern sagt, und die hätt’ wahrscheinlich sogar im Befehlston gefordert: >Hey, hast du Nichts zum Kaffee dazu?<“
Wieder lachte Bettina auf und stimmte ihm zu: „Ja, da kennst du Martina schon ganz genau, sie hat oft so was Forderndes in ihrer Stimme. Aber sie kann auch so lieb sein.“
Nun kam Gangolf die Sache mit der Ansage auf dem Anrufbeantworter in den Sinn:
- „Sag’ einmal, hast du schon einmal die Ansage auf der Mailbox gehört von der Martina, die ist ja total kraß!“
- „Da hast du recht, ich mag’ oft gar nicht anrufen bei ihr, weil immer erst diese Ansage kommt, richtig blöd meiner Meinung nach, aber wenn ich dann bloß kurz was sage, antwortet sie sofort und gibt sich erkennen, wahrscheinlich, weil sie auch gleich meine Nummer auf dem Display sieht.“
- „Also ich ruf’ da so schnell nicht mehr an, eigentlich wollte ich nur Magdas Nummer, ich wollte ihr sagen, daß ich kommen wollte mit den Frequenzmeßgeräten, aber so bin ich dann einfach so hin in den Hof, zufällig kam ein Mann unten heraus, so daß ich ohne Läuten hinaufsteigen konnte und vor ihrer Wohnungstür hab ich das dann gehört.“
- „Ja, so ist es, und wer da wen behandelt, wird dir vermutlich auch klar sein.“
- „Ja klar, ich hab’ noch nie so einen dominanten Mensch kennengelernt wie die, macht mir ein bißchen Angst.“
- „Auf der andern Seite fährt sie so gern auf dem Motorrad mit, sie hat mir von eurem Ausritt erzählt und wie du so stark die Nerven behieltst bei der Vollbremsung. Da ist sie dann ganz ausgeliefert, dem Können des Fahrers unterworfen, und natürlich auf ihren Schutzengel angewiesen.“

Eigentlich hatte sich Gangolf vorgenommen, nicht danach zu fragen; er hatte eine Aufgabe, und die sollte er lösen, ohne lang zu fragen, warum und wieso. Doch nun kam es ihm geradezu beiläufig über die Lippen:
- „Sag’ einmal, was ist da eigentlich passiert, daß die Magda so ein Ding an ihrem Bein hat?“
- „Eine schlimme Geschichte, sie wurde beinahe vergewaltigt, und nicht nur sie, und seitdem schnallen sich die beiden immer einen Chasti um, bevor sie sich mit fremden Männern einlassen.“
- „Waaas schnallen sie sich um?“, wollte Gangolf erstaunt wissen.
- „Ihren Chastity belt, ihren Keuschheitsgürtel.“

Gangolf starrte Bettina sprachlos an, ihm fiel die Kinnlade hinunter. Er wußte natürlich, daß es im Mittelalter so etwas gegeben hatte und im Internet surfend stolperte er auch auf Beiträge, in welchen etwas von Keuschheitsgürteln im Zusammenhang mit SM-Praktiken und erotischen Liebesspielen stand, doch er beachtete das nicht weiter.
Da Gangolf weiterhin wie vom Blitz getroffen dasaß, fragte Bettina ihn:
- „Hast du davon noch nichts gehört?“

Gangolf war nach ein paar Sekunden wieder aus den Tiefen seiner Verwunderung aufgetaucht und sagte:
- „Jetzt ist mir klar, was das war, das sich in meinen Rücken bohrte!“
Nun war es Bettina, die ihn fragend ansah. Gangolf klärte auf:
- „Als ich neulich so scharf abbremsen mußte mit dem Motorrad und die Martina hintenauf, die ist durch das scharfe Bremsen mit voller Wucht auf mich drauf geflogen und da hab’ ich dann plötzlich so einen unerklärlichen Stich gespürt. Und dann, als wir wieder weitergefahren sind, hab’ ich an der Hose von der Martina vorn ein bißchen herumgefummelt und hab’ dabei bemerkt, daß die da wirklich irgend was Hartes drin hat, aber ich hab’ dann nichts weiter gesagt.“
Ein Schmunzeln huschte über Bettinas Gesicht, sie malte sich aus, wie dieser Vorgang abgelaufen war; sie überlegte sich, ob es die Rache des Schicksals gewesen sei, die Passive gab dem Aktiven einen Stich.
- „Ja, ja, du edler Ritter, ich hoffe, du hattest deinen dominanten Part genossen!“

Gangolf hätte sich nicht in seinen kühnsten Träumen ausmalen mögen, daß er in gar nicht mehr allzu weiter Ferne nur noch den devoten Part innehaben würde, und das wider Willen...




























34. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 01.09.21 22:22

"Es ist schon wieder Mittwoch, die Zeit rast dahin, übermorgen kommt die nächste Fortsetzung, bis dahin alles Gute!"

und ich freue schon jetzt darauf.

mfg
35. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 03.09.21 19:23


"und ich freue schon jetzt darauf"
Rückmeldungen freuen mich immer, auch kritische Anmerkungen; ich bin dabei, einen weiteren Roman zu verfassen, und in diesen könnte ich entsprechende Anregungen einfließen lassen!
Viel Vergnügen beim Lesen,
M a g n u s .


17


Es ist spät am Abend geworden, als sich Bettina von Gangolf verabschiedet hatte, die beiden hätten sich noch endloslang miteinander unterhalten können; Gangolf führte liebend gern Gespräche mit der Pfarrerin, sie wußte über so vieles Bescheid, sie waren in vielen Dingen gleicher Ansicht, er fühlte sich zu ihr hingezogen. Sie war keine ausgesprochene Schönheit, ganz im Gegensatz zu Martina, doch Bettina war schön, wie jede junge Frau von Natur aus schön ist.

Das traf auch für Magda zu, überhaupt ähnelten sich die beiden Frauen von Statur und Aussehen her, allerdings nicht, wie sie sich gaben: Während Bettina wert auf schöne Kleidung legte, die durchaus modern sein durfte, erinnerte sich Gangolf an die abgewetzten Shorts, welche Magda an dem Sonntag getragen hatte, als er mit den anderen beiden Frauen bei ihr zum Mittagessen war. Ihr T-Shirt war ausgebleicht gewesen, auf dem Sofa, das ihr des Nachts als Bett diente, war eine schäbige Jeans und eine ausgefranste Jacke gelegen. Daneben standen vollkommen ausgelatschte Chucks, an den Fersen aufgerissen, die Schnürsenkel mehrfach verknotet.

All diese Gedanken schwirrten Gangolf durch den Kopf, bis er durch das Läuten der Glocken von diesen befreit wurde, und der Klang ihn zur Besinnung brachte, sich endlich auf den in Kürze beginnenden Gottesdienst zu konzentrieren. Doch während der Predigt ertappte sich Gangolf erneut, mit seinen Sinnen nicht bei der Sache zu sein. Er war im Gedanken bei dem Gespräch mit Bettina, das sie am Vorabend geführt hatten.

Die Bekanntschaft mit den drei jungen Frauen ist über Gangolf einfach so hereingebrochen, sie hat sich irgendwie unheimlich rasch entwickelt, eine Eigendynamik angenommen. Konnte er noch zurück, noch nein sagen? Schwerlich, denn zu sehr war er bereits gefangen in Begeisterung, Liebe, Neugier, Nervenkitzel, Vorhaben am Rande der Illegalität. Seine bohrende Frage, warum Magda unter Überwachung stand, blieb ihm immer noch unbeantwortet.

Gangolfs Sinne wurden jäh wieder auf Bettinas Predigt gelenkt, als jene etwas vom Sturm auf dem See Genezareth erzählte und wie wir uns das hier in unserer Gegend kaum vorstellen könnten, da unsere Seen doch viel kleiner seien und hier kein ernsthaft gefährlich werdender Sturm einsetzten würde:

- "Ich bin selber kein Wassersportler, doch sehe ich manchmal begeistert und mit Bewunderung den vielen Touristen zu, wie sie in ihren Booten die Fließe im Schleewald durchkreuzen, doch auf den Seen sehe ich eigentlich nur selten jemanden. Einsam auf einer weiten Seefläche in einem schmalen schaukelndem Bötlein zu sitzen, hunderte Meter vom Ufer entfernt, vielleicht kann uns das eine Vorstellung der Nöte der Jünger vermitteln, als diese mit ihrem Segelboot in einen Sturm gerieten."

'Höre ich da aus dem Mund der Frau Pfarrerin einen geheimen Wunsch heraus?', machte sich Gangolf gleich wieder seine Gedanken, 'trifft das Bibelwort zu: >Wovon das Herz voll ist, davon redet der Mund. Gangolf würde es bald erfahren.

Nachdem Gangolf sein Orgelnachspiel beendet hatte, traf er am Kirchenausgang auf Bettina, wie sie im Gespräch mit anderen Gottesdienstbesuchern war; sie gab ihm beiläufig einen Wink, auf sie zu warten. Gangolf trat aus der Kirche und blinzelte geblendet vom grellen Sonnenlicht auf die Niederung des Dorfes und der umgebenden Flur hinab.
Nachdem Bettina die letzten Kirchenbesucher verabschiedet hatte und anschließend in der Sakristei den Talar abgelegt und ihre waffenscheinpflichtigen Plateau-Stiefeletten gegen die flachen Chucks gewechselt hatte, verließ auch sie die Kirche und schlug Gangolf vor, irgendwo noch einen Kaffee zu trinken. Sie einigten sich rasch auf die Eisdiele; Bettina war erfreut, auf diese Weise dort auch einmal hinzukommen, denn bislang war sie immer nur daran vorbeigefahren.

Gangolf war immer wieder davon überrascht, mit welcher ballettänzerhaften Geschmeidigkeit es jungen Frauen gelang, vor einem Stuhl stehend das linke Bein anzuwinkeln, es im angewinkelten Zustand auf die Sitzfläche zu plazieren, um sich darauf niederzusetzen, so daß der obere Bereich des rechten Oberschenkels zur Hüfte hin auf der linken Wade zu liegen kam. Mit der rechten Hand begann Bettina sodann, den seitlich abstehenden Schuh an der gummierten Zehenkappe zu umgreifen und mit den Fingern massierende Bewegungen daran vorzunehmen.
Das Faszinierende an dieser besonderen Art von Körperverrenkung war die Eleganz, mit welcher Bettina diesen Vorgang absolvierte; sie lächelte dabei unentwegt abwechselnd Gangolf und die Gäste an, welche an den benachbarten Tischchen saßen. Giuseppe kam hinzu und begrüßte die beiden:

- „Buon giorno, Signorina , ciao amico!”
Bettina erwiderte mit einem einfachen: „Ciao“, dagegen setzte Gangolf an:
- „Niente di signorina, diciamo è pastorella!”
- “Pastorella? Ah, pastore evangelica, e vero?”
- “Si, certo.”
- “Ah, mi piace, bella, bella.”

‘Alter Charmeur’, kam es Gangolf in den Sinn, dann bestellten sie Eis und Kaffee.

Als Giuseppe wieder gegangen war, wollte Bettina wissen: „Woher kannst du so gut italienisch?“
- „Soo gut kann ich das gar nicht,“ erwiderte Gangolf, „im Gegenteil, ich hab’ das nie richtig gelernt, aber ich war halt oft dort, beruflich, in Mailand und auch anderswo in der Poebene, da half mir mein Schul-Französisch ganz gut weiter, die Sprachen sind ähnlich, und so entwickelte sich das im Lauf der Zeit.“
- „Find’ ich toll“, meinte daraufhin Martina, doch Gangolf wiegelte ab:
- „Ihr Theologen müßt ja gerade reden: Latein, Griechisch, Hebräisch, und dann noch die halbe Bibel auswendig hersagen!“
- „Jetzt übertreib’ mal nicht,“ dämpfte sie ihn nun ihrerseits, „Latein, ja so einigermaßen, aber Griechisch, also genauer Altgriechisch und Hebräisch, das haben wir im Seminar nur ganz ganz oberflächlich gehabt.“
- „Trotzdem sehr bemerkenswert, und schaust du da manchmal nach, wie etwas im Urtext geschrieben steht?“
- „Ehrlich gesagt, fast nie, es gibt ja mittlerweile für jeden Vers vielfache Kommentare auf deutsch, interessant finde ich dann die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Bibelstellen, vor allem die Voraussagen im Alten Testament, die sich dann im Neuen erfüllten.“

In diesem Augenblick kam Giuseppe mit dem Tablettchen zurück, auf dem er das bestellte Eis und den Kaffee jonglierte:
- „Prego Signora, prego Gianni!”
An den Vornamen Gangolf wollte sich Giuseppe nicht gewöhnen, er sprach Gangolf immer mit Gianni an. Als Gangolf hörte, daß Giuseppe nun Signora anstelle Signorina sagte, kamen ihm Skrupel, ob am Ende doch Signorina richtiger gewesen wäre. Als Giuseppe wieder gegangen war, fragte er sie:
- „Entschuldige bitte, wenn ich das so direkt frage, was trifft für dich jetzt zu, Signora oder Signorina?“
- „Ja, hm, nicht so einfach zu beantworten“, meinte Bettina und rührte dabei etwas verlegen ihren Kaffee um, und sie spürte, wie das Blut in ihren Kopf stieg.

‚Daß ich auch immer so schnell Verlegenheit verspüre’, schalt sie sich selber, ‚das möchte ich doch gar nicht, daß ich immer so rot anlaufe.’ Andererseits war ihr bewußt, daß man diesen Vorgang nicht willentlich steuern kann.
Nachdem ihre Verlegenheit etwas gewichen war, fuhr sie fort:
- „Es ist so, sagen wir `mal so, daß ich in gewisser Weise liiert bin.“
- „Ah ja, freut mich für dich“, log daraufhin Gangolf, ebenfalls leicht errötend.

Als nun beide sich über ihre Eiskugeln hermachten, trat dadurch zwangsläufig eine Gesprächspause ein. Beide ergingen sich in Grübeleien, Gangolf dachte sich:
‚Was will sie damit sagen, >in gewisser Weise liiert
Gangolf beschloß, ein bißchen vorzufühlen, wie weit er gehen konnte, wie weit sie ihn gewähren ließ. Sie saßen sich nicht gegenüber an dem Tischchen, sondern über Eck. Als das Eis gebracht worden war, zog sie ihr linkes Bein aus der Sitzfläche heraus, schwang sich rechts herum, Gangolf zugewandt, und schlug nun das linke Bein über das rechte. Auf diese Weise wippte ihr linker Fuß in Gangolfs Richtung. Er schlug daraufhin gleichfalls die Beine übereinander, das rechte über das linke, und berührte mit seiner Fußspitze die ihrige.

Entgegen seiner Gewohnheit, zum Orgelspielen die flachen schwarzen Puma-Schuhe mit seitlicher Schnürung anzuziehen, holte Gangolf am Morgen seine Chucks heraus, die er üblicherweise anhatte, wenn es darum geht, auf den Hausdächern zu den Photovoltaik-Platten zu gelangen. Während dort die griffigen Gummisohlen von Vorteil waren, erwiesen sie sich beim Orgelspielen nachteilig; das Vor- und Zurückgleiten auf den Pedaltasten war deutlich erschwert, auch das Druckgefühl durch die dickeren Sohlen war beeinträchtigt. Doch Gangolf nahm das in Kauf und es freute ihn sehr, daß er nun mit seinen gleichartigen Schuhen an die von Bettina anstoßen konnte.

Bettina bemerkte natürlich sofort sein Anstupsen an ihre Zehenkappe, sie lächelte Gangolf an, sagte aber nichts dazu. Nach einer Weile wurde Gangolf die Sitzhaltung, welche einen leicht gedrehten Oberkörper erforderte, zu unbequem, und er stellte seine Füße wieder nebeneinander unter den Tisch. Ohne von seinem Eis aufzusehen, griff er mit der linken Hand unter den Tisch, löste die Schnürsenkel von seinem linken Schuh, schlüpfte aus diesem heraus, zog mit einem Ruck den Socken vom Fuß und tappte vorsichtig mit den Zehen auf Bettinas rechten Schuh.

Vorsichtig arbeiteten sich Gangolfs Zehen weiter vor Richtung Fußrücken, als seine Fußsohle die Gummikappe von Bettinas Schuh erreichte, durchströmte ihn ein leichtes Lustgefühl; er hätte nicht gedacht, daß seine Fußsohle auf diese Berührung so sensibel reagieren würde. Bettina honorierte diese neue Form der Zuwendung mit einem weiteren vielsagenden Lächeln. Sie nahm ihr linkes Bein herunter, zog das Knie herauf, so daß ihr linker Fuß mit der Ferse auf der Sitzfläche auflag, löste nun gleichfalls das Schuhbändel, warf Schuh und Socken unter den Tisch und legte den seiner Bekleidung beraubten Fuß auf Gangolfs Fuß, der weiterhin auf Bettinas rechtem beschuhten Fuß ruhte.

Dieser Vorgang verlief dermaßen geschmeidig-schnell, daß Gangolf zunächst gar nichts von Bettinas Aktion mitbekam; als ihre weiche Fußsohle auf seinem Fußrücken zu ruhen kam, fühlte er sich wie elektrisiert, er lehnte sich, so weit es möglich war, auf seinem Stuhl zurück und genoß die wohlige lustversprühende Wärme ihres Fußes auf dem seinen. Sie saßen unbewegt da und blickten sich regungslos an, das Leuchten in ihren Augen ging in ein strahlendes Glänzen über, wie das nur bei Verliebten geschehen konnte.

Nach einer halben Ewigkeit hob Bettina ihren Fuß an, um ihn von Gangolfs Fuß zu nehmen. Blitzschnell griff Gangolf unter den Tisch, faßte Bettinas Fuß, zog ihn unter dem Tisch zu sich hinauf und plazierte ihn auf die Sitzfläche zwischen seinen Oberschenkeln. Auch diese Vergewaltigung ließ Bettina wortlos über sich ergehen, sie genoß es sichtlich, als nun Gangolf damit begann, ihre Zehen einzeln sanft mit seinen Händen zu massieren. Bettina rückte dazu mit ihrem Stuhl noch ein wenig nach rechts, damit ihr linkes Bein in eine bequeme Lage kam, doch sie vermied es, den Fuß durchzudrücken, unter allen Umständen wollte sie es verhindern, Tuchfühlung mit seinem empfindlichsten Körperteil aufzunehmen.

Beide hatten das Eisessen eingestellt; während der letzte Rest ihres Kaffees kalt wurde, schmolz das Eis in der warmen Luft dahin, so daß sich unten in der Schale bald nur noch eine undefinierbare Soße befand. Bettinas Atem wurde schneller, hörbar stieß sie die Luft durch ihren lächelnden Mund, die Augäpfel vergrößerten sich zu einem Kreis. Als Giuseppe auftauchte, entwand sie ihre Zehen aus Gangolfs massierenden Händen und setzte den Fuß artig unter dem Tisch ab.

An dem kleinen Parkplatz neben der Kirche angekommen öffnete Bettina die Fahrertür ihres schnuckeligen roten Elektrowägelchens, lehnte sich, bevor sie einstieg, an den Türholm; Gangolf kam hinzu, blieb einen halben Meter vor ihr stehen, bückte sich leicht, öffnete hoffnungsvoll seinen Mund, doch Bettina preßte ihre Lippen zusammen und schüttelte leicht den Kopf. Jetzt war Gangolf klar, wo die Grenzlinie für ihn bei Bettina lag.
























36. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 11.09.21 06:31

18


Als am frühen Nachmittag Magda die Haustür öffnete, blickte Gangolf entsetzt in ein verheultes Gesicht mit blutunterlaufenen Augen. Während Magda hinter der Tür zur Seite trat, um ihn hereinzulassen, griff sie zu dem Reißverschluß ihres abgewetzten Trainingsanzugs und zog den Reißverschluß bis ganz nach oben, so daß ihr Hals bis zum Kinn hinauf mit dem Stoff bedeckt worden war. Gangolf war dieses Tun vollkommen unverständlich, da in dem Stiegenhaus eine stickig-warme Luft waberte; erst beim Eintreten erfaßte ihn das Entsetzen über Magdas Aussehen.

- "Hallo", flüsterte Magda als Begrüßung, Gangolf grüßte sie mit einem:
- "Hallo Magda, wie siehst du denn aus?".
Sie entgegnete nichts, schweigend stiegen sie die Stiege hinauf. Er wollte sie oben in ihrer Wohnung zur Rede stellen, ihm kamen immer stärkere Zweifel, ob das Sadomaso-Spiel am Vortag einvernehmlich verlief. Als er Magdas Stube betrat, sah er zu seiner Verwunderung Martina auf dem Sofa liegen: Den Kopf auf der zusammengerollten Bettdecke gestützt hielt sie auf dem Schoß ihren Laptop; sie hatte es nicht für nötig gehalten, ihre 10-Loch-Dr. Martens-Stiefel auszuziehen, sondern stemmte diese mit angezogenen Knien auf das saubere Bettuch, das über dem Sofa gebreitet lag.

- "Hallo Martina", begrüßte Gangolf sie, doch sie hob nur ganz kurz den Blick von dem Bildschirm weg zu ihm, knallte ihm ein "Hi" entgegen und beschäftigte sich sofort wieder mit ihrem Computer.
'Wie ist denn die heute drauf', wunderte sich Gangolf, sagte aber nichts weiter. Er stellte seine Geräte, die er übereinander gestapelt heraufgeschleppt hatte, auf dem Tisch ab. Nun flötete Magda:
- "Möchtest du noch was essen, wir haben noch was, soll ich es dir aufwärmen?"

Schon allein deswegen, weil sie die Frage mit einem geradezu flehenden Ton gestellt hatte, aber auch, weil er tatsächlich Hunger verspürte, da das Eisessen mit Bettina bereits über eine Stunde zurücklag, nahm er dankbar an. Während sich Magda in die Küche zurückzog und bis in die Stube hinaus gut vernehmbar den Reißverschluß ihrer schäbigen Sportjacke öffnete, arrangierte Gangolf die Meßgeräte auf dem Tisch, holte kleine Antennen aus einer mitgebrachten Tasche heraus und schloß sie mit speziellen Kabeln an die Verstärker an.

Als Gangolf an der Rückseite der Gehäuse die dort in kleinen Schlingen aufgewickelten Netzanschlußkabel löste, fiel im ein, daß er keine Mehrfach-Steckdosenleiste mitgebracht hatte. Er ging in die Küche, um Magda nach einer solchen zu fragen. Als er eintrat, erschrank Magda dermaßen, daß sie sich auf einen Küchenhocker fallen ließ, die Hände vor das Gesicht nahm und in Tränen ausbrach.
Nun seinerseits erschrocken über Magdas heftige Reaktion ging Gangolf in die Hocke, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein.
- "Magda", rief er entsetzt, "bitte entschuldige, ich wollte dich wirklich nicht erschrecken, es tut mir furchtbar leid, ich hätte anklopfen müssen."
Magda schüttelte den Kopf, nahm die Hände herunter und flüsterte:
- "Nein, nein, du kannst nichts dafür."
Nun hob sie ihren Kopf und richtete den Blick auf Gangolf. In diesem Moment erkannte er Striemen, die quer über ihren Hals verliefen wie nach einer Strangulation.

'Um Gottes willen', schauderte es Gangolf, 'wollte sie sich das Leben neben? Doch warum sitzt dann die Martina einfach wortlos da, völlig desinteressiert?'
Gangolf wurde der Martina immer unsympathischer, ihr Macho-Gehabe widerte ihn an. Er überlegte, daß es jetzt wohl die letzte Gelegenheit wäre, die Notbremse zu ziehen, die Funkmeßgeräte wieder einzupacken und Martinas Dunstkreis für immer zu verlassen. Doch dann dauerte ihn Magda, die Ärmste, mit dem zutreffenden Zunamen Armdran. Er konnte sie gerade jetzt nicht verlassen, ganz unabhängig von der blöden Fußfessel, von welcher er sie befreien sollte.

- "Kann ich dir was helfen?", stotterte Gangolf verlegen.
- "Nein, nein, es ist gleich fertig, setz' dich schon mal", entgegnete sie und erhob sich.
Auch Gangolf erhob sich daraufhin und setzte sich draußen an den Tisch. Martina würdigte ihn weiterhin keines Blickes. Wenige Augenblicke später kam Magda herein mit dem Teller in der Hand, sie wünschte ihm Guten Appetit und schickte sich an, wieder in die Küche zurückzukehren.
- "Ach bleib' doch bitte da", rief Gangolf ihr nach, "Die Martina scheint heut' ja nicht gerade sehr gesprächig zu sein!"
Immerhin hob daraufhin Martina ihren Kopf und richtete den Blick auf ihn. Magda hatte sich zu ihm an den Tisch gesetzt, Gangolf stellte nun seine Frage nach einem Verlängerungskabel, jene Frage, mit der er wenige Minuten zuvor in die Küche gekommen war und dabei Magda so unheimlich tief erschreckt hatte. Magda blickte etwas hilflos umher und starrte dann Martina an. Diese knurrte:
- "Ist das deine einzige Verlängerung?"
Magda flötete schüchtern: "Ja, ich glaub' schon."
Martina beugte sich seitlich und war im Begriff, den Stecker des Ladegeräts für ihren Laptop auszustecken. Gangolf intervenierte:
- "Laß' ihn noch stecken, bis ich gegessen hab'."

Gangolf genoß das hervorragend schmeckende Nudelgericht, blickte dabei abwechselnd die beiden jungen Frauen an, doch es kam kein Gespräch zustande: Martina verkroch sich hinter ihrem Bildschirm, und Magda fiel es schwer, überhaupt einigermaßen gerade auf dem Stuhl zu sitzen. Gangolf erkannte die Peinlichkeit und wandte sich zu ihr:
- "Also ich will dich nicht aufhalten, wenn du was zu tun hast, das Essen ist hervorragend, woher kannst du so gut kochen?"
Magda stammelte ein schüchternes "Danke", erhob sich dann und ging in die Küche. Als Gangolf fertig gegessen hatte, wandte er sich an Martina und bat nun um das Kabel mit der Dreifach-Steckdose. Martina zog den Stecker des Ladekabels heraus und überwand sich zu den zwei Worten:
- "Da, nimm'!"

Gangolf mußte schwer an sich halten, um nicht zu explodieren, er dachte sich:
'Da opfere ich meinen Sonntag-Nachmittag, um deine beste Freundin von ihrer Fußfessel zu befreien, da riskiere ich eine Straftat, schon wieder eine, und du schnauzt mich blöd an, bloß weil dein verdammter Computer jetzt nicht mehr aufgeladen wird. Geh' doch damit in eine andere Ecke, wo eine freie Steckdose ist'.

Irgendwie schaffte es Gangolf, seine Empörung herunterzuschlucken und nichts zu sagen. Er verband die Meßgeräte mit dem Stromnetz und schaltete sie ein. Sowohl mit dem Spektrumanalysator, als auch mit dem Oszillograph erkannte er schnell einige Signale im Frequenzbereich 700 Megahertz und 1,7 Gigahertz. Nun mußte er die beiden Mädels auffordern, ihre Smartphones abzuschalten, damit er bei den Messungen nur die Signale der Fessel-Elektronik erfaßte, sein eigenes hatte er bereits abgeschaltet.

- "Wieso denn das?", knurrte Martina und Magda sagte, sie habe gar keines, zumindest kein funktionsfähiges. Eigentlich war sie verpflichtet, bei der Polizei die Rufnummer zu hinterlassen, unter welcher sie ständig erreichbar war, doch konnte Martina den Beamten verdeutlichen, daß Magda noch einen Festnetz-Anschluß habe, und da sie sich ohnehin fast immer nur zuhause aufhielte, von den kurzen Besorgungen in der Stadt abgesehen, sollte damit die Erreichbarkeit gewährleistet sein.
Seit drei Jahren wurden keine neuen Festnetz-Anschlüsse mehr hergestellt, Altanschlüsse wurden von der Telekom als Netzbetreiber in der untersten Ebene aber weiterhin gepflegt.
- "Ich kann sonst nicht die Signale von der Fußfessel-Elektronik auswerten", erläuterte Gangolf, "denn die sendet auf ähnlichen Frequenzen wie der Mobilfunk".


Mißmutig zog Martina ihr iPad heraus und maunzte:
- "Ja gleich, aber ich muß erst noch einen Anruf machen!"
Gangolf lehnte sich zurück, als Martina zu telephonieren begann:
- "Hi Süße, bist du jetzt endlich zuhause?" ... "Ja super, ich komm' dann gleich!" ... "Ja, der ist da, der braucht noch länger, der fängt gerade erst an." ... "Nee, seh' ich kein Problem, die steckt in ihrem Chasti!"

Gangolfs Aufmerksamkeit wurde wachgerufen, dann stimmte es also, was Bettina ihm gesagt hatte, daß die beiden Keuschheitsgürtel aus Schutz vor männlichen Angreifern trugen. Während Gangolfs Gedanken kreisten, klappte Martina ihren Laptop zu, steckte ihn in eine schmale Umhängetasche, die sie vom Fußboden aufhob und drehte sich mit einem leichten Schwung seitlich aus dem Bett. Dabei stieß sie sich mit dem Kopf an die Dachschräge, sie fluchte:
- "Verdammte Krachbude hier".
Ihre Docs verursachten auf dem weißen Bettuch den typischen Abdruck der Profilsohle, doch Martina kümmerte sich nicht im Geringsten darum, schulterte die Umhängetasche mit dem Laptop und stürmte grußlos aus dem Zimmer. Auf den hölzernen Stufen der Stiege hörte man das Trampeln der Stiefel, die Haustür quittierte das Zuschlagen mit einem donnernden Knall, der zu den Zurückgebliebenen hinaufhallte.
Gangolf blickte Magda verdutzt an, diese sagte:
- "Ja, so ist sie oft."
Nun hielt es Gangolf für geraten, seine bohrende Frage loszuwerden:
- "Also Magda, es geht mich ja eigentlich nichts an, aber es ist so, daß ich bereits gestern einmal da gewesen bin und da hörte ich furchtbare Schreie aus deiner Wohnung. Ich bin dann wieder gegangen. Was war da los, war sie da beteiligt irgendwie?"

Magdas Gesichtszüge erstarrten, ihre Wangen wechselten die Farben, von rot bis weiß, die Sommersprossen traten einmal mehr, einmal weniger stark hervor. Anstelle eine Antwort abzuwarten fuhr Gangolf fort:
- "Ich hab' mit der Bettina darüber gesprochen, sie meinte, also sie leugnete es zumindest nicht, daß ihr solche Sadomaso-Spiele betreibt, aber jetzt sag' ehrlich, geht die Martina nicht zu weit dabei, so wie du geschrien hast, und dann die Spuren auf deinem Hals, red' jetzt offen zu mir, ich bin da jetzt in eueren Kreis hereingezogen worden, um dich von der Fußfessel zu befreien, wobei ich noch längst nicht weiß, ob mir das gelingen wird, aber davon unabhängig, also ich möchte dir überhaupt helfen, bitte sag' mir jetzt, ob du diese brutale Härte wirklich magst."

Magda brach in Tränen aus, sie legte ihre Handrücken nebeneinander auf den Rand der Tischplatte und drückte ihr Gesicht in sie hinein. Als sie sich etwas beruhigt hatte, stammelte sie:
- "Manchmal ist die Herrin zu streng zu mir, dabei hab' ich doch alles für sie getan."

Gangolf griff über den Tisch und wuschelte in ihren Haaren, derweil sie ihren Kopf weiterhin in ihren Händen auf der Tischplatte geneigt hielt. Nach einer Weile hob sie ihren Kopf, er zog seine Hand zurück. Sie sprach jetzt mit klarer Stimme:
- "Bitte mach' mir das Ding ab, damit ich wieder frei bin und zu ihr kommen kann, dann wird sie nicht mehr so böse auf mich sein."

Gangolf wußte nicht mehr, was er denken sollte, ihm lagen so viele Fragen auf der Zunge, doch er hatte das Gefühl, daß mit jeder mühsam errungenen Antwort gleich eine Vielzahl weiterer Fragen sich aufdrängten. Er wurde von einer vagen Ahnung ergriffen, was zwischen den beiden Frauen ablief, daß es eine starke Abhängigkeit gab; unklar blieb ihm der Grund für Magdas Verurteilung, eine elektronische Fußfessel tragen zu müssen. Er beschloß, das Gehörte erst einmal setzen zu lassen und antwortete:
- "Magda, ich kann dir nicht versprechen, ob es gelingen wird, aber ich werde das auf alle Fälle nur für dich machen, damit du ein freies Leben führen kannst, ich will gar nicht wissen, warum du dieses blöde Ding tragen mußt, ich kann mir nicht im Geringsten vorstellen, daß du irgend ein Verbrechen begangen hättest."

- "Bitte, Gangolf, reden wir jetzt nicht darüber", bat Magda und ihre Gesichtsfarbe wechselte in ein Knallrot. Gangolf wollte es dabei bewenden lassen, doch irritierte ihn ihre abwehrende Haltung. Er überlegte sich, ob sie vielleicht doch aus einem Impuls heraus etwas getan hat, daß sie sich einmal nicht beherrschen konnte im Erleiden ewiger Knechtschaft. Und das nutzt Martina aus, dachte er sich weiter, Magda ist ihr hörig, Martina, die Sadistin, hat ihr Opfer gefunden, wahrscheinlich erpreßt sie Magda, nötigt sie zu ihren sadistischen Spielen, da sie vielleicht noch mehr weiß und Magda dann am Ende wieder einfahren müßte.

- "Also dann fangen wir einfach an," wollte Gangolf ihr Geheimnis vorerst auf sich beruhen lassen, "oder machst du mir bitte noch einen Kaffee, bevor wir loslegen".
Magda taute allmählich auf aus ihrer Verhärmung, die Röte wich aus ihrem Gesicht, sie wischte sich die Tränen weg und lächelte ihn an:
- "Sie sagt nie >bitte<, sie fordert und befiehlt immer nur."

Magda kam mit den Kaffeetassen aus der Küche und fragte: "Darf ich mich neben dich setzen?"
- "Ja freilich, was für eine Frage, das ist hier doch deine Wohnung, du bist hier die Hausherrin, niemand sonst, ich, wir sind nur die Gäste."
Unwillkürlich schnitt Gangolf damit wieder das Thema an, doch entfaltete es sich nicht weiter. Mit großen Augen verfolgte Magda die beeindruckenden Signalkurven auf den Geräten.
"Nachdem wir nun hier keine Handys mehr an haben, müßten diese Signale von deinem Ding da kommen. Geh' doch bitte einmal ein paar Schritte weg, dann müßte die Amplitude schwächer werden."

Magda verstand nur Bahnhof, erhob sich aber und ging zur Küchentür. Tatsächlich bildete sich Gangolf ein, daß sich die Signalstärke verringert habe, doch war es aufgrund der Vielzahl von Impulsen gar nicht so einfach, das eindeutig festzustellen.
"Und nun komm' wieder her, ganz nah, stell' am besten den Fuß auf den Stuhl".
Magda kam herzu und stellte ihren rechten Fuß auf die Sitzfläche. Gangolf nahm die Antenne vom Tisch und führte sie zu ihrem Fuß. Doch dann stellte er fest, daß es der falsche war und beide lachten über das Mißgeschick. Als nun Magdas linker Fuß neben dem Meßaufbau stand und Gangolf die Antenne ganz nahe an das Kästchen mit der Fußfessel-Elektronik hielt, sahen sie auf den Diagrammen deutlich den Anstieg der Signalkurven.
- "Das sind also jetzt eindeutig die Signale von der Elektronik da drin", kommentierte Gangolf und bat:
- "Kannst du noch eine Weile so verharren, bis ich alles aufgenommen habe?"
- "Aber klar doch", bekräftigte Magda, "wenn du wüßtest, in welchen Verrenkungen ich oft sein muß!"
'Schon wieder dieses Thema', dachte sich Gangolf, 'was muß das Mädel alles erleiden'. Doch er schwieg, er wollte seine Meßreihen zu Ende bringen.

- "Prima, dann werde ich die Signale da alle speichern, damit der Joe sich das ansehen kann. Ich bin schon neugierig darauf, was er dazu sagt und was wir dann machen können!"
'Was für ein Joe', durchzuckte es Magda. Gangolf bemerkte ihre plötzliche Nervosität, er war besorgt wegen ihrer Reaktion.
- "Hat dir die Martina nichts davon erzählt, daß ich das allein nicht alles machen kann, ich brauch' dabei auf jeden Fall den Joe, das ist so ein Computer-Experte, der das alles analysiert und auswertet, und wenn wir dann wissen, wie diese Funkelektronik da drinnen funktioniert, brauchen wir nochmals jemanden, der uns diese Elektronikschaltung nachbaut, die dann die Fesselelektonik simuliert."

Magda verstand gar nichts mehr, sie dachte, Gangolf würde hier und heute sie von dem verhaßten Teil befreien. Sie stand davor, wieder in Tränen auszubrechen:
- "Das kann dann noch lange dauern, sag'!"
- "Ja, sicher, das ist alles nicht so einfach, was hast du gedacht. Aber jetzt sei nicht gleich so enttäuscht, heute haben wir einen Anfang gemacht und wenn du willst, werden wir auch weiter machen. Aber wir brauchen Zeit. Ich muß erst mit dem Joe Kontakt aufnehmen und wenn der soweit ist, dann muß noch ein guter Funkelektroniker heran, den wir in das Vertrauen einbeziehen können. Immerhin machen wir da ja eine strafbare Handlung, wir versuchen, eine Vollzugsmaßnahme zu brechen, so was wie eine Flucht aus dem Gefängnis planen."

Magda sank vor ihm auf die Knie, umarmte Gangolf und drückte ihre Tränen an seine Brust.
















37. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 13.09.21 21:54

Wieder eine tolle Fortsetzung. Z. Zt. ist es für mich kaum vorstellbar, wie Gangolf in die Fänge von Martina gerät, aber so wird die Spannung noch längere Zeit aufrecht erhalten, muss er doch erst einmal Magda von der Fußfessel befreien.

mfg
38. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 18.09.21 00:10

"Wieder eine tolle Fortsetzung"

Danke für das Kompliment, Sarah, das spornt mich an, meinen nächsten Roman zu schreiben!
Viel Spaß beim Lesen, und viel Geduld!
M a g n u s .



19

Graumaus provozierte. Sie provozierte immer. Mit ihren 37 Jahren die Jüngste unter den Kabinettsmitgliedern kleidete sie sich stets aufsäßig. Während ihre Kolleginnen im Kostüm, im Hosenanzug, im langen Rock in den ehrwürdigen Hallen des Reichstagsgebäudes wandelten, begleitet von dem Klacken ihrer mehr oder weniger hohen Absatzschuhe, schlich Graumaus in sackartigen Hüllen aus derben Stoff auf leisen Sneakers-Sohlen durch die Gänge, ihre blonden Haare aufgesteckt.
Doch heute rief die Frau Bundesumweltministerin eine wirklich atemberaubende Provokation hervor: Sie watschelte in gummierten Wathosen in die Plenarsitzung, in das grüne Gummi gekleidet von den Fußsohlen durchgängig bis über die Brust, fast bist zum Halsansatz, der buschige Pferdeschopf rundete die skurrile Gesamterscheinung ab.

Kanzlerin Prank-Barrenkauer warf ihr einen verächtlichen Blick zu, wandte sich aber gleich wieder ihrem Manuskript zu. Die Tagesordnung für die heutige Sitzung war lang. Es blieb selbstverständlich nicht aus, daß sich das übliche Getuschel vor Beginn der Sitzung zu einem deutlich wahrnehmbaren Gemurmel steigerte, beispielsweise unkte Wirtschaftsminister Fettmeier, ob das eine neue Art der Empfängnisverhütung sei. Er rief damit bei vielen ein lautes Gelächter hervor, einige der Anwesenden grinsten nur, wenige ignorierten seine Anmerkungen. Alle bewunderten indes im Geheimen den Mut der jungen Ministerin, wie sie durch ihre Provokationen wachrüttelte und die wahren Probleme in der Gesellschaft ansprach.

Kanzlerin Prank eröffnete wie immer die Sitzung, hieß alle willkommen und bat, die Tagesordnungspunkte diszipliniert abzuarbeiten; die Liste sei lang, unnötige Kommentare sollten vermieden werden, und das heute ganz besonders wegen der Vielzahl der Themen. Sie ließ sich nicht durch Graumaus' Erscheinung irritieren, zwar knisterte die Wathose ab und zu durchaus hörbar, aber außer einem Grinsen bei den in der Nähe Sitzenden führte das nicht weiter zu einer Störung des Sitzungsablaufs.

Die Berichte aus den verschiedenen Ressorts waren deprimierend, es gab, wie so oft, nur Negatives zu berichten; besorgniserregend waren vor allem die militärischen Eskalationen in fast allen Ecken der Erde: Selbst der längst vergessene Tschetschenenkonflikt brach wieder auf, der Dauerkonflikt Palästina, die Einverleibung Weißrußlands nach Rußland, die Spaltung der Ukraine in einen rußlandhörigen Teil und in den sich nach der Europäischen Union strebenden Teil, der Grenzzaun der USA zu Mexiko mit den Tausenden, die von Mexiko aus den Zaun zu überwinden suchen, die Spannungen zwischen Nord- und Südkorea, die Kämpfe in Zentralafrika, die militärischen Provokationen Chinas mit seinen Nachbarn in Form von Truppen- und Seemanövern.

Dagegen wirkte Graumaus' Verkleidungs-Provokation geradezu friedlich; als Prank sie aufforderte, ihren Bericht zur Umweltsituation zu liefern, erhob sie sich, um nicht nur die akustische Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sondern auch die optische. Alle Augen waren auf sie gerichtet, als sie das vor ihrem Platz montierte Schwanenhalsmikrophon empor bog, so daß es auf der Höhe ihrer olivgrün eingepackten Brüste zu ruhen kam. Üblicherweise verlasen die Minister und ihre Staatssekretäre ihre Berichte im Sitzen, doch sie wollte auf diese Weise auffallen, provozieren um jeden Preis. Sie kam auch gleich auf den Punkt:

- "Meine Damen und Herren, mag die militärische Bedrohung in der Welt noch so furchtbar sein, die Klimakatastrophe wird alles andere auf unserem Planeten in den Hintergrund treten lassen, es ist nicht mehr fünf vor zwölf, es ist fünf nach zwölf. In einem internen Papier kamen die Experten aller Nordseeanrainerstaaten überein, daß der Anstieg des Meeresspiegels in den nächsten Jahren weit dramatischer ausfallen wird als bisher selbst in >worst case< -Szenarien errechnet wurde. Die Fachleute raten, die deutschen und niederländischen Nordseeinseln aufzugeben. Vor allem sind die nordfriesischen Halligen nicht mehr zu halten, das sie umgebende Wattenmeer durch die ständigen Sturmfluten schwer geschädigt, die mühsame Stabilisierung der Küstenlinien durch natürliche Buhnen-Deichbaumaßnahmen vollkommen zunichte gemacht.
Seit Jahren sind die Weideflächen der Halligen aufgrund der häufigen Überschwemmungen versalzen, Weidetiere finden kaum mehr ausreichend genießbare Gräser, so daß die Beweidung sowohl mit Rindern, als auch mit Schafen, aufgegeben wurde. Die Touristen bleiben aus, da sowohl die Wattwanderungen ausfallen, als auch die Sparziergänge rings um die Warften durch die ständigen Hochwasserschübe, die noch dazu oft ganz plötzlich eintreten, zu gefährlich werden. Einzig die Sensationstouristen kommen in ihren Wathosen herangestiefelt, um sich daran zu ergötzen, wie die Halligbewohner auf ihren Warften vom Wasser eingeschlossen sind. Der Damm für die Lorenbahn, der vom Festland über die Hallig Oland zur Hallig Langeneß führt, der vor 20 Jahren mit immensem Aufwand errichtet wurde und die alte hölzerne Schienenbefestigung ablöste, dieser Damm droht an vielen Stellen unterspült zu werden, da die seitlichen Strömungen stärker ausfallen als vermutet wurde. Sonach waren die in den Wattboden gerammten Holzpfähle stabiler, da das Wasser durch die Lücken zwischen den Pfählen problemlos quer hindurchströmen konnte."

Graumaus unterbrach für kurze Augenblicke ihren Redeschwall, holte kurz Luft, und ereiferte sich weiter:
- "Die über Jahrzehnte verfehlte Klimapolitik überall in der Welt, auch unsere in Deutschland, führt zu diesen wahnsinnigen Auswirkungen, die die Verantwortlichen nicht wahrhaben wollten, jetzt sind sie da und wir müssen hilflos zusehen, wie die Halligen aufgegeben werden müssen, wie die Deiche überall ständig erhöht werden müssen, die Sperrwerke an der Eider immer öfter geschlossen werden müssen, auch die in der Themse vor London, von Venedig gar nicht zu sprechen, die Malediven sind bereits verschwunden,"
An diesem Punkt der Ausführungen wurde Graumaus von der Kanzlerin unterbrochen:
- "Bleiben wir bei der Situation in Deutschland, kommen Sie auf den Punkt, welche Empfehlungen haben die Ausschüsse in ihrem Ressort erarbeitet?"
Ohne nur einen kurzen Augenblick sich besinnen zu müssen, gab sie trocken zur Antwort:
- "Für die Bewohner Norddeutschlands Watstiefel ausgeben!"
Nur mit Mühe konnten die Anwesenden ein Lachen unterdrücken, zu ernst war das Thema, von Graumaus mit beißendem Sarkasmus in dem knappen Satz zusammengefaßt.

Nach einer kurzen Pause drängte Prank auf die Fortsetzung der Besprechungen. Nachdem endlich alle Redner ihre Berichte vorgetragen hatten, an welche sich Diskussionen unterschiedlicher Qualität und Quantität anschlossen, stellte Staatssekretär Gscheid in seiner typischen schnoddrigen Art eine Frage:
- "Hat man eigentlich `mal wieder was vom Condoma gehört?"
- "Wie bitte, von was?" fuhr Prank ihn an.
- "Na, von dem Virus, der doch da auf der formosen Insel ausgebrochen sein soll und zur anderen Insel verschleppt wurde, wie hieß sie noch mal, England glaub' ich, ja England."
Prank bedachte ihn mit einem grimmigen Blick und schaute fragend in die Runde, doch niemand hob die Hand für eine Wortmeldung.
- "Das fällt doch in ihr Ressort", ergriff schließlich Prank das Wort, "Sie sind doch vom Äußeren!"
- "Seit wann hat das Äußere mit dem Virus zu tun, dafür haben wir doch die vom Gesundheit", echauffierte sich Gscheid. Doch auch die Vertreter des Gesundheitsministeriums wußten dazu nichts zu berichten, und so einigte man sich darauf, daß die Epidemie anscheinend nicht das europäische Festland erreicht hat und hoffentlich als lokale Erscheinung in Großbritannien eingedämmt würde. Doch als sich einige Minister bereits erhoben, um den Sitzungssaal nach den Stunden der Beratungen endlich zu verlassen, meldete sich Verteidigungsminister Schießmann zu Wort:
- "Wenn es darum geht, ausreichend Masken zu liefern, die Bundeswehr hat Wort gehalten und ihre Bestände katalogisiert und für die Austeilung an die Bevölkerung bereitgestellt."
- "Danke, Herr Schießmann", wandte sich Prank an ihn, dankte allen Beteiligten für die sachliche Abhandlung der Themen und wünschte einen guten Nach-Hause-Weg. Als sich bereits alle Mitglieder der hehren Versammlung erhoben hatten, ging sie zu Ministerin Graumaus und lächelte sie mit den Worten an:
- "Also, allen Respekt, Sie bringen es immer wieder auf den Punkt, aber jetzt schauen Sie bloß, daß sie aus dem Zeug herauskommen, Sie müssen ja tierisch schwitzen in dem Gummi."
- "Ach, geht schon, die Eisbären schwitzen sicher viel mehr, wenn ihnen das Eis unter ihrem Fell davonschmilzt!"
'Eine tolle Antwort', dachte sich Kramp und bewunderte sie wegen ihrer Schlagfertigkeit, 'wenn sie nur nicht bei der falschen Partei wäre'.

Graumaus schlappte in ihrem Aufzug hinaus, den Flur entlang zum Stiegenhaus, um bis in den dritten Stock hinaufzusteigen. Sie haßte das Aufzugfahren, aus Prinzip-Gründen, der Umwelt verpflichtet betrachtete sie das Aufzugfahren als Energieverschwendung, denn, wie sie zu sagen pflegte: "Bei den kleinen Dingen im Leben muß man anfangen".
Als Graumaus schließlich in ihre Abteilung gekommen war, hatte sich der Schweiß in ihren Stiefeln zu einer Lache gefüllt, ihre Söckchen waren hoffnungslos durchnäßt, die Feuchtigkeit an ihren Füßen suggerierte ihr das Gefühl, sich mit einem lauten Quietsch-Geräusch zu bewegen, obwohl nur das leise Knistern des gummierten Stoffs im Knie- und Hüft-bereich zu vernehmen war. Sie betrat hurtig ihr Dienstzimmer und sperrte die Tür entgegen ihrer Gewohnheit ab. In ihrem privaten Hinterzimmer entledigte sie sich ihrer olivgrünen Umhüllung und warf Söckchen, Slip und Bluse in die Ecke.
Als sie nun völlig entblößt dastand, öffnete sie die unterste Schublade ihres kleinen Privat-Schreibtisches und kramte aus einem Holzkistchen ihren silikonummantelten Liebling hervor, lümmelte sich auf den Schreibtischsessel, zog die Füße unter die Sitzfläche zurück, verschloß die Augen und suchte mit langsamen kreisenden Bewegungen den Eingang in ihr Allerheiligstes.

Der Gedanke an Schießmanns Gasmasken brachte sie zum Höhepunkt.





















39. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 24.09.21 21:20

Und schon wieder ist eine Woche um; das merke ich vor allem daran, daß wieder eine Fortsetzung fällig wird!
Magnus.


20

Gangolf wußte um Joes Homosexualität, doch daß dieser dermaßen durch und durch schwul war, das hätte er nicht gedacht. Gangolf verspürte keine Berührungsängste, allerdings überkam ihm ein leichtes Unwohlsein, als er die dunkle Kneipe in einer Seitengasse in Kaiserswuselhausen betrat, in welche Joe ihn zu einem ersten Treffen bestellt hatte. Hinter dem Tresen stand ein barhäuptiger Muskelmann mit Schnauzbart, über seinem Oberkörper spannte sich eine ärmelloser Lederweste.

Nach einigen Orientierungssekunden gewahrte Gangolf Joe auf einem der Barhocker entlang des Tresens.
- "Hey", begrüßten sie sich und Joe versetzte Gangolf sogleich einen leichten Faustschlag auf die Schulter.
- "Setz' dich", forderte Joe ihn auf, und während Gangolf sich streckte, um mit seinem Hintern den hohen Hocker zu erglimmen, gab der Muskelmann mit einem Bierkrug ein stummes Zeichen; Gangolf blieb gar nichts anderes übrig, als mit einem Nicken sein Einverständnis zu geben, vielleicht hätte ein lauter Protestruf den alkoholhaltigen Ausschank vermieden. Gangolf drehte sich auf dem Hocker und wandte sich Joe zu, auch dieser vollzog eine leichte Körperdrehung und hob unvermittelt sein rechtes Bein und drückte den Ranger-Stiefel-ummantelten Fuß geschickt zwischen Gangolfs Oberschenkel hindurch auf dessen wertestes Teil.

Dieser Vorgang lief mit einer derartigen Selbstverständlichkeit ab, daß niemand von den Anwesenden davon irgendwie erstaunt Notiz nahm; Gangolf schluckte, ließ es indes wortlos geschehen.
'Vermutlich gehört das zur Willkommenszeremonie in diesen Kreisen', dachte sich Gangolf und überlegte sich, wie die Konversation beginnen könnte. Er bekam etwas Bedenkzeit, indem ihm der Muskelmann das Bier reichte, und Joe ergriff seinen Krug und stieß mit Gangolf an.
'Der erste Schluck ist immer der beste', kam es Gangolf banal in den Sinn und er bekräftigte seine Empfindung:
- "Ah, das tut gut!"

Gangolf starrte auf Joes ausgestrecktes Bein, die Stiefelsohle in seinem Schritt, die schwarze Stiefelspitze zu ihm aufgerichtet. Wie bei fast allen Anwesenden steckte auch Joes Bein in einer mattschwarzen Lederhose, und während er über die unwirklich erscheinende Szenerie nachdachte, erhielt er auf sein empfindliches Teil einen Stoß, der ihn leicht aufseufzen ließ, und Joe nahm seinen Stiefel herunter. Ein bäriger Ledertyp schlurfte am Tresen entlang, versetzte Gangolf einen Faustschlag, brummte etwas vor sich hin und trollte sich wieder.
- "Hey geil," entfuhr es Joe, "sag' mal, hungerst du, daß du gar so eine dürre Latte bist?"
- "Äh, nein, eigentlich gar nicht, alles Veranlagung", entgegnete Gangolf, "aber du bist ja auch nicht gerade dick!"

In der Tat war auch Joe ein drahtiger Typ, etwas kleiner als Gangolf, damit wirkte er nicht ganz so schlank. Unvermittelt drehte sich Joe in die andere Richtung, schnappte sich eine auf dem Tresen liegende Zeitschrift, blätterte darin umher und begann irgend einen Artikel darin zu lesen. Gangolf kam sich richtig blöd vor: Da fuhr er Dutzende von Kilometern, um diesen Joe zu treffen, und dieser wandte sich ab, um in einer Zeitschrift zu lesen.

'Bin ich hier im falschen Film?' überkam es Gangolf, und er beschloß, Joe ohne Umschweife mit seinem Anliegen zu konfrontieren, sobald er die Zeitschrift wieder aus der Hand legen würde. Er hatte Joe erst zwei- oder dreimal bei einem Vereinsabend der Amateurfunker gesehen, doch ist er nie mit ihm in's Gespräch gekommen. In ihm kam leichter Ärger auf, vor allem ärgerte er sich über sich selber, daß er sich da in eine Sache hineinziehen ließ, die er noch vor wenigen Wochen als völlig undenkbar eingestuft hätte. Er wollte nicht seinen Abend damit verbracht haben, kilometerweit nach Kaiserswuselhausen zu wuseln, in einer muffigen Schwulenbar ein Bier zu trinken, ein paar Faustschläge auf die Schultern abzukriegen, einen Tritt in die Eier zu erhalten, den Geruch des allgegenwärtigen Leders einzuatmen, um nach ein paar blöden Sprüchen wieder nach Hause zu gurken.

Als Joe nach einigen Minuten die Zeitschrift wieder auf den Tresen zurückwarf, räusperte sich Gangolf und sprach zu ihm:
- "Also können wir einmal, wenn es dir paßt, auf die Sache zu sprechen kommen?"
- "Ja klar doch, also schieß' los, was wolltest du da gehackt haben?"
- "Können wir das ein bißchen diskret behandeln, vielleicht in der Ecke da hinten?"
- "Ups, so geheim? Ja, also komm' mit!"
Sie ließen sich von den Hockern rutschen, Joe dirigierte Gangolf in einen Nebenraum, dessen Zugang mit einem schweren schwarzen Vorhang verschlossen war. In diesem Raum war das Licht gleich noch diffuser, drei kleine Deckenstrahler versprühten ein schwaches bläuliches Leuchten. Gangolf fühlte sich unwohl in dieser unheimlichen Umgebung, in diesem fensterlosen Raum mit dem fahlen Licht.

- "Also, um was geht's genau?", wollte Joe wissen, "welchen Code muß ich dir knacken?"
- "Elektronische Fußfessel", entgegnete Gangolf ihm knapp.
- "Was, so richtig eine Fußfessel von den Bullen? Ouh ja", entfuhr es Joe, "das ist mal was Neues, affengeil, zeig' mal her, wo has'te das Teil."
`- "Nein, nicht bei mir, also nicht ich hab' das Teil dran", gab Gangolf zur Antwort.
- "Ein Freund von dir, ich verstehe."
- "Äh, ja, also ein Bekannter", stotterte Gangolf.
-"Muß aber schon ein ganz dicker Freund sein, daß du so was Kriminelles vorhast, aber ist schon klar, so eine Fußfessel ist schon eine verdammte Einschränkung."

'War die arme Magda ein >ganz dicker Freund?<', überlegte sich Gangolf, 'egal jetzt, da muß ich und sie jetzt durch'.
- "Super, geil, bin dabei, wird sicher nicht ganz einfach, endlich wieder mal 'ne richtige Herausforderung, wird nicht ganz billig für euch!"
Gangolf blickte ihn etwas irritiert an und fragte: "Wieviel willst du haben?"
- "Ja aber doch kein Geld, Mann, von so einem geilen Kerl wie dich will ich doch kein Geld, da will ich schon was ganz anders, viel was schöners!"
Gangolfs Verwirrung steigerte sich, ihre Blicke kreuzten sich in dem diffusen Licht des fensterlosen Raumes.

- "Knie dich da an die Säule hin, mit dem Rücken an die Säule!"
Gangolf glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, doch Joe bedachte ihn mit einem strengen Gesichtsausdruck, so daß es Gangolf vorzog, nicht nachzufragen, sondern gehorsam seine Knie auf den Boden setzte.
- "Füße auseinander und jetzt hinter mit dir an die Säule!"
Joe zog Gangolfs Füße nacheinander seitlich an der Säule vorbei. Dann herrschte er ihn an:
- "Hände nach hinten!"

Leicht verängstigt neigte sich Gangolf etwas nach vorne, Joe ergriff nun seine Hände, zog sie, wie zuvor seine Füße, links und rechts an der Säule vorbei nach hinten. Kaum hatte Joe diese Handgreiflichkeit vollzogen, vernahm Gangolf ein ratschendes Geräusch, und gleich darauf spürte er, wie sich etwas um seine Handgelenke spannte, dann gab es nochmals ein kurzes Klicken. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Gangolf begriffen hatte, was mit ihm geschehen ist; als er seine Hände nach vorne ziehen wollte, bemerkte er, daß diese offenbar in Handschellen steckten, daß er somit an die Säule gefesselt worden war. Gerade wollte er den Mund zu einem Protest öffnen, da kam ihm Joe zuvor:

- "Hey, wenn ich schon deinem Typ aus den elektronischen Fußfesseln herausholen soll, dann mußt du mir schon ein bißchen Fesselfreuden an dir gönnen, Freiheitsgewinnung gegen Freiheitsberaubung, einverstanden?"
- "Äh, na ja", stammelte Gangolf, und ohne eine präzisierende Antwort abzuwarten, ratschte es jetzt auch an Gangolfs Füßen. Er drehte sich an der Säule vorbei nach hinten um, soweit es die gefesselten Hände zuließen. Tatsächlich erkannte er in dem fahlen Licht, daß auch seine Füße in Schellen steckten, die denen für die Hände glichen, indes deutlich größer waren. Er wußte gar nicht, daß es solche Schellen auch für die Füße gab, allgemein ist ja nur von Fußketten die Rede. Noch bevor er sich der für ihn völlig neuartigen Situation bewußt geworden war, die der totalen Freiheitsberaubung, dazu in einem finsteren fensterlosen Raum, verspürte er eine gewisse Erregung, er wollte sich das geile Gefühl nicht eingestehen, aber es war da, er konnte es nicht leugnen.

Jäh wurde Gangolf aus seiner neuartigen Gefühlswelt herausgerissen, als Joe mit einem Ring zu ihm kam, an dem zwei Riemen befestigt waren. Darüber hinaus waren an dem Ring gebogene Metallspieße angebracht; Gangolf konnte sich überhaupt nicht erklären, was dieses seltsame Teil für eine Bewandtnis aufsich hatte, doch er sollte es gleich zu spüren bekommen, denn Joe befahl ihm schroff:
- "Maul auf!"

Gangolf blickte erstaunt zu ihm auf, doch Joe fackelte nicht lange, er griff in Gangolfs Haare, zog sie erst seitlich, dann nach hinten an der Säule vorbei. Der leichte Schmerz, aber vor allem der Schreck über diese weitere unerwartete Behandlung führte dazu, daß Gangolf sogleich seinen Mund öffnete. Sofort drückte Joe ihm den Ring in den Mund, zog je einen der beiden Riemen links und rechts an seinen Wangen nach hinten in den Nacken und verband die Enden vermittels einer Schnalle, indem er diese so weit zuzog, daß der Ring fest in Gangolfs Mund zu liegen kam.

- "Hey", wollte sich Gangolf empören, doch es gelang ihm nur, undefinierbare Laute zu lallen, der Ring zwischen seinen oberen und unteren Zahnreihen verhinderte, verständliche Worte zu sprechen. Er versuchte, den Unterkiefer seitlich hin- und her zu bewegen, doch sogleich drückten die vier halbrund gebogenen Spieße in seine Wangen. Gangolf spürte eine aufkeimende Panik in seinem Innersten emporsteigen, doch konnte er sie mit dem Gedanken überwinden, daß er immerhin lallende Schreirufe erzeugen konnte, die wohl durch den Vorhang hindurch bis in den Kneipenraum zu hören gewesen wären. Überhaupt fand er es irgendwie beruhigend, nicht in diesem furchtbaren Raum eingesperrt zu sein, auch wenn ihn die Hand- und Fußschellen hinderten, ihn zu verlassen.
- "Sei still", raunzte Joe ihn an, "oder wills'te noch 'n Knebel dazu haben?"

Freilich war sich Joe bewußt, eine leere Drohung ausgesprochen zu haben, denn ein Knebel würde seinem Vorhaben entgegenstehen. Gangolf schwieg augenblicklich, denn er wollte seine ohnehin schon reichlich prekäre Lage unter keinen Umständen noch verschlimmern.
Fassungslos beobachtete Gangolf aus nächster Nähe, wie Joe das mit Druckknöpfen an der Lederjeans befestigte Vorderteil löste, sofort sprang sein praller Zapfen heraus, er bäumte sich bedrohlich vor Gangolfs verängstigtem Gesicht auf. Joe zog ein Kondom aus einer Gesäßtasche, schob das Gummi über und ging ein paar Schritte zurück zum Lichtschalter.

'Immerhin ist er so anständig und benutzt ein Kondom", kam es Gangolf in den Sinn, denn er ahnte mittlerweile, was Joe als Nächstes mit ihm vorhatte. Dieser schaltete das Licht aus, der Raum war nun vollkommen dunkel. Mit dem Licht ging auch ein Kontrollämpchen in dem Durchgang zur Kneipe aus, das war das Zeichen dafür, daß der Raum belegt war und die darin befindliche Person oder Personen ungestört sein wollten. Vorsichtig tastete Joe sich wieder in Gangolfs Richtung vor, als er Gangolfs Kopf fühlte, nahm Joe mit der anderen Hand sein in Gummi verhülltes Teil, ertastete mit der Spitze des Zeigefingers Gangolfs Mund und schob den Gummibolzen vorsichtig in die Öffnung.

Die totale Finsternis steigerte bei beiden die sexuelle Stimulation: Gangolf verspürte, wie seine Mundhöhle immer weiter gefüllt wurde, seine Zunge war gezwungen, auf einen weichen warmen Gegenstand zu lutschen, ein für Gangolf bis dahin gänzlich unbekanntes Gefühl. Joe hingegen genoß es, Gangolfs Wärme zunächst nur auf der gummibewehren Eichel, dann auch immer weiter in rückwärtiger Richtung des Penis' zu spüren. Ab einem gewissen Punkt mußte Gangolf wider Willen mit massierenden Bewegungen seiner Zunge beginnen, der Würgereiz steigerte sich in's Unermeßliche, Gangolf versuchte vergeblich zu schlucken. Sein Rachen füllte sich mit Speichel, der das unsägliche Geschmackserlebnis bis zum Abwinken steigerte, die Tränen drückten sich aus seinen Augen, es schüttelte ihn am ganzen Leib.

Vergeblich versuchte Gangolf, den Kopf nach hinten zu drücken, um dem unerbittlichen Zapfen zumindest ein Stück weit aus seinem Rachen herauszudrücken, ein geradezu lächerliches Vorhaben: Zum einen hinderte die Säule ihn daran, sein Hinterkopf ruhte bereits an ihr, zum anderen hätte sich Joe nur ein wenig weiter vorbeugen müssen, um den entstehenden Spielraum sofort wieder zu vernichten. Nun versuchte Gangolf mit einer Kopfdrehung, sich Joes Teil zu entwinden, doch spürte dieser sofort die aufkeimende Gefahr, die seinem Lustorgan drohte: Einmal darinnen hätte es Joe eine riesige Enttäuschung bedeutet, wenn es vor dem ultimativen Höhepunkt herausgezogen worden wäre.

Um der drohenden Gefahr zuvor zu kommen, griff Joe mit beiden Händen jeweils seitlich an Gangolfs Kopf, drückte mit den Handballen auf dessen Ohren und schob die Fingerspitzen an Gangolfs Hinterkopf herum, drückte ihn auf diese Weise einen Finger breit von der Säule weg, so daß Gangolfs Kopf nunmehr weder eine Drehung, noch eine Auf- oder Abwärtsbewegung vollziehen konnte. Joes Umgreifung erforderte eine gewisse Kraftanstrengung, die sich automatisch steigerte, sobald Gangolf versuchte, mit einer Kopfbewegung sich Joes Klauen zu entwinden.

Für Joe bedeutete dieses Kräftemessen eine zusätzliche Luststeigerung; während Gangolf mit schnellen Atemzügen durch die Nase den entsetzlichen Würgereiz zu unterdrücken suchte, atmete Joe schwer durch den Mund ein- und aus; obwohl es in dem kleinen Raum stockfinster war, schloß er die Augen und gab sich ganz der Lustentfaltung hin.

Gangolf glaube nicht, daß es noch schlimmer kommen könnte, doch plötzlich krümmte Joe die Finger, seine Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in seinen Nacken, die Handballen rutschten von den Ohren weiter nach unten herab, Joe drückte erbarmungslos mit den Daumen auf seinen Kehlkopf. Gangolf stieß einen erstickten Schrei aus und im gleichen Moment explodierte der Zapfen in seinem Rachen; wäre es nicht ohnehin pechschwarz in dem Raum gewesen, wäre ihm schwarz vor den Augen geworden.

Joe setzte sich irgendwo auf dem Boden und stütze sich mit den Händen nach vorne ab. Gangolf war nahe am Hyperventilieren, rasend schnell, wie sein Herz schlug, atmete er ein und aus, jetzt nicht mehr durch die Nase, sondern durch die wieder frei gewordene Mundöffnung. Allmählich beruhigte sich seine Atmung, er beugte sich vor, soweit es die hinter der Stange gefesselten Hände erlaubten. Nach einigen Minuten normalisierte sich seine Atemfrequenz, nun erst spürte er seine schmerzenden Knie.

- "Das mach' ich nicht mehr mit", raunte er Joe zu, als dieser ihm den Riemen hinter seinem Nacken gelöst und den Ring aus dem Mund gezogen hatte.
- "Ganz im Gegenteil", versicherte Joe ihn, "das wirst du jetzt immer machen, während ich für dich die Algorithmen in den Compu hacke, denn allein muß ich immer einhändig auf der Tastatur herumhacken."
- "Das versteh' ich jetzt nicht, was hat das Tippen auf der Tastatur mit deinem Lustbedürfnis zu tun?"
- "Ganz einfach, weil ich ohne jemand unter meinem Schreibtisch immer nur eine Hand frei habe zum Schreiben!"




























40. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 28.09.21 00:08

Da ist Gangolf ja in eine wirklich prekäre Lage geraten.
41. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 01.10.21 19:36

Tja, was tut Mann nicht alles, um die Herzen der Frauen zu erobern...
Viel Spaß beim Lesen, M a g n u s.



21

Joe trug Gangolf auf, weitere Meßprotokolle zu erstellen: Er mußte wissen, ob sich die Impulsfolgen der Fußfessel änderten, wenn der Aufenthaltsort wechselte. Darüber hinaus sollte er feststellen, was die Fes-sel aussendet, wenn die Akkuladung der Elektronik schwach wird. An der Fessel begann in einem solchen Fall ein rotes Lämpchen zu blinken, im Zehn-Minuten-Abstand ertönte dazu ein kurzer Piep-Ton, um den Träger zu erinnern, die Fessel aufzuladen.
Rein bildlich gesehen bedeutete diese Zeit, an welcher die elektronische Fußfessel mit dem Ladekabel an das Ladegerät verbunden war, die eigentliche Fesselung: Der Träger war jetzt tatsächlich an die Netzsteck-dose gefesselt. Magda wurde damals bei der Einrichtung ihrer Fessel von Hauptwachtmeister Brause instruiert, jeden Abend die Elektronik etwa zwei Stunden lang aufzuladen, spätestens jedoch, wenn der Piep-Ton ertönte und das Lämpchen zu blinken begann. Sollte der Akku in der Fessel restlos entladen worden sein, leuchtet und piept da natürlich nichts mehr, das Ding funkt dann auch nicht mehr in den Himmel zu den alles überwachenden Satelliten mit der Folge, daß in der >GÜL<, der >gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder< in Näherdorf ein Alarm aufliefe. In einem solchen Fall würde sie sofort von der örtlichen Polizeiwache angerufen werden. Sollte sie sich nicht melden, würde umgehend nach ihr gefahndet.

- "Magda, wir müssen heute weitere Tests mit deinem Ding machen", erklärte Gangolf, "wir brauchen die Signale, die das Ding aussendet, wenn du das Haus verläßt und auch, wenn der Ladealarm auslöst".
Längst sprachen sie von dem >Ding<, wenn sie die Fußfessel meinten. Gangolf montierte sich in seinem Golf ein Stromversorgungsgerät, damit er dort über einen 230-Volt-Stromanschluß verfügte.
- "Wie weit darfst du eigentlich hinaus, also außerhalb von deinem Haus dich bewegen?" Gangolf bemerkte, wie Magda mit den Tränen kämpfte. Auch er fühlte sich unwohl bei dem Gedanken, daß ein Mensch eine Pseudo-Freiheit besitzt, daß er sich selbst beschränken, sehr diszipliniert mit seiner kleinen Freiheit umgehen mußte. Lieber würde er, dachte er sich, wirklich gefesselt sein, zum Beispiel mit einer langen Stahlkette, die an einer eingemauerten Öse in der Mitte der Wohnung angebracht ist, so daß er alle Räume betreten könnte, aber eben nicht darüber hinaus.

Da Magda immer noch nicht antwortete, spann Gangolf seine Fessel-Gedanken weiter, denn er erkannte sofort die Schwachstelle an dem realen Kettensystem: Die gefesselte Person konnte sich dann ja nicht versorgen, also Einkaufen gehen, oder auch nur wenige Meter vor die Tür treten, um sich etwas zu bewegen, um frische Luft zu tanken. Ihm kamen teuflische Gedanken in den Sinn: Man müßte einfach die Ketten lang genug machen, einige Hundert Meter, daß der Gefesselte, oder besser geschlechtsneutral gedacht die gefesselte Person, sich entsprechend weit um ihren Wohnsitz herum bewegen könnte.
Lustvoll malte sich Gangolf aus, wie sich die Person abmühen müßte, die schwere Kette hinter sich nach zu ziehen; Hausecken, Verkehrsschilderstangen und Laternenmasten wären exponierte Stellen, wo sich die Kette nicht ohne weiteres herumziehen ließe. Zudem käme die Schmach, in der Öffentlichkeit von jedermann, natürlich auch von jederfrau begafft zu werden, >schau an, eine Elektronische<, es stellt sich die Frage, ob man dann doch nicht lieber gleich im Gefängnis bliebe.
Ideal wäre es freilich, wenn da ein ganz guter Freund wäre, der die Nahrungsmittel und was man sonst für's Leben braucht, alle paar Tage vorbeibringt, dann wäre das Leben in den eignen vier Wände doch noch viel angenehmer als im Gefängnis, auch wenn man Tag und Nacht mit einem Bein angekettet wäre. Gangolfs skurrile Gedankengänge endeten mit der Erkenntnis, daß die Kette selbstverständlich aus speziell gehärtetem Edelstahl sein müßte mit einem exakten elektrischen Widerstandswert, welcher durch eine Auswerteelektronik ständig überwacht würde und bei Abweichungen, welche auf eine Manipulation der Kette hindeutete, Alarm schlug.

Magda hob ihren Kopf und stammelte: "Ich darf mich in der ganzen Stadt bewegen, hat Brause gesagt, aber weiter als zum Markt bin ich noch nie gegangen."
- "Ja, das ist gut", meinte Gangolf daraufhin, doch Magda begann jetzt in Strömen zu weinen.
'O Schreck, was hab' ich bloß Falsches gesagt', schoß es Gangolf durch den Kopf, und gleich darauf kam es ihn: Es war natürlich alles andere als >gut<, daß die arme Magda nie mehr über den Marktplatz hinaus gekommen war.
- "Ach Magda, es tut mir Leid, das wollte ich doch wirklich nicht damit sagen, ich wollte nur ausdrücken, daß ich es gut finde, jetzt zu wissen, wie weit wir gehen können, aber bitte, doch nicht, daß du so eingeschränkt bist in deiner Bewegungsfreiheit, ganz im Gegenteil, ich möchte doch, daß du frei kommst von dem blöden Ding, daß du wieder überall hin kannst, zum Baden fahren, Boot fahren, Urlaub machen!"
Gangolf erkannte, daß Magda fix und fertig war, er umarmte sie, er ergriff ihr Kinn und hob es sanft in die Höhe. Ihre Blicke trafen sich, Magdas Tränenstrom versiegte, und sie sprach schluchzend:
- "Und das würdest du alles tun mit mir?"
- "Aber freilich", entgegnete Gangolf ohne zu zögern. Wieder begannen Tränen über Magdas Wangen zu fließen. Er machte sich ernsthafte Sorgen um sie, warum sie gar so labil war. Warum war sie so mit den Nerven am Ende, jetzt, wo doch er nun schon seit vielen Wochen auf der Bildfläche erschienen ist? Machte er es nur noch schlimmer, das schwere Los zu ertragen, hoffte sie die schnelle Erlösung, verkraftete sie die Enttäuschung nicht, daß er wieder nur irgend welche Messungen durch-führte, anstelle die Zange zu nehmen, das Band durchzuzwicken, ohne daß bei der Polizei ein Alarm ausgelöst werden würde?
'Und dann, wie ist das, wieder allein gelassen zu werden, allein mit dem Ding dazusitzen, das Ladegerät holen müssen, den kleinen Stecker in die Buchse stecken, zwei Stunden an das Stromkabel, so dünn es auch ist, gefesselt zu sein, damit sie wieder vollständig überwacht werden konnte?'
Dann kam Gangolf Martina in den Sinn: 'Hatte ihre Herrin wieder zu dick aufgetragen, war sie der Grund, oder zumindest mit ein Grund für Magdas Verzweiflung?'

Magda schmiegte ihr Gesicht an Gangolfs Brust, er streichelte sie dabei, wuschelte leicht in ihren Haaren, glitt mit den Händen an ihrem Rücken entlang. Der Saum ihres verwaschenen T-Shirts ließ ein Stück Haut an ihrer Taille frei, er berührte ganz sanft die blanke Haut, bewegte im Zeitlupentempo seine Finger darauf hin und her. Sie hob nun den Kopf, blickte ihn mit großen feuchten Augen an. Gangolf wagte es, eine Hand unter ihrem Shirt hindurch auf dem Rücken vorsichtig nach oben zu bewegen. Schon bald fühlte er quer über den Rücken sich hinziehende Unregelmäßigkeiten auf ihrer zarten Haut. Wenige Zentimeter höher wiederholten sich diese ihm zunächst unerklärliche Stellen.
Gangolf hielt inne in seinen Bewegungen und durchbohrte Magda mit einem fragenden Blick. Magda nickte stumm, faßte ihr Shirt mit beiden Händen und zog es über ihren Kopf. Gangolfs fragender Blick wandelte sich in einen begehrenden, doch schnell wurden seine sündigen Gedanken zerschlagen: Magda drehte sich um und Gangolf stockte der Atem, als er ihren Rücken erblickte.

Als sie am Flußufer westlich der Altstadt angekommen waren, parkte Gangolf seinen Golf in eine Parklücke und bat Magda, auf der Rückbank Platz zu nehmen, denn er wollte auf dem Beifahrersitz die Meßgeräte aufbauen. Nachdem er alle Kabelverbindungen hergestellt hatte, wiederholte er die Messungen, die er bereits vor einiger Zeit in Magdas Wohnung durchgeführt hatte. Magda starrte derweil paralysiert aus der Seitenscheibe auf die Schlee; wie lange war es her, daß sie nicht mehr an diesem lieblichen Fluß entlang wandelte, so wie sie das früher so gerne tat. Auch wenn Wachtmeister Brause ihr erlaubte, im gesamten Lüggener Stadtgebiet sich aufzuhalten, wagte sie es nicht, bis dahin zu gehen, denn ihre Angst, sich doch zu weit zu bewegen und am Ende wieder in das Gefängnis zu müssen, überstrahlte alle Wünsche.

- "So, das hätten wir," meinte Gangolf und verfluchte sich, kaum daß er die Worte ausgesprochen hatte.
'Ich hätte das >wir< nicht sagen sollen, Magda kommt sich sicher blöd vor, als ob sie irgend etwas beitragen könnte bei der Sache. Sie war ja im Gegenteil dazu gezwungen, einfach nur dazusitzen und geduldig abzuwarten, bis er fertig war.'
Dieses bedenkend fuhr Gangolf fort: "Also ich meine, ich bin jetzt mit den Messungen hier fertig".
Magda schenkte ihm ein Lächeln, indem sie sich zwischen den Kopf-stützen der Vordersitze vorbeugte.
'Na Gott sei Dank', dachte sich Gangolf, 'daß sie nicht wieder eine Wein-Attacke erlitten hat'.
Er verglich abschließend die Meßsignale mit den bereits damals in ihrer Wohnung aufgezeichneten und gespeicherten Kurven und stellte zufrieden fest, daß die gesendeten Impulsreihen die gleichen sind, der Standort folglich keine Rolle spielte, was die ausgesendeten Signale betraf. Er verstaute die Geräte wieder in den Kofferraum, bat Magda auf den Beifahrersitz, um schließlich auf den Marktplatz zu fahren. Als er dort einparkte, schaute Magda ihn mit großen Augen an.

- "Ja, aussteigen, wir sind da!", scherzte Gangolf, doch sie nahm das für bare Münze, stieg aus, bückte sich nochmals in das Auto und bedankte sich überschwenglich für alles.
Gangolf wehrte ab, erst als er sich endlich auch aus dem Wagen bequemte, sah er, wie sich die Magda bereits deutlich ostwärts davon machte.
- "Magda", rief er ihr nach, "so warte doch, wo willst du denn hin?"
Sie wandte sich um: "Ja nach Hause, danke nochmals, daß du da warst und das alles für mich machst!"
- "Aber nein, halt!", rief Gangolf und lief zu ihr. Er legte seinen Arm um ihre Schulter und zog sie wieder zurück.

Magda war immer noch so überwältigt, zum Eisessen eingeladen zu wurden, daß sie ihren Eiswunsch dem Kellner nicht mitteilen konnte, sie war sprachlos, völlig aufgelöst in Schwäche. Gangolf fragte sie:
- "Willst du vielleicht einen Vanille-Erdbeer-Becher, oder lieber einen Schoko-Becher, so wie ich?"
Magda konnte immer noch nichts sagen, sondern blickte den Kellner verschämt an. Somit ergriff Gangolf das Wort:
- "Bringen Sie uns bitte den Vanille-Erdbeer-Becher und einen Schoko-Becher, dann kann sie sich aussuchen, was sie will, danke!"

Der Kellner bedankte sich seinerseits für die Bestellung. Wortlos saßen sie sich gegenüber, bis der Kellner mit dem Eis kam. Gangolf kam es in den Sinn, wie er mit Martina und mit Bettina beim Eisessen in Grausneg war, jetzt also war er mit der Dritten im Bunde dabei. Mit den anderen beiden war das wesentlich einfacher, die wußten, was sie wollten.
- "Also welchen willst du jetzt?" fragte er Magda, und da sie immer noch schier regungslos dasaß, mischte er einfach die beiden Becher, so daß jeder von beiden etwas von allem abbekam. Magda bedankte sich wieder überschwenglich, ihm war es peinlich, dermaßen für diese kleinsten Gefälligkeiten gelobt zu werden.
- "Das ist doch gar kein Vergleich mit den Mittagessen, die ich immer von dir bekomme, das hier, da kann ich doch gar nichts dafür, das haben die fleißigen Eisköche fabriziert."

Endlich begann Magda ihren Löffel in die Hand zu nehmen. Immer wieder richtete sie ihren Blick auf Gangolf und lächelte ihn an.
- "Du bist so ein guter Mensch", flüsterte sie und streckte die linke Hand nach ihm aus. Er ergriff sie und erst, als sie ihre Becher so weit geleert hatten, daß sie diese leicht schräg anheben mußten, um auch das sich ganz unten gesammelte im Schmelzen begriffene Eis herauszulöffeln, lösten sie ihre Hände. Als sie fertig waren, saßen sie sich wortlos gegen-über, jetzt mit jeweils beiden Armen über die Tischfläche gestreckt.
'Drei Frauen, drei ganz andere Naturen', kam es Gangolf in den Sinn, 'hier die Zerbrechliche, die Zuwendung sucht, dann die Dominante, die zwar auch mit allen Sinnen lieben konnte, aber eben stets dabei die Oberhand behalten wollte, und dann die Gelehrte, die mir durchaus Zuneigung zeigte, aber nicht im erotischen Sinn, sondern auf geistig-geistlicher Ebene'.

Gangolf sinnierte noch eine Weile, hoffte, daß er bald in Magdas Woh-nung die Messungen für den >Betriebszustand< wiederholen konnte, wenn die Fessel-Elektronik vor niedriger Akkuladung warnte. Er ahnte natürlich nicht, was dieser Abend und vor allem diese Nacht noch alles für ihn zu bieten haben würde...




















42. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 08.10.21 19:20

22


In Magdas kleiner Wohnung angekommen baute Gangolf erneut die Meßeinrichtungen auf. Magda beäugte ihn dabei. Schließlich fragte sie:
- "Willst du gleich was zum Abendessen haben oder willst du erst die Messungen durchführen?"
- "Also da richte ich mich ganz nach dir", gab Gangolf zur Antwort und betonte dabei das >dir<. "Es ist deine Wohnung, ich bin der Gast, der sich nach der Gastgeberin zu richten hat!"
Daraufhin eilte Magda zu ihm, kniete sich vor ihm nieder, umfing seinen Kopf mit ihren zarten Händchen und gab ihm einen langanhaltenden Kuß.

Nachdem Magda und Gangolf gegessen hatten, warteten sie darauf, daß der Akku in der Fußfessel erstmals seine zu Ende gehende Ladung melden würde. Sie wußten nicht, wann das geschehen würde, denn Magda steckte jeden Abend brav vor dem Bettgehen das Ladegerät an. Es kam bei ihr nie vor, daß sich das rote Lämpchen mit einem Blinken gemeldet hätte, auch nicht der Piep-Ton. Gangolf stellte sich auf eine lange Wartezeit ein, vielleicht dauerte es die halbe Nacht, vielleicht erreichte der Ladestand erst am nächsten Tag die kritische Schwelle.
- "Erzähl' mir doch ein bißchen von dir", forderte Gangolf Magda auf, "also nur, wenn du das willst, ich will dich natürlich nicht ausfragen und aushorchen."
- "Ach Gangolf, was soll ich da groß sagen, in einem Kinderheim aufgewachsen ohne Eltern, nichts gelernt außer Kochen."

Magdas Stimme stockte und Gangolf fürchtete, daß sie bald wieder zu weinen beginnen würde. Einerseits wäre das für ihre Psyche nicht schlecht, sich endlich einmal alles aus der Seele zu reden, andererseits waren sie beide in ihrer Beziehung noch längst nicht so weit, intimste Dinge sich anzuvertrauen. Gangolf entgegnete:
- "Was heißt da >nichts gelernt außer Kochen<, das ist ein ganz großes Können und du kannst das ganz besonders gut!"
Gangolf hatte das Gefühl, nicht die richtigen Worte zu finden, zu sehr war er in dem Moment von dem Gehörten beeindruckt, ohne Eltern aufgewachsen zu sein, in einem Kinderheim, nichts gelernt zu haben,
'verdammt, verdammt, verdammt', fluchte er im Geiste vor sich hin, 'was haben die da nur mit ihr gemacht!'
Er ahnte das Schlimmste und es kam ihm in den Sinn, daß sie sich irgendwann dermaßen gegen die ewige Bevormundung gewehrt hätte, daß es dann richtig krachte. Er verdrängte die Gedanken und nahm sich vor, an etwas anderes denken zu wollen.

- "Was machst du hier, wenn du allein bist, bevor du zu Bett gehst?", versuchte Gangolf ein anderes Thema anzuschlagen.
- "Meistens schalte ich den Fernseher ein, leg' mich dazu in's Bett und schließ' das Ladekabel an die Fessel an".
- "Ja, dann mach' doch das jetzt auch, also daß wir gemeinsam was anschauen, aber halt gerade nicht das Ding aufladen, damit ich dann messen kann, wenn es die schwächer werdende Ladung meldet."
- "Was möchtest du denn sehen?" wandte sie sich an Gangolf und holte dabei die Fernbedienung hervor, "da, nimm' und such' dir ein Programm aus."
- "Aber nein, Magda, es ist wie mit dem Abendessen, du bist hier diejenige, die anschafft, ich bin der Gast."

Freilich hätte Gangolf nur zu gern die Programme durchgezappt, bis er bei einem Film hängen geblieben wäre, wo schöne Frauen mitspielten, noch besser, wo eine kesse Kommissarin unerschrocken die Schurken jagte und ihnen Handschellen anlegte. Doch genau das wollte er Magda natürlich nicht zumuten, so zappte er weiter und blieb bei einem Film stehen, wo Kajaktouren durch die mecklenburgische Seenplatte gezeigt wurden.
- "Leg' dich doch hin, wie du es immer tust", empfahl Gangolf ihr, ich bleib' hier sitzen und wenn das Ding pfeift, dann schalt' ich die Meßgeräte ein".
- "Ich geh' erst mal ins Bad", entschuldigte sich Magda und verschwand in die winzige Badzelle. Als sie wieder herauskam, trug sie einen geblümten Pyjama, sie sah richtig gut darin aus im Vergleich zu ihren sonstigen schäbigen Kleidungssachen. Verstohlen blickte sie zu Gangolf und zu seiner größten Überraschung ergriff sie seine Hände und zog ihn zu ihrem als Bett dienendem Sofa.
- "Paß' auf die Dachschräge auf".
- "Äh, ja wart', ich müßte auch erst einmal auf's Klo und dann wollte ich mir doch die Hose ausziehen, um nicht dein Bett damit zu beschmutzen.
Als er jetzt nur mit dem T-Shirt und der Unterhose aus der Badzelle heraustrat, kam er sich schäbig vor, so vor die junge Frau zu treten. Doch Magda winkte ihn heran:
- "Komm' schnell mit her, schau, wie schön die da mit ihren schmalen Booten rudern, ach, das wäre so schön, hast du so was schon einmal gemacht?"
Gangolf war gerührt, er konnte ihr das nicht antun, wenn er jetzt die Wahrheit sagte. Er wich aus:
- "Ich versprech' dir, wenn es uns gelungen ist, dein blödes Ding da zu knacken, dann machen wir eine Kajaktour, solange du es möchtest, so weit du es magst, wohin du willst."
Magda zog ihn ganz nah zu sich heran, Schulter an Schulter saßen sie eng aneinander.

Als die Sendung zu Ende war, schaltete Magda den Fernseher aus. Sie fragte Gangolf:
- "Sag' mal', wartet niemand auf dich bei dir zuhause?"
Er war über diese Frage erstaunt, andererseits war es eigentlich logisch und auch sehr anständig, daß sie ihn das fragte. Er antwortete:
- "Nein, bei mir wartet niemand, und wie sieht es bei dir aus, kommt manchmal ein Prinz zu dir?"
- "Ja", hauchte sie ihn jetzt an und umarmte ihn dabei, "ja, heute erschien ein Prinz - und er ist immer noch da."

Magda entledigte sich ihres Oberteils, ließ sich auf das Kopfkissen fallen und zog dabei ihren Prinz mit auf sich. Gangolf konnte sich gerade noch rechtzeitig abstützen, um nicht mit dem gesamten Gewicht seines Oberkörpers auf ihr zu landen. Er winkelte seine Beine an und rutschte damit tiefer, um mit seinen Lippen die zarte Haut entlang ihrer Taille zu berühren. Langsam arbeitete er sich weiter hinauf und kam mit seinem Mund zwischen ihren Brüsten an. Es elektrisierte sie beide, als seine Wangen links und rechts ihre Brüste streiften, dann wanderten seine Lippen zuerst auf die linke, nach einigen Minuten auf die rechte Brust, seine Lippen umfaßten ganz vorsichtig ihre Brustwarzen und drückten sie leicht zusammen.
Gangolf hob seinen Kopf leicht an, auf diese Weise wurde Magdas Brust leicht nach oben gezogen, beide spürten eine anschwellende Erregung.

Nach einer Weile ließ er die Brust wieder absinken, öffnete leicht den Mund, legte ihn um die Brustwarzen und begann zu saugen. Er spürte, wie sich die Warzen ihren Weg durch seine Zahnreihen bahnten, er erhöhte den Saugdruck, bis einiges ihres Brustfleisches in seinen Mundraum gelangte, öffnete den Mund weiter, hielt dann den Atem an.
Magdas Augen begannen zu glänzen, ihre Lippen formten sich zu einem breiten Strahlen. Gangolf schloß langsam seinen Mund, die Zähne griffen in das Brustfleisch, seine Zungenspitze betupfte ihre Warze. Hingebungsvoll breitete Magda ihre angewinkelten Arme symmetrisch rechts und links neben ihrem Kopf auf dem Kissen aus.

Als Gangolf nach einiger Zeit ihre Brust entließ, hauchte Magda:
- "Stütz' dich auf meinen Armen ab".
Gangolf kam diese Aufforderung sehr gelegen, denn er wollte seine Körperhaltung tatsächlich etwas auflockern und entspannen. Er ergriff Magdas Unterarme und stützte sich darauf ab; das Gewicht seines Ober-körpers drückte ihre Arme tief in das Kissen, ihr Oberkörper wurde dadurch etwas hervorgehoben. Ihre vollen Brüste grüßten ihn wie überdimensionale Augen, auf den Warzenhöfen zeichneten sich Gangolfs Bißspuren ab. Sein Teil bäumte sich spürbar in dem engen Höschen auf, er ruschelte mit seinem Unterleib etwas hin und her, um ihm Erleichterung zu verschaffen, als er plötzlich auf Magdas Unterleib eine harte Stelle verspürte.
Magda flötete: "Martina hat den Schlüssel".

Gangolf war leicht irritiert, jäh fiel ihm ein, daß tatsächlich Martina bei ihrem ersten gemeinsamen Besuch Magdas Haustür aufgesperrt hatte; somit konnte Martina jederzeit einfach in Magdas Wohnung hereinkommen. Magda bemerke Gangolfs Irritation, sie hauchte: "Es tut mir Leid, es wäre so schön jetzt".
Erst jetzt begriff Gangolf, daß sie nicht den Haus- und Wohnungstürschlüssel gemeint hatte.
'Diese verdammten Käfige', fluche Gangolf im Gedanken, 'doch wer weiß, wozu es gut ist'.
Er hob nacheinander seine Beine, um das Höschen von seinem Leib herunterzuziehen, entledigte sich seines T-Shirts und zog dann auch Magdas Pyjama-Hose herunter. Einen Augenblick lang starrte er auf das glänzende Metall, das ihre Taille umschloß und an der Mitte einen Abzweig hatte, der nach unten in ihren Schritt führte.
- "Fessel mich", bat Magda ihn und streckte ihr Hände ganz nach oben durch die Sprossen der Armlehne des Sofas hindurch, ihren Kopf zwischen den Oberarmen eingeklemmt. Gangolf richtete sich auf und ließ seinen Po nach hinten auf Magdas Knie sinken. Seine Füße hielt er an ihre Schenkel gedrückt, halb kniend, halb sitzend beugte er sich leicht seitlich herunter, um nach seinen Chucks zu angeln. Nachdem er diese heraufgeholt hatte, stellte er sie vorsichtig dort ab, wo dickere Menschen üblicherweise ein Bäuchlein hatten, doch bei der gertenschlanken Magda befand sich über der stahlumrankten Taille eine Mulde in ihrem Oberleib. Deutlich zeichneten sich die untersten Rippen ihres Brustkorbs ab, als sie gestreckt vor ihm lag.

Hurtig zog Gangolf die Schnürsenkel aus seinen knöchelhohen Chucks, stellte die Schuhe wieder neben der Liegestatt auf den Fußboden und fesselte Magdas Handgelenke an die Sprossen. Wieder hatte er alle Not, seine Erregung im Zaum zu halten, den Höhepunkt wollte er sich mit Magda teilen. Er verließ seine knieend-sitzende Position, stützte sich mit den Ellenbogen neben Magdas Schultern ab, wuschelte ihre Haare, drückte die Strähnen an ihre Ohren und hielt auf diese Weise ihren Kopf mit seinen Händen umfangen.
Magdas Gesicht strahlte verklärt, auch Gangolf verspürte die in sich aufbrechende Wallung, er küßte sie auf die Stirn und begann, mit seinem besten Teil auf dem metallenen Schrittband ihres Gürtels auf- und abzureiben. Obwohl das Eisen natürlich alles andere als weich war und rein physikalisch-sachlich betrachtet das Reiben auf dem harten Teil mit seinem empfindlichsten Körperorgan schmerzhaft sein mußte, steigerte sich dieser nicht als Schmerz empfundene Reiz zu einem unsäglichen Glücksgefühl.

Mitten in der Lustbewegung spürte Gangolf plötzlich eine Hitzeentfaltung an seinem Hodensack, Magdas heiße Flüssigkeit rieselte durch die Löchlein im unteren Teil des gemeinen Eisens, welches den Zugang in ihre Höhle verhinderte, Dank der Löchlein indes den reinsten Wein aus der Höhle heraustreten ließ. Im selben Augenblick schoß es aus Gangolfs Kanonenrohr heraus, er hielt mit der Bewegung ein, beide atmeten schwer, Magda verschoß die Augen, Gangolf winkelte die Beine an, um auf Magdas Leib etwas weiter fußwärts zu rutschen, kraftlos streckte er seine Arme durch und legte sein Haupt auf Magdas linke Schulter und seinem sich daran angeschmiegten Oberarm.

Irgendwann in der Nacht wurde es Gangolf kühl, er zog die bis dahin seitlich verruschelte Bettdecke über ihre beiden nackten Körper und versuchte dabei, sich möglichst wenig zu bewegen, um nicht Magda aufzuwecken. Sie hat sich im Schlaf nach rechts gedreht und lag jetzt auf ihrer rechten Schulter. Er knipste das Wandlämpchen aus, das leuchtturmartig einen friedsamen Strahl über ihr Lustnest gebreitet hatte. Schließlich hob er sein linkes Bein näher zu sich heran und kuschelte sich, gleichfalls auf der rechten Seite liegend, ganz nah an Magdas leicht abgewinkelte Körperlinie. Sein Lustbolzen kam jetzt auf dem hinteren Teil des Schrittbands zu liegen mit der ovalen Öffnung, die über Magdas Poloch zu liegen kam.

Mit den Zehen seines linken Fußes zog er die Bettdecke tiefer, damit Magdas Füßchen unter ihr zu liegen kamen, denn er fühlte, wie diese bereits deutlich ausgekühlt hervorlugten. Bei dieser Bewegung stieß er an das Ding, mit dem sie psychisch gefesselt lag, und das der eigentliche Grund für sein nächtliches Dasein war. Mit dem Gedanken daran, daß er völlig nackt an Magdas Seite geschmiegt lag, während sie gleichfalls nackt, indes mit dem Keuschheitsgürtel und der elektronischen Fußfessel beringt war, senkte sich der Schlaf auf ihn herab.

Es war geradezu vollkommen selbstverständlich, daß beide, jetzt im traumreichen Tiefschlaf gefangen, unter einer dicken Bettdecke eingehüllt, nichts mehr um sich her wahr nahmen, und so kam es, wie es kommen mußte...






































43. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 15.10.21 23:24

Hallo M A G N U S,

Zitat

Und schon wieder ist eine Woche um; das merke ich vor allem daran, daß wieder eine Fortsetzung fällig wird!
Magnus.


In wenigen Minuten schließt sich das wöchentliche Zeitfenster für eine weitere Fortsetzung deiner tollen Geschichte.

Bitte......

mfg

44. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 16.10.21 06:21

Hallo Sarah, liebe Leser!
Endlose Debatten, ob frau mit 62 Jahren noch Overknee-Stiefel tragen dürfte, ohne sich abgrundtief genieren zu müssen, ließen die Zeit gestern Abend dahin rinnen, so daß ich entschieden hatte, lieber jetzt, am Samstag Morgen etwas früher aufzustehen, um die nächste Episode zu veröffentlichen; gute Unterhaltung wünscht M a g n u s .



23

Angeblich ist die Koinzidenz eine Männern schwer zu Schaffen machende Erscheinung, das Zusammentreffen von gleichzeitig ein-tretenden Ereignissen, die parallel zu einander verarbeitet werden müssen, aber ursächlich nichts mit einander zu tun haben. Hauptwachtmeister Schlafgern unterlag dieser angeblich typisch männlichen Schwäche, als in der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag zwei Telephonanrufe unmittelbar hintereinander in der Polizeidienststelle in Lüggen eingingen; während in der Nacht zum frühen Morgen hin üblicherweise lähmende Ruhe im Revier herrschte, wurden jetzt gleich zwei Kriminaldelikte gemeldet.

Um 3.20 h ging der erste Anruf einer Anwohnerin ein, die laute Geräusche an dem Tor einer benachbarten Lagerhalle vernommen hatte. Als sie aus dem Fenster ihres Schlafzimmers sah, gewahrte sie im fahlen Mondlicht tatsächlich einen Mann mit einer dünnen Stange in der Hand, der offenbar ein Schloß aufgebrochen hatte. Hauptwachtmeister Schlafgern notierte die Daten der Anruferin und war im Begriff, sich umzudrehen, um mit der an der Rückwand befindlichen Funkstation eine Meldung an den Streifenwagen herauszugeben, als das Telephon erneut schrillte. Dieses Mal war es die GÜL, die zentrale Überwachungsstelle für fußgefesselte Delinquenten, ein Beamter meldete Alarm für eine unter Überwachung stehende Person in dem Zuständigkeitsbereich der Lüggener Polizei. Die GÜL kannte nicht den Namen des Überwachten, es wurde nur die dieser Person zugeordnete Überwachungsnummer ausgetauscht.

- „Ja, danke, soeben erhielten wir bereits eine Meldung, Herr Kollege, danke nochmals“, sprach Schlafgern mit leicht erhöhtem Herzschlag zu seinem Kollegen in Näherdorf, dieser wunderte sich, wie seine Alarmmeldung bereits nach Lüggen durchgedrungen sei, ging aber nicht weiter darauf ein. Schlafgern setzte nun einen Funkspruch ab:
- „... aber seid vorsichtig, der Einbrecher ist vermutlich bewaffnet, er steht vermutlich unter der Gülle-Beobachtung, und die schlug soeben Alarm, also wenn ihr ihn habt, seht `mal nach, ob er noch seine elektronische Fußfessel am Bein hat!“

Als Gernschlaf am Morgen danach gefragt wurde, ob er das Wörtchen >vermutlich< bei seiner Meldung verwendete, gar mehrfach, konnte er das nicht mehr mit Sicherheit sagen, jedenfalls kam es zu einem folgenschweren Mißverständnis: Der KfZ-Teile-Händler Samel fuhr mitten in der Nacht zu seinem Außenlager, um für eine Autowerkstatt ein dringendes Ersatzteil zu holen; es handelte sich um das Fahrzeug eines noblen Kunden, der Wagen mußte unbedingt bis zum Morgen repariert sein.

Samel sicherte die Tür seines Lagers in der alten aus DDR-Zeiten stammende Halle mit einem einfachen Vorhängeschloß, damit Einbrecher von vorne herein gar nicht auf die Idee kämen, daß sich in dem verlassen und verfallen wirkenden Gebäude irgend welche stehlenswerten Gegenstände befänden. Leider hatte er das Schlüsselein tags zuvor in der Tasche einer anderen Jacke stecken lassen, die im Schlafzimmerschrank hing. Da er um den notorischen Schlafmangel seiner Frau wußte nach der erst wenige Tage zurückliegenden Geburt der Tochter, wollte er nicht nach Hause fahren, sondern betätigte sich als Einbrecher in das eigene Gebäude.

Nach einigen Minuten hatte Samel das gesuchte Ersatzteil gefunden, schaltete das Licht aus, und gerade in dem Augenblick, als er durch die Tür in’s Freie trat, kam der Streifenwagen herangefahren. Im Strahl des Scheinwerferlichts sahen die Streifenpolizisten den vermeintlichen Einbrecher stehen, wie dieser verdutzt in das blendende Licht blickte, während die Polizisten aus dem Auto sprangen und seitlich im Schatten des Scheinwerferkegels stehen blieben.
Samel ließ, wie ihm befohlen wurde, das Ersatzteil fallen; als die Polizisten sich vergewissert hatten, daß er dem ersten Anschein nach allein und unbewaffnet war, näherten sie sich ihm und legten ihm Handschellen an. Samel begann sofort, sich zu rechtfertigen, daß es sein Lagergebäude sei und daß er lediglich seinen Schlüssel vergessen habe und daß er ein dringend benötigtes Ersatzteil holen wollte.

- „Ja, ja, und das mitten in der Nacht“, entgegnete ihm einer der beiden Polizisten, „laßt’ euch doch `mal eine andere Ausrede einfallen!“
Während Samel erneut anhub, den Sachverhalt darzulegen, griff ihm der Polizist an das Knie und zog den Stoff der Hosenbeine in die Höhe. Mit seiner Taschenlampe beleuchtete er die Knöchel. Samel wurde jetzt richtig ärgerlich:
- „Hey, lassen Sie das, sind Sie schwul oder was, meine Eier sind übrigens weiter oben, nicht am Knöchel!“
Jetzt mischte sich der andere Beamte beschwichtigend ein:
- „Wir fahren jetzt einfach zu Ihnen nach Hause, dann zeigen Sie uns den Schlüssel für das Vorhängeschloß, das nehmen wir hier gleich mit; wenn Schlüssel und Schloß passen, dann ist alles geklärt!“
Der andere Polizist ergänzte: „Und dann zeigen Sie uns auch gleich die Fußfessel, die Sie offensichtlich entfernt haben!“
- „Was für eine Fußfessel?“, empörte sich Samel, „lassen Sie mich endlich geh’n. Und zu mir nach Hause fahren geht schon gar nicht, meine Frau braucht dringend den Schlaf und die Aufregung, das verkraftet sie nicht!“
- „Bringen wir ihn erst `mal auf die Wache“, entgegnete der andere Beamte und dirigierte Samel zum Polizeiauto.

Nach wenigen Minuten gelangten sie zu dem altehrwürdigen Polizeigebäude an der Straße nach Leipzig. Samel beschloß während der Fahrt, eisern zu schweigen, vor allem nicht seinen Namen zu nennen, denn er wollte jegliche Beunruhigung für seine Frau und dem Neugeborenen verhindern. Als er bei dem Verhör tatsächlich beharrlich schwieg und nur den Sachverhalt wiederholte, den er bereits am vermeintlichen Tatort geschildert hatte, sperrte man ihn einvernehmlich in die Polizeizelle ein. Samel selbst schlug das vor, erst nach Tagesanbruch wollte er seinen Namen und seinen Wohnort nennen.

Hauptwachtmeister Brause war in dem Alter, in welchem er keinen Nachtdienst und gewöhnlich auch sonst keinen Schichtdienst mehr absolvieren mußte; im Innendienst tagsüber war er eine wertvolle Hilfe im Revier, denn sein Erfahrungsschatz, den er sich im Laufe von fast 40 Jahren Polizeidienst angeeignet hatte, schien unermeßlich zu sein. Er spürte genau, wenn ihm etwas seltsam vorkam, andererseits ignorierte er erstaunlich oft Hinweise und Meldungen, die sich dann meist tatsächlich als unbedeutende Randerscheinungen im gesellschaftlichen Alltag erwiesen.

An diesem Morgen war es anders; da einige Kollegen erkrankt waren, andere im Urlaub, wieder andere an auswärtigen Lehrgängen teilnahmen, selbige Brause spöttisch als >Leergänge< schmähte, sah er sich an diesem Morgen genötigt, bereits um sechs Uhr im Schichtdienst mitzuhelfen. Etwas mürrisch kam er gegen dreiviertel sechs in’s Revier und erfuhr erstaunt, daß ein Einbrecher auf frischer Tat gefaßt worden war und daß dieser Einbrecher sich freiwillig einsperren ließ, nur daß seine Familie in der Nacht unbehelligt bliebe.

‚Da stimmt was nicht’, brummte Brause, und als er dann noch erfuhr, daß dieser Einbrecher ein Fußfesselträger sei, der seine Fessel vom Knöchel ablöste und somit Alarm in der Gülle auslöste, brauste Brause auf:
- „Und da ist keiner von euch auf die Idee gekommen, nachzusehen, wie die Person unter der durchgegebenen Überwachungsnummer heißt und wo sie wohnt?“
Betroffen blickten sich die beiden Streifenpolizisten gegenseitig an, Brause echauffierte sich weiter:
- „Wir haben im ganzen Bereich ohnehin nur eine überwachte Person, und das ist eineeee Überwachte, eine junge Frau in der Altstadt drüben, gleich über dem Markt; jetzt holt mir gleich den Kollegen herein, der den Gülle-Anruf entgegen nahm!“

Nach kurzer Zeit kam der betreffende Polizist herein und gab kleinlaut zu, daß er da wohl ganz unbewußt einen Zusammenhang zwischen dem gemeldeten Einbruch und dem GÜL-Alarm herstellte. Er räumte ein, daß es nur seine Vermutung war, die er bei dem Funkspruch den beiden Streifenkollegen äußerte, keiner der drei konnte sich erinnern, ob das Wörtchen >vermutlich< Verwendung fand oder nicht. Brause setzte der Debatte ein Ende:
- „Das ist jetzt auch egal, es ist geschehen und ich werd’ den armen Kerl jetzt gleich holen.“
Nach einer kurzen Gedankenpause fuhr er fort: „Was hat er da gesagt, daß er geholt hat, Auto-Erstatzteile?“
- „Äh, ja, glaub’ ich jedenfalls“, stotterte einer der beiden Streifenbeamten, der andere stimmte ihm zu.
- „Und wo war das?“ wollte Brause weiter wissen.
- „Da wo die alten Hallen stehen hinter der katholischen Kirche“.
- „Ah, da weiß ich schon, wer das ist, das ist sicher der Samel, schon sein Vater hatte dort einen Teile-Handel, bei dem has’te alles gekriegt, war `n toller Kumpel“.

Wortlos schauten ihm seine drei Kollegen nach, als Brause sich erhob, um zur Arrestzelle zu schlurfen.
- „Guten Morgen, Brause mein Name, sind Sie Herr Samel?“
Samel blickte erstaunt aus seinen müden Augen in das freundliche Gesicht des Fragenden.
- „Ja. – Wie sind Sie jetzt darauf gekommen? Ach ja, über mein Auto natürlich, daher wissen Sie das.“
- „Sie sind mit dem Auto dort hingefahren?“ Die Verwunderung lag jetzt bei Brause.
- „Ja freilich, ich kann ja nicht hinfliegen“.
- „Und da sind meine Kollegen, diese Idioten, entschuldigen Sie, daß ich das jetzt einmal sagen muß, gar nicht drauf gekommen, Sie haben ihr Auto vermutlich nicht versteckt abgestellt, sondern wohl ganz normal vor das Tor ihres Lagers?“
- „Ganz genau!“
- „Jetzt kommen Sie, ich fahr’ Sie zu ihrem Auto, doch zuvor halten wir am Markt an und ich lade Sie zu einem prächtigen Frühstück ein, ihrer Wahl, auf unsere Kosten natürlich, ich hab’ auch noch nicht gefrühstückt“.

Brause und Samel reichten sich die Hände, ohne Vernehmung, ohne Gesprächsnotiz, brauste Brause mit dem vermeintlichen Einbrecher im nächstbesten Polizeifahrzeug davon Richtung Innenstadt. Brause war tief beeindruckt, wie rücksichtsvoll Samel gegenüber seiner Frau mit dem neugeborenen Kind war, da nahm dieser lieber erst einmal ein paar Stunden Arrestzelle in Kauf. Brause selbst hatte größtes Verständnis für die Ruhebedürftigkeit junger Mütter, er selbst ist vor kurzem Großvater geworden und er kann am Beispiel seiner Tochter nur zu gut mitfühlen, was stillende Mütter leisten, die ganze Nacht über.

Als sie ihr reichhaltiges Frühstück beendet hatten, während dessen sie sich über die alten Zeiten austauschten und Brause immer wieder betonte, wie gefällig Samels Vater vor über 40 Jahren war, als es für ihn als Jugendlicher schwierig war, an Moped- und Motorradteile heranzukommen, brachte Brause zu Samels Lieferwagen, der glücklicherweise, obgleich nicht abgesperrt, unbeschadet im Hof stand. Im Morgenlicht glänzten die Buchstaben auf dem Wagen:
- >Eugen Samel – KfZ-Ersatzteile – Lieferdienst<
Insgeheim war Samel froh über die aufmerksame Nachbarin, die das von ihm erzeugte Einbruchsgeräusch meldete, es hätte sich ja auch um einen illegalen Einbruch handeln können.

Auf dem Rückweg kam Brause noch etwas anderes in den Sinn, er mußte jetzt eine weitere dienstliche Handlung vollziehen, und er fuhr nochmals zum Markt zurück, um von der Bäckerei, in welcher er soeben mit Samel gefrühstückt hatte, frische Semmeln für einen Besuch einzukaufen...























45. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 22.10.21 00:04

Da bin ich doch gespannt, welche Situation der Hauptwachtmeister Brause bei seinem Besuch vorfindet.
46. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 22.10.21 20:11

Voilà...

24


Wie von einer Tarantel gestochen sprang Magda aus dem Bett, als die Haustürklingel ertönte. Gangolf war schon einige Zeit etwas wach, er döste an Magdas Seite in einem Dämmerzustand zwischen Schlaf und Hellwachsein.
- "Schnell, zieh' dich an", rief Magda in größter Erregung, "sie darf dich nicht so sehen, sie schlägt mich tot!", kreischte Magda geradezu. Verdutzt rieb sich Gangolf den Schlaf aus den Augen, als ihm schon sein T-Shirt und seine Jeans entgegenflogen. Langsam dämmerte es ihm, daß Magda wohl Martina meinte, und sie vor ihr offensichtlich panische Ängste hatte.
'Wie kam sie nur in so eine wahnsinnige Abhängigkeit, eine Hörigkeit, daß es so was überhaupt gibt', kam es Gangolf in den Sinn, als er sich seine Kleidungsstücke anzog. Da auf den Stufen draußen immer noch keine Tritte zu hören waren, die Martinas Kommen verkündet hätten, ging Gangolf zum Fenster, öffnete es und gewahrte zu seiner Überraschung unten vor der Haustür Wachtmeister Brause. Dieser hob seinen Blick zu ihm herauf und grüßte ihn:
- "Guten Morgen Herr Stumpf, freut mich, Sie zu sehen, ist denn Marlies auch da?"
'Marlies, Marlies?' grübelte Gangolf, wahrscheinlich meinte er Magda.
- "Ja", rief er, "ich komme gleich herunter!"
'Was will denn der schon hier in aller Frühe', überlegte Gangolf. Er schlüpfte in seine Chucks, ohne sie zuzubinden, und war schon fast an der Wohnungstür, als sein Blick auf die Meßgeräte fiel, die mitten auf dem Tisch standen.
'Verdammt, wohin mit ihnen nur?', brummelte er vor sich hin, denn in der engen Wohnung stand jedes Fleckchen mit irgendwelchen Gegenständen voll. Schließlich stapelte er die Geräte vor das Bett und zog die Bettdecke darüber, die somit halb auf dem Boden, halb auf dem Bett zu liegen kam. Dann eilte er die Stiege hinunter, um Brause hereinzulassen.
"Ich will nicht lange stören", entschuldigte sich Brause. Aus seiner Tüte duftete es verheißungsvoll, Gangolf ging in die Offensive:
- "Haben Sie was Gutes mitgebracht?"
- "Ja, ich kam g'rad am Markt vorbei und ich muß ohnehin mit Marlies sprechen, also alles kein Problem, seien Sie unbesorgt!"
Brause blickte verstohlen auf die etwas unnatürlich sich ausbreitende Bettdecke und gewahrte verschiedene Kabel, die darunter hervorlugten, doch er wendete schnell seinen Blick auf den Tisch zurück uns ließ sich sein Erstaunen über die rätselhafte Augenfälligkeit nicht anmerken.

Magda war damit beschäftigt, die Kaffeemaschine mit Wasser und Kaffeepulver zu befüllen, als die beiden Männer die Stube betraten.
- "Guten Morgen Frau Armdran", rief Brause frohgemut, "ich hab' was vom Markt mitgebracht".
Er stellte die Tüte mitten auf den Tisch, Magda kam mit Geschirr aus der Küche, sie erwiderte seinen Gruß mit den Worten:
- "Schön, daß Sie wieder `mal da sind, ich hab' grad Kaffee zubereitet. Er wird gleich fertig sein!"

In gewisser Weise mochte sie Brause, auch wenn er als Polizist Repräsentant der Staatsmacht und damit indirekt mitschuldig an ihrem Schicksal war, vermeinte sie, in seiner Gegenwart eine Aura väterlicher Umsorgung zu verspüren.
- "Ja nur langsam", entgegnete Brause, "und bitte entschuldigen Sie die frühe Störung. Eigentlich hab' ich ja schon gefrühstückt, aber wissen Sie, es heißt doch: >Ein leerer Sack steht nicht!<"
Dabei streichelte er sich über seinen deutlich hervorstehenden Bauch und rückte seine Krawatte zurecht, daß sie genau in der Mitte darauf zu liegen kam. Als schließlich alles bereitet war für das gemeinsame Frühstück, nahm Brause einen großen Schluck aus seiner Tasse, biß in seine dick mit Marmelade beschmierte Semmel und räusperte sich:
- "Also, Frau Armdran, ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, wenn ich das jetzt in Anwesenheit von Herrn Stumpf sage, aber ich glaube doch, daß Sie sich bereits so gut kennen und längst wissen, was los ist."
Magda und Gangolf hielten in ihren Kau- und Schluckbewegungen ein und sahen ihn erwartungsvoll an. Er fuhr fort:
- "Heute Nacht, eher gegen Morgen wohl, kam aus der zentralen Überwachungsstelle eine Alarmmeldung, daß da was nicht stimmt. Bitte nehmen Sie mir das nicht übel, mir war vollkommen klar, daß ich Sie hier antreffen werde, also war das wohl ein Fehlalarm mit ihrer Fußfessel".

‚Als ob es >meine< Fußfessel sei’, ärgerte sich Magda im Stillen, ‚es ist euere und ich muß sie dran haben als Klotz am Bein’.
Gangolf fiel es wie Schuppen von den Augen: Die elektronische Fußfessel war entladen.
- "Würden Sie mir einen Blick darauf werfen lassen?" fragte Brause höflich, aber mit einem fordernden Unterton. Magda streckte ihr linkes Bein in die Höhe und zog dabei den Stoff der Hose etwas zurück.
- "Wir haben vergessen, es zum Aufladen", verhaspelte sich Gangolf, "wir waren gestern Nacht so im Gespräch vertieft, ach, ich bin schuld daran!"
- "So was kommt vor, ist doch kein Problem, deshalb bin ich ja gleich gekommen, wie oft hab ich schon das Dingens da nicht aufgeladen, und am nächsten Morgen war es dann leer".
Bei diesen Worten zog er sein Smartphone heraus und bat Gangolf: "Wären Sie so nett und geben Sie mir `mal ihre Nummer, dann könnte ich Sie einfach anrufen, falls da wieder einmal was sein sollte; es soll ja auch vorkommen, daß einfach ganz grundlos ein Alarm kommt."
Ganz wohl war es Gangolf nicht dabei, als er Brause die Nummer mitteilte. Dieser speicherte sie denn auch gleich in sein Kontakte-Verzeichnis. Gangolf fragte:
- "Haben Sie nicht die Festnetz-Nummer von Magda hier?"
- "Ja, ich glaub' schon, Moment, ja da steht es, Armdran Marlies; aber jetzt sagen Sie `mal, gerade haben Sie von Magda gesprochen, haben wir da einen Fehler?"
Magda errötete leicht, Gangolf blickte irritiert zwischen beiden hin und her. Schließlich klärte sie auf:
- "Mein richtiger Vorname ist schon Marlies, aber meine Freundin meinte, zu mir paßt besser Magda".
'Vermutlich assoziierte Martina mit Magda einfach den Begriff der Magd', sinnierte Gangolf,
'ob die beiden wüßten, was es mit der biblischen Magdalena auf sich hat, eine Figur, die in der Forschung wohl immer noch nicht restlos geklärt worden ist. Sie sollten sich das am besten einmal von der Pfarrerin darlegen lassen.'

-

Endlich war es ihnen gelungen, die Vorwarnung des Entladezustands der elektronischen Fußfessel abzupassen, ohne daß sie in der Wartezeit wieder zusammen eingeschlafen waren. Schüchtern meldete sich das Überwachungsteil mit einem dezenten Piep-Ton, das rote Lämpchen blinkte fleißig. Gangolf konnte die Messungen vervollständigen; zu seiner Verwunderung war dieser Betriebszustand der Vorwarnung nicht in die Impulskette mit eingebaut, das Gerät war somit einfallslos: Es lieferte an die Satelliten und an die Mobilfunkmasten immer die gleichen Impulsfolgen auf den festgelegten Frequenzen, ganz gleich, ob der Akku voll aufgeladen war oder nicht. Das kam seiner Absicht entgegen, ein einfaches Gerät zu konstruieren, das sich von der Ausstrahlung genauso verhielt wie jenes an Magdas Bein.
Gangolf brachte die Frequenzmeßgeräte wieder in das Vereinsheim der Amateurfunker zurück, er mußte dem Gerätewart Hans ein bißchen was vorlügen, was seine erforschten Schaltungen anbetraf, doch bot dieser großherzig an, ihm jederzeit zu Hilfe zu kommen, wenn er bei seinen Schaltkreisen einmal klassische Funktechnik zur Anwendung brächte.
'Ach, lieber Hans', dachte sich Gangolf, 'wenn du wüßtest, was alles los ist'.

Gangolf bedankte sich nochmals, und beide verabschiedeten sich. Gangolf war bewußt, daß er für die Erprobung der Simulationsschaltung und für deren Synchronisierung wesentlich genauere Meßmittel benötigte, immerhin dienten Hansens einfache Geräte dazu, grundlegende Messungen durchzuführen und damit zu beurteilen, daß das Vorhaben prinzipiell möglich wäre. Ab jetzt konnte nur der dunkle Kreis um den Berliner CCC helfen, er mußte sich auf Joe und seinen Leuten verlassen, so widerlich ihm der Gedanke daran war.

Als Gangolf zu Joes Wohnung kam, stand dieser genauso gekleidet im Türrahmen wie bei dem ersten Treffen in der Schwulenkneipe in Kaiserswuselhausen: Lederhose mit spezieller abknöpfbarer Vorderfront und Rangers-Stiefel. Joe setzte ein gepreßtes Grinsen auf und verabreichte Gangolf den anscheinend in der Szene üblichen Faustschlag auf die linke Schulter. Auf dem Schreibtisch gewahrte Gangolf sofort den ekelerregenden Ring mit den vier gebogenen Spießen, einen solchen ihm Joe im Hinterzimmer der Kneipe in den Mund nötigte. Ahnungsvoll betrachtete Gangolf das fürchterliche Teil und überreichte dabei Joe den Datenstick mit den Meßprotokollen.
Während Joe sich leicht bückte, um den Stick in den Schlitz der an der Front seines Computers befindlichen USB-Schnittstelle zu stecken, nickte er in die Richtung der hinteren rechten Ecke des Schreibtisches und forderte Gangolf auf:
- „Da, nimm’ den Spider!“
- „Wen soll ich nehmen?“, fragte Gangolf verwundert, obwohl er ahnte, was Joe meinte.
- „Ja das da!“, entgegnete Joe barsch, „das ist ein Spider-Gag!“
Nachdem Gangolf weiterhin unschlüssig herumstand, packte Joe den Gag und trat zu Gangolf. Dieser verstand sofort und öffnete artig den Mund; so wie er Joe kennengelernt hatte, wäre ein Protest jeglicher Art chancenlos geblieben.
- „Runter mit dir!“, herrschte Joe ihn an. Gangolf kroch auf allen Vieren von der anderen Seite unter den Schreibtisch. Wieder kam ein scharfer Befehl:
- „Pfoten her!“
Kniend ließ sich Gangolf auf den Unterschenkeln und Fersen nieder und streckte die Arme nach hinten auf den Rücken. Das charakteristische Ratsch-Geräusch erklang, er fühlte sich sogleich handgeschellt. Als ob diese Fesselung der Hände und die erzwungene Mundspreizung in der niederträchtigen Körperhaltung unter der Schreibtischplatte nicht genug Demütigung darstellte, kamen nun auch noch die Fußfesseln zum Einsatz: Im Gegensatz zu den Handschellen, deren beide Schellen nur mit einem Scharnier in der Mitte in Verbindung standen, waren die beiden Fußschellen mit einer etwa einen halben Meter langen Kette verbunden, so daß bei normaler Verwendung der Fußgeschellte kleine Schritte vollziehen konnte. Hier jedoch führte Joe eine Schelle zweimal durch Gangolfs gefesselte Arme hindurch, so daß die Verbindungskette das Handschellenscharnier umschlang. Anschließend ratschte Joe die Fußschellen um die Knöchel. Gangolf war fast ebenso wenig bewegungsfähig wie damals in dem Hinterzimmer der Kneipe, einzig die Begrenzung nach hinten durch die Säule fehlte.

Gangolf atmete ein paarmal kräftig ein und aus, denn er wußte, was als nächstes folgen würde: Prompt knöpfte sich Joe den Hosenladen ab, holte eine Kondompackung hervor und setzte sich breitbeinig auf seinen Schreibtischsessel. Gangolf schluckte nochmals, denn ihm war vollkommen klar, daß es ab jetzt zu einem fortgesetzten Gewürge kommen würde. Er wartete gar nicht Joes Aufforderung ab, sondern versuchte sofort, Joes Gemächt durch den Ring in seinen Mundraum zu bringen; ein gar nicht einfaches Unterfangen, denn er konnte seine an die Füße gefesselten Hände nicht zu Hilfe nehmen, der Bewegungs-freiraum seines Kopfes unter der Tischplatte war sehr eingeschränkt.

Gangolf ekelte sich vor Joes Bolzen, den er jetzt im Halbdunkel unter dem Schreibtisch wenige Zentimeter vor seinen Augen ausmachte. In der Kneipe kam ihm der Vorgang einfacher vor: Joe hielt ihm den Kopf fest und dirigierte das Teil in der vollkommenen Dunkelheit durch den Ring; hier jedoch mußte er sich selber bemühen, das gummiüberzogene Teil durch den Spidergag zu bekommen. Immer wieder verfehlte das Objekt das Ziel, Gangolf spürte den warmen Gummi einmal auf den Backen, dann auf der Nase, einmal sogar stieß es in ein Auge, oder es rutschte auf das Kinn, wenn er seinen Kopf zu weit nach oben hob. Bei dieser Gelegenheit stieß er sich jedesmal den Kopf an die Schreibtischplatte. Joe nahm das dumpfe Aufschlaggeräusch zum Anlaß, ihn anzuherrschen, sich zu beeilen, er würde erst dann mit der Arbeit an der Computertastatur beginnen, bis sein Allerheiligstes der vollumfänglichen Behandlung in Gangolfs Höhle sicher sein konnte.

Als es Gangolf endlich gelungen war, den gummierten Zapfen durch den Ring zu zirkeln, preßte er ihn mit der Zunge fest Richtung Oberkiefer und saugte daran, damit er nicht mehr zurückflutschen konnte. Vorsichtig erhob sich Gangolf in seiner gebückten Haltung, soweit es die Schreibtischplatte zuließ, um mit den Knien etwas nach vorne zu rutschen. In dieser neuen, sich näher an Joes Unterleib befindlichen knieend-sitzenden Stellung mußte Gangolf nicht mehr den Kopf weit nach vorn überdehnen, sondern konnte ihn einigermaßen entspannt mit Joes Gemächt im Mund zwischen den lederumhüllten Oberschenkeln halten.

Der Geruch des Leders stieg Gangolf in die Nase und er schämte sich dafür, daß ihm der Vorgang eine gewisse Lust bereitete, diese steigerte sich unwillkürlich, als Gangolf im Gegensatz zu damals beim ersten Mal im Kneipen-Hinterzimmer Joes Bolzen nicht ganz so tief in seinem Rachen verspürte, und somit der grausame Würgereiz weniger brechend wirkte. Genußvoll kaute Gangolf an dem Gummi, der immer weiter anschwoll; auch sein einen halben Meter tiefer hängendes Teil schwoll spürbar lustvoll an. Nicht mehr ganz bei der Sache zog er unbewußt seinen Kopf etwas nach hinten, so daß Joes Teil herauszurutschen drohte. Sofort erhielt Gangolf einen Tritt in seinen Schritt, der Schmerz rief einen unterdrückten Schrei hervor, gedämpft durch Joes Gummibolzen in seinem Mund.

- „Bleib da“, knurrte Joe und rückte mit seinem Sessel weiter unter den Tisch. Gangolf konnte es nur als Strafe interpretieren, als Joe nun seine Stiefel auf Gangolfs Oberschenkel abstützte, und jedesmal, wenn Joe vermeinte, bereits eine schwache Andeutung eines Zurückweichens zu verspüren, drückte er die Stiefel kräftig auf Gangolfs Beine. Dieses Signal reichte aus, daß Gangolf sich sofort wieder leicht nach vorne beugte, um das Ding in voller Länge bis in seinen hintersten Rachen zu schieben.
‚So schnell kann ein Lernerfolg eintreten’, dachte sich Joe, tatsächlich wollte Gangolf unter allen Umständen vermeiden, nochmals einen Stiefeltritt auf seine Eier zu erhalten, denn neben dem Schmerz war es deprimierend zu erleben, wie seine Lust schlagartig zusammenbrach und sie sich darnach nur langsam wieder aufbaute.
Joe legte eine Pause ein, verschränkte die Hände hinter seinen Kopf und rückte mit seinem Stuhl wieder etwas nach vorn, was Gangolf mit einem kurzen grunzenden Laut quittierte.

- „Massier’ jetzt besser, beweg’ dein Maul vor und zurück, saug’ an der Eichel, ich möcht’ jetzt endlich kommen!“, befahl Joe. Gangolf bemühte sich redlich, mit entsprechenden Kopf- und Zungenbewegungen Joes Befehl nachzukommen, beinahe wäre ihm das Teil dabei entflutscht, konnte es gerade noch einfangen, als es schon deutlich vor dem Ring zu sehen war.
- „Schneller“, keuchte Joe und drückte seine Oberschenkel weiter auseinander, bog seinen Rücken zu einem Hohlkreuz, schloß die Augen und stellte die Atmung ein. Plötzlich knickte sein Rücken ein, aus dem Hohlkreuz wurde ein Rundrücken, mit letzter Kraft stemmte er sich mit den Füßen von Gangolfs Oberschenkeln, der Schreibtischsessel rollte ein Stück weit nach hinten. Gangolf spürte im gleichen Augenblick die Veränderung an Joes gummiverhülltem Teil, dessen flüssigkeitsgefüllte Spitze sich fest in seinen Rachen drückte. Bevor der Stopfen jedoch den gefürchteten Brechreiz hervorrufen konnte, wurde der gesamte Lustbolzen durch Joes Zurückrücken Gangolfs Mund entzogen.

Beide Lüstlinge hörte man nun im Duett ein- und ausatmen, während Gangolf es schwer hatte, eine einigermaßen entspannte Körperposition unter dem Tisch zu finden, legte Joe die Unterarme übereinander auf die Schreibtischkante und setzte seine Stirn auf die dadurch gebildete Erhöhung. Nach etwa zwei Minuten hob er seinen Kopf wieder an, stützte sich mit den Händen ab und blickte eine Weile auf den Bildschirm. Dann rückte er sich den Sessel zurecht und verabreichte Gangolf unter dem Tisch einen ungezielten Tritt. Gangolf kippte mit einer leichten Drehung nach hinten auf seine rechte Schulter, aufgrund der eng an seine Füße gefesselten Hände konnte er den Stoß nicht abfangen und war dem Tritt wehrlos ausgesetzt.

So schmerzhaft das seitliche Umkippen auch gewesen war, war Gangolf nun doch froh darüber, endlich eine andere Körperhaltung einnehmen zu können, eine seitlich-liegende, zwar auch alles andere als bequem, doch erlangten seine Füße, die ständig das Gewicht des auf ihnen ruhenden Oberkörpers tragen mußten, eine wohltuende Erlösung. Er spürte das Blut, das wieder bis in die Zehenspitzen hervordrang, nachdem diese die ganze Zeit über abgewinkelt auf dem Boden gepreßt waren, während die Sohlen senkrecht nach oben zeigten, die Fersen als Sitzfläche für die Pobacken.

Gangolf war es gewohnt, als selbstbestimmender Mensch durch das Leben zu schreiten. Joes Bekanntschaft ließ ihn den düsteren Gewitterhimmel ahnen, unter welchem er fürder hindurchtreten würde.








































47. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 29.10.21 17:00

Mit mulmigen Gefühl gewahre ich das Verschieben des "Chatverlaufs zwischen zwei Transsexuellen" mit der Sorge, auch mein Roman könnte in einer zukünftigen Episode den Bedingungen der unbeschränkten Veröffentlichung nicht mehr entsprechen; es wäre schade um die viele Mühe, die mir das Schreiben bereitet hatte.


25

Es fiel im zusehends schwerer, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Seine Gedanken bewegten sich wie auf einer Achterbahn. Was war das nur für ein verrücktes Frühjahr. Mit den ferngesteuerten Handschellen fing alles an. Dann kam die verhängnisvolle Anzeige, die Wilde Fegerin. Dann die junge Pfarrerin. Dann die Quasi-Sklavin. Schließlich der schwule Typ, der ihn dominieren wollte. 'Wo bin ich da hineingeraten'.

Gangolf drehte eine schnelle Runde um seine Insel; bevor er zurückpaddelte, besuchte er sie und suchte dort seine kleine Schatzkiste auf. Entgegen der weitverbreiteten Tendenz, alles, auch kleinste Beträge in kleinsten Läden mit Karte zu bezahlen, zahlte er aus naheliegenden Gründen alles bar. Er hatte ja seine Schatztruhe auf der einsamen Insel, wie im Roman. Manchmal übertrifft das wirkliche Leben die Traumwelt des Romans, auch die Traumwelt der Romantik.

Er hatte fast alles. Haus. Hof. Arbeit. Auto. Motorrad. Kajak. Insel. Nur eines fehlte ihm noch. Eine.
Er konnte vieles. Elektroarbeiten. Installateurarbeiten. Holzarbeiten. Bauarbeiten. Mechanische Bearbeitung. Italienisch. Orgelspielen. Nur eines konnte er nicht. Lieben. Richtig Lieben. Lieben mit Konsequenzen. Nicht am glänzenden Metall von der innigen Liebe ausgeschlossen werden.
Da war die Dominante. Abgesperrt. Egal. War ihm ohnehin zu dominant.
Da war die Intelligente. Kam nicht an die Wäsche. Nicht einmal an den Mund. Wäre erstrebenswert.
Da war die Sklavin. Abgesperrt. Egal. Zu devot.
Da war die schöne Katholikin. Kurzer feuchter Kuß. Ja. Sie. Anbaggern. Ein Versuch wäre sie wert.
Gangolf beschloß, wann immer es ihm möglich wäre, von nun an in die katholische Kirche zu gehen. Er mußte sie wieder sehen. Kirchgänger sind normalerweise Gewohnheits-Christen. Wenn sie gehen, gehen sie immer. Gewohnheit.

Am nächsten Tag hatte Gangolf einen Termin bei einer Familie Werner. Als er am Morgen aufwachte, erschrak er beinahe: Sein Vorhang erstrahlte glutrot. Er wälzte sich aus dem Bett und zog den Vorhang etwas zur Seite, um hinausschauen zu können. Fasziniert betrachtete er den flammenden Morgenhimmel. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt eine dermaßen ausgeprägte Morgenröte erblickt hätte. Minutenlang stand er da und beobachtete die Silhouette. Dann riß er den Vorhang gänzlich auf und ließ sich wieder auf sein Bett fallen. Alle Wände des Schlafzimmers wurden in dezentes Rot getaucht, die dem Fenster gegenüberliegende Wand erglühte. Bei dieser Faszination kam ihn plötzlich Wilhelm Hauffs Reiterlied vom Morgenrot in den Sinn, jener wahnsinnige Gesang, der gnadenlos das Schicksal der in den Krieg ziehenden Soldaten beschreibt, vor 205 Jahren geschrieben, von Silcher vertont:

Morgenrot, Morgenrot,
leuchtest mir zum frühen Tod?
Bald wird die Trompete blasen:
dann muß ich mein Leben lassen,
ich und mancher Kamerad!

Kaum gedacht, kaum gedacht,
war der Lust ein End' gemacht.
Gestern noch auf stolzen Rossen,
heute durch die Brust geschossen,
morgen in das kühle Grab!


Gangolf schalt sich selbst, was er für ein gefühlsduseliger Mensch geworden war. Wieso sollte ihm das Morgenrot zum Tod leuchten? Sicherlich war seine Arbeit auf den oftmals steilen Dächern nicht ungefährlich, aber nein, an den Tod wollte er nicht denken. Und daß der Lust ein Ende gemacht würde, augenblicklich sieht es für ihn nicht danach aus, aber in dem Vers könnte schon etwas Prophetisches enthalten sein. Gangolf überlegte, ob die stolzen Rosse der Gegenwart die Motorräder seien, und tatsächlich hätte es gut sein können, daß einer der von ihm Verfolgten die Pistole gezogen hätte, um ihn in die Brust zu schießen, schließlich waren die Räuber bewaffnet gewesen.

'Hauff war kaum 20 Jahre alt, als er diese düsteren Verse dichtete,' sinnierte Gangolf erneut, als er seinen Kaffee trank, 'ob er sein eigenes Schicksal beschrieb, die Ahnung, daß er bereits wenige Jahre, 25-jährig, sein Leben lassen müßte:
>morgen in das kühle Grab!<'

Kaum daß Gangolf an der Haustür geläutet hatte, öffnete ihm die junge Frau Werner mit einem kleinen Kind auf dem Arm und begrüßte ihn:
- "Guten Tag, sind Sie Herr Stumpf?"
Nachdem Gangolf den Gruß erwiderte, bat sie ihn herein und rief im Stiegenhaus hinauf:
- "Papa, Herr Stumpf ist da!"
Offenbar wollte sie bei der Reparatur der Photovoltaikanlage ihren Vater dabeihaben. Als dieser etwas schwerfällig die Stiege heruntergekommen war, blickten sie sich erstaunt an und sprachen gleichzeitig mit einem Ton der Verwunderung:
- "Ah, Herr Stumpf!" - "Ah, Herr Brause!"
Sie schüttelten sich die Hände und stellten übereinstimmend fest, welche Zufälle es doch gäbe, daß sie sich nach wenigen Tagen auf diese Weise schon wieder getroffen haben. Gangolf lehnte den angebotenen Kaffee ab mit den Hinweis, bereits bei sich zu Hause einen getrunken zu haben. Frau Werner drückte ihr Kind dem Großvater auf den Schoß und holte sich aus der Küche eine Tasse voll Tee.
- "Willst du auch einen?", richtete sie die Frage an ihren Vater, doch dieser lehnte dankend ab.
- "Sehen wir uns doch gleich die Anlage auf dem Dach an", schlug Gangolf vor. "Von wo aus kann man am besten auf das Dach hinaussteigen?"
- "Ja, hm, wohl nur von der Dachgaube von unserem Schlafzimmer aus", antwortete Frau Werner etwas unschlüssig, "ich geh' schon 'mal hinauf und richte das her, damit Sie an das Fenster können."
'Wer weiß, was sie da alles schnell verräumen muß', dachte sich Gangolf und plauderte mit Brause über ein paar belanglose Dinge, bis dessen Tochter wieder heruntergekommen war.

Als Gangolf mit Brause das Schlafzimmer betrat, konnte er nicht erkennen, daß in dem Zimmer etwas aufgeräumt worden wäre, die Decken und Kissen auf dem Doppelbett lagen ziemlich zerknäult herum. Er machte sich darüber weiter keine Gedanken, seine Sorge galt vielmehr dem Wetter, denn bei seinem Blick durch das Dachgaubenfenster gewahrte er eine bedrohlich heranziehende Regenwolke. Jäh fiel ihm der Merkvers ein, den er als Schüler häufig durcheinander brachte: >Abendrot: Gutwetterbot', Morgenrot: Schlechtwetterbot'<

Gangolf leerte seine Hosentaschen und legte alles ab, was ihm beim Klettern auf das Dach hinderlich sein könnte: Geldbeutel, Schlüssel, Handy. Auch den Werkzeuggürtel legte er auf den Boden, er wollte erst einmal hinausklettern, um zu sehen, was Sache war. Er öffnete das Fenster, schwang sich auf das schmale Fensterbrett, hielt sich mit einer Hand an dem Rahmen fest und beugte sich heraus, um an der Seite der Gaube vorbei auf das Dach hinaufsehen zu können. Sofort erkannte er das Problem: Ein beim letzten Sturm abgebrochener Ast hat sich unter eine Photovoltaikplatte geklemmt und dabei ein Kabel immer weiter hinter der Platte nach unten gezogen, bis es schließlich abgerissen war.

Vorsichtig drehte sich Gangolf zurück auf das Fensterbrett, griff nun mit beiden Händen links und rechts an den Fensterrahmen, kniete sich auf das Brett und ließ die Füße nach außen baumeln. Dann gab er die kniende Position auf und ließ seine Beine langsam das Dach hinuntergleiten, bis seine Zehen die Dachrinne erreichten. Sein Gewicht immer noch über die Arme am Fensterrahmen haltend prüfte er vorsichtig die Tragfähigkeit der Rinne, indem er nach und nach das Gewicht von den Armen auf die Beine übertrug. Er hatte es zwar noch nie erlebt, daß eine Dachrinne unter seinem Gewicht nachgegeben hätte, doch wollte er nie ungeprüft darein steigen, denn es gibt Dinge, die dürfen im Leben niemals geschehen, sei es ein wie auch immer gearteter Motorradunfall, oder eben ein Absturz von einem Dach.

Aber für alles gab es im Leben ein erstes Mal.

Nachdem er seine in Handschuhen mit gummierten Innenflächen gehüllten Hände flach auf die Dachziegel legte, zog er vorsichtig das linke Knie an und hob damit den Fuß aus der Rinne, um ihn auf den Traufziegel zu positionieren. Dabei wurden die Zehen stark abgewinkelt. Noch vorsichtiger zog er anschließend auch den rechten Fuß aus der Rinne und prüfte dabei, ob der linke Fuß sein Gewicht halten würde. Sollten seine Zehen indes abrutschen, müßte er sofort den rechten Fuß wieder in die Rinne stellen, das Dach wäre für eine Besteigung zu steil.

Für das Klettern auf Dächern wollte Gangolf mit keinen anderen Schuhen tauschen, er verwendete dazu immer seine geliebten knöchelhohen Chucks, sie boten dem Fuß mit der engen Schnürung guten Halt, die dünne, aber sehr griffige Gummisohle verlieh große Haftung und eine hohe Sensibilität auf die Zehenunterseite und die Fußsohle; für ihn war das eine ganz wichtige Eigenschaft, die ihm Rückmeldung über die Beschaffenheit des Untergrundes lieferte, seien es Leitersprossen, Dachlatten oder Dachziegel. Die von den Arbeitsschutzgesetzen vorgeschriebenen Sicherheitsschuhe konnte er überhaupt nicht gebrauchen: Deren harte starre Sohle diente allenfalls dazu, Dachziegel zu zertreten, die Zehen konnte man kaum abwinkeln, mit diesen klumpigen Dingern an den Füßen käme er sich vor wie der Elefant im Porzellanladen.

Gangolf hatte allerlei verschiedenes Schuhwerk ausprobiert, die einen hatten zwar Gummisohlen mit guten Grip, doch waren sie zu dick und damit zu unsensibel, um den Untergrund zu erfühlen. Andere hatten eine dünne Sohle, die jedoch keine ausreichende Haftung boten. Er blieb bei den Chucks. Gerne hätte er einmal spezielle Kletterschuhe probiert, irgendwann würde er, wenn er wieder einmal nach Dresden käme, solche ausprobieren; in Dresden gab es ein riesiges Sportgeschäft, dort hatte er auch seine Kajaks gekauft: Ausgestattet mit einem großen Basin konnte er darin die Boote proberudern! In Zeiten des immer weiter umsichgreifenden Internet-Shoppings war dieses Sportgeschäft mit seinen mehreren Etagen eine wohltuende Ausnahme.

Mit Mühen gelang es Gangolf, den Ast unter den Photovoltaikplatten zu greifen, auf seinen Zehenspitzen und Knien abgestützt rüttelte er an ihm und zog ihn hin und her, als es zu regnen begann.
'Verdammt, verdammt', fluchte Gangolf in sich hinein, 'die alte Wetterregel hat wieder recht behalten, verdammt, jetzt muß ich mich aber beeilen.'
Instinktiv ließ er sich dazu hinreißen, was er ohne den einsetzenden Regen niemals gewagt hätte, denn, anstatt das Unternehmen abzubrechen, ergriff er jetzt mit beiden Händen den Ast, rüttelte noch stärker, und mit einem Ruck gab dieser seine Umklammerung an die Photovoltaikplatte auf, aus dem Gleichgewicht geraten begann Gangolf abzurutschen. Das allein brachte ihn noch lange nicht in Panik, reflexartig streckte er seine Füße durch und wartete darauf, mit den Zehen voran in der Dachrinne zu landen. Ihn reute bei solchen Abrütschen lediglich die schöne weiße Gummikappe auf der Zehenoberseite, für solche Vorkommnisse wären möglicherweise die Stahlkappen der Arbeitsschuhe vorteilhafter, indes wäre das über die Kappen gespannte Leder wohl auch schnell zerschlissen.


Gerade als Gangolf in's Rutschen kam, beugte sich Brause, soweit es sein an das Fensterbrett gepreßte Bauch zuließ, aus dem Fenster und rief:
- "Kommen Sie herunter, es fängt zu Regnen an!"

Brause drückte seinen Kopf noch ein Stück weit nach vorn, um seitlich an der Dachgaube vorbeizusehen. Mit Entsetzen sah er Gangolf mit den gekrümmten Fingern einer Hand am Rand der Dachrinne hängen, wenige Sekunden darauf zerriß der Urschrei der Menschheit, dem Urknall einer neu entstandenen Galaxis gleich, die friedsame Stille der Siedlung. Brauses Polizisten-Instinkt hielt ihn ab, in Panik die Stiege hinunterzueilen, um am Ende dabei zu stürzen; gefaßt zog er sein Handy heraus und wählte die Notrufnummer. Er begleitete Gangolf im Rettungswagen; Gangolf wollte seinen Abtransport zunächst abwehren, denn er stand unter Schock und spürte seine Verletzungen nicht. Kaum lag er auf der Trage im Rettungswagen, kamen die ersten Schmerzwellen über ihn, er verzog das Gesicht, biß sich auf die Lippen, doch konnte er schließlich ein Stöhnen nicht mehr unterdrücken.

Brause fragte ihn, wen er verständigen sollte. Gangolf stotterte mit schmerzverzerrter Miene herum, noch nie war er in seinem Leben in einer solchen Situation. Brause half ihm auf die Sprünge:
- "Soll ich diese, wie heißt sie gleich, die Freundin dieser Marlies-Magda, anrufen?"
Gangolf entgegnete: "Nein, lieber die Pfarrerin Bettina."
- "Wie heißt sie mit Zunamen?"
Gangolf kam indes wieder in's Stammeln, ihm fiel ihr Name nicht ein. Ihm wurde schwarz vor Augen, er war nicht mehr ansprechbar.

Selten erinnerte sich Gangolf an einen Traum, doch in dieser Nacht, oder war es noch am Tag, schüttelte ihn ein Alptraum nach dem anderen: Das Morgenrot brachte nicht nur Regen, sondern die Sintflut, er hatte größte Mühe, sich bei dem Sturm auf dem First eines Hauses festzuhalten. Gleich darauf entzündete das Morgenrot mit seinem gleißendem Glühen unendliche Feuer, wieder mußte sich Gangolf auf ein Hausdach retten, dann vermeinte er, auf einem Pferd zu sitzen, irgendwo hörte er das Martinshorn eines Sanitätswagens, und auf dieses Signal hin mußte er in die Schlacht reiten. Dann fiel und fiel er, und das Fallen schien kein Ende zu nehmen.

Es war wie beim Bungee Jumping. Vor einigen Jahren hatte Gangolf einen Sprung aus 110 Meter Höhe absolviert; er nahm sich vor, nicht zu schreien, er fand es unmännlich, als die vor ihm Springenden diesen affigen Urlaut sich aus dem Leibe schrien. Doch als man ihn auf dem schmalen Brett vor der Gondel stehend ausklinkte und er mit einem Sprung in die scheinbar unendliche Tiefe stürzte, konnte er gar nicht anders, als diesen Urschrei des Lebens sich aus dem Leibe herauszuplärren. Noch nach Jahren wachte er in manchen Nächten auf, als er im Traum das Erlebnis zu verarbeiten suchte, und dann an dem Schrei aufwachte.

Als die schlimmsten Träume in dieser Nacht ein Ende genommen hatten, überkam Gangolf die Vorstellung, in einen Mistwagen gestürzt zu sein. Er stank darnach ganz fürchterlich, und es ekelte ihn unermeßlich, doch wurde sein Stoß abgefedert, so daß er einigermaßen glimpflich ohne größere Schäden davon kam. In seinem Traum vermischte sich das ihm Widerfahrene mit der geschichtlichen Begebenheit des Prager Fenstersturzes, wo ein Vertreter der katholischen Liga bei einer Besprechung mit den evangelischen Landesfürsten kurzerhand aus dem Fenster gestoßen wurde; dieser Vorgang war der Auslöser des unsäglich grausamen 30-jährigen Krieges.

Dank Internet war es für Brauses Kollegen ein Leichtes, eine Pfarrerin mit dem Vornamen Bettina ausfindig zu machen: Sie war an der hiesigen Paul-Gerhard-Kirche angestellt und hieß Litte, indes war es schier unmöglich, sie telephonisch zu erreichen. Der Anrufbeantworter nudelte fleißig die Öffnungszeiten des Pfarrbüros herunter und gab auch eine Handy-Nummer preis für Notfälle, unter welcher ein Krankenhaus-Seelsorger zu erreichen wäre, die persönliche Nummer der Frau Litte blieb indes unter Verschluß.

- „Wenn man einmal die Pfaffen braucht, sind sie nicht erreichbar“, brummte Brause vor sich hin und beschloß, selber zu Gangolfs Hof hinauszufahren, um dessen persönlichste Habseligkeiten für den Krankenhausaufenthalt zu holen; Gangolfs Schlüssel hatte er aus dem Haus seiner Tochter mitgenommen, Gangolfs Anwesen kannte er zur Genüge, seit er mit den Kollegen nach dem Sparkassenraub dort alles durchsuchen mußte.
Brause stellte Gangolfs Sachen in dem Krankenzimmer ab und verstaute sie entsprechend in dem Schrank und in das Bad. Dann gab er jenem einen Brief mit handgeschriebener Adresse, der in seinem Briefkasten lag. Brause war sehr überrascht, daß junge Menschen sich noch Briefe schrieben, wo es nun bereits seit zwei Generationen den E-Mail-Verkehr und sonstige elektronische Nachrichtenmedien gab.

Gangolf blicke ihn überrascht an, errötete auch leicht, bedankte sich für Brauses Aufmerksamkeiten; nachdem sie sich verabschiedet hatten, öffnete er den Brief. Ihm war sofort klar, von wem er stammte: Als die Sache mit Magda ernst wurde, forderte Joe, jeglichen Kontakt nur noch per Briefpost zu pflegen, kein Telephonanruf, keine E-Mail, denn alle diese elektronischen Nachrichten wurden im Hintergrund irgendwo aufgezeichnet und gespeichert. Als quasi-professioneller >Hacker< wußte er um diese Vorgänge, die natürlich von offizieller Seite stets geleugnet wurden.

Die alte Briefpost hingegen, noch dazu handgeschrieben verfaßt, schien überhaupt nicht mehr nachrichtendienstlich interessant zu sein, vergleichbar mit dem Kfz-Teile-Händler Samel, der sein Lager mit einem billigen einfachen Vorhängeschloß verriegelte. Gangolf erkannte sofort zweifelsfrei Joes Handschrift, dieser unterließ es wie immer, sich als Absender preiszugeben, es war nur ein Einzeiler:
>Es bleibt dabei Samstag gegen Mittag, komme mit ihm direkt zu ihr!<

‚Sehr geheimnisvoll’, dachte sich Gangolf, ‚selbst wenn das jemand zu Lesen bekäme, verstünde er nicht, um was es geht’.
Am Samstag sollte das große Finale bei >ihr< vollzogen werden, und es schmerzte Gangolf sehr, nicht dabei zu sein, er müßte hier vermutlich noch einige Tage in dem stickigen Krankenhauszimmer liegen. Mit >ihm< meinte Joe dessen Busenfreund Kalle, jenem Typen, der im Berliner CCC der Funksparte angehörte, der den sendetechnischen Teil des Projektes anfertigte.

Beide hatten sich bereits vor ein paar Tagen bei Magda getroffen, um sich in aller Ruhe ohne Streßbedingungen kennen zu lernen; Martina hat darauf bestanden, damit Magda nicht durchdrehen würde, wenn dann beim Finale gleich zwei neue Männer dastünden. Bei dieser Gelegenheit brachte damals Gangolf gleich das Holzschränkchen mit, das er für die Unterbringung des Senders mit der zugehörigen Elektronik geschreinert hatte. Im unteren Teil fand ein großer Akku Platz, der als Pufferbatterie fungierte, sollte einmal aus irgend einem Grund der Strom ausfallen. Gangolfs Kenntnisse aus dem Bereich der Photovoltaikanlagen machten sich hier bezahlt, somit wurde das Projekt, mit welchem Magda von der Wirkung der elektronischen Fußfessel befreit werden sollte, eine Gemeinschaftsaufgabe der drei Männer.

Was Gangolf nicht ahnte, waren die Umstände, wie das Projekt in Magdas Wohnung vollendet würde; und es war tatsächlich oftmals besser, wenn man nicht alles im vornherein wußte...








48. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 05.11.21 22:27


26


- „Wo bleibt eigentlich Magnus?“, wollte Joe wissen, als er mit Kalle schon eine halbe Stunde bei Magda saß. Zusammen mit Martina tranken sie Kaffee und hatten alle Not, ein oberflächliches Gespräch am Laufen zu halten.
- „Ruf’ ihn einfach an“, entgegnete Martina.
- „Nee du, auf keinen Fall, alles wird abgehört und automatisch gespeichert, mein Anschluß soll niemals auf irgend einer Liste stehen, die mich in irgend einer Weise mit einer von eueren Nummern in Verbindung bringt! Ruf’ du ihn doch an, wir machen die ganze Scheiße doch bloß für euch!“
Leicht gekränkt verzog Martina das Gesicht, nicht daß sie sich von dem unverhohlenen Rüffel angegriffen gefühlt hätte, es ging ihr vielmehr gegen ihren dominanten Stursinn, sich herabzulassen und den >Magnus< anzurufen. Sie brachte es auf den Punkt:
- „Brauchen wir den überhaupt dazu?“

Gangolf versuchte zur gleichen Zeit vergeblich, Bettina zu erreichen. Er wollte sie bitten, Martina zu verständigen, daß er im Krankenhaus läge und nicht zu dem für heute geplanten finalen Treffen zur Magda kommen könne. Dummerweise hatte sich Gangolf nie die Nummer von Magdas Festnetzanschluß gespeichert. Seiner Meinung nach wäre es das einfachste, die Aktion aufzuschieben, bis er wieder mobil wäre. Nur eines weigerte er sich, nämlich Martina anzurufen: Sicherlich würde sich ihre arrogante Mailbox melden mit dem noch arroganteren Text: >ich entscheide dann, ob ich zurückrufe!<

- „Nee, fangen wir einfach schon ´mal ohne ihn an“, meinte Joe, und Kalle begann damit, den Sender in dem von Gangolf angefertigten Schränklein aufzubauen. Als nach einigen Minuten alles soweit war, sprach Joe mit Grabesstimme:
- „Also jetzt wird es wirklich ernst, wir brauchen höchste Konzentration, ihre Fessel und unseren Sender zu synchronisieren. Vor allem muß das Ding vollkommen ruhig liegen, daß wir keine Interferenzen kriegen.“
- „Was sollen wir nicht kriegen?“, fragte Martina, die dieses Wort noch nie bewußt gehört hatte.
- „Interferenzen“, wiederholte Joe, und Kalle ergänzte: „Magdas Fußfessel muß vollkommen ruhig liegen, darf sich nicht im Geringsten bewegen, sonst beeinflussen sich die Funkwellen, also kannst du vielleicht dein Bein hochlegen auf einen Stuhl, oder so?“
Magda stellte ihren linken Fuß auf einen Stuhl, doch war allen sofort klar, daß ihr Knöchel dadurch nicht absolut ohne Bewegung positioniert war.
- „Ist das denn gar so wichtig?“, wollte Martina wissen.
- „Ja, durchaus, schau, die Wellenlänge beträgt zur wenige Zentimeter, und da sind Bewegungen von einigen Millimetern schon zuviel. Sonst haben wir Interferenz.“
‚Wenn das so ist’, dachte sich Martina und unterbreitete folgenden Vorschlag:
- „Am besten, wenn du dich auf den Boden legst und dein Bein angewinkelt auf den Stuhl lehnst und das binden wir dann an der Sprossen der Stuhllehne fest.“
- „Das könnte funktionieren“, meinte Kalle, „probieren wir’s `mal!“

Artig kam Magda der Anweisung nach, legte sich mit dem Rücken auf den Boden, winkelte ihr linkes Bein an und hob den Fuß auf die Sitzfläche. Martina öffnete die unterste Schublade der Anrichte und zog ein Fesselseil heraus. Bei dieser Gelegenheit konnte Joe einen Blick in die Schublade werfen: Neben einigen Seilen entdeckte er mehrere andere Fesselutensilien, aber auch Dildos und Masken.
‚Aha, so seid ihr also d’rauf’, kam es ihm in den Sinn, und er faßte einen teuflischen Plan, die Inbetriebnahme des Senders lustvoll herauszuzögern.

Als Martina Magdas Knöchel stramm an die Stuhllehne gefesselt hatte, war die Fußfessel absolut unbeweglich fixiert. Die beiden Männer setzten sich an ihre Geräte, drückten und drehten mit ernster Miene an den Bedienungsknöpfen herum, und als Magda versehentlich mit ihrem rechten Fuß an ein Stuhlbein anstieß, ließ Joe einen verächtlichen Schrei los:
- „Also so geht das schon `mal gar nicht, das war jetzt soeben eine Riesenabweichung, mit solchen Interferenzen können wir nichts machen.“
Schuldbewußt errötete Magda und flötete ein „Verzeihung“.

Joe ging in die Offensive und schlug die Fesselstellung des Hogtie vor. Martina wußte natürlich sofort, was gemeint war, und beide waren sich im Geiste einer Meinung, daß es besser war, daß Gangolf nicht anwesend war, sonst hätten sie langwierige Erklärungen vornehmen müssen, vermutlich hätte er auch scharf dagegen protestiert. Natürlich war es Joe und Kalle klar, daß die geäußerten Bedenken wegen Interferenz unzutreffend waren, die Fixierung an der Stuhllehne wäre vollkommen ausreichend gewesen, der Vorgang der Synchronisierung wäre in wenigen Sekunden vollzogen gewesen.

Mit bewundernden Blicken beobachteten Joe und Kalle, wie Martina gekonnt den Hogtie an Magda vollzog: Magda legte sich auf den Bauch, Marina setze sich auf die Oberschenkel und verknotete Magdas Hände und Ellenbogen hinter den Rücken. Dann strich sie die Haare zu einem Pferdeschwants zusammen, verknotete daran mehrfach ein dünnes Seil, eher eine dicke Schnur, die Enden ließ sie zunächst seitlich nach unten baumeln.

Als Martina mit Magdas Oberkörper fertig war, erhob sie sich, winkelte Magdas Kniee ab, drückte diese auseinander, soweit es möglich war, legte die Füße im Winkel von etwa 90 Grad übereinander, schob die elektronische Fußfessel etwas nach vorne herum und fesselte die Füße in dieser Stellung. Sie führte die Seile mehrfach in vielen Schlingen wechselweise um die Knöchel, damit diese unverrückbar miteinander in Verbindung blieben. Sie nahm es in Kauf, daß die Blutzirkulation stark beeinträchtigt würde, doch wußte sie, daß Magda hart im Nehmen war und sie diese Behandlung bisher schadlos überstanden hatte.

Schließlich nahm Martina ein Seil, nahm es doppelt, legte es auf den Boden vor Magdas Kopf, führte es unter ihren Kopf hindurch bis zu den Brüsten, zog an es an beiden Enden an den Oberarmen herum nach hinten, so daß die Schultern noch ein wenig mehr zusammengedrückt und dabei die Brüste noch weiter nach unten auf den Fußboden herausgepreßt wurden. Die Seilenden zog sie an den Schultern herum und führte auf Magdas Rücken unterhalb der Nackenwirbel die beiden losen Seilenden durch die Schlinge. Die hindurchgeführten Seilenden zog sie straff, führte sie einmal hindurch und bildete damit einen Knoten. Dann ging sie mit den beiden Enden nach hinten in Richtung Magdas Füße. Dort ging Martina in die Hocke, drückte ihre Knie auf Magdas Unterschenkel, bis die Fersen ihrer gekreuzt gefesselten Füße die Hände berührten, welche auf dem Po auflagen.

Während Martina auf diese Weise mit ihren Knien Magdas Füße nach unten drückte, hatte sie beide Hände frei, um das soeben hinter den Schulterblättern verknotete Seil in aller Ruhe durch die gefesselten Füße zu führen. Sie zog an den beiden Seilenden so stark wie sie konnte, Magdas Oberkörper erhob sich um einige Zentimeter. Ruckartig verknotete sie das Seil an Magdas Füßen, legte die erste Knotenschlinge, riß nochmals an den Seilenden, aus Magdas Mund war ein leichter Seufzer zu vernehmen. Schließlich legte sie die zweite Knotenschlinge und nahm ihre Knie von Magdas Waden.

Magdas Rücken war zu einem gewaltigen Hohlkreuz gespannt, ihre weit auseinander auf dem Boden gedrückten Knie bildeten im Verein mit ihrem Brustkorb ein stabiles Auflagedreieck, so daß ihr gesamter Körper unbeweglich auf dem Boden dalag. Einzig ihr Kopf war noch frei beweglich. Doch auch dieses Körperteil fixierte Martina, indem sie nun das Seil, das sie an Magdas Pferdeschwants gebunden hatte, nach hinten führte und gleichfalls an die bereits vielfach verknoteten Füße band.
Magdas Kopf wurde dadurch nach hinten gezogen, ihr Kehlkopf nach vorne herausgedrückt, ihr Kinn blieb aufgrund der Dehnung im Nacken unten, während ihr Oberkiefer mitsamt dem restlichen Kopf nach oben und nach hinten gedrückt wurde. Ihr Mund blieb dadurch leicht geöffnet. Martina erhob sich, um ihr Werk zu betrachten. In dem Moment bewegten sich Magdas Zehen etwas vor und zurück, als ob sie Winken wollten.

- „Na warte“, grollte Martina, löste das zuletzt verknotete Seil wieder von den Füßen, Magdas Kopf fiel nach unten. Fester als zuvor zog sie das Seil wieder nach hinten, was Magda mit einem deutlich hörbaren Aufschrei quittierte, führte die dicke Schnur jeweils durch die Zwischen-spalten zwischen großer Zehe und der zweiten Zehe, wickelte einmal die Schnur um die großen Zehen und spannte diese kräftig an, um die beiden Enden im verbleibenden etwa handbreiten Zwischenraum zwischen den beiden Zehen zu verknoten.

Als nun Magda versuchte, ihren Kopf etwas seitlich zu bewegen, führte das nicht nur zu einem unangenehmen Zug an ihren Haaren und damit an der Kopfhaut, sondern rief zugleich ein schmerzhaftes Einschneiden in die empfindliche Haut der großen Zehen. Magda beschloß, keinerlei Bewegungsversuche mehr zu unternehmen, da sie nur ein Mehr an Schmerzen bedeuteten. Sie spürte, wie ihre Füße kalt wurden und es in ihren Zehen kribbelte, die behinderte Blutzirkulation machte sich bemerkbar. Sie kannte dieses Gefühl, sie wußte, daß nach ein paar Minuten die durch die Seile eingeschnittenen Hautstellen taub wurden, der Schmerz wurde dadurch nicht mehr spürbar, sie mußte nur darauf achten, keine Bewegungen auszulösen. Andererseits mußte sie diese Sorge dieses Mal nicht haben, denn die Fesselung war dermaßen streng, daß ihr nicht der geringste Bewegungsspielraum blieb.

Joe und Kalle nickten anerkennend, als sie Martinas Kunstwerk betrachteten. Sie rüttelten probehalber an den Füßen und an den Schultern, nichts bewegte sich.
- „Dann können wir ja beginnen“, meinten sie übereinstimmend. In diesem Augenblick meldete sich auch der piepsende Ton aus der elektronischen Fußfessel, um vor der drohenden Entladung des kleinen internen Akkus zu warnen. Gleichzeitig begann die Leuchtdiode zu blinken. Magda gab ein bizarres Bild ab: Im Hogtie gefesselt, die Füße gekreuzt über dem Po gebunden, der Rücken ein gewaltig gespanntes Hohlkreuz, und dann das blinkende Teil an dem linken Fußknöchel.

„Es so geil“, entfuhr es Kalle, „machen wir doch die Vorhänge zu, dann sehen wir es besser Blinken und unsere Meßgeräte können wir auch besser ablesen!“
Martina verschloß mit einem schnellen Ratsch die Vorhänge und alle drei betrachteten für eine Weile schweigend Magdas unbeweglich daliegenden Körper, als ob es sich um ein bildhauerisches Kunstwerk in einem Museum handelte. Schließlich setzten sich Joe und Kalle auf die Stühle vor ihren elektronischen Versuchsaufbau, bestehend aus dem Sender, mehreren Meßverstärkern und einem Laptop. Martina fläzte sich auf das Bett, lehnte ihren Kopf auf das in den Nacken geknüllte Kopfkissen und betrachtete die Experten bei ihren Tätigkeiten. Konzentriert beobachteten die beiden die Meßgeräte, Joe tippte mehrmals etwas auf der Laptop-Tastatur, Kalle drehte mit einem winzigen Schraubenzieher in den Schaltkreisen des Senders herum. Nach wenigen Minuten blickten sie sich einander an, nickten sich zu, und Joe sprach mit gefaßter Stimme:

„Jetzt!“








49. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 07.11.21 00:30

Zitat

„Jetzt!“


wird die Öffnung der Fußfessel noch nicht gelingen, oder täusche ich mich mit meiner Vermutung?
50. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 08.11.21 14:04

Zitat

wird die Öffnung der Fußfessel noch nicht gelingen, oder täusche ich mich mit meiner Vermutung?


Es gibt drei Möglichkeiten:

1. Die "Öffnung" gelingt nicht, die Polizei erfährt nichts von dem Versuch, das Leben der Beteiligten geht wie bisher weiter;

2. Die "Öffnung" gelingt nicht, aber die Polizei erfährt davon über die "GÜL" (Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder); Gangolf könnte verdächtigt werden;

3. Die "Öffnung" gelingt, Magda kann sich überall hin frei bewegen, doch das Verhältnis zu ihrer Herrin Martina und ihrem neuen Bekannten Gangolf könnte sich schwerwiegend ändern.

Nächsten Freitag gibt`s die Auflösung...

51. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 09.11.21 00:49

Zitat

Nächsten Freitag gibt`s die Auflösung...

Ich glaube mal, schon jetzt den Fortgang deiner tollen Geschichte zu erkennen.

Tendiere zur Nr. 2 und warte gespannt auf die Auflösung am Freitag, die bestätigt, das ich mit meiner Vermutung richtig lag.
52. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 12.11.21 18:18

Ich wußte es selber nicht mehr, wie die Geschichte weitergeht; es ist schon ein Jahr her, daß ich sie geschrieben hatte - und so muß ich leider nochmals vertrösten, was die Befreiung von der Fußfessel betrifft; viel Freude beim Lesen!
Magnus.




27

Mit seinem Zimmer- und Leidensgenossen einigte sich Gangolf rasch auf ein gemeinsames Fernsehprogramm, auf diese Weise konnten beide ihr Gerät mit Lautsprecher laufen lassen, dadurch erübrigte sich das lästige Ohrhörer-Gefummel. Sobald auf der Mattscheibe eine begehrenswerte Frau erschien, sei es in einer Filmszene oder als Moderatorin, als Nachrichtensprecherin oder als Wetterkartentante, schärften die beiden Männer ihre Fachkenntnisse bezüglich Absatzhöhe, Taillenumfang, Oberweite und Körbchengröße. Als die beiden wieder einmal ihre Plädoyer hielten und sich dabei eine lautstarke Debatte entwickelte, entging ihnen das Eintreten einer Krankenschwester.

Die Krankenschwester schloß leise die Tür und blieb eine Weile dahinter stehen, bis sie zu den Betten vorging und sich schwungvoll auf das an der Wand stehende Tischlein setzte und die in weißen Sneakers steckenden Füßchen frech in’s Zimmer baumeln ließ. Den beiden Männern blieb das Wort im Hals stecken, schuldbewußt starrten sie die junge Frau an. Gangolf kam in’s Grübeln, irgendwo her kannte er doch diese schöne Frau.

- „Ich bin die Ramona“, stellte sich die Krankenschwester vor, „und bin heute für Natalie da“.
Jetzt fiel es Gangolf wieder ein, sie war die schöne Frau gewesen mit den langen Haaren, die ihm in der Kirche einen Kuß gegeben hat. Hier im Dienst hatte sie ihr Haar in die Höhe gebunden, deshalb erkannte er sie nicht sofort.
- „Die hat sicher mehr als 60 unter den Rippen“, knüpfte Ramona den jäh gerissenen Gesprächsfaden wieder auf, „was habt ihr nur für Vorstellungen!“
‚Wieviel doch die Haartracht ausmacht’, dachte sich Gangolf, ‚in der Kirche sah sie viel attraktiver aus, als ihr blondes, leicht gewelltes Haar vor ihm bis über die Banklehne herabfiel’. Als Krankenschwester auf dem Tisch sitzend war sie für ihn längst nicht so begehrenswert, dennoch nahm er sich vor, mit ihr bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit in’s Gespräch zu kommen.

Die Gelegenheit ergab sich erstaunlich schnell: Gangolfs Bettnachbar erhob sich aus dem Bett, mit seinem gebrochenen Arm war er wesentlich mobiler als Gangolf.
- „Ich geh’ `mal eine rauchen“, war sein ganzer Kommentar; ihm war es immer noch peinlich, bei dem männlichen Gehabe von der Krankenschwester erwischt worden zu sein. Mit Ramona allein im Zimmer zurückgeblieben ergriff Gangolf die Initiative:
- „Kann es sein, daß ich Sie neulich einmal in der katholischen Kirche gesehen habe und Sie haben sich zu mir hinter umgedreht?“
Ramona lächelte, ließ sich von dem Tischchen rutschen und ging zu Gangolfs Bett:
- „Ja, jetzt kann ich mich erinnern, da war doch der uralte Pfarrer, der forderte uns auf, ein Zeichen der Liebe zu geben“.
- „Und da bekam ich ein Küßchen“, ergänzte Gangolf. „Übrigens würde ich gern nochmal den alten Herrn sehen, wissen Sie zufällig, wie man ihn erreichen kann?“
- „Ja, das kann ich leicht arrangieren, er ist nämlich der katholische Krankenhausseelsorger hier“.
- „Oh, was für ein Zufall, ja das wäre toll.“
- „Ich ruf’ ihn dann gleich an. Und wollen wir nicht du sagen zueinander, also ich bin die Ramona“, sprach’s und reichte ihm die Hand.
- „Gangolf“, erwiderte er und setzte ein beseeltes Lächeln auf. So einfach konnte das Leben sein. Daß er sich an ihr indes die Zähne ausbeißen würde, das hätte er sich in dieser Situation nicht vorstellen können.

Der alte Krankenhausseelsorger war ein erstaunlicher Mann. Schwer hinkend kam er in Begleitung einer Krankenschwester in Gangolfs Zimmer herein; die Schwester schob ihm einen Stuhl an die Bettkante, seufzend ließ er sich nieder.
- „Klingeln Sie einfach nach jemand, wenn Sie gehen wollen“, rief ihm die Schwester zu und verließ das Zimmer. Der Seelsorger bedankte sich und war dann ganz Ohr für Gangolfs Anliegen. Es fiel Gangolf schwer, die richtigen Worte zu finden:
- „Ich will eigentlich keine Beichte ablegen für begangene Sünden, sondern für zukünftige.“
- „Wir sündigen immer, wir werden auch in Zukunft sündigen, so sehr wir uns auch vornehmen, das nicht zu tun“, war seine Antwort.
- „Ich will auf etwas anderes hinaus, ich hab’ vor, eine Straftat zu begehen, und hab’ deshalb Skrupel, und es wär’ mir natürlich viel wohler dabei, wenn Sie mir sozusagen schon davor Absolution erteilen könnten.“
Der Seelsorger sah ihn verwundert an und meinte:
- „Eine schwierige Sache, da müßte ich schon genauer wissen, was Sie da vorhaben, ich hoffe, nicht etwas ganz Schlimmes, dafür hätte ich kein Verständnis. Und Sünde bleibt Sünde, nein, das hat in meinem langen Leben noch nie jemand von mir verlangt, daß ich ihm sie bereits vergeben würde, bevor sie begangen wird.“
- „Es ist so“, setzte Gangolf wieder an, „Sie haben vor einiger Zeit einmal gepredigt über die Liebe, daß die das Wichtigste ist im Leben.“
- „Ja, so ist es!“
- „Ich kenn’ da ein Mädel, die wurde verurteilt, ich weiß nicht, warum genau, aber sie muß immer so eine elektronische Fußfessel tragen und kann deshalb nicht die Stadt verlassen.“
- „Was haben Sie da gesagt, was ist das für eine Fessel und wieso kann sie da die Stadt damit nicht verlassen?“

Gangolf erklärte ihm, was es damit aufsich hatte, der alte Priester hörte interessiert zu und runzelte die Stirn:
- „Hab’ ich das richtig verstanden: Sie meinen, sie könnte unschuldigerweise verurteilt worden sein und Sie wollen sie von dieser Fessel befreien.“
- „Ja genau, so sehe ich das.“
- „Und Sie sind verliebt in sie?“
- „Ein bißchen, also ich möchte sie nicht im sexuellen Sinn lieben, aber sie ist so arm dran, so hilfsbedürftig, so schüchtern und einsam, ich möchte sie befreien, ich kann mir nicht vorstellen, daß sie jemals etwas Böses getan hat.“
- „Tun Sie das, was ihr Gewissen Ihnen sagt; man kann sich in beiden Richtungen versündigen, im Confiteor wurde früher bekannt, heute wird es kaum mehr wo gesprochen: >Daß wir Gutes unterlassen und Böses getan haben<.
Sehen Sie, das Gute zu unterlassen, das steht noch vor dem Bösen, das getan wird. Viele Menschen fassen Sünde einseitig auf, immer was Böses tun, lapidar gesprochen, aber daß es genauso sündig ist, ja noch viel mehr vielleicht, das Gute nicht zu tun. Freilich fällt es schwer zu entscheiden, was das Gute und das Böse ist. Und man kann ja nicht dauernd nur Gutes tun, Sie haben ihre Arbeit, Sie müssen sich erholen, Sie wollen Freunde besuchen und Freude haben. Das ist für mich das Gute, das man tut, nicht immer etwas ganz besonderes leisten, einfach im alltäglichen Leben die vielen Kleinigkeiten machen, die andere Menschen glücklich machen, die Gefälligkeiten, ja bereits die guten Gedanken, pflegt man sie nicht, unterläßt man das Gute, und das ist die Sünde.“

Der 90-jährige Priester sprach noch eine Weile weiter in diesem Sinne, Gangolf fand seine Sichtweise interessant, ihm war die doppelte Richtung des Sündigwerdens bis dahin nicht klargeworden, obwohl er das >Confiteor<, das Sündenbekenntnis, in seiner bayrischen Heimatkirche in Kindertagen allsonntäglich gesprochen hatte, sozusagen automatisch, ohne darüber groß nachzudenken.

Gangolf beschloß, etwas in Erfahrung zu bringen über Magdas zur Last gelegten Verbrechen. Wachtmeister Brause müßte doch etwas darüber wissen. Dann erst würde er in sich gehen, sein Gewissen befragen und anschließend entscheiden, was gut oder böse sei, ob er Gutes tut, indem er eine zu unrecht oder zu übermäßiger Härte Verurteilte zur Freiheit verhilft, oder ob er Böses tut, indem er sie befreit, obwohl sie ein Ver-brechen begangen hatte und sie dieses wiederholen könnte.

Schließlich bat der Krankenhausseelsorger Gangolf, einen Ruf in das Stationszimmer zu tätigen; eine Schwester kam, half ihn auf die Beine und reichte ihm die Krückstöcke. Bevor er die Krücken nahm, segnete er Gangolf, zog aus der Jackentasche eine an den Ecken zerknitterte Visitenkarte heraus und gab sie ihm:
- „Rufen Sie mich an, wann auch immer, bevor Sie etwas Falsches tun oder eben etwas Richtiges unterlassen, Gott gebe Ihnen eine weise Urteilungskraft!“

‚Im Grunde genommen ist die Entscheidung bereits gefällt worden’, sinnierte Gangolf, ‚vermutlich unternehmen die drei Mädels bereits eine erste Spritztour zusammen und brausen kreuz und quer durch die Märkische Heide. Und ich liege hier, kann nicht mit ihnen in Kontakt treten, ach ist das blöd: Bei der Bettina meldet sich immer nur der Anrufbeantworter, jenen der Martina will ich gar nicht hören, von der Magda hat er die Nummer nicht, Joe und Kalle haben ihm verboten, aus Sicherheitsgründen anzurufen oder sonstwie Kontakt aufzunehmen; verdammt, und ich lieg’ hier untätig herum.’

Nur zu gern hätte Gangolf gewußt, wie es Magda erginge, wie sie es genoß, die neu erlangte Freiheit. Plötzlich überkamen ihn Zweifel: Vielleicht ist das Projekt auch gescheitert, vielleicht ist es ihnen nicht gelungen, Fessel und Sender zu synchronisieren, vielleicht waren die Interferenzen zu stark? Die Ungewißheit über Erfolg oder Mißerfolg machte ihn nervös, es dauerte viele Stunden, bis er in dieser Nacht in einen unruhigen Schlaf gefallen war.

Und dann waren sie wieder da, die wilden Träume, die schaurigen Lieder, nicht nur jenes vom Morgenrot, sondern ein viel bekannteres, das vom >Brunnen vor dem Tore<, mit seinem tragischen Schlußvers:
>und immer hör’ ich’s rauschen: Du fändest Ruhe dort!<.

Verarbeitet man im Traum nur bereits Erlebtes? Oder können Träume auch die Vorsehung erkennen lassen?

Ahnte Gangolf im Traum, daß die Ruhe im Brunnen für ihn und für Magda eine unendlich bittere tragische Wirklichkeit werden würde?













53. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 19.11.21 18:00

28

Als Joe sein „Jetzt“ ausgesprochen hatte, aktivierte Kalle den von ihm konstruierten und angefertigten kleinen Sender, welcher das Funksignal der elektronischen Fußfessel simulierte. Nachdem beide nochmals für einige Sekunden alle ausgesendeten Signale kontrolliert hatten, umarmten sie sich und gaben sich einen lang anhaltenden Kuß. Nach der Umarmung öffneten sie sich den Hosenladen und massierten sich gegenseitig die Penisse. Schließlich gaben sie zum besten:
- „Jetzt wär’ was zu Trinken recht, aber warten wir noch so lange, bis der Scheiß-Akku in dem Ding leer ist und unser Sender allein zum Himmel funkt.“
Mit großen Augen blickte Martina sie an und dachte sich dabei: ‚Aha, so tickt ihr also.’
Ihr kam ein teuflischer Gedanke: ‚Man muß das Eisen schmieden, solange es glüht’.
Hurtig holte sie ihr I-pad hervor und rief Bettina unter deren geheimen Privatnummer an:
- „Hallo Süße, es ist vollbracht!“ ... „Möchtest Du nicht herkommen, ach komm’ doch bitte, wir müssen hier noch warten, bis ihr Akku leer ist“ ... „Ja, und bring’ einen Sekt mit, oder wollt ihr lieber Bier?“, fragte sie mit erhobener Stimme die beiden Männer, das Handy etwas von ihrem Gesicht weghaltend.
- „Beides“, war die einfache Antwort.
- „Hast du gehört, die beiden mögen beides, also sei so gut, bitte.“
- „Versorgung kommt“, bemerkte sie knapp an die Adresse der beiden und beendete das Gespräch. Dann fragte sie schelmisch:
- „Wann wart ihr zum letzten Mal bei einer Frau? Wollt ihr nicht zwischendurch einmal eine andere Massage haben als immer nur so oral, habt ihr Gummis dabei?“

Erstaunt blickten die Kerle auf Martina, die sich mittlerweile erhoben hatte und sich in ihrer beachtlichen Größe aufgebaut hat. Martina ließ ihnen keine Bedenkzeit, sie wählte sofort wieder Bettinas Nummer:
- „Und schnall’ dir deine Towers unter, die Kerls sind groß, ich hab’ eine Überraschung für uns, einmal was anderes als das Silikon“.
Es gab vor Jahrzehnten Buffalo-Schuhe mit der durchaus zutreffenden Bezeichnung >Towers<, sie besaßen eine bis zu 30 Zentimeter dicke Plateausohle. Bettinas Stiefeletten hatten zwar >nur< 15 Zentimeter hohe Absätze mit fünf Zentimeter Sohle im vorderen Bereich, sie waren von dem amerikanischen Hersteller Pleaser, doch sie nannten diese gewaltigen Treter weiterhin Towers in Erinnerung an die Buffis mit der dicken Sohle, die sie als Teenager damals haben mußten.
- „Räumen wir erst `mal die Sachen weg“, schlug Kalle vor, „nicht daß dann die Bullen kommen und sich wundern, was wir da alles aufgebaut haben!“
- „Warum sollen die kommen“, entgegnete Joe, „aber ja, machen wir das, dann ist das schon `mal erledigt, bis der Saft kommt“.
- „Hey, bist du heut’ wieder doppeldeutig mit deiner Wortwahl“, prustete Kalle und auch Martina stimmte in den Scherz mit ein. Überhaupt stieg die Laune der drei immer weiter an, während Magda weiter unbeweglich auf dem Boden lag. War es die überwundene Anspannung, das Projekt heute vollendet zu haben, war es die Aussicht, nach sehr langer Zeit wieder einmal echten Sex zu haben, Martina entwand sich ihrer sadistisch-dominanten Ader, die Männer legten ihr männlich-überlegenes Gehabe ab.

Endlich klingelte es und Martina lief hinunter, um Bettina die Haustüre zu öffnen. Sie umarmten sich ausgiebig und küßten sich, bevor sie die Stufen hinaufstiegen. Entgegen ihrer dominanten Gewohnheit nahm Martina Bettinas voll bepackte Umhängetasche und stürmte damit in die Stube. Bettina reichte Joe und Kalle ihr zartes Händchen, das in den Pranken der beiden förmlich verschwand. Die Männer mußten acht geben, nicht zu fest zuzudrücken, denn das Spiel hatte noch nicht begonnen.
Hurtig verstauten sie den Sekt in den Kühlschrank, während das vorgekühlte Bier die kurze Autofahrt einigermaßen gut überstanden hatte. Alle vier gönnten sich einen tiefen Schluck, bis Bettina zur Sache kam:
- „Also es ist euch geglückt, Magdas Ding an ihrem Bein auszutricksen?“
- „Das wollen wir doch hoffen“, meine Joe und Kalle setze nach: „Wenn nicht, dann werden uns die Bullen das schon sagen“.
Martina prustete los und verschluckte sich prompt. Als sich ihr Würgereiz beruhigt hatte und es still in der Runde wurde, fragte Martina:
- „Warum habt ihr die Liebe gar so fest auf dem Boden verzurrt, also ich weiß ja, daß sie so was liebt, aber das scheint mir schon ein wenig zu fest zu sein.“
- „Sie muß unbedingt völlig bewegungslos liegen, damit es keine Interferenzen gibt zwischen unserem Sender und ihrem Ding.“

Bettina ließ sich ihre Unwissenheit nicht anmerken, meinte aber: „Na, wenn jetzt doch alles vorbei ist, dann soll sie doch jetzt aufstehen und mit uns anstoßen“.
- „Warten wir noch, bis ihr Akku alle ist, dann ist ihr Ding erst sicher außer Betrieb.“
Joe wußte natürlich, daß seine Sorge wegen der Interferenz übertrieben war; sicherlich war zum Zeitpunkt der Synchronisierung ein ruhiges Referenzsignal wichtig, aber gleich darnach war jedwede Bewegung ohne Einfluß. Doch er genoß es, das >Objekt<, wie er im Geiste Magda betitelte, in dieser absoluten Bewegungslosigkeit zu wissen.

Martina konnte es nicht mehr länger erwarten. Sie forderte Bettina auf:
- „Jetzt zieh’ schon deine Towers an, dann bist du wenigstens einmal größer als ich und kommst einigermaßen auf Augenhöhe mit den Kerls! Die sollen sich doch nicht bücken müssen wegen dir.“
Auf Bettinas heller Gesichtshaut zeichneten sich die rot anlaufenden Wangen ab. Sie wollte jedoch keine Debatten anzetteln und holte gehorsam ihre Delight-1020 aus dem Sack. Martina begann zwischenzeitlich, sich zu entkleiden. Glücklicherweise hatte sie an der Innenseite ihrer Zehn-Loch-Boots einen Reißverschluß, so daß sie nicht umständlich die Bändel aus den Ösen ziehen mußte. Eine solche Geduldsübung, und dauerte sie auch nur wenige Sekunden, liefe ihrer Ungeduld schwer zuwider; auch darin spiegelte sich ihre Dominanz.

Die Männer kamen nicht aus dem Staunen heraus, als sie Martinas Keuschheitsgürtel auf deren entblößten Körper wahrnahmen.
- „Komm’ schon, meine Süße, die haben sicher schon mehr Frauen gesehen“, feuerte Martina Bettina an, wobei jene sich nicht sicher war, ob das stimmte. Bettina hingegen hat noch nicht so richtig begriffen, daß die beiden Herren ebenso homosexuelle Neigung zueinander hatten, wie sie es zu Martina verspürte.
Als dann beide Damen völlig nackt vor ihnen standen bis auf die matt schimmernden, aus Edelstahl gefertigten Keuschheitsgürtel, entfleuchte Kalle ein anerkennender Pfiff. Während sich die Mädels bückten, um ihre Stiefel anzuziehen, Bettina ihre 15-Zentimeter-Pleasers, Martina ihre Dr.Mertens-Kampfstiefel, rieben sich die Männer ihre Penisse. Martina lächelte in sich hinein bei dem Gedanken, daß es ihr als Frau gelungen war, Schwule zum Staunen zu bringen.

Während Martina nochmals in die Hocke gehen mußte, um das golden glänzende Schlüsselein aus ihrer am Boden liegenden Jeans herauszuangeln, hatte Bettina ihres bereits in weiser Voraussicht beim Ablegen der Hose herausgeholt, so daß sie sich jetzt, nachdem sie ihre >Towers< an den Füßen hatte, nicht nochmals wackelig bücken mußte.
Martina und Bettina öffneten sich gegenseitig ihre Gürtel; da diese die Unterleiber stramm unter Verschluß hielten, zeichneten sich gut sichtbar auf der Haut die Druckstellen ab, der silbrig glänzende Stahl wich den rötlich-blassen Schwellungen. Ungeniert faßte Martina ihrer Freundin an den Venushügel, strich sanft mit der einen Hand durch den Schritt, während ihre andere Hand über die Pobacken glitt.

Für Bettina war es sehr ungewohnt, dank ihrer enorm hohen Absätze heute einmal eine Handbreit größer als Martina da zu stehen, das war ein Zustand, den diese ihr nur selten gönnte, denn Martina wollte nicht nur im übertragenen Sinne auf sie herabschauen. Freilich wußten beide, daß es rein vom Intellekt betrachtet genau umgekehrt bleiben würde, ganz gleich, welche dominanten Allüren sich Martina einfallen ließe.
Schließlich forderte Martina die Männer auf:
„Nun macht schon, in der untersten Schublade da in der Kommode liegen Schnüre und bindet uns damit zusammen, sonst hört unser Gegrapsche nie auf!“
Sie hätte darauf nicht hinweisen müssen, denn beide waren dabei, als sie Magda gefesselt hatte. Es lagen nicht mehr viele Seile in dem Kasten, denn die meisten wurden schon für Magdas Hogtie verwendet. Während Joe die letzten zwei Seile unter den anderen Geheim-Utensilien hervorzog, packte Kalle Martina an ihrem rechten, Bettina an ihrem linken Handgelenk und zog sie weg von den weiblichen Genitalien. Er faßte sie seitlich an den Hüften der Mädels zusammen, so daß die Handflächen aufeinander zu liegen kamen.

Höhnisch grinste Kalle seine Opfer an und setzte noch eines darauf, als er mit seiner schier endlosen Kraft in den Fingern die rechte Hand kurz öffnete, mit welcher er Martinas Handgelenk umklammert hielt, schob Bettinas Handgelenk hinzu und umgriff jetzt die Gelenke beider Frauen gleichzeitig mit seiner Pranke. Gelassen zog er seine nun nicht mehr erforderliche linke Hand zurück und fing eines der beiden Seile auf, die Joe ihm zuwarf.

Beide Mädels stießen einen kurzen Schmerzenslaut aus, als Kalle ihre Handgelenke mit seiner Rechten fest aneinandergepreßt umklammert hielt, seine Linke formte er zur Faust, die er Bettina zwischen die Brüste setze und sie damit zurückdrängte, so daß sie schließlich mit ihrem Rücken an jenen von Martina zu stehen kam. Joe kam herzu und legte eine Bondage-Schlinge oberhalb Kalles Umklammerung; geschickt fesselte er die zarten Händchen aneinander, ohne daß das Seil in die Haut einschnitt. Die Fesselung wurde an der anderen Seite mit den noch freien Händen wiederholt.
Rücken an Rücken standen sie nun aneinander, Bettinas Po kam dank ihrer hohen Absatzschuhe in die Ausbuchung an Martinas Rücken oberhalb des Steißbeins zu liegen, während Martinas Hinterkopf sich in Bettinas Nacken schmiegen konnte. Joe führte die von den Händen herunterhängenden Seilenden vorne an den Leibern der Gefesselten herum und verknotete sie. Dann zog er sich den Hosengürtel heraus und zurrte ihn um die Hälse der beiden, so daß sie gezwungen waren, Rücken an Rücken aufrecht zu stehen.

Joe und Kalle betrachteten genüßlich ihr Werk, als die beiden Gefesselten jedoch damit begannen, mit den Füßen hin- und herzutippeln, griff Joe kurzentschlossen an die Bändel von Martinas Stiefel, zog sie aus den oberen fünf Löcherpaaren heraus, führte sie an Bettinas Stiefeletten durch den Zwischenraum zwischen Absatz und Vordersohle hindurch und verknotete damit diese mit jenen.
Kurz überlegte sich Joe, ob es nicht einfacher gewesen wäre, die Bändel aus dem oberen Teil der Schnürung von Bettinas Stiefeletten zu ziehen, doch hatte er Sorge, daß deren schmales Füßchen dann möglicherweise wegen des dann lose herunterhängenden Schaftes sich aus den Delights herausziehen hätten können.

Als nun die Mädels ziemlich unbeweglich splitternackt da standen, geilten sich alle vier bei diesem seltenen Anblick auf. Freilich konnten die Gefesselten sich nicht gegenseitig sehen, allenfalls ihre Köpfe, soweit die sie zusammenhaltenden Halsstricke es zuließen, etwas zur Seite drehen und nach vorne beugen.
Die Vorstellung, daß die weiblichen Lippen an die behaarten Männerbrüste zu liegen kämen, mißfiel Kalle; er kramte aus dem Schub zwei große Tücher hervor, erzeugte Dreiecke mit ihnen, indem er die Ecken übereinander legte, spannte sie zuerst der einen Frau über das Gesicht und verknotete sie am Hinterkopf. Dann vollführte er die gleiche Handlung am Kopf der anderen Frau, hier schob er jedoch den Zipfel unter dem zuvor gelegten Knoten hindurch, so daß jetzt beide Häupter mit den Tüchern verbunden waren.

Joe nickte anerkennend, daß jetzt Augen, Nasen und Münder des schwachen Geschlechts verhüllt waren. Sicherheitshalber zog Kalle als zusätzliche Maßnahme nun auch seinen Hosengürtel heraus und schlang ihn unterhalb der sich unter den Tüchern abzeichnenden Nasen um die beiden Köpfe. Als jedoch die beiden Gutbetuchten anfingen, mit ihren Lippen herumzumachen, rutschte der Riemen nach unten und kam auf den Schultern zu liegen.
- „Na wartet“, schimpfte Kalle, öffnete die Gürtelschnalle, ertastete die Münder der Delinquentinnen unter dem Stoff, drückte mit Daumen und Zeigefinger seitlich neben den ertasten Lippen fest zwischen obere und untere Zahnreihe, und schon öffnete sich der Mund mit einem leichten >Ah<-Ruf. Gnadenlos zurrte er den Riemen über die gespreizten Münder, die Tuchzipfel rutschten auf diese Weise etwas nach oben in die Mundhöhlen, sie bedeckten nun gerade noch so die Kinne.
Alles in allem war es ein köstlicher Anblick: die kunstvoll drapierten Kopftücher, die aneinander gefesselten Hände, die zusammengebundenen Stiefel, die ultimative Lusthandlung konnte beginnen.

Während Joe als der kleinere von ihnen vor die absatzlose Martina trat, wandte sich Kalle ihnen gegenüber und baute sich vor der 15 Zentimeter erhöht stehenden Bettina auf; dennoch konnte er noch mühelos über sie hinwegblicken. Nachdem die Männer ihre Gummis übergeschoben hatten, führten sie ihre allerheiligsten Körperteile in die göttlichen Höhlen, ein für sie vollkommen ungewohnter Vorgang, sie konnten sich nicht mehr erinnern, wann sie das zuletzt getan hatten. Sie gingen dabei sehr vorsichtig vor, denn sie wußten, daß ihre Geräte bereits zu dicken Zapfen angeschwollen waren und sie erinnerten sich auch noch daran, daß das erstmalige Einführen immer schmerzhaft für das Gegenüber war. Sie lauschten auf das leise Aufstöhnen aus den geknebelten Mündern, es erregte sie gleich noch mehr, vorsichtig ging es weiter vor und zurück, sie umrundeten mit ihren langen Armen die zwischen ihnen eingeschlossenen weiblichen Oberkörper, ergriffen sie an den Schulterblättern und am Nacken und bewegten sie in sanften Wogen im Gegentakt zum Rhythmus ihrer Lustzapfen.

Ihre Lustzapfen drückten sich zur gleichen Zeit auch Gangolf und sein Bettnachbar im Krankenzimmer, als sie in Annelie Wühls Talkshow Umweltministerin Graumaus mit weit aufgerissenen Mündern auf dem Fernsehbildschirm anstarrten, als diese sich vor laufender Kamera erhob, ihre bademantelförmige weit herunterreichende Jacke aufknöpfte und Einblick in ihren bis auf das verhüllende Eisen nackten Unterleib gewährte.
















54. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 26.11.21 23:23

Soeben erfahre ich von der gefährlichen Virus-Mutation, die in Südafrika wütet und im Begriff steht, sich über die Welt auszubreiten und damit alles Bemühen im Kampf gegen Corona zunichte machen könnte; mit gemischten Gefühlen veröffentliche ich die nächste Episode meiner Fantasiegeschichte, als ich sie schrieb, glaubte ich, das Corona-Virus stünde kurz vor der endgültigen Ausrottung...
M a g n u s .





29

- „Sind Sie jetzt vollkommen verrückt geworden?“, entzürnte sich Prank-Barrenkauer, „wir kennen Sie schon mit ihren Provokationen, aber jetzt haben Sie ja wirklich den Bogen überspannt!“
Graumaus ahnte, daß sie sich heute rechtfertigen müßte, und sie hatte sich gewappnet. Im ruhigen Ton antwortete sie:
- „Mäßigen Sie sich, Frau Kanzlerin, und präzisieren Sie die Anschuldigungen!“
- „Ihr Auftritt bei Annelie Wühl, als Ministerin, als Mitglied der Bundesregierung, geben Sie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine Striptease-Einlage!“, empörte sich Prank weiter.
- „Nicht als Ministerin habe ich gesprochen, ich hab’ gar nichts gesprochen in dem Augenblick, es war vielmehr ihr christlicher Parteigenosse Scham, ausgerechnet er als Gesundheitsminister fragte mich ganz unverschämt, welche Antwort ich als Privatperson, also ganz und gar nicht als Ministerin, auf die Frage des HIV-Virus’ hätte, dabei ist es doch sein Ressort und es zeigt mir wieder seine Unfähigkeit, denn er blieb sämtliche Antworten schuldig, die im Lauf der Sendung gestellt wurden.“
- „Und welche Antwort haben Sie gegeben?“
- „Ja haben Sie die Sendung nicht gesehen?“
- „Nein, mir wurde nur davon berichtet.“
- „Aha, Sie haben mich also gar nicht gesehen; mich natürlich auch nicht gehört, denn ich hab’ darauf gar nichts gesagt“.
- „Sie beantworteten gar nicht Schams Frage?“
- „Doch, so:“ Die Umweltministerin erhob sich, öffnete ihre lange Jacke und ließ ihre Nacktheit darunter sichtbar werden, ohne ein Wort zu sagen.

Prang starrte verdutzt auf die nackte Schönheit. Graumaus ließ sie einige Sekunden in der stillen Anbetung verharren und meinte dann:
- „Und, sehen Sie meinen Mons veneris, meine Schamlippen, meine Schamhaare, sonst irgend etwas Verschämtes?“
Ihr Keuschheitsgürtel mit dem breiten Schrittband verdeckte perfekt ihren rasierten Venushügel, läßt diesen indes aufgrund der anatomisch-individuellen Formung des Schrittbandes eindeutig erahnen. Als Prank immer noch sprachlos auf ihren Unterleib glotzte, fuhr die Umweltministerin fort:
- „Das ist meine Antwort auf das HIV-Virus, sollte jede Frau so einen haben, wenn sie allein wohin geht, dann wär’ auch gleich die Kriminalstatistik besser.“
Nach einer kurzen Atempause fuhr sie fort: „Wissen Sie noch, was Bundespräsident Herzlos sagte: >Durch Deutschland muß ein Ruck gehen<“.

Nun fand Prank wieder ihre Fassung und entgegnete: „In welchem Zusammenhang hat er das geäußert?“
‚Was, du warst doch damals dabei, nicht ich, ich war noch kaum auf der Welt’, empörte sich Graumaus im Gedanken, doch sie ließ sich nichts anmerken und erläuterte ruhig:
- „Es ging um die Probleme nach der Wiedervereinigung, die Wirtschaft vor allem im Osten lag total danieder, die sozialen Probleme wuchsen, Staatsverschuldung und so weiter, man hätte die Rede eher von einem Sozialisten erwartet als von einem Präsidenten ihrer christlichen Partei. Er sagte:
>Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen. Alle sind angesprochen, alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen.<
Und das Thema ist heute so aktuell wie damals vor 33 Jahren: Alle sind angesprochen, keiner kann den Viren entfliehen, jede ist `mal mit einem Fremden im Bett“.
Prang bewunderte Graumausens breites Spektrum an Allgemeinwissen und an politischen Details, sie bedauerte schon oft, daß diese in der falschen Partei stand. Sie bewunderte auch die Unverblümtheit, wie sie die Dinge zur Sprache brachte, >jede ist `mal mit einem Fremden im Bett<, Moral hin oder her, es ist wohl die nackte Wahrheit.

Die Stirnfalten in die Höhe ziehend nickte Prank mehrmals, atmete tief ein und sagte:
- „Du hast ja recht, vor zwanzig Jahren hatte ich auch einen, aber jetzt bin ich viel zu dick geworden für so was. An den fetten Bäuchen sieht der Gürtel gar nicht erotisch aus, meine ich jedenfalls, aber für junge Frauen wie dich, noch dazu mit der Idealfigur, find’ ich toll und richtig, aber bei uns älteren, wir laufen ohnehin kaum Gefahr, wer will uns noch haben.“

Nun war es Graumaus, die verwundert aufschaute und sich dabei die Jacke zuknöpfte.
‚Anscheinend hab’ ich sie überzeugt’, dachte sie sich, ‚Beispiele sagen viel mehr als Hundert Worte’.
Dann kam ihr der ominöse Condoma-Virus in den Sinn; sie wechselte jetzt auch zum Du:
- „Sag’ mal, weil wir schon bei der Virusabwehr sind, was hört man denn von dem Condoma-Virus, ist der jetzt doch verschwunden von selbst oder wie?“
- „Im Gegenteil, eine schlimme Sache, aber bitte sag’ das jetzt nicht weiter, das möchte ich solange vertraulich behandeln, bis wir es im Kabinett besprechen, kannst du mir das versprechen?“

Prank sah Graumaus tief in die Augen, diese hielt ihrem Blick stand, so daß die Kanzlerin mit einer tiefen Stimme anhob:
- „Wir stehen kurz davor, überall in Europa schwere und strenge Maßnahmen gegen den Virus einzuführen, gerade in den südlichen Ländern ist er schon weit verbreitet, aber ich wundere mich selbst, wie es die Italiener und Spanier schaffen, den Virus immernoch so geheim zu halten. Schießmann hat jedenfalls an die Hundert Millionen Gasmasken bereits gestapelt, in den Kasernen überall verteilt, dort fallen die nicht als ungewöhnlich auf, so daß wir sie jederzeit einfach herausholen können, ohne daß wir jetzt schon die Menschen in Aufregung versetzen.“
- „Und den Leuten dann allen eine verpassen?“
- „Ja genau, die einen kriegen die mit den grünen Filter, die Einatem-Filter, um sich zu schützen vor der Atemluft; die anderen kriegen die roten, die Ausatem-Filter, um die Außenluft zu schützen vor ihrem infizierten Atem.“

Nach einer kurzen Gedankenpause meinte Graumaus:
- „Da wären wir wieder bei der Rede vom Herzlos: >alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen< Für den Corona-Virus trifft das noch viel mehr zu, keiner kann sich entziehen, man kriegt ihn nicht im Bett, sondern einfach draußen an der frischen Luft. Und die Opfer, die wir bringen müssen, wären dann die Gasmasken, mit denen wir dann herumlaufen müßten, und daß sie wirksam werden, das Filtern der Luft, da müssen dann alle mitmachen.“
- „Ja, so sehe ich das auch. Es wird wohl sauschwer, das der Bevölkerung zu vermitteln“.
- „Ah, das glaub’ ich nicht“, meinte Graumaus, „wir haben ja schon vor zehn Jahren gesehen, mit den Leuten kann man fast alles machen, die machen alles mit, was man ihnen befielt. Weißt du noch, wie die alle brav mit ihren nichtsnutzigen Stoffhadern vor dem Gesicht herumliefen, weil man ihnen weismachte, das würde helfen, das Corona-Virus vor der Verbreitung zu verhindern?“
- „Du meinst also, die Bevölkerung würde es akzeptieren, jetzt mit den schweren Gasmasken herumzulaufen?“, fragte die Kanzlerin nach, „hattest du schon `mal eine auf, weißt du, wie schwer die sind, wie man dann wirklich nach Atem ringen muß, wenn man nur eine einfache Treppe steigen will?“
- „Äh, nein, hatte ich noch nicht, aber du vielleicht, in der Zeit als Verteidigungsfrau“.
- „Ja, mehrmals probierte ich so ein Teil, als ich die ABC-Schutz-Abteilungen der Bundeswehr besuchte, war echt ein irres Gefühl und vor allem zu sehen, wie die da alle damit herumliefen, sogar Auto fuhren. Wart’ mal!“

Noch während sie die letzten Worte aussprach, erhob sich Prank, ging zu einem kleinen Schrank, öffnete ihn und zog die unterste Schublade heraus. Sie kramte ein bißchen herum und zog eine olivgrünen Gummitasche hervor, öffnete sie und legte sie geöffnet auf dem Schreibtisch ab.
Mit leuchtenden Augen griff Prank in die Tasche und zog eine Gasmaske heraus, griff diese am Filter und ging damit zu der Ministerin Graumaus.
- „Willst du die `mal probieren?“, fragte Prank.
Verdutzt blickte Graumaus sie an und stotterte leicht: „Äh, ja klar, wie geht das?“

Prank hielt die Maske mit der rechten Hand über deren Kopf, zog mit der linken Hand die rückseitigen Gummibänder in Richtung ihres Nackens und hielt diese fest, spannte die Gummibänder, indem sie mit der rechten Hand das Filter nach vorne und nach unten zog über die Nase bis über das Kinn hinunter. Als sie schließlich die Hände wegnahm, hing die Maske schlaff über Graumausens Kopf. Prank griff zu den vier einstellbaren Gummibändern oberhalb und unterhalb der Ohren, zog an ihnen nach vorn, bis sie meinte, der Gummizug wäre ausreichend.

Tatsächlich vernahmen jetzt beide Politikerinnen das charakteristische Ausblasgeräusch aus dem Ventil der Maske. Graumaus spürte, wie ihr Puls deutlich anstieg, und nicht nur dieser: Der Geruch des Gummis, der in nächster Nähe vor ihrer Nase aufstieg, stimulierte sie unermeßlich, Prank sah es ihr deutlich an, als sie durch die Maskenscheiben die weit geöffneten Augen der Bemaskten beobachtete.
- „Einfach geil“, murmelte Graumaus in das Gummi, sie dachte nicht, daß ihr Gemurmel hörbar wäre, doch Prank vernahm es durchaus, wenn auch sehr dumpf in für Frauenstimmen unnatürlich-tiefer Tonlage.
Schließlich griff Graumaus mit beiden Händen an das Filter und versuchte, die Maske von ihrem Kopf abzuziehen. Es gelang ihr nicht recht, so daß ihr Prank riet:
- „Einfach das Filter kräftig nach vorne ziehen und dann nach oben weg ziehen.“

Graumaus überreichte ihr die Maske, Prank nahm sie entgegen und lockerte die längenverstellbaren Gummibänder.
- „Die Soldaten lassen die fest eingestellt“, erläuterte sie, „aber ich lockere sie lieber und ziehe sie dann fest, wenn ich die Maske auf ab. Vor allem bei deinen langen Haaren ist das angenehmer und einfacher, meine ich.“
Als sie das edle Teil in die Gummitasche verstaut hatte, blickte sie in die leuchtenden Augen ihres Gegenübers; Graumaus stand unter den Nachwirkungen des Erlebten, die Faszination konnte nicht verborgen bleiben. Prank sah es ihr an und fragte:
- „Möchtest du sie haben, ich hab’ zuhaus’ noch einige“. Ohne ihre Antwort abzuwarten, drückte sie ihr die Gummitasche mit der Gasmaske in die Hand und meinte mit einem verschmitzten Lächeln:
- „Und viel Vergnügen damit, schaut sicher gut aus zusammen mit deinem Gürtel, rundherum von den Viren geschützt!“




















55. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von modex am 27.11.21 21:55

Magnus, zunächst einmal vielen Dank für Deine spannende und verschlungene Geschichte. Ich meine, Deine Geschichte ist erst recht realistischer denn je.


Ohne Anspruch auf inhaltliche Richtigkeit - und auch die sogleich zitierte "Entdeckerin" der Variante macht sich Sorgen, aber:

Omicron Variant "presents mild disease with symptoms being sore muscles and tiredness for a day or two not feeling well. [...] as medical practitioners, we do not know why so much hype is being driven"
Angelique Coetzee, chairwoman of SAMA
56. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 03.12.21 20:17

Dein Kommentarr, Modex, bestärkt mich in zweierlei Hinsicht: Im realen Leben, daß >Omicron Variant "presents mild disease..."<, und in der Phantasiewelt des Romans, >spannende und verschlungene Geschichte<; das beflügelt mich, eine weitere Episode zu veröffentlichen!


30

Hauptwachtmeister Brause plagte das schlechte Gewissen. Vor zwei Jahren war er geradezu besessen von seiner Überzeugung, daß Gangolf es gewesen sein mußte, der mit seinem blauen Sportmotorrad die Bankräuber verfolgt hatte, und als diese mit ihrem Motorrad aus der Kurve in den Wald flogen, ihnen das erbeutete Geld abgenommen hatte, um es nun seinerseits zu rauben.
Die Zeugin in dem Bäckerladen war selbst begeisterte Motorradfahrerin, sie konnte genau das Modell beschreiben, eine blaue Yamaha R1. Der Fahrer trug eine gleichfarbige Lederkombi des Fabrikats IXS, einen blau-weißen Helm des Fabrikats AGV. Sogar die Handschuhe waren aus schwarz-blau-weiß-gegerbtem Leder. Brause konnte der Zeugin nicht verübeln, daß sie nicht hinauslief, um sich das Kennzeichen zu merken, als der Fahrer den Laden verlassen hatte und die Verfolgung der Bankräuber aufnahm.

Andere Zeugen, die auf der Straße vor der Bäckerei standen und ebenfalls das davor abgestellte blaue Motorrad sahen, bestätigten die Angaben der Verkäuferin, ohne jedoch Detailangaben liefern zu können. Diese anderen Zeugen beobachteten vorrangig das Geschehen auf der anderen Straßenseite, wo einer der Bankräuber auf einem dunkelfarbigen Motorrad gewartet hatte, bis sein Ganoven-Kumpan aus der Sparkassenfiliale mit der großen Umhängetasche herausgestürmt und sich auf den Soziussitz geschwungen hatte.

Als Brause dann zusammen mit Kollegen der Kriminalabteilung aus Kaiserswuselhausen alle Besitzer von blauen Motorrädern in der ganzen Region besuchte, kam für ihn nur Gangolf in Frage; die Beschreibung der Zeugin traf auf seine Kleidungsstücke hundertprozentig zu.
Es folgten tagelange Hausdurchsuchungen, Gangolfs Haus und Hof wurde bis in die kleinsten Ecken durchsucht; Möbel verschoben, Bilder von der Wand genommen, Fußböden nach geheimen Versteckmöglichkeiten abgeklopft, ebenso Dachpfetten und –sparren. Die gesamte Hof- und Gartenfläche wurde umgegraben, die große Hecke rund um das Gelände zerzaust, keine Spur von der Beute.
Was Brause bis zum jetzigen Tag umtrieb war die Tatsache, wie geduldig Gangolf die Durchsuchungen geschehen hatte lassen, ohne Empörung, sondern im Gegenteil mit verdächtig viel Verständnis; den Beamten wurde gar Kaffee und Gebäck angeboten.

Und nun stürzte dieser Gangolf Stumpf von dem Hausdach seiner Tochter und lag mit gebrochenem Bein im Krankenhaus. Als Brause ihn dort besuchte, brachte er das Thema zur Sprache:
- „Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen, Herr Stumpf“, doch Gangolf winkte ab und unterbrach ihn:
- „Keine Ursache, da können Sie doch nichts dafür, daß ich so blöd war und abgestürzt bin, im Gegenteil, Sie haben mich ja noch gewarnt vor dem Regen.“
- „Ja das meinte ich auch gar nicht, das war freilich ein sehr bedauerlicher Unglücksfall, Sie sollten sich bei solchen Aktionen lieber anseilen. Aber was ich sagen wollte war wegen dem vor zwei Jahren, als ich Ihnen alles auf den Kopf gestellt hatte. Das war völlig überzogen, doch ich war so überzeugt, das Geld bei Ihnen zu finden.“
- „Ach so, ja, das war schon kraß, aber längst vergessen, das Gras wächst jetzt viel besser, nachdem die Erde richtig umgegraben wurde und der Hausputz hat sich auch gelohnt.“

So sehr sich Gangolf bemühte, dabei entspannt-heiter zu wirken, kamen seine Worte nicht ganz locker-natürlich herüber; Brause verspürte in seinem Innersten weiterhin eine unerklärliche Unstimmigkeit in diesem seltsamen Kriminalfall. Da er nicht sofort etwas dazu sagte, fuhr Gangolf mit einer Frage fort:
- „Hat man eigentlich die Täter gefaßt, also den Verfolger, der denen angeblich das geraubte Geld entrissen hat?“
Es gelang ihm, bei der Frage nicht zu erröten, Brause antwortete:
- „Nein, es wurde nie gefunden und auch der Verfolger mit dem Motorrad nicht identifiziert, vielleicht kam er aus Berlin oder aus Polen oder weiß Gott, woher. Wir können ja nicht die halbe Welt nach blauen Motorrädern absuchen. Das Verfahren wurde eingestellt.“

- „Wo wollen Sie eigentlich hin, wenn Sie hier wieder halbwegs hergestellt sind und entlassen werden?“, erkundigte sich Brause.
- „Ja, das ist eine gute Frage, Herr Brause, sehr aufmerksam von Ihnen, ich hab’ mir darüber auch schon Gedanken gemacht. Wissen Sie, ich bin zum ersten Mal in einem Krankenhaus, zumindest als Erwachsener, und das kam alles so plötzlich, daß ich jetzt irgendwie hilflos bin.“
- „Das kann ich mir vorstellen“, entgegnete Brause und dachte einen Moment lang an seine Tochter, die in ihrem Häuschen durchaus noch ein Zimmer für ihn freiräumen könnte. Vielleicht kämen sie sich auf diese Weise näher, es würde ihn freuen, denn nach der Scheidung fehlt doch irgendwie ein Mann im Haushalt, vor allem, der so praktisch begabt war wie Stumpf.

- „Ich dachte schon an Magda, also an Marlies Armdran, die ist doch so allein“, sprach Gangolf seine Gedanken aus.
- „Hm, ach ja, Sie haben recht, und gut kochen kann sie auch, bei ihr wären Sie gut versorgt“, antwortete Brause.
- „Würden Sie mir bitte ihre Nummer geben, ich hab’ sie nämlich immer noch nicht eingespeichert, weil ich bisher immer nur mit ihrer Freundin bei ihr oben war. Aber so eine Frage würde ich doch lieber direkt mit ihr besprechen, ohne Beisein der Martina.“

Brause zog sein Smartphone heraus, tippte langwierig auf dem Display herum, bis er endlich die gespeicherten Kontaktdaten fand. Er las vor:
- „Null drei fünf vier ...“
- „Langsam, Moment bitte, ich muß mir das aufschreiben“, unterbrach Gangolf und nahm sein Smartphone vom Tischlein an seinem Bett. Hurtig öffnete er das Eingabefeld für einen neuen Eintrag, und Brause wiederholte die Rufnummer.
Gangolf bedankte sich; die Gelegenheit am Schopfe ergreifend faßte er Mut, Brause nach den Hintergründen von Magdas Verbrechen zu fragen.
- „Hm“, räusperte sich Brause, „aber zuvor möchte ich was von Ihnen dazu wissen.“
- „Ja bitte“, forderte Gangolf ihn auf, „wenn ich da was sagen kann.“
- „Was stand da neulich neben ihrem Bett, von der Bettdecke zugedeckt, unten sahen die Kabel heraus, da war doch was, was da nicht hingehörte.“

‚Verdammt’, durchzuckte es Gangolf, ‚der bemerkt doch alles, leugnen hat jetzt wohl keinen Sinn’.
Gangolf beschloß, nicht herumzulügen: „Ja, das waren Meßgeräte für Frequenzen, ehrlich gesagt, wollte ich wissen, welche Signale so eine elektronische Fessel ausstrahlt, das hat mich sehr interessiert, so etwas bin ich ja noch nie begegnet.“
- „Aha, und dann haben Sie die Geräte schnell unter der Decke versteckt, als ich die Treppe heraufkam.“
- „Ja genau, ich wollte nicht, daß Sie, oder wer auch immer da hereinkommen würde, sieht, was ich da so mache; es war natürlich blöd von mir, denn Sie kommen ja doch dahinter und es ist ja auch kein Geheimnis eigentlich.“
- „Wenn ich mich recht erinnere, sind Sie Amateurfunker, zumindest haben Sie allerhand Elektronik in ihrem Keller da rumstehen.“
- „Ja, so ist es. Und drum hab’ ich mir von dem Hans, unseren Gerätewart, die ausgeliehen, um Messungen zu machen.“

Brause ließ das Gehörte etwas sacken und meinte dann: „Hans, kenn’ ich den?“
Es war ihm klar, daß das eine rein rhetorische Frage war, wie sollte er einen Hans kennen, der in einem Amateurfunkverein Gerätewart war. Doch die Welt ist klein, wie sich schnell herausstellen sollte:
- „Hans Altmann“, gab Gangolf zur Antwort, „wohnt, glaub’ ich, hier irgendwo hinten an der Schlee“.
Erstaunt hob Brause seinen Kopf, blickte kurz zur Decke und sagte dann: „Ist das der alte Altmann, der früher mit dem Fahrrad herumfuhr mit der Werkzeugkiste hintenauf und die alten DDR-Fernseher reparierte, Luxomat hießen die Dinger, der war gut drauf, ja, ich glaub’, das war der Fernseh-Hans, so nannten ihn meine Eltern“.
- „Das kann gut sein, ich schätze ihn an die siebzig, ist der totale Bastler für alte Schaltungen, ein toller Kollege, von ihm kann man alles haben, nur die Meßgeräte wollte er erst einmal nicht herausrücken, bis der Vorstand ihm es erlaubte.“
- „Ja, ja,“, freute sich Brause, „das wird er wohl gewesen sein, der hatte immer so Röhren dabei in seiner Holzkiste, dann so Kondensatoren, oder wie das Zeugs heißt, natürlich seinen dicken Lötkolben, mit selbstgewickelter Heizspule, wie er immer beschwor, und die Kiste aus Holz war sein Heiligtum, hatte diese von seinem Vater übernommen, wissen Sie, damals war Holz Mangelware in der DDR, die machten alles aus Plaste oder Blech.“

Brause war vollkommen überzeugt davon, daß Gangolf die Wahrheit sprach, daß dieser tatsächlich rein aus technischem Interesse handelte und jene Messungen an der elektronischen Fußfessel durchführte. Er hatte das Gespür, wenn jemand die Wahrheit sagte, aber auch, wenn herumgedruckst wurde oder wenn sonst etwas an einer Geschichte nicht ganz stimmig war. Darüber hinaus befand er sich nicht in einem Verhör mit Gangolf, und somit beschoß er, die Angelegenheit nicht weiter zu hinterfragen. Er forderte jetzt Gangolf auf, seine Frage an ihn zu stellen.

- „Ehrlich gesagt, Herr Brause, nachdem ich jetzt die Magda, also die Marlies, seit einiger Zeit jetzt kenne, kann ich mir nicht vorstellen, wie die Frau jemals ein Verbrechen begangen hat. Die kann doch keiner Fliege was zuleide tun, total schüchtern, auch so zart und schwächlich, ich komm’ da nicht zurecht, was ich von dem Ganzen halten soll“
- „Mir geht das genauso, Herr Stumpf“, pflichtete ihm Brause bei, „aber bitte, das muß jetzt ganz unter uns bleiben; ich hab’ zwar meinem Chef auch schon meine Vermutung gesagt, aber ich möcht’ nicht, daß das in der Öffentlichkeit herumerzählt wird.“
Gangolf schwor hoch und heilig, zu schweigen wie ein Grab, auch Magda gegenüber und ihrer Freundin.
- „Meiner Meinung verhält sich das so,“ hub Brause an, „ihre Freundin, die Martina, glaub’ ich, daß sie so heißt, ja, die wurde einmal vergewaltigt. Unter uns gesagt, die jungen Frauen legen es ja oft darauf an, wie sie sich geben, da muß doch ein labiles männliches Gemüt verrückt werden, aber das können sich die Mädels anscheinend nicht vorstellen; ich jedenfalls hab’ meine Tochter immer gewarnt, keine falschen Signale auszusenden, das geht bei der Kleiderwahl los und endet dort, wo man Nachts allein hilflos am Flußufer steht.“

Brause legte eine kurze Besinnungspause ein, ordnete seine Erinnerungen und fuhr fort:
- „Sie brachte die Vergewaltigung zur Anzeige, ließ sich untersuchen und es wurde alles dokumentiert. Kurz darauf rief die Armdran bei der Zentrale an und sagte, ein Mann wäre bei ihr hereingekommen und wollte ihr an die Wäsche. Sie flüchtete sich angeblich in die Küche, konnte eine Blumenvase ergreifen und schlug mit ihr auf den Mann ein, bis dieser tot dalag.“

Es folgte ein betretenes Schweigen. Schließlich ergriff Gangolf das Wort:
- „Also war es eine Art Notwehr von ihr“.
- „Ja, sie wurde wegen Totschlags verurteilt. Und das nur, weil sie sofort gestanden hatte. Was mich nur wundert, ist das, daß keinerlei Untersuchungen in ihrer Wohnung stattfanden. Man fand zwar ein paar Blutflecken auf dem Fußboden, wo er gelegen hat, aber da müßten richtig große Lachen sich gebildet haben, denn er hatte offene Wunden, auch ist sie selber nicht untersucht worden, ob es Kampfspuren gab. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es ihr so leicht gelungen ist, mit der Vase auf ihn einzuschlagen: Entweder hat er sich gewehrt, immerhin war er zwei Kopf größer als sie, dann müßte auch die, ich bleib’ jetzt bei ihrem Namen Magda, also auch die etwas von dem Kampf abgekriegt haben, oder der Angegriffene wäre zurückgewichen und hätte das Haus schleunigst verlassen.“

- „Sie hatte sofort die Tötung gestanden?“, wiederholte Gangolf fragend.
- „Ja, sonst wäre sie wegen Mord d’ran gewesen, denn es kam ja zu keiner Vergewaltigung.“
- „Und so kam es zu keinen genaueren Untersuchungen“, reflektierte Gangolf.
- „So ist es, aber ich bitte Sie, das zarte Mädel konnte doch so einen Hühnen von Mannsbild nicht mit dem Väschen niederstrecken; also meiner Meinung nach hat sie die Tat für jemand anders auf sich genommen, aber bitte, das muß unter uns bleiben, das ist meine rein persönliche Meinung, ich spreche da nicht als Polizist.“
- „Ja, danke für ihre Einschätzung“, entgegnete Gangolf, „das bleibt freilich unter uns“.

Gangolf fühlte sich bedeutend leichter, als er Brauses Einschätzung vernahm; um mit den Worten des alten Priesters zu sprechen: Mit der Befreiung von der Fessel würde Gangolf etwas Gutes tun und nicht im Gegenteil, etwas Gutes unterlassen, was ja Sünde bedeutete.
- „Und noch was“, fuhr Brause fort, „diese Freundin Martina hat den Getöteten sofort eindeutig identifiziert und die forensische Untersuchung ergab tatsächlich, daß es der war, der sie vergewaltigte. Und dann lag er wenige Tage später in Magdas kleiner Wohnung tot auf dem Fußboden. Mehr möchte ich dazu jetzt nicht mehr sagen.“

Es stellte sich für beide die unausgesprochene Frage, für wen Magda die Schuld auf sich genommen hatte, Gangolf verspürte eine vage Ahnung, Brause hatte diesbezüglich wohl Gewißheit.


































57. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 06.12.21 00:03

Ob das von Gangolf so klug war, dem Herrn Brause das Vorhandensein der Messgeräte zu offenbaren, wage ich zu bezweifeln.
58. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 08.12.21 18:35

Was hätte er tun sollen? Ich glaube, Gangolf ist ein schlechter Lügner, Wachtmeister Brause hätte wahrscheinlich nicht locker gelassen, wenn jener herumgedruckst hätte; warten wir ab, wie es sich entwickelt, übermorgen kommt die Fortsetzung!
59. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 10.12.21 21:38

31

Der Ambulanz-Fahrdienst brachte Gangolf bis an Magdas Haustür. Der Fahrer half ihm aus dem Auto und stellte die Gepäcktasche vor der Tür ab. Als Magda heruntergekommen war und die Tür geöffnet hatte, verabschiedete sich der Fahrer mit einem Wink, wünschte gute Genesung, schwang sich in sein Fahrzeug und brauste davon.
Magda stellte sich vor Gangolf auf die Zehenspitzen und umarmte dessen Kopf.
- „Nicht so stürmisch“, rief Gangolf, „sonst falle ich noch um, ich bin es noch nicht so gewohnt, mit diesen Krücken zu stehen, das Gehen fällt mir leichter damit.“

Gangolf neigte seinen Kopf, Magda gelang es, ihr zartes Mündchen zuerst auf sein Kinn, dann auch auf seine Lippen zu setzen. Nach dem kurzen Begrüßungskuß hielt sie ihm die Tür auf. Vor der ersten Stufe reichte Gangolf ihr seinen rechten Krückstock, damit er sich am Handlauf festhalten konnte. Erstmals erglomm Gangolf eine Stiege, es fiel ihm schwer, er mußte tief atmen.
Geduldig verharrte Magda hinter ihm, bis Gangolf oben angekommen war. Sie übergab ihm den Krückstock und öffnete die Wohnungstür. Während er hineinhumpelte, eilte sie wieder hinunter, um Gangolfs Tasche zu holen. Kaum daß er sich auf einem Stuhl niedergelassen hatte, kam sie schon wieder herauf und stellte die Tasche ab. Sie kniete sich vor ihn nieder und nun war sie es, die ihr Haupt neigen mußte, damit sich ihre Münder treffen konnten.

Gangolf fühlte sich in die Szene zurückversetzt, in welcher Martina ihn nach dem Beinahe-Zusammenstoß mit dem Traktor herzhaft-ausdauernd geküßt hatte. Er konnte es sich nicht erklären, warum Magda ihm so sehr zugetan war. Als sie schließlich von ihm abließ, sahen sie sich schweigend in die Augen, aus Magdas drückten sich zwei Tränchen hervor.
‚Was haben die mit dir nur gemacht?’, fragte sich Gangolf, ‚warum ist sie dermaßen ergriffen, daß sie einem Krüppel gegenüberkniet, dem sie Obdach gewährt.’

Magda durchbrach das Schweigen: „Was möchtest du haben, Kaffee, oder lieber was Kaltes? Hast du überhaupt was zu Frühstücken bekommen?“
- „Ja, ja, mach’ dir keine Umstände.“
- „Ach Gangi, darf ich dich überhaupt so nennen?“
- „Aber gerne, wenn dir das gefällt.“
- „Es sind überhaupt keine Umstände, es ist so lieb, daß mich endlich einmal jemand braucht, also so richtig im Leben; ich hab’ mit dem Frühstück gewartet, denn ich hab’ bisher immer allein Frühstücken müssen, es ist so schön, daß du da bist!“
Gangolf schaute ihr nach, wie sie hurtig in die Küche verschwand, und reflektierte ihre Worte: >es ist so lieb, daß mich jemand so richtig im Leben braucht.<
‚Könnte es sein, daß sie bisher immer nur >mißbraucht< wurde?’
Ihm kamen die Schmerzensrufe in den Sinn und natürlich auch Brauses Einschätzung, daß sie sogar die Schuld an einem Totschlag für jemand auf sich genommen hätte. Kann es sein, daß die Hingabe eines Menschen dermaßen weit ginge?

Das Gluckern der Kaffeemaschine riß Gangolf aus den Gedankengängen, Magda hantierte emsig in der Küche und kam nach kurzer Zeit in die Stube zurück, stellte das Geschirr auf den Tisch, anschließend eine Vielzahl von Köstlichkeiten, um ein opulentes Frühstück einnehmen zu können. Als sie den Kaffee einschenkte, ertönte das Signal des Eierkochers.
- „Ich hab’ dich gar nicht gefragt, ob du ein Ei magst, wenn nicht, dann lasse ich es für mich zum Mittagessen.“
- „Aber sehr gern, Magda“, antwortete Gangolf und seine Vorfreude auf ein richtig deftiges Frühstück steigerte sich in’s Unermeßliche. Das Krankenhaus-Frühstück war, wie überhaupt die Verpflegung dort, durchaus gut, aber es ist eine ganz andere Atmosphäre, wenn man das Essen in Magdas Ambiente einnehmen konnte. Er war sich immer noch nicht im Klaren, warum sich Magda dermaßen für ihn engagierte, daß sie gar eine Träne verloren hatte.

Als sie das Frühstück beendet hatten, für Gangolf war es bereits das zweite an diesem Tag, bat er Magda, ob er sein krankes Bein hochlegen dürfte. Sofort sprang sie auf, nahm von ihrem Sofa-Bett das Kopfkissen und legte es auf eine Stuhlfläche. Doch dann fiel ihr eine Alternative ein:
- „Oder willst du dich überhaupt ein bißchen hinlegen?“
Gangolf nahm das Angebot gerne an, die Anstrengung ging nicht ganz spurlos an ihm vorüber, das reichhaltige Essen tat sein Übriges, schläfrig zu werden. Hurtig streifte Magda das frisch bezogene Laken glatt, legte das Kopfkissen zurück und nahm Gangolfs Krückstöcke in Empfang, als sich dieser auf die Bettkante niedergelassen hatte. Dann war sie ihm behutsam behilflich, sein krankes Bein in das Bett zu hieven; als er sich schließlich zurecht gerückt hatte, deckte sie ihn liebevoll zu, kniete sich vor das Bett und verabreichte ihm wieder einen lang andauernden Kuß.
Gangolf fiel tatsächlich in einen leichten Schlaf, Magda räumte sehr umsichtig den Tisch ab, um auf keinen Fall ein lautes Geräusch dabei zu erzeugen. Jedesmal, wenn sie aus der Küche herauskam, schenkte sie ihm einen liebevollen Blick und lächelte ihn innigst an, wie das starke Geschlecht mitten am Vormittag in ihrem Bett schlief.

Als Gangolf erwachte, eilte Magda sofort wieder zu ihm, kniete wieder nieder und fragte:
- „Hast du gut geschlafen, soll ich dir was bringen, sag’ immer, wenn du was brauchst, ich bin nicht immer so aufmerksam.“
- „Aber ganz im Gegenteil, ich bin noch nie so umsorgt worden, warum machst du das alles für mich?“
Magda hielt ihm den Mund zu, nach einer Weile zog sie ihre Hand zurück und küßte ihn wieder hingebungsvoll. Bei Gangolf regte sich allmählich eine erotische Empfindung, bislang fand er sie nett, aufmerksam, fürsorglich, lieb im Sinne des alten Priesters, aber jetzt spürte er, daß sich mehr entwickeln könnte. Freilich schossen ihm jäh Erinnerungen durch den Kopf, an die katholische Krankenschwester Ramona, an Brauses schöne Tochter, natürlich an die bezaubernde Martina und an die interessante Bettina, doch gelang es ihm, diese Wunschbilder aus dem Kopf zu schlagen und sich auf Magda zu konzentrieren.

- „Komm’, setz’ dich auf meinen Bauch, ich möchte nicht, daß du immer vor mir kniest“, forderte Gangolf sie auf und schüttelte die Bettdecke nach unten.
- „Ich bin doch viel zu schwer“, wandte Magda ein, was ein leichtes Lachen bei Gangolf hervorrief:
- „Du und schwer? Du hast Idealfigur! Komm’ jetzt, steig’ über mich d’rüber!“

Magda erhob sich, kniete sich jetzt an Gangolfs Seite, stütze sich mit den Händen in der Nähe seiner Schultern ab und zog vorsichtig ihr linkes Bein über Gangolfs Beine. Sie blieb nun in dieser Schwebeposition über Gangolfs Oberkörper, mit ihren Knien an seiner Seite.
- „Setz’ dich“, forderte Gangolf sie auf und spannte seine Bauchmuskeln an.
- „Meinst du wirklich?“ flötete Magda, „aber sag’ sofort, wenn ich dir zu schwer bin.“
- „Magda!“, entgegnete Gangolf mit gedehnter Stimme, daraufhin senkte sie vorsichtig ihren Po auf seinen Bauch. Gangolf spürte sofort, daß sie sich nicht mit ihrem gesamten Gewicht darauf niederließ, sondern mit einer starken Anspannung ihrer Beine weiterhin eine große Kraftkomponente über ihre Knie auf das Bett abführte.
Gangolf ergriff ihre Oberschenkel und drückte sie fest nach unten.
- „Entspann’ dich“, forderte er sie auf, endlich kam Magda seiner Aufforderung nach.

Gangolf begann, mit seinen Fingerspitzen sehr langsam an der Innenseite von Magdas Oberschenkeln entlang zu streichen; er übte dazu mäßige Kraft aus, denn er beurteilte den Stoff ihrer verwaschenen Jeans als verhältnismäßig dick.
‚Wahrscheinlich hat sie nur diese eine’, überlegte sich Gangolf, ‚die ist eher was für die kalten Wintertage’.
- „Stütz’ dich auf meinen Schultern ab“, schlug nun Gangolf vor, „dann mußt du nicht so gekrümmt dasitzen, oder noch besser, du setzt dich ganz aufrecht!“
- „Ist dir das wirklich nicht zu schwer?“, fragte Magda ihn besorgt und richtete sich vorsichtig auf.
- „Aber nein“, entgegnete Gangolf und spannte seine Bauchmuskeln wieder etwas an, um den Druck abzustemmen.

Wortlos blickten sie sich mit verliebten Augen an, während Gangolfs Finger von den Oberschenkeln weg Richtung Brüste wanderten, begannen nun Magdas Händchen seinen Brustkorb zu betasten. Minutenlang führten sie ihre zarten Bewegungen fort, bis Magda dann auch einmal an seine Wangen und an seine Stirn griff. Überrascht rief sie:
- „Oh, du bist ja heiß, möchtest du was zu Trinken, was willst du haben?“
- „Ja, ich bin heiß und hab’ auch einen Wunsch“, antwortete Gangolf leise.
Magda blickte ihn fragend an, er präzisierte: „Zieh’ deine Jeans aus, und wenn es dir nicht zu kühl ist, auch das T-Shirt, das wäre mein Wunsch.“

Jetzt verstand Magda, hurtig wälzte sie sich über Gangolf und richtete sich neben dem Bett auf. Nur noch mit Slip und BH bekleidet trat sie wieder an das Bett, Gangolf gab ihr mit einer Kopfbewegung das Zeichen, sich wieder niederzusetzen. Diesmal ließ sie sich nicht lange bitten, geschmeidig wie eine Katze nahm sie auf Gangolfs Bauch Platz, ohne zuvor erst in die Knie gegangen zu sein. Ihre Füße setze sie nun neben seine Schultern, legte die Ellenbogen auf die Knie und wuschelte Gangolfs Haare.
Gangolf umfaßte sie an ihrer schmalen Taille, sofort spürte er durch den Slip das harte Eisen des Keuschheitsgürtels.
- „Hoffentlich bist du nicht enttäuscht“, flötete Magda, „aber nur Martina hat den Schlüssel, leider kann ich dich nicht reinlassen.“

In der Tat konnte Gangolf seine Enttäuschung nicht ganz verleugnen, wieder endete seine Begierde an dem schnöden Eisen vor Magdas Eingang.
‚Wenn ich wieder auf den Beinen bin’, schwor sich Gangolf, ‚bring’ ich meine Flex mit.’

Es dauerte zwar noch eine längere Zeit, bis es soweit gekommen war, und Gangolf glaubte auch nicht im Ernst daran, daß er tatsächlich eines Tages zu dieser Maßnahme greifen müßte...


















60. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 12.12.21 01:46

Ich frage mich, warum hat sich gangolf nicht zuerst nach der elektronischen Fußfessel erkundigt?
61. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 13.12.21 19:49

Vielleicht hatte Gangolf erwartet, daß Magda ihm gleich freudestrahlend von der Befreiung von der Fußfessel berichtet; weil sie aber nichts darüber sagte, könnte Gangolf meinen, es wäre schief gelaufen, und um die Traurigkeit einer Enttäuschung zu umgehen, fragt er lieber nicht nach.

Magda hingegen hatte wahrscheinlich angenommen, er wüßte es längst; sie zeigt ihre Dankbarkeit nicht in einem Redeschwall, sondern in der liebenden Zuneigung zu ihm - so entstehen Mißverständnisse! Für Gangolf bleibt es jedenfalls spannend, wie es weitergehen wird - und vielleicht nicht nur für ihn...
62. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 17.12.21 22:09

32

Martina war alles andere als begeistert, als sie davon erfuhr, daß Gangolf bei Magda Unterschlupf finden sollte für die Zeit, da er sein gebrochenes Bein schonen mußte. Ihr Ärger galt weniger der Tatsache als solche, sondern vielmehr dem Umstand, nicht vorab gefragt worden zu sein, ob sie mit dieser Lösung einverstanden wäre. Sie machte Magda diesbezüglich schwere Vorhaltungen, bis sich schließlich Gangolf einmischte:

- "Stop, es lag an mir, ich bin schuld, ich hab' mich bei der Magda eingeladen und sie war so nett, mich aufzunehmen. Aber ich will euere Beziehung nicht stören."

Sie sind übereingekommen, daß Magda schon allein deshalb, da sie kein zweites Bett hatte, die Nacht über bei Martina verbringen würde. Obwohl sie sich dank des Senders, der anstelle der Fußfessel die Signale an die Überwachungsstelle funkte, jetzt überall hin frei bewegen konnte, wollte sie am Tag erst einmal weiterhin in ihrer Wohnung bleiben und im Nahbereich ihre Einkäufe tätigen, denn es könnte immerhin doch noch sein, daß die Leute in der Überwachungsstelle etwas bemerkt haben könnten und Wachtmeister Brause plötzlich wieder vor der Tür stünde. In diesem Fall könnte Magda eine zutiefst bedauerliche Miene aufsetzen, daß sie vergessen habe, das Ding aufzuladen.

Eigentlich wollte Martina Magda richtig hart bestrafen, doch sie besann sich und nahm sich vor, den sadistischen Akt erst am Abend bei ihr zuhause auszuleben. Durch das Erlebnis mit Joe und Kalle ist sie wieder auf den Geschmack gekommen, wie lustvoll es sein kann, ein echtes Teil im Leib zu verspüren. Sie nahm sich vor, Gangolfs Bettlegrichkeit auszunutzen, um mit einer speziellen Stellung seinen Lustzapfen zu empfangen.

Martina entblößte sich und stellte sich vor Gangolfs Bett. Dieser blickte auf die große Schönheit und es fiel ihm sofort auf:
- "Du hast heute ja gar keinen Keuschheitsgürtel um".
- "Weißt du auch, warum ich ihn abgelegt habe?"
Gangolf ahnte es, er wurde in seiner Gefühlswelt hin- und hergerissen. Einerseits fühlte er sich augenblicklich Magda viel näher verbunden und bedauerte, daß diese im Gürtel eingeschlossen gehalten wurde, andererseits konnte er seine Erregung nicht leugnen, als Martina mit ihrer ganzen Pracht vor ihm stand: Lange gewellte Haare, einen wohlgeformten Körper, dezent lackierte Fingernägel.

Als Martina merkte, daß Gangolf bereits vom Anblick ihrer nackten Schönheit geil wurde, zog sie einen Stuhl heran, setzte sich auf die vordere Hälfte der Sitzfläche, spreizte die Beine und befahl Magda, sie zu verwöhnen. Prompt eilte diese heran, kniete sich zwischen Martinas Oberschenkel und liebkoste ihre Schamlippen mit ihrem Mund; bald strich sie vorsichtig mit ihrer Zunge darüber, bald saugte sie diese leicht ein, bald massierte sie die Schamlippen mit ihren Mundlippen.

Nach einigen Minuten hatte Martina genug, sie drückte Magda weg und erhob sich. Sie holte Gangolfs Penis hervor und stülpte ihm ein Kondom über. Wie ein dicker schwarzer Finger ragte er aus Gangolfs flach daliegendem Körper; mit gekonntem Schwung stieg Martina mit einem Bein über ihn hinweg, plazierte ihre Füße an seine Seite, ähnlich wie es am Vormittag Magda getan hatte, mit dem Unterschied, daß sie sich nicht auf seinen Bauch niederließ, sondern weiter unterhalb im Stand kreisende Bewegungen durchführte, bis ihr Eingang auf Gangolfs gummierte Spitze traf.

Vorgefeuchtet durch Magdas Behandlung flutschte Gangolfs Teil wie von selbst hinein; Martina wippte in ihrer hockenden Stellung leicht auf und ab, stets darauf bedacht, es nicht herausspringen zu lassen. Als es soweit war, sank sie erschöpft nieder, was Gangolf einen gedehnten Seufzer ausstoßen ließ. Nach einiger Zeit erhob sie sich, sein Zapfen rutschte heraus, sie hob ihr Bein zurück und legte sich etwas gekrümmt an Gangolfs Seite. Dieser drehte sich, soweit sein krankes Bein es zuließ, an sie heran und drückte sie mit einem Arm an sich. Sein wertestes Teil befreite er von der Gummihülle und drückte es in Martinas Pofalte.

Beiden überkam ein kurzer wohliger Schlaf. Magda schlich in die Küche davon. Nach einigen Minuten erwachte Martina, stand auf und zog sich an. Dann forderte sie Magda auf, die Klemmstangen aus dem Winkel hinter dem Schrank hervorzuholen. Diese Stangen waren dafür gemacht, eine Kinderschaukel in einem Türrahmen aufzuhängen. Sie waren geteilt und über ein großes Gewinde miteinander verbunden. An den Enden der Stangen befanden sich tellerförmige Flansche, durch das Auseinanderdrehen der unterteilten Stangen konnten diese in die Türzargen gedrückt werden.

Martina brauchte diese Stangen natürlich nicht, um daran eine Kinderschaukel aufzuhängen.
- "Nimm' sie mit", forderte sie Magda auf, "die nehmen wir heute zu mir, da können wir sie auch gut gebrauchen, Gangolf wird sie nicht vermissen."
Gangolf schaute verwundert den beiden Frauen nach, als diese zunächst wortlos zur Wohnung hinausgingen. Magda drehte sich unter der Tür zu ihm um, lächelte ihn zum Abschied an und sagte:
- "Also bis morgen früh wieder, schlaf' gut."
Martina hingegen murmelte nur ein "Ciao" und drängte Magda hinaus.

Gangolf zog sich sein Laptop heran und tippte ihm Suchfeld des Internet-Browsers "Keuschheitsgürtel" ein. Er war baßerstaunt, was es da alles zu sehen und zu lesen gab. Dieses Thema hatte offensichtlich seinen Nimbus ebenso eingebüßt wie jenes der Handschellen. Er stieß sogar auf ein Forum, auf welchem sich Interessierte über Erfahrungen mit den verschiedenen Modellen austauschten. Dann entdeckte er dort eine Sparte, wo Mitglieder Geschichten schrieben, welche Keuschheitsgürtel und andere SM-Spielzeuge zum Inhalt hatten.

Stunde um Stunde verrann, als Gangolf schließlich auf eine ganz besondere Fantasiegeschichte stieß, welche beschrieb, wie Sklavinnen auf die Ruderbänke einer Galeere gefesselt sind und unbarmherzig ausgepeitscht werden. Das besondere daran war, daß diese Frauen als zusätzliche Qual ununterbrochen Keuschheitsgürtel tragen mußten, die nicht mehr geöffnet werden konnten.
In unregelmäßigen Abständen von zwei bis vier Wochen veröffentlichte der Amateurschreiber eine Fortsetzung, ergreifend ließ er die Leser in die Gefühlswelt der Frauen eintauchen, sowohl in jene der Sklavinnen, als auch der Aufseherinnen. Aufgrund des Schreibstils und der profunden Sachkenntnis vermutete Gangolf den Autor als österreichischen Sanitätsoffizier.

Am nächsten Morgen kam Magda mit einer großen Einkaufstüte in die Stube herein. Außer den frischen Semmeln hatte sie rohen und gekochten Schinken gekauft. Bevor sie das Frühstück bereitete, kniete sie vor das Bett und liebkoste Gangolf. Aus ihren Augen drückten sich ein paar Tränen.
- „Was hat die Martina mit dir nur wieder gemacht?“, erkundigte sich Gangolf besorgt.
- „Ach nichts“, wollte Magda die ehrliche Antwort vermeiden, „jetzt frühstücken wir erst einmal was.“

Gangolf nickte und erhob sich mühsam aus der Liegestatt, während Magda bereits hurtig in die Küche verschwunden war. Sie bereitete wieder ein köstliches Frühstück vor, doch kam sie nicht umhin, sich in der Küche auf einen Hocker niederzulassen, um ihr Gesicht leise schluchzend in die Hände zu vergraben, die Ellenbogen auf die Knie gestützt.
Wortlos begannen Magda und Gangolf zu frühstücken, er wollte ihr erst einmal ein paar Bissen gönnen und auch Schlucke des starken Kaffees, bevor er nachbohrte:`
- „Also was ist jetzt, willst du mir nicht sagen, warum du so traurig schaust?“

Magda schob ihren Teller beiseite, ergriff mit beiden Händen jene von Gangolf und drückte ihr Gesicht auf ihre Unterarme. Sofort schossen ihr die Tränen aus den Augen, Gangolf blieb nichts weiter übrig, als abzuwarten. Als sie sich wieder beruhigte und ihren Kopf empor hob, sah sie ihn mit verheultem Gesicht an und stammelte mit sich überschlagender Stimme:
- „Weißt du, ich diene gerne und mach’ alles, damit es die Menschen lieb haben und gut haben und schön, aber ich möcht’ nicht immer so arg bestraft werden, wenn ich was falsch gemacht habe oder nicht so ganz richtig und so, ach Gangi.“
Wieder kamen ihr einige Tränen, die sie mit dem Taschentuch wegwischte.
- „Laß’ doch einmal sehen“, entgegnete Gangolf, stand auf, humpelte zu ihr hinüber, indem er sich mit den Händen auf der Tischfläche abstütze. Er erfaßte ihr T-Shirt, das er mit einem Ruck hinter der Stuhllehne hervorzog bis zu ihren Schultern hinauf. Magda ließ ihn widerstandslos gewähren; was er auf ihrem Rücken erblickte, ließ ihn erschaudern: Zahlreiche Striemen zeichneten sich kreuz und quer auf ihrer blassen Haut ab.

- „Sie ist so hart“, sprach Magda nun gefaßt weiter, während Gangolf vorsichtig ihr Hemdchen über den mißhandelten Rücken zurückstreifte. Magda fuhr fort:
- „Vielleicht wäre es besser, deine Freunde hätten den Sender da gar nicht aufgestellt, dann könnte mich die Herrin nicht zu sich nehmen, aber das war es, was sie immer wollte und jetzt hat sie die Möglichkeit.“
Gangolf sah sie schweigend an. Er wußte nicht, was er sagen sollte, erstarrt vom Entsetzen. Beide tranken vom Kaffee und setzen ihr Frühstück fort. Nach einer Weile sagte Magda:
- „Weißt du, wie gemein das war, als sie den Sender aufgestellt hatten, da sind die vier alle gegangen dann und haben einfach das Licht ausgemacht und dann traute ich mich schnell noch zu rufen, sie sollen mich doch losbinden.“
- „Äh – nein, wieso losbinden und was war da alles, ich konnte ja leider nicht dabei sein mit dem blöden Sturz von dem Dach.“
- „Sie banden mich in einen ganz strengen Hogtie, so fest, daß ich mich überhaupt nicht rühren konnte, die Beine gespreizt, die Hände weit nach hinten, sogar die Zehen fest mit einer Schnur an die Haare, das hat so arg gezogen, es hat alles so weh getan, ganz lang war das so und dann haben sie sich alle amüsiert.“
- „Ah, was, wieso haben die das gemacht, warum hast du dich nicht gewehrt?“
- „Ich konnte doch nichts machen, die haben immer so was von Interenz gesagt oder so was, Interfenz oder was, und da mußte ich absolut ruhig bleiben, sonst gibt es Störungen.“
- „Interferenz, ja, ich verstehe, aber das dauert doch nur wenige Sekunden, höchstens Minuten, um den Sender zu synchronisieren mit der verdammten Fußfessel, und da haben die dich so lange bewegungsunfähig gefesselt?“
- „Ja und noch schlimmer, sie haben sich dabei amüsiert, jeder von den Männern bekam eine Frau, so wie ich das gehört habe, ich konnte sie nicht sehen, da ich ja immer mit gespanntem Kopf auf dem Boden lag.“
- „Du lagst auf dem Boden?“
- „Ja freilich, es war so hart.“
- „Unverschämt. Wer war denn noch alles da, du sagtest von vier.“
- „Die Bettina auch.“
- „Die Bettina! Sag’, kann das sein, daß die was mit der Martina hat?“
- „Ja freilich, wußtest du das nicht, die sind doch schon lang ein Paar und mich brauchen sie, also Martina, um Spaß zu haben“.

Gangolf verstand nun, wie es um die Frau Pfarrerin stand, er mußte sich nicht mehr in ihre Richtung bemühen. Und Magda hielten sie sich als Lustsklavin.
- „Und wie ging es weiter, sie ließen dich im Dunkeln liegen?“, wollte Gangolf wissen.
- „Nein, als ich rief, kam Bettina zurück und löste ein paar Knoten, so daß ich mich dann selbst befreien konnte. Mir tat alles weh, es war fast so schlimm...“
Magda hielt ein, doch Gangolf bohrte nach: „Fast so schlimm als was?“
Sie blieb ihm eine Antwort schuldig, statt dessen schüttelte sie nur leicht den Kopf.

Es gelang Gangolf, Bettina telephonisch zu erreichen. Sie führten ein längeres Gespräch, er forderte sie auf, Martina zu mahnen, keine Handgreiflichkeiten mehr an Magda zu verüben, schon gar nicht mehr das brutale Auspeitschen. Er argumentierte mit dem ersten Korintherbrief:
>Wisset ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist<
Bettina äußerte sich bestürzt, sie hätte nicht gedacht, daß Martina, ihre Geliebte, dermaßen brutal war.

Es wurde Abend und es wurde Nacht, doch Martina kam nicht, um Magda abzuholen. Schließlich beschlossen Magda und Gangolf, sich das Bett zu teilen. Magda bat Gangolf, daß sich dieser ohne Pyjama-Oberteil niederlegen sollte. Eigentlich hätte sie ihn natürlich gänzlich nackt gehabt, doch wagte sie es nicht, wegen seines kranken Beins ihn darum zu bitten.
Gangolf willigte ein mit der Maßgabe, daß auch sie oben ohne sich zu ihm gesellen sollte. Die schwül-heiße Luft der Juli-Nacht ließ das schon allein aus Temperaturgründen problemlos zu. Magda streifte sich auch die Hose ab und stand nun nackt neben dem Bett, lediglich mit den beiden unheimlichen Fesseln bedeckt, dem Keuschheitsgürtel und der deaktivierten Fußfessel.
Als sich Magda sich niederlegte und sich neben ihm ausstreckte, griff Gangolf um sie herum und drückte sie ganz nahe an sich heran. Sie genoß es, sich mit ihrem Kopf unter seine Achsel zu schmiegen, ihm vorsichtig mit ihren zarten Lippen seine Flanke zu küssen, ihre und seine Lust steigerten sich von Minute zu Minute. An Schlaf war nicht zu denken. Magda flüsterte:
- „Bist du noch wach?“
- „Ja“, hauchte Gangolf.
Magda hob ihren Kopf und fragte: „Darf ich dich um etwas Unverschämtes bitten?“
‚Was wird jetzt wohl kommen’, überlegte sich Gangolf und forderte sie auf: „Ja, nur zu!“
- „Würdest du mich bitte an dem blöden Ding massieren?“

Im ersten Moment wußte Gangolf nicht, welches der beiden Teile sie jetzt als >blödes Ding< bezeichnete, blöd waren beide, aber eines davon noch blöder, das er jetzt massieren sollte. Als ob sie seine Gedanken lesen konnte, richtete sie sich auf, schob die gemeinsame Bettdecke von sich, so daß im Dämmerlicht der Keuschheitsgürtel sichtbar wurde.
- „Bitte drück’ fest auf das Schrittband, da wo die Löcher sind, ich werd’ sonst noch verrückt!“

Gangolf richtete sich nun auch auf und tastete sich zwischen ihre Beine hindurch zu dem Schrittband. Er konnte deutlich die Löchelein fühlen, durch welche ihre Flüssigkeiten austreten konnten. Bereits ein erstes kurzes Berühren des Eisens führte zu einem Aufstöhnen; als Gangolf nun auf- und niederdrückte und das Schrittband auch seitlich bewegte, wurde Magdas Stöhnen immer lauter, schließlich legte er seine andere Hand auf ihren Oberkörper und ließ die Finger spinnengleich ganz langsam in Richtung Brüste wandern.

Magdas Stöhnen ging in ein vernehmliches Keuchen über; als schließlich Daumen und Zeigefinger Magdas Brustwarzen umfaßten und an ihnen wechselweise herumzupften, war es ihr mit einem lauten Aufschrei gekommen; warm drückte sich ihre teuerste Flüssigkeit aus den Löchelein und an den seitlichen Begrenzungen des lusthemmenden Materials hindurch.

Magda wurde auch an den darauffolgenden Tagen nicht mehr abgeholt; Martina begnügte sich mit Bettinas Zärtlichkeiten, doch sie schwor sich, Gangolfs Einmischung an ihm zu rächen, nicht sofort, denn sie wollte doch noch einmal mit ihm Motorrad fahren. Sie wußte auch noch nicht, wie ihre Rache aussehen könnte, und sie ahnte natürlich nicht, daß die schicksalhafte Vorsehung in nicht allzu weiter Ferne ihre sadistischen Rachegelüste befriedigen würde.

















63. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 22.12.21 21:14

Da kommen wohl harte Zeiten auf Magnus zu.
64. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 23.12.21 23:10

Da ich morgen vielleicht nicht die rechte Ruhe dazu finden werde gibt es heute bereits eine neue Episode; passend zum morgigen Tag geht es um Geschenke, und passend für das lange Wochenende fällt die Fortsetzung länger als üblich aus:



33

Gangolfs Gesundheitszustand besserte sich zusehends, eines Tages beratschlagte er sich mit Magda und sie beschlossen, zu seinem Hof in Wesserbarg umzusiedeln. Offenbar funktionierte der Sender einwandfrei, andernfalls hätte längst die Überwachungsstelle in Näherdorf Alarm geschlagen und Brause in Marsch gesetzt.
Nachdem Magda ihre Habseligkeiten in Taschen und Tüten verstaut hatte, bestellte Gangolf ein Taxi, das sie nach Wesserbarg brachte. In der kleinen Ortschaft angekommen fragte der Taxifahrer, wo er die beiden hinbringen sollte. Als Gangolf in anwies, noch über die Teerstraße hinaus weiterzufahren, brummte der Fahrer mißmutig, denn sein schönes Fahrzeug wurde in dem ausgewaschenen Feldweg unschön hin- und hergerissen.

Kaum waren sie auf dem Hof angekommen, sprang Magda aus dem Wagen, um Gangolf beim Aussteigen behilflich zu sein.
- „Laß’ nur, es geht schon“, sagte er zu ihr und wandte sich dem Fahrer zu, um die Fahrt zu bezahlen. Dann stieg der Fahrer aus, öffnete den Kofferraum, nahm Taschen und Tüten heraus und verabschiedete sich.
Als Magda und Gangolf alleine in dem weiten Hof standen, umarmten sie sich. Nach zahlreichen Küssen ließ Magda schließlich von ihm ab, hob seine Krücken auf und reichte sie ihm. Gangolf konnte sich zwar schon recht gut auch ohne sie bewegen, doch war er vorsichtig genug, um vor allem auf dem unebenen Pflaster die Gehhilfen weiterhin in Anspruch zu nehmen.

Im Haus angekommen wurde Gangolf gleich wieder umarmt, wieder setzte es lang andauernde Küßchen, endlich durfte sich Gangolf auf seine Couch flacken, wie er es so gerne tat, bevor er von dem Dach stürzte. Eigentlich wollte er Magda durch das Haus führen, um ihr die Örtlichkeiten zu zeigen, doch sie meinte, sie fände alles alleine.
Als erstes inspizierte sie die Küche. Die Sachen im Kühlschrank waren augenscheinlich noch einwandfrei, während sie mit großem Bedauern den Brotrest wegwerfen mußte. Anschließend verstaute sie die mitgebrachten Lebensmittel. Sie machte sich mit den Gerätschaften vertraut und lief dann wieder in das Wohnzimmer.
Voller Freude stürmte Magda auf Gangolf ein und drückte seinen Oberkörper nieder. Ihm gelang es gerade noch rechtzeitig, seine Beine in die Höhe zu ziehen, als sie schon auf ihm lag, mit den Händen auf seinen Schultern abgestützt. Vorsichtig beugte sie sich immer weiter auf Gangolf hinab, bis ihr Kopf auf seinem Brustkorb zu liegen kam.

Magda genoß das Leben auf dem Land. Natürlich hatte das Städtchen Lüggen durchaus seine Reize, doch war diese absolute Einsamkeit für sie eine ganz neue Erfahrung. Gangolf richtete ihr sein Fahrrad her, indem er die Sattelstange vollständig in den Rahmenschaft absenkte. Der Sattel war für Magda zwar immer noch zu hoch, doch konnte sie mit den Zehenballen auch an der tiefsten Pedalstellung die Pedale bei durchgestreckten Beinen erreichen.
Magda liebte es, die Feld- und Waldwege zu befahren; es ging wegen der vielen Schlaglöcher nur langsam voran, indes wollte sie gar nicht schnell fahren, sie genoß einfach alles, sie empfand sich als Bestandteil der Natur. Eines Tages kam sie auf ihren Erkundigungstouren in Holzbuch heraus; die Ortschaft gefiel ihr auf Anhieb. Daß es sich dabei sogar um eine Stadtsiedlung handelte, mochte sie kaum glauben.

Die Rückfahrt zu Gangolfs Hof gestaltete sich schwierig, sie fand nicht mehr auf die verschlungenen Feldwege zurück. Nach einigen Versuchen, nach welchen sie immer wieder an dem Kanal ankam und nicht darüber hinaus, beschloß sie umzukehren, um über die Bundesstraße nach Weserbarg zu radeln. Der starke Autoverkehr störte sie sehr, doch es blieb ihr nichts anderes übrig.
Dank Google-Maps druckte Gangolf mehrere Karten aus, die er Magda auf ihren einsamen Erkundigungen mitgab. Auf diese Weise gelang es ihr, nicht nur immer neue Ecken in diesem herrlichen Naturreservat zu erkunden, bald erledigte sie die Einkäufe ganz alleine mit dem Fahrrad, indem sie problemlos zu dem Einkaufsmarkt nach Holzbuch radelte, ohne auf der Bundesstraße fahren zu müssen.

An einem regnerischen Samstag Vormittag schlug Gangolf vor, mit dem Auto >hinauszufahren<, wie er sich ausdrückte. Er hielt Magda die Beifahrertür auf, wartete, bis sie eingestiegen war und drückte dann die Tür langsam zu. Nach kurzer Fahrt kamen sie in Magdas vertrautes Städtchen Lüggen. Sie nahm an, daß hier das Ziel der kurzen Reise gewesen wäre. Gangolf grinste hingegen und verschwieg weiterhin das Reiseziel. Nach wenigen Kilometern kamen sie nach Altenburg, eine kleine Ortschaft südwestlich von Lüggen.

Magda erahnte, wohin Gangolf steuern würde, denn sie erspähte eine Yamaha-Motorradwerkstatt. Tatsächlich bog er auf die Seitenstraße ein. In dem Ladengeschäft betrachteten sie eingehend die auf den Stangen hängenden Motorradjacken und –hosen, Magda bestaunte die ihrer Meinung nach große Auswahl an Helmen, Handschuhen und Stiefeln.
Gangolf schien von der Auswahl nicht begeistert zu sein, er meinte: „Die haben ja nicht einmal richtige Lederkombis, nur so einfache Hosen und Jacken, ich glaub’, da brauchen wir nicht länger schauen, da gehen wir lieber wieder.“
Magda entgegnete nichts darauf, ohne sich darüber weiter Gedanken zu machen, nahm sie einfach an, daß sich Gangolf etwas Neues beschaffen wollte. Als sie wieder aus dem Laden traten, fing es stärker zu regnen an. Gangolf beherrschte sich und ging langsamen Schrittes zum Auto, auch wenn er dadurch ziemlich naß wurde.
- „Lauf’ zu“, feuerte er Magda an, „das Auto ist offen, steig’ ein, damit du nicht auch noch total naß wirst!“
Doch Magda war so verliebt in ihn, sie blieb solidarisch an seiner Seite und nahm sich vor, ihn dann im Auto wieder stark zu liebkosen.

Als sie sich von ihrer Umarmung loslösten, startete Gangolf den Golf, Magda strahlte ihn an, als ob sie ein riesiges Geschenk erhalten hätte.
- „Jetzt hast du doch gar nichts gekriegt, warum freust du dich so?“, wollte Gangolf wissen.
- „Einfach so, und ich hab’ dich gekriegt, das ist das größte Geschenk!“
Gangolf war es unangenehm, wenn sie von >Geschenk< sprach, freilich fand er sie außerordentlich nett, unglaublich hilfsbereit, aber eben auch hilfsbedürftig. Im Grunde genommen wußte er, daß er sich nicht mehr richtig von ihr lösen konnte, das würde einen unheimlichen Schaden in ihrer Seele anrichten.
Sie fuhren die Straße weiter in südliche Richtung, bis sie auf die Autobahn kamen. Der Regen wurde immer stärker, der Scheibenwischer kam jetzt zum Dauereinsatz. Als sie auf der Autobahn waren, ergriff Gangolf mit der rechten Hand Magdas linken Unterschenkel und zog diesen in die Höhe, faßte nach, um ihren Knöchel mit der verhaßten elektronischen Fußfessel zu ergreifen, und zog ihren Fuß zu sich auf seinen Schoß.

Überrascht ließ Magda Gangolfs >Handgreiflichkeit< geschehen, vollzog eine leichte Drehung nach links, ihre rechte Schulter kam jetzt auf der Fensterscheibe der Beifahrertür zu liegen. Genußvoll umfaßte Gangolf die gummierte Zehenkappe ihrer zerschlissenen Chucks und drückte den Fersenbereich zwischen seine Oberschenkel.
Magda erkannte sofort seine Absicht und drückte ihr Ferse auf seinem besten Teil auf und ab, während Gangolf ihre Zehen durch die Kappe hindurch zu massieren versuchte. Der immer stärker werdende Regen gab Gangolf die Rechtfertigung, ganz gemütlich hinter einem Lastauto herzufahren, ohne sich einem Überholstreß aussetzen zu müssen.

Gangolf freute sich, im ausreichenden Abstand zu den durch die Wassermassen leuchtenden Rücklichter mit gemächlichen 90 Kilometern die Stunde die Landschaft rechts und links der Autobahn zu betrachten, auch hin und wieder den Kopf zu Seite zu wenden, wobei er stets Magdas fortwährend strahlendes Gesicht gewahrte. Und er genoß natürlich die stimulierende Anwesenheit von Magdas Schuh.
- „Warst du schon einmal in Berlin?“ durchbrach Gangolf seine Sinnlichkeit. Magda antwortete nur mit einem mehrmaligen leichten Nicken, das er im rechten Augenwinkel gewahrte.
‚Was hab’ ich nur wieder für eine dämliche Frage gestellt’, überlegte sich Gangolf, ‚daß sie nicht antwortet, nur dieses stille Nicken, da stimmt also wieder was nicht.’

Gangolf vermied es, weiter nachzufragen; als es in eine leichte Linkskurve ging, griff er unbewußt mit seiner rechten Hand zum Lenkrad. Magda empfand das als Aufforderung, ihren Fuß zurückzuziehen. Sie konnte es freilich nicht verstehen, daß Gangolfs Handgriff lediglich dem sicheren Lenken durch die Kurve geschuldet war, umgekehrt vermutete Gangolf, daß Magda die Gelegenheit nutzen wollte, aus ihrer unbequemen Sitzhaltung herauszukommen, um wieder gerade im Sitz zu sitzen.

Der Regen ließ nach, Gangolf behielt seine rechte Hand am Lenkrad und leitete einen Überholvorgang ein. Sie näherten sich jetzt rasch der Hauptstadt, ohne Zuhilfenahme von Navigationsgeräten und sonstigen elektronischen Hilfsmitteln navigierte er sich mit seinem Gedächtnis nach Friedrichshain, kurvte noch ein paar Straßen herum, um schließlich auf dem Parkplatz eines großen Zweiradausstatters zu fahren.
Der Regen reduzierte sich freundlicherweise zu einem sanften Tröpfeln, Magdas und Gangolfs T-Shirts waren während der Autofahrt wieder einigermaßen getrocknet, sie wurden beim Verlassen des Fahrzeugs glücklicherweise nicht erneut naß. Beim Eintreten in die riesige Verkaufshalle wirkte Magda sichtlich erstaunt, Gangolf führte sie über breite Gänge zu der Verkaufsfläche mit endlos langen Reihen unterschiedlichster Motorradbekleidung.

Magda glaubte schon, bei der Yamaha-Werkstatt in Altenburg eine große Auswahl vorgefunden zu haben, doch war die Kollektion hier geradezu atemberaubend, das im wahrsten Sinne, denn das gegerbte und behandelte Leder verströmte hier seinen typischen Geruch.
Zielsicher steuerte Gangolf durch die Regalfronten, voll von bunten Helmen, Handschuhen und Stiefeln, hin zu den Lederkombis. Eine schier unglaubliche Vielzahl an Farben und Varianten schlug ihnen entgegen. Doch anstatt bei seiner Männergröße 98 stehen zu bleiben, zog er Magda weiter zu den Frauengrößen. Irritiert blickte sie ihn an, er entgegnete ihrem Blick mit der Frage:
- „Welche Größe hast du?“

Magda starrte ihn förmlich an, als ob er sie nach der Schuhgröße eines Mondkalbs gefragt hätte. Eine Verkäuferin gewahrte die beiden, sie war vielleicht wenige Jahre älter als Magda, hatte ein freundliches Gesicht, sie erkannte die Unschlüssigkeit der Kundschaft, kam herzu und lächelte Magda und Gangolf mit einem freundlichen „Hallo“ an. Gangolf ergriff das Wort:
„Wir wissen jetzt nicht, welche die Größe die richtige für sie wäre.“
Die Verkäuferin war sehr nett, sie hob nacheinander die schweren Kombis von der Stange, hielt sie an Magdas Schultern, um zu sehen, welche ihr am besten passen könnte. Magda war immer noch sprachlos, sie konnte es nicht begreifen, wie ihr geschah.
- „Da hinten sind die Kabinen“, sprach die Verkäuferin und zeigte in die entsprechende Richtung. Die Kombi schleppend ging sie voran, während Gangolf kurz davor war, die Magda zu schleppen, um sie endlich zu den Umkleiden zu bringen.
- „Jetzt mach’ schon“, drängte er sie, „die Verkäuferin hat auch noch andere Kunden, die auf sie warten.“

Mit geschicktem Schwung hing die Verkäuferin den Bügel mit der Motorradkombi an die umlaufende Stange vor der Kabine, an welcher auch der Vorhang befestigt war. Sie löste mit dem Taillenreißverschluß Ober- und Unterteil und legte letzteres in die Kabine. Immer noch verstört trat Magda ein, und die Verkäuferin zog mit einem raschelnden Geräusch den Vorhang zu.
Jetzt beeilte sich Magda, denn ihr wurde klar, daß es für Einwendungen zu spät war. Die Chucks hat sie in aller Eile einfach von den Füßen abgestreift, ohne erst die Bändel zu lösen. Auch ihre verbeulte Jeans landete achtlos in der Ecke, während sie bereits mit klopfenden Herzen zu dem Lederhaufen vor ihr griff und sich erst einmal orientieren mußte, wo hier überhaupt vorne und hinten, unten und oben war.

Als Magda wußte, woran sie war, flutschte sie behände in die mit gleitendem Futter versehene Hosenbeine; mit leicht rotem Kopf zog sie den Vorhang beiseite und lächelte Gangolf und Verkäuferin an. Diese prüfte mit fachfrauischem Blick die Situation, griff in Richtung Bund und fragte:
- „Darf ich?“
Magda nickte nur, wurde noch röter, es ging ihr irgendwie alles zu schnell, noch vor wenigen Minuten dachte sie nicht im Traum daran, jemals eine wie auch immer geartete Lederkleidung anzuprobieren, gar einen Motorradanzug. Die nette Verkäuferin führte ihren Finger in den Hosenbund aus kräftigen Elastan, das den Bund eng an die Taille schmiegte. Die Verkäuferin prüfte, ob der Zug angemessen war, weder zu locker, daß beim Gehen nicht sofort die Hose herunterrutschte, noch zu straff, daß es zu Einschnürungen kam.

Nachdem diese erste Vorprüfung erfolgreich bestanden war, bat die Verkäuferin Magda heraus und holte die Jacke vom Bügel. Sie half ihr in die Ärmelröhren, die Stretcheinsätze in den Armbeugen waren für Magda ganz ungewohnt, sie wollte schon abwehren, doch die Verkäuferin kannte das Problem mit den Mädels, die erstmals ausstaffiert werden sollten:
- „Einfach kräftig durchfahren mit der Hand.“
Nach einigem Hin- und Hergezerre steckte Magda in der Jacke, sie flötete etwas von zu eng, doch die Verkäuferin setzte ein verständnisvolles Lächeln auf und meinte:
- „Zieh’ den Reißverschluß nochmals auf, wir schließen erst `mal die Hose an.“
Magda verstand nur >Bahnhof<, erinnerte sich dann aber schnell, daß Jacke und Hose mit dem Taillenreißverschluß verbunden war zu einem einzigen Kleidungsstück. Die nette Verkäuferin ging in die Hocke, bog den Ledersaum der Jacke etwas in die Höhe und fädelte den Zipp ein. Dann versuchte sie, den Zipp zu verschieben, um den Reißverschluß zu verschließen, doch er klemmte.

- „Beug’ dich etwas nach vorn und zur Seite“, forderte sie Magda auf, „damit es nicht so spannt, dann geht es leichter mit dem zuziehen. Das Leder ist noch neu, es wird mit der Zeit geschmeidiger.“
Magda beugte sich, wie ihr geheißen wurde, und der Verkäuferin gelang es, eine handbreit den Reißverschluß zur Seite hin zu verschließen.
- „Jetzt leicht nach hinten beugen.“
Wieder konnte sie den Verschluß weiter bewegen, Magda verspürte schnell, daß jetzt der Verschluß auf der Höhe des Steißbeins angekommen war. Sie beugte sich jetzt ohne erneute Aufforderung weiter nach hinten rechts, dann ganz auf die rechte Seite, schließlich wieder leicht nach vorne.
- „Zu groß“, kommentierte die Verkäuferin sofort, „das dachte ich mir schon, Knie hängen auf die Waden, die Hände verschwinden in den Ärmeln.
- „Geh’ jetzt in die Hocke und streck’ die Arme nach vorn“, forderte die Verkäuferin auf. Die Händchen kamen jetzt zwar wieder zum Vorschein und die Kniee rutschten etwas weiter hinauf, insgesamt hing aber alles zu lapperig an Magdas schlanken Körper.
„Mindestens eine Nummer kleiner, das Leder dehnt sich ohnehin noch, es muß schon gut anliegen, daß da nichts flattert und so“.
Gangolf stimmte ihr zu. Magda konnte das gar nicht glauben, sie schwitzte jetzt schon in dem engen Anzug, und da sollte sie einen noch engeren probieren. Sie betrachtete sich in dem großen Spiegel, der an der Kabinenrückwand angebracht war. Mit Schreck gewahrte sie im Spiegelbild die elektronische Fußfessel, die leicht aus der Hose hervorlugte. Die Hose hatte genauso wie die Ärmel kurze Reißverschlüsse, damit das Leder sich auch an den engsten Körperstellen anschmiegte.

Mit hochrotem Kopf vollführte Magda das Falscheste, was sie machen konnte: Sie beugte sich jetzt nach links und starrte auf das Hosenbein. Von oben konnte sie ihr verhaßtes Ding nicht sehen, nur im Spiegelbild, doch die Verkäuferin wurde durch Magdas Verhalten auf die Fußfessel aufmerksam. Sie erkannte diese nicht gleich als solche, ging in die Hocke, um nachzusehen, was sich da so seltsam über dem Knöchel abhob.
Dann begriff die Verkäuferin schnell, um welches Teil es sich handelte, auch ihr stieg leicht die Röte in das Gesicht, sie erhob sich und meinte leicht irritiert:
- „Wir sollten auf jeden Fall eine Nummer kleiner probieren, dann kommt der Hosensaum jedenfalls höher über dem Knöchel zu liegen und dann drückt da nichts mehr.“
In dem Moment traten andere Kunden auf sie zu, die bereits länger im Hintergrund gewartet hatten. Gangolf erfaßte die Situation und sagte:
- „Vielen Dank für deine Hilfe, wir machen das schon allein, da warten schon andere.“
- „Ja gut, ruft einfach, dann komm’ ich wieder.“

Magda fiel ein Stein von ihrem Herzen, als sie mit Gangolf endlich allein vor der Kabine stand. Er sagte:
- „Ich hol’ dir jetzt eine Nummer kleiner, du kannst dich ja schon mal aus dieser herauszwängen, aber löse nicht den Taillenreißverschluß, sonst ist es schwierig, ihn dann wieder zusammenzubringen.“
- „Ich wart’ lieber auf dich“, meinte Magda und setzte sich auf den Hocker in der Kabine. Während Gangolf die nächstkleinere Kombi holte, beugte sich Magda noch einmal zur Seite, griff mit dem Arm nach unten und schob den Hosensaum nach oben, um die verfluchte Fessel betrachten zu können, als ob sie diese noch nie gesehen hätte. In dem Augenblick kam die nette Verkäuferin wieder herbei, nachdem sie die Fragen der anderen Kundschaft schnell beantworten konnte. Sie ging vor Magda in die Hocke und flüsterte neugierig:
- „Sag’ mal, darfst du mit der elektronischen Fessel überhaupt weit Motorrad fahren? Mein Freund hatte auch so eine, der durfte nicht aus dem Kiez heraus.“

Wieder errötete Magdas Gesicht in’s Unermeßliche, bevor Magda auch nur ansatzweise eine Antwort hätte stottern können, kam Gangolf heran, er erfaßte die Situation und klärte auf:
- „Das ist nur noch eine Attrappe, die wirkt nicht mehr, die haben wir ausgetrickst.“
Diese Erklärung war indes offenbar nicht geeignet, Magdas Röte zu mildern, die verständnisvolle Verkäuferin blickte nun Gangolf gar nicht mehr verständnisvoll an und fragte:
- „Geht so was?“
- „Eigentlich nicht, war sehr kompliziert.“
Wortlos griff sich die Verkäuferin an ihren eigenen Hosensaum, schob ihn in die Höhe und Gangolf erkannte das gleiche Modell der Fußfessel, wie sie Magda trug.
‚Nicht die auch noch’, stöhnte Gangolf im Geiste, ‚wo bin ich da bloß hineingeraten, hört das denn gar nicht mehr auf.’

Als ob die Verkäuferin Gedanken lesen konnte, sagte sie: „Egal, ich hab’ nur noch drei Wochen, dann bin ich frei, dann kommt die weg und ich hab’ schon ein Ziel, ich werd’ gleich nach Italien fahren, ich hab’ noch den ganzen Urlaub auch vom letzten Jahr.“
Gangolf atmete erleichtert auf, gemeinsam halfen sie Magda aus der Montur und wiederholten die Zeremonie mit der neuen Hülle. Nach und nach legte sich auch Magdas Nervosität, es tat ihr sichtbar gut, daß sie jetzt auch einer anderen fast gleichaltrigen Frau begegnete, die mit einer elektronischen Fußfessel ausgestattet war. Offenbar waren diese Fesseln bereits weiter verbreitet, als man das gemeinhin annehmen wollte.

Tatsächlich schien die neue Kombi in jeder Richtung gut zu passen; als Magda probeweise auf dem Hocker sitzend das linke Knie stark anwinkelte und damit die Sitzposition auf dem hohen Soziussitz der R1 simulierte, zog sich das Kniepolster genau an die richtige Stelle über das Knie und der Hosensaum rutschte über das lästige Kästchen der Fesselelektronik. Gangolf freute sich, indes hegte er im Geheimen die Sorge:
‚Jetzt haben wir nur noch das Problem dann bei den Stiefeln, da müssen wir sehen, daß wir welche finden, die da im Schaft weit genug sind und nicht drücken’.

- „Was für eine Maschine habt ihr denn?“, erkundigte sich die Verkäuferin.
- „R1“, gab Gangolf knapp zur Antwort.
- „Ah, dann sicherlich die blaue, da paßt die Kombi dann farblich auch ganz genau zu dem Motorrad, ich freue mich für euch.“
- „Kannst du uns auch noch für die anderen Sachen beraten?“, setzte Gangolf nach. Als die Verkäuferin ihn fragend ansah, ergänzte er:
- „Also wir brauchen für sie alles neu, und dann auch für mich, mein Zeug ist schon völlig abgeledert.“
- „Für die Helme da vorn ist ein Kollege zuständig, aber ich kann gern mitkommen, ist doch egal, ich bin übrigens die Birgit.“
- „Gangolf“, stellte er sich mit einer leichten Verbeugung vor, „und Magda“.

Magda war dabei, sich aus der Kombi zu schälen, was ihr indes nicht so leicht gelang, da sie in dem Umgang mit dem Taillenreißverschlusses noch nicht geübt war.
- „Laß’ ihn an“, rief Birgit ihr zu, „dann können wir besser Stiefel und Handschuhe anprobieren. Geht schon `mal vor, ich häng’ noch schnell die erste Kombi auf.“
Birgit war wieder hingebungsvoll bemüht, die richtigen Größen herauszufinden und holte geduldig die Teile von der Stange. Sie freute sich selbst, die beiden mit den neuen Sachen zu beglücken und sie freute sich natürlich auch auf den Bonus, den sie bekam, wenn sie mit den beiden auf diese Weise diesen maximal erzielbaren Umsatz für das Geschäft erzielte.

Nachdem beide komplett neu eingekleidet waren, im identischen Partnerlook, versteht sich, entledigten sie sich ihrer Lederhäute und schritten zu den Helmregalen. Sie gab dem dort zuständigen Kollegen einen Wink, daß sie übernähme, nachdem dieser ohnehin in mit einem anderen Kunden zu tun hatte.
Birgit riet den beiden zunächst zu einem Helm mit integrierter Sonnenschutzscheibe, die man durch einen Hebel herabdrücken konnte. Gangolf lehnte jedoch diese seit vielen Jahren bereits weit verbreitete Variante ab, da solchermaßen ausgestattete Helme deutlich schwerer waren. Überhaupt war für ihn das Gewicht kaufentscheidend neben den sonstigen höchstqualitativen Ansprüchen, die er beim Helmkauf stets geltend machte.

‚Was hilft ein Helm, wenn er im Ernstfall den Schlag nicht optimal dämpft’, war immer sein Reden, ‚oder wenn er so schwer ist, daß einem der Hals verspannt, oder daß das Visier nicht gut anliegt und Pfeifgeräusche erzeugt, oder wenn die Lüftung nicht klappt, daß man wegen des Hitzestaus im Stadtverkehr dauernd das Visier aufklappen muß, und, und, und’.
Birgit bemerkte schnell, daß der Preis bei Gangolf anscheinend keine Rolle spielte und so entschieden sie sich für Helme der oberen Preisklasse. Magda konnte es immer noch nicht richtig begreifen, was hier mit ihr geschah, doch schleppte sie zusammen mit den anderen beiden ihre Beute den weiten Weg zum Kassenbereich am Ausgang. Birgit führte dort ein kurzes Telephongespräch mit der Geschäftsleitung, sie einigten sich auf einen satten Preisrabatt für diesen Großeinkauf.
Der Kassier wunderte sich, daß Gangolf den mehrstelligen Tausender-Betrag in bar bezahlte, zusätzlich zu dem saftigen Rabatt erhielten die Neubekleideten jeweils ein blau-getöntes Wechselvisier und Lederpflegecreme gratis; Gangolf überlegte sich, ob dieses großherzige Entgegenkommen vielleicht auch damit zusammenhängen könnte, daß Birgit in Magda eine Ganoven-Kollegin wahrgenommen hatte.

Natürlich ahnte keiner der dreien, daß sich Gangolf einmal für Birgits preislichem Entgegenkommen auf eine ganz andere Weise bei jener bedanken würde.


Allen Lesern wünsche ich vergnügliche Stunden an den Festtagen, besonders jenen, die mich mit ihren Kommentaren folssom-folgsam auf dem Weg begleiten.
Die Geburt in einem Stall kommt mir vor wie eine SM-Story der besonderen Art; sie wird erst 33 Jahre später übertroffen...
65. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 29.12.21 23:44

Wie wird Martina auf den Ausflug der beiden Turteltauben reagieren?

Wie wird Birgit in die Geschichte eingebunden?

Es bleibt spannend.

PS.
Wünsche dir ein schönes und gesundes neues Jahr.
66. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 31.12.21 19:12

In der Tat wird es wohl ein angespanntes Verhältnis geben, Eifersucht und Machtanspruch werden vermutlich deutlich hervorbrechen. Schauen wir, wie es im Neuen Jahr weitergehen wird, wie Gangolf inmitten seiner Mädels seinen Weg findet!
Vielen Dank für die Anmerkungen, sie zeigen mir, daß der Roman zumindest bei Dir, Sarah, anscheinend gut ankommt.




34

Wie an jedem Morgen schlich sich Magda bereits kurz nach Sonnenaufgang in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten. Immer wenn sie dann Gangolf aufstehen hörte, drückte sie auf das Knöpfchen der bereits befüllten Kaffeemaschine und warf den Toaster an, auf dessen Ablagefläche sie zwei Semmeln legte, die sie am Vortag in Holzbuch gekauft hatte. Aus einem besonderen Grund hörte sie am heutigen Sonntag nicht, als Gangolf sich aus den Federn erhob.
Gangolf blinzelte aus den verschlafenen Augenwinkeln, er glaubte nicht richtig zu sehen, als er aus der Schlafzimmertür hinauslugte: Magda stand im Flur, komplett eingekleidet in ihre Motorradkombi, mit Handschuhen, Stiefeln und aufgesetztem Helm! Genießerisch betrachtete sie sich in dem großen Spiegel, sie strich mit den Handflächen über den Helm, klappte dabei das Visier zu, betastete anschließend ihre Brüste und beugte sich schließlich etwas nach vorne, um sich in den Schritt zu fassen.

'Da sage noch einmal einer, daß es keine Mondmenschen gäbe’, zitierte Gangolf im Geiste seinen Vater, und er freute sich riesig, daß Magda offensichtlich ihre neue Kleidung gefällt; mehr noch, er vermutete, daß die Lederkombi, in welcher sie steckte, im Verein mit Handschuhe, Stiefel und Helm einen geradezu erotischen Reiz in ihr auslöste. Er schlich sich heran und blieb hinter ihr stehen. Sofort gewahrte sie ihn im Spiegel und bewegte sich mit einem Ruck zu ihm herum.
Bevor Gangolf irgendwie reagieren konnte, hatte Magda ihn schon umarmt, und sie drückte die Vorderpartie des Helms an seine nackte, leicht behaarte Brust. Ihm kam die groteske Situation bekannt vor, vor einigen Wochen war es umgekehrt: Während er noch seinen Helm auf dem Kopf trug, kam Martina heran und küßte ihn auf das geschlossene Visier.

Nach Gangolfs Empfindung waren es endlose Minuten, wie sie so im Flur umarmt dastanden, bis Magda endlich von ihm abließ und an dem Kinnriemen herumfingerte, um den Helm ablegen zu können. Es gelang ihr nicht, ihre Fingerbewegungen wurden immer ruckhafter. Gangolf ergriff ihre Hände und begrüßte sie:
- "Guten Morgen, lieber Mondmensch, jetzt zieh' doch erst einmal deine schönen Handschuhe aus, dann wird alles leichter gehen."
Magda wurde indes noch nervöser, es gelang ihr nicht einmal, die Handschuhe abzustreifen.
- "Schau, zuerst das Klettbändchen da hinten lösen, dann kannst du sie von den Fingern ziehen", belehrte Gangolf sie. Als ihre zarten Händchen zum Vorschein kamen, nahm er ihr die Handschuhe ab und legte sie auf die kleine Kommode.
- "So, jetzt den Helm", fuhr er fort, nahm ihre rechte Hand und führte sie an den roten, etwa zwei Zentimeter langen Textilstreifen, der von dem Helmschloß herabragte.
- "Fühlst du den Textilstreifen da, an dem mußt du ziehen, dann geht das Schloß auf".

'Sie hätte das erst einmal üben sollen, bevor sie den Helm aufsetzt und verschließt', dachte sich Gangolf, anderseits war ihm klar, daß die Lust alle Vernunft zu besiegen in der Lage war.
'Wenn nur alle Schlösser so leicht aufspringen würden', dachte sich Magda, als es ihr tatsächlich mit einem kurzen Ruck gelang, das Kinnband zu öffnen. Sie nahm sich vor, mit Gangolf über ihr Problem zu sprechen, daß sie nun doch wieder einmal zu ihrer Herrin mußte, damit diese sie, wenn auch nur für kurze Zeit, von dem Keuschheitsgürtel befreite.

- "Willst du deinen Lederanzug nicht anbehalten", richtete Gangolf eine Frage, eher einen Wunsch, an Magda, "du schaust so bezaubernd in dem Leder aus und dann der Duft dazu, der Duft des Leders wird sich schnell verziehen, wenn wir ein paar Mal gefahren sind."
Magda himmelte ihn an und streckte sich, um ihm einen Kuß geben zu können. Sie erreichte jedoch nicht einmal sein Kinn, denn in den noch recht harten Motorradstiefeln gelang es ihr nicht so recht, sich auf die Zehenspitzen zu stellen. Gangolf beugte sich herab, um seinen Kuß abzuholen. Daraufhin verschwand Magda in die Küche, um endlich Kaffeemaschine, Toaster und Eierkocher in Gang zu setzen.

Als sie sich gemeinsam am Frühstückstisch niederließen, Magda in Lederanzug und Stiefeln, Gangolf barfuß in der Schlafanzughose, fragte er sie, wohin der erste Ausritt gehen sollte. Für sie war es das erste Mal, daß sie auf einem Motorrad mitfahren würde, auch Roller- oder Mopedfahren kannte sie nicht. Magda war jedes Ziel recht, sie kannte sich nicht im geringsten in der Gegend aus.
Gangolf fragte sie: "Darf ich dir eine persönliche Frage stellen?"
Im gleichen Augenblick, da er diese Worte ausgesprochen hatte, kam es ihm in den Sinn, daß praktisch alle Fragen an Magda persönlicher Natur waren.
- "Aber ja doch, immer", entgegnete Magda und sah ihn gespannt an.
- "Wo kommt du eigentlich her, der Sprache nach sprichst du ein akzentfreies Hochdeutsch, also ich kann dich überhaupt nicht einordnen."
- "Ach Gangi, ich komm' aus Berlin." Das war ihre knappe Antwort, und weil sie nichts weiter sagte, ließ es Gangolf damit bewenden. Ihm fiel ein, daß er sie am Vortag auf der Autofahrt gefragt hatte, ob sie schon einmal in Berlin gewesen sei, sie nickte nur als Antwort.
'Berlin", sinnierte Gangolf, 'und darüber will sie nicht sprechen, es muß da einen schlimmen Vorfall gegeben haben, wahrscheinlich der Grund für ihr ausgeprägtes devotes Verhalten'.

Gangolf erkundigte sich im Internet nach Gottesdiensten in der Gegend. Ein Besuch einer Kirche wäre ein lohnendes Ziel. Eigentlich wollte er endlich wieder in die katholische Kirche in Lüggen in der Hoffnung, dort die langhaarige Blonde zu treffen, die Krankenschwester Ramona, in die er sich etwas verliebt hatte. Doch dann sah er, daß um elf Uhr die Bettina in Schlepptsich predigen würde, und Magda war damit einverstanden, dort mit Gangolf in die Kirche zu gehen.
- "Macht das nichts aus, wenn wir da mit dem Motorrad-Klamotten im Gottesdienst sind?", fragte Magda besorgt.
- „Meinst du, daß der Heilige Geist dann nicht mehr in unsere Körper dringen kann?“, gab Gangolf schelmisch zur Antwort.
- „Also ich meine nur, die anderen Leute, was die meinen, wenn sie uns so sehen“.
- „Die anderen Leute, das ist dann deren Problem, wenn sie sich von unserer Erscheinung ablenken lassen.“

Gangolf kam auf ein anderes Thema zu sprechen: "Bevor wir losfahren, müssen wir das Leder gut eincremen", mahnte Gangolf, "es schaut heute nicht aus, daß es regnen wird", er warf einen prüfenden Blick aus dem Fenster und fuhr fort: "Im Gegenteil, es hat wohl gestern alles heruntergeregnet, es wird ein toller Tag heute, aber trotzdem müssen wir das Leder beim erstenmal jetzt eincremen."
Nun holte auch Gangolf seine neue Motorradkombi und schlüpfte hinein. Er fühlte sich sehr wohl in ihr, auch wenn sie wesentlich enger an seinem Leib zu liegen kam, oder vielleicht besser, weil sie enger seinen Körper umschlang und ihm damit den lustvollen Reiz des Eingewickel-seins verschaffte; beim aufrechten Stehen drückte sein Teil in der Mitte stark an das Leder, die Kombi war so geschnitten, daß sie beim Sitzen die beste Paßform hatte und nicht beim Stehen.
Magda und Gangolf rieben sich ausgiebig gegenseitig mit der speziellen Ledercreme ein, das Leder im Schritt behandelten sie besonders intensiv. Schließlich kamen auch noch die Handschuhe und Stiefel daran. Dann ging es los. Mit starkem Herzklopfen trat Magda in den Hof hinaus, Gangolf sperrte die Haustür ab und folgte ihr.

Nachdem Gangolf die Yamaha aus dem Stadel herausgeschoben und angelassen hatte, röchelte der leistungsstarke Motor mit ungleichmäßiger Leerlaufdrehzahl vor sich hin, als ob seine Seele zum Ausdruck bringen wollte: >Nun steigt schon endlich auf<.
Beide stülpten sich die Helme über, Gangolf kontrollierte, ob Magdas Kinnband richtig verschlossen war, weder zu lose, noch zu fest zugezurrt. Sie sogen genußvoll die Luft ein, das Futter verströmte einen eigenartigen Duft, welcher sich bereits nach kurzer Benutzungsdauer verflüchtigt haben wird. Als sie dann auch ihre Handschuhe übergestülpt hatten, näherte sich Magda dem vor sich hinröchelnden Motorrad, atmete nochmals tief durch und schickte sich an, aufzusteigen.
- "Halt", rief Gangolf, "zuerst ich. Das mag zwar unhöflich aussehen, aber erst muß ich sitzen, sonst kippt es um!"

Erschrocken wich Magda zurück, Gangolf erläuterte weiter: "Beim Absteigen ist es anders herum, da bist du dann die Erste."
Gangolf schwang sich auf seinen Sitz und gab mit einer leichten Kopfdrehung Magda das Zeichen, jetzt gleichfalls aufzusteigen. Er beließ dabei beide Hände an den Lenkergriffen, denn beim Aufsteigen des Mitfahrers mußte er das Motorrad fest im Griff behalten, um die ungleichmäßige Gewichtsbelastung während des Aufsteigens des Sozius', der Sozia, abzufangen. Doch Magda begriff das Zeichen nicht, so daß er rief:
"Nun komm', halt' dich an meinen Schultern fest und schwing' dein linkes, ah, dein rechtes Bein herum auf das Motorrad."

Dreimal hatte Gangolf bereits Mädels, die zum ersten Mal aufgestiegen waren und bei allen drei waren es die gleichen Schwierigkeiten, den hohen Soziussitz des Sportmotorrads zu erglimmen. Ihm kam es vor, daß Magda ganz besondere Schwierigkeiten hatte, das hehre Ziel zu erreichen, sie brachte zwar ihr rechtes Bein über den Sitz, zog sich aber nicht an Gangolfs Schultern hinauf, sondern versuchte, mit hüpfenden Bewegungen des linken Fußes empor zu kommen.
Gangolf schaltete den Motor ab und blökte aus dem die Stimme verstellenden Helm:
- "Zieh' dich mit aller Kraft mit den Händen an meinen Schultern hinauf, du kannst dich nicht mit den Füßen vom Boden abstemmen, der Sitz ist zu weit oben, die Füße werden nicht bis zum Boden kommen!"
Magdas Kopf brannte in dem Helmgehäuse, denn die bereits hoch am Himmel stehende Sonne sandte unbarmherzig ihre heißen Strahlen auf den Kampfplatz, Aufregung und Anstrengung heizten Magda zusätzlich ein. Endlich saß sie, wie vom Motorradkonstrukteur ausgedacht, hinter Gangolf oben auf, dieser drehte sich vorsichtig um und sah, daß ihre Beine fast durchgestreckt von ihren Hüften herunterhingen.

- "Du mußt die Kniee anwinkeln, bis deine Füße auf die Fußrasten kommen!"
Magda faßte all ihren Mut zusammen und wagte einen Widerspruch: "Aber dann stoßen sie ja an deine Beine!"
- "Das sollen sie auch, komm', hoch mit ihnen!", befahl Gangolf, und als Magda nun zögerlich das linke Knie heraufzog, ergriff er ihre Wade und drückte sie nach hinten, bis die Stiefelsohle auf der Raste zu liegen kam. Magda wagte es nicht, sich etwas herunterzubeugen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sie konnte deshalb nicht sehen, wo die Fußrasten angebracht waren.
'Das geht ja gut los', dachte sich Gangolf, 'wie einfach war das mit der Martina, die ist mit einem affenartigem Schwung da hinten hinaufgeturnt und los ging's'.
- "So, jetzt das rechte Bein", drängte Gangolf.
- "Aber mein Knie ist ja so stark abgewinkelt, soll ich wirklich so sitzen?"
- "Ja klar, die Füße sitzen bei dieser Art von Motorrädern sehr hoch, komm', heb' ihn über den Auspuff!"

Nun wagte Magda doch einen kurzen Blick auf die rechte Seite hinunter und bemerkte erst jetzt, auf welcher Höhe die Fußrasten angebracht waren. Sie bekam leichte Panik, in dieser eingezwängten Haltung sitzen zu müssen. Auf der anderen Seite liebte sie jegliche Begrenzungen der Bewegungsfreiheit, solange sie nicht richtig schmerzhaft wurden.
- "Ja gut so", bekräftigte Gangolf sie, "und jetzt die Fersen noch weiter nach hinten, daß du nur mit den Zehen auf den Rasten bist, denn ich brauch' mit meinen Füßen mehr Platz nach hinten, wenn ich Schalten muß!"
Müßsam rutschte Magda die Stiefel noch weiter nach hinten, ihre Beine wurden dadurch noch weiter gekrümmt. Als diese Prozedur gemeistert worden war, drückte Gangolf ihre Kniee in seine Flanke und rief:
- "Stemm' die Knie in meine Seite, dann kannst du dich damit gut festklemmen, du kannst gar nicht herunterfallen. Und die Hände , damit hältst du dich ganz fest an mir umklammert vorne, dann kannst du nicht hinten herunterfallen."

Gangolf startete wieder den Motor, legte den ersten Gang ein und ließ die Kupplung ganz langsam kommen. Er drehte erst zwei Runden durch den geräumigen Hof, um zu prüfen, wie Magda das Fahren aufnehmen würde. Während der ersten Runde klammerte sie sich ganz fest an Gangolf, bei der zweiten Runde wurde sie lockerer. Gangolf steuerte auf den Feldweg hinaus, dort wurde es schwieriger, er wußte nicht, ob er den zahlreichen Schlaglöchern, so wie er es gewöhnlich machte, in engen Bögen ausweichen oder lieber ganz langsam in sie in Geradeausfahrt eintauchen sollte.
Irgendwie schafften sie es bis in die Siedlung. Als sie auf die durch den Ort führende Teerstraße gelangt waren, blieb Gangolf stehen und schaltete den Motor ab. Er wandte sich nach hinten um und quakte aus dem Helm:
- „Und wie is’ es, geht’s?“
Eigentlich eine dämliche Frage, dachte er sich sogleich, bislang kamen sie kaum über Schrittgeschwindigkeit hinaus, maximal erreichten sie langsames Fahrradtempo.
- „Ja“, war das einzige, was Magda herausbrachte.
Gangolf fiel ein, daß er vergessen hatte, die >ear plugs< zur Minderung der Fahr- und Motorgeräusche in die Ohren zu stecken. Somit rief er:
- „Steig’ noch `mal ab, ich hab’ die Wuserln für die Ohren vergessen!“
Magda begriff natürlich nicht im Geringsten, was Gangolf damit meinte. Vorsichtig nahm sie ihren rechten Fuß von der Raste. Doch so sehr sie auch ihr rechtes Bein durchstreckte, wollte es nicht gelingen, daß sie den Boden unter ihrem Fuß verspürte.
„Laß’ dich einfach herunterrutschen“, rief Gangolf, „und halt’ dich dabei an mir fest!“

Niel Armstrong betrat 51 Jahre zuvor als erster Mensch den Mond, Gangolf kam es vor, daß nun auch Magda den Mond beträte, so vorsichtig wie sie mit der Stiefelspitze das unbekannte Terrain ertastete. Endlich kam der rechte Fuß mit seiner gesamten Sohlenlänge auf dem Straßenrand zu stehen, doch die Operation Abstieg war damit noch lange nicht beendet.
Magda hüpfte auf dem rechten Fuß von dem Motorrad weg, um ihr linkes Bein über den Sitz zu bringen. Sie hatte alle Not, das Gleichgewicht dabei zu halten. Gangolf war von Natur aus zwar nicht ausgesprochen phlegmatisch, auf jeden Fall ziemlich geduldig, aber was er hier erlebte, ließ ihn dann doch leicht unruhig werden. Er klappte den Seitenständer aus und schwang sich nun ebenfalls aus dem Sattel.

Das Leder der Handschuhe hing recht fest um die Finger, erst nach Wochen würde es sich weiter dehnen, daß das Abziehen leichter ging. So fummelten beide ein paar Sekunden herum, bis ihre Hände befreit waren. Als Gangolf nun auch seinen Helm abnahm, machte es ihm Magda nach. Sie blickte ihn enttäuscht an, doch wagte sie nicht, ihn zu fragen, ob er wohl keine Lust hätte, mit ihr weiter zu fahren.
Gangolf fragte sie: „Also, wie geht es dir, willst du, daß wir dann auf der Straße weiterfahren?“
Magda lächelte und antwortete erleichtert: „Ja freilich, schön, danke, daß du das alles machst für mich.“
‚Schon wieder diese Dankesreigen’, dachte sich Gangolf, ‚wie geradezu selbstverständlich-fordernd war das mit der Martina. Aber klar, die ist die Herrin, jene die Sklavin.’
- „Ich hab’ die Ohr-Wuserln vergessen“, entgegnete Gangolf, öffnete den Jackenreißverschluß, holte aus der Innentasche zwei Packungen mit >ear plugs< heraus und riß die Plastikumhüllungen auf.
- „Schau, da sind diese, ja was sind das, wahrscheinlich so Schaumstoff, also die muß man so mit zwei Fingern zusammendrücken und rollen dabei, dann werden die ganz dünn und dann kann man sie weit in die Ohren drücken, dann hört man den Krach nicht so.“

Gangolf nahm einen Ohrstöpsel heraus und führte die beschriebene Handlung vor. Er führte das zusammengedrückte Stück in sein rechtes Ohr und reichte Magda einen weiteren Stöpsel. Entgeistert starrte Magda ihn an, sie verfiel in den Gedanken, was wohl noch alles für Vorbereitungen notwendig wären, bis das Motorradfahren endlich beginnen konnte.
‚Wie einfach ist dagegen das Radfahren’, kam ihr ihn den Sinn, ‚einfach aufsteigen und lostreten.’
Doch dann konzentrierte sie sich auf den Akt. Als sie beide Teile in ihre Ohren eingebracht hatte, fragte Gangolf nochmals nach ihrem Befinden. Erstaunt stellte Magda fest, daß sie fast noch genauso gut hörte wie zuvor. Doch bereits nach wenigen Sekunden entfaltete sich der Schaumstoff in den Ohren und schmiegte sich an den Gehörgängen. Die fernen Geräusche, die bislang von der Bundesstraße her zu vernehmen waren, konnte man plötzlich nicht mehr hören.

- „So, dann geht es los,“ bemerkte Gangolf, „ach, und noch was: Bitte steig’ immer von der linken Seite auf und ab, denn rechts ist der Auspuff, und der wird sehr heiß, also immer von links, und schwing’ dein rechtes Bein immer nach hinten herum, dann mußt du nicht so weghüpfen, nach hinten ist doch ewig Platz zum Herumschwingen!“
Magda nickte, und als Gangolf seinen Helm nahm, ergriff auch Magda den ihrigen und sie schlossen ihre Häupter in die Kugeln ein.

Magdas Aufstieg klappte nun schon wesentlich besser, ihre Stiefelspitzen fanden ohne Gangolfs Zutun die Fußrasten. Gangolf drehte sich nochmals um und rief mit lauter Stimme, denn die Ohrstöpsel zeigten Wirkung:
- „Also wann du was sagen willst während der Fahrt, dann stößt du mich kräftig an, denn ich werde dich nicht rufen hören, einverstanden?“
Magda nickte.
- „So und jetzt mach’ das Visier zu, denn während der Fahrt solltest du immer mit beiden Händen dich festhalten. Also bist du soweit?“
Nun krähte Magda ein „Ja“ aus ihrer Behausung und drückte das Visier zu. Gangolf konnte nur noch ihre Nase hinter dem bläulich getönten Plexiglas erahnen. Er wandte sich nach vorn, ließ den Motor an, legte den ersten Gang ein, was das Motorrad mit einem leichten Ruck quittierte. Auf der Teerstraße fuhr es sich wesentlich besser als zuvor über den holprigen Feldweg. Bevor sie auf die Bundesstraße einbogen, drehte er sich nochmals nach hinten, rief mit lauter Stimme, ob alles in Ordnung wäre, und Magda krähte ihr zustimmendes „Ja“.

‚Herr, laß wohl gelingen’, rief Gangolf mit den Worten des Psalmisten ein kurzes Stoßgebet zum Himmel; während Martina ihn damals befeuerte, einen wilden Ritt hinzulegen, spürte er bei Magda ganz deutlich die verkrampften Reaktionen ihrer Arm- und Beinmuskeln. Er beschleunigte sanft und bremste weit vorausschauend vorsichtig ab, allmählich wirkten Magdas Halte- und Klammerbewegungen entspannter und Gangolf wagte es erstmals, auf gerader Strecke Hundert zu fahren.
Gangolf kam es in den Sinn, nach ihrer Rückkehr Nachmittags oder am Abend mit Magda erstmals eine kurze Kajaktour zu unternehmen, vielleicht bist zur Insel, oder ein bißchen den kleinen Kanal auf und ab, bevor sie sich dann wieder endlos aneinander in die Nacht kuschelten.

Doch es sollte anders kommen.



Allen Lesern wünsche ich ein gutes neues Jahr; spannende Lektüre, Freude am Leben!
67. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 01.01.22 19:17

Danke für die lieben Wünsche, für mich bleibt dann noch Dir und Deinen Lesern ein erfolgreiches 2022 zu wünschen.

Ihr_joe
68. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 07.01.22 19:35

Ja, schauen wir, was das Neue Jahr alles so mitsich bringen wird; ich lade ein zur ersten Fortsetzung des Jahres:


35


Gangolf hielt Magda die Kirchentüre auf, mit weit nach vorne gebeugtem Kopf spähte diese in den dunklen Vorraum des Seiteneingangs, als ob sie ihr Raumschiff verlassen hätte und einen ersten Schritt in das Weltall hinaus unternehmen müßte. Vorsichtig überschritt sie die Schwelle und Gangolf kam es in den Sinn, ob sie heute nicht nur zum ersten Mal Motorrad gefahren wäre, sondern vielleicht auch ein erstes Mal es wagte, den Fuß in eine Kirche zu setzen.

Tatsächlich wurden Magda und Gangolf in ihren Motorradkombis mißtrauisch beäugt, als sie in einer der hinteren Bankreihen Platz nahmen. Es lag in ihrer Natur, daß Magda im Kircheninneren Gangolf den Vortritt ließ; unsicher blickte sie sich um. Er dirigierte sie nach rechts in eine Bankreihe, doch sie zögerte und wollte ihn voraus lassen.
- „In der evangelischen Kirche ist es wie sonst im öffentlichen Leben, die Frau sitzt rechts, der Mann links neben ihr “, belehrte Gangolf sie. Vorsichtig tippelte Magda voran in die Bank, er drängte sie weiter, damit er bequem neben ihr Platz fände und nicht ganz am Rand sitzen müßte.

Als Pfarrerin Bettina während des Glockenläutens in das Kirchenschiff einzog und sich dann in die längs stehende Bank seitlich des Altars setzte, erkannte sie Magda und Gangolf am anderen Ende der Kirche nicht. Erst als sie sich nach dem Orgelvorspiel erhob, um die Gemeinde zu begrüßen, erblickte sie das Paar und spontan begrüßte sie speziell „alle Gäste, die heute außerhalb von unserer Gemeinde gekommen sind.“

Gangolf war die Vorab-Begrüßerei ansich schon zuwider und hier im Besonderen, denn prompt drehten sich einige der wenigen Gottesdienstbesucher um und richteten ihre neugierigen Blicke auf sie. Magda wurde durch diesen Umstand sehr verstört und auch Gangolf fand das irgendwie peinlich. Er dachte an die alte Liturgie, als die Begrüßung der Gemeinde erst nach dem Gloria erfolgte, vor dem ersten Gebet, sie bestand aus dem kurzen Zuruf des Geistlichen: „Der Herr sei mit euch!“

Als der Gottesdienst zu Ende war und das Orgelnachspiel verklungen, schritt Bettina auf ihren Stelzen-Schuhen zur Verabschiedung der Besucher zu dem südlichen Seitenausgang. Magda und Gangolf erhoben sich und gingen auf dem anderen Längsgang nach vorne zum Altar. Er wollte ihr die wenigen Kunstgegenschätze in der im einheitlichem hellen Stil gehaltenen Kirche zeigen. Das Altarbild zeigte das letzte Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern vor der Kreuzigung gehalten hatte.
Leider war das zweite Gemälde nur von der Ferne zu sehen, eine Kreuzigungsdarstellung, mit Maria und Johannes unter dem Kreuz. Gangolf ärgerte sich, daß dieses Bild weit oben, unzugänglich durch einen abgesperrten Aufgang, ziemlich dem Auge des Gottesdienstbesuchers entrückt einsam vor sich hin verstaubte. Magda war entsetzt, als sie sah, wie realistisch die Kreuzigungsszene gemalt worden war, wie mit dicken Nägeln die Hände an den Balken genagelt waren.

Als Magda und Gangolf sich wieder umwandten, um die Kirche durch den Seiteneingang zu verlassen, hatte Bettina die letzten Besucher verabschiedet. Sie freute sich sehr, daß sie nun die beiden alleine vor sich hatte, besonders freute sie sich, daß es anscheinend Gangolf gelungen ist, Magda mitzunehmen:
- „Ach kommt doch mit zum Mittagessen, ich hab’ mich mit Martina verabredete vorne in der Brauerei, da kann man gut Essen, wißt ihr, wo das ist?“
- „Oder möchtest du gleich weiter fahren?“, wandte sich Gangolf jetzt direkt an Magda, denn er war sich nicht sicher, ob sie überhaupt mit Martina und Bettina Mittagessen wollte.
- „Nein, nein, ich komme gern mit, wenn du weist, wo das ist“.
- „Kann man gar nicht verfehlen, immer die Dorfstraße vor und wo die Straße dann abknickt, geradeaus weiter und da ist es dann schon“, erläuterte Bettina.
- „Ja, kenn’ ich“, entgegnete Gangolf, „also bis gleich dann!“

Magda und Gangolf beschlossen, zu Fuß zu dem Wirtshaus die Dorfstraße entlang zu gehen, es war gar nicht weit. Nun faßte Magda Mut und sagte:
- „Gangi, ich möchte dir was sagen“.
Doch statt etwas zu sagen, blickte sie ihn stumm an. Gangolf blieb stehen und forderte sie auf:
- „Nun red’ schon“.
Er nahm an, daß ihr das Motorradfahren vermutlich keinen richtigen Spaß machte, oder daß ihr der Gottesdienstbesuch befremdlich war, dann das schaurige Bild der Kreuzigung Jesu. Doch es war ganz etwas anderes, was Magda auf der Seele brannte:

- „Ich möchte wieder `mal zur Herrin, also ich möchte nicht so eigentlich, aber ich möchte, daß sie mir wieder `mal den Chasti aufmacht, daß ich mich wieder `mal ordentlich waschen kann da drin.“
- „Aber ja doch, da hab’ ich gar nicht mehr d’ran gedacht, verzeih’ bitte, aber sag, willst du denn das Ding dann wieder haben, was ist das für ein Tick, daß du den immer anhast?“
Aus Magdas Augen wich der Glanz, den sie bis zu diesem Zeitpunkt ausstrahlten. Sie antwortete nicht auf Gangolfs Frage, dieser fragte auch nicht nach. Es gab immer noch so viele dunkle Stellen in der Vita dieser Frau, so viele Geheimnisse, so viel Schmerz, der sich im Stillen in ihrer Seele vergrub. Gangolf fühlte sich immer mehr dazu berufen, die Abgründe ihrer Seele zu erforschen, um ihr endlich wieder, oder sollte es besser heißen, erstmals überhaupt, ein rundum glücklich-sorgloses Dasein zu bereiten;
‚ausgerechnet ich als Techniker, wo sind denn nun die Seelenklempner, wo die Frau Theologin, haben die alle versagt?’

Wenige Minuten später erreichten Magda und Gangolf die Schlee. Hier machte die Hauptstraße eine scharfe Kurve nach Norden, geradeaus befand sich die Brauerei mit dem Wirtshaus. Im Fluß paddelten zwei Kajaks und ein Kanadier. Verträumt blickten Magda und Gangolf zum Wasser hinunter, Gangolf spürte, daß Magda etwas sagen wollte, sich anscheinend aber, wie so oft, nicht traute.
Gangolf baute ihr eine Brücke: "Bist du schon einmal Kajak gefahren?"
Magda sah ihn an und antwortete knapp: "Nein, wie sollte ich denn."
- "Ja weiß ich nicht, hier gibt es viele Bootsverleihe, vor Jahren bin ich einmal mit dem Motorrad aus Bayern hierher gefahren und dann hab' ich mir Kajaks ausgeliehen, jetzt hab' ich mir selber welche gekauft, ich liebe das Paddeln so wie das Motorradfahren."
- "Ist das ein Kajak, wo die Leute da zusammen d'rinn sitzen, oder ist das so ein schmales Boot, wo nur einer d'rinn sitzt?", wollte Magda wissen.
- "Also letzteres, es gibt zwar auch Zweier-Kajaks, wo dann zwei solche Sitze hintereinander sind, aber ich hab' zwei Einer, denn ich meine, daß jeder für sich so paddeln soll, wie es im angenehm ist. Und meistens ist man ja ohnehin allein, ich zumindest."
- "Also hast du zwei Kajaks, ich hab die gesehen in der Scheune, wie du heut' früh dein Motorrad herausgeschoben hast."
- "Ja, zuerst hab' ich so ein normales gekauft, das rote, aber dann wollte ich ein schnelles haben, das ist das grüne."

Magda drehte sich zu ihm und umarmte ihn. Sie vergrub ihr Gesicht auf Gangolfs Brust. Er kam sich irgendwie schäbig vor, denn er hatte so viel im Überfluß, während Magda so wenig hatte, so wenig in ihrem Leben erlebt hatte. Gangolf streichelte sie auf dem Kopf und sagte:
- "Weißt du noch, als wir den Fernsehfilm angesehen haben, da hast du mich gerufen, wie die Kajakfahrer vorkamen und ich hab' dir versprochen, daß wir das auch einmal machen werden, und wenn du willst, können wir das heute Nachmittag oder am Abend probieren."
- "Oh ja, das ist ein toller Tag heute, daß ich so viel erleben darf mit dir".

Als Magda und Gangolf den Gastgarten des Wirtshauses betraten, erblickten sie tatsächlich Martina, die in der hintersten Ecke des Areals an einem großen Tisch Stellung bezogen hatte. Nachdem sie vor ihr standen, blickte diese leicht erschrocken auf und rief:
- "Ja aber hallo, ihr seid hier, war für eine Überraschung".
- "Die Bettina hat uns gesagt, daß ihr hier Mittagessen werdet und sie hat uns angeboten, daß wir uns zu euch gesellen", sprudelte es aus Gangolf heraus.
- "Eine gute Idee. Und ihr seid wohl ein Paar geworden, so vollkommen gleich angezogen in dem Leder, schaut gut aus."
- "Ein Paar sind wir deshalb noch lange nicht", entgegnete Gangolf, "aber ich brauchte dringend eine neue Kombi und dann hab' ich die Magda gleich mitgenommen, daß sie auch eine hat."

Martina schien guter Laune zu sein, sie war jedenfalls umgänglicher als bei den Zusammenkünften in Magdas Wohnung. Gangolf gelang es, Magda auf den Stuhl zu dirigieren, der Martina gegenüber stand. Er setzte sich rechts neben Magda, denn er wollte lieber Bettina als Gesprächspartnerin gegenüber haben. Diese kam nach kurzer Zeit, und die Kellnerin brachte die Getränke. Sie prosteten sich mit dem frisch gezapften Bier zu, nur Magda bestellte einfach nur ein Wasser.

Was dann geschah, verschlug Gangolf den Atem: Martina gab Magda ein stummes Zeichen, indem sie kaum sichtbar kurz ihren Kopf hob. Magda erkannte offensichtlich diesen Befehl, sie erhob sich, schob den Stuhl nach hinten, bückte sich unter den Tisch und verkroch sich darunter, so daß nur noch die Stiefelabsätze hervorlugten. Martina griff nach unten und rückte ganz nah an die Tischkante heran, damit man nicht sehen konnte, wie sie den zentralen Knopf und den Reißverschluß ihrer Hose öffnete. Gleich darauf waren leise, aber doch eindeutige Geräusche unter der Tischplatte zu hören.

Bettina schien von der Szene keine Notiz zu nehmen, zumindest konnte sie ihre Überraschung vollkommen überspielen. Sie sprach zu Gangolf in ihrem umgekümmerten Plauderton weiter, als ob sie Magdas Verschwinden unter den Tisch geradezu normal empfände. Gangolf kam aus dem Staunen nicht heraus, doch war das erst der Anfang ungewöhnlichen Verhaltens, er hätte in diesem Augenblick nicht gedacht, daß diese Handlung noch steigerungsfähig wäre.

Als die Kellnerin mit dem Essen kam, sah sie Magda unter dem Tisch knien. Sie fragte: „Kann ich Ihnen behilflich sein?“
Martina antwortete an ihrer Statt selbstsicher: „Nein, nein, alles in Ordnung, danke!“
Offenbar hatte sie diese Antwort schon öfter gegeben, für sie und wohl auch für Bettina war Magdas Dienst unter dem Tisch vollkommen normal.
Die Kellnerin ließ sich ihre Verwunderung nicht anmerken, wünschte >Guten Appetit< und ging zur Küche zurück. Wieder erhielt Magda ein stummes Zeichen, vermutlich einen Tritt von Martinas Fuß, denn sie kam mit leicht errötetem Gesicht wieder zum Vorschein; während Bettina und Gangolf warteten, bis Magda sich auf ihren Stuhl gesetzt hatte, begann Martina bereits mit dem Essen.

Bettina breitete ihre Hände nach rechts zu Martina und gerade über den Tisch zu Gangolf aus, dann machten es ihr Gangolf und Magda nach. Doch Magda war zögerlich, während sie sofort Gangolfs Hand ergriff, legte sie ihre linke Hand auf die Tischplatte in Richtung Martina. Endlich legte diese ihr Besteck zur Seite und ergriff nun auch die Hände von Magda und Bettina.

‚Was bist du nur für ein arrogantes Arschloch’, ergrimmte sich Gangolf im Gedanken, denn er wußte noch nicht, daß dieses überhebliche Verhalten zum Spiel von Macht und Unterwerfung gehörte, und er wußte natürlich erst recht nicht, daß dieses Spiel Magda eine für ihn unbegreifliche Freude bereitete. Gangolf wurde sich indes klar darüber, warum Magdas Hosen, die wenigen, die sie besaß, alle aufgerissene Stellen an den Knieen hatten; es mochte modern sein, sich mit absichtlich eingeri-senen Löchern in der Jeans zu geben, >used<, wie das nun schon seit Jahrzehnten neudeutsch in der Fachsprache hieß, aber bei ihr war das eindeutig auf das Knieen auf hartem Boden zurückzuführen.

Mit leichtem Wehmut dachte Gangolf an die nagelneue Motorradkombi; erst wenige Stunden getragen fürchtete er um deutliche Riefen an den Kniepolstern, denn der Boden des Gartens bestand aus spitzem Kies. Auch die Zehenkappen ihrer Lederstiefel würden wohl in Mitleidenschaft gezogen werden; Gangolf dachte mit Schaudern an die zerkratzten Gummikappen von Magdas Chucks, jetzt wußte er, warum diese gar so mitgenommen ausgesehen hatten.
Während des Essens kamen sie auf das Motorradfahren zu sprechen. Martina war neidisch, daß Gangolf der Magda eine hochwertige Lederkombi gekauft hatte, noch dazu im Partnerlook. Gangolf erzählte, daß er früher gern Ende September nach Italien an die Adria gefahren war, da um diese Zeit die meisten Urlauber wieder zuhause und dadurch die Strände angenehm frei waren. Zu seiner Überraschung schlug Martina ohne lang nachzudenken vor, mit ihm auf dem Motorrad dorthin zu fahren.

Gangolf gab zu bedenken, daß es doch recht weit sei und eine Tortur für die Sozia, auch konnten sie dann kaum Gepäck mitnehmen. Vor langer Zeit war Gangolf zwar einmal für ein Wochenende mit einer Sozia nach Österreich gefahren, mit hoch aufgepacktem Tankrucksack und einem schweren Rucksack auf ihrem Rücken, und dazu sogar noch hinter dem Soziussitz die Zeltrolle geschnallt, doch war das eine einmalige Ausnahme.
Nun mischte sich Bettina ein: „Ich könnte euer Gepäck doch im Auto mitnehmen“.
Überrascht blickte Gangolf auf; anscheinend war es für Bettina selbstverständlich, daß sie mitkäme, wenn Martina in den Urlaub fuhr.
- „Das wäre freilich eine tolle Idee“, begeisterte sich Gangolf, denn das Gepäckproblem war für ihn bereits als Solofahrer oft eine leidige Angelegenheit. Magda sagte natürlich zu alledem nichts, sie schwieg fast die gesamte Zeit über. Somit war es wieder Gangolf, der für sie das Wort ergriff:
- „Und jetzt, wo die Magda wieder frei ist, kommt sie natürlich mit, dann könnt ihr euch abwechseln beim Mitfahren und es wird nicht so anstrengend.“

Martina warf ihm einen verächtlichen Blick zu, sagte indes nichts darauf. Bettina holte ihr i-Pad hervor und tippte im Kalender herum:
- „Am 15. September hab’ ich noch einen Gottesdienst, dann könnten wir am Montag fahren, oder fahren wir dann gleich am Sonntag Nachmittag los, und für den 22. such’ ich eine Vertretung.“
Überraschend schnell waren sich alle einig, daß sie in zwei Wochen, am Sonntag Nachmittag für ein bis zwei Wochen aufbrechen würden; keiner der Anwesenden ahnte freilich, daß Bettina noch viel mehr Vertretungen bräuchte, daß sie so schnell nicht mehr predigen würde.

Bettina, Martina und Gangolf bestellten sich noch einen Kaffee, nur Magda lehnte ab. Gangolf wußte, daß sie gerne Kaffee trank und er vermutete, daß es wohl wieder zu ihrer devoten Art gehörte, als leidende Magd keinen Anspruch darauf zu haben. Er bestellte auch für sie eine Tasse, ohne zu wissen, daß diese Portion schließlich von der Herrin ausgetrunken würde.
Kaum standen die Tassen auf dem Tisch, gab Martina ein mysteriöses Zeichen mit dem Zeigefinger, indem sie ihn zweimal längs der Tischkante hin und her bewegte. Offenbar verstand Magda sofort auch dieses Zeichen, sie erhob sich und verschwand wieder unter dem Tisch. Dieses Mal lugten indes nicht die Stiefelabsätze hervor, sondern an der rechten Querseite gewahrte Gangolf Magdas Stiefelspitzen. Gleichzeitig rückten die Damen ihm gegenüber etwas von dem Tisch ab, ihm kam es vor, also ob sie ihre Knie leicht anhoben.

Nun konnte Gangolf seine Neugier nicht mehr bremsen, er beugte sich an der linken Seite, wo Magda gesessen hatte, unter den Tisch und traute seinen Augen nicht: Da lag Magda auf dem Rücken längs unter dem Tisch, Martinas Füße auf ihrem Unterleib, Bettinas auf ihren Oberschenkeln.
Während Bettina anständigerweise ihre Chucks davongeschleudert hatte, wie sie das damals in der Sakristei der Grausneger Kirche tat, und Magdas lederbewehrte Beine liebevoll mit den Söckchen betupfte, behielt Marina selbstverständlich ihre 10-Loch-Boots an, sie bohrte die Fersen auf Magdas Brust, welche schutzlos der Bearbeitung ausgeliefert war, denn Magda hatte, wie auch Gangolf, den Reißverschluß der Jacke aufgezogen.

Bettina war klar, daß ihr Handeln einer Erklärung bedurfte.
- „Weißt du“, hub sie an, „wir haben ihr nicht umsonst den Namen Magda gegeben, du kennst sicher die biblische Figur der Magdalena, die Dienerin des Herrn, die weinend unter dem Kreuz stand, oft auch als die Büßerin verstanden.“
Gangolf nickte nur, die Anspielung auf die heilige Magdalena war ihm von Anfang an klar und ihm wurde bewußt, daß er Magdas Verlangen nicht befriedigen konnte; vielleicht wäre er in der Lage, eine stabile kräftige Frau, wie Martina sie war oder zumindest sich gab, zu dominieren, möglicherweise auch noch Bettina, aber Magda, die Zerbrechlichkeit in Person, physisch und psychisch, nein, dazu könnte er sich nie hinreißen. Andererseits wurde im auch klar, daß Magda diese Unterwürfigkeit, diese Erniedrigungen wollte, sie geradezu begehrte.
Schnell kamen sie überein, daß Magda nun zumindest des Nachts wieder bei Martina bleiben sollte; Gangolf war das ganz recht, denn manchmal verzweifelte er an ihrem Zaudern, an ihrer Zurückhaltung, auf Dauer würde er nicht damit umgehen können. Er hoffte nur, daß man ihr nicht wieder starke Schmerzen bereitete, immerhin hatte Bettina diesbezüglich mit Martina ein ernstes mahnendes Wort gesprochen.

Gangolf drehte noch eine schnelle Runde, bevor er zurück zu seinem Hof fuhr. Er fühlte sich wohl, wieder einmal einen Abend für sich allein zu haben, so sehr er Magdas Anwesenheit schätzte; ihre Fürsorglichkeit und Hilfe in den Haushaltssachen war kaum zu überbieten. Nachdem er sich etwas entspannt hatte, schlappte er zum Stadel und holte sich sein rotes Kajak heraus, das breitere, langsamere. Er paddelte gemütlich aus dem Kanal in den See hinaus und ließ sich mit dem Wellenschlag leicht hin- und herschütteln.

‚Eigentlich sollte jetzt die Magda in diesem Kajak sitzen’, kam es ihm in den Sinn, er hatte ihr die Bootsfahrt versprochen.
‚Es wird die Zeit kommen’, dachte er sich weiter, ‚es muß nicht alles auf einmal geschehen’.
Dann war er im Gedanken bei dem geplanten Urlaub, der bereits in zwei Wochen beginnen sollte,
‚mit diesen drei Weibern’, schalt er sich selber, ‚wo bin ich da hineingeraten’.
So unvernünftig es war, sich mit ihnen einzulassen, so reizvoll, so lustvoll fieberte er bereits jetzt diesem Urlaub entgegen.

Doch zunächst galt es, den nächsten Tag zu meistern.


69. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 09.01.22 01:33

Bella Italia wartet nun auf dieses außergewöhnliche Quartett.

Ich vermute, da werden wohl einige unerwartete Überraschungen auf Gangolf zukommen.
70. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 14.01.22 22:54



In der Tat bringt ein gemeinsamer Urlaub mit Bekannten, die man noch nicht so genau kennt, oftmals unliebsame Belastungen mitsich, und eine Motorradreise bedeutet immer erhöhtes Streßrisiko; in unserem Fall wird die Sache sicherlich noch komplizierter aufgrund der besonderen Neigungen der Beteiligten - bleiben wir gespannt, was in dem "Urlaub" alles geschehen wird!
Zunächst aber gibt es auch so, ganz ohne Urlaub, "Streß":




36


- "Brause hier, guten Tag, Herr Stumpf."
- "Guten Tag, Herr Kommissar."
- "Nichts Kommissar, wie geht es Ihnen, haben Sie ihren Sturz gut überstanden?"
- "Danke, geht wieder, bin fast vollkommen fit."
- "Sagen Sie, Herr Stumpf, wissen Sie, wo die arme Armdran ist?"
- "Äh - nein", antwortete Gangolf zögerlich, dabei hatte er nicht einmal gelogen, er wußte zwar, daß sie bei Martina war, aber ihm wurde erst durch Brauses Frage bewußt, noch nicht einmal zu wissen, wo Martina wohnte.
- "Ist sie nicht bei sich zu Hause in ihrer kleinen Wohnung?"
- "Nee, da war ich schon, sie macht nicht auf und an's Telephon geht sie auch nicht 'ran, darum hab' ich Sie jetzt angerufen, ob Sie was wüßten".
- "Nein, tut mir Leid, aber ich kann ja `mal Erkundigungen einholen, sie kann sich ja nicht weit bewegen."
- "Das Seltsame daran ist, daß die in der Überwachungszentrale behaupten, ihr Aufenthaltsort wäre auf den Meter genau in ihrer Wohnung."
- "Sehr seltsam."
- "Ja, also schauen Sie, daß Sie sie finden, ich hab' heute frei und wollte eigentlich zum Angeln hinausfahren, aber mein Chef wollte noch, daß ich die Armbrust spreche. Aber machen wir es so, wenn Sie sie gefunden haben, kommen Sie bitte mit ihr hierher auf die Wache, dann kann es ihr mein Chef selber sagen, einfach beim Dienststellenleiter Nisselpriem melden."
- „Aha, wie heißt der, Nisselpriem?“
- „Ja genau, paßt irgendwie zu ihm.“
- "Gut. Was macht das abgerissene Kabel von der Photovoltaik auf dem Dach ihrer Tochter?"
- "Ah ja, da war ein Kollege von Ihnen d'ran, der hat erst einmal einen Dachdecker kommen lassen, der hat das halbe Dach abgedeckt, zuerst auch ein Gerüst aufgestellt, also das war so teuer, daß wohl der ganze Gewinn mit dem Solarstrom wieder d'rauf ging dabei."
- "Ja, das ist bedauerlich, d'rum wollte ich eine einfache Reparatur machen ohne großen Aufwand. Nun ja, also wir kommen, sobald ich sie habe, viel Spaß beim Angeln."
- "Danke."

'Verdammt, was soll das bedeuten', überlegte sich Gangolf, 'immerhin war er nicht ärgerlich, wahrscheinlich reine Routine, wollte sich vergewissern, daß sie noch da ist.'
Gangolf wählte Martinas Nummer, prompt quäkte wieder die scheußliche Ansage des Anrufbeantworters. Zum ersten Mal war er entschlossen, ihr etwas daraufzusprechen und mit entrüsteter Stimme sprach er:
- "Also Martina, Spaß beiseite, jetzt ruf' gleich zurück, der Brause hat nämlich angerufen wegen der Magda, sein Chef will die dringend sehen!"
Tatsächlich rief Martina sofort zurück, in ihrer Stimme lag eine gewisse Verwunderung:
- "Ja, was machen wir da jetzt?"
- "Komm' mit ihr hergefahren."
- "Das geht nicht, ich bin in Berlin und muß jetzt gleich zu einer OP."

'Was für eine blöde Ausrede', dachte sich Gangolf, 'zu was für einer OP muß die wohl. Schön genug ist sie doch, mit einer OP kann sie nur häßlicher werden.'
- "Fahr' zur Tina, die hat 'nen Schlüssel für meine Wohnung, dann kannst du sie 'rausholen."
- "Hast du die Magda eingesperrt?"
- "Ja klar doch, bei mir ist die immer eingesperrt, die braucht das."
- "Hm, also du kannst wirklich nicht mit ihr herfahren?"
- "Nein, frühestens am Nachmittag, aber ich hab' heut' viele Termine hier."
- "Und wo wohnst du?"
- "Südprommenade 5"
- "Südprommenade 5, und in welcher Ortschaft prommenierst du da?"
- "Äh, das weißt du gar nicht? In Laukuv."
- "Nein, wußte ich nicht, ich weiß auch nicht, wo die Bettina wohnt, ist alles so geheimnisvoll mit euch, ich weiß nur, daß sie Pfarrerin ist."
- "Ich muß jetzt Schluß machen, also hol' dir den Schlüssel von ihr und hol' sie 'raus, kannst sie dann gleich bei dir behalten, hoffentlich muß sie nicht wieder einfahren."
- "Ja, das wär' schlimm, andererseits ist sie ja bei dir wohl in einem viel schlimmeren Gefängnis."

Grußlos beendete Martina das Gespräch und Gangolf kam sich wieder einmal vor wie der letzte Depp; es war auch kurios: Zuerst arrangierte er seine Technik-Bekannten, die sich daran machten, speziell für Magda einen fußfesselsimulierenden Sender zu bauen und jetzt muß er zu dieser seltsamen Pfarrerin, deren beste Freundin sich nie bei ihr im Gottesdienst blicken läßt, dort den Schlüssel abholen, nach Laukuv fahren, um Magda zu befreien und mit dieser zur Polizei zu fahren.
'Wo bin ich da nur hineingeraten', verfluchte sich Gangolf selbst, doch es gab kaum mehr ein zurück, er hing bereits viel zu tief mit im Dunstkreis der drei Frauen.

Glücklicherweise meldete sich Bettina am Telephon, ohne daß Gangolf lange Erklärungen auf den Anrufbeantworter hätte sprechen müssen.
- "Äh - ja, den Schlüssel, ja klar, jetzt wo können wir uns treffen, wo bist du gerade?"
- "Ja ich bin bei mir."
"Kannst du in's Pfarrhaus kommen, treffen wir uns am besten dort. Weißt du noch, wie du da hinkommst?"
- "Ja, ich glaub' schon, peinlich genug, es beim ersten Mal nicht gleich gefunden zu haben."
- "Schön, also bis etwa in einer halben Stunde."

Am liebsten wäre Gangolf mit dem Motorrad losgefahren, um Magda abzuholen. Ihren Helm hatte er ohnehin noch am Motorrad hängen und die Lederkombi hatte sie ja gestern Nachmittag an, als sie zu Martina abtransportiert worden war. Doch da er mit Magda von Laukuv gleich zur Polizei in Lüggen fahren wollte, zog er es vor, mit dem Auto zu fahren.
- "Gibt es Ärger, funktioniert der Sender nicht richtig?", wollte Bettina wissen, als sie ihm die Tür des Pfarrhauses in Lüggen öffnete.
- "Weiß' ich noch nicht", antwortete Gangolf wahrheitsgemäß, "aber den Ärger hab' jedenfalls ich, daß ich jetzt da nach Laukuv hinaus muß und die arme Magda dort herausholen, stell' dir vor, die Martina, die übertreibt doch wirklich, die hat die Magda bei sich eingesperrt."

Bettina antwortete einsilbig: "Hm."
Mehr konnte und wollte sie nicht dazu sagen.
- "Leider kann ich nicht mitkommen, hab' gleich wieder einen Termin. Und bitte bring' mir den Schlüssel wieder, oder gib' ihn hier im Büro ab, daß ich ihn heut' Abend wieder habe."
'Alle haben Termine, nur ich kann mir ja stets zu jedem Zeitpunkt freinehmen", grollte Gangolf in sich hinein, 'und wozu braucht die Pfarrerin so dringend den Schlüssel von der Martina, eine verrückte Weiberei, in welche ich da geraten bin.'

Als Gangolf an das Haus kam, wo Martina wohnte, traf ihn fast der Schlag: Auf dem Klingelschild erspähte er zwei Namen: Weiß – Litte.
‚So ist das also’, kam es Gangolf in den Sinn, ‚die lieben sich nicht nur, sondern wohnen auch zusammen und die ehrwürdige Frau Pfarrerin Bettina Litte ist demnach in allem eingeweiht, was mit der armen Magda alles geschieht. Deshalb hat sie nur mit einem knappen >hm< geantwortet, als ich sie gefragt habe, ob sie wüßte, daß Martina die Magda eingesperrt hat.’

Gangolf sperrte die Haustür auf und stieg in den zweiten Stock hinauf. Beim Hinaufsteigen steigerte sich mit jedem Schritt seine Erregung, was ihn in der Wohnung erwarten würde, wie er Magda vorfände. Der gleiche Schlüssel paßte für die Wohnungstür; nachdem er sie geöffnet hatte, betrat er den Flur der Dachgeschoßwohnung. Er machte die Tür hinter sich zu und rief nach Magda.

Eigentlich war ihm klar, daß dieses verängstigte Wesen sich nicht rühren würde und so rief Gangolf schließlich auch seinen Namen. Doch auch mit dieser Maßnahme gelang es nicht, Magda hinter dem Ofen hervor zu holen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Zimmer zu betreten. Er fing mit dem ersten Zimmer an, dessen Tür links vom Gang abging, es war die Küche. Ein flüchtiger Blick genügte, um festzustellen, daß hier niemand war.

Auch in den darauffolgenden Räumen konnte Gangolf Magda nicht entdecken. Im Schlafzimmer der beiden lagen Bettinas megahohe Stiefeletten herum, aber auch andere High Heels lagen kreuz und quer vor dem einen Bett, weiter hinten lagen wilde Gewandhaufen. Auf der anderen Seite des Doppelbetts stand nichts herum, auf dem Nachtkästchen lag lediglich ein Buch. Er nahm an, daß auf dieser Seite Martina schlief, während auf der chaotischen Seite Bettina nächtigte. Kurz verspürte er den reizvollen Impuls, den breiten Schlafzimmerschrank zu öffnen, doch dann beherrschte er sich.

Zuletzt gelangte Gangolf in das Badezimmer. Auch dieses war leer.
‚Verdammt, wo ist sie nur’, fluchte Gangolf leise vor sich hin, ‚ist sie am End’ davon?’
Er schaute noch einmal in die Küche, ob Magda vielleicht unter dem Tisch festgebunden lag. Nichts. Dann inspizierte er nochmals auch alle anderen Zimmer ganz genau; frustriert ließ er sich längs auf das breite Doppelbett fallen.
‚Blöde Weiber.’
Gangolf sinnierte eine Weile und starrte auf die Decke. Ihm verging jegliche Lust, jedweder Nervenkitzel ist ihm entschwunden.
‚Wo kann man Menschen einsperren?’, überlegte er sich, ‚in den Filmen sind die Gefangenen entweder in alten Backsteinbau-Gefängnissen unter üblen Zuständen eingesperrt, oder in noch schlimmeren Verliesen, unter uralten Burggemäuern, in schaurigen Gewölben, in feuchten Kellern’.
- „Keller!“, rief er aus und gab sich einen Ruck, um dem Bett zu entfleuchen.
‚Doch warum hat die blöde Kuh nichts davon gesagt, daß sie die Magda im Keller eingesperrt hat? Oder in einem Dachbodenabteil? Oder gar in der Garage? Blöde Weiber.’

Gangolf entdeckte an dem Schlüsselbrettchen neben der Wohnungstür einen kleinen Ring mit mehreren Schlüsseln daran, einem größeren und einige kleine.
‚Da könnte der Kellerschlüssel dabei sein’, überlegte er sich und nahm sie zu sich.
Unten angekommen gelang es Gangolf indes nicht, die schwere Kellertür aus Metall aufzusperren. Selbst der große Schlüssel an dem Bund paßte nicht. Unschlüssig wandte er sich wieder um, und während er sich anschickte, die Treppe hinaufzusteigen, kam es ihm in den Sinn, daß vielleicht der Wohnungsschüssel sperrte, der auch für die Haustür paßte.

Tatsächlich konnte Gangolf mit dem Wohnungs- und Haustürschlüssel die Kellertür aufsperren; als er den Lichtschalter betätigte, fand er sich in einem typischen Kellergang wieder, zu dessen Seiten Öffnungen abgingen, die mit Lattenverschlägen verschlossen waren. Die meisten Verschläge waren innen mit Pappe oder ähnlichem Material abgedeckt, so daß man nicht in die dahinter liegenden Abteile blickten konnte.
Gangolf zählte acht Eingänge, alle mit großen Vorhängeschlössern abgesperrt. Er lauschte angestrengt, konnte indes keinen Laut vernehmen. Wieder rief er nach Magda, auch mit seinem Namen, doch er erhielt keine Antwort. Zwar vermeinte er, irgend ein schwaches Geräusch wahrzunehmen, doch konnte er nicht einmal die Richtung ausmachen, aus welchem es hätte stammen können.

Während Gangolf noch unschlüssig herum stand, ging das Licht aus und er stand plötzlich im Dunkeln. Irritiert tastete er sich zum Kellereingang zurück, bog am Ende des Gangs nach links und fand dort den Lichtschalter, dessen Tasterfläche mit einer Glimmlampe beleuchtet war.
‚Die haben aber die Zeit kurz eingestellt an dem Lichtautomaten’, knurrte Gangolf vor sich hin und schaltete wieder das Licht ein. Er beschloß, nacheinander die mitgebrachten Schlüsselein in die Vorhängeschlösser zu stecken, um auszuprobieren, welches Abteil zu der Wohnung von Martina und Bettina gehörte. Es ging nicht ganz schnell, die vielen kleinen Schlüssel der Reihe nach herzunehmen und in die Schlösser zu stecken. Er war gerade bei dem dritten Abteil, als wieder das Licht ausging.

- „Verdammt nochmal“, fluchte Gangolf ungehalten; in selben Augenblick vernahm er wieder ein Geräusch, dieses Mal deutlicher, ihm kam es vor, daß es aus dem Abteil stammte, vor dem er jetzt im Dunkeln stand. Es hatte etwas Schabendes ansich, er vermeinte, auch ein gedämpftes Murmeln zu vernehmen. Er wandte sich wieder dem Eingang zu, um erneut das Licht einzuschalten. Er erschrak nicht schlecht, als sich die Funsel von selbst wieder entzündete, und jetzt erst bemerkte er den Mann, der ihm in dem schmalen Gang entgegen kam.
Der Fremde betrachtete Gangolf mit großen Augen, indes wunderte sich jener nicht, daß dieser offenbar im Dunkeln vor ihm stand, denn bei der kurzen Einschaltdauer des Lichts mußte man zwangsläufig im Dunkeln aus dem Kellergang zum Eingang zurückkehren. Merkwürdig kam dem Mann allerdings vor, was Gangolf da unten zu suchen hätte, denn er hatte Gangolf natürlich noch nie gesehen, dieser war ein Fremder für ihn, und er wurde mißtrauisch.
- „Wer sind Sie?“, wollte er wissen, Gangolf stammelte: „Ein Bekannter der Martina, ich soll was holen.“
Der Fremde beäugte ihn weiterhin mißtrauisch, Gangolf eraßte die Situation und meinte:
- „Hier, sie hat mir ihren Wohnungsschlüssel gegeben, der sperrt auch die Kellertür“. Dabei zog Gangolf diesen aus der Hosentasche und zeigte in her. Sein gegenüber brummte etwas und sperrte das zweite Abteil auf. Gangolf zog es vor, den Keller erst einmal wieder zu verlassen, er konnte schlecht weiter herumprobieren, welches Schloß denn endlich passen würde.
Gangolf verließ das Haus und ging den Weg in die Richtung zu dem kleinen Parkplatz, wo er seinen Golf abgestellt hatte. Doch dann gewahrte er einen schwachen Lichtschimmer aus dem zweiten Fensterschacht und hörte auch Geräusche durch das gekippte Kellerfenster herauf.

‚Aha, da ist der Typ zugange’, überlegte Gangolf und blieb stehen. In diesem Moment hörte er, wie sich die Haustür hinter sich öffnete und zeitgleich kam ein Mann vom Parkplatz her auf den Gehweg zu dem Haus. Er fühlte sich in der Klemme und beschloß deshalb, ruhigen Schrittes weiterzugehen. Er nickte dem entgegenkommenden Mann zu, dieser betrachtete ihn kurz und nickte ebenso, bevor sie aneinander vorbeigingen.

Entnervt setzte sich Gangolf in sein Auto und wartete einige Minuten. Er sah, wie der Mann mit der Frau, die mit einem Kinderwagen aus dem Haus gekommen war, ein paar Worte wechselte. Gangolf wurde übersensibel, ihm kam es vor, daß sie über ihn sprachen, er vermeinte, Kopfbewegungen in seine Richtung wahrzunehmen.

‚Natürlich sprechen sie über mich’, überlegte sich Gangolf, ‚jeder, der nicht zu dem Haus gehörte und am hellichten Vormittag da herumging, war verdächtig.’
Als dann erneut die Haustür aufging und jener Mann heraustrat, dem er im Keller begegnet war, reichte es ihm endgültig. Tatsächlich gesellte sich auch dieser Hausbewohner zu den beiden und begann offensichtlich, ihnen beizupflichten. Gangolf verwünschte sich, er ließ den Motor an, stieß zurück und fuhr davon. Weiter entfernt auf der Straße fand er eine Parklücke.

Gangolf stellte den Sitz zurück, drehte die Rückenlehne ganz nach hinten und hob die Füße links und rechts vom Lenkrad auf das Armaturenbrett, die Fußspitzen gegen die Windschutzscheibe gedrückt. Er grübelte vor sich hin, ob das alles nur ein schlechter Scherz gewesen sei, ob die beiden Weiber ihn auf die Probe stellen wollten, ihm ihren Wohnungsschlüssel anvertrauten, ob er ihr Vertrauen mißbrauchte und in ihrer Wohnung herumschnüffeln würde, die Schubladen herauszöge, seiner Neugier freien Lauf ließe, während sie Magda ganz wo anders versteckt hielten.

Was er nicht in Erwägung gezogen hatte war die Möglichkeit, daß sich die Hausbewohner beim Ausparken sein Autokennzeichen notiert hatten.

Magda war zur gleichen Zeit vollkommen verzweifelt und dem Wahnsinn nahe, als sie Gangolfs Stimme gehört hatte, sie aber ihm nicht antworten konnte.









































71. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 21.01.22 21:53

37


Dienststellenleiter Nisselpriem platzte der Kragen: „Es ist jetzt 9 Uhr 37, wie lange sollen wir noch warten, wenn sie um zehn Uhr immer noch nicht telephonisch erreichbar ist oder mit diesem Stumpf hier auftaucht, dann lassen wir ihre Tür aufbrechen, ich steh’ schließlich in der Verantwortung, daß die überwachte Person tatsächlich auch anwesend ist im Überwachungsbereich.“
Brause meinte dagegen: „Der Überwachungsbereich wird jetzt noch viel größer, da wird es noch schwieriger, sie jederzeit zu erreichen, da kann sie dann sonst wo sein.“
- „Dann muß sie so ein verdammtes einfachen Handy akzeptieren, es überall hin mitzunehmen, wenn sie schon diese erweiterte Freiheit haben will. Und jetzt fahr’ endlich mit deinen Kumpels zum Fischen, Olaf, sonst brauchst du heute gleich gar nicht mehr los.“

Wie Nisselpriem voraussah, war Frau Armdran auch um zehn Uhr nicht erreichbar und sie ist auch nicht auf der Polizeiwache erschienen. Er wies die Streifenpolizisten Holger Meier und Katrin Mauser an, einen Türöffnungsdienst zu beauftragen, Magdas Wohnung zu öffnen und Magda zu ihm auf das Polizeirevier zu bringen. Meier rief verschiedene Öffnungsdienste an, der am frühesten Verfügbare versprach, bis halb elf an der besagten Wohnung zu sein.
Innerhalb kürzester Zeit gelang es dem Türöffnungsspezialisten, die Haustür zu öffnen. Diese war nicht abgesperrt, er mußte nur einen zu einem Haken gebogenen Draht in den Türdichtgummi einführen und etwas hin- und herdrehen, um den abgeschrägten Riegel zu erwischen und diesen zurückdrücken. Magdas Wohnungstür war indes abgesperrt; während die alten sogenannten Sicherheitsschlösser mit speziellen Haken nach minutenlangem Herumstochern geknackt werden konnten, war das mit den Schlössern des neuersten Typs völlig ausgeschlossen.
Der Spezialist bemühte sich gar nicht erst, sondern bohrte das Schloß auf. Auch das war keine einfache Arbeit, er mußte spezielle Hartmetallbohrer zum Einsatz bringen, bis er endlich an den Verriegelungszapfen kam. Die beiden Polizisten quittierten den erfolgreichen Aufbruch und betraten Magdas kleine Wohnung. Sie brauchten nicht lange, um sich zu überzeugen, daß dort niemand anwesend war. Zurück im Streifenwagen meldeten sie sich bei Nisselpriem, der etwas von einem Fahndungsaufruf sprach. Doch zuvor sollten sie jetzt sofort nach Laukuv fahren zu den beiden Kolleginnen im Laukuver Rathaus, denen wurde ein Einbrecher gemeldet, der auf frischer Tat erwischt worden sei, sich zwar vom Tatort entfernte, indes wurde das Kennzeichen des Fahrzeugs notiert.

In der kleinen Polizeidienststelle im Laukuver Rathaus erläuterte die dort diensthabende Polizistin ihren Kollegen aus Lüggen, daß nach einem grünen Golf Kombi gesucht würde, der Fahrzeughalter und vermutlich damit auch der Fahrer wurde dank des bekannten Autokennzeichens als Gangolf Stumpf identifiziert.
- „Bitte fahrt doch gleich `mal in die Wohnanlage dort, Südprommenade 5, ich ruf’ derweil die Zeugen an, daß sie gleich hinauskämen und unten auf euch warten.“
Alle drei Polizeibeamten waren sich einig, daß der Einbrecher vermutlich hätte rasch ergriffen werden können, wenn es in Laukuv eine personell stärker besetzte Dienststelle gegeben hätte, aber die allein Diensthabende konnte ihren Posten nicht verlassen und war angehalten, für solche Vorkommnisse die Kollegen aus Lüggen zu rufen.

Gangolf schreckte aus seinem Dösen empor, und sein Schreck wurde nicht gelindert, als er nach dem Klopfen auf die Fensterscheibe zwei Polizistengesichter wahrnahm, die ihn verdutzt anglotzten. Hurtig zog er seine Beine zurück und öffnete die Fensterscheibe.
- „Was machen Sie hier?“ raunzte ihn Meier an.
- „Ich meditiere“, gab Gangolf äußerlich gelassen zur Antwort. Innerlich liefen seine Gedankenströme auf Hochtouren: Sofort wurde ihm klar, daß die Polizisten wegen seines Aufenthalts in dem Keller gerufen wurden und diese ihn hier im parkenden Auto fanden. Sollte er seinen Aufenthalt in dem Keller des Wohnhauses von Martina und Bettina leugnen? Mindestens ein Zeuge würde ihn ganz sicher erkennen, vermutlich auch die anderen beiden.

Viel Zeit blieb Gangolf nicht, die Polizistin Mauser gab spitz zurück: „Meditieren Sie immer nach einem Einbruch?“
- „Äh – was?“ gab Gangolf zurück und hoffte, sich dumm stellend Zeit zu gewinnen, Zeit, die er dringend benötigte, um sich eine Strategie zurecht zu legen.
- „Steigen Sie aus“, nötigte ihn Meier, „und zeigen Sie Führerschein und Fahrzeugpapiere her.“
‚Vielleicht begnügen sie sich doch nur mit einer Fahrzeugkontrolle’, hoffte Gangolf, immerhin hatte er ja nichts Verdächtiges in seinem Auto.
Nachdem er die verlangten Dokumente ausgehändigt hatte, befahl ihn Meier:
- „So, jetzt sperren Sie ihr Fahrzeug ab und kommen mit uns.“
- „Nein, das geht jetzt nicht, ich muß jetzt los, ist es denn verboten, im korrekt geparkten Auto kurz zu meditieren?“, entgegnete Gangolf.
- „Es ist durchaus verboten, einen Einbruch zu begehen, Herr Stumpf, jetzt sperren Sie schon ab“, wiederholte sich Meier.

Gangolf stand weiter zögerlich da, unschlüssig, wie er sich verhalten sollte. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen.
- „Katrin, leg’ ihm Handschellen an“, forderte Meier seine Kollegin auf, im gleichen Augenblick drückte er Gangolfs Arme hinter den Rücken, die kesse Polizistin Mauser holte die Schellen aus der Gürteltasche und fesselte damit Gangolfs Hände.
Die Situation war grotesk: Erstmals wurden Gangolf Handschellen angelegt, nicht von Freunden, in einem Spiel aus Spaß, sondern im vollen Ernst, von einer jungen Polizistin, die ihn mit schnippischer spitzer Zunge anschnauzte. Prompt verspürte Gangolf sein Lustorgan anschwellen, obwohl er wußte, daß die Lage für ihn sehr unangenehm ausgehen könnte.
Meier dirigierte ihn auf die Rückbank des Streifenwagens, es war für Gangolf nicht einfach, hinten einzusteigen mit auf den auf den Rücken gefesselten Händen. Als er saß, schlug Mauser die Tür zu und Meier stieg von der anderen Seite ein, um sich neben Gangolf zu setzen. Als jener seine Türe zugezogen hatte, stieg sie vorne ein und fuhr los.

Mit Schrecken erkannte Gangolf, daß sie nicht Richtung Innenstadt fuhren, sondern zurück zu der Wohnanlage. Fieberhaft grübelte er nach einer Lösung. Das einfachste wäre es gewesen, mit dem Schlüssel in den Keller hinunter zu spazieren und zu verkünden, daß er für Frau Litte etwas holen sollte. Schließlich hatte er ja von ihr den Schlüssel bekommen. Doch würde es unglaubwürdig klingen, wenn er nicht einmal wußte, welches Kellerabteil seiner Bekannten gehörte.

Gangolf wollte unter allen Umständen vermeiden, daß nun die Hausbewohner ihn das Abteil von Weiß und Litte zeigten; freilich wäre das die Entlastung für ihn gewesen, wenn er hurtig die Schlüsselchen des Bundes aus der Tasche zöge und diese ihn als rechtmäßigen Besucher des Kellerabteils auswiesen. Doch was, wenn sie dann Magda streng gefesselt und geknebelt dort fänden?
Es gäbe endlose Verhöre, Freiheitsberaubung war ein schweres Delikt, vermutlich würden die Kriminaler aus Wuselhausen hinzugezogen, schwirrte es Gangolf durch den Kopf. Er konnte sich nicht sicher sein, daß Magda glaubwürdig beteuerte, es wäre alles nur ein Spiel. Sie war ja ohnehin stets eingeschüchtert und dann erst beim Anblick der Polizisten und der Hausbewohner; nein, dieses Zusammentreffen mußte Gangolf unbedingt vermeiden.

Dann wäre noch die Wohnung. Doch was wäre, wenn die Polizisten darauf bestünden, sofort in den Keller zu gehen, um ihnen zu zeigen, was er da holen sollte. Und in der Wohnung, was sollte er ihnen dort zeigen? Siedend heiß fiel ihm ein, daß Magda auch in dem großen Schlafzimmerschrank versteckt sein könnte. Er könnte sich selbst ohrfeigen, ihn nicht geöffnet zu haben, er wollte anständig bleiben und nicht in den intimen Sachen herumschnüffeln, aber vielleicht haben es die zwei Freiheitsberauberinnen geradezu selbstverständlich angenommen, daß er dort als ersten nachsehen würde.

- „Ja, der war’s“, riefen die drei Zeugen vor dem Haus im Chor, als Gangolf aus dem Streifenwagen herausgezerrt wurde. Mittlerweile waren weitere Hausbewohner zu den Wartenden hinzugetreten. Gangolf faßte einen Entschluß und es sollte sich herausstellen, daß dieser für ihn zwar zunächst nachteilig war, die Gesamtsituation für alle anderen Beteiligten aber retten konnte.
- „Ich verweigere hier vor den Leuten jegliche Aussage und werde auch das Haus nicht betreten, auch wenn ich dazu berechtigt wäre.“
- „Wie sind Sie hineingekommen?“, wollte Meier wissen.
- „Ich hab’ den Schlüssel von Frau Litte gekriegt“, antwortete Gangolf wahrheitsgemäß.
- „Na dann sperren Sie mal auf“, forderte Mauer ihn auf.
- „Geht nicht,“ zickte Gangolf zurück.
- „Was heißt >geht nicht<, haben Sie nun einen Schlüssel für das Haus oder haben Sie nicht?“ ereiferte sich die junge Polizistin.
- „Mit auf den Rücken gefesselten Händen, hä?“, raunzte Gangolf zurück.
- „Mach’ im die Schellen ab“, forderte Meier sie auf. Sie kam der Aufforderung nach, und als Gangolf keine Anstalten unternahm, zur Haustür zu treten, obwohl die Menschenansammlung ihm den Weg freimachte, geiferte sie ihn an:
- „Also was ist jetzt?“
- „Ich geh’ da nicht hinein, wie ich schon sagte, und ich verweigere auch jede Aussage“, wiederholte sich Gangolf.

Entnervt fauchte Meier: „Leg’ ihm die Schellen wieder an und dann Abmarsch in die Zelle, der will es nicht anders.“
- „Einverstanden“, entgegnete Gangolf und hielt artig seine Hände auf den Rücken. Kopfschüttelnd verfrachteten die beiden Polizisten ihn wieder in das Polizeiauto und fuhren zum Revier nach Lüggen.

- „Warum verweigern Sie sich“, wandte sich der neben ihm sitzende Meier an ihn, „wenn Sie wirklich den Schlüssel von der Hausbewohnerin bekamen, dann hätte sich doch jetzt alles aufklären lassen.“
- „Ach, wenn Sie wüßten“, äußerte sich Gangolf, „das ist alles nicht so einfach, aber ich bin froh, daß wir jetzt erst einmal von hier fort kommen, in Lüggen könnten Sie dann bitte Frau Litte verständigen, die wird alles aufklären können.“

‚Ein seltsamer Vogel’, dachten sich die beiden Polizisten, ‚vor den Zeugen seines Einbruchs oder seines Einbruchversuchs oder gar seines rechtmäßigen Eintretens in den Keller verweigert er sich total und jetzt schlägt er vor, diese Litte hinzuzurufen.’

Auf dem Revier in Lüggen wurde Gangolf sofort in ein Vernehmungszimmer gebracht. Gangolf setzte sich in dem kahlen kleinen Raum, während Meier an der Tür stehen blieb. Nach wenigen Minuten kam Dienststellenleiter Nisselpriem herein. Gangolf erhob sich, er erwartete, daß Nisselpriem ihm die Hand reichte, doch als dieser keine diesbezüglichen Anstalten erkennen ließ, sondern nur ein kurzes: „Guten Tag, setzen Sie sich wieder“ als Gruß von sich gab, grüßte Gangolf mit einer leichten Verbeugung und stellte sich vor:
- „Gangolf Stumpf“.

Als Nisselpriem den Namen hörte, erinnerte er sich an Wachtmeister Brauses Worte, daß ein gewisser Stumpf mit der verschollenen Marlies Armdran befreundet oder doch zumindest gut bekannt war und daß jener versprach, diese ausfindig zu machen und mit ihr auf das Revier zu kommen.
- „Ah, sind Sie nicht der Bekannte von Frau Armdran?“, wandte sich Nisselpriem an ihn.
- „Ja, ich kenne sie und ich hab’ Herrn Brause versprochen, nach ihr zu suchen, doch ich wurde bei meinen Überlegungen unterbrochen, wo sie sein könnte.“

Nisselpriem war hin- und hergerissen, ob er nun mit der offiziellen Vernehmung beginnen, oder ob er lieber mit Gangolf über Magda sprechen sollte. Gangolf kam Nisselpriem zuvor:
- „Ich möchte Sie bitten, Frau Bettina Litte, Pfarrerin an der hiesigen Paul Gerhard-Kirche zu verständigen, die mir ihren Schlüssel gab, um zu ihrer Wohnung nach Laukuv zu fahren.“
- „Was haben Sie denn dort gemacht oder was sollten Sie dort machen oder holen?“, wollte Nisselpriem wissen.
- „Ich will das jetzt nicht sagen, das muß ich auch nicht, ich bin rechtmäßig in das Haus hineingegangen und bin keiner Rechenschaft schuldig, was ich in der Wohnung oder in dem Kellerabteil der beiden Damen gemacht habe.“
- „So einfach ist das nicht, Herr Stumpf, Sie bleiben also dabei, den Schlüssel, aus welchem Grund auch immer, von Frau Litte bekommen zu haben?“
- „Ja sicher, das hab’ ich auch ihren Kollegen vor Ort schon gesagt, aber ich geh’ doch dort nicht in das Haus hinein, die Leute dort lynchen mich doch, gefesselt in Handschellen.“

Gangolf kam richtig in Fahrt und ehe er sich weiter hineinsteigerte, hob Nisselpriem die Hand und sagte:
- „Wir werden das überprüfen“.
Nisselpriem verließ den Vernehmungsraum, Gangolf war mit Meier wieder allein. Nach einigen Minuten kam er wieder zurück, dieses Mal in Begleitung von der jungen Polizistin Katrin. Er sagte:
- „Frau Litte kann erst in zwei bis drei Stunden hier sein, also ich schlage vor, Sie fahren nochmals hinaus nach Laukuv und zeigen meinen beiden Kollegen und Kolleginnen, was Sie da in der Wohnung oder im Keller gesucht haben und für Frau Litte holen wollten; die Hausbewohner sind jetzt wohl nicht mehr da im Weg, wenn Sie sich da irgendwie geschämt haben.“

- „Nein, das werde ich nicht tun, ich möchte das Haus nicht mehr betreten und werde es auch nicht mehr tun. Sperren Sie mich lieber hier ein, bis Frau Litte oder auch Frau Weiß, die auch dort wohnt, bezeugt, daß ich rechtmäßig ihren Schlüssel habe und deshalb dort auch in das Haus hineingehen durfte.“
- „Herr Stumpf“, versuchte es Nisselpriem nochmals, „seien Sie doch vernünftig, lassen Sie uns das abkürzen und helfen Sie uns lieber, Frau Armdran zu finden. Haben Sie eine Idee, wo sie sein könnte?“
- „Natürlich hab’ ich Ideen, aber ich werde sie lieber allein suchen, ich möchte jetzt nicht auch noch hier in Lüggen mit ihren uniformierten Kollegen auffallen. Es ist schlimm genug, daß ich mich in meinem Wohnort, in Wesserbarg, nicht mehr blicken lassen kann, als die Kriminaler aus Wuselhausen und ihre Leute, Brause voran, tagelang meine Bude auf den Kopf stellten.“

Nisselpriem äußerte sein Bedauern über die damaligen Vorfälle, ihm blieb es indes unverständlich, warum Gangolf sich so stur weigerte, Littes Haus nochmals zu betreten. Schließlich verständigten sie sich tatsächlich darauf, Gangolf in der Polizeizelle warten zu lassen, bis Litte erscheinen würde.

Gangolf fiel ein Stein von Herzen, als er endlich für sich allein in der Zelle war; in der Abgeschiedenheit des vergitterten Kellerraums konnte er sich eine Strategie zurechtlegen, wie er und alle an Magdas Verschwinden Beteiligte aus der Affäre ungeschoren herauskämen.
Nie hatte Gangolf Latein gelernt und er war froh, daß dieser Kelch an ihm vorüber ging. Seine Großmutter kannte noch viele Teile der lateinischen Messe, wie sie vor dem zweiten Vatikanischen Konzil in der katholischen Kirche gefeiert wurde. Beiläufig hat die Großmutter ihm immer wieder die lateinischen Texte vorgesprochen, die zauberformelhaften Wendungen faszinierten ihn von Jugend an.

Gangolf hätte sich in seinen Kindertagen natürlich nicht im geringsten vorstellen könnten, daß er einmal in die Situation käme, sich auf jene Sprache zu besinnen, um mit ihrer Hilfe eine geheime Botschaft zu verkünden.

Nun mußte nur noch Bettina mitspielen, hoffentlich war sie geistesgegenwärtig genug.



























































72. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 28.01.22 01:07

Gangolf scheint wohl die besondere Gabe zu haben, um von einem Problem möglichst schnell zum nächsten zu gelangen.
73. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 29.01.22 05:36

Das empfinde ich auch so; dabei hatte er bislang ein beneidenswert-sorgenfreies Leben!
Doch nicht nur Gangolf hatte ein Problem, Magdas war noch wesentlich größer:




38


- „Gangolf, Gangolf“, quakte sie in den Knebel, voller Verzweiflung, am Ende ihrer Kräfte. Sie wußte zwar genau, daß der dicke Silikonball in ihrem Mund alle Laute zu einem leisen dumpfen Grunzen herabwürdigte, doch sie rief es immer wieder:
- „Gangolf, Gangolf“.

Sie hatte ihn zweifelsfrei rufen hören, nach ihr, hat den Namen gehört, den ihre Herrin ihr gegeben hatte, trotz der Schaumstoffkügelchen, die man ihr in die Ohren gesteckt hat. Glücklicherweise hat man den Schaumstoff nicht fest zusammengedrückt, bevor man ihn in ihr Ohr gedrückt hatte, so daß er nicht tief im Gehörgang zu liegen kam; auf diese Weise konnte sie, wenn auch verzerrt, Geräusche wahrnehmen, und eben auch Stimmen.
Doch gab es keine weiteren Stimmen. Nur den einen kurzen Satz hat sie vernommen, sie hat ihn in ihrem Ohr behalten, als hätte sie niemals zuvor etwas anderes gehört:
- „Magda, bist du da, ich bin’s, Gangolf.“

Dann wurde es wieder vollkommen still um sie herum. Um sie herum war eine enge Holzkiste, eine alte Kartoffelkiste. Zwischen den Brettern gab es Ritzen und auch einige Astlöcher. Fahl schimmerte das Licht durch diese schmalen Aussparungen. Es war nicht als Licht zu bezeichnen. Es war nur ein Schimmer.
Ihre Augen haben sich an die Dunkelheit gewöhnt. Als der Deckel geschlossen wurde, meinte sie, in der absoluten Finsternis zu sitzen. Doch nach und nach erhellte sich der Innenraum der Kiste. Als erstes konnte sie ihre Füße wahrnehmen. Bräunlich erahnte sie die Konturen der Fußoberseiten, die Zehen waren besser zu erkennen.
Sie spürte das ungehobelte Holz unter ihren Füßen und unter ihrem Pofleisch. Als sie sich leicht zu bewegen versuchte, bohrten sich Holzspieße in ihr zarte Haut. Sie ignorierte jeden Schmerz.
‚Bloß den blöden Knebel loswerden’, war ihr dringlichster Gedanke. Alles andere war auszuhalten, aber das fortgesetzte Gewürge, unfähig, richtig schlucken zu können, der Sabber auf ihre Knie und Oberschenkel. Ekelhaft. Würg. Kotz.
Sie erlag einem Hustenanfall. Sie ring um Luft. Der Atem ging schwer. Panik. Nackte Panik, so nackt wie sie selbst.
Nackt bis auf den Knebel. Und den Handschellen auf ihrem Rücken. Und dem Ding natürlich.

Es dauerte Minuten, bis sie den Husten- und Würgereiz unter Kontrolle gebracht hatte. Sie hielt den Atem an. Ihr Herzschlag beruhigte sich. Sie wagte es wieder, vorsichtig einzuatmen, und dann auch auszuatmen. Ruhig. Bewußt. Beherrscht.
Endlich funktionierte es wieder, funktionierte sie wieder. Wirre Gedanken kreuzten durch ihr Gedächtnis:
‚Wäre ich bloß nach dem Essen wieder mit Gangolf zurückgefahren, auf seinem Motorrad, es war so schön, ich hatte zwar tierische Angst, aber so hinter ihm sitzend, hilflos ausgeliefert, es war ein irres Gefühl, warum bin ich nur wieder mit der Herrin mit, und mit ihrer Gespielin. Sie haben mich nicht von dem blöden Gürtel befreit, mich nur nackt unter die Dusche gestellt und abgespritzt. Mit dem scharfen Strahl in das Schrittband gespritzt. Viel zu kalt. Ich schrie auf. Dann plötzlich viel zu heiß.
Das war gleich noch schlimmer. Wie liebevoll hätte mich Gangolf gebadet. Ich hätte ihn bitten sollen. Ich traute mich nicht.

Was wird Gangolf jetzt machen, er hat nach mir gesucht. Ach Gangi, komm doch. Komm schnell. Ich halte es nicht mehr aus. Nimm mir den blöden Klumpen aus dem Mund. Und dann kannst du mich ja wieder einsperren in die blöde Kiste, wenn dir das Lust macht. Aber den Knebel, nimm ihn weg, bitte, biiite. Schnell, sofort, jeeetzt.
Warum gehst du wieder? Hörtest du mich nicht? Ich rief, so laut ich konnte. Es klang grauenhaft. Alles ist grauenhaft hier. Eben eine Haft. Eine grauenhafte Haft.

Ich muß den Knebel loswerden. Sonst sterb’ ich. Nie klagte ich über Schmerzen. Die Peitsche. Auch sie war schrecklich, doch der Schmerz war nur immer für Sekunden da. Kurz. Aber der Knebel. Erstickungsanfälle.
Wäre doch Gangolf nicht aufgetaucht. Nicht in meinem Leben, in meinem elenden Leben. Ein anderes habe ich nicht verdient. Er und seine Freunde, ihnen ist es gelungen, so einen Kasten da hinzustellen. Ich wurde frei dadurch. Frei, um hier bei der Herrin eingesperrt zu werden. Hier zu sterben. Wie glücklich war ich mit dem Ding, als das noch funktionierte. Ich durfte Einkaufen gehen. Über den Markt schlendern. Mittagessen kochen. Alles machen. Und jetzt werde ich abgeholt. Abtransportiert. Als Lustobjekt. Unter dem Tisch. Als Fußabtreter. Im Türrahmen. Als auszuklopfender Teppich. Meine neue Freiheit.’

Magda gelang es, mit ihrem Oberkörper ein bißchen auf und ab zu wippen, etwas vor und zurück. Nach langem Mühen gelang es ihr zudem, ihren Kopf auf die Knie zu drücken und dabei den Po etwas nach oben zu heben. Mehrfach versuchte sie sich in dieser Übung, immer wieder mußte sie sich auf den harten Bretterboden zurückplumpsen lassen.
Nach vielen Versuchen gelang es Magda, den linken Fuß etwas nach hinten zu setzen. Ihre rechte Schulter wurde dadurch an die rauhen Seitenbretter der Kiste gedrückt. Sie war froh, durch diese Gewichtsverlagerung eine geringfügig veränderte Körperhaltung einzunehmen. Nach einigen Minuten drückte sie sich mit der Schulter ab, sie bemerkte, daß die Seitenbretter sich etwas durchbogen.

Nun lag Magdas linke Schulter mit der Kiste in Berührung. Magda mutmaßte, daß diese gerade so breit war, daß sie mit ihrem Körper hineinpaßte. Als nun das Gewicht mehr auf ihrer linken Seite lag, gelang es ihr, auch den rechten Fuß etwas zurückzuziehen. Wieder stieg ihr Herzschlag an, wieder mußte sie mit bewußter Atmung dem Würgereiz zuvorkommen. Wieder vergingen ungezählte Minuten.
‚Sollte ich versuchen, die Hände unter dem Hintern durchzubekommen?’, schoß es ihr plötzlich durch den Kopf,
‚ich muß versuchen, den Hintern kurz in die Höhe zu kriegen und gleichzeitig die Hände mit den verdammten Schellen darunter durchziehen.’

Das war leichter gedacht als gemacht. Sie benötigte unzählige Anläufe, aber sie wollte unbedingt durchsteigen, obwohl von >steigen< in ihrer Zwangslage keine Rede sein konnte. Sie war richtig besessen von dem Gedanken, die Hände nach vorne zu bekommen, um den Knebel lösen zu können.
Endlich gelang es ihr, ihren Oberkörper zu einem Hohlkreuz zu spannen, die Schultern nach hinten zu ziehen, mit einem Ruck nach vorne den Po wenige Zentimeter in die Höhe zu bringen und gleichzeitig die Hände unter diesem hindurchzuziehen. Doch es reichte nicht, die Hände ganz unter dem Po hindurchzuschieben, sie plumpste wieder auf das Hinterteil mit den Händen darunter.

Schmerzhaft bissen sich die verhältnismäßig scharfkantigen Schellen in das Fleisch der Handballen und des Unterarms, glücklicherweise hatte ihre Sadistin die Schellen arretiert, die Sperre hineingedrückt, um das weitere Zuziehen zu verhindern. Auf diese Weise blieb die Zirkulation des Blutes aufrecht erhalten.
Die Schmerzen wurden unerträglich und ihr wurde klar, daß sie jetzt schnell handeln mußte. Sie atmete nochmals tief ein und hielt dann den Atem an. Sie schob den Po nach hinten, so weit es nur irgend möglich war. Sie merkte, daß die aufkommende Panik ihre Kräfte steigerte. Es blieb ihr unerklärlich, aber irgendwie gelang es ihr tatsächlich, die Hände unter die Pobacken hindurchzudrücken.
Magda atmete kräftig mehrere Male ein und aus. Jeder noch so kleine Fortschritt machte sie glücklich und zuversichtlich, das Ziel zu erreichen.

‚Welches Ziel eigentlich?’ fragte sie sich plötzlich. Freiheit? Freiheit von wem? Was kommt hinter der Freiheit?
Der pochende Schmerz an ihren Händen ließ sie wieder sich auf das Hier und Jetzt zu beschränken. Das einzig wichtige Ziel war, den Knebel los zu werden. Beim nächsten Hustenreiz konnte er den Tod bedeuten, den Tod durch Ersticken, den grausamen Tod.

Magdas Hände waren jetzt zwischen Ober- und Unterschenkeln in den Kniekehlen gefesselt. Sie mußte versuchen, mit den Füßen durchzusteigen. Doch wie konnte man steigen, wenn man gerade einmal mit angewinkelten Beinen und niedergedrücktem Kopf in eine schmerzhafte sitzende Position gezwungen war.
Wieder mußte Magda minutenlang eine aufkeimende Verzweiflung mit konzentrierter Atemtechnik begegnen. Als der Anfall vorüber war, begann sie mit den Übungen, die Füße anzuheben und dabei die gefesselten Hände unter den Sohlen hindurchzuzwängen. Sie mußte immer wieder Rast einlegen, um nicht außer Atem zu kommen und auch den Schmerz durch Ruhe etwas abklingen zu lassen.

Magda versuchte immer und immer wieder, mit den Händen die Fersen zu ergreifen und diese leicht anzuheben. Doch es gelang ihr lediglich, auf diese Weise die Handrücken bis etwa zur Mitte der Sohlen zu bewegen. An diesem Punkt spießten sich die Schellen und sie konnte die Finger nicht weiter nach vorne bringen. Zahlreiche Holzspieße riß sie sich in die Haut, ihre Augen wurden feucht.
Endlich kam ihr die erfolgversprechende Idee: Sie mußte versuchen, die Hände so weit wie möglich in den Schellen zu drehen, damit die Handinnenflächen nach oben zeigten. Mit ausgestreckten Fingern drückte sie diese unter die Fersen hindurch, die Daumen standen dabei weit nach außen, diese blieben bei dieser Methode bedeutungslos.

Als Magda ihre Fingerspitzen unter der Sohle spürte, krümmte sie die Finger, bis sich die Fingernägel in das zarte Fleisch der Sohlen krallten. Auf diese Weise gelang es ihr, die Füße millimeterweise zu ihrem Körper zu ziehen. Dann streckte sie die Finger wieder aus, sie kamen einige Zentimeter weiter nach vorne zu liegen. Mehrfach wiederholte sie das wechselweise Krümmen und Strecken, sie spürte, wie der harte Stahl der Handschellen nun unter den Fersen drückte.

Das Adrenalin ließ Magdas Schmerzen verfliegen, sie kannte kein zurück mehr. So nahe sie sich auch am Ziel wähnte, so diszipliniert war sie in ihrem Handeln, immer wieder Pausen einzulegen, um bloß keinen Hustenreiz auszulösen. Schließlich fühlte sie mit den Fingerspitzen ihre Zehen, zuerst nur die kleinen, später konnte sie auch die großen Zehen ertasten. Auch ihre Zehen gaben gleichzeitig die Rückmeldung der Berührung, sie krümmten sich reflexartig, und nun gelang es Magda, diese zu umgreifen.

Magda wähnte sich ganz nah am Ziel, aber das letzte Stück war immer noch harte Arbeit. Sie konnte zwar ihre Zehen umgreifen, doch ging es mit der bislang angewendeten Methode des abwechselnden Streckens und Krümmens der Finger nicht mehr weiter, denn beim Strecken lagen die Fingerspitzen bereits in der Luft vor den Füßen. Sie überlegte kurz und kam zu dem Schluß, daß sie sich nun mit ihren Füßen auf den Handflächen nach hinten arbeiten mußte.
Es war unvorstellbar mühsam, die Zehen abzuwinkeln, sich in die Handinnenflächen zu bohren, und anschließend die Zehen wieder zu strecken. Millimeter um Millimeter kam Magda dem Ziel näher, nach gefühlten Ewigkeiten erreichten ihre Zehen die Handballen, endlich schrappten sie über das harte Eisen der Handschellen.

Überglücklich ließ sich Magda zurückfallen, ihr Rücken drückte die Bretter an der hinteren Stirnfläche der Kiste spürbar durch. Sie drehte ihre Hände in eine angenehme Position in den Schellen und legte sie auf ihren Fußrücken ab. Ihr linker Unterarm bekam die elektronische Fußfessel zu spüren und Magda wünschte, diese wäre noch aktiv und würde sie an ihr bisheriges Leben fesseln.
Mit einem Ruck entwand sich Magda den Gedanken an die Vergangenheit und konzentrierte sich darauf, die Hände nun noch über die Knie zu bekommen. Im Vergleich zu den bereits gemeisterten Aufgaben war das eine einfache Übung; als sie auch diese Handlung abgeschlossen hatte, betastete sie ihre Brüste und ließ ihre Handfläche eine Weile auf diesen ruhen.
Schließlich griff sie zu dem vorläufig letzten Akt in der Kiste, sie drehte den Kopf so weit wie möglich nach rechts und versuchte, den Riemen des Knebels zu lösen. Sie ertastete zwar die Metallsschlaufe und den Spieß, der durch das Loch in dem Riemen ging, doch sie konnte nicht das lose Riemenende fühlen.

‚Ah, falsche Richtung’, ging es ihr durch den Kopf, und als sie schnell den Kopf nach links drehte, geschah das, woran sie nicht mehr gedacht hatte: So kurz vor dem Ziel ließ sie alle Vorsicht außer acht, durch die abrupte Kopfdrehung drückte sich der angesammelte Speichel in den Rachen, es kam zu dem gefürchteten Würgereiz und ein unaufhaltsamer Hustenanfall führte zu einem Tobsuchtsanfall; ihr Kopf schlug in Panik mit voller Kraft auf die Unterseite des Kistendeckels, die Bretter gaben leicht nach, federten aber im gleichen Augenblick zurück und drückten den Kopf wieder nach unten, ihr gesamter Körper begann in Folge des Hustenreizes zu beben, die Panik war im vollen Gange.

‚Neiiin, jetzt nicht sterben’, hörte Magda eine Stimme in ihrem Innersten rufen, ‚beherrsche dich doch, jetzt so knapp vor dem Ziel!’
Tatsächlich gelang es Magda, die fahrigen Bewegungen abzustellen und die Atemstöße zu verlangsamen. Die Tränen flossen ihr über die Wangen, das Herz hämmerte, daß sie das Gefühl hatte, ihr Brustkorb müßte platzen. Kalter Schweiß drang aus ihren Poren, sie fröstelte.

Endlich besann sich Magda, was sie als letztes getan hatte und was sie jetzt tun müßte. Vorsichtig drehte sie den Kopf nach links, ertastete das Ende des Knebelriemens und tastete sich an ihm weiter, bis sie die Schlaufe spürte. Es war nicht ganz einfach, den Riemen durch diese hindurchzudrücken, doch nach wenigen Sekunden war der Riemen vollständig durch die Schlaufe hindurchgefädelt.
Der schwierigste Teil der Operation stand Magda noch bevor. Sie mußte jetzt an dem Riemen ziehen, um den Schnallenstift aus dem Riemenloch herauszudrücken. Doch immer noch in den engen Handschellen gefesselt schien diese allerletzte Aufgabe die schwierigste zu werden. Um nicht wieder einer Panikattacke zu verfallen, nahm sie die Hände von der Schulter und ließ den Kopf nach hinten sinken.

Magda versuchte, die letzen Reserven zu mobilisieren, sich auf die Aufgabe zu konzentrieren. Ihr Körper kämpfte mittlerweile an allen Fronten: Schmerzen an den Handgelenken, Schultern, Ellenbogen, Rücken, Hüfte und Nacken, dazu der leichte Schüttelfrost, der immer wieder aufkeimende Würgereiz.
Nach einigen Minuten drehte Magda ihren Kopf wieder nach links, tastete mit den Fingern am Riemen des Knebels entlang, hielt den Atem an, als sie den Stift spürte, umklammerte den Riemen, drückte ihn etwas vom Kopf weg, schob den Zeigefinger weiter vor, drückte ihn unter den Stift, zog noch stärker an dem Riemen, was den Knebel spürbar weiter in den Mundraum drückte, doch dann bemerkte sie endlich, daß der Stift aus dem Loch gezogen wurde.

Mit dem Zeigefinger klappte Magda den Stift der Riemenschnalle zurück und ließ den Riemen los. Die Tränen der Freude vermischten sich mit jenen des Schmerzes, doch als sie versuchte, den Knebel mit ihrer Zunge aus dem Mund zu drücken, erlebte sie erneut einen Rückschlag in dem Bemühen, sich des Teufelszeugs zu entledigen. Magda glaubte, wahnsinnig zu werden: Obwohl es ihr nach endlosen Mühen gelungen war, den Riemen hinter ihrem Kopf zu lösen, gab der Kiefer den Würgeball nicht frei. Die Muskeln des Kiefers waren erstarrt von der ungewohnten anhaltenden Überdehnung, sie konnten den Unterkiefer nicht nach unten ziehen, um den Weg für den Knebel frei zu machen.
Magda blieb nichts anderes übrig, als die nun lose herunterhängenden Riemen links und rechts des Mundes mit den Händen zu fassen und vorsichtig daran zu ziehen. Der Kiefer wurde schmerzhaft einige Millimeter auseinander gedrückt und mit einem ploppenden Geräusch entwich das Scheusal Magdas Mundhöhle.

Aufgelöst in Schwäche sackte Magda in der Kiste zusammen, ihre Gedanken schweiften nochmals kurz zu Gangolf, ob er mit seinem geliebten Motorrad herumkurven würde oder mit dem Boot herumpaddelte, warum er überhaupt nach ihr gesucht hatte, wie er sich eingesetzt hatte, daß sie mit nach Italien mitgenommen würde auf der geplanten gemeinsamen Reise; sie sehnte sich nach der Wärme seines starken Körpers, die sie in ihrer schmalen Liegestatt auf dem alten als Bett dienenden Sofa genossen hatte.
Erschöpft von der Anstrengung, die ihr die Knebelbefreiungsaktion verursachte, döste Magda trotz ihrer gänzlich unbequemen Körperhaltung ein.

Sie ahnte natürlich nicht im Entferntesten, daß zur gleichen Zeit auch Gangolf eingesperrt war; zwar war seine Zelle im Vergleich zu Magdas hölzernem Gefängnis geradezu fürstlich-bequem, andererseits war Gangolfs Polizeizelle absolut ausbruchsicher, ganz im Gegensatz zu Magdas Kiste.























74. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 04.02.22 19:51

39

Gangolf nahm wie selbstverständlich an, daß man Bettina hinzuzöge, wenn das eigentliche Verhör in dem Vernehmungszimmer stattfinden würde. Er überlegte, daß sie wahrscheinlich gleich nach ihrer Aussage wieder hinausgehen müßte und er dann wieder allein den vernehmenden Beamten ausgeliefert wäre.
Er wollte Bettina unbedingt eine Nachricht hinterlassen, daß sie sich sofort um Magda kümmern und sie auf diese Polizeiwache bringen muß. Andererseits konnte er das nicht laut äußern, denn nichts wäre ferner, als daß sich ein Suchtrupp in Bewegung setzte und im Hause Weiß-Litte das Schnüffeln begann – mit den dramatischen Folgen für alle Beteiligten.

Leise rezitierte Gangolf die alten lateinischen Texte, die er von seiner Großmutter in Kindertagen beiläufig gelernt hatte. Sobald er auf Bettina träfe, würde er sie sofort mit dem >dominus tecum< begrüßen, der Herr sei mit dir. Nach einer kurzen Schreck-Pause würde er mit dem Ave Maria fortfahren, wobei er sich nicht sicher sein konnte, daß Bettina als Evangelische mit diesem Gebet, noch dazu auf Lateinisch, etwas anfangen konnte:
>Benedicta tu in mulieribus< - du bist gebenedeit unter den Weibern.

Dann wollte Gangolf in das Vaterunser überleiten mit dem letzten Vers:

>libera nos a malo< - erlöse uns von dem Übel.
Das wollte Gangolf abändern: >libera Magdalena a casa tua<
Er ahnte zwar, daß im Lateinischen auch die Namen gebeugt werden, doch wußte er natürlich nicht, wie der Akkusativ für Magdalena lautete. Das gleiche Unvermögen lähmte ihn bezüglich des Dativs von casa, er wußte nicht einmal, ob >casa< überhaupt das Lateinische Wort für das Haus sei, er nahm einfach den italienischen Begriff dafür.
Dann mußte Gangolf Bettina klarmachen, Magda hierher zu bringen. Er besann sich auf die Rufe nach dem Heiligen Geist:
>Veni creator spiritus<, Gangolf änderte ab:
>Veni cum Magdalena in locus iste< - komme mit Magdalena in diesen Ort.
Das >locus iste< wurde am Kirchweihfest zitiert, mit den Worten des Jakob, als dieser sein Haupt in der Wüste auf einen Stein bettete und den Ort verwünschte:
>terribilis est locus iste!<

Mit diesen lateinischen Fragmenten hoffte Gangolf, Bettina klarzumachen, daß sie Magda herholen sollte. Doch es kam ganz anders. Kaum war er damit im Gange, die Phrasen halblaut zu wiederholen, damit er diese dann ohne zu Stottern heruntersagen in der Lage war, hörte er auf dem Kellerflur Schritte und die äußere Tür der Zelle wurde geöffnet.
Polizistin Mauser trat herein, sperrte die vergitterte Tür zu Gangolfs Zelle auf und rief ihm grußlos zu:
- „Heraustreten, hier haben Sie ihre Sachen!“

Gangolf blickte verdutzt darein, als die kesse Polizistin ihm sein Handy überreichte. Er nahm es an sich und ging an ihr vorbei, den Gang entlang zur Stiege. Sie folgte ihm, im Erdgeschoß angekommen gab sie ihm einen Wink mit dem ausgestreckten Arm:
- „Da geht’s raus.“
Gangolf blickte sie irritiert an, Mauser sah sich genötigt, deutlicher zu werden:
- „Nun machen Sie schon, daß Sie fort kommen, ist alles erledigt!“

Immer noch ganz perplex wandte sich Gangolf der Tür zu und verließ das schöne Backsteinhaus.
‚Gar nichts ist erledigt’, ergrimmte er sich, ‚im Gegenteil, jetzt geht der Affentanz wieder von vorn los.’
‚Magda liegt weit weg in einem Kellerloch, die Bluthunde werden scharf gemacht und wie er zu seinem Auto kommen sollte, war den Polis hier natürlich vollkommen egal.’
Seine Latein-Relikte hatte er jedenfalls umsonst hervorgeholt. Als er Bettinas Nummer auf dem Smartphone wählte, piepte dieses dreimal und hauchte den Geist aus: Akku leer.

- „Verdammt, verdammt, verdammt“, fluchte Gangolf laut, denn anstatt froh zu sein, so ganz ohne weiteres die Freiheit wieder erlangt zu haben, fühlte er sich vollkommen unfrei, ständig als Gejagter. Ihm kam das Pfarrhaus in den Sinn, das sich gleichfalls im Westen der Stadt, nicht so weit entfernt von der Polizeiwache, befand. Dort würde er nach Bettina fragen, er würde alle Anwesenden nötigen, solange herumzutelephonieren, bis er jene an der Strippe hätte.

Gangolf trat aus dem Polizeigebäude und überquerte die davor verlaufende Bundesstraße. Es bereitete ihm keine Freude, auf dem Gehweg an der vielbefahrenen Straße entlang zu gehen. Aus irgend einem Grund, den er sich nicht erklären konnte, drehte sich Gangolf auf seinem Weg Richtung Innenstadt um und betrachtete für eine Weile das Backsteinhaus, in dessen Keller er eingesperrt war.
Wieder einmal traute Gangolf seinen Augen nicht: Kam da nicht ein Auto vorbeigerauscht, auf dessen Beifahrersitz eine Frau saß, die wie Magda aussah?
‚Eine Sinnestäuschung’, sagte er sich, ‚das kann sie nicht gewesen sein, es gibt anscheinend noch mehr junge Frauen, die so abgewrackt aus der Wäsche schauen.’

Als Gangolf etwa eine Viertel Stunde später zu dem Pfarrhaus kam, hörte er von der Ferne das Zwölf-Uhr-Läuten.
‚Schon wieder Mittag’, nörgelte er mit sich selbst, ‚da wird dann schon wieder der ganze Tag vergehen, bis das alles erledigt ist.’
Eine Frau mittleren Alters kam aus dem Gebäude heraus und sperrte die Tür hinter sich zu. Gangolf kam die groteske Situation in den Sinn, als er erstmals Martina begegnete, hier, an dieser Tür, als jene herauskam, ihn auf dem schmalen Weg durch den kleinen Vorgarten gestreift hatte, ohne ihn anzusehen. Jetzt schlug wieder diese Tür vor seiner Nase zu.

Bevor Gangolf überhaupt seinen Mund öffnen konnte, pfefferte ihm die Absperrende entgegen:
- „Die Bürozeit ist für heute zuende, kommen Sie morgen wieder!“
- „Nein, das werde ich nicht tun, sie werden jetzt nochmals aufmachen, ich bin Organist und muß dringend mit Pfarrerin Litte sprechen.“
- „Die ist ohnehin nicht da, haben Sie denn einen Termin?“
- „Nein, ich hab’ nie einen Termin, es ist ein absoluter Notfall, sperren Sie endlich wieder auf und versuchen Sie, sie telephonisch zu erreichen, mein Akku an dem verdammten Handy ist aus.“
- „Nichts da, gehen Sie mir aus dem Weg.“
- „Ich nötige Sie“, ereiferte sich Gangolf, „und da können Sie gleich die Polizei rufen, von denen komm’ ich nämlich grad her, es geht um eine wirklich bedrohliche Sache, nicht für mich, nicht für sie, aber für eine arme Frau, die in einem Keller eingesperrt liegt.“

Die Pfarrsekretärin kam nun doch in’s Grübeln, unschlüssig und erstaunt betrachtete sie Gangolf, als ob sie soeben von einer gelandeten Mars-Raumsonde Nachricht erhalten hätte. Gangolf baute sich vor ihr auf und gab ihr dadurch zu verstehen, daß er sie nicht gehen lassen würde. Mißmutig sperrte die Frau auf und stakste in das geräumige Büro.
Sie drückte an dem breiten Apparat eine Kurzwahltaste, es tutete ein paar Mal, dann war die Verbindung hergestellt:
- „Bettina, da ist ein junger Mann, der sagt, er sei Organist, hab’ ihn aber noch nie gesehen, und er meint, es sei dringend, aber mach’ es kurz, es ist schon nach zwölf.“
Sie reichte Gangolf den Hörer, er kam ohne Umschweife auf das Thema zu sprechen:
- „Bettina, es ist tierisch ernst, das Spiel ist aus, wir müssen uns sofort treffen und nach Laukuv hinaus fahren, ich hab’ dort mein Auto stehen, also bitte komm’ gleich her!“ ... „Dann sag’ den Termin ab, es gibt jetzt nichts Wichtigeres in dieser Welt mehr, wer weiß, ob sie überhaupt noch lebt, ich hörte zumindest nicht das geringste von ihr.“

Gangolf ging in die volle Offensive, es war ihm egal, was sich die Sekretärin dachte. Bettina versprach, sofort zum Pfarrhaus zu kommen. Gangolf legte auf und bedankte sich bei der Frau. Gemeinsam schritten sie hinaus, sie sperrte wieder ab, während sich Gangolf demonstrativ auf die Bordsteinkante setzte, die Ellenbogen auf den Knien abgestützt, das Gesicht in die Handflächen gelegt.

Die Pfarrsekretärin ging kopfschüttelnd an Gangolf vorüber, er hörte, wie sich das Klappern ihrer Absätze immer weiter entfernte. Nach einer Weile vernahm er das Schnurren von Bettinas Elektrowägelchen. Bettina betrachtet ihn von Weitem, wie er da so zusammengeknickt am Straßenrand saß. Als sie bei ihm angekommen auf der Straße stehen blieb, erhob er sich schnell, riß die Beifahrertür auf und schwang sich auf den Sitz.
- „Kehr’ schnell um und fahr’ nach Laukuv!“, befahl Gangolf. Bettina blickte ihn verdutzt an, denn so hatte sie ihn noch nie erlebt.
- „Was ist denn los, du warst doch dort, hat mir soeben ein Polizist gesagt und ich sagte ihm auch, daß ich dir meinen Schlüssel gegeben hatte.“
- „Jetzt red’ nicht lang, bitte, fahr schon, ich erzähl’ die alles unterwegs.“

Ohne nochmals zu fragen, wendete Bettina ihr Auto und fuhr aus der Sackgasse heraus. Sie bog nach Westen in Richtung des Bahnhofs ab. Gangolf überlegte sich, daß er vielleicht einen kleinen Umweg gegangen ist, denn er war von der anderen Richtung her gekommen. Tatsächlich war Bettina schnell auf der Bundesstraße, kurz darauf passierten sie das Polizeigebäude.
- „Wo habt ihr sie versteckt“, begann nun Gangolf, „die Martina sagte nur, ich soll sie aus euerer Wohnung holen.“
- „Ja ich weiß nicht“, entgegnete Bettina, ich bin schon zeitig los heute morgen, da war Magda noch oben bei uns in der Küche.“
- „Ich hab’ euere ganze Wohnung durchsucht, also noch nicht den Schlafzimmerschrank, aber ich fand keine Spur von der Magda. Dann bin ich in den Keller hinunter, aber ich wußte nicht, welches euer Abteil ist. Überhaupt wußte ich gar nicht, daß du mit der Martina zusammenlebst. Jedenfalls kam ein Hausbewohner herunter und wollte mich zur Rede stellen. Ich bin dann lieber wieder davon, auch wenn ich ihm sagte, daß ich von dir den Schlüssel bekommen habe.
Dann kamen draußen noch mehr Leute zusammen, sie haben wohl meine Autonummer aufgeschrieben und die Polizei verständigt. Die fanden mich dann auch und meinten, ich sei ein Einbrecher. Die wollten dann, daß ich mit ihnen in das Haus zurück käme, doch das wollte ich unbedingt vermeiden. Am Ende liegt da Magda mit zerschundenem Körper eingesperrt in einem Abteil oder einen Schrank, das wäre glatte Freiheitsberaubung.“

Bettina nickte nachdenklich und meinte: „Ja, du hast recht, das ist eine ernste Sache jetzt, wer weiß, was Martina mit ihr heute am Morgen noch alles gemacht hat. Und du sagst, die Polizei sucht sie ohnehin, funktioniert denn der Sender nicht mehr?“
- „Ich weiß es nicht, was der Grund ist, aber wir müssen jetzt schleunigst mit der Magda bei denen auftauchen, sonst wird noch alles schlimmer. Der Brause hat wohl auch schon mehrfach bei ihr angerufen, vergebens natürlich, und er war auch schon dort. Er ist jetzt zum Angeln gefahren und wir müssen uns bei seinem Chef melden.“

Nach einer kurzen Pause fuhr Gangolf fort: „Der Brause war ja ganz freundlich und es wäre gar kein Problem gewesen, wenn die Magda nicht irgendwo unauffindbar eingesperrt worden wäre. Dann wären wir dort einfach hin, hätten beteuert, daß der Akku an dem verdammten Fesseldings aus war und alles wäre wieder in Ordnung gekommen, aber jetzt können wir uns eine fabelhafte Lügengeschichte zusammenzimmern, wo die arme Magda den ganzen Vormittag über war in dieser Kleinstadt.“

Als sie zu der kleinen Wohnanlage an der Südpromenade kamen, schlug Gangolf vor, gleich in den Keller zu schauen, denn den kleinen Schlüsselbund hatte er ohnehin noch in seiner Hosentasche.
- „Ich war gerade am dritten Abteil, als dann der Mann kam. Er selber öffnete das zweite Abteil; ich konnte ja schlecht alle durchprobieren und dann behaupten, ich sei hier rechtmäßig herunten.“
- „Du hast ja richtig gehandelt, Gangolf“, gab Bettina klein bei, „ich muß mit Martina ein ernstes Wort reden, ein sehr ernstes, daß es so nicht mehr weiter gehen kann.“

- „Hier, das Abteil in der Mitte nach links herüber ist unseres, zeig `mal die Schlüssel her, ich weiß auch immer nicht, welches der richtige ist, ich bin da ganz selten unten.“
Und während Bettina in dem Vorhängeschloß herumstocherte, rief sie: „Hallo Magda, wir sind es, also der Gangolf und ich.“

Beiden schlug das Herz höher in Erwartung, was ihnen hinter der gut verschlossenen Abteiltüre erwartete.












75. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 06.02.22 00:42


Zitat

„Du hast ja richtig gehandelt, Gangolf“, gab Bettina klein bei, „ich muß mit Martina ein ernstes Wort reden, ein sehr ernstes, daß es so nicht mehr weiter gehen kann.“


Bei dem Gespräch möchte ich gern "Mäuschen" spielen.
76. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 07.02.22 16:20

"Bei dem Gespräch möchte ich gern "Mäuschen" spielen." (folssom)

Dein einfühlsames Mitdenken freut mich, liebe Leserin, und so darf ich Dich ermuntern, Dir deine Gedanken zu machen, was du als "Mäuschen" zu hören bekommst; für die Beteiligten in der Geschichte steht noch alles offen, wie es mit ihnen weiter gehen wird - das Reizvolle an einem Fortsetzungsroman ist die Einschränkung, daß man nicht einfach gierig weiterlesen kann, sondern bis zum Wochenende warten muß, bis die neue Episode erscheint, immerhin kann man bis dahin seinen Fantasien nachhängen, ihnen freien Lauf geben, das wünsche ich Euch allen, verehrte Leserschaft!
M a g n u s .
77. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 11.02.22 22:40


Wieder kommt eine neue runde Zahl: Die 40-ste Fortsetzung, und aus diesem Anlaß wird die Episode auch etwas länger sein als üblich - indes immer noch kein Vergleich mit den Mammut-Geschichten, die hier von den Meister-Schriftstellern veröffentlicht werden...



40

Zunächst begriff Magda nicht, wo sie sich befand. Sie bemühte sich, ihrem Dämmerzustand zu entfliehen, indem sie willentlich die Augen aufschlug. Um sie herum war es finster; als sie ihre verspannten Glieder strecken wollte, bemerkte sie, daß ihr Bewegungsspielraum in allen Richtungen eingeschränkt war. Jetzt erst realisierte sie, daß sie in einer engen Holzkiste saß, mit gefesselten Händen, und sie erinnerte sich an die Qualen, die ihr der Knebel bereitet hatte.
Bei dem Gefühl, in jeder Richtung eingesperrt zu sein, mit in Handschellen gelegten Händen, überfiel Magda auf’s Neue dieses alte Gefühl der Geborgenheit; sie genoß die Unfreiheit der Bewegungsunfähigkeit, des Eingeschlossenseins. In ihr stiegen die Lustgefühle auf, die sie gänzlich verloren hatte, als sie mit dem bedrohlichen Würgereiz zu kämpfen hatte.

Magda wußte weder, wie lang sie in der Kiste gedöst hatte, noch konnte sie abschätzen, wie lange sie in dieser eigenartigen Bewegungslosigkeit verharrt hatte, doch verspürte sie bei allem Glücksgefühl die zunehmende Kälte, die sich überall über ihren Körper breitmachte. Direkt vor ihren Augen auf der linken Seite erspähte sie ein großes Astholz, das matte Tageslicht traf ihr Gesicht. Sie konnte sich nicht erinnern, daß sie es bereits vor ihrem Dämmern wahrgenommen hätte.
‚Jedes Astloch schwächt das Holz’, erinnerte sie sich an die Worte des Lehrmeister im Werkunterricht.

‚So schlecht war dieser Unterricht in dem Heim gar nicht, und auch das Kochen und das alles mit den Haushaltsarbeiten’, reflektierte Magda. Aus einem Impuls heraus, ihre Untätigkeit zu überwinden und damit das Kältegefühl zu lindern, streckte sie Zeige- und Mittelfinger durch das Brett, als ob sie dadurch Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen wollte.
Anhand der Ritzen bemerkte sie, daß das Brett mit dem großen Astloch recht schmal war, als Abschluß nach oben war es nicht so breit als die anderen, die sich nach unten anschlossen. Sie verspürte Lust, auszuprobieren, dieses oberste Brett, was eher eine dünngehobelte Latte darstellte, mit der Faust durchzudrücken, wie weit es sich nach außen bewegen würde.
Sie zog die Finger aus dem Astloch und ballte ihre Hände zu Fäusten. Sie stemmte sich kräftig gegen das Holz mit den zur Faust geformten Fingern an die besagte Latte, mit der rechten Schulter an die gegenüberliegende Kistenwand. Sie hatte noch nicht einmal ihre volle Kraft entfaltet, als das Holz mit einem knisternden Geräusch genau an der Stelle des Astlochs leicht einbrach. Die Fasern hielten das Holz links und rechts der Bruchstelle zwar noch zusammen, aber es war an dieser Stelle einen Finger breit nach außen gedrückt.

Tatsächlich reichte die Anstrengung aus, Magdas Kreislauf anzuregen, es wurde ihr spürbar wärmer. Sie lehnte sich wieder zurück und hob den Kopf in die Höhe, soweit der Kistendeckel das zuließ. Zu ihrer Überraschung hob sich dieser etwas nach oben und die zerbrochene linke Latte bewegte sich dabei. Magda kam zu dem Schluß, daß der Deckel mit der Latte in irgendeiner Weise in Verbindung stünde.
‚Das ist das Schloß’, mutmaßte Magda, ‚der Deckel muß ja irgendwie mit dem Kistengehäuse zusammengesperrt sein.’
Magdas Erforschergeist war erwacht, sie ballte wieder ihre gefesselten Hände und drückte den Kistendeckel nach oben. Tatsächlich bewegte sich jener deutlich in die Höhe; als sie zusätzlich ihren Kopf nach oben drückte, gab es ein knirschendes Geräusch und der gesamte Deckel schwang längs der linken Seite auf. Sie gewahrte die Bestandteile des Schlosses, an dem der eine Rest der seitlichen Latte hing. Der rechte Teil des Deckels war weiterhin mit zwei Scharnieren an der rechten Wand befestigt.
Das helle Licht blendete die an die Dunkelheit gewöhnten Augen, Magda schloß sie instinktiv und nahm die Hände wieder zurück. Sie bedachte nicht, daß nun der Kistendeckel ungebremst auf ihren leicht aus der Kiste ragende Kopf fiel; sie stieß einen Wehelaut aus und zog den Kopf wieder hinab auf ihre Knie.

Als sich der Schmerz verzogen hatte, drückte sie den Deckel wieder auf, dieses Mal in Gänze, so daß er senkrecht zu stehen kam und darüber hinaus über die rechte Kistenkante nach außen hinunterklappte. Das Tageslicht flutete jetzt erbarmungslos in die enge Behausung, Magda blinzelte ein paar Mal und hob ihren Kopf wieder über den Kistenrand. Anhand des verhältnismäßig hellen Lichtes vermutete sie, daß es in etwa Mittag sein mußte, indes schien an diesem Morgen schien nur ein sehr gedämpftes Licht durch das schmale Kellerfenster.
Es erwies sich für Magda alles andere als einfach, aus der geöffneten Kiste hinauszusteigen. Ihre Knochen waren steif, die Gelenke schmerzten bei jeder Kraftanstrengung. Ihre Hände steckten in den Handschellen, sie konnte sich deshalb nicht mit jenen vom Kistenboden abstemmen, nirgends war der Zwischenraum für beide Hände gleichzeitig breit genug.

Magda umklammerte den vor ihr liegenden Kistenrand, als sie daran zog, riß sie sich sofort einen dicken Spieß in die Innenseite ihres rechten Zeigefingers. Dieser begann zu bluten, doch bemerkte Magda davon zunächst nichts, denn die Tropfen bedeckten die Außenseite der Kiste. Sie verspürte durchaus den Schmerz der durchstochenen Haut, doch auch fast alle anderen Körperglieder mischten sich in das Konzert der Schmerzarien ein, so daß Magda mit rhythmischen Bewegungen ihrer Arme und ihres Oberkörpers versuchte, in Schwung zu kommen.
Nach mehrmaligen Hin- und Herwippen gelang es Magda schließlich, den Hintern in die Höhe zu bekommen, sie setze ihn auf den hinteren Kistenrand ab. In ihrer allgemeinen Erschöpfung verharrte sie in dieser eigenartigen sitzenden Körperhaltung, bis sich die nach Ausstrecken verlangenden Kniee zu Wort meldeten. Vorsichtig hob sie die Beine über den Kistenrand und setzte ihre Füße auf dem Boden vor der linken Kistenseite.

- „That's one small step for man, one giant leap for mankind”, zitierte Magda Neil Armstrong, diesen Satz hat sie sich in dem spärlichen Englischunterricht eingeprägt. Dabei war es nicht der Staub der Mondoberfläche, sondern jener des kalten Kellerestrichs, den ihre zarten Füßchen zu spüren bekamen, als Magda nach Stunden des Eingesperrtseins die Raumkapsel verließ.
Zusätzlich zu der Kälte auf ihren Fußsohlen verspürte Magda ein unangenehmes Kribbeln, als die Blutzirkulation durch ihre Waden Fahrt aufnahm. Als sie sich nach einigen Sekunden fit fühlte, einen ersten Aufstehversuch zu unternehmen, um ihre kartoffelkistige Raumkapsel endgültig zu verlassen, ergriff sie der Schwindel und wieder kamen ihr dabei die Bilder von den ersten Menschen auf dem Mond in den Sinn, wie diese vor über 60 Jahren mit größter Vorsicht erste Schritte auf dem ungewohnten Terrain unternahmen.

Magda torkelte zu einem Hocker, der vor einem alten Tisch in der Ecke des Kellerraumes stand; während sie sich mit den immer noch gefesselten Händen an der Tischkante festhielt, setzte sie sich nieder. Normalerweise machte es ihr überhaupt nichts aus, sich auf den Boden zu setzen oder zu legen, jetzt aber, nach der langen Verklemmung in der engen Kiste nahm sie die für ihre Verhältnisse bequeme Sitzgelegenheit dankbar an.
Mit dem Rücken an die Tischkante gelehnt streckte Magda ihre Beine schräg nach vor ab, sie führte mit ihren Zehen kreisende Bewegungen aus und kam in’s Grübeln, wie es nun weiterginge. Sie bekäme sicherlich schlimmste Strafen, irgendwann würde ihre Herrin hereinkommen und entsetzt ihre Flucht aus der Kiste bemerken. Magda sinnierte, daß sie jetzt nicht auf halben Wege stecken bleiben durfte; jeglicher Fluchtversuch kam in den Augen der gestrengen Herrin einer tatsächlich gelungenen Flucht gleich.
So sehr Magda die Erniedrigung liebte, das Ausgeliefertsein, den Kontrollverlust ihrer Herrin fürchtete sie; ihre Furcht wurde im Laufe der Zeit immer größer, es kam ihr vor, daß Martina sich in ihrem Sadismus fortwährend steigerte, diese brauchte offenbar immer höhere Dosen von Schmerzbereitung, um das Feuer der teuflischen Lust am Lodern zu halten.

Während ihre Gedanken bei den drohenden Strafmaßnahmen waren, schweiften Magdas Blicke durch den Kellerraum. Unweit ihres Sitzplatzes entdeckte sie eine kleinere Holzkiste, in welcher sich allerhand Werkzeug befand; wahllos zusammengeworfen erkannte sie Zangen, Schraubenzieher, Büsten und eine große Säge. Sofort wurden ihre Lebensgeister geweckt, ihre Überlebensgeister, denn Martinas Rache wäre ungeheuerlich. Sie mußte jetzt fliehen, das begonnene Werk vollenden.
Magda wog die Chancen ab, das Kellerfenster zu öffnen. Sie erkannte die Möglichkeit, das äußere Gitter, das sich vor dem eigentlichen Glasfenster befand, mit den Schraubenziehern und Zangen abzuschrauben. Allerdings war die Arbeit mit den in den Schellen steckenden Händen recht mühsam. Mehr noch fürchtete sie indes die Blicke der Leute, wenn sie dann mit Handschellen gefesselt herumlaufen müßte.


Glücklicherweise sah Magda ihren fransigen Bademantel, in welchem sie heute Morgen hierher gebracht worden war, und gnädigerweise durfte sie beim Hinuntergehen auch ihre Chucks an den Füßen haben. Sie erhob sich schwerfällig, sie verspürte glücklich, wie ihre Beweglichkeit allmählich wieder zunahm. Sie angelte sich ihre Chucks, schlüpfte hinein und freute sich der aufkeimenden Wärme, die das isolierende Gummi hergab.
Als sie zu dem Hocker zurückschlenderte, entdeckte sie in der Werkzeugkiste auch eine kleine Säge. Aus dem Werkunterricht wußte sie, daß das eine Puksäge war, mit welcher man dünnes Eisen durchsägen konnte. Hurtig zog sie das Teil aus dem Durcheinander, legte ihre Hände auf den Tisch und versuchte, ein Kettenglied zwischen den Schellen durchzusägen.
Magda konnte die Säge natürlich nicht richtig anfassen, sie konnte den Bügel nicht umgreifen, sondern mußte sie umgekehrt halten, um die Bewegungsrichtung nach innen, zu ihrem Körper hin, zu gestalten. Schnell begriff sie, daß es nicht gelingen würde, die sich stets verdrehenden Glieder anzusägen, sondern die zwar drehbare, aber doch einigermaßen fest mit der linken Schelle verbundene Öse.

Es war eine mühsame Arbeit, immer wieder sprang das Sägeblatt aus dem bereits eingeritzten Schlitz. Als dann ihr rechter Zeigefinger wieder stark das Bluten begann, mußte Magda eine längere Pause einlegen. Sie stützte die Ellenbogen auf der Tischfläche ab, so daß die Hände nach oben ragten. Auf diese Weise gelang es ihr, die Blutung zu stillen.
Erst jetzt gewahrte Magda die kleine Blutlache, die sich vor der Kartoffelkiste gebildet hatte, als sie sich aus dieser mit kräftigem Fingereinsatz herausgewunden hatte. Ein paar Tröpfchen wiesen den Weg zu dem Hocker und nun gab es wieder deutliche Blutspuren auf dem Tisch. Als die Bluterei zum Erliegen kam, setzte sie wieder die Säge an, doch schon nach wenigen Schüben begann das Blut wieder aus der Innenseite des Zeigefingers herauszurinnen.

Magda versuchte verzweifelt, den Finger nicht an der Aktion zu beteiligen und hielt ihn etwas nach oben, während jetzt der Mittelfinger und der Daumen die Hauptarbeit verrichten mußten. Doch allein schon das Hin- und Herbewegen ließ das Blut weiter aus der Haut fahren, wo der dicke Holzspieß eingerammt war. Vielleicht hätte sie den Spieß stecken lassen sollen, überlegte sie sich, sie hatte ihn verhältnismäßig leicht mit den Zähnen entfernt.

Es blieb Magda nichts anderes übrig, als die Säge mit der linken Hand zu nehmen; als Rechtshänderin war ihr das Greifen mit dieser Hand zwar ungewohnt, aber es ging immer noch besser als mit der verletzten rechten. Wieder setzte sie die kleine Säge an, wieder rutschte sie zahllose Male ab, bis sie endlich eine so tiefe Rille gesägt hatte, daß das Sägblatt nicht dauernd wieder hinaussprang.
Nach einiger Zeit mußte Magda eine Pause einlegen, ihre Finger verkrampften sich dermaßen, daß es schmerzhaft wurde. Als sie die Säge herausgezogen hatte, besah sie sich den Fortschritt der Arbeit, und sie stellte freudevoll fest, daß die Öse bereits fast gänzlich durchgesägt war. Sie versuchte mit rüttelnden und zerrenden Bewegungen, die weitgehend durchgesägte Öse wegzubiegen, doch sie gab nicht nach. Es blieb ihr nichts übrig, als nochmals die Säge anzusetzen, und nun war es nach wenigen Zügen geschehen.

Überglücklich ließ Magda die Säge aus Hand gleiten und hob ihre Arme empor, streckte sie weit auseinander, dem Pfarrer gleich, wenn er im Gottesdienst die Gläubigen mit einer ausladenden Geste begrüßt: >Dominus vobiscum<.
‚Das wäre also geschafft’, beglückwünschte sich Magda selber, das Fensterchen würde wohl keine große Probleme bereiten, sie hatte ja bereits festgestellt, daß sie dank des Werkzeugs das Gitter abschrauben könnte. Der enge Fensterschacht wäre dann noch eine gewisse Herausforderung, aber auch das wäre wohl zu meistern.

‚Doch was dann’, kam es Magda siedend heiß in den Sinn, ‚wie geht das Leben draußen weiter, wie komme ich nach Lüggen, wie komme ich an meine Wohnungsschlüssel, wie an meine Geldbörse, wie kann ich Gangolf erreichen, ach Gangolf, komm’ doch bitte, komm’ jetzt, ich kriech’ aus dem Kellerloch und draußen kannst du mich in deine Hände nehmen, in der Wärme des Sonnenscheins, in die Wärme deines starken Körpers, oh Gangi, komm’ doch!’

Magda konnte sich natürlich nicht in den kühnsten Träumen ausmalen, daß Gangolf zu diesem Zeitpunkt immer noch festsaß und sein Gefängnisgitter nicht einfach abzuschrauben war, und daß dieser tollkühne Pläne schmiedete, wie er ihre Befreiung organisieren könnte, ohne daß die Polizei davon etwas erführe.

Das über dem Fensterschacht angebrachte Abdeckgitter entpuppte sich als letztes Hindernis in die Freiheit; so sehr auch Magda drückte und sich dabei die dünnen Metall-Quadrate in ihre Handflächen gruben, wollte es sich nicht nach oben entfernen lassen. Magda fürchtete in einer ersten Panikattacke, es wäre an dem Rahmen festgeschweißt oder sonst wie unlösbar mit diesem verbunden. Sie zwängte sich nochmals zurück durch das kleine Fenster und holte aus der Werkzeugkiste den größeren der beiden Hämmer, die sie darin gefunden hatte.

Ungeachtet des möglichen Aufsehens, das sie durch das Hämmern erzeugt haben könnte, schlug Magda kräftig auf das Gitter ein, bis dieses aus dem Rahmen sprang. Vorsichtig setzte sie die Metallquadrate auf den sich angrenzenden Rasen ab und lugte aus dem Schacht heraus. Soweit sie es übersehen konnte, erblickte sie keinen Menschen, der sie bei der Aktion beobachtet hätte. Ein letztes Mal kauerte sie sich nieder und duckte sich nochmals durch das Fensterlein in ihren Gefängnisraum, dem sie zu entfliehen sich anschickte.


In Siegerpose schwang Magda den großen Hammer in einem Bogen durch die Luft und warf ihn in die Werkzeugkiste. Anschließend nahm sie ihren Bademantel, rollte ihn zusammen und warf ihn aus dem Fensterschacht nach oben. Sie wollte ihn erst draußen anziehen, um ihn nicht beim Herauszwängen zu beschmutzen oder gar aufzureißen. Ein letztes Mal blickte sie zurück, beim Anblick der Kartoffelkiste überkam sie leichte Wehmut.
Kurz entschlossen stieg Magda nochmals in die Kiste, und als sie den Knebel schnöd in einer Ecke darin liegen sah, nahm sie ihn in die Hände, rubbelte mit den Fingern über den Silikonball, öffnete den Mund, so weit sie konnte, preßte den Knebel in die Mundhöhle und zurrte den Riemen hinter ihrem Kopf fest.

Erstaunlicherweise überkam Magda jetzt kein bißchen Anzeichen eines Würgereflexes, das lag daran, überlegte sie, daß sie jederzeit sich von dem Knebel befreien konnte. Somit war jedglicher Panikanfall bereits von Anfang an ausgeschlossen und sie konnte das Gefühl der Stummheit richtig genießen. Schließlich griff sie nach rechts über den Kistenrand, hob den Deckel an, drückte ihren Kopf tief hinab auf ihre angewinkelten Knie und ließ den Deckel zufallen.
Magda genoß das Gefühl des Eingezwängtseins, sie belutschte hingebungsvoll die Knebelunterseite und war kurz davor, ihre Befreiungsaktion zu bereuen.

'Wenn mich das Ding nur nicht so gequält hätte mit dem Würgereiz, ich wär' so gern geblieben, es ist einfach toll, die Kiste ist genau so groß, daß ich darin gerade so Platz habe', sinnierte Magda.
Lustvoll drückte sie sich das Schrittband ihres Keuschheitsgürtels hin und her, sie spürte deutlich, wie es darunter warm wurde. Als sie auf diese Weise ihre devote Seele baumeln ließ, hörte sie plötzlich Geräusche, die von draußen kommen mußten. Sie erstarrte in ihren Bewegungen und hielt den Atem an.

- "Ist da wer?", vernahm sie deutlich die Stimme eines Mannes. Magda verhielt sich mucksmäuschenstill. Jetzt wurde ihr die Situation klar: Jemand sah das Kellerschachtgitter im Gras liegen und machte sich anscheinend Gedanken, was es damit auf sich hätte.
'Hoffentlich hat er nicht meinen Bademantel mitgenommen', kam es Magda siedendheiß in den Sinn; ein gräßlicher Gedanke, ihres einzigen Kleidungsstückes beraubt zu sein.
'War ich blöd', schalt sie sich selber, 'hätte ich doch bloß nicht den Mantel hinausgeworfen, und vor allem, daß ich dann nochmals in die verdammte Kiste gestiegen bin.'

Magda befreite sich von dem Knebel und klappte, so geräuschlos als möglich, den Kistendeckel auf. Gerade als sie aus der Kiste heraussteigen wollte, gewahrte sie ein weiteres Geräusch, diesesmal kam es aus dem Kellergang.
'Auch das noch, jetzt bin ich verloren', erkannte Magda glasklar ihre fatale Lage. Jetzt würde der Hausmeister kommen oder sonst wer und nachsehen wollen, was es mit dem geöffneten Kellerfenster aufsich hat.
'Das wird ein Riesen-Theater werden', folgerte Magda und klappte hurtig dem Deckel über ihren Kopf zu.
'Jetzt bloß die Nerven behalten', nahm sie sich vor und kauerte still in ihrem Gefängnis. Nach einigen Sekunden vernahm sie, wie sich die Schritte wieder entfernten. Erleichtert atmete sie auf, doch ihr war klar, daß das noch nichts heißen mußte, überall lauerten jetzt tausend Gefahren, bis hin, daß die Polizei gerufen würde, daß man annehmen konnte, ein Einbruch sei geschehen.

Als sie eine ganze Weile nichts mehr gehört hatte, weder von dem Kellergang her, noch vom Fenster, verließ Magda die Kiste und drückte sich wieder das enge Fenster hindurch in den Lichtschacht. Der Fremde hatte das Gitter nur lose über den Rahmen des Schachts gelegt, es gelang ihm anscheinend nicht, es wieder richtig in den Rahmen einzusetzen. Nicht umsonst benötigte Magda den Hammer, um es herauszuschlagen und jetzt war es so verbeult, daß es auch mit kräftigen Tritten nicht mehr einzusetzen war.

Wieder legte Magda die engmaschigen Quadrate in das Gras ab und lugte vorsichtig über den Schachtrand. In diesem Augenblick sah sie in der Ferne einen Mann zu den Müllcontainern gehen; sie traute ihren Augen nicht: Dieser Mann hatte ein Knäuel in der Hand, öffnete die Klappe des Altkleider-Containers und warf jenes hinein. Beim Hineinwerfen erkannte Magda in dem Kleidungsstück ihren Bademantel. Erst jetzt suchte sie den Umkreis des Schachtes ab, in welchem sie hockte, und stellte mit Verzweiflung fest, daß dieses letzte Kleidungsstück, das sie hier besessen hatte, tatsächlich nicht da lag. Sie überlegte fieberhaft:

'Als ich den Mantel aus dem Schacht hinausgeworfen hatte, mußte er in der Nähe irgendwo im Gras niedergefallen sein. Doch hier ist er nicht, also muß ihn der Mann mitgenommen haben. Vielleicht war er es, der soeben im Kellergang war.'
Während sie versuchte, ihre aufkeimende Verzweiflung zu unterdrücken, beobachtete Magda, wie der Fremde mehrfach den Bügel an dem Altkleider-Container nach hinten zurückdrücken wollte, doch befanden sich bereits zu viele Kleidungsstücke in dem verhältnismäßig kleinen Kasten, so daß die Klappe nicht mehr ganz zu ging.

Magda erkannte ihre Chance, am Ende doch noch zu ihrem begehrten Stoff zu gelangen; überhaupt war sie froh, daß seit einigen Jahren die neue Verordnung in Kraft getreten war, daß für mehrere Häuser gemeinschaftlich ein Altkleider-Container aufgestellt werden mußte, auch Glas- und Altmetall-Container waren jetzt Pflicht. Auf diese Weise wurde ihr Mantel wenigstens nicht in den Hausmüll geworfen, der im Grund genommen nur noch aus wirklich stinkenden Hinterlassenschaften bestand, denn für alle sauberen Abfälle gab es spezielle Entsorgungsbehälter.

Als der Mann verschwunden war und auch sonst niemand sich im Sichtbereich zwischen ihrem Standort und dem Entsorgungsplatz aufzuhalten schien, stieg Magda aus dem Schacht; die Sonne stand gleißend-hell am Himmel, ihr Strahl spiegelte sich auf der glänzenden Oberfläche ihres Keuschheitsgürtels.
'Verdammt, dieses Scheiß-Ding', empörte sich Magda im Stillen und erst jetzt wurde ihr bewußt, daß sie abgesehen von den drei Stahlteilen völlig nackt dastand. Sie hatte zwar die Verbindungskette zwischen den Handschellen durchtrennt, die Schellen jedoch umfaßten als Armringe weiterhin ihre Gelenke.

'Sollte ich doch lieber wieder zurück in den Keller und warten, bis die Herrin eintraf?', überlegte sich Magda, doch sie entschied sich, den Spießrutenlauf zu dem Container zu wagen.
'Ist es eine Straftat, nackt herumzulaufen?', kam es ihr kurzzeitig in den Sinn, doch sie schüttelte alle Gedanken ab und spurtete zu dem Altkleider-Container. Beim Laufen verlor sie ihren rechten Schuh, einer schlechten Gewohnheit folgend hatte sie die Schuhe nicht fest zugeschnürt, sondern war nur in die locker zugebundenen Chucks hineingeschlüpft. Beim Rennen strafte dieser lässige Umgang; ohne sich weiter darum zu kümmern, schüttelte Magda jetzt auch den linken Schuh von ihrem Fuß und lief die restlichen Meter barfuß.

Am Altkleider-Container angekommen stellte Magda freudevoll fest, daß tatsächlich die Klappe nicht ganz nach hinten gedrückt war; neben ihrem Bademantel hing eine Hose halb in der Klappe, halb im Container eingezwängt. Sie mußte sich auf den Zehenspitzen stehend gewaltig strecken, um zu den Kleidungsstücken zu gelangen, doch fehlten ihr wenige Zentimeter, sie zu ergreifen.
Wieder war Magda der Verzweiflung nahe, 'hört denn dieser Alptraum gar nicht mehr auf', empörte sie sich innerlich, sie hüpfte in die Höhe, ihre nackten Brüste schrappten schmerzhaft an dem Blech der Einwurfklappe, doch es gelang ihr, beide Kleidungsstücke zu fassen. Der Kampf war indes noch nicht zu Ende, sie konnte zwar die Stücke soweit aus dem Container herausziehen, daß sie wieder mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen kam, die Stoffe waren aber immer noch zwischen Klappe und Container eingeklemmt.

Verzweifelt ließ Magda die Hose los und rüttelte mit der jetzt freien Hand an dem Bügel der Einwurfklappe, während sie ihren Bademantel festhielt und daran zog, immer darauf bedacht, ihn dabei nicht zu zerreißen. Endlich gab der Mechanismus den Mantel frei, Magda zog in aus dem Kasten heraus und schlüpfte sofort hinein. In der Aufregung vertauschte sie die Ärmel, mußte kostbare Sekunden darauf verwenden, nochmals herauszuschlüpfen, um den Mantel richtig anzulegen.
Ihr Herz hämmerte unaufhaltsam, erschöpft von Anstrengung und Aufregung atmete Magda ein paar Mal tief durch, dann wollte sie die Hose herausziehen. Wieder mußte sie in die Höhe springen, diesesmal waren ihre Brüste durch den flauschigen Stoff des Bademantels geschützt. Es gelang ihr, auch die Hose herauszuziehen, ohne lang zu überlegen, stieg sie hurtig in die Röhren.

Die Hose paßte Magda erstaunlich gut, doch war sie nur dreiviertel lang, so daß ihre Waden sichtbar blieben - und mit ihnen auch die elektronische Fußfessel, die sie weiterhin als Attrappe am linken Knöchel trug. Sollte eine Kontrolle kommen, könnte sie das Teil vorzeigen, obwohl es nicht mehr ihren Standort funkte. Magda kam sich vor wie eine Asoziale, sie war auch eine in diesem Augenblick, die im Altkleider-Container wühlte, um sich etwas zum Anziehen zu beschaffen.
Langsam ging sie zu ihren Schuhen zurück, die sie achtlos im Gras zurücklassen mußte. Sie setze sich mit einem Seufzer nieder, schlüpfte hinein, löste den viel zu locker hängenden Knoten der Schnürsenkel, zog diese straff und verknotete sie wieder, so daß sie jetzt nicht mehr so leicht aus den Schuhen unabsichtlich herausschlüpfen würde.
'Diese Latschen müßte ich eigentlich gleich da hineinhauen', kam es ihr in den Sinn, doch sie hatte erst einmal ganz andere Sorgen.

Von weiten beobachtete ein Mann das Geschehen. Zunächst wollte er sich kopfschüttelnd entfernen, doch dann empfand er ein gewisses Mitleid mit der armen jungen Frau, wie sich diese abmühte, springend irgendwelche Kleidungsstücke aus dem Container zu angeln, welche andere weggeworfen hatten.

Unschlüssig erhob sich Magda und ging in die Richtung zur Straße. Der Mann, der sie beobachtet hatte, ging in gleicher Richtung, um auf dem Parkplatz der Wohnanlage zu seinem Auto zu gelangen. Er drehte sich um und fragte Magda, ob er ihr irgendwie helfen könnte; er griff in die Tasche und wollte ihr ein paar Euro zuzustecken.
'Wie das Schicksal gnädig sein kann', kam es Magda in den Sinn und sie antwortete wie aus der Pistole geschossen:
- "Ja, ich müßte nach Lüggen, zu meiner Wohnung, bitte, dürfte ich bei Ihnen mitfahren, können Sie mich da hinbringen, ich bin in eine Notsituation hier geraten."
Der Mann blickte sie etwas überrascht an, denn mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet. Er entgegnete:
- "Da haben Sie aber Glück, ich muß nämlich auch dort hin, also kommen Sie mit!"
Nach wenigen Metern hatten sie das Auto des Fremden erreicht, dieser betätigte die Fernbedienung, um die Türen zu öffnen. Prompt quittierte das Fahrzeug die Handlung mit dem Aufflammen der Blinker. Der Mann öffnete die Beifahrertür und gab Magda mit einem leichten Kopfnicken zu verstehen, daß sie einsteigen sollte. Magda lächelte ihn dankbar an und schwang sich in die Limousine.

Während der Fahrt versuchte der Fahrer, ein Gespräch zu entfachen, doch welches unverfängliche Thema er auch immer anschnitt, erhielt er, wenn überhaupt, von Magda nur einsilbige Antworten. Schließlich gab er es auf und sie fuhren den restlichen Weg schweigend nebeneinandersitzend.
Als sie nach Lüggen hereinkamen, traute Magda ihren Augen nicht: Da stand doch am Gehweg Gangolf und stierte sie mit erstauntem Gesicht an.
'Nein, das kann nicht sein, das muß eine Sinnestäuschung sein, bin ich dabei, den Verstand zu verlieren?' Magda schüttelte energisch den Kopf und hielt dann die Hände vor das Gesicht.

- "Haben Sie ein Gespenst gesehen?", fragte der Fahrer Magda. Diese stotterte:
- "Äh - nein, ich dachte nur, es ist ein Bekannter, aber der kann hier gar nicht sein, was soll er hier herumstehen, ich muß mich getäuscht haben."
Indes bemerkte auch der Fahrer, daß der Fremde auf dem Gehweg ebenfalls eine außergewöhnliche Reaktion abgab, als sie vorüberfuhren, als ob sie in einem Unterseeboot daherkämen.
'Was hab ich da nur für eine mitgenommen', wunderte sich der Fahrer, ursprünglich wollte er Magda zu einem Kaffee auf dem Markt einladen, doch da sie sich dermaßen ungesprächig gab, zog er vor, den Kaffee lieber alleine mit der Lektüre einer Zeitschrift zu trinken. Magda bedankte sich artig, als sie auf dem Markt angekommen waren und verabschiedete sich:
- "Sie haben mir sehr geholfen, ich hätte nicht gewußt, wie ich sonst her gekommen wäre."

Magda band den Bademantel fester zu, damit ihr die nackten Brüste nicht herausschwippten, sie begann, in dem warmen Stoff unter der gleißenden Sonne gehörig zu schwitzen. Auch ihre Füße wurden schwitzig, sie achtete nicht des Unbills und schlappte in südöstlicher Richtung davon.
'Jetzt muß ich nur noch in die Wohnung kommen', kam es ihr in den Sinn, als sie die große Fläche des Marktplatzes verließ. An ihrem Haus angekommen drückte sie den unteren Klingelknopf. Wie sie erwartet hatte, kam niemand heraus, ihr zu öffnen. Die Räume im Erdgeschoß wurden als Warenlager genutzt, nur selten hielten sich dort Leute auf. Ab und zu kam jemand, um etwas zu holen oder darin abzustellen.

Magda setzte sich neben die Tür auf den Boden, den Rücken an die Hausmauer gelehnt. Sie stützte die Ellenbogen auf die Knie und legte das Gesicht, so wie sie es häufig praktizierte, in die Handflächen. Auf diese Weise schützte sie ihre Gesichtshaut vor den sengenden Sonnenstrahlen, gleichzeitig ermöglichte diese Haltung ein ungestörteres Nachdenken, da zumindest ihre Augen nicht von den umgebenden Reizen abgelenkt worden waren. Sie litt mittlerweile unbändigen Durst, in der Kiste hatte sie viel Flüssigkeit durch den austretenden Speichel verloren, die enorme Sommerhitze bewirkte ein Übriges.
'Gangolf hat schon recht', sinnierte sie, 'es ist meine Wohnung, und ich möchte da wieder wohnen, und ich möchte das tun, was mir gefällt. So schön das ist mit Martina, aber ich möchte mein eigenes Leben führen, vor allem nicht mehr gequält werden, ich möchte meine Lust haben und nicht nur die Lust sein für sie.'

Magda machte sich ausführlich Gedanken über ihre Zukunft, wie sie mit ihren Bedürfnissen, mit ihren Wünschen zurecht kommen würde, sie dachte an ihr >Herrin<, die sie enttäuschen würde, an Bettina, die Verständnisvolle, und natürlich an Gangolf. Dann kam ihr Helfersyndrom an die Oberfläche. Sie überlegte sich, nach Afrika auszuwandern, um dort Brunnen zu graben.
‚Daß die armen Kinderchen dort wenigstens Wasser trinken können und nicht so durstig sind wie ich gerade’, ging es Magda durch den Kopf, ‚ach, wenn nur Gangi mitkäme, der kann ihr sicherlich zeigen, wie man Brunnen gräbt, der kann doch alles.’

Irgendwann wurde Magda durch ein Geräusch aus ihren Gedanken herausgerissen, ein Lieferwagen bog in den Hof ein und hielt in der Nähe des Hauses an. Das typische Ratschen einer seitlichen Schiebetür traf zu ihr herüber, sie hob den Kopf und gewahrte einen Arbeiter, den sie bereits mehrmals gesehen hatte. Als dieser mit einer Schachtel in der Hand näher kam, erhob sie sich und murmelte etwas, daß sie sich ausgeschlossen habe.

Der Arbeiter setzte das Paket ab und sperrte auf. Er hielt Magda die Tür auf, sie trat in das vertraute Ambiente hinein und hielt nun ihrerseits dem Arbeiter die Tür auf. Als dieser mit seinem Paket hereintrat, meinte er:
- "Wenn du noch was brauchst, ich bin noch `ne Weile da."
Magda lächelte ihn an und murmelte ein "Danke". Dann schritt sie nach oben. Es kam ihr nicht in den Sinn, daß sie mit ihrer Wohnungstür das gleiche Problem haben würde wie unten an der Haustür, daß sie nämlich keinen Schlüssel hatte. Doch bevor sie sich über das neuerliche Problem Gedanken machen mußte, gewahrte Magda, daß die Wohnungstür halb offen stand. Sie erblickte sofort das aufgebohrte und aufgebrochene Schloß.

Unschlüssig, über den Umstand froh zu sein, da sie nun zu ihrer Überraschung problemlos in ihre Wohnung gelangte, aber auch besorgt, ausgeraubt worden zu sein, betrat sie die ihr vertrauten eigenen vier Wände. Sie lief gleich zu dem neuen Schränklein, das Gangolf gezimmert hatte und welches den Geheimsender barg. Da es unversehrt aussah, atmete Magda erleichtert auf und nahm nun auch alle anderen wenigen Habseligkeiten in Augenschein.

Erstaunt stellte Magda fest, daß alles unberührt aussah, daß nichts durchwühlt worden war und daß auch nichts fehlte.
'Vermutlich', sagte sie sich, 'haben die gleich erkannt, daß es bei mir nichts zu holen gibt. Jetzt erst `mal unter die Dusche und dann sehe ich nach den Vorräten, was ich mir zu Essen kochen kann.'
Nachdem sie mit der Dusche fertig war, hüllte sie sich in ihr Badetuch und ließ sich auf das Sofa fallen.
'Was für ein irrer Tag', dachte sie sich, 'endlich ist alles zu Ende gegangen.'

Doch der Tag war noch lange nicht zu Ende.










78. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 18.02.22 22:50

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Quietschend drückte Bettina den innen mit dünnen Holzplatten verkleideten Lattenverschlag des Kellerabteils auf, im Gegenlicht vermochte sie zunächst keine Einzelheiten in dem Raum wahrnehmen. Gangolf trat nach ihr ein, auch er blinzelte mit den Augen, nach einigen Sekunden erkannten beide, daß das Fenster geöffnet stand und das vorgesetzte Gitter abgeschraubt am Boden lag.

- „Waren da am Ende wirklich Einbrecher?“, rief Gangolf erstaunt aus. Auf dem Tisch sah er die Puksäge liegen, dann gewahrte er Eisenspäne. Die Flecken auf der Oberfläche kamen ihm seltsam vor.
- „Da hat jemand etwas durchgesägt“, sagte er zu Bettina, die nun ihrerseits den Blick auf den Tisch warf. Dann sahen sie sich weiter in dem Kellerraum um. Erst jetzt gewahrten sie die offenstehende Kartoffelkiste mit der zerborstenen Abschlußleiste, an welcher das Deckelschloß baumelte. Vor der Kiste betrachteten sie das dunkel gefärbte Blut, das sich auf dem Boden gesammelt hatte, das sie nicht sogleich als solches erkannt hatten.

- „Sag’ `mal, ist das Blut?“, wandte sich Bettina an Gangolf?
- „Ja, ich glaub’ schon, und das auf der Tischplatte ist wahrscheinlich auch ein’s,“, pflichtete Gangolf ihr bei und beiden stieg eine böse Ahnung auf.
Hurtig kletterte Bettina auf den Tisch und schob ihren Kopf durch das geöffnete Fenster in den Lichtschacht. Sie erkannte sofort, daß das Abdeckgitter nicht auf dem Schachtrahmen saß.
- „Das Abdeckgitter fehlt auch“, rief sie aus.
- „Dann hat hier am Ende wirklich einer eingebrochen“, entwich es Gangolf, „und d’rum waren die so überzeugt, ich wäre das gewesen, wie ich da in dem dunklen Kellergang stand und nicht wußte, welches Abteil ich aufsperren muß“.
- „Da kam also jemand und hat die Kiste aufgebrochen und sich dabei verletzt. Doch was war darinnen?“, stellte Bettina die Frage, obwohl ihre Ahnung immer mehr zur Gewißheit wurde.
- „Besser gesagt, wer war darinnen!“, entgegnete Gangolf.
Sie beugten sich über den Kistenrand und sahen den Knebel auf dem Kistenboden liegen; ihre Blicke begegneten sich.
- „Bleibt nur noch die Frage, wer sie befreit hat“, überlegte Bettina.
- „Oder sie hat es selber getan“, vervollständigte Gangolf.
- „Und wo ist sie jetzt?“

Der Mann, der eine Stunde zuvor das herausgehebelte Schachtgitter entdeckte und den davor liegenden Bademantel kurzerhand in den Altkleider-Container warf, machte sich plötzlich Gedanken:
‚Ist da wer in einem Bademantel eingebrochen und hat den Mantel dann draußen liegen lassen? Die Kellerabteile waren alle abgesperrt. Was war da los?’
Ihm fiel ein, daß es ihm nicht gelungen war, den Mantel vollständig in den Container mit der Einwurfklappe hineinzubringen, da dieser bereits randvoll gefüllt gewesen war. Er beschloß, nochmals zu dem Container zu gehen, um den Mantel wieder herauszufischen und neben den geöffneten Keller-Lichtschacht zurückzulegen. Erstaunt stellte er fest, daß der Bademantel nicht mehr in der Klappe hing und auch das andere Kleidungsstück, das bereits zuvor dort eingezwängt gewesen war, konnte er nicht mehr sehen. Eigentlich wollte er die Polizei rufen, doch wenn nun das Corpus delicti nicht mehr da war, würde er sich wohl nur lächerlich machen und er beschloß, die Sache zu vergessen.

Brause fand beim Angeln keine richtige Entspannung, ständig kreisten seine Gedanken um Magda, warum diese ausgerechnet an diesem Tag unauffindbar geblieben war. Ein Kajakfahrer, dem die Ruten im Wege waren, murrte ihn an:
- „Verfluchte Würmerbader, müßt ihr denn überall sein“.
Schon lange hatte Brause diesen Spott nicht mehr zu Ohren bekommen, er mußte daranhalten, nicht in ein Lachen auszubrechen. Er wählte Magdas Nummer und vernahm nach einigen Sekunden ihre klägliches Stimmchen: „Hallo?“
- „Brause hier, Tach, Frau Armdran, schön, Sie zu hören, wie geht es Ihnen?“
Es blieb eine Weile still in der Leitung, ehe Magda schüchtern antwortete:
- „Ja gut. Ich glaube, daß bei mir eingebrochen wurde, als ich heute Vormittag nicht da war. Wollen Sie sich das ansehen?“
Brause kombinierte blitzschnell: ‚Da waren die Kollegen da und ließen wohl die Tür aufbrechen, diese Hornochsen, statt zu warten, bis die Armdran wieder in ihrer Wohnung wäre. Sie steht ja nicht unter Hausarrest und kann sich in der ganzen Stadt aufhalten.’
- „Oh, das tut mir leid“, antwortete Brause, „ja, ich komme so in einer viertel bis halben Stunde zu Ihnen, soll ich `was mitbringen, hab` ziemlich einen Kohldampf“.
- „Oh ja, das wäre sehr nett von Ihnen“, entgegnete Magda, auch sie verspürte Hunger.
- „Ich fahr’ bei dem Hähnchenstand vorbei, denn bis der Fisch gemacht ist, das dauert zu lange, ich lass` Ihnen einen da, den können Sie dann in Ruhe morgen zubereiten.“
- „Au ja fein, danke, daß Sie immer so nett zu mir sind.“

Magda war sich unschlüssig, wie sie sich kleiden sollte. Es kamen nur der Wollkragenpullover und der Bademantel in Frage, denn nur diese Kleidungsstücke reichten ihr weit über die Handgelenke, so daß sie in der Lage waren, die Handschellen zu überdecken. Sie entschied sich für den flauschigen Bademantel, immerhin konnte sie das glaubhaft herüberbringen, als sie soeben erst aus der Dusche gestiegen war, der Pullover war dagegen viel zu warm, sein Tragen wäre geradezu auffällig gewesen.

Als Brause klingelte, lief sie hurtig die Stiege hinab, um ihm die Haustür zu öffnen. Brause erwiderte ihren Gruß und heftete seinen Blick für einen kurzen Augenblick auf Magdas schwarzen Büstenhalter, der aus dem Bademantel hervorlugte.
- „Ich hoffe, ich störte sie nicht in ihrem Bad“, versuchte sich Brause zu entschuldigen; er bemerkte ihr Parfum und wunderte sich über die gepflegten Haare, denn Magda hatte sich tatsächlich für ihre Verhältnisse ungewöhnlich lange mit der Körperpflege befaßt.
- „Nein, nein, gar nicht, ich bin froh, daß ich eine Ansprache bekomme“, antwortete Magda wahrheitsgemäß. Sie befand sich tatsächlich in einer gewissen Leere, unschlüssig, wie sie den Nachmittag und Abend verbringen würde.
Brause betrachtete das aufgebohrte Schloß, sagte aber nichts dazu. Auch Magda ging nicht darauf ein, sie blickte lieber erwartungsvoll auf die kleine Tüte, in welcher sie Brauses mitgebrachte Grillhähnchen erhoffte.

Schweigend verschlangen Magda und Brause ihre Portionen. Als sie fertig waren, fragte Brause:
- „Wissen Sie, wo ihr Bekannter ist, Herr Stumpf?“
- „Nein“, gab Magda kurz zur Antwort, „ist was mit ihm?“
- „Ich versuchte ihn, heute am Vormittag zu erreichen, aber sein Handy war aus.“
- „Keine Ahnung. Aber würden Sie es bitte nochmals probieren, es wär’ so schön, wenn er wieder `mal käme.“
- „Ja, das kann ich machen, haben Sie denn nicht seine Nummer?“
- „Nein, ich habe überhaupt keine Telephonnummer von wem, ich werde immer nur angerufen.“
- „Ach, Frau Armdran, haben Sie `mal was zu Schreiben, ich schreib’ Ihnen seine Nummer auf, für alle Fälle. Während Magda einen kleinen Notizblock und einen Stift aus der Küche holte, blätterte Brause die Kontaktliste seines Handys durch. Nachdem er Gangolfs Nummer notiert hatte, erinnerte es sich an den eigentlichen Grund seines Besuchs und sagte:
- „Beinahe hätte ich es vergessen, Frau Armdran, bitte kommen Sie morgen auf das Polizeirevier, mein Chef, Dienststellenleiter Nisselpriem möchte Sie sprechen, vielleicht kann Herr Stumpf Sie dort hinbringen, ich selber bin nicht im Dienst, wie Sie sehen, und was der zu sagen hat, ist seine Amtshandlung, ich sag’ ihm nur, daß das heute nichts mehr wird, er ist vielleicht schon im Feierabend. Also vergessen Sie es nicht, kommen Sie, sobald es geht, auf das Revier.“
Magda sah ihn mit großen Augen an, sie ahnte Unheilvolles, doch wunderte sie sich, daß Brause nichts weiter dazu sagte. Es gelang ihr gerade noch, ein „Wiederseh’n“ zu stottern, als Brause sich verabschiedet hatte und zur Wohnungstür hinausging. Auf den Wohnungseinbruch kam sie gar nicht mehr zu sprechen, sie verdrängte dieses Ereignis, auch Brause hatte es während seines gesamten Aufenthalts nicht erwähnt.

Magdas Herz schlug höher. Seit sie in ihrer kleinen Wohnung eingezogen war, hatte sie noch nie einen Anruf unternommen. Sie legte den Notizblock neben das Telephon und tippte auf den quadratischen Wahltasten nacheinander die Ziffern ein, die sie von dem Zettel ablas. Sie wußte gar nicht mehr, daß jede Taste beim Niederdrücken einen anderen Ton erzeugte; als das Wartezeichen ertönte, umspannte sie aufgeregt den Hörer.

Unschlüssig, was als nächstes zu tun wäre, standen Bettina und Gangolf noch eine Weile in dem Kellerabteil herum. Ihre Gedankengänge wurde durch den schrillen Klingelton von Gangolfs Smartphone abrupt unterbrochen.
- „Ja hallo, was für eine Überraschung“, erklang Gangolfs freudevolle Stimme, „du bist also bei dir zu hause!“ ... „Ja klar komme ich, soll ich die Bettina auch mitbringen, sie steht g’rad neben mir“ ... „Schön, wir kommen gleich, zehn Minuten, Viertelstund“ ... „Servus“.
- „Die ist bei sich daheim“, rief Gangolf aufgeregt, Bettina hatte das natürlich längst mitbekommen, auch wenn sie Magda nicht hatte hören können.

- „Sollen wir ihr das sagen, daß wir hier ihre Kiste fanden, die sie aufgebrochen hatte?“, überlegte Bettina.
- „Schauen wir erst einmal, wie die Magda so d’rauf ist“, entgegnete Gangolf, „vielleicht ergibt es sich von selber, wenn wir ihr es sagen, oder wenn es sich nicht ergibt, dann lassen wir es zumindest für heute. Aber wir sollten erst einmal noch das Gitter oben wieder einsetzen, damit nicht jemand auf die Idee kommt, hier wäre wirklich eingebrochen worden.“

Als sie um das Haus herumgegangen waren, sahen Bettina und Gangolf das Abdeckgitter vor dem Lichtschacht liegen. Gangolf legte es auf den Rahmen, sie wunderten sich, daß es nicht in diesen hineinrutschte. Auch mehrmaliges Daraufspringen half nichts, es ließ sich nicht in den Rahmen drücken. Ratlos blickten sie sich an, als in diesem Augenblick ein Mann über den Rasen hinzukam.
- „Ah, Sie schon wieder, Sie waren doch heute Vormittag schon da unten im Keller, was machen Sie da schon wieder?“
Ehe Bettina Worte suchte, um den Sachverhalt aufzuklären, ging Gangolf in die Offensive:
- „Da hat anscheinend wirklich jemand eingebrochen, aber unten fehlt nichts, wir waren soeben unten gewesen und haben nachgesehen. Aber das
Gitter ist verbogen, wir bringen es nicht mehr auf den Lichtschacht hier in den Rahmen.“
- „Hm“, brummte der Mann, stemmte sich mit seinem deutlich höherem Gewicht auf das Abdeckgitter, konnte aber gleichfalls nichts ausrichten. Achselzuckend ging er von dannen.

- „Fahr’ schon `mal los“, forderte Gangolf Bettina auf, „ich hab’ weiter vorn auf der Straße mein’ Golf hingestellt, treffen wir uns dann bei der Magda.“
- „Ja gut, ich hol’ dann noch was vom Bäcker, dann soll sie uns einen guten Kaffee brauen.“
- „Halt“, widersprach Gangolf, „sie >soll< nicht, sondern wir >bitten< sie, mit den sprachlichen Gewohnheiten fängt es an, ihr ihr Menschsein zurückzugeben.“
- „Oh Gangolf, du hast ja so recht, so ist es, ich hab’ mich auch schon so daran gewöhnt, sie so niederträchtig zu behandeln, das geschah im Lauf der Zeit so ganz unbewußt, o Herr, vergib’ mir.“
Schuldbewußt blickte sie ihn an, Gangolf setzte eine verständnisvolle Miene auf und sie schritten bis zu ihrem Auto wortlos nebeneinander her.

Als sich die kleine Gruppe zur Kaffeetafel niedersetzte, begann Magda mit erstaunlich gefestigter Stimme zu sprechen:
- „Polizeimann Brause war da, er war sehr nett und hat mir ein Hähnchen mitgebracht, das wir dann gleich gegessen hatten. Und vielen Dank für das Gebäck, das ihr mir mitgebracht habt. Also damit ich es nicht vergesse, er will, daß wir uns morgen bei dem Polizeichef Nisselmann melden, oder wie der heißt, und er meinte, ob du mich hinbringen könntest. Das wäre sehr lieb von dir, Gangi, oder natürlich auch du, liebe Tina.“

Bettina und Gangolf betrachteten Magda überrascht, denn sie konnten sich nicht erinnern, daß Magda je eine solch lange Ansprache gehalten hätte. Doch diese fuhr sogar noch fort:
- „Und bitte versteht ihr, daß ich jetzt doch wieder lieber in meiner Wohnung hier bleiben möchte, nachts auf jeden Fall, und am Tag freue ich mich natürlich über euch und wenn ihr zum Essen kommen wollt oder wir fahren wo hin, wie neulich dort in dem Dorf, das war so schön, wo die Schiffe rudern und so.“

Bettina und Gangolf begannen gleichzeitig zu sprechen in dem Sinn, daß sie natürlich volles Verständnis hätten für Magdas Wunsch. Bettina versprach, darüber mit Martina zu reden, denn auch sie müsse Magdas Willen respektieren auf ein selbstbestimmtes Leben.
- „Reicht es, wenn ich dir morgen deine Sachen mitbringe, die noch bei mir sind?“ fragte Gangolf.
- „Ja freilich, das ist lieb, vor allem die Geldbörse, dann kann ich wieder Einkaufen gehen und mir was kochen und natürlich auch für euch, am Sonntag oder wann ihr es wollt. Und auch das Gewand, ich hab’ das noch bei dir, denn wir sind mit dem Motorrad weggefahren von dir und die Lederkombi liegt noch bei der Herrin.“
- „Die bringe ich dir“, versprach Bettina.

Als sie sich erhoben, um sich zu verabschieden, umarmte Magda Gangolf, sie drückte ihm einen langanhaltenden Kuß auf seine Brust. Schließlich wandte sie sich zu Bettina, auch mit ihr fiel sie in eine innige Umarmung; als Bettina die Arme wieder von Bettinas Rücken löste, nahm Magda Bettinas Hände und drückte sie auf ihre Brüste, ihre Augen begegneten sich auf gleicher Höhe.

Bei den Umarmungen bemerkte sowohl Bettina als auch Gangolf einen harten Druck auf den Rücken. Sie konnten sich diese Tatsache nicht begreiflich machen und sagten dazu nichts. Als Gangolf bereits im Begriff war, die Wohnungstür aufzuziehen, rief Magda ihm hinterher:
- „Ach Gangi, kannst du morgen deine Eisensäge mitbringen, aber eine große, wenn möglich“.
Gangolf wandte sich nochmals um und fragte:
- „Ja sicher, wozu brauchst du sie denn?“ Noch während er die Frage aussprach, fiel ihm die Puksäge auf dem Kellertisch ein und die dane-benliegenden Eisenspäne. Magda hob einen Arm und schüttelte den weiten Ärmel ihres Bademantels zurück, Bettina und Gangolf starrten auf das im Abendlicht glänzende Eisen des stählernen Armreifs.

- „Respekt“, fuhr Gangolf fort, „daß es dir gelungen ist, mit der kleinen Säge die Verbindungskette durchzusägen, aber die großen Stücke da, die müssen wir in den Schraubstock einspannen zum Sägen, schon allein deshalb, damit nicht beim Abrutschen des Sägblatts deine Hand verletzt wird. Habt ihr nicht den Schlüssel dazu?“
Magda sah das ein, sie erinnerte sich an die Mühe, die sie hatte, das verhältnismäßig dünne Kettchen durchzusägen. Gangolf betrachtete das Schellenschloß genauer, es war nicht der übliche einfache Mechanismus, den man notfalls mit einem einfachen kleinen gebogenen Draht lösen konnte, sondern ein seitlich angebrachtes richtiges Schloß. Bettina wollte nicht Martina um die Herausgabe des Spezialschlüssels bitten, sie fürchtete ohnehin die gewaltige Auseinandersetzung, die sie am Abend mit ihr führen würde.

Bettina akzeptierte, daß Magda das Spielzeug für Martina war. Sie beteiligte sich selten an den Aktionen, die Martina mit Magda vollzog, vor allem nicht an den Quälereien. Manchmal kam es vor, daß Bettina Magda unter dem Tisch sitzend oder liegend vorfand, dann ließ sie es zu und genoß es auch, wenn diese ihr im Schritt streichelte oder wenn sie ihre Füße auf Magdas Körper abstellen konnte, Bettina streifte dabei im Gegensatz zu Martina stets die Schuhe ab.

Magda, Bettina und Gangolf kamen überein, sogleich nach Wesserbarg zu Gangolfs Haus aufzubrechen, um dort Magda aus den Schellen zu befreien, auch Bettina kam in ihrem Auto mit.

Keiner der drei ahnte, daß zur gleichen Zeit jemand beim Anblick einer aufgebrochenen Kiste einen Tobsuchtsanfall erlitt.
























79. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 20.02.22 00:54

Zitat

Keiner der drei ahnte, daß zur gleichen Zeit jemand beim Anblick einer aufgebrochenen Kiste einen Tobsuchtsanfall erlitt.


Die bedauernswerte Martina musste leider feststellen, das ihr "Vöglein" entflogen war.
80. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 26.02.22 04:17

Vielen Dank, Sarah, für deinen Kommentar, "daß die bedauernswerte Martina..."; diese Einschätzung der "bedauernswerten Martina" ist sehr zynisch und es freut mich sehr, zeigt es mir doch, daß Du und hoffentlich andere Leser gleichfalls dich in die Gefühlswelt der beteiligten Personen in dem Roman hineinverdenkst!



42

Gangolfs erste Idee war das Durchsägen der Schellen. Dazu wollte er die Schellen in den Schraubstock einspannen und zwischen dem eingeschelltem Handgelenk und dem Schellenbügel Holzstäbchen unterschieben, damit Magdas Haut auf keinen Fall in Mitleidenschaft gezogen würde, weder durch die heißen Eisensägespäne, noch durch das Sägeblatt selbst, wenn es anfänglich aus der noch nicht tief genug gesägten Rille herausspränge oder wenn es am Ende dann zwischen den beiden durchgesägten Teilen hindurchfiele.

Doch dann besann sich Gangolf einer anderen Vorgehensweise. Er spannte einen großen Holzblock auf das Tischchen der Ständerbohrmaschine, auf dessen oberer Kante der Bolzen der Schellen aufgelegt wurde. Magda mußte dazu ihre Händchen stark nach unten abwinkeln, damit die Handschellen waagrecht zu liegen kamen. Gangolf spannte einen Edelstahlbohrer ein, sollte der Gelenkbolzen aus gehärtetem Stahl bestehen, gelänge es ihm damit auf jeden Fall, diesen herauszubohren.

Mit breitem Klebeband umschlung Gangolf Magdas Handgelenke, um die Haut vor den sich drehenden Bohrspiralen zu schützen. Nach wenigen Sekunden waren die Bolzen durchbohrt, die Unterteile mit den sägezahnförmigen Zacken lösten sich von den aus den zwei parallelliegenden Gegenstücken bestehenden Oberteilen, Magdas Händchen waren frei. Noch bevor Gangolf das Klebeband von ihren Handgelenken abziehen konnte, fühlte er sich am Kopf umarmt: Magda zog ihn zu sich herab und drückte auf Gangolfs Mund einen dicken Kuß.

Im Wohnzimmer feierten alle drei Magdas Befreiung, sogar Magda, die bislang immer nur Wasser, Kaffee oder Tee trank, willigte auf ein Glas Weißwein ein. Gangolf holte eine Flasche Chardonnay aus dem Kühlschrank, während Magda und Bettina sich gemeinsam zu schaffen machten, ein Abendessen herzurichten. Bettina ließ es bei dem einen Glas bewenden, sie mußte noch nach Laukuv heimfahren, sie fürchtete auch die zu erwartende Debatte mit ihrer Mitbewohnerin Martina, sie wollte dazu einen klaren Kopf behalten.

Magda schlug von sich aus vor, diese eine Nacht nun doch noch einmal bei Gangolf zu bleiben, damit dieser sich beim Trinken nicht zurückhalten mußte und überhaupt, um ihm den nochmaligen Weg nach Lüggen zu ersparen.
- „Wie kamst du überhaupt in deine Wohnung, deine Sachen liegen ja noch alle hier?“, fiel es plötzlich Gangolf ein. Magda überlegte einen Augenblick, bis sie antwortete:
- „Hast du nicht gesehen, bei mir wurde eingebrochen, die Wohnungstür stand offen und die Haustür unten, da wartete ich davor solange, bis einer von unten kam.“
- „Was, bei dir wurde eingebrochen?“, erstaunte sich Bettina, doch Gangolf ahnte schnell, wer diese Einbrecher wohl gewesen waren.
- „Hast du das nicht gleich dem Brause gezeigt?“, wollte Bettina weiter wissen.
- „Er hat nichts dazu gesagt“, entgegnete Magda, wieder zu ihrer alten Schüchternheit zurückgekehrt.
- „Mann, da kommt ein Polizist zu dir zu Besuch, was für ein Zufall, und der reagiert gar nicht auf die Einbruchspuren? Was haben die denn alles überhaupt gestohlen, warum hast du denn uns nichts gesagt, also ich hätte das als Allererstes gesagt, das ist ja wirklich nichts Alltägliches“, echauffierte sich Bettina.
- „Ach weißt du, ich war sooo froh, daß ich wieder in meine Wohnung kam, ich hatte ja keinen Schlüssel, der ist hier in der Hosentasche von der Jeans, die ich bei Gangi zurückließ.“
- „Das klingt ja so, als ob du froh darüber warst, daß bei dir eingebrochen wurde.“
- „Ja, so war es, ich war froh, auf diese Weise in meine Wohnung ohne Schlüssel hineinzukommen und gestohlen haben die nichts, es war nicht einmal der Schrank durchwühlt und auch sonst nichts, ich glaube, die haben schnell bemerkt, daß bei mir nichts zu holen war.“
- „Aber morgen, wenn wir zur Polizei fahren, zu dem Obersten dort, wie hieß er gleich wieder, du weißt schon, dem sagen wir das aber.“
- „Kommst du denn mit, o ja, das würde mich sehr freuen, dann gehen wir zu dritt dort hin, da bin ich dann nicht mehr so aufgeregt. Habt ihr eine Idee, was die von mir wollen, stimmt was an dem Sender nicht?“

Nun mischte sich Gangolf ein: „Es kann wohl nichts besonders Schlimmes sein, was sie dir sagen wollen, denn sonst hätten sie das schon gesagt, also der Brause war ja bei dir, und sie hätten uns nicht noch einmal einen Tag Aufschub gegeben, uns zu melden.“
Die beiden jungen Frauen fanden Gangolfs Argumentation einleuchtend und machten sich diesbezüglich keine weiteren Gedanken.

- „Mäßige dich“, entrüstete sich Bettina, als Martina ihr heftige Vorhaltungen machte wegen Magdas Verschwinden, „es war allein deine Idee, Magda da unten im Keller einzusperren und wenn du sie nicht in die enge Kiste gesperrt hättest, wäre sie wohl gar nicht auf die Idee gekommen, zu flüchten. Aber in dem engen Gefängnis bekam sie wahrscheinlich die totale Panik, noch dazu mit dem dicken Knebel, den wir in der Kiste fanden.“
- „Wer ist wir?“, wollte Martina wissen, sie mäßigte ihren Tonfall.
- „Ja ich und Gangolf, sonst natürlich niemand.“
- „Der war auch mit dabei? Ich dachte, er wäre allein am Vormittag hierher gefahren?“
- „Ja, ist er auch, doch Nachbarn kamen zusammen und hielten ihn für einen Einbrecher. Die Polizei hat ihn geholt und er mußte einige Zeit in der Polizeizelle eingesperrt bleiben in Lüggen. Und das alles wegen dir, weil du es immer mit Magda übertreibst!“
- „Was hat das mit Magda zu tun, wieso läßt er sich von der Polizei einsperren, er hatte doch deinen Schlüssel?“
- „Das schon, aber er wußte nicht, welches Abteil unseres ist und probierte dort an allen Schlössern herum, dabei wurde er beobachtet. Und den Polizisten wollte er natürlich nicht sagen, daß da in einem Abteil eine Person eingesperrt wird, die unter Überwachung steht, die ausgerechnet an diesem Tag von der Polizei gesucht wird. Sei froh, daß er so besonnen reagierte und nichts sagte und sich dafür sogar verhaften ließ, bis ich den Sachverhalt klären konnte. Das hätte böse aufgehen können für dich, Martina, hast du das verstanden?“

Martina sah ihre Freundin erstaunt und nachdenklich an, sie nickte leicht, gab aber keine Antwort. Nach einer Weile fragte sie:
- „Und jetzt ist sie wieder bei Gangolf?“
- „Ja, aber nur für heute Nacht nochmals, ihre Sachen liegen ja noch bei ihn. Aber ab morgen will sie wieder in ihrer Wohnung bleiben und das mußt du respektieren, sie ist nicht deine Sklavin, über die du unbegrenzt verfügen kannst, sie ist ein Mensch mit eigenem Willen, mit eigenem Leben. Sie hat genug für dich getan, eigentlich unermeßlich viel, sei ihr doch endlich einmal richtig dankbar dafür.“

Martina schluckte. Sie war sich bewußt, daß Bettina natürlich recht hatte. Und dennoch hatte sie sich so in die reizvolle Vorstellung hineinversenkt, daß Magda nun ganz ihr gehöre, wenn sie von der überwachenden Fußfessel befreit wäre. Im Grunde hätte sich für Martina wenig bis nichts geändert in ihrem Verhältnis zu Magda, wenn diese weiter in ihrer kleinen Wohnung bliebe. Ihre Enttäuschung war nicht zu übersehen, niedergeschlagen zog sie das Schlüsselein für Magdas Keuschheitsgürtel hervor und übergab es Bettina mit den Worten:
- „Willst du deines auch gleich haben, dann ist es eben vorbei mit uns.“
- „Jetzt schütte nicht das Kind mit dem Bade aus“, gab Bettina zur Antwort, „unsere Liebe hat doch hoffentlich nichts mit deinem Verhältnis zu Magda zu tun.“
- „Nein, natürlich nicht“, schickte sich Martina schnell an zu antworten. Obwohl der Ärger und die Enttäuschung noch deutlich spürbar in ihren Knochen saß, wandte sie sich zu Bettina um und umarmte sie. Die beiden Tinas gaben sich einen langanhaltenden Kuß, sie verzogen sich in’s Schlafzimmer und gaben sich einander hin.
Beide versuchten, ihre negativen Gedanken abzuschütteln, das war gar nicht so leicht, auch wenn sie jetzt wieder innig verschlungen nebeneinander auf dem breiten Bett ruhten. Bettina hegte den Gedanken, sich von Martina zu trennen, vor allem wegen ihrer sadistischen Handlungen an Magda, aber auch wegen ihres Desinteresses an religiösen Dingen. Martina überlegte gleichfalls, sich von Bettina zu trennen, damit dann Magda ihren Platz einnähme, denn sie konnte getrost auf Bettinas sanfte weibliche Liebesbezeugungen verzichten, indes gierte sie geradezu auf die Aussicht, ihren Sadismus ungehemmten Lauf zu lassen.

Gangolf bereitete Magda auf dem Wohnzimmersofa eine Liegestatt, während er sich in das Schlafzimmer in sein gewohntes Bett zurückzog. Beiden fiel es schwer, einzuschlafen. Der Tag war einfach zu aufregend, um schnell Schlaf zu finden. Beide waren eingesperrt, wenn auch auf ganz verschiedene Weise. Und beiden viel es schwer, dem erotischen Impuls zu widerstehen, den jeweils andern aufzusuchen, um sich in einem Bett aneinandergekuschelt zu lieben.

Magda nahm sich vor, Gangolf zu fragen, ob er wüßte, wie man einen Brunnen gräbt, was man alles dafür bräuchte. Gangolf indes machte sich Gedanken, was Nisselpriem so Wichtiges zu verkünden hätte, daß der Brause das nicht sagen durfte oder wollte.
‚Warum muß Magda deswegen extra auf’s Revier kommen?’, grübelte er, bis er endlich einschlief.

Als Gangolf am nächsten Morgen die Augen aufschlug, drang ihm der verlockende Duft frischgebrühten Kaffees und aufgewärmter Semmeln in die Nase. Es schwang sich freudvoll aus dem Bett und lief in die Küche.
- „Magda, du kannst es nicht lassen, mich zu verwöhnen. Wie war deine Nacht, konntest du halbwegs gut schlafen?“
- „Ganz gut“, log Magda, denn sie lag oft lange Zeit mit offenen Augen da und grübelte, was die Polizei ihr sagen würde und auch, wie das Brunnenbauen ginge. Sie schmiedete auch gleich das Feuer, solange es glühte:
- „Sag’ `mal, Gangi, weißt du, wie man einen Brunnen gräbt?“
Verdutzt blickte Gangolf Magda an, er meinte, nicht richtig gehört zu haben.

- „Wie kommst du denn da d’rauf?“
- „Ja weißt du, wie ich da gestern so arg Durst hatte, da dachte ich an die armen Kinder in Afrika, die nichts zu trinken haben und da beschloß ich, nach Afrika zu fahren und dort Brunnen zu graben. Ich kann ja jetzt überall hinfahren in der Welt, weil du so lieb warst, den Sender zu bauen und deine Freunde, und das find’ ich so toll, du bist so lieb.“

Magda sprang zu ihm und versetzte ihm einen Kuß.
- „Ach, entschuldige bitte, ich hab’ dir noch gar nicht eingeschenkt, da red’ ich vom Trinken und geb’ dir nichts, entschuldige bitte, ach bin ich unnütz.“
Sie ergriff die Kaffeekanne, um ihm einzugießen, doch Gangolf werte ab und wies sie mit hartem Tonfall zurück:
- „Nein, nein und nochmals nein, du bist niiie unnütz, du warst es nie und du wirst es nie sein, Magda, Marlies, hör’ endlich damit auf, dich schlecht vorzukommen, genau das Gegenteil ist der Fall, duuu bist die Liebe schlechthin, duuu machst dich überall nützlich, das sieht man ja genau hier schon wieder mit dem tollen Frühstück, das duuu bereitet hast, versteh’ das doch endlich.“

Gangolf hatte Mühe, sich selber einzubremsen, er war schon wieder an der Grenze angelangt, an welcher ihm Magdas Unterwürfigkeit auf den Geist ging. Magda blickte ihn erschrocken an und war kurz davor, Tränen abzudrücken, doch gelang es ihr, sich zu beherrschen.
- „Schau“, sprach Gangolf weiter, „ich nehme jetzt deine halbgefüllte Tasse und du kriegst meine ungebrauchte leere, die füll’ ich dir jetzt mit heißem Kaffee und ich trinke deinen aus, du bist hier zu Gast und sollst den frischen heißen Kaffee genießen.“

Gangolf vertauschte die Tassen und schenkte Magda den heißen Kaffee ein. Sie ließ ihn gewähren, aufgrund seines bestimmenden Tonfalls wagte sie keinen Widerspruch. Als Gangolf ihre Tasse zum Mund führte, bemerkte er sogleich, daß der Kaffee darinnen tatsächlich bereits deutlich ausgekühlt war, er folgerte daraus, daß Magda bereits längere Zeit allein in die Küche saß, sich zwar eine Tasse eingoß, dann aber doch auf ihn wartete, bis er endlich zum Frühstück kam.

Auch Magda führte nun die Tasse zum Mund und hätte sich beinahe die Zunge verbrannt. Verschämt lächelte sie Gangolf an, sie war durch diese symbolische Liebeshandlung im Innersten ganz gerührt. Sie spürte mehr und mehr in ihr das harmonische Verlangen von Devotheit und geliebt und geachtet zu werden. Sie träumte davon, daß ihre Herrin diese Balance halten könnte; Magda sehnte sich nach Martinas Schrittband, wie sie es zwischen ihren Oberschenkeln kauernd mit der Zunge abschleckte und dabei Martinas Ausscheidungen zu spüren bekam.
‚Doch warum muß sie mich dann immer noch schlagen dazu, sie könnte doch meine Haare kraulen, wie es Gangi so lieb macht.’

Magda begann zu Schluchzen, sie ließ sich von dem Stuhl gleiten und kniete vor Gangolf und bettete ihr Gesicht auf seine Oberschenkel. Gangolf blickte erstaunt auf sie herab, schüttelte den Kopf und begann, ihr Haar zu kraulen.
- „Ach Gangi“, flötete Magda durch seine Beine hindurch, „kannst du Gedanken lesen?“
- „Äh – nein, vielleicht, warum?“, entgegnete er und hörte mit seinen Handbewegungen in Magdas Haar auf.
- „Mache doch weiter“, bat Magda und Gangolf bezog seine vermeintliche Fähigkeit des Gedankenlesen auf diese Tätigkeit, die er ungefragt auf Magdas Kopf begonnen hatte.

‚Hoffentlich geht der Tag gut aus’, machte sich nun Gangolf Gedanken und begann damit, Magdas Haar wieder zu kraulen,
‚hoffentlich gibt es vom Nisselpriem gute Nachrichten, hoffentlich gibt sich das mit der Martina wieder, hoffentlich bleibt Magda in Zukunft nicht weiter so auf ihn fokussiert.
Hoffentlich, hoffentlich.’

Eigentlich suchte er eine Rassige, schon was in Richtung >wilder Feger<.






























81. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 04.03.22 21:46

43

Das Regierungskabinett trat zu seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause zusammen. Das Schwerpunktthema war Condoma. Aus dem Ausland hörte man sowohl von beängstigenden als auch zu vorsichtiger Zuversicht berechtigenden Entwicklungen. Bundeskanzlerein Prank-Barrenkauer lenkte ihre Blicke auf Umweltministerin Graumaus, als diese den Sitzungssaal betrat. Prank musterte deren Kleidung genau in Erwartung einer neuerlichen Provokation, doch dieses Mal konnte sie zumindest nicht auf Anhieb eine solche entdecken.

Staatssekretär Doktor Unwohl referierte über die Erfahrungsberichte, die aus Taiwan und Großbritannien vorlagen:
- „Die Taiwanesen haben herausgefunden, daß die Inkubationszeit bei diesem neuen Virus enorm lang ist, etwa vier Wochen. Das Schlimme daran ist, neben der langen Ungewißheit, ob man infiziert ist oder nicht, daß jeder, auch ohne erkennbare Symptome, potentiell ansteckend bleibt. Erst nach sehr langer Quarantäne kann beurteilt werden, ob eine Infektion vorliegt.

Die gute Nachricht lautet, daß es der körpereigenen Immunabwehr nach anfänglichen gegenteiligen Informationen anscheinend doch gelingt, das Virus zu bekämpfen. Allerdings ist der Selbstheilungsprozeß außerordentlich langwierig, so daß man bisher davon ausging, es käme überhaupt nicht zu einer Selbstheilung. In England sperrte man die Infizierten in die Krankenzimmer ein, während man in Taiwan die Leute unter Hausarrest stellte und das gesamte Stadtviertel abriegelte. Die Bevölkerung wird dort nur über Spezialkräfte versorgt, die in extrem schwerer Schutzausrüstung die Nahrungsmittel verteilt.“

- „Und wie sieht die Situation jetzt in England aus?“, wollte ein Anwesender wissen.
- „Soviel ich weiß, wurden die ersten infizierten Patienten nun entlassen, nach Wochen und Monaten. Jetzt fragen Sie mich aber bitte nicht, wie die Ärzte das dort beurteilen, ob jemand gesundet ist.“

Umweltministerin Graumaus hob die Hand und setzte sofort ein, damit ihr niemand zuvor käme:
- „Ist doch einfach, wenn sich der Typ nicht mehr die Eier kratzt!“

Entsetzte Blicke hagelten auf Graumaus ein, allein ein junger Staatssekretär entwand sich der allgemeine Schockstarre:
- „Und wenn diiie Person gar keine Eier hat?“

Als sich der Tumult im Saal wieder gelegt hatte und die Wogen zwischen Gelächter und Empörung sich geglättet hatten, meldete sich wieder Graumaus zu Wort, diesmal wartete sie indes ab, bis ihr Prank das Wort erteilte:
- „Gibt es denn andere Auswirkungen des Virus’ außer den soeben angedeuteten?“

Unwohl räusperte sich und sagte: „Soviel ich weiß nicht, aber bleiben wir doch bei einer gediegeneren Sprache, sprechen wir von krankhafter Schwellungen der Genitalien und übermäßigem Juckreiz derselben.“
- „Immerhin braucht’s da wohl dann keinen Test, das bemerkt dann ein jeder, wenn er befallen ist“, legte Graumaus nach.
- „Wenn es zum Ausbruch gekommen ist, ja, aber die Schwierigkeit ist die Zeit davor, die Inkubationszeit ist ja so furchtbar lang und zugleich ist man dabei bereits ansteckend, eine schlimme Sache.“

Nachdem eine kurze Diskussionspause eingetreten war, meldete sich Staatssekretär Gscheid vom Auswärtigen Amt zu Wort:
- „Was ist d’ran an dem Gerücht, daß das Virus nun auch schon in Südeuropa ausgebrochen sei?“
Niemand schien darauf eine Antwort zu wissen, Kanzlerin Prank ließ ihren Blick durch die Runde schweifen und ergriff schließlich selber das Wort:
- „Also wenn daran was wahr ist, dann müßten Sie das im Außenministerium als Erstes wissen, woher stammt denn dieses Gerücht?“
Gscheid antwortete: „Ich hörte eben so etwas irgendwo und wollte wissen, ob da was dran sei.“
- „Fragen Sie doch bei der Blöd-Zeitung nach, die wissen doch immer alles“, spottete Graumaus. Prank warf ihr einen bösen Blick zu und ermahnte sie:
- „Mäßigen Sie sich, unqualifizierte Äußerungen bringen uns überhaupt nicht weiter, auch ist die Zeit viel zu schad dafür.“

Nun meldete sich Professor Siebenklug, der Kulturstaatsminister, zu Wort:
„So sehr ich Ihre Wortwahl verabscheue, verehrte Frau Kollegin Graumaus, muß ich Ihnen insofern recht geben, daß die Presse sich nicht scheut, irgendwelche Meldungen herauszubringen, die im Grunde genommen nicht überprüft werden können. Gerade bei den sensiblen Themen Gesundheit und Sicherheit können damit leicht Irritationen in der Bevölkerung geschürt werden, gerade weil der Glaube an den hohen Wahrheitsgehalt von den Inhalten gedruckter Zeitungen in weiten Kreisen absolut ist. Wenn Sie also, Herr Gscheid, ihre angeblichen Informationen aus irgend welchen fragwürdigen Quellen haben, sollten Sie diese erst einmal selber kritisch hinterfragen.“

Gscheid konterte gereizt: „Ich dachte, dieses Gremium hier ist zusammengekommen, um eben über alle das Thema betreffende Informationen zu diskutieren und so wollte ich eben in Erfahrung bringen, ob jemand in der erlauchten Runde zu dem Gerücht etwas sagen kann, ob es vollkommen absurd ist oder ob doch ein Fünkchen Wahrheit daran sein könnte. Aber wenn das so ist, daß man hier nicht einmal mehr Fragen stellen darf, dann halte ich fürder meinen Mund und denk’ mir meinen Teil dazu.“

Jetzt mischte sich Prank ein: „Also ich darf doch bitten, natürlich dürfen Sie jede Frage stellen zu dem Thema hier in der Runde, dazu sind wir zusammengekommen, jetzt verschließen Sie sich nicht, Herr Gscheid, wir sind froh über ihr breites Allgemeinwissen, so wie ich Professor Siebenklug verstand, wollte er nur andeuten, daß man ganz allgemein vorsichtig mit fragwürdigen Quellen umgehen muß. Was mich jetzt wirklich interessiert, ist, ob es sonst wo in der Welt Berichte gibt vom Ausbruch dieses seltsamen Virus’, oder ob die offiziellen Berichte bislang weiterhin auf Großbritannien und Taiwan beschränkt bleiben.“

Außenminister Schmolz antwortete: „Nein, in unserem Bereich ist nichts darüber bekannt.“
- „Wenn man auch immer nur im Büro sitzt, kriegt man freilich nichts mit, was in der Welt los ist“, ereiferte sich Graumaus, „fragen Sie doch `mal ihren Amtsvorgänger, der jonglierte immerhin ständig von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt.“
- „Frau Graumaus, mäßigen Sie sich sofort“, empörte sich Prank, „gerade Sie müssen aufpassen, daß sich niemand über ihren Namen lustig macht.“

- „Würde mir zur Ehre gereichen, wenn ich demjenigen dann kontern werde“, entgegnete Graumaus, „und dann ist es so, daß ich ja ganz im Gegenteil Herrn Maas bewunderte, wie er sich den Problemen in Europa und in der Welt annahm und sich nicht in seinem Bunker verschanzte.“
Schmolz schmollte, seine dicken Backen liefen rot an, denn er fühlte sich zurecht kritisiert, daß er längst nicht so reisefreudig war wie sein Vorgänger.

Gesundheits-Staatssekretär Unwohl rettete die ungute Stimmung mit seiner Wortmeldung:
- „Darf ich nochmals auf das Ansteckungsrisiko zurückkommen. Sollte das Virus tatsächlich nach Deutschland kommen, müßten wir also alle Infizierten für lange Zeit beobachten, bis sie keine Symptome mehr zeigen. Einreisende aus Taiwan und Großbritannien müßten für einige Wochen in Quarantäne kommen. Einen Grund für eine Reisewarnung besteht also nicht, ausgenommen natürlich in die beiden Länder, die Urlaubssaison kann also anfangen wie immer.“

Graumaus juckte es in den Fingern, sie hob kurz die Hand, schüttelte dann aber den Kopf, als Prank ihr das Wort erteilen wollte. Anstelle das Wort an alle zu richten, tuschelte Graumaus mit ihrem Sitznachbarn. Dieser stellte dann die Frage in das Plenum:
- „Wie dürfen wir das verstehen, Herr Unwohl, Sie sagten, alle Infizierten müßten für lange Zeit >beobachtet< werden.“
- „Ja, hm“, räusperte sich der Angesprochene, „das wird wohl wie jetzt schon in England in den Krankenhäusern geschehen.“
- „Will also heißen, daß die Betroffenen dort isoliert gehalten werden und wohl auch fixiert zum Selbstschutz.“

- „Das ist freilich ein schlimmes Szenario, das möchte ich mir gar nicht im Detail jetzt schon ausmalen, vermutlich wird man das sehr individuell festlegen müssen je nach Schwere und Ausmaß der Entzündungen und der Reize. Aber Sie haben schon recht, vermutlich wird nichts anderes übrig bleiben, als daß die Ärzte hilflos zusehen müssen, wie sich die Patienten qualvoll in den Betten winden, bis die körpereigenen Abwehrmechanismen schließlich das Virus besiegt haben.“

- „Oder der Mensch bis dahin in seinen Fesseln krepiert ist“, maulte nun doch wieder Graumaus halblaut in die Runde.
- „Wie, was war das?“ empörte sich Prank, „vermutlich nichts Geistreiches, wenn das nur so genuschelt wurde.“
Graumausens Sitznachbar antwortete: „Frau Ministerin Graumaus meinte in dem Sinne, daß vielleicht auch viele während der wie auch immer erfolgenden Behandlung sterben würden.“

‚Habe ich also doch recht gehört’, dachte sich die Kanzlerin, ging aber nicht weiter darauf ein. Sie wandte sich nun mit einem anderen Aspekt an das Plenum:
- „Verstehe ich das richtig, daß die Infizierten nun doch solange in geschlossenen Abteilungen bleiben, bis sie die Infektion überwunden haben, also nicht vorzeitig entlassen würden?“
Unwohl blickte kurz zu seinem Chef, Gesundheitsminister Scham, doch als dieser auch hier wieder keinerlei Reaktion zeigte und dementsprechend auch keine Anzeichen gab, dazu etwas sagen zu wollen, antwortete er knapp:
- „Ja, das sehe ich so.“

Kanzlerin Prank fuhr fort: „Dann wäre das Szenario mit den beiden verschiedenartigen Maskenfiltern erledigt. Wie sieht es aus, Herr Schießmann, kann mit der Austeilung der Gasmasken wie geplant im Ernstfall unverzüglich begonnen werden?“
- „Selbstverständlich“, entgegnete der Verteidigungsminister, „die Bundeswehr steht zu ihrem Wort.“

Mit einem Seufzer bemerkte Prank, wie sich Graumaus erneut zu Wort meldete, ‚sie kann es einfach nicht lassen, `mal sehen, was sie jetzt schon wieder bringt’. Sie erteilte ihr das Wort:
- „Was hört man eigentlich von Therapiemaßnahmen, gibt es schon einen Impfstoff, wie laufen die Forschungen?“

Unwohl wandte sich wieder kurz seinem schweigenden Chef zu, übernahm aber dann sofort das Wort:
-„Leider nein, alle Versuche in unseren Laboren in Deutschland, aber auch im Ausland, brachten bislang keinen Erfolg. Die größte Gefahr sehe ich darin, daß die Gefahr des Virus' unterschätzt wird, weil es bisher nur in Taiwan und England ausgebrochen ist, zumindest offiziell bekannt, und daß vielleicht viele Spezialisten ihre Forschungen auf die Bekämpfung auf andere Viren vorrangig richten, zum Beispiel auf das sich wieder weiter ausbreitende HIV.“

Graumaus entgegnete: „Also bezüglich HIV kenne ich einen Bericht aus Österreich, aber ich weiß nicht, ob das hier jetzt interessant ist und ich will ja nicht schon wieder für Empörung sorgen.“
- „Reden Sie schon“, forderte Prank sie auf.
- „Die österreichische Gesundheitsministerin Rosmarie Hinterwald berichtete mir persönlich von einer unpopulären Methode, den Körper von Infizierten durchzuspülen, einer innerlichen Reinigung zu unterziehen, wobei leider auch die gesunden Zellen angegriffen würden, daß man in Versuchen bei jungen Menschen festgestellt hat, daß bei ihnen die befallenen Zellen dabei jedoch tatsächlich in kürzester Zeit isoliert würden und sich damit die Viren nicht im Körper verbreiten können. Für Ältere sei das Verfahren aber zu gefährlich, eigentlich schade, denn wer weiß, ob nicht gerade diese Bevölkerungsgruppe erst recht HIV-gefährdet ist.“
‚Na du bist ja wohl nicht gefährdet’, dachte sich Prank, ‚du trägst ja deinen geilen Keuschheitsgürtel.’

Niemand wollte Graumausens Statement kommentieren, somit ergriff die Kanzlerin das Wort:
- „Es freut mich zu hören, daß die Bundeswehr bereit ist, im Ernstfall die bereitstehenden, bereitliegenden Masken schnell zu verteilen an die Bevölkerung und daß keine Alarmmeldungen aus den Urlaubsregionen der Welt vorliegen außer den beiden genannten Ländern, so können wir also unbesorgt in den Urlaub fahren; doch kommen wir nun, wenn es zum Virus nichts mehr zu sagen gibt, zu den anderen Themen der Tagesordnung.“

‚Der Mensch denkt, aber Gott lenkt’, kam es Graumaus beim Hören dieser gesundbetenden Botschaft in den Sinn; nur sie und Gscheid hegten Zweifel an Pranks Einschätzung, doch sie ahnten nicht, in welch kurzer Zeit bereits ihre berechtigten Zweifel zur bitteren Wahrheit würden.




































82. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 11.03.22 22:17

44

Je näher sie zur Stadt kamen, umso nervöser wurde Magda auf dem Beifahrersitz neben Gangolf.
- „Jetzt entspann’ dich, Magda, atme tief durch, die werden dich bei der Polizei nicht gleich fressen, du kennst doch den dicken Brause, der ist doch immer recht gemütlich d’rauf“, versuchte Gangolf Magda zu beruhigen. Magda entgegnete knapp:
- „Ja der schon.“
- „Warum sollte der Dienststellenleiter so viel anders sein, warten wir es doch erst einmal ab, bis wir gehört haben, was er uns zu sagen hat.“

Magdas Nervosität griff allmählich auch auf Gangolf über, so sehr er sich dagegen sträubte. Als sie zu dem Polizeigebäude kamen, stand bereits Bettina wartend davor. Auch diese bemerkte sofort Magdas Nervosität.
- „Was hast du denn, Magda?“ richtete sich Bettina an Magda, „wahrscheinlich ist es nur ein formaler Akt, den der Chef da drinnen durchführen muß, den Wachtmeister Brause nicht ausführen durfte. Du weißt doch, wie das bei Behörden so ist.“

Vom Verstand her verstand das Magda sehr wohl, doch half alles Zureden nichts, die Aufregung ließ sie leicht erzittern. Bettina und Gangolf nahmen sie in ihre Mitte, griffen ihr unter die Schultern und schleppten sie auf diese Weise in das Polizeigebäude. Gangolfs Herz begann prompt höher zu schlagen, als sie in das Stiegenhaus kamen; sofort kam ihn in Erinnerung, wie er am Tag zuvor hier unten eingesperrt worden war.

Nisselpriem empfing die drei Hereintretenden zwar nicht ausgesprochen herzlich, aber nicht unfreundlich und wies ihnen die Besucherstühle vor seinem breiten Schreibtisch zu.
- „So schnell sieht man sich wieder, entschuldigen Sie bitte, Herr Stumpf, den Vorfall gestern, aber Sie hätten zur Aufklärung ein bißchen besser mitwirken können, dann wäre uns und Ihnen viel erspart geblieben. Aber reden wir nicht mehr darüber, sondern sind froh, daß jetzt alles in Ordnung ist und daß ich Ihnen, Frau -“
Ungeduldig nestelte Nisselpriem in den auf seinem Schreibtisch ausgebreiteten Papieren herum, bis er Magdas Namen zu lesen bekam, „Frau Armdran, heute folgenden Beschluß verkünden kann:
Beschluß des Landgerichts ... also lautend: ... Frau Armdran ist berechtigt, die Stadt Lüggen zu verlassen und sich im gesamten Landkreis Damisch-Schleewald aufzuhalten. Es obliegt ihr, ständig ein betriebsbereites Mobiltelephon mitzuführen und einen Anruf der Kontrollbehörden sofort entgegenzunehmen und den ihr fernmündlich mitgeteilten Anweisungen unverzüglich nachzukommen. Die Erlaubnis des erweiterten Aufenthalts würde ihr widrigenfalls vorübergehend, in schweren Fällen von Übertretungen dauerhaft entzogen werden bis hin zur Wiederverwahrung in einer Justizvollzugsanstalt.“

Gangolf fiel ein Stein von Herzen, auch Bettina fühlte sich erleichtert, als sie diese Botschaft vernahmen. Nur Magda blickte nach links und nach rechts, als ob sie bei ihren Begleitern Rat suchte. Nisselpriem schien ihre Ungewißheit zu erkennen und erklärte ihr:
- „Also Frau Armdran, die Sache steht hier klar beschrieben: Sie dürfen sich ab sofort überall im gesamten Landkreis aufhalten. Sie müssen uns das nicht mitteilen. Aber bitte beachten Sie die Grenzen, der Kollege unten an der Pforte soll Ihnen eine Landkarte mitgeben, wo Sie genau sehen, wo die Grenzen liegen. Es wird nichts ausmachen, wenn Sie kurz `mal zum Beispiel nach Lügenhau hinüberfahren, da wird die GÜL nicht gleich Alarm schlagen, aber Berlin ist tabu, in Schönefeld ist absolut Schluß. Haben Sie das verstanden?“

Während Nisselpriem auf Magdas Bestätigung wartete, telephonierte er schnell mit dem diensthabenden Beamten an der Pforte und teilte diesem mit, den Dreien dann eine Landkarte mit dem Landkreis auszuhändigen. Als er auflegte, blickte er Magda durchdringend an, doch sie wagte kein Wort zu sagen.
- „Ja jetzt freuen Sie sich doch `mal, ich habe mich mit Brause beim Gericht stark gemacht, ihren Aufenthaltsradius auszudehnen, daß Sie auch `mal an die Seen hinausfahren können oder in den Schleewald und so.“
Erst jetzt flötete Magda ein leises „Danke“. Sie schien ihr Glück noch gar nicht richtig fassen zu können. Freilich konnte sie ihm nicht sagen, daß sie sich schon eine geraume Zeit außerhalb der Stadt aufhielt und auch schon in Berlin gewesen war.

Nisselpriem fuhr fort: „Jetzt aber zu der Erreichbarkeit, wie Sie gehört haben, steht in den Auflagen eindeutig, daß Sie jetzt immer erreichbar sein müssen; es ist ja kein Luxus mehr, es genügt ja ein einfaches Mobiltelephon, das Sie immer mitnehmen müssen, ihr altes Festnetztelephon genügt jetzt nicht mehr, denn Sie sind ja jetzt vielleicht länger unterwegs, von zuhause fort.“

Gangolf mischte sich ein: „Ja, Herr Nisselpriem, ich werde mich darum kümmern, sie hat ja schon längst eines, aber ich werde aufpassen, daß es auch funktioniert, eine neue Karte einstecken und aufladen.“
- „Ich verlaß’ mich auf Sie, Herr Stumpf. Gut, das wär’s dann von meiner Seite. Ach so, beinahe hätte ich das vergessen, wir haben einen Schlosser beauftragt, ihr Wohnungstürschloß zu erneuern, bitte entschuldigen Sie, meine Kollegen waren etwas zu voreilig mit dem Aufbrechen, andererseits haben die in der Überwachungsstelle gesagt, Sie wären im Bereich ihrer Wohnung und es war zu befürchten, daß etwas mit Ihnen geschehen ist, weil Sie die ganze Zeit nicht aufmachten.“

Gangolf verstand nicht, wovon Nisselpriem redete. Er hatte nicht bemerkt, daß Magdas Wohnungstür aufgebrochen war und jetzt erst kam ihm die Erinnerung, daß Magda tatsächlich die Tür nicht abgesperrt hatte, als sie ihre Wohnung gestern Abend verlassen hatten.
Nisselpriem überreichte Magda das Schriftstück, sie hielt es mit beiden Händen vor sich wie ein Priester das schwere Evangelienbuch. In gewisser Weise war es für sie tatsächlich eine frohe Botschaft. Gangolf erkannte indes sofort auch den Nachteil: Magda mußte sich sofort melden, wenn sie einen Anruf erhalten würde:
‚Hoffentlich bimmelt das dann nicht ausgerechnet während unseres Italienurlaubs’, überlegte er sich. In der Tat sollte seine Befürchtung nicht grundlos gewesen sein.

Wie abgesprochen drückte der Beamte an der Pforte den Dreien die Landkarte in die Hand. Gangolf nahm sie entgegen, er hielt bereits den Gerichtsbeschluß in seinen Händen, denn Magda hätte das Papier in ihren schwitzigen Fingern am Ende noch ganz zerruschelt.
- „Jetzt wollen wir aber das gehörig feiern bei einem Kaffee und einem Frühstück auf dem Markt“, schlug Bettina vor, „darf ich bei euch einsteigen, ich hab’ mein Auto beim Pfarrhaus geparkt.“
- „Wir haben zwar schon gefrühstückt, die Magda hat mich so richtig verwöhnt heut’ früh“, meinte Gangolf, „aber ein weiterer Kaffee ist immer recht.“

Wie immer, wenn sie nicht ausdrücklich gefragt wurde, äußerte sich Magda nicht dazu; sie schloß sich wie gewöhnlich stets den Handlungen an, den ihre Begleiter vorgaben oder vorschlugen. Erst auf dem großen Marktplatz sitzend im Schatten des gewaltigen Kirchturms der Paul Gerhard-Kirche löste sich allmählich Magdas Anspannung. Anscheinend hatte sie bis zu letzt, als sie sich bereits aus Nisselpriems Dienstzimmer heraustraten, die Befürchtung gehabt, es käme doch noch etwas Schlimmes auf sie zu.

Martina freute sich gleichfalls, als sie davon erfuhr, wie der Termin bei dem Polizeichef abgelaufen war, doch sie freute sich weniger für Magda, sondern für sich selbst, eine diebische Freude. Als Bettina ihr am Telephon mitteilte, daß sie jetzt zu Gangolfs Hof hinausführen, um erstmals eine Bootstour zu wagen, grinste Martina schelmisch in sich hinein und faßte einen Plan.

Als erstes bugsierten die Drei mit vereinten Kräften das Ruderboot auf das Gestell, das Gangolf sich aus zwei Fahrrad-Vorderrädern gebastelt hatte. Mit dieser Hilfe konnten sie das Boot zu dem Steg rollen, es ging zwar in dem unebenen Boden sehr mühsam voran, aber immer noch viel leichter, als wenn sie das Boot hätten tragen müssen. Dann kamen die beiden Kajaks an die Reihe. Gangolf wollte beide Boote aufnehmen, jedes an einer Hand, doch die beiden Damen protestierten.
Schließlich wechselte sich Magda und Bettina bei dem Tragen des einen Bootes ab. Gangolf wäre es lieber gewesen, er hätte beide Kajaks getragen, dann wäre das Gehen aufgrund der gleichmäßigen Gewichtsverteilung leichter gefallen und die beiden hätten sich um die Paddel gekümmert. Andererseits wollte er nicht den Macho spielen, den Kraftmeier, und auf diese Weise das >schwache Geschlecht< bloßstellen.

Als erstes ließ Gangolf sein Schnell-Kajak in’s Wasser gleiten; er beugte sich vom Steg aus über das hintere Teil des Bootes, umgriff den Süllrand mit beiden Händen und winkte Bettina heran. Magda erschien ihm zu unruhig für das kippelige Boot, er schätze diese so ein, daß sie sich in dem breiteren Kajak wohler fühlen würde.
„Setz’ dich auf den Steg, dreh’ deine Beine durch die Luke in das Boot hinein, komm’ schon, nur Mut, ich halt’ das Kajak, es kann nicht umkippen!“

Gangolf bemerkte sofort die Nervosität, die in Bettina aufkeimte. Als sich diese endlich auf den Sitz geschwungen hatte, mußte er den Lukenrand, das >Süll<, mit großer Kraftanstrengung festhalten, sonst hätte sich das Kajak um seine Achse gedreht und Bettina wäre unweigerlich auf der anderen Seite hinausgekippt.
- „Jetzt schau’ auf deine Füße, merk’ dir, in welches Rasterloch die Stützen eingedreht werden müssen.“

Bettina wußte zunächst nicht, was Gangolf meinte, doch dann erkannte sie weit vor ihren Füßen die beiden schwarzen querliegenden Fußstützen.
- „Versuch’ jetzt mit einer Hand vorzulangen und die Stützen hinauszuziehen und sie weiter zurück einzudrücken an die Seitenwandführung, damit du dich darauf mit den Füßen abstützen kannst.“

Bettina steckte die Teile an die Stelle unterhalb ihrer Füße ein, doch als sie sich wieder auf dem Sitz zurückstreckte, bemerkte sie, daß sie immer noch zu weit entfernt waren.
- „Sie sitzen richtig, wenn du mit leicht angewinkelten Beinen sitzt.“

Bettina langte mit der Hand wieder nach vorne und setzte die Stützen um zwei Rasterlöcher weiter zurück.
- „So, und jetzt einfach schon `mal los“, rief Gangolf ihr wohlgemut zu. Er stemmte das Kajak vorsichtig vom Steg ab, Bettina trieb von dem Impuls eine Weile in Richtung der Mitte des Kanals zu. Sie genoß die stille Bewegung und konzentrierte sich auf ihre Körperhaltung, denn sie bemerkte sofort, wie empfindlich das Boot auf unruhige Bewegungen reagierte.

- „Jetzt kommt die Magda daran“, verkündete Gangolf und setzte das breitere Kajak entlang des Stegs in das Wasser.
- „Wo bist du denn, Magda!“, rief er und blickte sich nach der schüchtern dastehenden Frau um.
- „Nun mach’ schon, mach’ es genauso wie Bettina gerade. Wart’, ich zieh’, dir gleich die Fußstützen weiter zurück.“

Nachdem er grob geschätzt hatte, wo die Rasten in etwa zu liegen kommen müßten, forderte er Magda auf, sich auf den Steg zu setzen und sich dann auf den Sitz plumpsen zu lassen. Dieses Kajak war wesentlich stabiler, es kippelte längst nicht so sehr, auf diese Weise gelang der Einstieg einfacher.

Im Gegensatz zu Bettinas Nervosität beim Einsteigen bemerkte Gangolf sofort Magdas Angst. Sie wirkte sehr verspannt. Gangolf hoffte, daß sich das nach einer Weile legen würde, sobald sie sich mit dem Boot vertraut gemacht hätte. Nun gab Gangolf auch Magda in ihrem Schiffsgehäuse einen beherzten Stoß von dem Steg weg, so daß auch sie mit dem Schwung in den Kanal hinaustrieb.
- „Versucht jetzt erst einmal am Anfang, mit den Händen einzutauchen und ein bißchen damit zu paddeln, damit ihr ein Gefühl für das Boot bekommt, an das leichte Schaukeln und so. Ich komm’ dann mit dem Ruderkahn und bringe euch die Paddel.“

Tatsächlich tauchte Bettina fleißig ihre Hände in’s Wasser, zog sie kraftvoll nach hinten, das schmale Kajak nahm Fahrt auf. Magda hingegen hielt sich krampfhaft am Lukenrand fest, sie wagte es nicht einmal, sich etwas umzuschauen, sondern saß starr in ihrem Sitz.
- „Nun mach’ schon, Magda, schau’, wie das die Bettina macht, das kannst du auch.“
Vorsichtig wagte Magda nun einen Blick auf die Seite, durch die Schulterdrehung kam das Kajak in eine ganz leichte seitliche Bewegung, welche Magda indes sofort zusammenzucken ließ.

‚Ich merk’ schon, die hat keine Freude damit’, dachte sich Gangolf, und als er sich mit dem Kahn ihr näherte, kam das Kajak wieder leicht in eine seitliche Bewegung. Er bemerkte, wie sich Bettina bereits merklich in die Richtung zum See fortbewegte, er rief ihr nach:
- „Bettina, versuch’ umzudrehen, indem du nur mit der einen Hand paddelst, bis sich dein Schiff in unsere Richtung gedreht hat. Wir wollen zuerst einmal den Kanal entlang fahren, noch nicht gleich auf den See hinaus!“

Mühelos gelang Bettina das Wendemaneuver und nach kurzer Zeit war sie wieder bis in den Bereich des Stegs zurückgekehrt. Sie ließ sich an die Längsseite von Magdas Kajak gleiten und umgriff schließlich dessen linken Süllrand. Kaum hatte Magda erste Ruderbewegungen mit den Händen unternommen, krallte sie sich jetzt wieder an das Boot fest. Ihre verspannten Gesichtsausdrücke gaben Gangolf wenig Hoffnung, daß ihr das Paddeln Freude bereiten würde. Er wollte nun erst einmal Bettina ein Paddel reichen, damit sie schon ein bißchen den Kanal entlang rudern konnte, während er sich dann allein um Magda kümmern konnte. Doch es kam anders.

Bettina bemerkte natürlich auch Magdas verängstigtes Sitzen in der schaukelnden Schale. Sie verspürte den Drang, sie trostspendend zu umarmen, und es geschah, was geschehen mußte: Bettina lehnte sich dabei zu weit aus ihrem Boot, es rollte zur Seite, und ehe Bettina reagieren konnte, kippte sie um. Ihr Oberkörper schlug auf der Luke von Magdas Kajak auf, auch ihr Boot kam nun stärker in’s Schlingern, ohne daß es jedoch gefährlich zu Kippen drohte.
Für Bettina ging die Sache indes naß aus: Der rechte Süllrand ihres Kajaks kam unter die Wasserlinie und es drang ein erheblicher Wasserschwall ein. Es gelang ihr zwar, sich wieder aufrecht auf dem Sitz niederzulassen und sie konnte schnell das Boot stabilisieren, doch saß sie jetzt in einer Wasserpfütze. Mit einem leichten Aufschrei quittierte sie das kühle Naß an ihrem Sitzfleisch.

Nach diesem Erlebnis in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft erstarrte Magda in ihrem Boot, an ein Paddeln war nicht mehr zu denken. Gangolf versuchte die Stimmung durch aufmunternde Worte zu retten, doch wirkten seine gut gemeinten Sprüche gekünstelt. Schließlich stieß er Magdas Kajak an, daß es wieder die wenigen Meter zu dem Steg zurück glitt. Er ruderte seinen Kahn an das Ufer, sprang heraus und band ihn an einem Baumstumpf fest. Dann eilte er auf den Steg, zog Magdas Kajak heran, bis es längs des Stegs lag, und hielt es mit beiden Händen fest.

Mit größter Vorsicht, als ob sie einen Stoß Porzellanteller vor sich hertragen müßte, entwand sich Magda der Plastikschale. Gangolf zog das Boot aus dem Wasser und trug es an das Ufer. Als er zurückkam, hatte Bettina bereits ihren vollgelaufenen Nachen längs an den Steg gelegt; Gangolf half ihr heraus und zu zweit gelang es ihnen unter Aufbringung aller Kräfte, das etwa zu einem Drittel vollgelaufene Boot aus dem Wasser zu ziehen.

Aus Bettinas Hose tropfe das Wasser auf ihre Füße, diese waren beim Aussteigen natürlich gleichfalls vollkommen durchnäßt worden. Aber auf ihrem Gesicht zeigte sich die wahre Abenteuerlust, sie war kein bißchen erschrocken, gar verängstigt. Sie bedauerte ihr Mißgeschick und entschuldigte sich mehrmals bei Gangolf und Magda, daß der erste Bootsausflug wegen ihr nun schon zu Ende war, bevor er losging. Eigentlich wäre sie zu gern gleich wieder eingestiegen, doch bemerkte sie Magdas Verstörtheit und somit redete sie sich ein, daß dieses Vorkommnis auch sein Gutes hatte, nämlich das Kajakfahren für Magda auf diese Weise zu beenden, ohne daß es für diese eine Peinlichkeit geworden wäre.

An Gangolfs Haus angekommen entledigte sich Bettina ihrer durchnäßten Hose; ungeniert zog sie diese mitsamt dem Slip vom Leib und ließ das Wäschebündel einfach vor der Haustür auf einem Haufen liegen. Magda und Gangolf staunten nicht schlecht, als in dem milden Licht der Nachmittagssonne das Edelstahl des Keuschheitsgürtels schimmerte. Gangolf brachte ihr ein Frottetuch, mit welchem sie sich gründlich abrubbelte.

- „Willst du vielleicht eine kurze Hose von mir haben?“ bot Gangolf Bettina an, doch diese lehnte ab:
- „Hast du Angst wegen deinem Sofa, oder was?“
- „Aber nein, ich meinte ja bloß, sozusagen rein höflichkeitshalber“, entgegnete Gangolf.

Die Drei verbrachten einen vergnüglichen Nachmittag und Abend miteinander, ohne zu ahnen, was sich derweil in Magdas Wohnung zugetragen hatte.

















83. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 13.03.22 23:10

Zitat

Die Drei verbrachten einen vergnüglichen Nachmittag und Abend miteinander, ohne zu ahnen, was sich derweil in Magdas Wohnung zugetragen hatte.


Upps, da wird wohl Martina tätig geworden sein...oder?
84. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 18.03.22 23:56

Die Zeit rast dahin, beinahe hätte ich vergessen, daß schon wieder Freitag ist und somit die nächste Episode fällig wird, gerade jetzt in dieser Zeit, wo ich hier anscheinend als alleinunterhaltender Geschichtenerzähler auftrete!

Vielen Dank, liebe Sarah, für deine Anmerkung, zeigt diese mir eindrücklich, daß Du und mit dir hoffentlich viele Leser dabei seid im Fortgang der Ereignisse um den von drei jungen Frauen umgebenen "Helden" der Geschichte.



45

Als Martina zu Magdas Haus kam, sah sie zwei Männer vor der Tür stehen, die gerade im Begriff waren, sich umzuwenden und fortzugehen. Einer der beiden sprach sie an:
- „Hallo, sind Sie Frau Armdran?“
- „Äh – nein, aber ich kann Sie `reinlassen“, entgegnete Martina.
Sie sperrte die Haustür auf.
- „Wir sind von der Polizei beauftragt, einen Schließzylinder bei Frau Armdran auszuwechseln und die Tür zu reparieren.“

‚Das trifft sich ja bestens’, dachte sich Martina und forderte die beiden auf:
- „Denn kommen S’e `mal hoch!“
Die beiden Handwerker setzten polternd ihre Werkzeugkoffer auf den Boden vor Magdas beschädigter Wohnungstür ab und begannen mit der Arbeit. Martina warf in Magdas Küche die Kaffeemaschine an und stellte den Handwerkern Tassen auf den Tisch. Sie wollte ursprünglich nur sich selbst eine Tasse zubereiten, doch besann sie sich und bot auch den beiden Kaffee an als ‚vertrauensbildende Maßnahme’, wie sie sich im Geheimen dachte.

Nach kurzer Zeit war der Schließzylinder ausgetauscht und alle Aufbruchspuren beseitigt. Der Wortführer unter den beiden Arbeitern sagte:
- „Hier ham’ S’e die Schlüssel und quittieren S’e mir hier!“
- „Ja klar, mach’ ich, vielen Dank!“
Die beiden tranken schnell den Kaffee aus, bedankten sich, und Martina quittierte den Erhalt der drei Schlüssel und die ordnungsgemäße Ausführung der Arbeiten.

Kaum waren die Handwerker entschwunden, wollte Martina zur Tat schreiten. Sie trat zu dem von Gangolf geschreinerten Senderschränckchen und suchte nach dem Kabel, das zur nächsten Steckdose führte. Gerade noch rechtzeitig bevor sie den Stecker zog, kam es ihr in den Sinn, daß es zu diesem Zeitpunkt doch recht ungünstig wäre, den Sender auszuschalten, denn zuvor müßte Magda den Akku ihrer elektronischen Fußfessel aufladen, damit das Funksignal dann wieder davon ausgehen konnte. Freilich zog sie in Erwägung, Magda auflaufen zu lassen, sie könnte ja den Beamten angeben, sie habe vergessen, den Akku aufzuladen und deshalb wäre das Signal nicht mehr bei der Überwachungsstelle angekommen, andererseits wollte sie die Aufregung so kurz vor der geplanten gemeinsamen Urlaubsreise nach Italien vermeiden.

‚Aber danach ist damit Schluß, dann soll Magda wieder ihre schöne Fußfessel aktivieren, sie darf sich damit jetzt im gesamten Landkreis aufhalten, also auch zu mir nach Laukuv kommen, dann gehört sie ganz mir’, feixte Martina.
Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit spülte Martina die Kaffeetassen ab, entfernte das Filterpapier mit dem Kaffeesatz und verwischte alle Spuren, die auf ihre Anwesenheit Rückschlüsse gäben. Schließlich sperrte sie ab und versteckte zwei der drei Schlüsselein unter der Fußmatte.

Nachdem Bettina, Magda und Gangolf einen angenehmen erholsamen Nachmittag in Gangolfs Wohnzimmer in Wesserbarg verbracht hatten, nahm Bettina Magda in ihrem schnuckeligen roten Wägelchen nach Lüggen mit. Sie registrierte überhaupt nicht mehr, daß sie ziemlich unangezogen daherkam, sie fühlte sich in der warmen Abendluft ohne Beinkleid so angenehm wohl, das Schrittband gab ihr das Gefühl der Geborgenheit, unbewußt meinte sie, durchaus mit einer Hose bekleidet zu sein.

Gangolf verabschiedete sich von den Damen, und nachdem diese eingestiegen und vom Hof gefahren waren, schlappte er in den Stadel zu seinen Booten. Er nahm sich sein mittlerweile vollständig getrocknetes Rennkajak von den Gabeln, um eine Runde um die Insel zu drehen.
‚Wie kann man nur so ängstlich sein’, dachte sich Gangolf und hatte Magdas angsterfülltes Gesicht vor Augen.

‚Aber auch die Tini, turnt da einfach halb aus der Luke und wundert sich dann, daß sie umkippt.’
Freudevoll schwang Gangolf sich in die Schale und nach ein paar kräftigen Paddelstichen öffnete sich vor ihm der im milden Abendlicht schimmernde See. Er hätte nicht gedacht, daß hinter dem friedlichen Firmament ein ganz unerwartetes Erlebnis auf ihn wartete.

- „Sieh’ doch mal hier!“, rief die Vogelkundlerin Inge Langohr zu ihrer Kollegin Barbara Bär, „auf der Insel gibt’s doch richtig große Tiere, schau mal, wie hier das Gras auf der Lichtung zusammengetreten ist. Die Spur führt bis in die Ecke da von der Lichtung!“
Barbara Bär war einige Schritte hinter Inge Langohr und war noch damit beschäftigt, sich mit ihrer sperrigen Ausrüstung durch den Bruchwald zu kämpfen. Als sie neben Inge aus dem Buschwerk auf die Lichtung trat, betrachtete sie Inges Entdeckung, pflichtete ihr bei und ergänzte:

- „Erstaunlich, daß das Tier, was es auch immer ist, dort hinten umgedreht ist und anscheinend den Weg hier genau wieder zurück genommen hat, nach hier, wo wir jetzt stehen!“
- „Nun ja, bauen wir hier unser Zelt auf, es wird schon kein Bär gewesen sein“, meinte Inge, „und eine Bärin hab’ ich ja schon.“

Die beiden jungen Naturforscherinnen luden das schwere Gepäck von ihren Schultern ab und bauten das kleine Zelt auf der Lichtung auf.
- „Ein toller Platz hier,“ träumte Barbara, „so mitten auf einer einsamen Insel, mitten in der ungestörten Natur, hier können sich Pflanzen und Tiere noch vollkommen unbeeinflußt von den Menschen entwickeln.“
- „Machen wir gleich noch einen Streifzug über die Insel, bevor es dunkel wird“, schlug Inge vor, nachdem sie das Zelt aufgestellt hatten.
Beide hatten die Ausmaße der Insel unterschätzt, vielleicht auch die Beschwernis der Fortbewegung durch das dicht stehende Unterholz, das Ergriffenwerden von der unberührten Natur.

--

Magda und Bettina standen vor einem Problem, jede vor dem ihrigen. Immerhin gelang es, Bettinas’ verhältnismäßig einfach zu lösen.
Beim Aussteigen wurde es Bettina nun doch bewußt, wie sie fast im Adamskleid am Steuerknüppel ihrer Raumkapsel saß, und es wurde ihr etwas unwohl bei dem Gedanken, daß jemand sie, die Frau Pfarrerin, hier begegnete, sobald sie ihre zarten Füßchen auf die Oberfläche des städtischen Bodens gestellt haben würde.
Magda fand die Lösung: „Zieh’ dir doch meine Motorradhose an, die du mitgebracht hast aus Laukuv.“

Bettina atmete erleichtert tief durch, im Schutz der geöffneten Fahrertür stieg sie erstmals in eine Lederhose, noch dazu in eine speziell für das Motorradfahren geschnittene. Der Geruch des Leders stieg ihr in die Nase, sie konnte sich des Zustands der Erregung nicht erwehren. Da die beiden Mädels die gleiche Statur hatten, paßte Bettina die Hose perfekt; sie betastete die dicken Kniepolsterungen und führte ihre Hände weiter nach oben über die Innenseiten der Oberschenkel bis in den Schritt, wo sie die Härte des Chasti durch das Leder hindurch spüren konnte.
‚Das auch noch, Herr, laß’ es Abend werden’, sandte die Frau Pfarrer ein Stoßgebet gen Himmel, ‚reicht es nicht, daß mich Gangis Kajak ganz aufgegeilt hat, trotz oder gerade wegen der Panne, die Feuchtigkeit unten herum, o Herr, dein sechstes Gebot, vergib’ mir, und jetzt auch noch der Duft des Leders!’
Bettina ahnte natürlich nicht, daß sie ihr Stoßgebet zu früh versprüht hatte, denn sie würde gleich noch ganz andere Gebeterhörungen benötigen, um Magdas Problem zu lösen.

Nachdem nun Bettina auch unten herum eingekleidet war, nahm Magda die Motorradjacke von der Rückbank und zog diese an. Auf diese Weise hatte sie die Hände für die Mitnahme ihres Helms, der Handschuhe und Stiefel frei. Wie die Raumfahrer nach beendeter Mission entfernten sie sich von Bettinas einer Raumkapsel gleichendem Fahrzeug und schritten in ihrem seltsamen Kostüm zu der Haustür.


Magda entsann sich sofort wieder an ihren Englisch-Unterricht, an die dramatischen Worte der amerikanischen Mondfahrer im Apollo 13-Raumschiff:
‚ Houston, we’ve had a problem.’
Sie konnte zwar problemlos die Haustür wie gewöhnlich aufsperren, an ihrer Wohnungstür oben scheiterte sie jedoch. Erstaunt stellten die beiden Emporkömmlinge, die Astronautinnen der Stadt Lüggen fest, daß das Schloß ausgetauscht worden war.

- „Da schau’, Nisselpriem hat bereits den Schlosser geschickt, so `was Blödes, jetzt wie sollen wir da `rein kommen?“ funkte Raumfahrerin Tina an ihre Kollegin Magda.
Magdas Gedanken umkreisten weiterhin das Apollo 13-Raumschiff. Sie meinte scharfsinnig:
- „Die Apollo 13-Besatzung >hatte< ein Problem, dagegen >haben< wir eines.“

Nach dieser nicht zielführenden Bemerkung zog Bettina ihr i-Pad heraus und funkte zur hiesigen Polizeistation:
- „Hier Litte, wir haben ein Problem. Ihr Chef Nisselpriem schickte anscheinend einen Schlosser vorbei, unser Wohnungsschloß auszuwechseln, ohne uns Bescheid zu geben und nun stehen wir vor verschlossener Tür.“
- „Haben Sie denn keine Schlüssel erhalten?“, kam postwendend die geistreiche Frage.
- „Nein, sagte ich doch, dann hätten wir kein Problem und wir hätten nicht ihre geschätzte Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Jetzt sehen Sie zu, daß Sie zu einer Lösung kommen, rufen Sie ihren Chef an, Frau Armdran möchte jetzt endlich in ihre Wohnung, die ihre Kollegen haben stürmen lassen.“
- „Was quatschen Sie da daher?“ raunzte das Gegenüber.
- "Werden Sie nicht unverschämt, ihre Kollegen haben gestern die Wohnungstür aufbrechen lassen, Frau Armdran mußte auswärts nächtigen, und jetzt kann sie überhaupt nicht mehr in ihre Wohnung!“
- „Gut, ich werde mich darum kümmern“, gelobte der Beamte, „ich ruf’ zurück, sobald ich `was in Erfahrung bringe.“

Entgegen ihres sonstigen Wesens wurde Magda etwas ungeduldig: „Ruf’ doch nochmals Gangi an, ob wir nochmal zu ihm kommen dürfen.“
Bettinas Ärger wuchs: ‚Jetzt nochmals zu Gangi hinauszuckeln, um Magda bei ihm abzuliefern, dann wieder zurück und nach Laukuv, am Ende geht mir noch der Strom aus.’
Sie warteten eine ganze Weile, ohne daß der Polizist zurückgerufen hätte.

‚Sollte sie den Volltrottel nochmals anrufen und ihm die Hölle heiß machen?’, überlegte sich Bettina, ‚doch was würde es nützen, er konnte ja auch nichts dafür, daß der Schlosser anscheinend abzog und niemand weiß, wem er die Schlüssel gegeben hatte. Nachdem die Polizei diesen beauftragt hatte, müßten eigentlich die Schlüssel bei der Polizei sein.’

Gangolf nahm nicht ab. Er hatte sein Smartphone nicht eingesteckt. Überhaupt hatte er im Augenblick ganz andere Probleme.

Kaum hatte Bettina ihr Funkgerät wieder eingesteckt, erschrak sie förmlich über den scharfen Klingelton:
- „Hier nochmal Müller, Polizeirevier Lüggen. Ich habe in Erfahrung gebracht, daß die Handwerker die Schlüssel an die Mitbewohnerin von Frau Armdran aushändigte, leider kann man die gekritzelte Unterschrift nicht gut lesen, aber es könnte Weiß heißen.“
- „Aha, danke, Sie haben uns sehr geholfen.“

- „Wie kommt denn die dazu, die Schlüssel zu nehmen“, sprach Bettina ihre Gedanken laut aus.
- „Was ist denn passiert?“, wollte Magda wissen, „wer hat denn die Schlüssel genommen?“
- „Na, Martina natürlich, offenbar war sie da, wahrscheinlich haben sie sie angerufen zu kommen, du bist ja nicht erreichbar, Gangi muß dir unbedingt dein altes Handy in Gang setzen, sonst kriegst du Ärger, hast ja den Nisselpriem gehört, aber zu blöd auch, daß Martina dann nicht mich verständigt hatte. Also komm’, fahren wir zu uns nach Hause.“
Magda war betrübt. Sie hatte sich so auf ihre vertrauten eigenen vier Wände gefreut.
Sie wagte den Widerspruch: „Ich warte hier lieber, bis du wieder kommst.“

- „Nein,“ entgegnete Bettina in einem schärferen Tonfall, als sie es gewollt hatte, „ich will dann nicht wieder hin- und herfahren, ich habe morgen früh einen Termin, da kann ich dich dann nach Lüggen zurückbringen. Martina wird dich schon nicht umbringen.“
Je näher sie nach Laukuv kamen, desto nervöser wurde Magda. Früher wog ihre Begierde nach Unterwerfung ihre Angst wegen der Schmerzen auf. In letzter Zeit überwog indes die Angst und die Waagschale schien sich immer weiter auf deren Seite zu neigen. Vor allem vermißte Magda die tröstenden Worte und Handlungen nach einer schmerzhaften Unterwerfung. Sie würde Gangolf vermissen, das wußte sie jetzt schon.
‚Wie würde die Herrin reagieren, wenn sie heute erstmals nach ihrer Flucht wieder zusammentreffen?’, grämte sie sich.

Die Ladeanzeige von Bettinas Elektroauto wanderte bedrohlich in den roten Bereich, eine Display-Schrift loderte auf mit den mahnenden Worten, langsam zu fahren und Beschleunigungen zu vermeiden. Bettina drosselte das Tempo und zeigte mit dem Finger auf das Display: -
- „Da, lies’ `mal, da wären wir zu Gangi gar nicht mehr hinausgekommen.“
Im Fahrradfahrer-Tempo schlich Bettina zu dem Platz vor der Ladesäule; als Magda ausstieg und damit das schützende Blech des Fahrzeugs verließ, lief sie kreidebleich an. Bettina hantierte mit dem Ladekabel herum, als sie fertig war, watschelte Bettina wieder in der zu ihrem T-Shirt verhältnismäßig dicken Motorradhose zur Haustür, während Magda an ihrer Seite die Motorradjacke und den Helm im Auto zurückließ. Magda wurde es mulmig, mit Schrecken dachte sie an Wilhelm Buschs brutale Verse:

‚Max und Moritz wird es schwüle, denn nun geht es nach der Mühle.’
In ihrer Not preßte Magda heraus: „Ich will nach Afrika Brunnen graben!“
‚Dreht sie jetzt ganz durch?’ überlegte sich Bettina, ‚die hat ja wirklich tierische Angst, was ist nur passiert da unten in dem verdammten Keller.’
Als die beiden jungen Frauen auf dem Weg zu dem Haus entlanggingen, machte sich Bettinas i-Pad bemerkbar; es war indes kein Klingelton und auch kein gewöhnlicher Ton einer Benachrichtigung. Bettina zog das Gerät aus ihrer Tasche und studierte die Inschrift, die auf dem Display auftrauchte:
>Verbinden Sie ihr i-Pad sofort mit dem Ladegerät, um den Akku aufzuladen!<

- „Ja so was“, murmelte Bettina vor sich hin, „geht denn heute überall der Strom aus.“ Und wieder dachte sie daran, daß es nun bald Abend werden möge. Doch der Tag hielt noch eine Neuerung für sie bereit.











85. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 25.03.22 05:41

Da ich heute verreisen muß, kommt die wöchentliche Fortsetzung bereits jetzt am frühen Morgen!

46

Entgegen seiner ursprünglichen Absicht, die Insel zu umrunden, überlegte es sich Gangolf und wollte nun direkt zur Insel paddeln, denn es wurde schon bedrohlich dunkel; die Sonne ging im September deutlich früher unter als im Frühsommer. Als er in die schmale schilffreie Einfahrt zu dem Steg einbog, gewahrte er einen Ruderkahn, der dort ange­macht lag.
'Was ist denn das', empörte sich Gangolf innerlich, 'das hab' ich ja noch nie erlebt'.

Mit Mühen dirigierte er sein schmales Kajak an die andere Stegseite, hier reichte das Schilf fast bis ganz an den Steg heran, so daß er in dem kippeligen Boot große Navigationsprobleme bekam.
Als Gangolf die Lichtung erreichte, traute er seinen Augen nicht: Hier stand eindeutig ein Zelt! Er blieb stehen und lauschte. Er vernahm kein anderes Geräusch als jenes der Vögel, welches immer in den Abendstunden in dem Bruchwald herrschte. Langsam schritt er näher, als er immer noch nichts hörte, trat er vor das Zelt, bückte sich und zog den Reißverschluß an der Stirnseite auf. Er erkannte darinnen zwei schmale Luftmatratzen und zwei große Rucksäcke. Auf der Seite lag ein Photo-Stativ und eine große Umhängetasche. Die Rucksäcke schienen noch nicht ausgepackt worden zu sein, sie standen auf­recht prall gefüllt.

'Sehr seltsam,' dachte sich Gangolf, 'denen werd' ich was sagen, hier mitten im Naturschutzgebiet zu campieren'. Daß er selber vorhatte, sich dort ein kleines Zelt aufzustellen, war ihm zwar durchaus bewußt, als Eigentümer der Insel hatte er indes kein Problem damit, sich dieses Recht herauszunehmen. An einen der beiden Rucksäcke baumelte ein Ausweistäschlein; hinter dem durchsichtigen Plastik erkannte er in dem düstern Abend­licht einen behördlichen Ausweis:
>Barbara Bär, untere Naturschutzbehörde, Umweltamt Lüggen<.
- "Verdammt", stieß Gangolf einen leisen Fluch aus, "das hat mir g'rad noch g'fehlt."

Gangolf verschloß das Zelt wieder und ging weiter zu der Stelle, wo er seine Schatzkiste vergraben hatte. Da er bereits ahnte, daß es diesbezüglich zu Komplikationen kommen wür­de, nahm er gleich mehr Scheine heraus als sonst. Diesmal verteilte er bedeutend mehr Laub und Geäst auf den Kistendeckel, denn es bestand die reelle Gefahr, daß die Natur­schutzfrau auf die Idee kam, auf der Lichtung herumzuschnüffeln.
- "Barbara Bär", murmelte Gangolf vor sich hin, als er den Rückweg zum Steg antrat und er reflektierte: 'Wie kann man seiner Tochter den Namen Barbara geben, wenn man schon Bär heißt.'
Mit diesen Gedanken bestieg Gangolf sein Kajak, stieß sich vorsichtig von dem Steg ab, drückte sich mit dem Paddel ab, so daß er vom Schwung rückwärts fuhr. Einmal mußte er dann noch nachdrücken, bis er aus der schmalen Einfahrt heraußen war und auf der offenen Seefläche wenden konnte, um in Vorwärtsfahrt sein heimatliches Ziel entgegenzustreben.


Erstaunt stellten Bettina und Magda fest, daß Martina noch nicht zu hause war.
- "Vergnüge dich mit irgend etwas, du kennst dich ja aus hier, Zeitschriften oder Bücher, oder schalte den Fernseher ein, was du halt willst", forderte Bettina Magda auf, "ich muß noch `was vorbereiten für morgen."

Magda blickte Bettina mit großen fragenden Augen an.
- "Hast du `was auf dem Herzen?", fragte Bettina.
- "Ja, bringst du mich bitte in den Keller und sperrst mich da ein, daß ich geschützt bin von der Herrin, und sagst ihr gar nichts von mir, ich hab' so Angst vor ihr, weil ich doch geflüchtet bin."
- "Ach, du Ärmste, aber gut, wenn du meinst."
- "Du bist so gut zu mir, ich hätte dich gern zur Herrin."

Schweigend stiegen sie in den Keller, kaum waren sie in dem Abteil, zog Magda schnell ein paar Seile aus einem Regalfach und setzte sich in die Kartoffelkiste. Sie plazierte die Unterschenkel auf den Kistenrand, so daß ihre Füße nach vorn aus der Kiste herausbaumelten, und winkte der verblüfften Bettina mit den Seilen.

- "Ach bitte, fessel mich, du kannst das ganz sicher ganz gut."
- "Ähm, wie soll ich das machen, so `was habe ich noch nie getan", versuchte sich Bettina herauszuwinden. Andererseits war sie immer noch in einer besonderen Weise leicht erregt, die lederne Motorradhose, das Kajak-Erlebnis, alles erstmalige Erfahrungen für sie, da paßte zum krönenden Abschluß des Tages ein erstmaliger Fesselversuch an der devoten Magda.

- "Zuerst die Hände zusammen", forderte Magda Bettina auf und streckte ihr die mit den Innenflächen aneinanderliegenden Hände hin, "und immer kräftig die Knoten zubinden."
Bettina wickelte das Seil mehrmals um die Handgelenke und verknotete dann die Enden.
- "Führe jetzt das Seil zwischen den Händen hindurch, zwischen den Zwischenraum."

Für Bettina war diese Art von Handarbeit vollkommen ungewohnt, ein Erstversuch. Magda beugte sich weit nach vorn, so daß ihre gefesselten Hände auf den Fußknöcheln zu liegen kamen.
- "Und nun die Hände an die Füße binden."

Bettina mußte sich eingestehen, daß ihr das Fesseln Spaß bereitete, sie begann zu verstehen, warum Martina das so gerne tat. Allerdings würde sie Magda niemals quälen wol­len, ihr Schmerzen bereiten. Sie verknotete, wie von Magda gewünscht, deren Hände an die Füße.

- "Und was jetzt?", wollte Bettina wissen. Magda zog die Beine an und bewegte die aneinandergefesselten Hände und Füße in die Kiste.
- "Jetzt zieh' das Seil unter meinen Hintern durch nach hinten und verknote es am Hüftband vom Chasti."

Das war nun nicht mehr so einfach, denn Magda füllte die Kiste ihrer gesamten Breite mit ihrem Körper aus. Irgendwie gelang es Bettina, das Seil durch Magdas Schritt nach hinten zu ziehen und entlang des hinteren Teils des Schrittbands hinauf zu dem Hüftband zu führen. Sie verknotete es, doch Magda meinte:
- "Das ist zu locker, bitte zieh' das Seil straffer, damit ich mit den Füßen nicht mehr aus kann."
- "Wenn du meinst, aber bedenke, daß die Nacht lang wird, hältst du das denn wirklich aus?"
- "Ja, solange ich nicht den blöden Würgeknebel `reingewürgt kriege, ich freue mich schon so, die ganze Nacht in der Kiste, und die Herrin weiß gar nichts davon!"

'Mein Gott, wie kann man nur so sein', dachte sich Bettina, öffnete nochmals den Knoten, zog an dem Seil, bis Magda rief:
- "So ist es gut, danke."
Magda prüfte, ob sie sich bewegen konnte und auch, ob das Seil nicht einschnitt. Bettina hatte gute Arbeit geleistet.

- "Und jetzt verschließ' bitte noch die Kiste und spanne mehrmals die dicken Seile außen herum, weil das Schloß, also die oberste Leiste, herausgebrochen ist."
Sie preßte den Kopf ganz weit hinunter, so daß ihre Wangen zwischen den Knien zu liegen kamen. Bettina klappte den Deckel auf die Kiste; jetzt verstand sie, was Magda meinte mit der herausgebrochenen Leiste. Sie nahm ein dickeres Seil, führte es zwischen Kisten- und Fußboden hindurch, dann wieder nach oben, das mehrmals, und verknotete schließlich die Enden. Probehalber drückte Magda ihren Kopf nach oben, der Kistendeckel gab nicht nach, Magda war nun tatsächlich fest in der Kiste eingeschlossen.

Bettina war nicht recht wohl bei der Sache, daß ihr erster Bondage-Versuch gleich eine Langzeit-Fesselung sein würde:
- "Ist das wirklich in Ordnung so?"
- "Ja, prima, danke, danke für alles, so ist das wunderbar für mich, danke, Herrin Bettina."
- "Lasse das mit der Herrin, ich bin nach wie vor deine Freundin und nichts mehr oder weniger. Nun gut, wenn dir das so gefällt, dann hab' eine Gute Nacht!"
- "Danke, du auch, und sag' nichts der Herrin Martina."


Bettina beschloß, noch eine Weile in dem Kellerabteil zu bleiben, falls Magda es sich doch noch anders überlegen sollte. Doch aus der Kiste war zu hören:
- "Nun geh' schon hoch, die Herrin wird bald kommen."

Bettina öffnete den Abteilverschlag und ging hinaus. Für Magda war es der höchste Genuß, als sie hörte, wie die Angeln leicht quietschten, bis das Holz an der Anschlagkante aufschlug. Ihre Erregung steigerte sich zum Höhepunkt, als sie hörte, wie der Bügel des Vorhängeschlosses einrastete.

Bettina blieb noch einige Minuten in dem Kellergang vor dem Abteil stehen und lauschte, ob Magda nicht doch noch einen Verzweiflungsschrei ausstieße. Ihr kam das düstere Lied vom Brunnen vor dem Tore in den Sinn, mit der makaberen Aufforderung des davor stehenden Lindenbaums, sich darein zu stürzen. Doch sie vernahm weder das Rauschen eines Baumes, noch das Plätschern des Wassers, auch nicht Magdas verzweifeltes Flehen aus der Kartoffelkiste. Leisen Schrittes stieg sie in die Wohnung hinauf.

Martina wählte Bettinas Nummer, die Computer-Stimme quakte aus dem winzigen Hörer: >The number you have called is temporarily not available<.
‚Typisch Pfarrer,’ schimpfte Martina, als sie diesen Spruch aus ihrem Kästchen in der Hand hörte, ‚wenn man sie einmal braucht, sind sie nicht erreichbar.’
Dann rief sie Gangolf an. Im Gegensatz zu Bettina nahm dieser sofort ab und berichtete, daß Bettina und Magda vor kurzem aufgebrochen waren und jene zu Magdas Woh­nung bringen wollte. Wie üblich beendete Martina grußlos das Gespräch.
‚Na, wenigstens ist die Sklavin wieder in ihrem Stall’, erfreute sich Martina und schickte sich an, nach Hause zu fahren.

Als Martina in ihre Wohnung kam, bemerkte sie, daß es in allen Zimmern bereits dunkel war, nur aus dem Schlafzimmer fiel ein schwaches orangefarbenes Licht auf den Flur. Wenn Bettina vor Martina zu Bett ging, ließ jene das Licht brennen, damit diese leichter zum Bett fand. Umgekehrt vollbrachte Martina diese kleine Gefälligkeit nicht.

Das Entkleiden ging nicht geräuschlos vonstatten, Martina gab sich kaum Mühe, dabei leise vorzugehen. Prompt erwachte Bettina aus ihrem ersten Schlaf, die beiden Frauen kuschelten sich aneinander. Doch Martina war nicht nach Kuschelsex, es wurmte ihr, daß sie immer noch nicht Magdas Flucht an dieser gerächt hatte. Als sie Bettinas Brustnippel zu fassen bekam, drückte und zog sie an ihnen, bis diese rief:
- „Au, du tust mir weh, zieh’ doch nicht so fest.“

Martina raunzte nicht ganz ärgerfrei zurück: „Ach, du hältst ja wirklich gar nichts aus!“
Bettina konterte: „Damit verdirbst du mir die ganze Lust.“
Martina ließ los und drehte sich um, mit den Rücken zu Bettina.
- „Jetzt sei doch nicht gleich beleidigt“, sagte Bettina und streichelte Martinas Rücken. Doch diese entgegnete barsch:
- „Laß’ mich doch in Ruhe.“
Daraufhin drehte sich auch Bettina zur Seite, so daß die beiden Lesben nun Rücken an Rücken in dem breiten Doppelbett zu liegen kamen.

Nach kurzer Zeit fiel Bettina in einen leichten Schlaf, während es Martina nicht gelang, einzuschlafen. Sie verließ das Bett und kleidete sich im Schein des Nachtlichtes an. Sie versuchte zwar, dabei möglichst leise vorzugehen, denn sie wollte ihr Verschwinden geheim halten. Bettina erwachte dennoch und bemerkte mit blinzelnden Augen, wie Martina das Schlafzimmer verließ. Sie dachte sich nichts weiter dabei und drehte sich auf die an­dere Seite, um wieder einzuschlafen. Als die Wohnungstür mit ihrem charakteristischen Geräusch in’s Schloß fiel, wurde Bettina hellwach.
‚Wo will die denn hin, jetzt mitten in der Nacht?’, überlegte sie sich und setzte sich auf.

‚Ich werd’ `mal lieber in den Keller sehen’, beschloß Bettina, schwang die Beine aus dem Bett und zog sich an. Beruhigt stellte sie fest, daß der Schlüsselbund für den Keller noch am Haken hing. Sie nahm diesen an sich und stieg die Treppe hinab. Ohne das ohnehin nur sehr kurze Zeit brennende Kellerlicht anzuschalten tastete sie sich durch den dunklen Gang; vor dem Abteil, in welchem Magda in der Kiste eingesperrt lag, hielt sie inne und lauschte. Es war vollkommen still, Bettina stocherte mit den Schlüsseln in dem Vorhängeschloß herum, bis den richtigen gefunden hatte. Diese Zeremonie war schon beim Lichtstrahl der Kellerfunsel nicht einfach, im Stockdunkeln ein mehrfaches schwieriger.

Nachdem das Schloß aufsprang, schob Bettina millimeterweise den Verschlag nach innen, um den Angeln kein Quietschen zu entlocken. Sie nahm sich vor, Gangolf zu bitten, die Angeln zu ölen und auch die Brenndauer des Lichtes an dem Treppenlichtautomaten länger zu stellen. Als sie endlich den Verschlag soweit geöffnet hatte, daß sie in das Ab­teil eintreten konnte, lauschte sie nochmals, und als sie weiterhin mit tiefster Stille um­geben war, drückte sie sich hinein und verharrte vor der Kiste, die sie vor wenigen Stun­den verschnürt hatte, mit der gefesselten Magda darinnen. Als sich Bettina zu der Kiste hinunterbeugte, vernahm sie leichte Atemgeräusche aus dem Inneren. Sie lauschte eine Weile und stellte erleichtert fest, daß mit Magda anscheinend alles in Ordnung war.
Genauso leise, wie Bettina gekommen war, schlich sie wieder hinaus und hinauf in die Wohnung.

Je näher Martina mit ihrem Lada sich Lüggen näherte, desto mehr wuchs ihre Lust, Magda einer ordentlichen Strafaktion zu unterziehen. Vor Magdas Wohnungstür mußte Martina erst eine Weile nach dem einzelnen Schlüssel herumkramen, bis sie diesen in einer Tasche fand. Diszipliniert fädelte sie den Schlüssel an den Ring, bevor sie aufsperrte. Ohne darauf zu achten, leise zu sein, stapfte sie in die Stube und entflammte die De­ckenlampe. Zu ihrer Verwunderung war Magdas Sofa leer, auch in der Küche und im Bad konnte Bettina Magda nicht finden. Ihre Verwunderung mutierte zum unbändigen Zorn, mit ihren 10-Loch-Doc Martens trat sie gegen den Tisch, daß dieser fast einen halben Me­ter weit zur Seite rutschte, ein Stuhl flog polternd auf den Boden.

Martina ließ in ihrer grenzenlosen Wut den Stuhl liegen, schaltete auch das Licht nicht aus, sondern schlug mit einem lauten Knall die Wohnungstür zu. Sie beschloß, stracks zu Gangolf hinauszufahren, um diesem den Marsch zu blasen:
- „Was lügst du mich an“, schimpfte sie auf dem Weg zu ihrem Jeep, „Scheißkerl, mit dir habe ich ein Hühnchen zu rupfen, du meinst wohl, daß du den Scheiß-Sender mit deinen Scheiß-Freunden da hingestellt hast, jetzt dir meine Magda zu schnappen, die gehört immer noch mir; warum hast du ihr überhaupt eine nigelnagelneue Lederkombi gekauft, mir hast du keine geschenkt, Scheißkerl-Magnus!“

Am Fahrzeug angekommen beendete Martina ihr Selbstgespräch, schwang sich auf den Fahrersitz und schlug die Tür vernehmlich zu. Während des Anlassens des Motors, das dieser wie üblich mit knallenden Geräuschen und einer gewaltigen Abgasfahne quittierte, beruhigte sich Martina wieder und fuhr dann doch wieder nach Laukuv zurück.
‚Den nehm’ ich mir irgendwann später vor’, schwor sich Martina und trat hemmungslos auf’s Gaspedal.

- „Bleib’ `mal stehen“, zischte Inge ihrer Kollegin in’s Ohr und zeigte durch das Unterholz auf die Lichtung, der sie sich nach langem Umherirren näherten. Auch Barbara gewahrte jetzt die Person, die sich da auf der Lichtung vom Boden erhob und an ihrem Zelt vorbeiging, um am entgegengesetzten Ende in dem Wald einzutauchen. Die beiden Vogel-Beobachterinnen blickten sich stumm an, nach einer Weile gingen sie weiter. Auf der Lichtung angekommen konnten sie aufgrund der hereinbrechenden Dunkelheit keine Einzelheiten mehr erkennen und sie beschlossen, am nächsten Tag nachzusehen, ob sie von dem Fremden irgendwelche Spuren vorfänden.

Gangolf genoß derweil seine Fahrt über den See, dessen Oberfläche spiegelglatt sich vor ihm ausbreitete. Wieder konnte er das faszinierende Farbenspiel beobachten, wie sich im Westen der Tag mit einem schmalen hellen Streifen verabschiedete, während sich im Osten bereits ein sternenklarer tiefdunkler Nachthimmel ausbreitete. Ihm kam das alte Gute-Nacht-Lied in den Sinn, von den Vögelein, die Schlafen gehen, und schließlich auch das Menschenherz, das gleichfalls einmal Schlafengehen würde.

‚Sentimentaler Unsinn’, schalt er sich selber und dachte im Geiste an die Naturkundler, an Barbara Bär, wer die oder der zweite war, wußte er nicht. ‚Ob die auch an die Vögelein denken, die Schlafengehen?’
Tatsächlich verstummte das sirrende Geräusch, von welchem Gangolf auf der Insel umgeben war, einerseits, weil es nun wirklich dunkel wurde, andererseits natürlich auch, weil er sich jetzt weit entfernt zwischen Insel und Festlandufer befand.

Während er sich ein Bier aufmachte und sich auf sein Sofa fläzte, dachte Gangolf kurz an Magda, daß diese nun wieder in ihrer Wohnung nächtigen würde; er ahnte natürlich nicht, wie falsch er mit seiner Vermutung lag. Und er ahnte natürlich auch nicht, daß er auf der Insel beobachtet worden war.

Und Magda litt in ihrer engen Behausung unter dem Alptraum, in einem Brunnenschacht ausharren zu müssen, in welchem das Wasser unaufhörlich anstieg.

Und Martina gönnte sich mehrere Schnäpse, bevor sie sich zu Bett begab.

Und Bettina schlief wieder ein mit dem Vorsatz, am nächsten Morgen Martina nach den Schlüsseln für Magdas Wohnung zu fragen.

- „Seid bloß froh, daß ich zufällig zu Magdas Wohnung kam, als die Schlosser da waren und das Schloß austauschten,“ zischte Martina am nächsten Morgen, „ihr wart ja wohl nicht erreichbar! Die Schlüssel hab’ ich unter die Fußmatte gelegt vor der Tür, ihr seid ja so bescheuert, da sieht man doch als erstes nach.“
‚Wer ist von uns bescheuert’, ärgerte sich Bettina im Stillen, doch sie wollte keinen Streit vom Zaun brechen und schwieg. Sie mußte sich eingestehen, daß ihre Beziehung zu Martina immer belastender wurde und es würde ihr schwer fallen, weiterhin echte Liebesgefühle ihr gegenüber zu entwickeln, sollte diese weiterhin sich so gehässig verhalten.

86. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 01.04.22 21:47

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Gangolf führte mehrere Telephongespräche. Bei dem Umweltamt in Lüggen erkundigte er sich nach einer Barbara Bär, die Angestellte der "Unteren Naturschutzbehörde" sei. Tatsächlich wurde ihm bestätigt, daß diese eine Praktikantin sei und sich zusammen mit ei­ner Kollegin auf der Insel des Röthener Sees befände, um das Verhalten der Natur, insbesondere der Vögel, in Bezug auf die Klimaveränderung zu studieren. Ihre Anwesenheit in dem Naturschutzgebiet wäre legal, während er, wenn auch Eigentümer, die Insel nicht betreten dürfe.

Nach dieser ernüchternden Antwort rief Gangolf im Krankenhaus auf der Station an, in welcher er gelegen hatte. Er fragte nach der Schwester Ramona, erhielt jedoch keine befriedigende Antwort. Sie wäre damals aushilfsweise auf der Station gewesen und sei nun seit längeres Zeit wieder zurück, doch man wollte oder konnte ihm nicht sagen, wo Ra­mona jetzt sei.

Schließlich rief Gangolf in der Krankenhausverwaltung an. Dort wollte man von ihm erst einmal Ramonas Zunamen wissen; da er diesen nicht kannte, bedauerte die Dame am Telephon, daß sie ihm nicht weiterhelfen konnte.
- „Aber Sie werden doch nicht gleich mehrere Krankenschwestern mit dem Vornamen Ramona haben“, echauffierte sich Gangolf.
Die Antwort kam unverblümt: „Das nicht, aber auch mit vollständigem Namen dürfte ich Ihnen da keine Auskunft erteilen, aus Datenschutzgründen.“

Gangolf bedankte sich kurz und legte frustriert auf. Er mußte diese Frau wieder sehen. Freilich war ihm klar, daß er sie erst einmal wiederfinden müsse. ‚Sollte er sich vor dem Krankenhaus auf die Lauer legen?’, überlegte er sich kurzzeitig, doch kam ihm das doch zu blöd vor. Er beschloß vielmehr, an den beiden verbleibenden Sonntagen vor der Urlaubsreise in die katholische Kirche zu gehen; er gab vor, weiterhin durch seinen Beinbruch am Orgelspielen gehindert zu sein, um auf diese Weise die Sonntagvormittage frei zu haben.

Als Gangolf am folgenden Sonntag die katholische Kirche in Lüggen betrat, sah er Ramona nicht. Er setzte sich ganz hinten in die letzte Kirchenbankreihe, um alle Kirchenbesucher im Auge zu haben; Ranoma kam auch nicht später im Laufe der Messe herein. Nach der Messe standen einzelne Gottesdienstbesucher in kleinen Gruppen vor der Kirche zusammen; Gangolf nahm seinen ganzen Mut zusammen, trat hinzu und erkundigte sich nach einer Krankenschwester Ramona. Doch niemand wußte von ihr. Bodenlos ent­täuscht wandte er sich um und lenkte seine Schritte zu Magdas nahe gelegenem Haus.

Am Tag darauf rief Gangolf sogar im katholischen Pfarrbüro an und erkundigte sich nach einer Krankenschwester Ramona; er habe sie einmal vor ein paar Wochen in der Messe erlebt, als ein sehr alter Geistlicher gepredigt habe. Die Pfarrsekretärin gab ihm den gutgemeinten Hinweis, sich bei den Krankenhäusern zu erkundigen, sie kenne kaum einen Namen von den Gottesdienstbesuchern.

Noch einmal versuchte Gangolf sein Glück in der katholischen Kirche; an dem darauffolgenden Sonntag stand er sehr früh auf, um sein Reisegepäck zusammenzurichten. Glück­licherweise mußte er erstmals für eine Motorradreise nicht am Gepäck knausern, denn das würde im Begleitfahrzeug mitgenommen werden. Gangolf gestand sich ein, daß dies der eigentliche Grund war, daß er sich auf die Vielweiberei eingelassen hatte. Ihn nervte schon immer, daß er sich für eine mehrtägige Motorradfahrt bei der Gepäckmitnahme sehr einschränken mußte.

In der Kirche erlebte Gangolf die gleiche Enttäuschung wie am Sonntag zuvor. Von seiner angebeteten Ramona gab es keine Spur. Er ertappte sich dabei, daß seine Gedanken zu den vielen Frauen abschweiften, die er in den vergangenen Wochen kennengelernt hatte. Sein ganzes Leben hatte er noch nie so viele kennengelernt, zumindest nicht in dem kurzen Zeitraum, und auch noch nie so intensiv:

Da war zunächst Martina, die >wilde Fegerin<, wie sich diese in der Annonce der Motorradzeitschrift selbst nannte. Dann ihre lesbische Freundin Bettina, die Pfarrerin, die Gan­golf unabhängig von Martina bereits aufgrund seines Orgelspielens kennengelernt hatte. Dann kam die Magda hinzu, die Bekannte der beiden Frauen, die devote Sklavin der Her­rin Martina. ‚Ein ganz absonderliches Dreigestirn, diese drei Weiber’, dachte sich Gangolf, ‚und mit denen soll ich jetzt nach Italien fahren, ein Wahnsinn.’

Dann kam Gangolf wieder Ramona in den Sinn, die junge Frau mit den langen blonden Haaren, die ihn unvermittelt in der Kirchenbank, während der Predigt, einen Kuß gab, als der alte Prediger dazu aufforderte, ein Zeichen der Liebe zu setzen. Und diese Ramona konnte er nicht mehr treffen; Gangolf war ganz untröstlich.

Gleich darauf erinnerte sich Gangolf an die Verkäuferin Birgit in Berlin, die ihm, beziehungsweise Magda, die gesamte Ausrüstung für das Motorradfahren verkaufte. Den alten Drachen, den er vor dem evangelischen Pfarrhaus in Lüggen nötigen mußte, nochmals aufzusperren und Bettina anzurufen, verdrängte er sofort wieder aus dem Gedächtnis, ebenso die kesse Polizistin, die bei seiner Festnahme in Laukuv beteiligt gewesen war und die ihn dann wieder aus der Zelle holte, um ihn freizulassen. In diesem Zusammen­hang dachte er auch an Brauses Tochter, ihm fiel ihr Name nicht mehr ein, von deren Hausdach er abgestürzt war.

Und jetzt waren da noch zwei Naturkundlerinnen auf seiner Insel; Gangolf hatte sie noch nicht kennengelernt und er wußte nur von der einen den Namen, Barbara Bär. Er war ganz im Gedanken versunken, daß er nicht mitbekam, als das Gebet nach dem Vater-Unser beendet wurde und der Ersatz-Priester zum Friedensgruß aufrief. Der Banknachbar wandte sich an ihn, um ihm die Hand zu reichen, doch Gangolf saß regungslos da, was den Nachbarn zu einem vernehmlichen Brummen veranlaßte. Dadurch aufge­schreckt erhob sich Gangolf und holte die Handlung des Friedenzeichens nach.

‚Es ist schon verrückt’, sinnierte Gangolf weiter, ‚die, die man möchte, kriegt man nicht.’ In seinem Fall waren das Ramona und Bettina; dagegen hatte er das Gefühl, Magda zu bekommen, wenn er es wirklich wollte, vielleicht sogar Martina, wenn er sich auf deren herrische Art einließe.

Nach der Messe beeilte sich Gangolf, nach Hause zu fahren, die drei Damen würden bald bei ihm aufschlagen. Zunächst brummte Martina, daß nicht ihr geliebter Lada als Urlaubskutsche genommen würde, doch sie sah schnell ein, daß Gangolfs Golf-Kombi doch wesentlich praktischer sei; Bettinas Elektrowägelchen kam von vorneherein nicht in Be­tracht.

Als sie alles in Gangolfs Auto verstaut hatten, ernannte sich Martina als erste der drei Frauen, die als Sozia auf dem Motorrad mitfahren würde. Ihre textile Motorradkleidung unterschied sich deutlich von Gangolfs neuer Lederkombi, Gangolf freute sich insgeheim auf Magda, wenn diese mit ihrer neuen Lederkombi, jener Gangolfs gleich, hinten aufsteigen würde. Als erstes Ziel einigte sich die Vierergruppe auf Dresden; dort wollten sie im Elbterrassen-Restaurant ein spätes Mittagessen einnehmen.
Sie genossen beim schönsten nachmittäglichen Sonnenschein die Aussicht auf die Elbe und bestaunten dabei einige Kajakfahrer, die in der Strömung des Flusses schnell vorangetrieben wurden. Bettina erinnerte sich daran, daß Gangolf in Dresden seine Kajaks ge­kauft habe.
- „Ja, in der Prager Straße, da gibt es ein großes Outdoor-Sportgeschäft, die sind super ausgestattet mit allem“, bestätigte Gangolf.
- „Laßt uns da hingehen, wir haben doch noch Zeit“, schlug Bettina vor. Martina nörgelte etwas vor sich hin in Richtung Zeitverschwendung, Magda sagte dazu natürlich gar nichts, so daß Gangolf entschied:
- „Ja, das ist gar nicht so weit weg.“

Auf dem weitschweifigen Zwinger-Gelände bestaunte Magda die Wasserspiele, sie träumte davon, als Nixe in den Becken unterzutauchen. Als sie auf dem heißen Pflaster der Dresdener Innenstadt weiterschritten, bemerkte sie rasch ihr Durstgefühl, denn sie hatte nur ein kleines Glas Wasser zum Essen getrunken. Wieder kamen ihr die armen Kinder in Afrika in den Sinn, für welche sie Brunnen graben wollte.

In dem großen Sportgeschäft bestaunten die drei Frauen das riesige Wasserbecken im Obergeschoß des Geschäftes, in welchem Boote ausprobiert werden konnten. Gangolf kannte die Einrichtung bereits, doch auch ihn faszinierten bei jedem Besuch die Vielfalt an dem Angebot, das er hier vorfand. Bettina hegte bereits bei der Abfahrt aus Wesserbarg den Wunsch, sich hier einen Neoprenanzug zu beschaffen, denn sie wollte trotz ihres Mißgeschicks wieder einmal mit Gangolf Kajakfahren. Da die Witterung nach Rück­kehr von ihrem Urlaub deutlich kühler würde, wollte sie, so sehr sie das Feuchte untenherum durchaus erregend empfand, nun doch wärme- und wassergeschützt in der Schale sitzen.
Ein eifriger Verkäufer reichte ihr verschiedene Anzüge; als sie jeweils mit einem bekleidet aus der Umkleide heraustrat, präsentierte sie sich den Wartenden mit einem strah­lenden Lächeln und streifte dabei kleine Falten auf der glänzenden Oberfläche glatt. Sie sah bezaubernd in dem enganliegenden Neoprenstoff aus, Gangolf mußte an sich halten, sie nicht zu umarmen und kräftig an sich zu drücken.

Martina nörgelte wieder herum, daß man nun auch noch dieses in ihren Augen unnütze Kleidungsstück spazierenfahren müsse, doch ließ man ihre Nörglerei unkommentiert und ignorierte sie auf diese Weise.
Auf dem Rückweg zum Auto erkannte Gangolf schon von Weitem den Strafzettel, der unter dem Scheibenwischer seines Golfs hing. Schuldbewußt näselte Bettina, daß kein anderer Parkplatz frei gewesen sei und sie sich deshalb in das Parkverbot stellen mußten. Martina setzte ein hämisches Grinsen auf und dachte sich dabei: ‚Wie gut, daß ich nicht am Steuer saß und jetzt Bettina schuld ist.’

Reichlich dem Alkohol zugesprochen beschloß Martina, daß nun Magda sich als Sozia bewähren sollte. Diese schlüpfte widerspruchslos in ihre Motorradkombi und stapfte neben Gangolf zu dessen Motorrad. Zunächst hatte sie wieder Mühe, den hohen Soziussitz zu erglimmen, doch gelang es ihr, im Vergleich zur ersten Ausfahrt ziemlich unver­krampft hinten aufzusitzen.

Gangolf wollte nicht auf der Autobahn zu dem Vorort nördlich von Prag fahren, sondern im Elbetal die Sächsische Schweiz durchqueren. Bettina und Martina fuhren dagegen wieder auf die Autobahn und steuerten auf kurzem Weg das von Bettina auserkorene Nacht­lager in einem kleinen Hotel an.

Als Gangolf mit Magda die tschechische Grenze passiert hatten, mußte er sich auf den Straßenverlauf konzentrieren; wie beim Autofahren lehnte er erst recht beim Motorradfahren die elektronischen Navigationshilfen ab; „ich bin hier doch nicht mit einem Schiff unterwegs, das man navigieren muß“, pflegte er sich zu entrüsten, wenn ihn jemand diesbezüglich ansprach.

Gangolf verspürte mit jedem Kilometer, wie Magda hinter ihm entspannter wurde; diese genoß das schwingende Fahren durch die weiten Kurven in dem Elbetal. Als sie gegenüber des berühmten Basteifelsens angekommen waren, blieben sie am Straßenrand ste­hen und bewunderten aus der Ferne dieses Naturmonument. Wäre es nach Gangolf ge­gangen, hätten sie hier irgendwo übernachtet und hätten den Nachmittag und Abend da­mit verbracht, mit der rein von der Strömung ohne Motor angetriebenen Fähre auf das andere Elbufer zu gelangen und von dort aus zu der Felsengruppe hinaufzusteigen. Er kannte von früheren Besuchen das gigantische Naturschauspiel, wenn zwischen den Fel­sensäulen die Sonne untergeht; die Felsenformationen wurden dabei in ein bezauberndes Licht gesetzt, das nur wenige Minuten währte.

Bettina und Martina lagen sich bereits stundenlang in den Armen, als Magda und Gangolf endlich an der Herberge angekommen waren. Martina zürnte Bettina, daß diese ein ihrer Meinung nach viel zu kleines Doppelzimmer auserwählt hatte, doch Bettina wies die Anschuldigung zurück, daß man die Größe der Zimmer im Internet nicht ersehen konnte und daß das Zimmer für eine Nacht wohl immer geräumig genug wäre. Martina meinte natürlich, daß sich Magda in Ermangelung eines Sofas auf den Boden legen müßte, doch Bettina und Gangolf widersprachen ihr.
- „Laß’ doch wenigstens am ersten Urlaubstag `mal Magda in Ruhe“, forderte Bettina, „die ist jetzt sicher müde von der anstrengenden Motorradfahrt!“

Nachdem sich alle vier frisch gemacht hatten, setzte sich Gangolf an das Steuer und fuhr mit seinen drei Damen in die Prager Innenstadt. Sie überlegten kurz, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, doch lag ihre Unterkunft außerhalb des Straßenbahnnetzes. In Prag lenkten sie ihre Schritte zur Karlsbrücke, über welcher sie gemächlich schlenderten. Von der Burg ließen sie ihre Blicke auf die Stadt hinunterschweifen, im Abendlicht strahlte die vielhunderttürmige Stadt ihnen entgegen.

Gangolf mußte sich schwer konzentrieren, wieder zum Auto zu finden, nachdem sie auf verschlungenen Wegen durch die Altstadt gekreutzt und dabei mehrfach eingekehrt waren. Martina war bereits ziemlich abgefüllt, auch Bettina war nicht mehr ganz nüchtern, während Gangolf es bei einem Glas Bier beließ. Magda trank, wie gewöhnlich, gar kein alkoholhaltiges Getränk. In dem Hotel zurückgekehrt ließ Martina es widerstandslos gewähren, daß Magda mit auf das Zimmer von Gangolf ging. Dieser betrachtete Magdas schlanken Kör­per, bemerkte auf ihm nicht nur die bereits ziemlich verblaßten Striemen auf ihrem Rü­cken, sondern auch sondern auch Rötungen entlang des Keuschheitsgürtels, insbesondere im Taillenbe­reich.

Am nächsten Morgen sprach Gangolf das Thema Keuschheitsgürtel an und bestand darauf, daß diese entfernt werden müßten, da sie zumindest bei Magda zu deutlichem Wundreiben führten bei einer längeren Fahrt auf dem Motorrad. Martina widersprach natürlich, doch sie konnte der Argumentation nicht viel entgegensetzten, als sie selber bis­lang nur relativ kurz mitgefahren war. Gangolf sprach auch das Verletzungsrisiko an, das bei einem ohnehin schon ausreichend gefährlichen Sturz hinzukäme. Um der Debatte ein Ende zu bereiten, entschied er kurzerhand, daß er niemanden mehr mit Gürtel mitnähme, gleich wen, gleich wie lange, und daß die vom Manne ausgehende Gefahr während des Motorradfahrens wohl sehr gering sei.

Als Martina hinter Gangolf aufsitzte, konnte Gangolf durch ihre dicke Textilkleidung nicht spüren, ob sie ihren Keuschheitsgürtel trug oder nicht, es war ihm bei ihr auch gleichgültig, er wollte mit seiner Anordnung nur erreichen, daß Magda von dem Gürtel befreit würde. Das nächste Etappenziel war Wien, auch hier hatte Bettina ein kleines Hotel als Unterkunft gebucht.

Bettina fragte Magda, wie es für sie war, die lange Strecke von Dresden bis Prag auf dem Motorrad mitzufahren. Magda fiel es zunächst schwer, darüber zu sprechen. Das Thema Motorradfahren als Sozia ist im Allgemeinen eine gefühlsbetonte Angelegenheit und in ihrem Fall eine ganz besondere, da ihre ausgesprochen devote Grundhaltung die Zusammenhänge von sinnlicher Wahrnehmung, körperlicher Anstrengung, verminderte bis gar nicht gegebener Kommunikationsmöglichkeit und grenzenlosem Vertrauen in einem extrem gefühlsbetonten Licht erscheinen läßt.

Bettina faßte es in einem Wort zusammen: „Es war also einfach geil?!“
Nach dieser abschließenden Bemerkung, Frage und Antwort zugleich, schwiegen die beiden jungen Frauen eine Weile. Magda betrachtete die vorbeiziehende Natur, Bettina konzentrierte sich auf den Verkehr.
Irgendwann brach Bettina das Schweigen: „Meinst du, Gangi würde mich auch einmal mitnehmen?“
Von dieser Frage überrascht drehte sich Magda zu Bettina, diese konnte ihren Blick aufgrund des Verkehrsgeschehens nicht erwidern.
- „Ja freilich, wieso denn nicht“, gab Magda zur Antwort, „mich hatte er ja auch mitgenommen und auch Martina.“
- „Die vor allem, die hatte damit angefangen, sie sprach schon immer davon, daß sie gern wieder `mal Motorradfahren wollte. Aber ehrlich gesagt, hab’ ich schon ein bissel Schiß“, bekannte Bettina.
- „Wovor jetzt?“, fragte Magda nach.
- „Na ja, wenn das so schnell durch die Kurven geht und man kann nichts machen, als sich irgendwie festhalten.“

Bettina mußte sich eingestehen, daß sie bei dem Gedanken daran, auch einmal mitzufahren, und vor allem dabei, wie sie diese Gedanken zur Sprache brachte, eine Erregung empfand, die sich mehr und mehr zu einer Begierde steigerte, zu dem unbedingten Wunsch, wenigstens einmal dieses für sie bislang gänzlich unbekannte Gefühl der Stimu­lation durch vertrauensvolle Hingabe, körperliche Anstrengung und Gefahrbewußtseins zu erleben.
- „Nimm’ doch einfach meine Lederkombi, die wird dir schon passen, darin wirst du dich ganz wohl fühlen, da spürt man nicht den Wind so und es fühlt sich ganz gut an, das ist echt ganz toll damit“, entgegnete Magda.

- „Kannst du Gedanken lesen?“
- „Äh – nein, aber du kannst Gangi voll vertrauen, der fährt am Anfang erst einmal so ganz vorsichtig, ich hab’ mich dann erst daran gewöhnt, wenn man dann so weit oben auf dem Sitz hinten sitzt, ein irres Gefühl!“

Was Bettina nicht dachte: Auch Gangolf konnte Gedanken lesen; dieser träumte schon seit langer Zeit davon, mit ihr Motorrad zu fahren, mit ihr, der intellektuellen Pfarrerin, die sich am Tag zuvor einen Neoprenanzug gekauft hatte.

Doch zu einer gemeinsamen Bootstour sollte es nicht mehr kommen.

Der Besuch in der Wiener Innenstadt lief ähnlich ab wie jener von Prag allein mit dem Unterschied, daß sie mit einem Vorortzug bis zum Franz-Josef-Bahnhof fuhren. Wieder war Martina dermaßen abgefüllt, daß sie nicht mehr nach Magda begehrte, unfähig, eine sie erregende sadistische Handlung an dieser auszuführen.

Gangolf räkelte sich genüßlich im Bett, Magda schlief bereits neben ihm. Seine Gedanken kreisten um seine Insel, ob die beiden Naturforscherinnen wohl immer noch in ihrem kleinen Zelt sich aneinanderkuschelten. Ihm kam indes nicht im Entferntesten in den Sinn, daß die beiden jungen Frauen bei ihrer Naturerkundung eine ganz und gar unnatürliche Entdeckung machten könnten.


Liebe Leser,
erlaubt mir hier noch eine kleine Anmerkung: Die Moderatoren teilten mir mit, daß ab dem heutigen 1. April die Forum-Regeln dahingehend geändert worden sind, daß jeder Beitrag in Form einer "Story" mit Kommentaren beantwortet werden müßte, seien diese positiv oder auch negativ, denn nur so könnte der Charakter eines "Forums" gewahrt bleiben! Also gebt auch meiner "Story" ab und zu ein paar Zeilen eines Kommentars, nicht daß am Ende diese Geschichte mangels Resonanz gesperrt würde; nun je, die Coroana-Regeln verflachen ab morgen, auf der anderen Seite werden die Forum-Regeln ab dem 1. April verschärft...
87. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 02.04.22 00:24


Zitat

Liebe Leser, erlaubt mir hier noch eine kleine Anmerkung: Die Moderatoren teilten mir mit, daß ab dem heutigen 1. April die Forum-Regeln dahingehend geändert worden sind, daß jeder Beitrag in Form einer \"Story\" mit Kommentaren beantwortet werden müßte, seien diese positiv oder auch negativ, denn nur so könnte der Charakter eines \"Forums\" gewahrt bleiben! Also gebt auch meiner \"Story\" ab und zu ein paar Zeilen eines Kommentars, nicht daß am Ende diese Geschichte mangels Resonanz gesperrt würde; nun je, die Coroana-Regeln verflachen ab morgen, auf der anderen Seite werden die Forum-Regeln ab dem 1. April verschärft...


Schade, dass der 1. schon vorbei ist, allerdings wusste ich nicht, dass die verflachten Corona Regeln ein Aprilscherz sind.
Na ja, das hätte man ersten können. Der neue Kanzler scheint ja doch Humor zu haben.

Oder stimmt am Ende doch alles? Ein Gesundheitsminister, der Maske predigt und dann so einem Beschluss zustimmt? Zu, nichts als Satire…

Wie klar sind da die Verhältnisse in und um Lüggen, dem echten Leben. Oder verwechsle ich da was?

Ihr_joe
88. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von modex am 02.04.22 10:36

Kommentar, begeisterter.
Etwas off-topic:
Wenn es um die Einhaltung von sinnlosen bis sinnbefreiten Regeln geht, leben wir im richtigen Land.
Ich stelle mir gerade vor, wie 80+ Mio. Menschen an einem Novembertag um 02:37 morgens an einer einsamen Straße vor der roten Fußgängerampel im Nieselregen bei 4,7 Grad stehen und warten.
Welche Sprache sprechen diese Leute?
89. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Maurice80 am 02.04.22 13:38

Ist man jetzt nichtmal mehr hier vor sinnlosen Coronadiskussionen sicher?

Wie immer, ein schönes Kapitel. Ich warte jeden Freitag auf die Fortsetzung. Geht zwar recht langsam vorwärts, aber ist ja auch ein Roman, keine Kurzgeschichte. Bin schon gespannt wie es an den vielen Schauplätzen weitergeht.
90. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 03.04.22 12:46


In der Tat verfolgt uns das Coronas bis hierher, und es ist sogar die Ursache für diesen Roman: Geschüttelt von Depressionswellen gelang es mir im "Home office" nicht, mich auf eine "vernünftige" Arbeit zu konzentrieren, indes beflügelte mich der Masken-Masochismus zu der Phantasie, wie sich das Virus bis in zehn Jahren, dem Jahr 2030, mutieren könnte; zugegebenermaßen ist der Fortgang der Geschichte "recht langsam", immerhin scheint mir die wöchentliche Fortsetzung schier einzigartig, und so dürfen wir gespannt bleiben, wie es Woche für Woche, Monat für Monat, - Jahr für Jahr? weitergehen wird, den Anfang kennen wir jetzt, das Geschehen verläßt die "klaren Verhältnisse in und um Lüggen" !
91. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 08.04.22 22:46

Liebe Lesefreunde,
in dieser Folge kommt erstmals ein Dialekt in's Spiel: Die Urlauber haben ihr mitteldeutsches Städtchen verlassen, wo man einigermaßen verständliches Hochdeutsch spricht. Für Euch wird es jetzt schwieriger, dem Wortlaut der beteiligten Österreicher zu lesen und zu verstehen, denn es gibt kaum die Möglichkeit, die Lautfärbung des hellen a und des dunklen a in der Schrift wiederzugeben, indes ist diese Unterscheidung äußerst wichtig, um die Bedeutung des Gesprochenen zu verinnerlichen.

Gebt mir Euere Rückmeldung, wie Ihr damit zurechtgekommen seid, ob ich das so weiter schreiben kann, oder ob ich mir eine Art Übersetzung einfallen lassen muß, um den Lesefluß nicht zu sehr zu stören!



48

Am nächsten Morgen schliefen sich die Vier alle lange aus, erst kurz vor halb zehn Uhr trafen sie sich zum Frühstück. Die Küchenhilfen waren nicht begeistert, als jene erst so spät zum Essen herunterkamen, kurz vor Torschluß, denn um 10 Uhr wollten sie abräumen, doch war ihnen bereits jetzt klar, daß sie den Gästen kaum die Teller während des Abbeißens wegziehen konnten. Die vier späten Hotelgäste ließen sich bewußt Zeit, denn ihr nächstes Reiseziel war das verhältnismäßig nahe gelegene Graz. Gangolf wollte dort übernachten, er liebte die kleine Pension im Grazer Vorort Sankt Peter. Als er dort anrief, waren die Wirtsleute erfreut, ihn wieder einmal ihn zu beherbergen.

Martina war immer noch etwas geschwächt und verzichtete deshalb gerne auf den Sozia-Platz zugunsten Bettina. Sie brummte zwar etwas in der Richtung, daß doch alle drei im Auto fahren könnten und daß Gangolf sicherlich auch einmal wieder allein auf dem Motorrad säße, der Hintergrund lag indes darin, daß sie nun selbst fahren müsse. Bettina kam mit auf Gangolfs und Magdas Zimmer und borgte sich Magdas Lederkombi aus. Bei­de halfen ihr in das Leder, Gangolf bemerkte wohlwollend, daß sie nicht begürtelt war.

‚Wenigstens hier respektieren sie meine Forderung’, dachte sich Gangolf, ‚und lassen den blöden Gürtel weg, ist denn das wirklich so geil, ständig mit dem Eisen zwischen den Beinen herumzulaufen?’

Bettina und Gangolf verstauten ihr Gepäck in dem Auto und verabschiedeten sich von Martina und Magda. Wie beim ersten Mal, als Magda erstmals versuchte, auf das Motorrad zu steigen, hatte nun Bettina ähnliche Probleme. Wieder ließ sich Gangolf alle Zeit der Welt, um bloß die ohnehin bestehende Aufregung nicht durch Drängen zu erhöhen.
Langsam setzte sich die Yamaha in Bewegung, der träge Innenstadtverkehr nötigte zu ständigem Anfahren und Anhalten. Nach wenigen Minuten ließ sich Bettina hingebungsvoll auf Gangolf rutschen, sie genoß die Berührung ihrer Brüste mit Gangolfs Rücken, und sie stellte sich vor, wie es wäre, wenn sich ihre beiden Körperteile ohne das umhüllende Leder berührten.

Schweigend lenkte Martina den Wagen auf die Autobahn, auch Magda schwieg, wie sie es von Natur aus tat. Bereits nach etwa einer Viertel Stunde steuerte Martina einen Autobahnparkplatz an. Beim Einbiegen erblickte sie ein dunkelblaues Polizeifahrzeug, das in einer Parkbucht neben einigen anderen Autos stand. Martina dachte sich dabei nichts weiter, hielt an und forderte Magda auf, auszusteigen. Es ging ihr gewaltig gegen die Hutschnur, daß diese neben ihr auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. Beim Wegfahren an diesem Vormittag vor dem Hotel in Wien wollte sie bei der Anwesenheit der anderen beiden keine Szene machen, doch jetzt reichte es ihr.

‚Es kann nicht sein, daß die frech sich ungefragt neben mich gesetzt hat’, empörte sich Martina innerlich, ‚sonst sitzt sie auch immer hinten.’
Sie überlegte, ob sie den Kofferraum ausräumen sollte, um ihrer Sklavin einen adäquaten Transportraum zukommen zu lassen, doch schien ihr der Aufwand der Umladerei der vielen Gepäckstücke auf die Rückbank zu umständlich. In ihr erwachte eine unerklärliche Ungeduld, sie wollte jetzt so schnell als möglich Magda dominieren. Als sie die Heckklap­pe zuschlug, kam ihr die Idee, den Beifahrersitz ganz nach hinten zu verschieben, um davor einen großen Bereich in dem Fußraum zu gewinnen. Magda begriff den Sinn der Anweisung nicht, gehorchte indes, sprang auf den Sitz, zog an den Verstellhebel und drückte sich mit dem Sitz zurück.
- "Wieder ausgestiegen", befahl Bettina, "unten hinzusetzen"; auch diesen Be­fehl verstand Magda nicht und so setzte sich diese einfach wieder auf den Beifahrersitz und ließ ihre Beine in die Weite des Fußraums baumeln.
- „Doch nicht auf den Sitz“, herrschte Martina sie an, „hock’ dich davor auf den Boden!“

Jetzt begriff Magda und rutschte hurtig von dem Sitz in den Fußraum hinunter. Sie winkelte ihre Beine an, so daß die Knie zwischen Oberkörper und Handschuhfach eingeklemmt wurden, ihre Hände hielt sie vor die Unterschenkel. Als ihre linke Hand die elektro­nische Fußfessel berührte, lief ihr ein Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, daß sie immer noch als Überwachte galt, die sich zwar nun im gesamten Landkreis Damisch-Schleewald aufhalten durfte, indes längst nicht darüber hinaus, gar in das Ausland fah­ren.

Wie berechtigt ihre plötzlich auftretenden Bedenken waren, sollte sie und ihre Begleiter in wenigen Tagen erfahren.

Als Magda in dem Fußraum verstaut war, schlug Martina die Beifahrertür zu und lief um das Auto herum, um am Steuer Platz zu nehmen. Währenddessen kam das Polizeiauto herangefahren und die beiden Beamten schauten ungläubig aus dem Fenster.
- „Host du die zwoa junga Frau’n g’seng, die da g’rad vor dem Karr’n g’standen san, wo is’n die oane hi, die is doch niat fuat, ejtz siach is nimma!“
- „Jo, host recht, komisch, und ejtz fohrt die davoh wia a Henker!“, pflichtete der andere seinem Kollegen bei.

Tatsächlich trat Martina auf’s Gaspedal und donnerte mit aufheulendem Motor aus dem Parkplatz.
- „Do stimmt was net, kumm, dene foah ma nachah.“
- „Jo, wannst moanst, die andan do hom eh oj ihr Picherl, ajso, foah los!“

Martina hielt sich einigermaßen genau an die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Österreichs Autobahnen, denn sie fürchtete die drakonischen Strafen, die bei Übertretung drohten und welche ohne weiteres an Ort und Stelle abkassiert wurden. Als es leicht bergab ging, legte sie den Leerlauf ein, hob den rechten Fuß, zog ihn in die Höhe, drückte sich im Sitz ganz nach links, so daß linke Schulter und Ellenbogen an der Tür zu liegen kamen, und drückte ihren Stiefel auf Magdas Schulter. Diese war von dem Tritt vollkommen überrascht, sie war fast blind, da sie außer dem wenige Zentimeter entfernten Armatu­renbrett nichts weiter vor Augen hatte. Mit einem kurzen Aufschrei rollte sie zur rechten Seite, ihr Kopf schlug auf die Beifahrertür, bevor sie mit der rechten Schulter den Stoß abfangen konnte.

Der kleine Aufschrei erfreute Martina sehr und sie bedauerte, daß die Bergabfahrt schon wieder vorbei war und die Fahrt immer langsamer wurde. Rasch hob sie das Bein zurück und gab wieder Gas. Die in diesem Augenblick an ihr vorbeifahrenden Polizisten betrachteten erstaunt dieses Spektakel, das sie bislang noch nie gesehen hatten.

- „Host des g’seng, die spinnt doch total“, erregte sich der fahrende Beamte und der beifahrende pflichtete ihm bei:
- „Die ander hockt unt’ vor’m Sietz, foah virah, na hojt i d’Kei­jn assa, dej halt’ ma ah!“

- „Jo sats dez total deppert, wiaso hockers Eahna am Bohn hi, wou da Sietz lahr is!“, schimpften die Beamten in dieser Weise abwechselnd, als sie Martina zum Anhalten auf den Seitenstreifen nötigten. Martina und Magda steckten in größten Erklärungsnöten: Als die Gendarmen dann auch noch das Metall von Bettinas Keuschheitsgürtel aufblitzen sahen, den Martina zu oberst in den Rucksack gelegt hatte, ohne diesen fest verschloßen zu haben, brach das Weltbild der beiden österreichischen Ordnungshüter vollends zusammen.

- „Wos hom’s denn do,“ wunderte sich der eine und zog den Chasti hervor, „schau’ amol, host des scho g’seng?“
- „Naa, wos is `n des“, entgegnete der andere und betrachtete kopfschüttelnd das Teil, das ihm sein Kollege vor die Nase hielt.

Martina kam mit einer saftigen Geldstrafe davon, sie mußte sich zu dem Fundstück nicht äußern, man gab ihr und Magda zur strengen Auflage, daß sich diese von nun ab anständig auf einen der Sitze setzen müßte, und gab die Mahnung mit, sich anzuschnallen. Die beiden Damen beteuerten, der Aufforderung nachzukommen; Martinas Übermut war empfindlich gedämpft, Magda setzte sich brav auf die Rückbank, und schweigend verbrachten sie die gesamte Fahrt bis zu ihrer Ankunft in Graz.

Die Herberge lag auf einem kleinen Hügel, über eine längere Stiege erreichten Martina und Magda das Haus. Nachdem sie von der Wirtin den Schlüssel ausgehändigt bekamen, stieg Martina voran, öffnete die Tür und ließ sich gleich der Länge nach auf das Bett fallen. Sie mußte Magda nicht lange anweisen, die restlichen Gepäckstücke aus dem Auto heraufzuholen; dreimal mußte Magda gehen, bis alles heraufgeschleppt war. Auch Bettinas und Gangolfs Sachen hatte sie geholt und in dem breiten, fast quadratischen Vor­raum abgestellt.

Martina war geladen. Die schmähliche Behandlung durch die Staatsmacht wollte sie nun wettmachen. Sie befahl Magda auf den Boden und fesselte diese in einen strikten Hogtie. Dann trat sie unbarmherzig mit ihren Stiefeln auf ihr wehrloses Opfer ein. Als Magda die Schmerzenslaute nicht länger unterdrücken konnte, bekam sie den verhaßten Knebel in den Mund. Martina trat hemmungslos vor Wut weiter auf Magda ein, sie reagierte sich auf diese Weise ab. Endlich konnte sie sich wieder einmal an ihrem Opfer auslassen, die nun schon seit einigen Tagen anhaltende Abstinenz ließ sie ganz unruhig werden.

Magda stöhnte in den Knebel, undefinierbare Laute lallten durch das Zimmer. Von den vorangegangenen Schmerzensrufen aufgeschreckt sprang die Hotelchefin die Stiege herauf und hielt in dem Vorraum inne. Hier vernahm sie die knebelunterdrückten Laute, trat zu der Tür heran, die zu Martinas und Magdas Zimmer führte. Nachdem sie nochmals kurz gelauscht hatte, nahm sie ihren Mut zusammen und rief:

- „Gibt’s da a Problem, brauchen’S Hilfe?“
Martina wollte soeben wieder zu einem kräftigen Tritt ausholen, setzte aber den Stiefel wieder auf den Boden zurück und rief:
- „Alles in Ordnung, danke!“

‚Verdammt, das war knapp’, überlegte sich Martina, vergewisserte sich, ob sie die Tür wirklich zugesperrt hatte, und fläzte sich auf das Bett. Erfreut stellte sie fest, daß das Oberteil und das Unterteil aus Sprossen bestand, an denen sich in idealer Weise Seile anbringen ließen. Sie faßte den Beschluß, die Nacht mit Magda zu verbringen; Bettina sei schließlich selbst schuld daran gewesen, indem sie mit Gangolf Motorrad fahren wollte, jetzt müsse sie sehen, wie sie mit ihm in der Nacht zurecht kommen würde.

Gangolf genoß die Fahrt mit Bettina und umgekehrt. Sie blieben immer wieder stehen, sei es, um in einer Ortschaft einen Kaffee zu trinken, sei es, sich in einer gemähten Wiese zu räkeln. Eines wurde Gangolf indes sofort klar: Bei Bettina gab es eine Grenze, Bettina konnte sich beherrschen, sie zeigte ihre Freude verbal, maximal durch kurze Umarmungen. Die Lippen der beiden fanden sich nicht.

Einmal überwand sich Gangolf, schlich sich an die im Gras liegende Bettina heran und ergriff ihre Fußknöchel. Bettina ließ ihn gewähren und hielt ihre Beine steif durchgespannt. Gangolf drückte ihre Fußsohlen auf seinen Brustbereich und stützte sich auf diese ab. Er streckte seine Arme weit seitlich von sich, Bettina sah sich gezwungen, das Gewicht seines Oberkörpers, welcher über ihr schwebte, abzustemmen. Nach etwa einer Minute wurde es ihr zu anstrengend, sie winkelte die Knie an, Gangolf schwebte daraufhin nach unten, auf ihren Körper zu. Sie hob ihre Arme als Abwehrreaktion, im gleichen Augenblick setze Gangolf seine Beine nach vorn und fing damit den drohenden Niederfall ab. Beide lächelten sich an und be­stiegen schließlich das Motorrad.

Am Nachmittag erreichte Gangolf und Bettina das Ziel. Gangolf empfand es ungewohnt angenehm, einfach abzusteigen, ohne anschließend das Gepäck zu entzurren, sondern vielmehr ganz entspannt mit dem Helm in der Hand die Stufen zu der Herberge hinaufzusteigen, ganz >cool< und lässig, mit einer jungen Frau im Schlepptau.
- „Aha, Sie sind die Eheleute Stumpf“, wurden sie von der Herbergs-Chefin begrüßt, „Herzlich willkommen, Sie waren ja schon öfter bei uns, Herr Stumpf, und jetzt freu’ ich mich, ihre Frau Gemahlin kennenzulernen.“
Sie reichte den beiden die Hand und Bettina spürte, wie ihr schon wieder das Blut in das Gesicht schoß.

- „Ich hoffe, Sie hatten eine gute Reise“, fuhr die Wirtin fort, „das Wetter ist ja ideal für das Motorradfahren, kann ich mir vorstellen. Ihre Urlaubsbegleitung, die beiden Damen sind schon auf ihrem Zimmer oben, schauen’S, hier hab’S an Schlüssel füas 22er, as Zimmer is gleich danehm, die ham as 21er. Sie kennen Eahna ja aus!“

Nachdem sich Gangolf in dem Meldezettel eingetragen hatte und das Kreuzchen >mit Ehegatte/Ehegattin< gesetzt hatte, erhielt er den Schlüssel für das Zimmer. Um das Schauspiel zu perfektionieren, gab sich Bettina einen Ruck und hakte sich Gangolf unter. Gemächlich stiegen sie die Treppe hinauf, darauf bedacht, ihre Helme nicht an die Wand beziehungsweise an das Stiegengeländer anschlagen zu lassen.

- „Wir sind da!“, rief Bettina frohgemut in Richtung Zimmer 21, während Gangolf die Tür zum 22er aufsperrte. Martina fluchte innerlich:
‚Was machen die denn schon da, ich dachte, die würden erst gegen Abend hier auftauchen, verdammt, wohin so schnell mit ihr.’
Martina beschloß, erst einmal mucksmäuschenstill zu verharren, auch Magda gab keinen Laut von sich.

Bettina sagte zu Gangolf: „Die beiden sind wahrscheinlich ein bißchen `rausgegangen, vielleicht sitzen sie unten auf der breiten Terrasse.“
Gangolf hielt das zwar für unwahrscheinlich, daß Martina Magda friedlich neben sich auf einer Terrasse sitzen ließe, doch er sagte erst einmal nichts darauf.
- „Ein wenig leichtsinnig ist das schon von den beiden, einfach unser Gepäck hier vor den Zimmern im Flur stehen zu lassen“, meinte Gan-golf, Bettina entgegnete:
- „Aber wir sind hier doch im gut-katholischen Land, da wird nichts gestohlen.“
- „Du meinst Sankt Peter, das hat was mit der Peterskirche in Rom zu tun.“
- „In Nürnberg gibt’s auch eine Peterskirche, die wurde vor 130 Jahr als rein evangelische Kirche gebaut.“

Die beiden schossen sich die Bälle noch eine Weile hin und her, während Martina in ihrem benachbarten Zimmer eilig Magda von den Fesseln befreite und diese anwies, sich etwas anzuziehen, damit man nicht die Abdrücke von Martinas Stiefelsohlen auf der Haut sähe. Martina verließ schließlich das Zimmer und begab sich in jenes von Bettina und Gangolf.
- „Ah, da seid ihr ja“, begrüßte Martina dieselbigen, „ich dachte, ihr kämt erst gegen Abend.“
- „Aber nein, wir wollen noch zu dem Uhrturm hoch“, entgegnete Bettina, „Gangolf weiß schon, wie man da hinkommt.“
‚Zu was für einen Uhrturm?’, dachte sich Martina abfällig und sagte: „Also mir wär’ jetzt `was zu Trinken lieber, da brauch’ ich nicht auf die Uhr zu gucken.“
‚Kulturbanause’, dachte sich Bettina und entgegnete: „Na schön, dann fahr’ ich mit Gangi allein dorthin.“
- „Ja, macht das“, entgegnete Martina, ich vergnüg’ mich ein bissel mit Magda, wir streifen ein bissel in der Gegend herum, werden schon was zu Trinken finden.“
- „Besauf’ dich nicht wieder so“, mahnte Bettina.
- „Nee, heute nich’, Magda is auch ganz k.o., wir gehen zeitig in’s Bett, vergnüg’ dich mit Gangolf, ich bleib heut’ Nacht bei Magda.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sich Martina um und verließ das Zimmer.
- „Nun, wenn das so ist“, äußerte sich Gangolf, „dann machen wir uns erst einmal etwas frisch und dann ziehen wir los. Geh’ schon einmal vor in’s Bad, ich braus’ mich dann nach dir ab.“

Gangolf schien sich seinem Ziel näher zu kommen, Bettina auf seine Seite zu ziehen; freilich dachte er auch an die Magda, die arme Magda, der es möglicherweise nicht so gut gehen würde in dieser Nacht.

Wie recht Gangolf mit seiner Einschätzung bezüglich Magda haben sollte, so unnahbar würde sich indes Bettina ihm weiterhin zeigen.




Der nächste Freitag ist ein ganz besonderer SM-Tag geradezu biblischen Ausmaßes und somit werde ich die nächste Fortsetzung erst am Samstag bringen ...
und schreibt mir bitte, wie Ihr mit dem "Österreicher-Slang" zurechtgekommen seid!


































92. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 10.04.22 00:21

Hallo M A G N U S,

schöne Fortsetzung; da hat Magda wohl eine eher unschöne Nacht zu erwarten.

Ich hab keine Probleme mit dem Austria-Dialekt, mit einem italienischen täte mich aber schwer.
93. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 16.04.22 18:14

Nachdem die überwältigende Mehrheit der Leserzuschriften keine Einwendungen erkennen ließ, weiterhin mundartliche Phrasen in den Text einzuschieben, werde ich das entsprechend pflegen; zunächst geht es nochmals kurz zurück auf die einsame Insel irgendwo in Mitteldeutschland, der aufmerksame Leser wird längst herausgefunden haben, wo die Geschichte spielt, bevor wir uns wieder der Reisegruppe zuwenden:


49

- „Was machst du denn da?“, wollte Inge wissen, als sie aus dem Zwei-Frau-Zelt hinausspähte und am anderen Ende der Lichtung ihre Kollegin Barbara erblickte, wie diese auf dem mit hohen Gräsern bewachsenen Boden herumscharrte.
- „Da war doch neulich am Abend, als wir auf die Insel gekommen waren, so ein Typ da, in der Dämmerung, als wir beinahe unser Zelt nicht mehr fanden“, rief Barbara zurück, „und der hat doch da irgend `was herumgemacht!“
- „Ach, ja, stimmt, hab’ ich schon wieder vergessen, der hat wohl bloß dort an einen Baum gemacht.“
- „So sah mir das aber nicht aus, egal, ich seh’ mich weiter um!“
- „Tu das, ich geh’ schon `mal vor!“
- „Ja, gut, ich komm’ dann nach!“

Inge zog mit ihrer Ausrüstung von dannen, während Barbara weiter in dem hohen Gras nach Spuren von dem Unbekannten suchte. Nach kurzer Zeit wurde sie fündig. Sie empfand die große Ansammlung von Laub und Geäst ungewöhnlich bis verdächtig, sie nahm ihre gummistiefelbewehrten Füße zu Hilfe und stieß auf das silbrig glänzende Aluminium. Vom Jagdfieber ergriffen fegte sie fleißig mit der Zehenkappe die Ablagerungen beiseite, bis der Deckel der Aluminiumkiste in seiner gesamten Fläche vor ihr sichtbar wurde.

‚Ein Schatz!’, durchfuhr Barbara jäh ein erster Gedanke, und sie sollte recht behalten: Sie bückte sich, tastete an dem Deckelrand herum und bald darauf erkannte sie, daß die Kiste nicht abgesperrt war. Als sie vorsichtig den Deckel öffnete, erblickte sie eine Kunststoffolie, die über den Kisteninhalt gespannt war. Neugierig zog sie die Folie beiseite und glaubte, ihren Augen nicht trauen zu können: Massenweise lagen Geldbündel säuberlich aneinandergereiht, sie füllten die Kiste zu drei Vierteln aus. Sekundenlang blickte Barbara auf den entdeckten Schatz, unfähig, einen Gedanken zu fassen. Sie setze sich in das Gras und blickte in den Himmel. Allmählich gelang es ihr, die Situation zu begreifen:

‚Aha, der Mann hat da etwas in die Kiste gelegt oder `was daraus herausgenommen, wahrscheinlich hat er irgend ein Schwarzgeld da versteckt, viel konnte er auf jeden Fall nicht weggenommen haben, sonst wäre die Kiste nicht so voll.’
Barbara bemerkte, wie ihr Herzschlag schneller ging: ‚So viel Geld auf einen Haufen hatte ich ja noch nie gesehen’, kam es ihr in den Sinn, und sie beugte sich wieder über den Kistenrand. Die Verlockung war groß.
‚Nein, das darf ich nicht machen, das gehört mir nicht’, sagte sie sich, doch dann überlegte sie sich: ‚Wenn der so blöd ist, so ein’ Haufen Geld unverschlossen in die Kiste zu legen, braucht er sich nicht wundern, wenn einmal davon `was wegkommt. Wahrscheinlich weiß der Typ gar nicht, wieviel er da genau gehortet hat, es trifft jedenfalls keinen Armen.’

Als Praktikantin verdiente sie für den Job beim Umweltamt so gut wie nichts, Barbara grübelte noch eine Weile, war hin- und hergerissen und entschloß sich schließlich zum Griff in die Schatzkiste.
‚Ein Bündel von den vielen, das merkt der doch gar nicht’, redete sie sich ein, lief mit dem Geld zum Zelt und versteckte es in den Tiefen ihres gewaltigen Trek­king-Rucksacks. Als sie die Beute gut verstaut hatte, kehrte sie zu der Kiste zurück, klappte den Deckel zu und verteilte das beiseite geräumte Laub und Geäst. Das Herumruscheln verlief nicht ganz geräuschlos, so daß Barbara Inges Kommen nicht bemerkte. Aufgeschreckt wandte sich Barbara herum, als sie wenige Schritte hinter ihr Inge durch das Gras stapfen hörte.

- „Bist du immer noch auf Schatzsuche?“, lachte Inge. Barbara blickte sie verdutzt an, jäh stach ein Gedanke durch ihren Kopf: ‚Hast du am Ende auch schon die Kiste entdeckt, aber nichts gesagt, wolltest du deine Entdeckung vor mir geheimhalten?’
Eigentlich wollte Barbara ihrer Kollegin von ihrem soeben entdeckten Fund erzählen, deren Anspielung auf die >Schatzsuche< hielt sie ab, in diesem Augenblick davon zu berichten.

Barbara ließ Inge im Unklaren: „Ach, du hattest recht, bloß so ein altes Eisenzeug, keine Ahnung, wie das da herkommt.“
Ihre Aussage war insofern nicht ganz richtig, da es sich nicht um Eisen handelte, und das Metall auch nicht alt war. Sie ahnte nicht, daß Inge neugierig geworden war. Diese überlegte sich: ‚Wie sollte ein >altes Eisenzeug< auf die einsame, fast unzugängliche Insel gelangen, und dann war da noch der Mann, den sie in der Dämmerung kaum erkennen konnten.’ Inge beschloß, vorerst ihre Gedanken für sich zu behalten.

Barbara fragte sie: „Warum bist du zurückgekommen?“
- „Was man nicht im Kopf hat, muß man in den Beinen haben“, scherzte Inge; beide holten Sachen für ihre vogelkundliche Untersuchungen aus dem Zelt und tauchten in den Dschungel ein. Auf dem beschwerlichen Pfad ging ein jeder der beiden ihren eigenen Gedanken nach:
‚Ob der Typ bald wieder einmal käme, um Geld zu holen oder zu bringen, in den Dämmerungszeiten war er jedenfalls nicht mehr da, da hätten wir ihn gesehen’, und ‚wieso hat Barbara da solange herumgemacht, ähnlich wie der Mann damals, wenn da gar nichts weiter war als irgend ein altes Eisen’.

---

Unweit ihrer schönen Herberge befand sich die Endhaltestelle der Straßenbahn. Gangolf schlug Bettina vor, mit der Bahn in die Stadt zu fahren, um dann mit der Standseilbahn auf den Schloßberg hinauf zu gelangen. Die Fahrt begann mit einer Parterre-Akrobatik: Obwohl Gangolf bereits von seinen früheren Fahren mit der Bahn wußte, wie geradezu gefährlich es sein konnte, eine >Bilettl'< aus dem in der Mitte des Wagens befindlichen Fahrkartenautomaten zu lösen, konnte er sich nur wieder wundern, was den Fahrgästen da abverlangt wurde:

Das schmalspurige Geleise brachte es mitsich, daß die Bahn durch enge Kurven fahren konnte. Wenn man vor dem Fahrkartenautomaten stand, war das eine sportliche Herausforderung. Wollte man nämlich genau in dem Moment, in welchem die Bahn durch eine der zahlreichen engen Kurven bog, mit der einen Hand den Geldbeutel halten und mit der anderen Hand Geld oder IC-Karte herausholen, konnte das zu halsbrecherischen Aktionen führen. Tatsächlich sah sich Gangolf gezwungen, seinen Beutel rasch auf den Automaten abzulegen, um sich mit der linken Hand an einer Stange festzuhalten, während er mit der rechten Hand den PIN-Code einzugeben versuchte.
Bei der Eingabe mußte sich Gangolf ziemlich weit nach unten beugen, um das schmale schwach beleuchtete LCD-Display zu betrachten; laut knirschend rieben sich die Räder in der Kurve, der Wagen knarzte, das Vibrieren und Ruckeln führte dazu, daß er sich prompt vertippte.

- "Wie sollen das alte Leute machen", fluchte Gangolf vernehmlich, während er sich breitbeinig vor dem Kasten abstemmte und sein gebeugter Oberkörper unkontrolliert im Rhythmus der seitlichen Wagenbewegungen hin- und herschwang. Kaum war die Kurvenfahrt beendet, hielt der Wagen mit einem kräftigen Ruck an. Doch Gangolf freute sich zu früh, daß jetzt die Gelegenheit gekommen wäre, den Bezahlvorgang durchzuführen: Heerscharen von Passagieren stürmten das Straßenbahnwägelchen, es herrschte ein wildes Gedränge in dem schmalen Gang. Gangolf bemerkte, daß einige direkt hinter ihm standen, welche offenbar gleichfalls einen Fahrschein lösen wollten.

-"Jo san'S denn no net bojd fiati", drängte ihn jemand, was indes nicht dazu beitrug, Gangolfs Handlung zu beschleunigen, im Gegenteil.
Ein anderer mischte sich ein: "Kannst net woat'n, siagst doch, machst'n blouß ganz nervös!"

Endlich meldete das schwer lesbare Display den erfolgreich abgeschlossenen Bezahlvorgang, der Kasten knarzte vernehmlich. Gerade als Gangolf in die Hocke gehen wollte, um die tief angebrachte Klappe zu öffnen, hinter welcher die erhoffte Beute in Form eines schmalen Papierstreifens auf die Entnahme wartete, gab es wieder einen starken Ruck, welcher die Weiterfahrt der Bahn ankündigte. Erneut sah sich Gangolf genötigt, sich hur­tig an der nächstbesten Stange anzuklammern, immerhin gelang es ihm auf Anhieb, die Biletteln herauszufischen. Erleichtert hob sich Gangolf zu seiner vollen Körpergröße em­por und stellte dabei fest, daß er über die meisten anderen Fahrgäste hinwegblicken konnte. Eigentlich empfand er sich selber gar nicht so groß, erst bei solchem Nebenein­anderstehen wurde ihm der Unterschied bewußt.

Nun galt es, sich einen Pfad durch die dichtstehenden Fahrgästen zu bahnen, um an den Entwerter zu gelangen.
'Eigentlich blöd', dachte sich Gangolf, 'zuerst muß man bezahlen, dann entwerten, alles sozusagen freiwillig, die machen es sich alle so leicht, jeder macht mit in der freiwilligen Unterwerfung.'

- "Vagessn'S niart eahna Göjdbeitl", rief jemand hinter Gangolfs Rücken, dieser wendete sich nochmals um, dankte dem Informanten und grapschte nach dem Beutel. Erst jetzt bemerkte er, daß er noch seine IC-Karte krampfhaft in den Fingern zusammen mit den Fahrscheinen hielt. Der Drängler hinter ihm reichte ihm den Geldbeutel mit seiner einen Hand, während auch er sich mit der anderen geflissentlich an einer Stange anklammerte.
- "Danke", entgegnete Gangolf, ließ für einen kurzen Augenblick die Haltestange los, um hurtig die IC-Karte in ein Kartenfach in dem Beutel zu verstauen. Schnell steckte er diesen in die Hosentasche, bevor ein neuerlicher Stoß ihn wieder einhändig machte.

Als er sich schließlich von dem Fahrscheinautomaten entfernte, gewahrte er einen älteren Mann, er war keineswegs ein Greis und schien auch nicht gebrechlich, doch dieser ging das Risiko des Fahrscheinkaufs gar nicht erst ein: Nachdem nämlich der Drängler, der immerhin so aufmerksam war, daß er Gangolfs Geldbeutel diesem zurückgab, seinen Fahrschein gelöst hatte, bat der Alte:
- "Ach san'S so guat und löjsen'S ma a oan", und händigte seine IC-Karte aus. Der Angesprochene schaute im ersten Augenblick etwas verdutzt, nahm sie aber dann wortlos und steckte sie in den Schlitz. Gangolf glaubte nicht richtig zu hören: Der Alte diktierte ihm anstandslos die PIN-Nummer, der Helfer tippte sie ein, immer darauf bedacht, die Haltestange dabei nicht loszulassen, gab die Karte zurück, fischte den Fahrschein heraus und reichte diesen dem alten Mann.

- "I dank eahna", verabschiedete sich der neugebackene Bilettl-Besitzer und entfernte sich, um sich zu einen Sitzplatz durchzuhangeln.
Gedankenverloren lächelte Gangolf Bettina an, als er nach dem Kampf um die Biletteln ihr gegenüberstand. Eine Tonfolge aus drei Tönen kündigte die Meldung der nächsten Haltestelle an, dabei wurde der letzte Ton wiederholt. Gangolf hatte sofort das Lied parat, das mit dieser Tonfolge begann: >Weißt du, wieviel Sternlein stehen<.
'Wenn das noch lange so weitergeht, werde ich tatsächlich bald Sternlein sehen', kam es ihm in den Sinn. Dann fiel ihm Wolfgang Ambros' Schlager vom Straßenbahnschaffner ein:
»Straßenbahnschaffner säi, des woa amal wos, die Zäht ist voarbäh, heint' foaht ma schaffnerlos.«

Endlich erreichten sie den Jakominiplatz, an dieser zentralen Umsteigehaltestelle stiegen viele Fahrgäste aus. Bevor die draußen Wartenden hereinkamen, setzten sich Bettina und Gangolf, um wenigstens die sich anschießende kurze Fahrt durch die Fußgängerzone im Sitzen genießen zu können. Am Hauptplatz stiegen sie aus, denn die Linie zweigte hier westwärts ab. Sie wollten nicht auf die nächste Bahn warten, die sie weiter nordwärts bringen würde, sondern gingen zu Fuß durch die Gasse, in welcher sich Straßenbahn und Fußgänger in lebensbedrohlicher Nähe gleichermaßen hindurchzwängen mußten.

Nach kurzem Fußmarsch erreichten Bettina und Gangolf die Talstation der Standseilbahn. Einer der beiden im Wechsel auf und ab verkehrenden Wagen stand zum Einstieg bereit, die beiden betraten das oberste Abteil. Gangolf dachte an die Story in dem KG-Fo­rum, die er als Fortsetzungsroman gern gelesen hatte, mit dem fantasiereichen Inhalt ei­nes Galeerenschiffs, das von Sklavinnen gerudert wurde, die in nicht zu öffnenden Keuschheitsgürteln gefangen gehalten wurden. Der Autor schien ein Sanitätsoffizier aus Graz zu sein, schlußfolgerte Gangolf. Die Schloßbergbahn, auf deren Abfahrt sie nun war­teten, kam in der Phantasiegeschichte ebenfalls vor.

Gangolf wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Italiener das ihrem Abteil nächstliegende darunter betraten, ein Mann und zwei Frauen, drei junge Leute. Die Glastrennwände und die allgemeine Geräuschkulisse verhinderten, daß Gangolf verstehen konnte, was sie sagten. Irgendwie schien der Mann, der als erstes das Abteil betrat, ärgerlich zu sein. Auch die zweite Frau, die als letzte hereintrat, blickte böse auf die Nachbarin in der Mitte der Dreiergruppe. Erstaunt gewahrten Bettina und Gangolf, wie die in der Mitte stehende Frau sich ständig in ihren Schritt griff und abwechselnd mit den Händen daran fest her­umdrückte.

- "Zum Glück stehen wir nicht unterhalb in dem darunterliegenden Abteil", raunte Gangolf seiner Begleiterin zu, "sonst hätten wir der ihr Gegrapsche dauernd direkt vor Augen."
- "Du mußt ja nicht hinschauen", entgegnete Bettina, doch auch sie wunderte sich, daß die junge Frau in nächster Nähe unter ihr nicht abließ, sich an der empfindlichen Stelle zwischen den Beinen zu reiben.

Nach einer Weile ergriff der Mann den linken Arm seiner Nachbarin, die Frau deren rechten, um dem peinlichen Gegrapsche ein Ende zu bereiten. Doch anstelle der erhofften Ruhigstellung begann die arme Frau, sich mit dem Oberkörper hin- und her zu win­den, vor und zurück, nach links und nach rechts, beinahe wäre sie mit dem Kopf an die rückwärtige Scheibe geknallt. Bettina und Gangolf konnten ihr Gesicht nicht beobachten, doch ihnen wurde schnell bewußt, daß die Frau unter schweren nervösen Zuckungen litt; unerklärlich blieben ihnen indes, warum sie zuvor absolut ruhig zwischen den sie flankie­renden Begleitern stand, als sie sich schamlos an ihrer Scham zu schaffen gemacht hatte.

Auf dem Berg angekommen steuerte Gangolf zielstrebig den Gastgarten an, von welchem man eine grandiose Aussicht auf die Bergkulisse hatte. Während er mit Bettina an dem Ausschank wartete, bis man ihnen das frisch gezapfte Bier überreichen würde, ge­wahrten sie die drei Italiener, die mit ihnen in der Seilbahn fuhren. Die auffällige Italienerin ging hinter den beiden anderen her, verhältnismäßig unauffällig, abgesehen von ihrem o-beinigen Gang. Als die kleine Gruppe näher kam, bemerkten Bettina und Gan­golf, daß sich die besagte Frau wieder unaufhörlich zwischen den Schritt griff und dort ihre Scham massierte.

Bevor Bettina und Gangolf das Gesehene kommentieren konnten, begann pünktlich um sieben Uhr die große Glocke des nahegelegenen Glockenturms zu läuten; ihr gewaltiges Getöne ließ jede Unterhaltung auf ein unabdingbares Mindestmaß zurückfahren. Nachdem die beiden Bier und Brezen im Gegenzug zu Gangolfs Geldschein erhalten hatten, wobei er wie immer, wenn es in diesem Gastgarten um das Bezahlen ging, die Preise zu hoch fand, setzten sie sich an einen Tisch an den Rand der Terrasse. Sie genossen die herrliche Abendstimmung an der sich weit hinziehenden Bergkette der Alpen, die sich ständig verändernde Färbung vor und nach dem Sonnenuntergang. Schweigend genossen sie das Naturschauspiel, ein jeder hing seinen Gedanken nach. Unabhängig voneinander dachten beide an das seltsame Verhalten der jungen Frau, die ungeniert in der Öffentlichkeit dem Zwang unterlag, Befriedigung zu erheischen.

Weder Bettina noch Gangolf hätten sich vorstellen können, daß dieses merkwürdige Verhalten bereits am nächsten Tag eine weit verbreitete Erscheinung sein würde.

Doch für die heutige Nacht hatten Bettina und Gangolf noch eine Aufgabe zu lösen: Erstmals würde es sich ergeben, daß beide in einem gemeinsamen Zimmer nächtigten, sogar in einem gemeinsamen Bett. Probehalber hielt Gangolf seinen Bierkrug mit beiden Händen umklammert, lediglich den kleinen Finger der rechten Hand spreizte er provozierend in Bettinas Richtung, wie die Antenne eines Peilsenders, um die Lage auszukundschaften. Natürlich bemerkte Bettina Gangolfs Signale, sie schaffte es, diese geflissentlich zu ignorieren. Sie hoffte, daß es ihr gelänge, diese Immunität auch im Bett zu bewahren, während Gangolf bei dem Gedanken in’s Schwitzen kam, wie er seine Erregung im Zaum würde halten können.


Gestern gelang es mir, meine SM-Phantasien außerhalb von diesbezüglichen Internet-Foren und spezieller Literatur zu beflügeln; im Grunde genommen schon ein Wahnsinn, der in biblischen Zeiten geschah:
Obwohl der höchste Richter des Landes nicht einmal von der Schuld des Angeklagten überzeugt war, wurde dieser zum Tod verurteilt. Doch das genügte dem lüsternen Volk des Altertums nicht, sie gierten nach Geißelung, Auspeitschen und Aufsetzen einer Dornenkrone - vor der Kreuzigung.
Da war die nächtliche Geburt in einem Stall bei winterlichen Temperaturen und die anschließende Flucht vor einem Kindermörder geradezu harmlos...

Frohe Ostern!
94. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 22.04.22 21:12

50

Martina genoß den Abend, den sie ohne Bettina und Gangolf verbrachte. Sie befahl Magda, sich auf den Bauch auf die linke Hälfte des Doppelbetts zu legen. Martina spreizte Magdas Beine und führte deren Füße durch die Holzstäbe am Bettende. Dort fixierte sie diese mit den mitgebrachten Schnüren. Anschließend fesselte sie Magdas Hände auf den Rücken. Sie entkleidete sich vollständig und setzte sich mit gespreizten angewinkelten Beinen vor Magdas Kopf, so daß dieser zwischen ihre Schenkel zu liegen kam. In Ermangelung ihrer Intimfreundin Bettina mußte nun Magda herhalten.

- „Los, verwöhn’ mich“, forderte Martina Magda auf. Für jene war das nicht einfach; auf der weichen Matratze bereitete es Schwierigkeiten, den Kopf anzuheben, immer wieder plumpste er kraftlos nach vorn und dann seitlich auf das Bett. Martina ärgerte sich, sprang auf und löste den Knoten zwischen Magdas Hände. Sie verknotete jetzt die Handgelenke einzeln mit jeweils einem eigenen Seil und führte die Seilenden nach unten zu den Gitterstäben des Bettendes. Sie straffte die Seile, bis Magdas Schultern von der Bettoberfläche etwas emporgehoben wurden und knotete die Enden zusammen. Dann faßte sie Magdas Haare auf dem Hinterkopf zu einem Pferdeschwants zusammen, wobei sie bedauerte, daß diese so kurz waren. Schließlich gelang es ihr, die Haare mit einer Schnur zusammenzubinden; das Schnurende führte sie ebenfalls wieder durch einen Gitterstab in der Mitte zwischen Magdas gespreizten Beinen, verknotete ihn jedoch dort nicht, sondern führte das Schnurende wieder nach oben und legte es auf Magdas rechter Schulter ab.

Nachdem Martina ihr neuerliches Bondage-Werk vollendet hatte, schwang sie sich wieder genüßlich in Vorfreude auf das Bett, stopfte sich ein Kissen zwischen ihren Rücken und das Oberteil des Bettes, rutschte etwas tiefer, bis ihr Venushügel vor Magdas Mund zu liegen kam. Durch die nach hinten straff gefesselten Arme wurden die Schultern und damit der Kopf angehoben, die Kopfneigung konnte Martina nun mit der um die Haare ge­bundene Schnur bestimmen.

Magda verrichtete den Liebesdienst vorzüglich. Unentwegt saugte und leckte sie die intimste Stelle ihrer Herrin. Diese drückte ihre Füße in Magdas Seite und stellte später die Fersen auf Magdas Po ab.

‚Gott sei Dank hat sie diesmal nicht ihre schweren Stiefel an’, freute sich Magda im Stillen, den leichten Druck von Martinas weichen Füßen empfand sie durchaus angenehm. Als Martina kurz vor dem Höhepunkt anlangte, griff sie mit beiden Händen in Magdas Haar und drückte damit deren Kopf nach ihrem Rhythmus vor und zurück. Magda schluckte und würgte vernehmlich, diese Geräusche spornten Martina zu einer letzten Anstrengung an, bis sie sich mit einem Seufzer der Erleichterung seitlich fallen ließ. Mit letzter Kraft hob sie ihre Beine von Magdas Körper weg und wand sich auf die danebenliegende Bett­hälfte.

Martina fiel augenblicklich in einen sanften Halbschlaf, sie murmelte noch etwas in der Richtung, daß Magda das wirklich sehr gut gemacht hatte, und döste dann weg. Sie wußte nicht, wie lang sie bereits in diesem Zustand neben Magda gelegen hatte, als sie diese leise flötend wahrnahm:
- „Bitte, Herrin, meine Schultern schmerzen, und ich weiß auch nicht, wie ich mei­nen Kopf ablegen kann.“

Jäh erwachte Martinas Sadismus, sie ärgerte sich unverhohlen:
- „Ach, blöde Kuh, du liegst so faul herum.“

Mißmutig raffte sich Martina auf und löste den Knoten, mit welchem Magdas Handgelenke nach unten gespannt wurden. Prompt plumpste Magdas Kinn auf die Matratze, sie drehte ihren Kopf seitlich, bis sie eine angenehme Ruheposition fand. Sie hauchte ein „Danke“ und versuchte, gleichfalls etwas zu dösen. Auch Martina bestieg wieder die Ma­tratze, fiel aber nicht mehr in einen Schlaf. Wieder fluchte sie: „Blöde Kuh“, stieg wütend aus dem Bett und schlüpfte in ihre 10-Loch-Docs. Mit einem vernehmlichen Ratsch zog sie die jeweiligen seitlichen Reißverschlüsse zu, so daß ihre Stiefel fest die Füße um­schlossen. Sie gab Magda einen Tritt auf deren nach oben liegenden Hintern, was dazu führte, daß Magda aus ihrem wohlverdienten Ruhezustand herausgerissen wurde.

Nackt bis auf die Stiefel räkelte sich Martina vor dem länglichen Spiegel an der Wand zu der Zimmertür. Sie betrachtete sich genießerisch, griff mit zwei Fingern an ihre Schamlippen, führte die Finger an ihre Nase und roch daran. Dann ging sie in’s Zimmer zurück und holte ihren Keuschheitsgürtel. Ohne sich zu waschen zwängte sie ihren Unterleib in das geliebte Metall und ergötzte sich an dem Klang des einrastenden Schlosses. Dann schritt sie wieder in Richtung Tür und posierte sich erneut vor dem Spiegel. Nur mit Keusch­heitsgürtel und Stiefel bekleidet betrachtete sie sich minutenlang vor dem reflektierenden Glas. Als sie endlich von ihrer Augenorgie genug hatte, schritt sie wieder in das Zimmer; bei Magdas gefesselten Füßen vorbeikommend verabreichte sie diesen jeweils einen kräf­tigen Tritt, so daß Magda weniger des Schmerzes wegen, als vielmehr aus der Überraschung heraus, einen kurzen Schrei ausstieß.

- „Scht“, zischte Martina Magda an, „sonst kriegst du gleich wieder den Knebel.“
‚O Gott, bloß den nicht wieder’, fürchtete sich Magda, ‚es war doch so schön bis eben, warum mußt du das immer zerstören mit deiner Gewalt’, doch Magda wagte natürlich nicht, diese Gedanken in Worte zu fassen. Allein der Hinweis auf ihre schmerzenden Schultern hatte ausgereicht, daß ihre Herrin wieder in den Sadismus zurückkehrte.

---

Endlich ergab sich für Inge die Gelegenheit, allein, unbeobachtet von ihrer Partnerin Barbara, die seltsame Stelle am Ende der Lichtung zu erkunden, von welcher jene zurückhaltend berichtete, es sei nur ein altes Eisen, was dort läge. Genauso wie Barbara ei­nige Tage zuvor schritt nun Inge in ihren Gummistiefeln zu der Stelle und fand schnell das besagte Metall. Rasch schob sie das Laub beiseite, das Barbara nur notdürftig über den Deckel der Kiste gebreitet hatte.

- „Von wegen altes Eisen“, brummelte Inge vor sich hin, „hat die keine Augen im Kopf, und so was will Naturbeobachterin werden.“
Hurtig hob Inge den Aluminiumdeckel von der Kiste und zog die Folie im Inneren derselben weg.
- „Da schau `mal an“, führte Inge ihr Selbstgespräch fort, „eine wahre Schatzkiste.“
Natürlich brachte sie den Mann mit der Kiste in Verbindung, wunderte sich aber, daß dieser seit damals, ihrer ersten Nacht auf der Insel, nicht mehr gekommen war, zumindest nicht zu den Zeiten, an welchen sie auf der Lichtung waren.
‚Vielleicht war er während des Tages da, als wir auf Erkundung waren, wahrscheinlich sogar, denn man läßt doch so viel Geld nicht einfach ungenutzt versteckt zurück.’

Ohne Skrupel raffte Inge sogleich mehrere Geldbündel aus der Kiste und verstaute jene in ihrem Rucksack. Sie ging zur Kiste zurück, breitete die Plastikfolie über die verbliebenen Scheine, stülpte den Deckel wieder genau über die Kiste und verteilte das Laub darüber, so daß von dem geheimen Schatz nichts mehr zu sehen war. Sie ahnte natürlich nicht, daß Barbara vor ihr bereits diesen Schatz entdeckt hatte.

---

Bettina und Gangolf hatten es schwer. Trotz des Biers auf der Aussichtsterrasse auf dem Schloßberg und des reichlich konsumierten Weißweins in dem Restaurant vor dem Uhrturm, bei welchem sie an ihrem Abstieg in die Altstadt vorbeikamen, war ihre Müdigkeit nicht ausreichend, um sofort in einen Schlaf zu fallen. Beide hatte zu kämpfen, nicht doch noch ihrer Begierde freien Lauf zu lassen. Bettina war sich im Klaren, daß eine klei­ne Andeutung genügte, um Gangolfs Gemächt anschwellen zu lassen. Was sie indes nicht wußte, daß dieses bereits zum Platzen gespannt wenige Zentimeter von ihr entfernt auf Erlösung hoffte.

Gangolf biß sich auf die Lippen, um der Versuchung zu widerstehen. Er konnte sich vorstellen, daß Bettina ihn gewähren ließe, wenn er sich über ihr positionierte. Doch er woll­te nicht die Initiative ergreifen, er wollte nicht Bittsteller sein, sondern Gebetener. Immer wieder lauschten beide in die finstere Stille. Sie vernahmen keinen Laut. Dankbar kam es ihnen in den Sinn, daß wohl auch Magda im benachbarten Zimmer Ruhe fände.

Tatsächlich verbrachte Magda die Nacht weiterhin mit gespreizten Füßen auf dem Bauch liegend gefesselt auf dem Bett. Es gelang ihr, immer wieder einzuschlafen, doch kaum war ihr das geglückt, wachte anscheinend ihr Herrin neben ihr auf, hob sich, wie am Abend, mit gespreizten Schenkeln vor Magdas Kopf und wieder mußte sie Dienste im Intimbereich der Herrin leisten. Martina kam nicht mehr zu Höhepunkten, aber es gefiel ihr, Magdas warme Lippen auf den ihrigen zu spüren, welche senkrecht verliefen, während jene von Magda sich waagrecht öffneten.

Martina beschloß, von nun ab jede Nacht mit Magda zu verbringen; sie mußte anerkennen, daß diese die geforderten Dienste sehr gut leistete, besser als ihre Freundin Bettina, vor allem konnte sie Magda quälen, was ihre Lust bis in’s Unermeßliche steigerte. Martina kam es in den Sinn, daß Magdas Befreiung von der elektronischen Fußfessel eigentlich nur dazu dienen sollte, daß diese zu ihr kommen konnte und daß sie damals sich bereits überlegte, sich von Bettina zu trennen, da sie diese nicht mehr brauchen würde.

In beiden Zimmern schlummerten die schläfrigen Personen schließlich ein, nicht im Entferntesten wäre es ihnen hier tief im Süden der Steiermark in den Sinn gekommen, daß im weit entfernten Germanien schwerwiegende Regierungsbeschlüsse gefaßt worden sind; stets mit sich selbst beschäftigt hatte die kleine Reisegruppe es versäumt, sich die Nachrichten aus Deutschland und speziell aus Bayern anzusehen und anzuhören, diese hätten dazu geführt, auf die Einreise nach Italien zu verzichten, um schleunigst nach Hause zurückzukehren.

95. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 24.04.22 13:53

50

Ein kleines Jubiläum, Danke für Deine Mühe.

Ich mag auch keine Sternchen, deshalb habe ich einen Pferdeschweif aus der entsprechenden Frisur gemacht.

Nach wie vor eine schöne Geschichte, die Du uns erzählst. Ich freu mich auf die nächsten Teile

Ihr_joe
96. RE: 50, ein kleines Jubiläum

geschrieben von M A G N U S am 27.04.22 15:12

Danke für deine kleine Aufmerksamkeit, Joe, und daß Du ein ganz aufmerksamer Leser bist, zeigt mir dein Hinweis auf meinen absichtlich eingeauten Rechtschreibfehler, wobei "Schweif" anstelle von "Schwants" eine gute Alternative darstellt.

Auch Sarahs gelegentliche Anmerkungen beflügeln mich, an meiner zweiten Geschichte weiter zu schreiben; ich wünsche weiterhin viel Freude beim Lesen,
Magnus.
97. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 29.04.22 21:23

51

Umweltministerin Graumaus feixte: "Jetzt ist es in Italien soweit, nicht zu glauben, ausgerechnet dort, wo angeblich alles so ungesetzlich zugeht."
Graumaus kam von der Kabinettsitzung nach Hause, streifte ihre Gummistiefel ab, die sie provozierend zu einem kurzen Rock angezogen hatte. Sie öffnete das Internet, nach kurzem Herumklicken traf sie auf die Meldungen, wonach ab dem Wochenende alle Menschen in Italien Masken tragen müssen, nicht nur einfache Stoffmasken, wie sie bei der Corona-Pandemie üblich waren, sondern richtig feste Gasmasken, welche das gesamte Gesichtsfeld, also auch die Augen mit einschlossen.

Erregt lief Graumaus zu der Kommode in ihrem Schlafzimmer, zog die unterste Schublade heraus und fischte die dort deponierte Gasmaske hervor, welche sie von der Kanzle­rin geschenkt bekommen hatte.
'Es wird nicht mehr lange dauern', dachte sie sich, 'daß auch bei uns die Masken ausgeteilt werden.'
Genüßlich betastete sie das Gummi der Maske, besonders die Kinnauflage hatte es ihr angetan. Aber auch der dünne Gummi, der die Nase umschlang, um deren Atem von den Gläsern abzuhalten, übte eine starke Anziehungskraft auf ihre sensiblen Fingerspitzen aus. Schließlich legte sie die Maske auf die Kommode, griff in ihr Haar, um es hinter die Ohren zu streichen, und setzte sich die Maske auf. Sie betrachtete sich im Spiegel wie ein Teenager, der zum ersten Mal ein selbst ausgesuchtes T-Shirt angezogen hatte.
- "Unglaublich", blökte sie in die Maske, "so müssen die Italiener ab übermorgen überall herumlaufen, und auch unser Schießmann kann es gar nicht mehr erwarten, daß er sein Maskenarsenal an die Bevölkerung austeilt."

Vor dem Spiegel übte Graumaus einige Variationen, wie ihr das Maskentragen am besten gefiele. Sie blieb schließlich bei der Weise, daß sie ihr langes glattes Haar aus den Gummibändern herauszog und über diese herunterhängen ließ. Ihr Kopf wirkte dadurch zwar etwas breiter, doch war ihrer Meinung nach die Gesamterscheinung natürlicher: Lediglich das Gesicht wurde durch die Maske bedeckt, während sich an ihren Seiten die Haare anschlossen, ohne daß die waagrecht verlaufenden Maskenbänder sichtbar wurden. Es hatte dadurch den Anschein, als wäre das Gummi am Rand der Maske mit der darunterliegenden Haut verwachsen.

Nun hielt es Graumaus nicht länger aus, sie riß sich Bluse, Hose und Slip vom Leib, griff nochmals in den offen stehenden Kommodenschub und holte ihren Keuschheitsgürtel heraus. Genießerisch strich sie sich über die Schamlippen, ehe sie diese in das glänzende Metall einschloß. Das Klicken des einrastenden Schlosses versetzte sie in Ekstase, sie ließ sich ungebremst der Länge nach auf das Bett fallen und betastete abwechselnd das Schrittband und das Gummi der Gasmaske.

Graumaus hätte nicht gedacht, daß zur gleichen Stunde auch Kanzlerin Prank-Barrenkauer durch die Gasmaske inhalierte und sich dabei zum Höhepunkt brach­te, allerdings ohne Keuschheitsgürtel.

---

Nach einem ausgiebigen Frühstück brach die kleine Reisegruppe von der gemütlichen Pension Richtung Italien auf. Martina wirkte sehr ausgeglichen, Magdas Liebesdienste taten ihr merklich gut. Sie gab Magda frei, das heißt, sie durfte mit Gangolf auf dem Motorrad mitfahren, während sich Bettina mit Martina das Auto teilten. So reizvoll die Fahrt auf der österreichischen Bundesstraße 70 nach Klagenfurt gewesen wäre, bog Gangolf doch lieber auf die Südautobahn ein, denn die Bundesstraße schlängelte sich durch unzählige Ortschaften und er wollte lieber mit den anderen am Nachmittag in Caorle ankommen, um noch am selben Tag ein Bad in der Adria zu nehmen.

Während Magda sich eng an Gangolf schmiegte und das Hin- und Herschaukeln auf der kurvenreichen Autobahnfahrt genoß, gerieten Martina und Bettina im Auto in eine heftige Diskussion, welche zu einem Streit eskalierte: Martina forderte Bettina unverblümt auf, sadistische Handlungen zuzulassen und lobte dabei Magda, die als Paradebeispiel für gelebten Masochismus galt. Bettina schloß das kategorisch aus und betonte ihre Sichtweise, daß Magda nicht masochistisch veranlagt sei, sondern lediglich devot und daß Martina diese Ergebenheit schamlos ausnutze.

Martina verlangsamte das Fahrtempo und nach kurzer Zeit erkannte sie Gangolf und Magda im Rückspiegel. Sie bog in den nächsten Parkplatz ein, Gangolf folgte ihr gleichfalls dorthin. Verärgert stieg Bettina aus dem Auto und ging zu den Motorradfahrern. Magda war soeben von ihrem hohen Sitz heruntergerutscht und nestelte an dem Kinnver­schluß herum, um den Helm abzunehmen.

Als Magda Bettina herankommen sah, rief sie ihr begeistert zu: "Eine tolle Strecke ist das, die vielen Kurven, Bremsen und Gasgeben, so richtig zum Genießen. Habt ihr das im Auto auch so empfunden?"
- "Nein, gar nicht", entgegnete Bettina.
- "Ach, dann tauschen wir doch, Gangi wird nichts dagegen haben!"
In diesem Moment nahm auch Gangolf seinen Helm ab und betrachtete, noch auf dem Motorrad sitzend, die beiden jungen Frauen. Martina saß noch im Auto.
- "Natürlich hab’ ich nichts dagegen", mischte er sich ein, "also zieht euch um."

Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, daß andere Leute auf dem Rastplatz vorbeikommen könnten, schälte sich Magda aus dem Leder, während sich Bettina ihrer Hose entledigte. Ausgerechnet in diesem Augenblick kam ein Streifenwagen vorbeigerollt und hielt neben dem Golf an, in welchem Martina weiterhin am dem Steuer saß. Die Polizisten stiegen aus, ein kurzer Blick auf die Windschutzscheibe genügte, um sich über die Gültigkeit der Vignette zu überzeugen. Sie schritten weiter zu Gangolfs Motorrad, ob auch an diesem die Vignette angebracht sei. Als sie auch dort das >Picherl< erkannten, erblickten sie im Umdrehen die beiden jungen Frauen, die etwas weiter entfernt am Parkplatzrand im Adamskleid standen.

- "Äha, schau die an", raunte der eine zu seinem Kollegen.
- "Wos, wen?", fragte der andere.
- "No da hint', die zwoa Moadln do."
- "Laß de doch in Ruah, de ziang si halt um. Hast ewa no nia a Nackerte gseng."

Bettina und Magda erkannten sofort die peinliche Situation, als die Polizisten zum Motorrad gingen. Bettina war schnell in die Lederkombi geschlüpft, während Magda unschlüssig, nur mit T-Shirt und Slip bekleidet, daneben stand.
- "Da, nimm meine Hose", raunte Bettina ihr zu, "sonst kriegen die dort noch Stielaugen".

Dank ihrer gleichen Statur gelang es Magda mühelos, in Bettinas schöne Hose mit Blumenmuster zu steigen. Anschließend forderte Bettina sie auf, auch ihre neuen roten Schuhe anzuziehen, um nicht länger in den Socken dazustehen. Magda bückte sich und löste die Knoten der Schnürsenkel, denn Bettina entledigte sich des Schuhwerks in ihrer ungeduldigen Art, einfach mit den Zehen des jeweiligen anderen Fußes an die Fersen zu treten. Auf diese Weise nutzte sich die Fersenstütze natürlich schnell ab, ein Grund dafür, daß Bettina und auch Martina immer wieder neue Schuhe brauchten, obwohl diese nicht im Geringsten abgetreten waren. Magda in ihrer sparsamen Art hatte überhaupt nur ein Paar Schuhe, ihre bereits vollkommen heruntergelatschten Chucks, deren Fersenbereiche indes immer noch intakt waren.

Bevor sich Magda wieder erhob, streichelte sie liebevoll über das rote Leder, in welchem jetzt ihre Füße staken, und sie hob ihren Blick dankbar zu Bettina empor.

Als die beiden Frauen zu den Fahrzeugen zurückgingen und die Polizisten sie als ausreichend ordentlich gekleidet einschätzen, zogen sich diese in ihren Streifenwagen zurück. Gangolf wunderte sich, daß Martina die ganze Zeit über nicht ausgestiegen war.
- "Ach, die schmollt wieder `mal", war Bettinas ganzer Kommentar dazu. Sie schwang sich hinter Gangolf auf das Sitzplätzlein und rief:
- "Wir können, fahr' los!"

Martina knurrte Magda an, wo diese so lang geblieben war. Die Ungeduld war natürlich nur ihrer sadistischen Natur geschuldet, denn sie beobachtete vom Auto aus genau den Vorgang des Kleidertausches am Parkplatzrand.
- "Bleib' steh'n, bis die Bullen weg sind", herrschte Martina Magda an. Diese witterte Gefahr, sie merkte es genau, wenn ihre Herrin schlechte Laune hatte. Kaum entfernte sich das Polizeiauto in Richtung Autobahn, befahl sie Magda, sich wieder vor dem Beifahrersitz niederzukauern. Damit ihnen diesmal ein Debakel erspart bliebe, breitete Martina eine Decke über Magda aus, so daß diese nicht nur zur Unbeweglichkeit verdammt vor dem Sitz eingezwängt war, sondern dazu noch im Finstern in der unbequemen Position verharren mußte.

Magda hatte größte Mühe, sich auf der kurvenreichen Fahrt nicht zu übergeben, sie wagte es indes nicht, Martina zum Anhalten zu bitten. Immer wieder erhielt sie Tritte, ihre Herrin mußte wirklich in sehr schlechter Laune sein. Magda bekam nichts davon mit, als sie die Grenze passiert hatten und sich nun auf der italienischen Autobahn befanden. Immerhin fand sie es angenehm, daß die vielen Kurven ein Ende nahmen. Und sie bekam natürlich auch nichts davon mit, als Martina schließlich die Autobahn verließ und durch die Ortschaft Latisana fuhr. Martina traute ihren Augen nicht: Überall liefen hier Leute herum mit seltsam verschleierten Gesicht - Gasmasken!

'Bereiten die sich auf einen venezianischen Maskenball vor', überlegte sie sich, 'aber die Masken in Venedig sind doch anders, bunt und vielfältig, nicht so richtig gefährlich aussehende Gummimasken.'
Martina konnte sich keinen Reim darauf machen, doch schon bald sollte sie erfahren, was es damit auf sich haben würde. Und sie konnte sich natürlich nicht ausmalen, daß sie selber und auch ihrer Reisebegleiter solche Masken tragen würden. Immerhin erregte sie der Anblick der Maskenträger, ein bizarres Bild, leicht beängstigend.

Bettina und Gangolf empfanden es genauso. Bettina stieß Gangolf an und zeigte auf das Trottoir, auf welchem sich Leute mit Gasmasken bewegten. Sogar entgegenkommende Vespafahrer trugen Gasmasken unter ihren Jethelmen, ein furchteinflößender Anblick.
- "Spinnen die alle?", kommentierte Gangolf das Gesehene. Sie fuhren weiter. Auch in den darauf folgenden Dörfern liefen die Bewohner mit den Masken herum. Kopfschüttelnd gab Gangolf Gas, um endlich nach Caorle zu kommen.

---

Barbara bekam Skrupel. Sie wollte nun doch ihren Schatzfund Inge mitteilen. Als sie wieder einmal allein auf der Lichtung war, suchte sie die Stelle auf, doch sie fand die Kiste nicht auf Anhieb.
'Das kann doch nicht sein, die war doch hier', sagte sie sich. Endlich bemerkte sie das ungewöhnlich viele Laub, mit welchem Inge den Kistendeckel überhäuft hatte.
'Seltsam', dachte sich Barbara, 'so viel Laub hab' ich aber nicht darüber getan, sollte ich mich so täuschen?'
Barbara dachte nicht länger darüber nach, legte den Kistendeckel frei und wunderte sich, daß die Folie, unter welchem sie die Geldscheinbündel erwartete, so unordentlich in die Kiste hineingestopft war. Sie könnte schwören, die Folie ordentlich glattgestrichen über die Bündel gebreitet zu haben.

'Sollte der Eigentümer wieder dagewesen sein?', fragte sich Barbara und war geradezu froh, zu dieser Erkenntnis gelangt zu sein. Sie hob die zerknüllte Folie heraus, legte das Geldbündel, das sie vor einigen Tagen entnommen hatte, in die Kiste zurück, breitete die Folie wieder darüber und legte den Deckel auf die Kiste. Am Abend, als Inge zum Zelt zurückgekommen war, berichtete Barbara:

- "Inge, ich muß dir `was sagen: Ich ging heute Nachmittag nochmals an die Stelle dort drüben, wo ich vor ein paar Tagen das Eisenzeug gesehen hatte. Es ließ mir keine Ruhe, ich bin neugierig geworden und denk' `mal was ich da gefunden habe: Eine Kiste voller Geld liegt da!"
Inge war von dieser Nachricht alles andere als begeistert. Sie wollte den Schatz als ihr Geheimnis wahren, um später einmal alleine mit einem Klappspaten bewaffnet zu der Insel rudern, wenn die naturkundlichen Beobachtungen abgeschlossen sein würden.

'Mist', grollte Inge im Stillen, umgekehrt konnte sie es Barbara nicht verübeln, im Gegenteil, ohne deren erste Erkundung hätte sie ganz auf den seltsamen Fremden vergessen, der da in der Dämmerung auf der Lichtung herumgescharrt hatte.
Verwunderung mimend antwortete Inge:
- "Ach, was, wirklich, eine Kiste mit Geld drin?"
- "Ja, komm', ich hab' den Deckel der Kiste freigelegt."

Wenige Sekunden später standen sie vor dem Schatz. Barbara griff bedächtig an den Deckelrand und hob ihn vorsichtig ab, als ob in der Kiste scharfe Granaten lägen, die bei kleinster Erschütterung explodierten. Einem Zeremonienmeister gleich entfernte sie die Abdeckfolie und enthüllte damit den Schatz in Form der gestapelten Geldscheinbündel.

--

Kurz vor Caorle hielt Martina an, zog die über Magda ausgebreitete Decke zurück und forderte jene auf, aus ihrem Loch heraus und sich auf die Rückbank zu setzen. Vollkommen steif fiel es Magda schwer, diesen Befehl auszuführen; sie blinzelte in dem hellen Licht der Nachmittagssonne und zog sich unendlich mühsam in die Höhe.
- "Mach schon", herrschte Martina sie an, "oder willst du, daß dich die Leute mit ihren Masken da angaffen, als ob du es wärst, die vom Mond kommt!"

Magda erblickte nun erstmals Menschen mit Gasmasken.
- "Was ist denn das?", wagte sie eine Frage, Martina konterte scharf:
- "Frag' nicht blöd, sondern beweg' endlich deinen Arsch auf die Rückbank."
Ohne nochmals irgend etwas zu äußern schickte sich Magda an, diagonal hinter ihrer Herrin auf der Rückbank Platz zu nehmen.

Schweigend, wie schon die gesamte Fahrt, erreichten Martina und Magda Caorle. Sie fanden erstaunlicherweise in der Nähe des Hotels eine freie Parklücke. Martina befahl Magda, den großen vollgepackten Rucksack zu schultern und zwei weitere Gepäckstücke zu tragen. Sie selber nahm nur ihre Handtasche, mit welcher sie voranschritt, während Magda geduldig als Packesel hinterher trottete. Martina fühlte sich vom Gammastrahl getroffen, als sie durch die kleine Eingangshalle schritt und hinter dem Empfangstresen zwei Menschen mit Gasmasken gewahrte, und sie mußte genau hinsehen, um zu erkennen, daß die eine Person ein Mann war, die andere eine Frau.

Letztere begrüßte sie auf deutsch:
- "Herzlich willkommen, bitte erschrecken Sie nicht, aber seit vorgestern müssen wir diese blöden Masken tragen, das wird streng kontrolliert. Sind Sie die Reisegruppe aus Brannenburg von Herrn Gangolf?"
- "Ja", antwortete Martina, "aus Brandenburg, Gangolf kommt noch nach mit dem Motorrad."
- "Sehr schön, hat er mir schon gesagt am Telephon, kommt mit seiner Frau, und Sie sind Bekannte?"
- "Ja, ich heiße Martina, also Martina Weiß, und das ist Magda Armdran."

Die Frau von der Rezeption antwortete:
- "Sehr schön, aber bevor ich Ihnen die Schlüssel gebe, muß ich Ihnen die Masken austeilen, das ist Vorschrift so, die haben uns viele gebracht für alle Hotelgäste und also hier bitte, ich muß Sie bitten, diese jetzt aufzusetzen. Nur bei Abstand über fünf Meter dürfen Sie die wegnehmen, wenn sicher ist, daß nie­mand sonst kommen kann näher als fünf Meter."

Martina und Magda schauten die Rezeptionistin verblüfft an, als sich diese bückte und unter dem Tresen zwei Gasmasken hervorholte.
- "Ich heiße Maria, entschuldigen Sie bitte, ich hab' mich noch gar nicht vorgestellt, ich komme aus Bozen, also aber ich arbeite schon lange jetzt hier in dem Hotel.

Maria half den beiden soeben eingetroffenen Gästen, die Masken aufzusetzen und erklärte ihnen, wie sie die Bänder zuziehen mußten, damit diese richtig auf dem Gesicht zu liegen kamen. Martina empfand den Geruch des Gummis erregend, während Magda emo­tionslos durch die gummiumrahmten Gläser glotzte.
- "Und hier Ihre Schlüssel für die Zimmer im zweiten Obergeschoß, 21 und 22, dann haben Sie die Zimmer gleich nebeneinander", fuhr Maria fort.

- "Eigentlich wollten wir ein Doppelzimmer", entgegnete Martina mit leichter Entrüstung in der Stimme.
- "Ah, das dürfen wir nicht mehr, also nur für Ehepaare. Oder haben Sie, wie sagt man auf deutsch, also so etwas wie Ehepaare, wenn Sie sind."

- "Eingetragene Partnerschaft, nein, das haben wir nicht", gestand Martina ein und fluchte im Stillen: 'Verfluchter Mist, das hat uns gerade noch gefehlt.'
Nachdem sie die Anmeldezettel ausgefüllt hatte, nahm Martina die Schlüssel in Empfang, Magda schickte sich an, die abgestellten Koffer aufzunehmen.

- "Der Aufzug ist da hinten in der Ecke", rief Maria den beiden durch die Maske nach, es klang sehr eigenartig, wenn sie mit lauterer Stimme durch das Gummi sprach. Magda war froh, das schwere Gepäck mit der atemberaubenden Maske nicht über die Stiege hinaufschleppen zu müssen. In dem kleinen Aufzug wurde es sehr eng, als Magda die Koffer abstellte. Sie selber konnte sich nicht an eine der Wände lehnen, der dicke Rucksack hin­derte sie daran. Am liebsten hätte Martina Magda mit dem Gepäck wieder hinausge­schickt, es fiel ihr als Herrin schwer, sich in eine Ecke zu drücken, damit ihre bepackte Sklavin Platz fände in der engen Zelle.

Während der kurzen Aufzugfahrt reifte in Martina der Plan, doch noch an ein Doppelzimmer zu kommen:
'Sollen doch Gangolf und Bettina in den Einzelzellen schmachten', kam es ihr in den Sinn, 'die brauchen ja ohnehin kein Doppelbett, wie ich doch sehr hoffe!'

Bettina errötete, als Gangolf wie selbstverständlich den Meldeschein ausfüllte und ihren Namen angab mit Bettina Litte-Stumpf.
- "Die Welt will betrogen sein", raunte Gangolf Bettina zu, als sie gasbemaskt zum Aufzug schlenderten, ihre Helme lässig in den Händen haltend. Sie betrachteten sich in dem großen Spiegel in der Aufzugkabine, welcher an der der Tür gegenüberliegenden Seite ange­bracht war. Es war ein skurriler Anblick, so als ob die Marsmenschen ihre Helme abge­nommen hätten, um auf der Erde die hier für sie gefährliche Atemluft mit den Gasmas­ken zu filtern.

Beide machten aus ihrer Erregung keinen Hehl. Zu Gangolfs größter Über­raschung bückte sich Bettina, legte ihren Helm auf den Boden, streckte sich wieder em­por und umarmte Gangolf mit ihrer ganzen Kraft. Erstmals verspürte Bettina das drin­gende Bedürfnis, Gangolf zu küssen, doch ausgerechnet jetzt wurde das mit den Masken vereitelt. Sie streckte sich so weit wie möglich zu Gangolf empor, wippte auf die Zehen­spitzen und schnorchelte mit dem Filter auf Gangolfs Hals herum. Dieser reagierte und beantwortete Bettinas Schnorcheln, indem er seinen Kopf senkte und auf diese Weise seinen Filter auf Bettinas Kopf setzte. Auch Gangolf verspürte den unbändigen Drang, endlich seine Partnerin zu küssen; auf der langen Motorradfahrt sind sie sich körperlich so nahe gewesen, was sollte sie hindern, nun ohne umhüllendes Leder, Helm oder Maske sich zu berühren.

Doch Gangolfs Liebesträume sollten überraschend schnell ein Ende finden.

Das Doppelzimmer Nummer 25, zu welchem Gangolf den Schlüssel in der Hand hielt, war etwas versetzt zu den Einzelzimmern um die Ecke gelegen. Gangolf sperrte auf, warf seinen Helm auf das Bett, zog sich die Maske vom Gesicht und schleuderte diese jenem hinterher. Doch als er sich umwandt, um Bettina in seine Arme zu nehmen, sah er, wie diese, kaum daß sie nach ihm in das Zimmer kam, durch die Badtür entschwand.

'Die muß wohl dringend', erklärte sich Gangolf Bettinas Verhalten, ohne daß dadurch seiner Geilheit ein Schaden entstanden wäre. Er zog sich die Stiefel aus und flackte sich neben Helm und Gasmaske auf das Bett. Erwartungsvoll heftete er seinen Blick auf die Badtür, daß sich diese endlich öffnete. Er hatte in seiner Vorstellung Bettinas schmales Gesicht vor Augen, ihren entblößten Oberkörper, ihre schmale Taille, die sie, Verschämtheit vortäuschend, mit dem Badetuch umschlungen hielt.

Als sich die Tür öffnete, stockte Gangolf der Atem.



















































98. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von carpegenk am 30.04.22 05:52

Hallo Magnus,
nun kommen die beiden Hauptzweige der Geschichte langsam zusammen, und auf der kleinen Vogelinsel scheint sich ein kleiner, wichtiger Zweig zu öffnen.
Eine Klasse Geschichte, vielen Dank!
Carpegenk
99. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 02.05.22 20:48

In der Tat fällt es nicht immer leicht, den Überblick über die verschiedenen Handlungsstränge zu behalten, vor allem, was den zeitlichen Ablauf der Verzweigungen anbetrifft; vielen Dank für die Rückmeldung!
100. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 06.05.22 20:43

52

Inge und Barbara lagen in ihrem Zelt auf den schmalen Luftmatratzen. Sie diskutierten endlos über die Geldkiste und wie sie mit dieser umgehen sollten. Das grundehrliche Mädchen Barbara wollte den Fund der Polizei melden, da sie sich sicher war, daß mit der Kiste etwas nicht stimmte, deren Inhalt einer illegalen Handlung zugrunde lag. Inge indes wollte sie in der Erde vergraben lassen, natürlich mit dem Hintergedanken, später ihrer habhaft zu werden. Diesen Gedanken sprach sie freilich nicht aus.
- “Schlafen wir erst einmal darüber”, schlug Barbara vor.

Am nächsten Morgen einigten sich die beiden Naturkundlerinnen darauf, die Polizei zu verständigen. Doch zuvor wollte Inge nochmals einen Blick in die Schatzkiste werfen.
- “Die werden sicher wissen wollen, wieviel da drin ist”, sagte Inge. Dieses Argument leuchtete Barbara ein, und so besuchten sie gemeinsam den Schatz.
- “Das ist wirklich richtig viel”, äußerte sich Barbara, “sicher mehrere tausend Euro.”
- “Ja, viel mehr”, entgegnete Inge, “ich schätze `mal mindestens zehntausend. Da, nimm’ `mal ein Bündel, auf eines mehr oder weniger kommt es nicht darauf an!”

Barbara errötete, sie fühlte sich ertappt, hatte sie doch vor einigen Tagen genau den selben Gedanken.
- “Mußt dir nichts dabei denken”, versuchte Inge sie zu beruhigen, “was läßt der Typ auch so viel Geld da mitten im Wald auf der einsamen Insel liegen, und dabei hat er nicht `mal die Kiste abgesperrt.”
- “Das ist nicht so einfach”, entgegnete Barbara, “mein Bruder hatte `mal ein Vorhängeschloß im Gras liegen lassen, wo es richtig naß geworden war, und da hat es dann nicht mehr gesperrt, also umgekehrt, er hat das nicht mehr aufgekriegt.”
- “Ja, aha, kann schon sein, ist auch egal jetzt, da, nimm’ nochmal ein Bündel”, forderte Inge Barbara auf, hielt ihr ein weiteres Bündel hin und raffte sich selber zwei heraus.
- “Nein, eines ist schon genug, das Geld gehört uns doch gar nicht”, zauderte Barbara und schickte sich an, das zweite Bündel zurückzulegen.
- “Dann tu es her”, forderte Inge sie auf und nahm auf diese Weise drei Geldscheinbündel an sich.

- “So, jetzt kannst du die Kiste zumachen und deine Polizei anrufen”, gab Inge die Anweisung und lief zum Zelt, um ihre neuerliche Beute in ihrem großen Rucksack zu der früher eingelagerten hinzuzustecken, ehe Barbara zum Zelt kam.

- “Weißt du die Nummer von der Polizei?”, fragte Barbara.
- “Nö, wie sollte ich, ruf einfach 110”
Barbara tippte nervös die drei Ziffern und gleich darauf meldete sich die Einsatzzentrale.
- “Guten Tag, hier spricht Barbara Bär, wir haben eine Kiste voller Geld gefunden ... Ja, mitten im Wald ... also keine Ahnung, viel, glaub’ ich ... Ach so, ja, gut, vielen Dank.”

Inge blickte Barbara fragend an: “Ja also was, was haben die gesagt?”
- “Nichts, wir sollen die Kiste beim Fundamt abgeben.”

---

Gangolf zählte sich zu den Glückspilzen, die nur selten, in seinem Fall praktisch noch nie enttäuscht wurden, doch was er soeben erlebte, traf ihn schwer. Freilich hatte auch er bereits schwere Schicksalsschläge hinter sich bringen müssen, beispielsweise den frühen Tod seiner Eltern.
‘Das kommt davon, wenn man sich Illusionen hingibt’, schalt er sich selber, ‘Frauen sind eben unberechenbar.’

Solange Gangolf das Wasser in der Duschkabine rauschen hörte, spornte ihn das Geräusch in seiner Geilheit sogar noch an und er sah im Geiste Bettina unter dem Strahl der Brause stehen, wie sie ihren schlanken Körper einseifte, den Brausekopf von der Wand­halterung nahm und den Strahl an die verschiedenen Körperstellen aufschlagen ließ. End­lich verstummte das Gebrause, Gangolf richtete sich in den Kissen auf. Gespannt vor Vorfreude starrte er auf die Tür. Er vernahm ein schwaches Geräusch, er bildete sich ein, daß es das Platschen der Füße war, als sie die schwellenlose Kabine verließ, um in die Mitte des geräumigen Badezimmers zu gelangen. Auch bildete sich Gangolf ein, das Rub­beln des Handtuchs zu vernehmen. Dann vernahm er ein Ratschen, das er sich nicht er­klären konnte. Doch die Aufklärung kam postwendend:

Bettina öffnete die Badtür und streckte ihren Kopf hinaus, ohne das Bad dabei zu verlasen. Gangolf sah sich einer Gasmaske gegenüber, aus welcher eine seltsam quakende Stimme quoll:
- “Ach Gangi, würdest du bitte schon `mal Martina verständigen, daß die beiden kommen, damit wir unser Gepäck erhalten, ich hab’ ja hier nichts weiter zum Anziehen außer Magdas Lederkombi.”

Für Gangolf brach ein Weltbild zusammen. Noch wenige Minuten zuvor wähnte er in der engen Aufzugkabine Bettinas Geilheit zu spüren – und jetzt glotzte ihn die Gummifotze aus dem kaum zwei handbreit geöffneten Türspalt des Badezimmers entgegen, mit der eines Frosches ähnlicher Stimme, ich hab’ ja hier nichts weiter zum Anziehen.

Die Badzimmertür wurde wieder verschlossen, Gangolf vernahm ein schmatzendes Geräusch, kurz darauf das Getöse des Haarföns, der in einer Wandhalterung stak. Fassungslos starrte Gangolf auf die Badtür; als das monotone Gebläsegeräusch schließlich verstummte, raffte er sich auf, griff zu seinem Smartphone und rief Martina an. Mit zu­ckersüßer Stimme schlug diese ihm vor, die Zimmer zu tauschen. Gangolf war nach seiner herben Enttäuschung zu keinem Gedanken fähig; ohne auf Bettinas Meinung zu warten, stimmte er sofort Martinas Vorschlag zu und faßte es als göttliche Fügung auf, genau in diesem Moment die nächtliche Trennung von Bettina zu besiegeln. Auf diese Weise war er erlöst von dem ständigen Zwang, des Nachts neben ihr ruhend seine Begierde im Zaum zu halten.

Kurz darauf trat Bettina aus dem Badezimmer, ihre Brüste unter dem T-Shirt, das sie schon den ganzen Tag auf der Fahrt anhatte, die Taille mit dem Badetuch verhüllt, den Kopf mit der Gasmaske.
‘Spinnst du denn gar’, ärgerte sich Gangolf, ‘wir haben als Paar das Doppelzimmer erhalten, was willst du da mit der Gummifotze?’ Doch er sagte nichts, schüttelte bei dem skurrilen Anblick den Kopf und sagte:

- “Die Martina und die Magda haben Einzelzimmer und sie wollen, daß wir tauschen sollen, dann können diese das große Zimmer hier haben und wir haben dann jeder unsere eigenen Zimmer.”
Bettina glotzte ihn durch die Augengläser verwundert an und quakte: “Ja, nun gut, wenn das so sein soll. Den Helm und den Motorradanzug können wir dann ja gleich da lassen für Magda.”

Wenn auch Gangolf das Gequake nicht bezüglich der sich dahinter verbergenden Tonlage genau entziffern vermochte, meinte er indes doch, eine leichte Verärgerung in Betti­nas Stimme zu vernehmen. Als Bettina in ihrem sonderbaren Aufzug in Richtung Zimmer­tür schritt, erhob sich Gangolf, stieg in die Motorradstiefel, legte mit einem leichten Seuf­zer den Motorradanzug über seinen Arm, stopfte die Handschuhe in den Helm, ergriff die­sen und schlenderte gleichfalls in den Flur hinaus.
- “Wo müssen wir denn hin?”, quakte es aus Bettinas Maske.
- “Zimmer 21 und 22”, gab Gangolf knapp zur Antwort.

Bettina klopfte an die Tür mit der Nummer 22, Gangolf schritt mit seiner Beladung eine Tür weiter bis zur Nummer 21. Ihm öffnete Martina, sie umarmte ihn innig und führte ihn in das kleine Zimmer. Auf dem Boden lag Magda, mit dem Gesicht nach unten. Auf ihrem nackten Rücken erkannte Gangolf sofort Martinas Stiefelabdrücke.
‘Geht das schon wieder los’, dachte er sich, ‘die arme Magda, das wird die Hölle für sie in dem Doppelzimmer, eine blöde Idee, daß ich dem gleich zugestimmt habe.’ Doch Gangolf behielt seine Gedanken für sich. Es kam ihm nicht in den Sinn, daß auf dem Flur draußen Bettina immer noch wartete vor der verschlossenen Tür Nummer 22.

Martina gab Magda einen Tritt in die Seite und herrschte sie an: “Steh’ auf und pack’ unser Zeug zusammen.”
Und zu Gangolf gerichtet fragte sie: “Wo ist das Doppelzimmer?”
- “Vorne am Aufzug vorbei, Nummer 25.”

Bettina stand immer noch wartend auf dem Flur vor der verschlossenen Tür. Sie fröstelte leicht. Martina blickte erstaunt auf, als sie Bettina mit Gasmaske und Badetuch um­hüllt einsam auf dem Flur stehen sah.
- “Ah, wart’, ich hol’ den Schlüssel für dein Zimmer”, wandte sie sich an ihre Freundin und ging in das Zimmer zurück, um den Schlüssel zu holen.
‘Warum lädtst du mich eigentlich nicht ein, mit dir das Doppelzimmer zu beziehen’, kam es Bettina in den Sinn, ‘sind wir jetzt noch ein Paar oder sind wir es nicht mehr.’
Sie schluckte ihren Ärger herunter, was dem Gummi ein seltsam gurgelndes Geräusch entlockte.

- “Treffen wir uns so in einer halben Stunde unten”, kommandierte Martina und reichte Bettina den Schlüssel zu dem Einzelzimmer, vor dem diese wartete.
- “Ja gut”, stimmte Gangolf zu, Bettina sagte nichts, sondern sperrte verärgert die Tür auf. Dann ging sie eine Tür weiter zu Gangolfs neuer Behausung und rief durch die geschlossene Tür:
- “Hast du meine Sachen bei dir drin’?”
Gangolf konnte das Gequake hinter der verschlossenen Zimmertür nicht verstehen, er kam heraus und sah Bettina immer noch in ihrem futuristischen Aufzug dastehen.
- “Ach ja, deine Sachen”, antwortete er, als er sie so dastehen sah. Er beeilte sich, Bettinas Habseligkeiten zusammenzuraffen, die Magda in dem Zimmer zurück gelassen hatte. Er hätte größte Lust gehabt, das Geraffel einfach vor ihre Füße zu werfen, so tief stak im­mer noch seine Enttäuschung in ihm, doch er konnte sich im letzten Moment beherrschen und trug die Sachen in ihr Zimmer.

- “Also bis später dann”, verabschiedete er sich, Bettina quakte ein kurzes “Danke” durch das Gummi.

---

- “Stell’ die vor, Olaf, soeben haben die von der Zentrale in Wuselhausen angerufen, da hat angeblich jemand eine Geldkassette irgendwo im Schleewald gefunden. Die haben ihr geraten, das Ding beim Fundamt abzugeben.”
- “Wie kann man nur eine Geldkassette verlieren”, wunderte sich Hauptwachtmeister Brause, runzelte die Stirn und fuhr fort:
- “Da sieht man wieder `mal, daß es doch noch ehrliche Menschen jibt”.

Immer wenn er davon hörte, daß irgendwo Geld gefunden worden war, dachte Brause unwillkürlich an die verschollene Beute des Überfalls auf die Commerzbank in Lüggen. Freilich sagte er sich selber, daß nach der langen Zeit das Geld nicht mehr auftauchen würde, doch kam ihn dieser seltsame Kriminalfall immer wieder in den Sinn. Daß dieser sich eines gar nicht mehr so fernen Tages doch noch auflösen würde, konnte er natürlich nicht ahnen.

- “Sie müssen die Kassette schon vorbeibringen”, raunzte der Mann von dem Fundbüro in Lüggen in den Telephonhörer, “was heißt da zu schwer und ausgraben, also ich kann da nich’ kommen ... ja, wenn sich der Besitzer nich’ meldet, dann jehört Ihnen der Fund, Sie müssen nach ‘m Jahr nur die Bewahrjebühr zahlen.”

- “Und was spricht er?” wollte Inge von Barbara wissen.
- “Wir müßten die Kiste hinbringen und nach einem Jahr gehört uns die, wenn sich der Besitzer nicht meldet.”
- “Das glaub’ ich kaum, der wird sich ganz schnell melden, wenn er bemerkt hat, daß sie weg ist”, ereiferte sich Inge.
- “Immerhin haben wir schon den Finderlohn vorweg genommen.”
- “Ach was, das ist doch nichts dagegen, was alles in der Kiste liegt. Aber `mal was anderes, was mich wundert ist nur, daß sich da die Polizei nicht dafür interessiert, bei dem hohen Geldbetrag da drin.”

- “Der von der Polizeizentrale hatte gar nicht richtig zugehört, hatte ich das Gefühl”, entgegnete Barbara, “der hat gleich auf das Fundamt verwiesen.”
- “Und auf dem Fundamt, da könnte ja ein jeder kommen und behaupten, eine Geldkiste verloren zu haben mit zehntausend Euro drin, die er im Wald auf einer einsamen Insel dort verloren hat und die dann im Lauf der Zeit so tief in die Erde eingesunken ist, daß man die Kiste gar nicht mehr gesehen hat von oben.”

Die beiden schwiegen eine Weile, bis Inge wieder das Wort ergriff:
- “Was sollen wir denn deinem Mensch da im Fundamt sagen? Wir haben da eine schwere Kiste voller Geld gefunden, vergraben auf der Insel im Röthener See, die haben wir ausgegraben und auf diese Weise gefunden?”
Barbara pflichtete ihr bei, daß sie wohl in Erklärungsnöte kämen und daß ihnen der Herr im Amt die Geschichte nicht so leicht abnehmen würde. Am Ende kämen noch peinliche Befragungen bei der Polizei hinzu und sie ließ sich mehr und mehr von dem Gedanken treiben, die Sache erst einmal auf sich beruhen zu lassen.

Inge brachte es schließlich auf den Punkt:
- “Wie willst du eigentlich das Ding ohne Schaufel ausgraben und dann an’s Land bringen, der Kahn geht ja schon so fast unter mit unserem ganzen Zeug.“
Das leuchtete Barbara ein, die Diskussion über die Kiste war beendet. Was die beiden Forscherinnen indes nicht bedachten war die unglaubliche kombinatorische Auffassungsgabe eines langjährigen Polizeibeamten, gepaart mit einem gewaltigen Langzeitgedächtnis.


















101. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 13.05.22 22:13

53

Als Gangolf mit seinen Badesachen das Zimmer verließ, fiel ihm ein, daß er die Gasmaske in dem Doppelzimmer liegen lassen hatte. Gerade als er um die Ecke ging, kam ihm Magda entgegen. Er erkannte sie zunächst nicht mit Sicherheit, denn sie trug brav ihre Gasmaske. Erst jetzt wurde Gangolf bewußt, wie anonym man mit dieser Vollgesichtsmaske wurde, man konnte auf Anhieb nicht einmal mehr erkennen, ob es sich bei der Person um einen Mann handelte oder um eine Frau. Hätte Magda nicht ihre verwaschene Shorts angehabt und die verschlissenen Chucks an den Füßen, wäre sie für Gangolf uner­kannt geblieben.

- "Ah, gut daß ich dich treffe", sprach Gangolf die Maskenträgerin an, "ich hab' meine Maske in euerem Zimmer liegenlassen, ist die Martina noch da?"
Magda gab durch die Maske quakend zur Antwort: "Nein, sie ist soeben im Aufzug runtergefahren."
- "Ach, und du wolltest wohl lieber auf der Stiege nach unten gehen?"
- "Sie sagte, ich soll die Treppe benutzen, weil sie lieber allein in dem Aufzug sein wollte."
- "Was, und du tust das brav, wie immer, was sie sagt? Also dann gehen wir zusammen hinunter, damit ich von der Martina den Schlüssel nochmal krieg' ."

In der Empfangshalle angekommen wurde Gangolf sofort scharf von Maria ermahnt:
- "Herr Gangolf, ich hab' Ihnen gesagt, Sie dürfen unter keinen Umständen ohne Maske hier sein, gerade waren Polizeileute da, die kontrollieren ganz streng, auch am Strand müssen Sie mindestens Distanz halten drei Meter, sonst müssen Sie gleich die Maske wieder aufsetzen. Es ist ein Wahnsinn, aber der Virus ist schon überall jetzt!"

Gangolf seufzte, er rief Magda zu, Martina nochmals nach oben zu schicken, er würde vor der Tür warten. Hurtig drehte er um und eilte die Stufen wieder hinauf, um vor dem Doppelzimmer, das jetzt Martina und Magda bezogen hatten, zu warten.
Mißmutig erschien kurze Zeit später Martina, gleichfalls ohne Maske. Sie hatte ihre absichtlich liegen lassen und wurde von Maria diesbezüglich ebenfalls scharf attackiert. Als Martina und Gangolf wieder nach unten kamen, jetzt mit aufgesetzter Maske, war dort auch Bettina erschienen, auch sie trug brav die Gasmaske. Alle vier glotzten sich nun gegenseitig durch die Maskengläser an, sie fanden die Situation urkomisch.

Nicht mehr zum Lachen zumute war den vier Urlaubern, als sie auf die Straße hinaustraten und tatsächlich einen Polizisten der Polizia Municipale sahen, wie dieser in Beglei­tung eines Zivilisten, der eine Armbinde mit der Aufschrift >Guarda Municipale< trug, auf eine Person zuging, die sich unentwegt zwischen die Beine griff und die Intimzone kräftig durchknetete. Gangolf konnte nicht verstehen, was die beiden Offiziellen der onanieren­den Person zuriefen, zum einen war sein Italienisch nicht so perfekt, daß er sofort jede Ansprache verstehen konnte, zum anderen waren die Stimmen durch das den Mund voll­ständig umfassende Gummi sehr gedämpft.

Als die angesprochene Person nicht mit ihren perversen Handlungen aufhörte, ergriffen die beiden Machthaber deren Arme, bogen diese hinter den Rücken und fesselten die Handgelenke mit Kabelbindern aneinander. Die gefesselte Person zappelte in wilden Bewegungen des Oberkörpers hin und her, es mußte eine unheimliche Qual gewesen sein. Bettina und Gangolf erinnerten sich sofort an die Italienerin, welche sie auf dem Grazer Schloßberg getroffen hatten mit den gleichen seltsamen nervösen Zuckungen.

Kaum waren die beiden Ordnungshüter weiter gegangen und um die nächste Ecke verschwunden, lief der Mann oder die Frau mit den auf den Rücken gefesselten Händen zu der nächsten Stange, auf welcher ein Verkehrszeichen angebracht war, ging an diese ganz nah heran und rieb den Intimbereich, den die Person vorher mit den Händen massierte, an dem Rohr. Fassungslos betrachteten die vier Freunde das Geschehen, wortlos kamen sie überein, die Straßenseite zu wechseln, um nicht der armen Kreatur nahe zu kommen.

Gangolf fiel eine Tagesschau-Meldung ein, die vor Monaten von einem seltsamen Virus-Ausbruch in Nationalchina berichtet hatte, daß dort Menschen von einem starken Juckreiz der Genitalien befallen worden seien. Auch in England habe es einzelne Fälle gegeben, doch dann hörte man nichts mehr von den merkwürdigen Vorkommnissen.

Als die Vierergruppe auf die Hauptstraße einbog, gewahrte sie weitere Personen, die sich absonderlich zwischen den Beinen rieben. Bettina deutete mit einer kurzen Kopfbewegung zu einer Person hinüber, die auf der anderen Straßenseite ging, welche der Grö­ße nach und dem kurzen Haarschnitt, aber auch den großen Schuhen, ein Mann sein mußte. Ihre drei Begleiter reckten gleichfalls den Gummirüssel zu dem reibenden Mann. Kurz darauf kam wieder ein städtischer Kontrolltrupp daher; dem Mann gelang es, seine Hände rechtzeitig von seinen Genitalien wegzunehmen, er verschränkte seine Arme auf dem Rücken. Prompt durchzuckten ihn quasi epileptische Anfälle, doch er konnte sich gut beherrschen, die beiden Wächter mit ihren Armbinden blickten nur kurz auf, gingen dann an ihm vorüber. Kaum waren diese vorbei, nahm sich der arme Mann die Hände vom Rü­cken und rieb wieder nach Kräften seinen Penis.

Die vier Freunde glotzten sich sprachlos an, sie glaubten, in einem irrealen Sience Fiction-Film zu sein. Sprachlos näherten sie sich dem Strand. Auf dem Zufahrtsweg waren provisorische Anschläge angebracht, die in mehreren Sprachen das Verhalten am Strand vorschrieben. Im annehmbaren Deutsch lasen die vier, daß Einzelpersonen einen Min­destabstand von drei Metern einhalten müßten, ansonsten galt die Pflicht, die Maske zu tragen. Ehepaare durften ohne Maske zusammensitzen, auch Kinder.

Tatsächlich patrouillierten am Strand weitere Wächter; als die vier ihre Badeutensilien ausbreiteten und die Masken abnahmen, kamen jene sofort daher und mahnten im gebrochenen Deutsch die Einhaltung der Abstände. Gangolf umgriff geistesgegenwärtig Magda und erklärte den beiden Kontrolleuren, daß diese seine Frau sei. Freilich hätte er lieber Bettina umarmt, doch konnte er schlecht einschätzen, ob diese immer noch oder bereits wieder herumzicken würde. Martina stand weiter weg und grummelte etwas vor sich hin, sie entfernte sich, auch Bettina verließ das vermeintliche Paar und trollte sich isoliert in die andere Richtung.

- "So ein richtiger Bockmist", ärgerte sich Martina, "das soll ein Urlaub sein? Morgen fahr' ich nach Hause!"

--

Die beiden Naturforscherinnen brachen ihr Zelt ab, sie verstauten alles in ihre riesigen Trekking-Rucksäcke, welche sie kaum schultern konnten. Durch das Unterholz wankend erreichten sie schließlich das Ufer. Das Balancieren auf dem schmalen Brett des Stegs war nicht einfach, noch höhere Konzentration erforderte das Ablegen der schweren Fracht in den schmalen Kahn. Mühsam kämpften sich die Bootsfahrerinnen durch den Schilfgürtel. Auf dem offenen See blies ihnen ein starker Wind entgegen, die Wellen schaukelten das Schifflein, Inge und Barbara waren heilfroh, als sie dem gegenüberliegenden Ufer immer näher kamen.

Während sie nach Kräften ruderte, thematisierte Barbara nochmals die Schatzkiste:
- "Also du meinst, wir sollten nichts sagen, niemanden, von unserem Fund."

Inge bekräftigte ihre Haltung und entgegnete hintergründig:
- "Ja klar, wir kriegen sonst bloß Ärger, stell' die vor, wenn sich herausstellt, wem das Geld gehört und es ist nicht mehr da, dann wird der Nachforschungen anstellen, der wird sich nicht so leicht zufrieden geben, daß es dann einfach weg ist."

Erst beim Aussprechen dieser Worte wurde es Inge bewußt, daß sie ein Problem bekäme, wenn sie tatsächlich den Schatz irgendwo anders verstecken würde, so leicht ist das nicht, einen solch enormen Geldbetrag sicher zu verstecken. Andererseits wuchs ihre Gier mit jedem Ruderschlag, die Weite der Seeoberfläche ließ ihre Fantasie freien Raum.
'Erst einmal muß ich einen Vorwand finden, nochmals allein auf die Insel zurückzukehren', grübelte sie, 'aber das wird sich schon irgendwie machen lassen.'

Der Wind brauste immer stärker auf, die Gischt spritzte in den Kahn, das Rudern wurde immer mühsamer. Obwohl Inge noch nicht so lange mit dem Rudern daran war, bat sie Barbara, nochmals zu wechseln. Barbara hatte bereits den größten Teil der Strecke gerudert, sie willigte ein, sich nochmals in's Zeug zu legen. Ging das aneinander Vorbeidrücken beim ersten Wechsel zwar mit durchaus bedrohlichem Schaukeln einher, war dieses Manoever gelungen, bei dem zweiten Manoever geschah das Maleur:

Zwar konnte man keiner der beiden eine eindeutige Schuld nachsagen und sie bezichtigten sich auch nicht gegenseitig eines Fehlverhaltens, aber beide hätten den Platzwech­sel konzentrierter angehen können; ein gewaltiger Schwall lief in's Boot, im Verein mit der ohnehin schon schweren Beladung bescherte dieser dem Kahn einen gewaltigen Tief­gang, das Wasser stand zwei handbreit im Boot, gerade daß die Sitzbretter noch trocken blieben, ihre Füße und die Waden standen im kühlen Naß.
Nun ging es noch viel langsa­mer voran als zuvor, Barbara legte sich gewaltig in die Riemen, im Gegensatz zu Inge fror sie dadurch nicht. Inge dagegen begann zu schlottern und versuchte aus ihrem Rucksack schnell irgend ein wärmendes Stoffteil herauszunesteln, das sie sich umlegen wollte. Eine kurze Weile hielt die imprägnierte Haut der Rucksackoberfläche dem Wasser stand, doch mußte sie sich beeilen, damit nicht der gesamte Inhalt durchfeuchtet wurde.

Barbara schimpfte: "Hey, paß' auf, daß wir nicht nochmals eintauchen, dann saufen wir total ab und wir können dann hinüberschwimmen!"
Es gelang Inge, einen Pullover aus dem Sack herauszuangeln, ohne das Schifflein in Schräglage zu bringen. Durch ihr Herummachen achtete sie nicht mehr auf die Navigation; Barbara ruderte nach Leibeskräften, der Wind trieb sie viel zu weit nach Osten ab. Ir­gendwann drehte sie sich um und rief:
- "Ja sind wir denn immer noch nicht da."

Jetzt beobachtete auch Inge das Ufer genauer und sie erkannten in der Ferne die Einfahrt in den Kanal.
- "Sag ´mal, war der Kanal nicht mit Bäumen umgeben?", fragte Barbara, als sich wieder zurückdrehte und weiterruderte.
- "Hm, kann schon sein", entgegnete Inge, legte sich den Pullover über die Schultern und hob ihre Füße auf den Bootsrand. Das Wasser triefte aus ihren Trekkingschuhen.

'Du hast es gut', grimmte Barbara im Stillen, 'immer muß ich die schwere Arbeit machen, das war auf der Insel schon so und das ist jetzt beim Rudern so. Und dann bist du zu blöd, um gleichzeitig mit mir zu Wechseln.'

Barbara war zehn Jahre jünger als Inge und sie war nur Praktikantin, während Inge als Referatsleiterin der Unteren Naturschutzbehörde in Amt und Würden stand. Immer wieder drehte sich Barbara um, sie vertraute den navigatorischen Fähigkeiten ihrer Kapitänin nicht mehr.
- "Also das ist doch nicht unser Kanal, von wo wir gekommen sind", empörte sie sich, als sie von der Kanaleinfahrt nur noch zwanzig Meter entfernt waren.
-"Äh, was?", gab Inge zur Antwort, ihr fiel nichts besseres ein.
- "Weißt du was, das ist der andere Kanal, da kommen wir zur Schlee, aber wir müssen doch eher nordwestwärts, zur Damisch, oder wie der Fluß heißt. Ja, da bin ich mir jetzt ganz sicher, so ein Mist, und du sitzt auch bloß da und sagst nichts, als du das kurze Stück gerudert hattest, hatte ich das Ufer nie aus den Augen gelassen und immer wieder dich korrigiert, mehr westlich zu halten. Verdammt, ich dreh' jetzt um!"

Inge schwieg. Sie fühlte sich schuldig. Ihr war gar nicht bewußt, daß sie aufpassen mußte, während Barbara ruderte. Als diese das Wendemanoever abgeschlossen hatte, setzte sie nach:
- "Ich hab' keine Augen im Hintern, aber du denkst nur daran, dir ein warmes Plätzchen zu schaffen!"

Das Wasser spritzte jetzt noch stärker auf Barbaras Rücken, sie ruderte am Ufer entlang westwärts, fast in den direkten Gegenwind. Nur im Schneckentempo kamen sie weiter, endlich erkannten sie den ersten Baumbewuchs am Ufer. Barbara holte für eine kurze Zeit die Riemen ein, zog die Beine aus dem Wasser und massierte ihre erkalteten Waden. Schuldbewußt bot sich Inge an, weiterzurudern.

- "Nein, nicht nochmal einen Wechsel", lehnte Barbara entschieden ab, "mit den gefrorenen Beinen gelingt mir kein synchroner Wechsel mehr!"
Zornig ließ sie ihre Füße wieder in's Wasser sinken und ergriff die Ruderriemen. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten sie die richtige Kanaleinfahrt, sie erreichten den Steg, an welchem auch Gangolf seine Boote zu Wasser lassen pflegte.

- "Ja komm', beweg deinen Hintern hoch, wir sind da", grollte Barbara, als sie geschickt den Kahn trotz des gewaltigen Tiefgangs an den Steg anlegte. Inge wollte natürlich ihre bereits wieder etwas getrockneten Schuhe nicht erneut auf den Boden stellen, sie zog ihre Knie an und schob sich mit den Beinen in der Luft auf die Seite des Sitzbretts, um sich auf den Steg zu hangeln. Es gelang ihr tatsächlich, ohne Einzutauchen das Holz zu erglimmen. Als sie darauf zu sitzen kam, beugte sie sich in das Boot, während Barbara ihr die Rucksäcke hinaufstemmte. Es war ein gewaltiger Kraftakt, denn die Säcke waren jetzt ordentlich durchfeuchtet. Wieder schwankte der Kahn bedrohlich, doch Barbara war das jetzt egal, sie waren immerhin am Ziel. Sie zog sich nun gleichfalls hinauf und täute das Boot fest.

Inge öffnete ihren zum Großteil durchnäßten Rucksack und kramte in einer Seitentasche nach dem Reserveakku für ihr Smartphone. Bereits vor drei Tagen war der Akku in ihrem Gerät leer geworden; sie hatte der Versuchung widerstanden, den Reserveakku zu verwenden, den sie für Notfälle aufheben wollte. Es war zwar kein Notfall eingetreten, doch wollte sie nun einen wichtigen Anruf in das Umweltamt tätigen, daß man sie jetzt abhole. Ärgerlich stellte sie fest, daß das Innenfach ebenfalls voll Wasser gelaufen war, sie schalt sich selber, den Sack nicht aufgestellt zu haben, damit nur der untere Bereich vollgelau­fen wäre. Beim Durchwühlen kamen ihr die Geldscheine in die Hände, auch diese beka­men das Wasser ab und sie hoffte, daß jene wieder trocknen würden.

Barbara beobachtete Inges Herumwursteln und konnte deren Gedanken lesen, als diese die Geldbündel in den Fingern hielt. Endlich ertastete Inge den Reserveakku, doch ihr kam es sogleich in den Sinn, daß dieser durch das Wasser entladen worden wären.
- "Hast du noch Akkuladung?", fragte sie Barbara.
- "Moment", entgegnete diese, "wen willst du denn anrufen?"
- "Im Amt, daß sie uns abholen, das haben wir vereinbart!"
- "Ach, da ist jetzt wohl gar niemand schon da, ich dachte, daß der Zeitpunkt schon ausgemacht war."
- "Wir können ja schauen, ob jemand oben ist auf dem Weg, der uns erwartet. Aber jetzt gib schon her, hast du Empfang?"
- "Ja, aber nicht mehr viel Ladung", antwortete Barbara und übergab Inge ihr Telephon.

Inge wählte verschiedene Nummern im Amt, endlich hatte sie einen Gesprächspartner erreicht. Das Ergebnis war niederschmetternd. Ihre Kollegen im Umweltamt wurden größtenteils abgezogen zu einer äußerst kurzfristig einberufenen Notfallübung, genaueres wußte die Kollegin auch nicht. Sie hielt es für ziemlich ausweglos, jemanden aufzutreiben, der jetzt nach Wesserbarg hinausfahren könnte. Noch während Inge sprach, verab­schiedete sich das Smartphone mit einen smarten Ton.

Ratlos standen die beiden jungen Damen in ihren triefenden Schuhen da und ahnten nicht im geringsten, was es mit der Notfallübung auf sich hätte.

























102. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 20.05.22 18:03

54

Das Abendessen auf der großen Terrasse der Pizzeria war alles andere als gemütlich gewesen: Im geforderten Abstand von drei Metern standen die Stühle an winzigen Tischchen, an welchen höchstens zwei Personen sitzen konnten. Wie bereits zuvor am Strand bleib Magda Gangolfs Partnerin, die sich mit ihm einen Tisch teilte, während Bettina und Martina jede für sich getrennt saßen. Ein Gespräch über die Tische hinweg war nahezu ausgeschlossen, unbarmherzig plärrte vom Lokal her ein Lautsprecher schauderhafte Geräusche.

Erstaunlicherweise war es Magda, die mit Gangolf, weit über den Tisch nach vorn gebeugt, ein Gespräch anzettelte:
- "Sag' `mal, wir sind doch hier in Italien am Meer, da kommen doch immer so viele Flüchtlinge aus Afrika an, mit ihren Schlauchbooten. Kommen die auch hierher?"
- "Aber nein", entgegnete Gangolf, die kommen an den Küsten von Sizilien an und nicht hier, hier sind wir am nördlichsten Ende von der Adria."
- "Aber könnten wir hier nicht mit einem Schiff einmal nach Afrika hinüberfahren?"
- "Nein, das glaub' ich nicht, vielleicht von Venedig aus, aber auch das glaub' ich eher nicht, vielleicht von Triest, dort ist ein großer Hafen, aber ob es da eine Fährlinie nach Afrika gibt, ich weiß es nicht. Was willst du denn ausgerechnet in Afrika, Afrika ist groß, es reicht von Ägypten bis Marokko, also die Länder liegen am Mittelmeer."
- "Schade, ich möchte so gern den armen Menschen dort helfen."
- "Ach ja, denen dort Brunnen graben?", erinnerte sich Gangolf an einen Wunsch, den Magda schon einmal geäußert hatte.
- "Ja genau."
- "Und du meinst, daß die das nicht selber können, daß sie dich und uns dafür brauchen?"

Magda schwieg daraufhin. Sie fühlte sich leicht gekränkt, daß ihre Absicht, Gutes zu tun, im Keim erstickt worden war. Sie sah es kommen, daß ihr Gutes Tun auf Martinas Befriedigung beschränkt bliebe, vielleicht ab und zu ein Mittagessen für Gangolf und Bettina kochen, das war es dann.
- "Ich hab' eine Idee", nahm Gangolf den Gesprächsfaden auf, "was hältst du davon, bei uns einen Brunnen zu graben, dann hätten wir gleich das Wasser für die Pflanzen, die im Hochsommer oft verdorren."

Magda blickte ihn mit großen Augen an.
- "Wo, bei dir auf dem Hof?" fragte sie erwartungsvoll.
- "Ja, das wäre doch was, hast du Lust dazu?"
- "Oh ja, gerne, und du weißt sicher, wie man das macht."
- "Ich hab` auch noch keinen gegraben, aber das kann man sicher im Internet nachlesen, dort steht ja eigentlich wirklich alles, was man im Leben wissen muß, bald wird es eine Anleitung geben, wie man Mondgestein sammelt."
- "Ach Gangi, du bist so ein wunderbarer Mensch."

Als die vier von dem Abendessen aufstanden, beschlossen Bettina und Gangolf, noch durch die Gassen der Altstadt zu schlendern und anschließend über die Uferpromenade zu dem Hotel zurückzukehren. Martina wollte indes sofort aufbrechen und den kürzesten Weg über den Binnenhafen einschlagen. Natürlich willigte Magda sofort ein, als jene sie aufforderte, mitzukommen. Martina versprach, Magda nichts anzutun, Gangolf wollte das nicht ganz so glauben, doch er behielt seine Zweifel für sich, denn er sehnte sich darnach, jetzt ohne weitere Debatten mit Bettina den Spaziergang durch die nächtlichen Gassen Caorles anzutreten. Sein Mitleid mit Magda verebbte allmählich; wie oft hatte er sie aufgefordert, Martinas Spiel nicht mehr mitzuspielen, und doch ergab sie sich immer wieder deren Allüren.

Es war ein bizarres Bild, wie die Menschen in der lauen Abendluft mit ihren Gasmasken durch die Straßen zogen. Bettina und Gangolf erreichten nach kurzer Zeit den uralten Dom, dessen Eingangstüren einen halben Meter tiefer lagen als das umgebende Pflaster. Gangolf erinnerte sich bei einem Besuch im oberfränkischen Forchheim, daß man auch dort zu dem Kircheneingang auf einigen Stufen hinuntergehen mußte. Die beiden konnten sich kaum vorstellen, wie das vor Jahrhunderten ausgesehen hatte, als es den nahegelegenen Deich noch nicht gab und damit die Straßen der Stadt nur knapp über dem Niveau des Meeresspiegels gelegen hatten.

Auf dem Deich ergab sich für Bettina und Gangolf ein eindrucksvolles Bild, links erstreckte sich die alte Stadt mit ihren engen Gassen, rechts rollten die Wogen an die Wel­lenbrecher heran, darüber breitete sich der Sternenhimmel aus. Bettina und Gangolf wandelten auf dem Deich entlang zu der Wallfahrtskirche, die am äußersten Ende des Deiches, auf drei Seiten vom Meer umschlungen lag. Durch die weit offen stehende Tür hörten sie, wie drinnen der Rosenkranz gebetet wurde. Sie warfen von außen einen Blick in das Heiligtum, ohne hineinzugehen, um nicht die Betenden in ihrer Andacht zu stören.

Bettina grummelte durch ihre Maske: "Manchmal bin ich euch Katholiken neidisch, ich möchte auch gern an Wunder glauben."
- "Dann tu' es doch", entgegnete Gangolf, "und was heißt da: >euch Katholiken<, du weißt doch, daß ich viel mehr mit euerer evangelischen Kirche mittlerweile zu tun hab' als mit der katholischen."
- "Du hast ja recht", meine Bettina daraufhin.

Auf ihrem Rückweg zum Hotel kehrten sie in eine kleine Bar ein; Bettina und Gangolf mimten ein Paar, der Kellner wies ihnen einen kleinen Tisch am Ende der schmalen Terrasse zu. Bettina bestellte sich Rotwein, Gangolf Weißwein. Beide bekundeten ihre Erleichterung, die Masken ablegen zu dürfen. Was sie voneinander indes nicht wußten, und was jeder für sich tunlichst als Geheimnis behielt, war das geheime Eingeständnis, daß der Maskengummi auf dem Gesicht zu einer nicht unerheblichen sexuellen Erregung führte; bei der Hitze des Tages kam dieses Gefühl nicht auf, im Gegenteil, die Atmung war behindert, man schwitze mit dem Ding vor dem Gesicht, während jetzt, in der kühleren Nachtluft, die Ausstrahlung des Gummis alle Unannehmlichkeiten aufwog.

- „Sind wir hier im falschen Film?“, wollte Bettina wissen, sie konnte es noch nicht richtig begreifen, daß hier tatsächlich alle Menschen mit einer Gasmaske herumliefen.
- „Es wirkt alles so irreal, so wie im Science Fiction, es fehlt jetzt nur noch der Raumanzug“, pflichtete Gangolf bei.
- „Oder ein Kampfanzug“, konterte Bettina, „vielleicht sind wir schon mitten im Krieg und die sagen das uns noch nicht, irgend so ein Giftgasanschlag.“
- „Schauen wir doch einmal im Internet nach, was darüber steht, die müssen doch auch auf Deutsch etwas bringen über Italien, notfalls lesen wir darüber nach auf Italienisch.“

Beide zogen ihre intelligenten Geräte heraus und tippten darauf herum. Übereinstimmend kamen sie zum Schluß, daß da etwas gemauschelt wird, es gab nirgends genauere Informationen, nur soviel, daß man in China den Ausgang eines Virus-Erregers vermutete, der sich über Großbritannien nun auf das nördliche Italien ausgebreitet habe. Auch auf italienischen Medienseiten konnte Gangolf zumindest nicht auf die Schnelle eine kon­krete Hintergrundinformation finden, nur immer soviel, daß alle Politiker dringend zur Einhaltung der strikten Maskenpflicht mahnten.

Die Zeiten des barrierefreien Zugangs zum Internet waren längst vorüber, die staatlichen Stellen aller Länder der Erde nahmen Einfluß darauf, setzten ausgeklügelte elektro­nische Filtertechniken ein, um nur das in’s Netz sickern zu lassen, was ihnen genehm war. Die großen und auch die kleineren Nachrichtendienste arrangierten sich prächtig mit den Aufsichtsbehörden, sie waren nicht mehr so sehr auf Werbeeinnahmen angewiesen, sondern nahmen gerne die >Entschädigungszahlungen< entgegen, um gewisse Nachrich­ten zu unterdrücken.

Als der Wein in Bettinas und Gangolfs Gläsern sich dem Ende zu neigte, lenkte Gangolf das Gespräch auf ein anderes Thema:
- „Sag `mal, Bettina, was ist das eigentlich für eine Geschichte mit der Magda, du kennst sie ja schon länger über deine Beziehung mit der Martina, ich werde aus ihr nicht mehr schlau; daß man devot veranlagt sein kann, das mag mir noch irgendwie einleuchten, aber daß ausgerechnet dieses zierliche Mädchen eine Verbrechen begangen haben soll, daß sie diese elektronische Fußfessel hat, das werde ich wohl nie mehr begreifen.“

Bettina hob ihren Blick und sah Gangolf fest in die Augen. Sie beugte sich über das Tischlein, holte tief Luft und antwortete:
- „Laß’ mich bitte, - also ich möchte jetzt eigentlich dazu nichts sagen, verstehst du, also ich möchte dir natürlich keine Antwort schuldig bleiben, aber weißt du, auch wenn ich kein katholischer Priester bin, fühle ich mich doch verpflichtet, mir anvertraute Dinge zu bewahren und nicht anderen darüber zu erzählen, auch wenn wir vier uns jetzt schon recht intensiv kennen, vielleicht gerade deshalb nicht. Aber ich versprech’ dir, ich werde heute Nacht in mich gehen, ich habe viel zu überlegen und zu überdenken, vor allem mit meinem Verhältnis zu Martina und so weiter. Aber `mal was anderes: Hättest du Lust, morgen mit mir nach Venedig zu fahren, du kannst doch so gut Italienisch und da hätte ich gern einen Reiseführer. Ich werde dir dann morgen auch erzählen, was ich mir so überlegt haben werde.“

- „Äh, ja klar“, entgegnete Gangolf auf diese ausweichende Antwort, „natürlich hab’ ich Verständnis für deine Schweigepflicht, nur bitte versteh’ mich auch, daß ich einfach neugierig werde, was da alles los ist, gerade weil ich ja auch ein Teil dieser Geschichte ge­worden bin. Aber klar, ja und morgen, das find’ ich eine ganz tolle Idee, ich wollte das auch schon vorschlagen, wagte es aber bis jetzt nicht, du weißt schon, ich glaub’, mit den beiden ist nicht so viel kulturell anzufangen, aber vielleicht täusche ich mich auch.“

- „Ja, das siehst du schon richtig, ich glaub’, es ist den beiden auch viel lieber, vor allem Martina, wenn sie sich mit Magda beschäftigen kann, oder ein bißchen Shopping hier und so weiter.“
Als Bettina und Gangolf in das Hotel kamen, lauschten sie eine Weile vor der Tür von Martinas und Magdas Doppelzimmer. Es drangen keine Geräusche heraus, so daß jene sich in der berechtigten Hoffnung wogten, es sei alles mit diesen in Ordnung.
Kaum hatte sich Bettina in das Bett ihrer Einzelzelle gekuschelt, wie Gangolf ironisch die kleinen Zimmer schmähte, hielt jene tatsächlich Zwiesprache mit ihrem Schöpfer:

- „Ist es wirklich dein Wille, daß sich nur Mann und Frau lieben sollen? Sind nicht beides Abbilder deiner göttlichen Natur? Und was war da mit Jesus, der war doch auch dauernd von seinen Jüngern umgeben; war er am Ende schwul? Freilich waren da die Geschichten mit Marta und Magdalena, und auch seine Mutter Maria liebe er wohl sehr, auch wenn er sie auch immer wieder enttäuschte, geradezu frech: >Weib, was willst du von mir, meine Stunde ist noch nicht gekommen<. Oder die Sache im Tempel, als er den Eltern entwischte und als Knabe im Tempel sprach: >Was ist’s, daß ihr nach mir sucht?<. Oder wie der eine fremde Frau am Brunnen barsch aufforderte: >Gib mir zu trinken<.

Heute würde dieselbe Frau wohl antworten: >Hol’ dir doch selber was aus dem Brunnen<.
Sollten das alles Hinweise auf Jesu gestörtes Verhältnis zu Frauen sein, Hinweise auf seine Homosexualität? Wo waren da beim Abendmahl die Jüngerinnen? Freilich trös­tete Jesus auf seinem Weg nach Golgotha die weinenden Frauen von Jerusalem. Jesus, du bist schon eine ganz besondere Figur, ein Kleinkrimineller? Schickt er doch prompt seine Jünger in das Dorf, um einen Esel zu stehlen. Und auf den Einwand, was würden die Leute sagen, dann sollen sie dreist antworten: >Der Herr braucht ihn<.“

Zwar konnte er natürlich nicht verstehen, was da Bettina murmelte, doch Gangolf vernahm in seinem Zimmer, daß diese tatsächlich irgend etwas sagte. Es war sicherlich kein Telephongespräch. Er mutmaßte ein Selbstgespräch. ‚Haderte sie tatsächlich mit sich selbst’, ging es Gangolf durch den Kopf. ‚Vielleicht. Wahrscheinlich. Abwarten.’ Mit diesen Gedanken schlief er ein.

Er hätte sich nicht träumen lassen, daß an diesem Tag seine Scheune in Wesserbarg zur Zufluchtsstätte zweier gestrandeten Frauen geworden war.










































































103. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 27.05.22 22:12

55


Inge und Barbara schleppten sich mit ihren vollbepackten und durchnäßten Trekking-Rucksäcken auf den schmalen Weg vom Ufer weg auf die Anhöhe. Kaum hatten sie den Baumbestand und das Buschwerk entlang des Kanalufers verlassen, blies ihnen von hinten ein scharfer Wind zu. Die Wolken zogen immer schneller bedrohlich auf ihrem Weg nach Osten, sie wurden immer dunkler, es zog ein Unwetter herauf. Inge wagte einen Blick zurück und rief entsetzt:
- „Schau’ `mal, dahinten geht die Welt unter.“

Auch Barbara drehte sich jetzt um und blickte in den dunkelgrauen Himmel im Westen.
- „Gehen wir schnell dort zu dem Hof“, schlug sie vor; kaum daß sie die Worte formuliert hatte, fielen die ersten Regentropfen. Schnell zogen sie sich die Kapuzen über den Kopf und stapften zu dem Haus.
- „Zu blöd auch, daß wir nicht die Gummistiefel angezogen hatten“, ärgerte sich Inge.
- „Das sah’ heute morgen nicht unbedingt nach einem Unwetter aus“, entgegnete Barbara, „und daß wir beim Wechsel einschöpfen würden, hätten wir natürlich auch nicht ge­dacht.“
‚Nicht schon wieder dieses Thema’, dachte sich Inge, doch sie schwieg.

An dem angepeilten Haus angekommen suchten die beiden Frauen vergeblich nach einem Klingelknopf. Der Regen wurde stärker, die Tropfen prasselten jetzt richtig stark hernieder. Sie klopften und riefen, drückten schließlich auf den Türdrücker. Ihre Freude, anstelle des üblichen Türknaufs einen Drücker vorzufinden, wurde schnell zunichte gemacht, als sie diesen niederdrückten und feststellen mußten, daß abgesperrt war.

- „So ein Mist“, fluchte Inge, „laufen wir zu der Scheune!“
Es gelang den beiden, das Schiebetor aufzuschieben. Als das Tor weit genug aufgeschoben war, schlüpften sie schnell hinein. Kaum hatten sie die Zuflucht eingenommen, dröhnte ein gewaltiger Donnerschlag hernieder.
- „Puh, ein Glück, daß uns das nicht auf dem Wasser erwischt hat“, gab Inge zum Besten.
- „Viel nässer wären wir auch nicht geworden“, gab Barbara zurück.
‚Schon wieder diese Anspielung’, ärgerte sich Inge im Stillen. Sie schauten sich um und erkannten in dem dämmerigen Schein des nur wenig geöffneten Tors die zwei Kajaks, die auf Brettern an der linken Wand lagen.

- „Bist du damit schon `mal gerudert?“, fragte Inge, um auf andere Gedanken zu kommen.
- „Ja, hab’ ich, mit meinem Freund leihen wir uns immer wieder `mal welche aus für eine Paddeltour, ist schon was anderes als mit dem Kahn.“
Skeptisch betrachtete Inge die schmalen Plastikteile und meinte:
-„Viel kann man da ja nicht mitnehmen.“ Ihre Frage beinhaltete einen Hintergedanken.
- „Oh doch, man muß nur richtig verstauen, auf mehrere kleine Gepäckstücke, nicht so riesige Rucksäcke, es gibt auch extra total wasserdichte tonnenförmige Behälter, das ist schon praktisch, da bleibt dann alles trocken darin, ganz gleich, ob es regnet oder sonst was.“
‚Sonst was’, wiederholte Inge im Geiste und ärgerte sich schon wieder über Barbaras erneute Anspielung. Doch dann faßte sie einen anderen Plan. Zunächst galt es, das Unwetter abzuwarten und einen Weg zu finden, von hier weg zu kommen.

Die beiden Naturforscherinnen setzten sich nieder und zogen die feuchten Schuhe aus. Dann zogen sie sich auch die nassen Socken von den Füßen und rieben diese, um sie zu wärmen. Ihre Gummistiefel waren zu unterst verstaut, sie mußten die gesamten Inhalte der Rucksäcke ausleeren, um zu ihnen zu gelangen. Sie zogen sich neue Socken über, die glücklicherweise trocken geblieben waren. Es war ein ganz anderes Gefühl, warme und vor allem trockene Füße zu haben. Mit diesem angenehmen Gefühl lächelten sich die beiden an und umarmten sich.

- „Es ist doch ein Glück, hier diese Scheune rechtzeitig erreicht zu haben“, stellte Inge fest und Barbara pflichtete ihr bei.
So schnell das Unwetter heraufgezogen war, so schnell zog es vorüber. Ein paar Mal donnerte es noch, doch wurden die Donnerschläge immer schwächer. Durch den Spalt in dem Tor sahen sie jetzt im Norden ferne Blitze niedergehen, erst viel später folgte der Donnerschlag.

- „Wie war das mit der Entfernung zum Blitz, weißt du das noch?“ fragte Inge.
- „Ganz einfach“, antwortete Barbara mit vergnüglichem Selbstbewußtsein, „der Schall breitet sich etwa mit 300 Meter in der Sekunde aus, also wenn du bist drei zählst, bis der Donner kommt, dann ist der Blitz etwa einen Kilometer weg.“
- „Also ich glaub’, wir können dann wieder los“, meinte Inge, die Donnerschläge dauern schon viel länger und sind auch leiser geworden.“
- „Wart’ halt noch ab, bis der Regen aufgehört hat.“
- „Ja, ich guck’ `mal“, stimmte Inge zu und ging zum Tor.
- „Im Westen wird es schon wieder hell, warten wir noch eine Weile, dann ist das ganz vorüber.“

- „Weißt du eigentlich, wo wir hier genau sind?“, wollte Barbara wissen, als sie mit Inge den Hof verließ und auf der Ebene Ausschau hielte. Vor ihnen lag ein ausgewaschener Feldweg mit zahlreichen Schlaglöchern, die randvoll mit Regenwasser gefüllt waren.
- „Keine Ahnung, aber ich glaub’, hier sind wir hergekommen mit dem Jeep.“
- „Hm, kann sein, es wahr jedenfalls sehr holprig, die letzten Kilometer.“
- „Lassen wir doch die Rucksäcke zurück, ich hab’ keine Lust, das schwere Zeug kilometerweit zu schleppen.“
- „Und wo sollen wir die hier verstecken?“
- „Bringen wir sie zurück in die Scheune, wem die auch immer gehört, der Besitzer scheint ein argloser Mensch zu sein, denn sonst hätte er die abgesperrt, schon allein wegen der Boote.“
- „Na, wenn du meinst, du bist die Chefin, ich möchte nicht schuld sein, wenn `was wegkommt von unseren Sachen.“
- „Ach, wir kommen doch gleich wieder zurück, sobald wir eine Fahrgelegenheit gefunden haben.“

Insgeheim war Barbara froh, daß sich Inge dazu entschlossen hatte, das schwere Gepäck in der Scheune zurückzulassen. Mit den Gummistiefeln war das Marschieren deutlich anstrengender als mit den Trekking-Schuhen.
Die Last hinter sich gelassen stiefelten die beiden Frauen zu dem Weg hinaus und begannen erleichtert ihre Wanderschaft.
Nachdem sie eine Weile schweigend vorangeschritten waren, sagte Inge:
- „Wir müssen ohnehin nochmals her, um den Kahn auszuschöpfen, damit wir den dann auf den Anhänger ziehen können. Das wird wieder so ein Kraftakt.“

Im gleichen Atemzug bereute Inge, diese Worte ausgesprochen zu haben, ihr Plan war es, alleine zurückzukehren und erst später den Kahn aus dem Wasser zu ziehen.
- „Ach, zusammen schaffen wir das“, war sich Barbara sicher, „wenn wieder der nette Typ uns herfährt, der hat uns doch auch so toll geholfen, den Kahn in’s Wasser zu bringen.“

Wieder schwiegen sie eine Weile, dann kam es Barbara in den Sinn:
- „Sag’ `mal, ist der Akku wirklich total leer von der Feuchtigkeit im Rucksack?“
- „Weiß ich nicht“, konterte Inge, „ich nehme schon an, ja.“
- „Wir haben das gar nicht ausprobiert, verdammt, und jetzt liegt er wahrscheinlich in deinem Rucksack.“
- „Ja klar, ich schlepp’ doch nicht hier leere Akkus mit, ich hab’ auch mein Smarti dort hineingesteckt, bringt ja jetzt eh’ nichts.“
- „Zu dumm, wir hätten das ausprobieren sollen, ich hab’ auch nimmer d’ran gedacht, als mein Akku aus war.“
- „Jetzt laufen wir aber nicht mehr zurück, schau, da vorne sind Häuser zu sehen, da werden wir schon jemanden finden, der uns telephonieren läßt.“
- „Und wen sollen wir anrufen, wenn doch alle auf dieser seltsamen Notfallübung sind? Was ist das eigentlich für eine Übung?“
- „Das weiß ich auch nicht“, mußte Inge eingestehen, „hatten wir noch nie.“

---

Brause konnte nicht einschlafen. Das kam nicht so häufig vor, aber ohne ersichtlichen Grund blieb er in dieser Nacht lange wach. Tausend Gedanken durchstreiften seinen müden Geist, an einem blieb er schließlich hängen:
‚Was ist mit der Geldkassette geworden, niemand verliert eine Geldkassette, noch dazu irgendwo im Schleewald. Wieviel war darinnen? Gab es einen Hinweis auf den Eigentümer, ein Aufkleber oder was?’
Seine kriminalistische Neugier ließ ihn keine Ruhe. ‚Morgen werde ich der Sache nachgehen’, beschloß er, ‚hilft gegen die Langeweile, dann ein kurzer Bericht geschrieben, und die Sache ist erledigt.’

Mit diesem für ihn beruhigenden Gedanken schlief er ein. Daß seine Nachforschungen weite Kreise ziehen sollten, hätte er sich freilich nicht vorstellen können.













104. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 03.06.22 20:58

56


Beim Frühstücken waren sich die vier Urlauber schnell einig, daß die Kunstbeflissenen Venedig besuchen, die Lustbeflissenen dagegen sich in den Betten und am Strand räkeln würden. Bettina und Gangolf schwangen sich in's Auto, um nach Tre­porti zu fahren. Von diesem Lagunenhafen aus wollten sie mit dem >Vaporetto< nach Venedig hinübertuckern. Martina und mit ihr Magda im Schlepptau wollte durch Caorle bummeln, um die Geschäfte eingehend zu besuchen. Martina brauchte ständig neue Einkleidung, während Magda seit Jahren immer in den gleichen Sachen herumlief. Später wollten die beiden wieder zum Strand, der dann von der Nachmittagson­ne aufgeheizt sein würde.

Als Bettina und Gangolf in Treporti angekommen waren, sahen sie, wie ein Schiff abfuhr. Sie waren offenbar wenige Minuten zu spät gekommen und mußten nun eine Dreiviertel Stunde auf das nächste Boot warten. Sie nutzen die Wartezeit für einen Rundgang um das alte Hafengebäude. An seinem einen Ende stand eine Verkaufsbude für allerlei nützliche und unnütze Dinge; zu den nützlichen zählten sicherlich was­serfeste Beinbekleidung. Der Verkäufer pries ihnen hüfthohe Überzieh-Stiefel an aus strapazierfähigem wasserdichten Obermaterial. Er war sehr erfreut, als ihn Gangolf auf Italienisch ansprach. Er teilte ihm mit, daß in Venedig wieder Hochwasser sei, das berühmte >aqua alta<; man habe zwar, wie immer, Stege über den Markusplatz auf­gebaut, damit die Touristen und die wenigen Stadtbewohner einigermaßen trockenen Fusses darüber kamen, doch in vielen Gassen und Nebenplätzen fehlten diese Stege.

Gangolf war zögerlich, ob er diesem geschäftstüchtigen Verkäufer trauen sollte, Bettina zog hurtig ihr I-Pad heraus und bestätigte die katastrophale Hochwassersituation in Venedig. Erst jetzt wurde den beiden bewußt, daß auch hier in Treporti das abfah­rende Schiff fast auf Straßenniveau zu sehen gewesen war; der Wasserstand war demnach auch hier sehr hoch. Unschlüssig ließen die beiden ihre Blicke über die Wa­ren in dem Verkaufsstand schweifen, Gangolf erkannte zwischen den zahlreichen Kleidungssachen ganz hinten Wathosen. Diese waren im Preis nicht viel höher als die von dem Verkäufer angepriesenen langstulpigen Gummistiefel.

- "Was ist mit denen da", rief Bettina aus, als sie in dem Moment ebenfalls die Wathosen gesehen hatte.
- "Was hast du denn für eine Schuhgröße?", entgegnete Gangolf, "die Hosen sind normalerweise immer viel zu weit für uns Schmalgebauten, wichtig ist immer die Schuh­größe."

Nach einer Weile des Hin- und Herüberlegens schlüpften Bettina und Gangolf probehalber in die Wathosen, um zu sehen, ob die Schuhweite paßt. Der Verkäufer war überaus behilflich und beschwor, wie wichtig es in diesen Tagen sei, diese wasserdichten Sachen in Venedig zu haben - er sollte durchaus recht behalten.

Bettina und Gangolf liefen mit ihren frisch erstandenen Kleidern zum Auto; dort zogen sie ihre Jeans aus, warfen diese zusammen mit den Schuhen in den Kofferraum und stiegen in die Wathosen. Für beide war es ein unheimliches Gefühl, mit den grünen Wathosen und den grünen Gasmasken zur Mole zu watscheln; dort sahen sie andere Leute, welche die hüfthohen Gummistiefel trugen und gleichfalls zur Schiffsanlegestelle eilten. Bettina und Gangolf mußten sich beeilen, denn durch den Kauf war die dreiviertel Stunde Wartezeit schnell vergangen.

Während Bettina und Gangolf auf dem Vaporetto Venedig entgegensteuerten, begab sich Martina auf Shopping-Tour durch Caorle. Obwohl sie mit ihren 1 Meter 80 zu den an sich schon großen Frauen zählte, konnte sie es nicht lassen, immer wieder extravagante High Heels aus den Regalreihen der Schuhgeschäfte auszusuchen. Während sie verschiedene Paare aussuchte und es als ihr persönliches Problem ansah, daß ihr an den anprobierten Modellen immer irgend etwas nicht paßte, sei es die Paßform selbst, sei es die Form der Schnallen, die farbliche Aufmachung oder überhaupt die gesamte Erscheinungsform, hatte Magda derweil im Hotelzimmer ein ganz anderes persönliches Problem.

Als die beiden Reinigungsfrauen anklopften, verharrte Magda, anstelle irgend etwas zu rufen, in unbeweglicher Stille. Arglos sperrten sie auf und waren erstaunt, als sie Magda auf dem Boden im Hogtie gefesselt vorfanden. Sie riefen etwas auf Italienisch, was Magda nicht verstand, dann sagte die eine im gebrochenen Deutsch:
- "Haben Sie Hilfe?"

Magda streckte ihren Kopf empor, soweit es die Seile zuließen, schüttelte den Kopf und sagte:
- "Nein, danke, alles in Ordnung."
Die beiden Reinigungsfrauen blickten weiterhin ratlos auf die gefesselte Magda herab, diese fuhr fort:
- "Machen Sie ruhig sauber, lassen Sie sich nicht stören."

Zur Bekräftigung ihrer Worte versuchte Magda ein Lächeln aufzusetzen, was durch die Verspannungen des gesamten Oberkörpers nicht recht gelingen wollte. Schließlich wendeten sich die Putzfrauen um und verließen das Zimmer. Magda hörte sie durch die geschlossene Tür auf dem Gang aufgeregt diskutieren.

Als nächstes öffneten die Reinigungskräfte Bettinas Zimmer. Sie mußten sich einen Weg bahnen durch einen wahllos zusammengewürfelten Haufen von Kleidungssachen und Schuhen. Wieder waren sie entsetzt, diesmal über das hier herrschende Chaos. Die eine entdeckte in dem Gewurrel Bettinas megahohen Stiefeletten, sie nahm diese in ihre Hände und zeigte sie ihrer Kollegin. Fasziniert bewunderten beide die Schuhmacherkunst, erstere setzte sich auf das Bett und vertauschte ihre Sandalen mit diesen besonderen Schuhen. Unsicher erhob sie sich und genoß das Gefühl, schlagartig fünfzehn Zentimeter größer geworden zu sein. Vorsichtig stakste sie vorwärts, ihre Kollegin schaffte ihr freie Bahn, indem sie alles, was auf dem Boden lag, kurzerhand auf das Bett warf. Mit großem Gekicher blickte sie auf ihre Kollegin herun­ter, schließlich tauschten sie, und auch die Kollegin fand große Freude daran, diese Wolkenkratzerschuhe auszuprobieren.

Als Bettina und Gangolf das Vaporetto verließen und den Anleger-Ponton >San Zaccaria< betraten, bemerkten sie zunächst nicht das Hochwasser, welches das gesamte Ufer überspülte. Sie zwängten sich im Gänsemarsch mit den anderen Fahrgästen über den Steg, der zu der >Ponte della Paglia< führte und dann weiter am Dogenpalast entlang. Auf der Brücke blieben sie kurz stehen, um der >Ponte dei Sospiri< einen Blick zuzuwerfen, jener berühmten Seufzer-Brücke, welche vom Dogenpalast zu dem schrecklichen Gefängnis auf der anderen Seite des Kanals führte, zu den >Bleikam­mern<. Unwillkürlich kam Bettina Giacomo Casanova in den Sinn, dem es gelungen war, von dort zu fliehen. Es blieb den beiden indes keine Zeit, auf dem Brücklein län­ger zu verweilen, denn die Nachfolgenden drängten zum Weitergehen.

Als Bettina und Gangolf an die erste der beiden Säulen mit dem Markuslöwen kamen, öffnete sich nach rechts ein weiterer Steg, der rechtwinklig in Richtung Markusplatz abzweigte. Auf der Höhe des Markusdoms führte eine Treppe zu den gewaltigen Portalen. Diese waren leider geschlossen. Die beiden beschlossen, dennoch hinunter zu steigen und damit den Steg zu verlassen. Sie wollten ausprobieren, wie es sich an­fühlt, mit den Wathosen in das Wasser zu steigen.

Vorsichtig setzte Gangolf Fuß für Fuß auf die überfluteten Stufen. Mit jedem Schritt weiter nach unten in die Tiefe wurde er langsamer, er konnte nicht glauben, daß der Platz so hoch überschwemmt war. Bettina wartete auf dem Steg, sie blickte gespannt auf Gangolf hinunter, wie dieser immer weiter in die Fluten stieg. Endlich war er mit beiden Füßen auf dem Pflaster angekommen, er ließ das Geländer los und wagte freihändig die ersten Schritte. Dankbar blickte er auf seine Wathose herab, welche ihn absolut wasserdicht im hüfthohen Wasser stehen und gehen ließ. Nachdem die letzten Luftblasen aus den Beinröhren nach oben glucksten, hielt er einen Moment stille und genoß den Druck des Wassers gegen seinen Unterleib.

Nach einigen Sekunden drehte sich Gangolf zu der auf dem Steg wartenden Bettina um und gab ihr ein Zeichen, ihm die Stiege hinunter zu folgen. Mit klopfendem Herzen betrat nun auch Bettina die in das Wasser führende Stufen und stieg vorsichtig hinab. Als sie endlich das Ende der Treppe erreichte, verspürte auch sie einen lustvollen Druck auf ihren Unterleib. Um das Gleichgewicht zu halten, schritt sie vorsichtig mit ausgebreiteten Armen in Gangolfs Richtung. Sie fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, durch einen Fehltritt zu stürzen und in das kalte Salzwasser zu fallen. Das Wasser reichte ihr knapp unter die Brüste, sie mußte sich stets aufrecht halten, damit das Wasser nicht über den Rand der Wathose in ihren Körper hineinlief.

Allmählich gewöhnten sich Bettina und Gangolf an die neue Art der Fortbewegung, und die Lust an der skurrilen Situation überwog die Angst, bei einem Fehltritt zu stolpern. Mutig stapften sie am Dom entlang und betraten an dessen Ende eine schmale Gasse mit ei­nem großen Wegweiser zur Rialto-Brücke. Sie folgten der Wegweisung durch die verwinkelten Gassen, das Wasser stand hier nicht mehr ganz so hoch wie auf dem Markusplatz.

Auf beiden Seiten der Rialto-Brücke stauten sich die Schiffe. Die Wasseromnibusse, die >Vaporetti<, konnten nur in der Mitte des Brückenbogens hindurchfahren, um nicht anzustoßen, ein Begegnungsverkehr war ausgeschlossen. Vom Dach eines Polizeiboots plärrte ein großer Lautsprecher lautstark Durchsagen, um den Verkehr geregelt zu bekommen. Gangolf verstand kein Wort, offensichtlich hatten aber selbst die italienischen Bootsführer Probleme damit, denn der Beamte mit dem Mikrophon auf dem Polizeischiff riß entnervt seine Gasmaske vom Gesicht und schleuderte sie im hohen Bogen über Bord. Tatsächlich war seine Stimme aus dem Lautsprecher nun verständlicher und es gelang, das Chaos unter Kontrolle zu bekommen.

Bettina und Gangolf stiegen über die Brücke und beobachteten das Gewusel auf dem Canal Grande. Sie hatten den Eindruck, in einem Sience fiction-Film mitzuwirken: Auf den Stegen drängten sich die Menschenmassen, die Beine in hüfthohen Stiefeln gehüllt, die Köpfe in Gasmasken. Auf dem Wasser drängten sich Vaporetti, Lastkähne, Wassertaxi und Gondeln. Das Heulen einer Sirene kam näher, mühsam kämpfte sich ein Rot-Kreuz-Boot durch die sich stauenden Bootsschlangen. Das Heulen der Sirene übertönte das Lautsprecher-Geplärre des wackeren Carabiniere, wodurch das Chaos nur noch schlimmer wurde. Dem Sanitätsschiff blieb nichts anderes übrig, als zu warten, bis sich die Boote aus der anderen Richtung durch die schmale Brückendurchfahrt gezwängt hatten.


In den Gassen westlich der Rialto-Brücke wurde es wesentlich ruhiger, nur noch wenige Passanten watschelten in ihren überdimensionalen Gummistiefeln durch die Fluten. Bettina und Gangolf gelangten an einen Kanal, der quer zum Canal Grande verlief. Sie sahen viele Hausfronten, die mit Balken quer über den Kanal gegeneinander abgestützt waren, an einer Stelle gab es auch eine Baulücke, die anscheinend durch ein eingestürztes Haus entstand. In ihren Wathosen wateten die beiden an dem Kanal entlang, bis sie zu dessen Einmündung in den Canal Grande kamen. Von der Mündungsecke aus hatten sie einen weiten Ausblick über den großen Kanal, Gangolf deutete auf die gegenüberliegende Ufer­seite und quakte durch die Gasmaske:

- "Schau' `mal dort hinüber, siehst du die Stelle, wo die Steinhaufen liegen; da ist im Frühjahr der Palast Ca' d'Oro eingestürzt!"
- "Ach, tatsächlich, ja, ich erinnere mich, da war das also!" quakte Bettina zurück.

Allmählich verspürten die beiden Venedig-Besucher Hunger, doch es sah nicht darnach aus, daß sie irgendwo zu Essen bekommen würden. Alle Ladeneingänge waren durch Aluminiumplanken abgeschottet, das öffentliche Leben kam weitgehend zum Erliegen. Ziellos kreuzten die beiden in dem Gassengewirr in südliche Richtungen und kamen dabei auf einem größeren Platz heraus, ein Straßenschild wies ihn als >Campo San Polo< aus. Auf seiner Mitte stand einsam ein Baum. Bäume waren Seltenheit in dieser vom Salzwasser bedrohten Großstadt; beim Näherschreiten durch die Fluten entdeckte Bettina die Lehne einer Parkbank, deren oberer Rand knapp aus dem Wasser lugte.

- "Setzen wir uns dort ein bißchen unter den Baum", schlug sie vor.
- "Äh, wie sollen wir uns da setzen, da läuft uns doch die Soß' in die Hosen hinein", quakte Gangolf fragend zurück.
- "Da ist doch eine Bank, siehst du nicht die Lehne?"

Jetzt erkannte auch Gangolf die waagrecht aus dem Wasser ragende Stange, die auf eine Rückenlehne schließen ließ. Tatsächlich sahen sie beim Näherkommen in dem klaren Wasser die metallene Bank, deren Sitzfläche vom Wasser überspült war.

- "Komm', das wird lustig", feuerte Bettina Gangolf an und ergriff seine Hand, um ihn mit sich zu der Bank zu ziehen.

Tatsächlich war es für beide ein ganz neues eigenartiges Gefühl, sich in dem Wasser auf eine Bank niederzusetzen. Reichte das Wasser bislang meistens nur bis zu den Oberschenkeln, tauchten sie mit ihren Wathosen im Sitzen wesentlich tiefer und Bettina muß­te aufpassen, daß sie nicht über ihren Brüsten einschöpfte. Sie genoß das unbeschreibliche Gefühl, wie das Gummi-Kunststoff-Gemisch sich fest um ihren Unterleib und nun auch um ihre Brüste spannte. Ihre Erregung wuchs ständig an, schließlich erhob sie sich, richtete sich vor Gangolf auf, hielt sich mit beiden Händen links und rechts von Gangolfs Schultern an der Rückenlehne fest und kniete sich leicht gespreizt auf die Sitzfläche ne­ben Gangolfs Hüften.

'Nun ist es endlich soweit', dachte sich Gangolf und zog erwartungsvoll seine Gasmaske vom Gesicht. Bettina ließ sich auf seine Knie sinken, nahm ihre Hände von der Lehne und zog sich gleichfalls die Maske ab. Doch kaum, daß beide die frische Salzluft ungefiltert in ihren Nasen einsaugen konnten, gellte von Ferne ein Pfiff aus einer Trillerpfeife und unmittelbar danach erscholl ein unverständlicher Schrei. Erschrocken sahen sich die beiden um und gewahrten aus dem Erker eines den Platz umgebenden Häuser einen Schutz­mann, der drohend seinen ausgestreckten Zeigefinger erhoben hatte.

Nervös versuchte sich Bettina, das Ungetüm wieder über ihr zartes Gesichtlein zu ziehen, doch in der Aufregung wollte es ihr nicht recht gelingen.

- "Zieh' erst die Bänder auf der Seite etwas länger, dann kriegst du das Mistding leichter umgeschnallt", riet ihr Gangolf. Unwillkürlich wurde er an die Bundeswehr erinnert, als er als einer der letzten Jahrgänge die Wehrpflicht ableisten mußte und dort unter vielen anderen Unannehmlichkeiten dem >Maskendrill< unterlegen war: Das Auf- und Absetzen der Gasmaske mußte auf Kommando blitzschnell erfolgen; mit Grausen kam ihm die Dichtheitsprüfung in Erinnerung, als er mit den Kameraden in eine Gaskammer, >Café Eichmann< genannt, getrieben wurde, welche mit einem Tränengas gefüllt war. Wehe dem Kameraden, dessen Maske nicht absolut dicht gewesen war!

Und eine ganz andere Sache fiel Gangolf ein, die zweite Strophe von Silchers düsterem Morgenrot-Lied:
>Kaum gedacht, kaum gedacht, wird der Lust ein End' gemacht!<

Gangolfs Vorfreude platzte wie eine Seifenblase und auch Bettinas Erregung war jäh zum Erliegen gekommen. Mit einem Ruck erhob sich Bettina von Gangolfs Knie. Beide kamen überein, irgendwie wieder den Canal Grande zu erreichen, um über die Rialto-Brücke zurück zum Markusplatz zu gelangen. Zu ihrem Schreck stellten sie fest, daß das Wasser weiter gestiegen war und sie beschlossen, auf dem Rückweg nun die Stege zu verwenden, da das Watscheln in dem hohen Wasser anstrengend und auskühlend war. Sie spürten den Drang zum Wasserlassen, was in ihrem Gehäuse natürlich nicht möglich war. Auf dem Markusplatz waren nun selbst die Stege überschwemmt, so daß sie auf diesen bis zu den Knöcheln im Wasser standen. Sie mußten besonders vorsichtig vorwärts schreiten, stets darauf bedacht, nicht zu weit seitlich zu treten. Glücklicherweise konnten sie in dem klaren Wasser gut die Konturen des Stegs und des einen Meter tiefer liegen­den Pflasters des Platzes erkennen.

Um keine Zeit zu verlieren, bogen Bettina und Gangolf an den Säulen nach rechts zu den Giardini ab, um dort zum Schiffsanlager San Marco zu kommen. Ein Lautsprecher plärrte irgend etwas größtenteils Unverständliches, Gangolf vernahm nur etwas von >ultima barca<. Glücklicherweise erkannte er die richtige Liniennummer, sie beeilten sich, auf den Ponton zu gelangen, um mit dieser >letzten Barke< das Eiland zu verlassen. Der Ponton-Schiffsanleger war weit in die Höhe gehoben, sie mußten die Rampe steil nach oben steigen, um vom Steg auf das Wartehäuschen zu gelangen. In letzter Sekunde sprangen Bettina und Gangolf auf das Schiff, der Bootsmann war bereits zugange, das Seil zu lösen. Dieser erklärte Gangolf in einfachen Worten, daß das tatsächlich das letzte Vaporetto sei, bis die Flut am Nachmittag wieder abklingen würde. Der gesamte Schiffs­verkehr würde nun eingestellt werden.

Glücklich fläzten sich die beiden auf eine Bank im Inneren des Schiffes, Bettina schmiegte sich an Gangolfs Seite und ergriff dessen Hand. Wie gerne würden sie sich von der Maske befreien, doch wagten sie nicht nochmals diese Offenbarung. Gangolf ahnte indes, daß Bettinas Zuneigung bald wieder ein Ende haben könnte und tatsächlich sollte sich seine Ahnung als richtig erweisen.


































105. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 10.06.22 22:46

57

Die beiden Zimmermädchen hatten nicht viel zu tun, es waren nur noch wenige Hotelgäste anwesend. Als sie mit den Arbeiten auf den Zimmern fertig waren, kehrten sie in das Doppelzimmer zurück. Dort fanden sie Magda immer noch gefesselt auf dem Bauch liegend.
- "Alles gut?" fragte die eine, die etwas Deutsch konnte.
- "Alles gut", antwortete Magda und versuchte dabei ein Lächeln.

Die Zimmermädchen setzten sich an Magdas Seite auf den Boden und begannen, deren nackte Haut am Rücken zu streicheln. Als sie erkannten, daß Magda ihre Zuwendungen gefiel, strichen sie durch ihr Haar und berührten ihre Wangen. Magda nickte mit einem leichten Seufzer und versuchte, sich auf die Seite zu drehen. Die beiden Italienerinnen halfen nach, so daß Magdas gesamte Schönheit vor ihnen ausgebreitet lag. Sie nahmen nun vorsichtig Magdas Brustwarzen in ihre Finger und zupften leicht an jenen herum. Sie streichelten auch Magdas Venushügel, was diese mit einem behaglichen Stöhnen quittierte.

Eine der beiden Zimmermädchen ließ schließlich von Magdas Körper ab und wandte sich den Betten zu, um diese neu zu beziehen. Als sie die gemeinsame große Decke herunter zog, gewahrte sie zwei metallene Gegenstände, deren Zweck sie nicht sogleich erkennen konnte. Sie rief ihrer Kollegin etwas zu, worauf diese sich von Magda abwendete und ihren Blick zu den besagten Gegenständen hob. Staunend ergriffen die jungen Frauen die ihnen bislang unbekannt gewesenen Teile und wiegten sie in ihren Händen. Endlich begriffen sie, um was es sich handelte. Sie riefen Magda etwas auf Italienisch zu; obschon diese natürlich nicht verstand, was sie sagten, ahnte es Magda und nickte ihnen freund­lich zu.

Magda reckte den Kopf in die Höhe, soweit es ihr die Fesselung erlaubte. Sie wollte es sich nicht entgehen lassen zuzusehen, wie die beiden Mädchen die Keuschheitsgürtel an sich anprobierten. Diese waren sich gegenseitig beim Anlegen behilflich, nach längerem Herumprobieren gelang es ihnen, Hüft- und Schrittband mit dem zentralen Bolzen zu verschließen. Sie gerieten in Ekstase, als das Einschnappen des Schlosses von den Wänden des geräumigen Zimmers reflektiert worden war. Sie rissen sich die Masken vom Gesicht, warfen sich auf das breite Bett und genossen hemmungslos das ihnen bislang völlig frem­de Gefühl des verschlossenen Unterkörpers.

Nachdem die Keuschbegürtelten mehrere Minuten nahezu regungslos auf dem Bett lagen, erhoben sie sich stöhnend und begannen ein Gespräch, das nach wenigen Sätzen immer lauter wurde. Beinahe schon in Panik sprangen sie vom Bett und suchten nach den Schlüsseln für ihr selbstauferlegtes Gefängnis. Magda vernahm in dem Redeschwall mehrfach das Wort >chiavi<, sie ahnte, daß es sich dabei um die Schlüssel handeln müßte, doch konnte sie ihnen nicht weiter helfen.

In purer Verzweiflung lösten die Italienerinnen Magdas Fesseln, was diese durchaus gar nicht erfreute, denn sie fürchtete schlimmste Bestrafung durch ihre Herrin, wenn diese zurückkommt und sie befreit dasitzen sähe. Magda massierte ihre steif gewordenen Glieder, mühsam richtete sie sich auf. Die im Keuschheitsgürtel Eingeschlossenen deuteten auf die Schlösser derselben und mimten auch den Schlüssel. Sie hofften, daß Magda ih­nen diesen geben könnte, doch Magda wußte nicht, wo dieser lag. Sie vermutete, daß Martina die Schlüsselein an ihrem Bund mit sich trug. Mit mehrfachen Schulterzucken konnte Magda den Verzweifelten klarmachen, daß sie nichts über den Verbleib des
erlö­senden Werkzeuges wußte.

Mitten in ihrer Ratlosigkeit vernahmen die drei jungen Frauen das Geräusch des sich drehenden Schlüssels in dem Schloß der Zimmertür. Martina trat arglos herein und blieb wie angewurzelt stehen, als sie die Situation erfaßt hatte. Keiner der vier brachte ein Wort heraus, der Überraschungseffekt saß tief. Im ersten Augenblick schwoll Martinas Ärger schier grenzenlos an, doch nach wenigen Sekunden war er wie weggewischt und Mar­tina machte aus der Not eine Tugend: Sie schubste die beiden neugebackenen Sklavinnen auf das Bett, schleuderte sich die Schuhe von den Füßen, zerrte sich Hose und Bluse vom Leib und schwang sich auf das Bett. Dort angelangt setzte sie sich mit gespreizten Beinen vor die ersten Italienerin, zog deren Kopf an den Haaren zu sich heran und be­deutete jener, ihre Scham mit dem Mund zu liebkosen. Der gesamte Vorgang lief in bi­zarrer Stille ab, und es zeigte sich die alte Erfahrung, daß die ureigensten Triebe der Na­tur keiner verbalen Kommunikation bedurften.

Zu Magdas größter Überraschung wies Martina diese an, sich neben ihr in gleicher Weise auf das Bett zu setzen und sich von der anderen Italienerin verwöhnen zu lassen. Die beiden Südländerinnen verrichteten ihren Liebesdienst mit inniger Hingabe; bereits nach kurzer Zeit stöhnten die Germaninnen lustvoll auf; während Magda ihre Sklavin zärtlich streichelte und dabei deren Kopf vorsichtig in die Höhe drückte, zog Martina den Kopf ih­rer Sklavin mit einem groben Ruck von ihrem Lusthügel. Die Sklavinnen erhoben sich wortlos und deuteten auf die Schlösser der Keuschheitsgürtel. Martina wies mit dem Zei­gefinger auf ihre vor dem Bett liegende Hose; hurtig bückte sich die Nächststehende, zog Martinas Schlüsselbund heraus. Sie fand sofort die beiden kleinen Schlüssel und befreite sich und ihre Kollegin von den Lusteisen.

Auf ihrem Weg zum Strand erwarb Martina an einem Verkaufsstand einen Klappspaten und übergab diesen Magda. Diese blickte ihre Herrin fragend an, doch durch die Maske hindurch konnte Martina die Mimik natürlich nicht erkennen. Aber auch ohne Magdas Gasmaske vor dem Gesicht hätte Martina nicht auf irgend einen fragenden oder gar flehentlichen Gesichtsausdruck reagiert. Schweigend trottete Magda hinter ihrer Herrin her, neben der Strandtasche nun auch mit dem Klappspaten bewaffnet.

Der breite Sandstrand am westlichen Ende der Uferpromenade war fast menschenleer. Nur wenige Urlauber fanden sich an diesem kühlen Nachmittag ein, dennoch hatte die Sonne im Lauf des Vormittags den Sand gut aufgewärmt.
- "Du schaufelst dir jetzt dein eigenes Grab", befahl Martina, "zur Strafe, daß du die beiden Italienerinnen hereingelassen hast und überhaupt, weil du dich befreit hattest!"

Magda war schon im Begriff, ihr zu entgegnen, wie sich die Sache abgespielt hatte, doch sie verkniff es sich im letzten Augenblick. Sie wußte aus Erfahrung, daß ihre Herrin Rechtfertigungen haßte und Strafmaßnahmen daraufhin verschärfte. Somit beließ Magda Martina in dem Glauben, sie habe sich selbst befreit und den Italienerinnen das Zimmer geöffnet.

- "Da, fang' an!", befahl Martina schroff. Magda klappte den Stiel von der Schaufelfläche ab und fing an, eine längliche Grube auszuheben. Sie kam in dem lockeren Sand schnell voran, schon nach wenigen Minuten rief Martina:
- "Das genügt, leg' dich hinein!"
Unsicher ging Magda in die Hocke und stieg langsam in die Grube.
- "Mach' schon", drängte Martina, "setz' dich auf, damit ich dir die Hände hinter dem Rücken binden kann!"

Hurtig kramte Martina Seile aus der Strandtasche, verknotete Magdas Unterarme hinter den Rücken und fesselte anschließend die Beine aneinander, an den Knöcheln, unter den Knien und am Oberschenkel. Dann drückte sie Magda nieder, so daß diese längsgestreckt in der Grube lag. Mit schnellen Spatenstichen schaufelte Martina nun den Aushub in die Grube, so daß Magdas Körper vollständig mit Sand bedeckt war. Anschließend schob sie mit den Händen Sand über Magdas Kopf, so daß nur noch die Gasmaske mit ihrem Filter senkrecht aus der Ebene empor ragte.

Magda versuchte sich zu bewegen. Ihre Beine und ihre Arme waren hoffnungslos gefesselt, indes gelang es ihr, ihren Oberkörper anzuheben. Entsetzt schrie Martina:
- "Bleib' liegen, blöde Gans, ist denn schon der Jüngste Tag, daß du schon aus dem Grab heraus willst, also ich hörte noch nicht die Posaune blasen."
Magda blieb sofort wieder regungslos liegen. Doch Martina geriet in Wut:
- "Na warte, du willst es nicht anders!"
Sie trat den Sand auf Martinas Körper fest, schaufelte dabei immer wieder neuen Sand darauf, so daß eine kompakte feste Sandschicht über Magdas Körper entstand. Diese hatte nun absolut keine Chance mehr, sich zu bewegen; auch ihr Kopf lang jetzt fest im Sand eingebettet, lediglich das Ausblasventil und das Einsaugfilter der Gasmaske ragte aus dem Sand.

Zufrieden blickte Martina auf ihr Werk; sie ruschelte sich die verbliebenen Sandkörner von ihren Fingern, entkleidete sich und lief in's Wasser. Von Ferne sah es aus, als ob dort auf dem Sand ein Spaßvogel eine Gasmaske eingegraben hätte. Niemand hätte gedacht, daß darunter ein Mensch vergraben lag. Martina war dermaßen erregt, daß sie darauf vergaß, ihr Maske im Wasser abzunehmen. Schnell durchschritt sie die Seichtwasserzone und stürzte sich in die Meeresflut. Sofort lief ihre Maske mit dem Wasser voll, mit einem Ruck riß Martina sich diese vom Gesicht, zog ihren rechten Arm durch die Maskenbänder und schob auf diese Weise die Maske auf den Oberarm. Mit kraftvollen Stößen schwamm Martina in das offene Meer hinaus.

Sosehr sie es versuchte, wollte es Magda nicht gelingen, Lustgefühle zu entwickeln. Freilich erfreute sie sich an dem Gefühl der vollkommenen Fixierung, doch war ihre Atmung schwer behindert. Es waren ihr nur kurze Atemstöße möglich, ihr Brustkorb konnte sich kaum ausdehnen. Ihre sämtlichen Sinne waren lahmgelegt, nichts hören und sehen, nichts fühlen und riechen, nur einmal vermeinte sie, einen Stoß an dem Maskenfilter zu verspüren, der sich auf ihre Wangen übertrug.

Als Martina zurückschwamm, bemerkte sie in der Ferne einen Hund, der in Richtung von Magdas Grab sprang. Dort angekommen schnüffelte das Tier an Magdas Maskenfilter herum. Kurz darauf hob der Hund ein Bein und entledigte sich. Anschließend scharrte er Sand, der glücklicherweise nicht auf der kleinen Öffnung in dem Filtergehäuse zu liegen kam, sondern unterhalb des Filters auf dem Ausblasventil liegen blieb. Magda hatte nun große Mühe, zu dem bereits anstrengenden Atemvorgang auch noch die Sandkörner von dem Auslaß wegzublasen; Magda war nahe daran, in Panik auszubrechen, was in ihrer Si­tuation der völligen Hilflosigkeit tödlich geendet hätte. Ihr war das bewußt, da sie bereits mehrfach in Extremsituationen gefangen gehalten war. Sie preßte bewußt den Atem in kurzen kräftigen Stößen aus der Lunge; nach einiger Zeit kam es ihr vor, daß das Ausatmen wieder leichter gelänge.

Eigentlich wollte Martina den skurrilen Anblick von der Ferne genießen und langsam zum Strand zurückschwimmen. Als sie indes den Hund mit seinem Scharren bemerkte, ereilte sie die Sorge, das Tier könnte Sand auf die Einlaßöffnung des Filters werfen. Magda bekäme unweigerlich Panik und würde daraufhin ersticken. Wie von der Tarantel ge­stochen rannte sie durch die Flachwasserzone, ihre Maske rutschte ihr dabei vom Arm, sie ließ diese achtlos in's Wasser fallen.

Erleichtert stellte Martina fest, daß ihre schlimmste Befürchtung nicht eingetreten war und Magdas Einatmen durch das Filter nicht beeinträchtigt worden ist. Sie entfernte den Sand von Magdas Kopf, Magda öffnete die Augen und starrte mit glasigem Blick durch die Gläser.
- "Alles in Ordnung?", fragte Martina, doch Magda verstand nicht, was sie sagte, denn im Gehörgang befand sich reichlich Sand.
- "Nun sag' doch schon was!", schrie Martina sie an. Magda erkannte zwar, daß ihre Herrin irgend etwas sprach, doch sie konnte diese nicht verstehen. Martina verlor die Geduld und riß Magda die Maske vom Gesicht. Magda schüttelte daraufhin den Kopf und sagte:
- "Ich höre nichts".

Erst jetzt gewahrte Martina den Sand in Magdas Ohren, mit ihrem kleinen Finger stocherte sie in deren Gehörgang herum, bis Magda nickte:
- "Ja, jetzt glaub' ich, hör' ich wieder was."
- "Gut, bleib' liegen", rief Martina, "ich brauch' jetzt deine Maske, um meine zu suchen, hab' sie wo im Wasser verloren!"

Es spielte keine Rolle, ob Magda mit Martinas Vorhaben einverstanden war oder nicht, sie lag weiterhin gefesselt und damit unbeweglich in der Sandgrube.
Martina schlenderte an der Stelle in der Seichtwasserzone umher, wo sie meinte, ihre Maske verloren zu haben. Es war ablaufendes Wasser, das Meer zog sich immer weiter zurück. Der Gezeitenhub war längst nicht so stark wie an der ihr bekannten Ostsee, doch genügte die Strömung, daß die verlorene Maske unerwartet weit ins Meer hinausgetragen wurde und vor allem auch stark seitlich abdriftete.

'Das alles bloß wegen der blöden Kuh', ärgerte sich Martina, 'warum muß die sich auch von einem Hund vollmachen lassen.'
Mit beiden Masken in den Händen kehrte Martina auf den Strand zurück, setzte sich Magdas Maske auf, um sich nicht wieder Ärger mit der Strandaufsicht einzuhandeln. Ihre Maske war mit Salzwasser vollgelaufen, sie fürchtete, daß das Salz auf ihrer Gesichtshaut unangenehm jucken würde. Sie freute sich dagegen bei dem Gedanken, diese Juckstrafe Magda zuteil werden zu lassen.



Soeben bemerkte ich, daß auch der ursprüngliche Text einer hier veröffentlichten Entführungsgeschichte in den "Erwachsenenbereich" verschoben worden ist; dieser Vorgang mahnt mich ein weiteres Mal, behutsam spezielle Handlungen in den Verlauf des Romans einfließen zu lassen. Sicherlich mag der eine oder andere Leser zurecht den biederen und langatmigen Fortgang beklagen, indes läuft jede Erzählung in diesem Forumbereich Gefahr, Ereignisse zu beschreiben, in welchen sich Personen unfreiwillig in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt finden. Zudem hoffe ich, daß die Inhalte im Laufe der Episoden steigerungsfähig bleiben; in diesem Sinne grüße ich alle Leser und wünsche weiterhin gute Unterhaltung!
M a g n u s .
106. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 17.06.22 21:03

58

Naturforscherin Inge Langohr vom Umweltamt Lüggen analysierte schonungslos ihr Problem: Sie wollte einen Schatz bergen, hatte auch das Werkzeug dazu, indes kein geeignetes Fahrzeug, um ihn auf dem Landweg abzutransportieren. Als überzeugte Umweltschützerin lehnte sie Autos ab; nur ungern ließ sie sich mitnehmen, wenn es aus berufli­chen Gründen unabdingbar war. Als einzigen Ausweg sah sie die Möglichkeit, die Geld­bündel in einen großen Rucksack zu verstauen und diesen zu schultern, während sie den beschwerlichen schlaglochübersäten Feldweg mit dem Rad zurücklegen würde.

Glücklicherweise würden viele ihrer Kollegen aus dem Umweltamt erst Ende der Woche von dem sogenannten Lehrgang zurückkehren, so daß Inge sich in aller Ruhe auf die Schatzhebung vorbereiten konnte. Gewitzt von dem Beinahe-Schiffsunglück mit Barbara stieg Inge in ihre Wathose, welche sie schon lange nicht mehr benutzt hatte. Als ihre Füßchen in den angearbeiteten Stiefelchen festsaßen, stülpte sie die Hose an ihrem Körper entlang in die Höhe und zog die Hosenträger fest. Sie konnte es nicht unterlassen, genüßlich an den Schritt zu fassen und ihre vom gummierten Stoff umschlossene Scham zu massieren. Dann holte sie ihr Fahrrad aus dem Schuppen, schnallte einen rechteckigen Eimer auf den Gepäckträger, hob ihren Trekking-Rucksack auf die Schultern und schwang sich auf den Sattel.

'Das mit der Wathose war doch nicht so eine gute Idee', überlegte sich Inge, als sie bereits ein bedeutendes Stück geradelt war. Die September-Sonne war durchaus kraftvoll, vom Herbst keine Spur, im Gegenteil, es schien, als ob der Sommer mit seiner ganzen Hitze zurückgekehrt sei. Sie beschloß, bei nächster Gelegenheit in ein Waldstück einzu­biegen, um sich der Hose, die sie unter der Wathose trug, zu entledigen.

Bereits nach kurzer Zeit bot sich Inge die Gelegenheit, sie fuhr in ein Waldstück hinein und zog sich nicht nur die Hose, sondern auch die Socken aus, denn ihre Füße brannten von der Hitze. Die wasserdichte Umhüllung ließ den Körperdampf nicht entweichen.

Nach gut zwei Stunden erreichte Inge Gangolfs Hof; sie dachte dankbar zurück, als der Stadel einen guten Unterschlupf gewährt hatte während des mittäglichen Gewitters. Sie stellte ihr Fahrrad an der Hofeinfahrt ab, kettete es an einen Baum, nahm den Eimer vom Gepäckträger und schlenderte damit zu dem Steg. Der vollgelaufene Kahn lag friedlich vertäut an dem Holz, Inge bückte sich hinunter und schöpfte mit dem rechteckigen Eimer das Wasser aus dem Boot. Nach kurzer Zeit stand das Wasser nur noch einen Finger breit in dem Kahn, sie warf Rucksack und Eimer hinein, löste die Vertäuung, stieg hinein und drückte das Boot vom Steg ab.

Die Navigation erwies sich als mühsam; Barbara war nicht nur die kräftigere und ausdauerndere Ruderin, sondern konnte den Kahn auch wesentlich besser steuern als Inge. Schon die Ausfahrt auf den See hinaus durch das kurze Kanalstück war ein Debakel; im­mer wieder stieß sie an das Ufer, der Kahn drehte sich und Inge hatte große Mühe, ihn wieder zu wenden. Auf dem offenen See ging es dann besser, doch sie fand die Stelle nicht mehr im Schilfgürtel, durch welchen sie zu dem Steg auf der Insel gelangte. Sie schwitzte wie der Teufel und verfluchte sich, die Wathose angezogen zu haben. Ihre Hän­de schmerzten, die ersten Blasen brachen auf. Sie mußte eine Pause einlagen; sie holte die Riemen ein und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Knien ab. Eine wirksame Ent­spannung konnte sie indes nicht finden, sie spürte das Wasser in den Stiefeln, den Schweiß auf ihrem Sitzfleisch.

Vorsichtig streifte sich Inge die Hosenträger von ihren Schultern, schälte sich aus der Wathose, mit Mühen gelang es ihr, die Stiefel von den Füßen zu ziehen. Diese waren von der Flüssigkeit des Schweißes geschwollen, mit einem schmatzenden Geräusch gaben die Stiefel die Füßchen frei. Das Boot begann kräftig zu schaukeln, doch es gelang Inge, sich der Umschlingung zu entledigen, ohne das Schiff zum Kentern zu bringen. Behutsam legte sie die Wathose zur Seite und hob die Beine über den Bootsrand, um die Füße im Was­ser des Sees zu kühlen.

Alle diese Maßnahmen halfen Inge jedoch nicht, ihr aktuelles Hauptproblem zu lösen: Ihre Hände schmerzten und verkrampften, als sie wieder zu den Riemen griff. Sie biß sich auf die Lippen und kämpfte weiter.
'Wo war nur die verdammte Einfahrt?', schimpfte sie mit sich selber und bewunderte dabei Barbara, wie diese den schmalen Einschnitt in dem Schilfgürtel auf Anhieb gefunden hatte. Immer wieder blickte sie über die Schulter, voller Sorge, die Einfahrt überse­hen zu haben. Als im Osten nicht nur die Einfahrt in den Damisch-Kanal sichtbar wurde, sondern auch jene des Groß-Wesserbarger Kanals, legte Inge ein Wendemanoever hin. Doch statt in den See hinaus zu wenden, drehte sie den Kahn in Richtung des Schilfes; prompt blieb sie stecken und hatte große Mühe, wieder herauszukommen. Sie bemerkte, wie sie fix und fertig war; es war zuviel der Anstrengung: Zuerst die lange Fahrradtour und jetzt noch die Bootsfahrt. Sie holte ihre Trinkflasche aus dem Rucksack und trank den letzten Rest leer.

- "So, das war's dann", redete sie mit sich selber, "jetzt kann ich nur noch hoffen, daß die Rückfahrt nicht mehr so anstrengend wird".
Es blieb ihr indes unklar, woraus sie diese absurde Hoffnung schöpfte, aus eigener Erfahrung wußte sie, daß die Rückfahrten üblicherweise anstrengender waren als die Anreisen. Zudem galt es jetzt erst einmal, die Einfahrt zu dem Steg zu finden. Sie biß die Zäh­ne zusammen und stieß den Kahn nach dem mißglückten Wendemanoever aus dem Schilf heraus. Als sie endlich wieder auf der offenen Wasserfläche war, ruderte Inge verbissen weiter. Erst nach einiger Zeit bemerkte sie, daß die Insel immer noch zu ihrer lin­ken Seite lag. Resigniert erkannte Inge, daß sie, anstatt zu wenden, in die gleiche Rich­tung weitergerudert war.

- "Verdammt, verdammt, verdammt", schalt sich Inge selber, leitete erneut ein Wendemanoerver ein, diesmal in Richtung der offenen Seefläche, und das Vorhaben gelang. Westwärts ging es deutlich langsamer voran, der Gegenwind erschwerte zusätzlich zu In­ges allgemeiner Erschöpfung das Vorwärtskommen. Inge ließ den Schilfgürtel nun nicht mehr aus dem Blick, zu ihren Schulterschmerzen gesellte sich ein steifer Nacken durch die ständige Drehung des Kopfes nach rechts. Die Fahrt ging dermaßen langsam voran, daß Inge vermeinte, jedes einzelne Schilfrohr zählen zu können. Die Pausen häuften sich, Inge bewegte ihren steifen Nacken hin und her und blickte zu der anderen Seite auf das Ufer, von wo aus sie auf den See hinausgerudert war. Wehmütig blickte sie auf die Ka­nalschneise und war kurz davor, aufzugeben und dorthin zurückzurudern.

Erschöpft ließ sie ihren Blick in die Runde schweifen; ihr Herz schlug höher, als sie in geraumer Entfernung eine Schneise in dem Schilfgürtel der Insel ausmachte. Angespornt durch diese Entdeckung wurden ihre Lebensgeister wieder erweckt; sie legte sich mit aller verbliebenen Kraft in die Riemen und kam rasch an die erspähte Stelle.

Es war nicht auszumachen, ob Inges Tränen von der Erschöpfung herrührten oder von den Schmerzen oder von der bodenlosen Enttäuschung. Inge zog die Riemen ein, sie hatte sich in einer Art Endspurt vollkommen verausgabt und lag quasi zusammengebrochen auf den gekreuzten Hölzern. Sie schluchzte hörbar, achtete nicht mehr darauf, was um ihr herum geschah. Sie verspürte zwar ein leichtes Schaukeln, doch beachtete sie das nicht weiter, sondern blieb zusammengekauert mit dem Blick nach unten sitzen.

Inge schrak auf, als sie hinter sich eine Stimme vernahm:
- "Brauchen Sie Hilfe?"
Sie blickte sich um und gewahrte einen älteren Mann in einem Kajak.
- "Äh, nein", stotterte Inge, "ich such' nur die Einfahrt zu dem Steg auf der Insel."

Der Fremde betrachtete sie durchdringend und gab zur Antwort:
- "Die kann ich Ihnen schon zeigen, aber Sie wissen hoffentlich, daß es verboten ist, dort auszusteigen und die Insel betreten, das ist alles Naturschutzgebiet, >Biosphäre<, oder wie die Grünen-Spinner das heute nennen."

Das Gehörte gab Inge einen Stich, auf der einen Seite freute sie sich, daß das Betretungsverbot offenbar weitgehend von der Bevölkerung und wohl auch von den Boots-Touristen eingehalten wurde, andererseits schmerzte sie der Betriff von den >Grünen-Spinner<.
- "Ich bin vom Umweltamt und darf dort hin", entgegnete Inge. Der Fremde betrachtete sie weiter argwöhnisch. Erst jetzt wurde Inge bewußt, in welchem Aufzug sie vor dem Fremden in dem Kahn saß: Praktisch vollkommen nackt, von dem Slip und dem BH abgesehen, machte sie sicherlich nicht den Eindruck, eine Beamtin in Ausübung ihres Dienstes zu sein.

- "Also ich mache Ihnen einen Vorschlag", fuhr der Kajakfahrer fort, "ich rudere Sie zurück in ihrem Kahn nach Röthen, da haben Sie den doch geliehen, nehm' ich an, und bind' mein Kajak hinten an, Sie sind ja völlig erschöpft!"
- "Nein, nein, es geht schon", hauchte Inge mehr, als daß sie es sprach.
- "Na, wenn Sie meinen, nehmen Sie wenigstens einen Schluck aus meiner Flasche."

Der Kajakfahrer holte aus dem Fußraum seines Bootes einen wasserdicht verschließbaren Sack hervor, entnahm diesem eine Wasserflasche und reichte diese Inge. Mit gierigen Schlucken füllte Inge das kostbare Naß in ihren Rachen, verschluckte sich prompt dabei, und während sie noch nach Luft rang, reichte sie die Flasche dem edlen Spender zurück. Für Inge überraschend gab dieser schließlich die erlösende Information:
- "Der Steg liegt ungefähr zweihundert Meter weiter, können Sie gar nicht verfehlen".
- "Vielen Dank, das war wirklich sehr freundlich von Ihnen, ich heiße übrigens Inge Langohr, können Sie sich erkundigen beim Umweltamt."
- "Na dann gute Arbeit", konterte der Fremde belustigt, verstaute seine Trinkflasche in dem Beutel und stach in See.

'Überzeugt klang das nicht', dachte sich Inge, war aber sehr froh über sein Getränk und auch über seine Nachricht, wo der Steg zu suchen sei.
Inge faßte neuen Mut, zwang sich zu gleichmäßigen Ruderschlägen und blickte nun nicht mehr ständig zur Seite. Nach endlos erscheinender Zeit fand sie schließlich die Einfahrt zu dem Inselsteg. Die Passage stellte sich als schwierig heraus, ständig blieb sie im Schilf hängen, nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte sie den Steg. Sie vertäute den Kahn, ergriff ihren Rucksack und zog sich auf den Steg hinauf. Als sie das Holzbrett verließ und die Insel betrat, stach irgend etwas tief in ihre rechte Fußsohle. Erst jetzt wurde ihr bewußt, daß sie barfuß, nur mit Slip und Büstenhalter bekleidet, aus dem Boot gestie­gen war. Es blieb ihr nichts weiter übrig, als auf den Steg zurückzukehren und ihre Wathose aus dem Boot herauszuziehen. Ungern schlüpfte sie in die schweißfeuchten Stiefel und streifte sich den Gummistoff bis über die Brüste hinauf.

Bei jedem Auftritt ihres rechten Fußes zog ein beißender Schmerz in Inges ohnehin schon reichlich gepeinigten Körper. Das Schweißwasser in dem Stiefel war Gift für die verletzte Stelle an Inges Fußsohle, unsichtbar vermischte sich das Blut mit dem Schweiß in der wasserdichten Fußbehausung. Mit schmerzverzerrtem Gesicht strauchelte Inge durch den Bruchwald, sie hätte schwören können, daß der Pfad zu der Lichtung kurz gewesen sei, doch nun irrte sie schon eine halbe Ewigkeit durch das Unterholz. Endlich kam sie zu der Einsicht, daß sie sich verlaufen habe.

Sie ignorierte die mahnenden Zeichen der Vorsehung, die Raubgelüste aufzugeben; nach der qualvollen Bootsfahrt kam nun die Verirrung in dem Inselwald hinzu.

























107. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 24.06.22 22:02

59

Einmal die Witterung aufgenommen ließ Polizeihauptwachtmeister Brause nicht mehr locker; sein Chef, Dienststellenleiter Nisselpriem, riet ihm, die Sache mit dem seltsamen Geldfund im Schleewald auf sich beruhen zu lassen, dennoch erkundigte sich Brause bei der Notrufzentrale in Kaiserswuselhausen nach dem genauen Wortlaut des diesbezüglich eingegangenen Anrufs. Der diensthabende Beamte spielte ihm die Aufzeichnung vor:

- “Guten Tag, hier spricht Barbara Bär, wir haben eine Kiste voller Geld gefunden ... Ja, mitten im Wald ... also keine Ahnung, viel, glaub’ ich ... Ach so, ja, gut, vielen Dank.”

Als erstes fiel Brause der Plural auf: >wir haben<, dann aber auch, daß es anscheinend nicht einfach eine Geldbörse war, welche verloren ging, auch keine Geldkassette, sondern >eine Kiste<.

‚Verliert man einfach so eine Kiste im Wald?’, machte sich Brause Gedanken, ‚noch dazu eine Kiste voller Geld? Nein, da stimmt `was nicht! Schon dämlich, der Kollege, schickt das Mädel einfach zum Fundamt, statt seine Kriminaler-Kollegen zu informieren. Der hat nicht `mal die Adresse sich geben lassen von der Guten, wie hieß sie nochmal, Bär oder Bahr oder so ähnlich, oder war das ihr Vorname, Barbara, verflixt, ich krieg’ schon alles durcheinander, ich werd’ alt.’

Nachdem Brause es lange hatte läuten lassen, meldete sich endlich eine verdrießlich klingende Stimme:
- „Fundbüro Lüggen.“
- „Hier Wachtmeister Brause; wir erhielten die Meldung, daß eine Geldkiste gefunden wurde, und nun wollte ich mir das `mal genauer ansehen, ob da nicht ein Diebstahl dahinter steckt!“
- „Äh, eine Geldkiste sagten Sie?“
- „Ja.“
- „Wir haben hier nur ein Paar Geldbörsen.“
- „Nee, muß wohl `ne richtige große Kiste sein.“
- „`ne Kiste mit Geld?“
- „Ja, also haben Sie jetzt so eine?“
- „Moment, ich schau’ `mal nach im Computer, gesehen hab’ ich jedenfalls keine hier.“

Der Mann im Fundamt mauste auf seinem Schreibtisch herum und starrte gebannt auf den Bildschirm.
- „Hallo, sind Sie noch `dran?“, fragte er nach einer Weile.
- „Ja freilich, also was ist?“, drängte Brause, allmählich die Geduld verlierend.
- „Nee, muß ich Sie enttäuschen, steht auch nichts im Computer von `ner Kiste. Aber warten Sie `mal, ja doch, jetzt erinner’ ich mich, ja, da war `n Anruf, stimmt, da hat eine Frau was gefaselt, sie hätte `ne schwere Kiste gefunden und die konnte sie aber nicht ausgraben oder so was.“
- „Aha, also doch“, freute sich Brause, „und was dann?“
- „Äh, was dann, nichts weiter, ich sagte, sie muß mir die Kiste schon bringen.“
- „Ja und weiter“, drängte Brause.
- „Ja nichts weiter, sie wollte noch wissen, ob ihr das Geld dann gehört, wenn sich der Eigentümer nicht meldet und ich sagte ihr ja, nach einem Jahr, abzüglich der Bewahrgebühr natürlich.“
- „Ja natürlich, und die Frau kam also nicht damit?“

- „Nee, wie ich schon sagte, war wohl zuviel Geld `drin.“
- „Und nannte sie wenigstens ihren Namen?“
- „Nee, weiß ich nimmer, glaub’ nich’.“
- „Und wo sie die gefunden hat?“
- „Auch nich’.“
- „Na denn Danke.“

Brause war enttäuscht, er hoffte, von dem Mann im Fundbüro mehr zu erfahren. Ihm blieb nichts anderes übrig, als nochmals in der Zentrale anzurufen. Leicht genervt gab ihm der Kollege den Namen der Anruferin und auch die Telephonnummer; Brause schrieb mit und wiederholte sicherheitshalber, was er sich notiert hatte.

Als ihr i-Pad den Klingelton eines unbekannten Anrufers aussendete, ließ Barbara das Gerät läuten und drückte die Stumm-Taste. Sie wollte an diesem Nachmittag ihre Ruhe haben und vor allem nicht mit einem Fremden ein Gespräch führen. Brause versuchte es eine halbe Stunde später nochmals und nun hatte er Glück, denn Barbara war nach dem Genuß einer Tasse Tee in besserer Stimmung:

- „Ja bitte.“
- „Hier Wachtmeister Brause, spreche ich mit Barbara Bär?“
- „Ja.“
- „Schön, freut mich, Frau Bär, Sie hatten eine Meldung gemacht, daß Sie eine Kiste mit Geld gefunden hatten.“
- „Äh, ja, das stimmt.“
- „Gut, bitte erzählen Sie mir, was weiter geschehen ist.“

Barbara wurde verlegen. Sie besann sich eine Weile, ehe sie fortfuhr:
- „Ja, nichts weiter, ihre Kollegen sagten, ich soll sie im Fundamt abgeben.“
- „Und haben Sie das getan?“
- „Nein, die war viel zu schwer und außerdem eingegraben.“
- „Eingegraben? Wie haben Sie die Kiste dann gefunden?“

Barbara brütete, ob sie den mysteriösen Mann in’s Spiel bringen soll, den sie in der Abenddämmerung ihres ersten Tages auf der Insel auf der Lichtung gesehen hatten.
- „Äh, ja, also da war ein Mann, der hat da so an einer Stelle herumgemacht, das kam mir komisch vor und dann hatte ich nachgesehen und unter dem Laub die Kiste gesehen.“
- „Waren Sie allein?“
- „Nein, meine Kollegin war auch mit dabei.“
- „Aha, Sie haben also zu zweit einen Mann gesehen, oder waren es mehrere Personen?“
- „Nein, nur einer.“
- „Und wie sah er aus, beschreiben Sie ihn mir.“
- „Das kann ich nicht, es war schon ziemlich finster.“
- „Können Sie gar nichts dazu sagen, war er groß oder klein, dick oder dünn, jung oder alt?“
- „Hm, nein, wirklich, er ging dann schnell fort, wir waren auch nicht so ganz nahe `dran.“
- „Und was hatte er an?“
- „Auch das kann ich nicht sagen, mir ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen.“
- „Gut, lassen wir das. Nun sagen Sie mir bitte, wo das war.“
- „Ja, das war auf der Insel im Röthener See.“
- „Auf der Insel im Röthener See“, echote Brause, und bevor er weiter fragte, legte er ein Denkpause ein.

- „Ja, da gibt es eine große Insel“, fuhr Barbara fort.
- „Ja, ja, das weiß ich schon, danke, lassen Sie mich einen kurzen Augenblick überlegen.“

Nach einer Weile setzte Brause das Gespräch fort:
- „Was machten Sie eigentlich auf dieser Insel, ist das nicht Naturschutzgebiet?“
- „Ja richtig, wir sind vom Umweltamt, also ich bin bloß Praktikantin, aber wir sollten dort das Verhalten der Zugvögel beobachten, die gegenüber früheren Jahren immer später nach Süden ziehen.“
- „Ach so, das ist ja interessant, also früher flogen immer alle Störche nach Afrika im Winter, sämtliche, aber heute bleiben die meisten da und überwintern hier. Also das ist meine laienhafte Beobachtung."
- „Es wird immer wärmer, Sie haben recht, aber die meisten Störche fliegen schon noch fort, aber es stimmt, es werden jedes Jahr mehr, die hier überwintern.“
- „Gut, Frau Brause, ah, Frau Bär, entschuldigen Sie, also kommen wir auf die Kiste zurück, was haben Sie dann weiter gemacht, als Sie die Kiste fanden?“
- „Ich rief an bei der Polizei, also ich wählte die 110, und der Mann sagte, ich soll das Geld beim Fundamt abgeben.“
- „Aber das haben Sie dann nicht gemacht, weil sie eingegraben war und schwer aussah. Wie wußten Sie denn, daß Geld darin war?“
- „Der Deckel war offen, also unverschlossen, wir konnten den Deckel anheben und sahen die Geldscheine darin liegen in der Kiste.“
- „Gut, dann ist die Kiste also noch dort.“
- „Ja, also wenn es nicht der Mann weggenommen hat.“
- „Schön, jetzt sagen Sie mir, wann Sie `mal in den nächsten Tagen sich Zeit nehmen können, daß wir zusammen da hinausfahren, um uns das alles `mal anzusehen.“

Barbara ging im Geiste ihren Terminkalender durch. Am Donnerstag hatte sie nachmittags frei.
- „Sind Sie noch `dran?“, drängte Brause.
- „Ja natürlich, ich überlegte nur kurz, also am Donnerstag, ja, übermorgen also.“
- „Gut, ich hol’ Sie ab und dann machen wir `ne Bootstour, wo wohnen Sie denn?“

Barbara war es nicht ganz wohl bei dem Gedanken, mit einem Polizisten einen Termin vereinbart zu haben, ohne vorher sich mit Inge abgestimmt zu haben.
- „Was soll’s“, sagte sie zu sich selber, als sie das Gespräch mit Brause beendet hatte, was sollte Inge schon dagegen haben. Am Abend rief Barbara Inge an und berichtete ihr von ihrem Gespräch mit dem Wachtmeister.
- „Was, der will mit dir auf die Insel wegen der verdammten Kiste?“, entgegnete Inge mit erregter Stimme, ihre Irritation war deutlich zu vernehmen.
- „Äh, was hast du denn? Du kannst ja mitkommen, dieser Brause hat da sicherlich nichts dagegen!“
- „Nein, ist schon gut, fahrt ihr da `mal hin, ich hab’ da schon was anderes vor.“

‚Seltsam’, dachte sich Barbara, ‚sonst nimmt sie doch immer jede Gelegenheit wahr, aus ihrem Büro herauszukommen für einen dienstlichen Einsatz.’

Barbara hätte sich nicht in kühnsten Träumen ausmalen können, daß ihre Kollegin nochmals auf die Insel zurückgekehrt war – und erst recht nicht Gangolf, der zur gleichen Zeit die Hotelrechnung für sich und die drei Damen bezahlte mit der Hoffnung, daß ihm das mitgebrachte Geld noch bis zum Ende des Urlaubs reichen würde. Er nahm sich vor, gleich am nächsten Morgen nach Rückkehr von der Reise zu seiner Insel zu rudern.



































108. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 01.07.22 22:55

60

Die vier Urlauber beschlossen, den Urlaub abzubrechen und wieder nach Hause zu fahren: Zum einen empfanden sie das ständige Herumlaufen mit den schweren Gasmasken eine starke Beeinträchtigung des Wohlbefindens, zum anderen nervte ihnen die Schwie­rigkeit, in den Restaurants einen Platz zu finden, vor allem war ein gemeinsames Essen an einem Tisch nicht gestattet. Zudem störte ihnen, immer wieder zu sehen, wie einige das Masturbieren in der Öffentlichkeit nicht lassen konnten, wie sich diese geradezu zwanghaft im Schritt massierten. Schließlich wurde für die nächsten Tage eine deutliche Verschlechterung der Wetterlage vorhergesagt, mithin stieg die Regenwahrscheinlichkeit. Lieber wollten sie noch ein paar Tage an der Ostsee Urlaub machen, in den letzten Jahren herrschte dort Anfang Oktober oft erstaunlich gutes Wetter; die allgemeine Klimaerwär­mung war nicht mehr zu leugnen.

Als Bettina mit Gangolf aus Venedig zurückkehrte, teilte sie ihm mit, daß sie mit Martina ein ernstes Gespräch führen würde und daß sie deshalb mit ihr im Auto fahren wollte. Martina hatte keine Einwände und Magda äußerte sich, wie üblich, überhaupt nicht dazu, ob sie nun im Auto oder auf dem Motorrad bei Gangolf mitfahren wollte. Martina entschied, daß jene wieder bei Gangolf aufsitzen sollte.

Martina und Bettina wollten auf dem schnellsten Weg zurück nach Hause fahren, sie wählten die Brenner-Autobahn, um über Bayern nach Brandenburg zu gelangen. Auch Gangolf beabsichtigte, über den Brenner-Paß zu fahren, allerdings nicht auf der Autobahn, sondern auf der alten Staatsstraße im Etsch- und Eisacktal entlang. Im Gegenzug zur Anreise nahm Gangolf im Tankrucksack einige persönliche Gegenstände mit und auch Magda schulterte einen kleinen Rucksack mit Habseligkeiten, denn die beiden Motor­radreisenden wollten die große Strecke nach Hause nicht an einem Tag zurücklegen, son­dern je nach den Umständen mehrmals logieren.

Gangolf schlug vor, noch einen Abend am Gardasee zu verbringen, Magda war natürlich wieder ohne eigene Meinung sofort damit einverstanden. Von früheren Reisen kannte er in Bardolino eine kleine Herberge in einem malerischen stillen Winkel, die dort eine Witwe betrieb. Bereits am frühen Nachmittag bog Gangolf in den vertrauten Hof >Corte di San Zeno< ein, nachdem er sich telephonisch bei der Signora angekündigt hatte. Die Signora kochte den beiden Ankömmlingen ein kleines Essen, denn das Speisen in den Restaurants war in Bardolino genauso schwierig wie in Caorle. Immerhin hatten die beiden den Vorteil, als Paar angesehen zu werden und somit bekamen sie einen gemeinsamen Tisch und natürlich auch ein gemeinsames Zimmer. Zu ihrer Freude stellten sie fest, daß die alte Witwe nicht mit der Gasmaske herumlief und ihr Mißfallen über diese staatliche An­ordnung laut schimpfend kundtat. Dennoch gab sie den beiden Masken, damit diese in die Stadt hinunter gehen konnten, ohne von den Ordnungskräften Schwierigkeiten zu bekommen.

Während Magda und Gangolf in das uralte Städtchen hinunterschlenderten, fuhren Martina und Bettina auf einen kilometerlangen Stau zu. Von der Grenze am Brennerpaß stau­ten sich die Fahrzeuge auf beiden Spuren bis nach Sterzing hinunter. In Gossensaß, der letzten Ausfahrt vor dem Brenner, wurden fast alle Autos abgeleitet und zu einer riesigen Wiese gewiesen, auf welcher sie anhalten mußten. Die Halde der zwangsweise abgestell­ten Fahrzeuge war unüberschaubar groß. Lautsprecherdurchsagen in vielen Sprachen for­derten die Fahrzeuginsassen auf, die Autos zu verlassen und mit den wichtigsten persön­lichen Gebrauchsgegenständen zu dem im Hintergrund sich auftürmenden Containerdorf zu gehen.

Die beiden Damen blieben erst einmal sitzen, sie konnten es nicht glauben, was hier geschah. Auch die Leute in den benachbarten Autos stiegen nicht aus, sondern warteten ab, was weiter geschehen würde. Nach einiger Zeit kamen mit Gummimasken und Gummi­knüppel bewaffnete Ordnungskräfte, sie rissen nacheinander die Autotüren auf und plärr­ten unmißverständlich die verängstigten Fahrzeuginsassen an, herauszukommen. Sie rie­fen auch mehrfach „bagaggio“, Bettina machte sich einen Reim darauf, daß das wohl Ge­päck heißen mochte, sie und Martina holten daraufhin ihre Reisetaschen aus dem Koffer­raum und schlappten mißmutig in die angewiesene Richtung zu den hoch aufeinanderge­stapelten Containern.

Vor den Containern gab es ein wildes Geplärre; die abrupt aus ihren Fahrzeugen gejagten Menschen trugen nur in den seltensten Fällen Masken, während die Ordnungskräfte mit schweren Schutzanzügen die schutzlos Dastehenden in die Eingangsschleuse zu dem Container-Dorf dirigierten. Hinter dicken Glassscheiben saßen Beamte, deren Masken an­stelle der Filter dicke Schläuche hatten, die irgendwo hinauf führten. Den Urlaubern däm­merte, daß es sich um eine Registrierung handelte, die meisten vermuteten, daß in den Containern Schnelltests durchgeführt wurden. Doch keiner konnte sich erinnern, davon irgend etwas in den Medien gehört oder gelesen zu haben. Die italienischen und österrei­chischen Staatsorgane hatten in einer einzigartig funktionierenden Geheimoperation das Containerdorf unterhalb des Brennermassivs aufgestellt.

Die meisten in der Warteschlange stehenden Ankömmlinge wurden paarweise registriert; das ging verhältnismäßig schnell: Nach Vorlage eines Ausweises wurde von den verschlauchten Beamten nichts weiter als Name, Anschrift und Telephonnummer in die Tastatur gehakt. Dann wurden die Wartenden paarweise, im Falle von Familien diese zusammen, aber auch Einzelreisende einzeln in die Tiefen des Containerdorfs hineingeführt.

Martina und Bettina überschlich ein mulmiges Gefühl, als sie an die Reihe kamen. Man wollte sie einzeln wegführen, doch konnten sie den Ordnungsleuten dank der identischen Adresse klarmachen, daß sie ein Paar waren. Im Rückblick ärgerte sich Bettina, damals zusammen mit Martina hineingegangen zu sein, es wäre für sie wohl wesentlich interessanter gewesen, mit einem fremden Menschen das Zimmer zu teilen oder gar als Eremit das Einsiedlerdasein auszuprobieren.

Den beiden Lesben traf der Gamma-Strahl: Nach einem verwirrenden Marsch über zahlreiche Stiegen erreichten sie den ihnen zugewiesenen Container, der Wärter öffnete die Tür zu einem winzigen Raum, eine wahre Zelle: Der Raum war nicht einmal ausreichend hoch, um aufrecht stehen zu können, selbst die kleine Bettina mußte ihren Kopf leicht nach vorne beugen, während Martina genötigt wurde, in die Hocke zu gehen. Auch die Fläche der Zelle war beängstigend klein: Ein Bett, das nicht viel breiter war als ein ge­wöhnliches Einzelbett, sollte ihre Schlafstätte werden. An drei Seiten war es von den Zel­lenwänden umgeben, an der freien Längsseite war nur ein schmaler Zwischenraum zu ei­nem kleinen Waschbecken und der Toilettenschüssel. Das kleine Fenster oberhalb der Toilette stand offen, außen waren Gitterstäbe angebracht.

- „Sind wir hier im Knast?“, empörte sich Martina.
- „Quarantäne“, entgegnete der Südtiroler Wärter.
- „Was heißt da Quarantäne, wir müssen weiter nach Deutschland, unser Urlaub ist um.“
- „Nix da, die Österreicher lassen keinen aus Italien hinein ohne Quarantäne.“

Martina war im Begriff, handgreiflich zu werden, Bettina konnte sie noch rechtzeitig zurückhalten. Der Wärter war darauf vorbereitet und griff sofort zu seinem Schlagstock. Als sich Martina beruhigt hatte, sagte er:
- „In sechs Wochen kommen’S wieder aussi.“
- „In sechs Wochen?“, empörte sich Martina erneut.
- „Jouh, Quarantäne, des is Italienisch, hoaßt vierz’g Tag, wenn’S bis dann nix ham, san’S ohne Virus.“

Resigniert ließen sich die beiden Neugefangenen auf das Bett plumpsen, sie hatten Schwierigkeiten, den rauhen Dialekt des Wärters durch seine Maske hindurch zu verstehen. Bevor den beiden das Ausmaß der Maßnahme bewußt geworden war, verabschiedete sich der Wärter:
- „Ois Guate nachert“, drehte sich um und zog die Tür hinter sich zu. Kaum war der Mann draußen, hörten sie, wie schwere Riegel vorgeschoben wurden.

Sprachlos vor Entsetzen starrten Martina und Bettina auf die zugeknallte Tür, die keinen Griff und keinen Drücker hatte. Es war einfach eine glatte Fläche mit einer Klappe am Boden. Am Abend sollten die beiden einen praktischen Anschauungsunterricht erhalten, was es mit der Klappe auf sich hatte.

- „Sechs Wochen“, tobte Martina; als sie vor Wut vom Bett aufsprang, schlug sie sich heftig den Kopf an der niedrigen Decke an.
- „Au, verdammt noch mal, was ist das für ein Drecksloch.“
- „Setz dich lieber wieder“, versuchte Bettina sie zu beruhigen, „immerhin ist es nicht dreckig, ich denke, wir haben die Ehre des Erstbezugs. Es riecht alles noch so neu hier.“
- „Es stinkt nach billigem Plastik“, echauffierte sich Martina, am liebsten hätte sie den kleinen Spiegel über dem Waschbecken zertrümmert, „das kann doch alles nicht wahr sein; sag, daß das hier nur ein böser Traum ist!“
- „Es ist schon die Wirklichkeit, liebe Marti“, entgegnete Bettina und es freute sie, daß es ihr ganz von selber gelang, ihre Freundin mit dem alten Kosenamen zu anzusprechen, den sie schon lange nicht mehr verwendete.

‚Vielleicht ist das eine gute Gelegenheit, wieder zusammenzufinden’, überlegte sich Bettina. Auf der Herfahrt hatte sie Martina mitgeteilt, daß sie sich von ihr trennen wollte. Martina hatte das erstaunlich ruhig aufgenommen, offenbar hegte auch sie schon seit einiger Zeit den Gedanken, sich zu lösen. Das sexuelle Erlebnis mit den beiden Technikern, welche in Magdas Wohnung den Simulationssender installiert hatten, führte den beiden Lesben nahe, daß eine Beziehung zum männlichen Geschlecht im Grunde genommen doch die natürlichere Variante wäre. Martina hatte bereits mehrfach Männerbeziehungen mit unterschiedlicher Dauer. Sie scheiterten stets an ihren sadistischen Gelüsten, kein Mann wollte sich dauerhaft ihr körperlich und mental unterwerfen.

Bettina hatte sich am Vorabend ihres Venedigbesuchs eingehend in ihrem kleinen Hotelzimmer Gedanken gemacht, sie hielt Zwiesprache mit ihrem Schöpfer und kam über die religiösen Moralvorstellungen dazu, das homosexuelle Verhältnis mit Martina zu beenden. Ihr störten zudem deren ständige Versuche, sie immer wieder als Sexsklavin zu mißbrau­chen, auch verabscheute sie die sadistischen Quälereien, die diese Magda zuteil werden ließ, dem Opferlamm, das nicht nur deren Sadismus stoisch ertrug, sondern sogar deren Schuld auf sich nahm.

- „Vierzig Tage“, sinnierte Bettina, „das stimmt schon, das sind knapp sechs Wochen, im November sind wir dann wieder frei.“
- „Das weiß ich selber, soweit kann ich `grad noch rechnen“, fauchte Martina. Bettina beschloß, nichts mehr zu sagen. Sie dachte an die vierzig Tage, die Jesus in der Wüste ver­brachte, um zu Fasten und zu Beten.

'Herr, laß mich nicht verzweifeln, laß mich stark sein in dieser Zeit der Prüfung, besonders Martina gegenüber, sei uns nahe mit deiner Kraft, mit deinem Heiligen Geist, und laß uns aus dieser Situation geläutert hinausgehen!’

Nach einer Weile öffnete sich die Klappe, zwei Bücher, mehrere Zeitschriften und eine Tageszeitung wurden in die Zelle geschoben. Dazu kam ein Zettel und ein Stift; auf dem Zettel befanden sich Sätze mit Kästchen zum Ankreuzen. Genannt wurden Dinge des täglichen Bedarfs, welche gegebenenfalls nötig waren und mit diesem Schein angefordert werden konnten. Nach dem Ankreuzen sollte man den Zettel einfach durch den Spalt unterhalb der Klappe auf den Gang nach draußen zurückschieben.

Bettina las in aller Ruhe, welche Gegenstände aufgeführt waren und überlegte sich, was sie ankreuzen würde. Sie war sich zwar sicher, beispielsweise ausreichen Zahnpasta dabei zu haben, aber sie fand es tatsächlich aufmerksam, daß vielleicht nicht alle Reisende in der Eile alles aus ihrem Auto mitgenommen hatten. Marina hingegen riß ihr ungeduldig den Zettel aus der Hand, überflog ihn mit grimmiger Mine, zerknitterte ihn wutentbrannt und schleuderte das in der Faust zu einem Knäuel geformte Papier gegen die Tür.

- „Spinnst du“, schrie Bettina sie an, „jetzt können wir nicht mehr ankreuzen, wenn wir noch was brauchen; hast du überhaupt alles gelesen, jetzt komm’ bloß nicht daher und schnorr’ dir dauernd war von mir; hoffentlich kriegen wir bald wieder einen neuen Zettel.“
- „Ach, laß mich in Ruh!“, brummte Martina und zwängte sich auf das für ihre langen Beine viel zu kurze Bett.
‚Das geht ja schon gut los’, überlegte sich Bettina, ‚warum ist die nur immer gleich so aufbrausend, ich kann doch auch nichts dafür für diese mißliche Situation hier.’

Sie zog es vor, zu Schweigen, um Martinas Gemüt in der Stille abkühlen zu lassen. Sie bückte sich nochmals auf den Boden und sammelte die durchgesteckten Bücher und Zeitschriften ein. Bevor sie einen Blick darein warf, kam ihr der Gedanke, Magda und Gangolf anzurufen, um sie vorzuwarnen, was ihnen bevorstehen würde. Wie sie es voraussah, war Gangolfs >Mailbox< zu hören, sie sprach schnell ihre Nachricht darauf, was hier alles los war.

Gangolf schlenderte derweil mit Magda Arm in Arm an der Uferpromenade von Bardolino entlang; gasmaskenbehindert genossen sie den faszinierenden Blick auf die Bergkette am gegenüberliegenden Ufer des Gardasees. Gangolf hatte nicht sein Handy dabei und so konnte er mit Magda den ruhigen Abend völlig entspannt genießen, ohne von der Beküm­mernis zu wissen, die ihnen am nächsten Tag vor der Alpenüberquerung ereilen würde.













109. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 09.07.22 06:07

61

Wie verabredet trafen sich Barbara, Brause und dessen Kollege Müller in Röthen, um mit einem Boot mit Elektro-Außenbordmotor zur Schatzinsel zu fahren. Dem Bootsverleiher war es eine besondere Ehre, der Polizei ein Boot zu leihen; vorsichtig ließ er es zu Wasser und erklärte kurz die Handhabung. Er zeigte auch auf die Reservebatterie, die sich neben der Hauptbatterie unter der hinteren Sitzbank befand.
Müller betätigte sich als Fährmann; er genoß die Fahrt über den See. Schon nach kurzer Zeit kam die kleine Reisegruppe auf die offene Seefläche; nachdem sie die in den See bei Röthen hineinragende Landspitze umrundet hatten, sahen sie die Insel in wenigen Hundert Meter Abstand. Müller steuerte geradewegs auf die Insel zu; als er das Boot auf we­nige Meter herangesteuert hatte, hielt er nach einem Landeplatz Ausschau.

- „Verdammt, hört denn der Schilfgürtel hier nirgends auf“, schimpfte er und steuerte das Boot immer weiter südlich der Insel entlang. Hier kam die Insel ganz nah an das Festlandufer heran, nur zehn bis zwanzig Meter betrug der Abstand, sie befanden sich auf einem natürlichen Kanal.
Bettina entgegnete: „Auf der Nordseite gibt es einen Steg mit einer schmalen Schneise durch das Schilf!“
- „Auf der Nordseite?“, mischte sich Brause ein, „wenn ich das richtig sehe, sind wir hier aber im Süden von der Insel.“
- „Ja, so ist es, wahrscheinlich wäre es kürzer gewesen, gleich westlich `lang zu fahren“, meinte Barbara.
- „Hier in der schmalen Fahrrinne kehr’ ich jetzt nicht mehr um, dann fahren wir halt von der anderen Seite herum“, brummte Müller.

Das Gespräch kam damit zum Erliegen, jeder der Passagiere hing seinen eigenen Gedanken nach: Barbara rief sich in Erinnerung, wie sie die Kiste mit dem Geld gefunden hatte, Brause überlegte, daß wohl nur einer in Frage kam, dort Geld zu verstecken und Müller hoffte, endlich wieder auf die offene Seefläche hinauszukommen, um den Motor auf höchste Leistung und damit das Schifflein auf höchste Geschwindigkeit zu bringen.

Nach kurzer Zeit verbreitete sich wieder der Abstand zwischen Insel und Festland, Müller steuerte etwas weiter von dem Schilfgürtel der Insel weg und drehte den Regler voll auf. Der Bug stellte sich leicht auf, um kurz darauf wieder auf die Wasserfläche zu klat­schen; Müller bereitete es sichtlich Vergnügen und Brause ließ ihn gewähren, vorsichtshalber klammerte er sich fest an die Bordwand und an den Rand des Sitzbretts. Barbara verabscheute den Motorbetrieb; als überzeugte Umweltaktivistin liebte sie es, genauso wie ihre Kollegin Inge, möglichst mit Muskelkraft sich fortzubewegen, sei er auf dem Land, sei es auf dem Wasser. Sie sagte indes nichts und hielt sich neben Brause sitzend gleichfalls gut fest.

Als sie die Insel halb umrundet hatten und auf die Nordseite einschwenkten, mahnte Barbara, das Tempo zu drosseln, damit sie die Einfahrt zu dem Steg nicht übersähe. Müller fuhr etwas langsamer, das Bugwasser spritze jetzt nicht mehr so stark, dennoch ver­säumten sie die gesuchte Stelle.
- „Ich glaub’, wir sind zu weit!“, rief Barbara, „da vorn ist die Insel schon wieder zu Ende.“
- „Verdammt,“ knirschte Müller, „wo ist denn nun dieser Steg?“
- „Jetzt dreh’ um“, forderte ihn Brause auf, „und dann fährst du schön langsam am Ufer entlang, damit Frau Barbara ihn findet, sie war ja immerhin schon dort!“

Leise vor sich hinfluchend wendete Müller das Boot und drosselte nun deutlich die Geschwindigkeit. Das tat er aus zweierlei Gründen: Zum einen schien ihm das nun tatsächlich geraten, um nicht wieder die Einfahrt zu versäumen, zum anderen mahnte die in den roten Bereich wandernde Ladeanzeige zu einem schonenden Umgang mit der Batteriela­dung.
Kaum war das Wendemanoever durchgeführt, erkannte Barbara die Lücke in dem Schilfdickicht, zeigte auf die Stelle und rief: - „Da ist es!“

Müller ließ sich ungern von Frauen etwas sagen, noch dazu von jüngeren. Doch er sah mißmutig ein, daß er die Navigation der jungen Naturforscherin überlassen mußte.
‚Also wenn wir hier steckenbleiben, dann würd’ mich das riesig freuen’, dachte er verdrießlich, doch seine Befürchtung war unbegründet; nach wenigen Metern erreichten sie den Steg. Barbara erhob sich als erste und zog sich elegant auf den Steg hinauf. Als Brause aufstand, geriet das Boot in eine starke seitliche Schaukelbewegung. Er hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten; Barbara erkannte die Gefahr, setzte sich blitzschnell auf den Steg und reichte Brause eine Hand, während sie sich mit der anderen auf dem Stegbrett abstützte. Nach mehreren Versuchen gelang es Brause, sich auf den Steg zu ziehen; Müller folgte ihm ohne Probleme.

Barbara ging zum Leidwesen von Wachtmeister Müller voran; zu gern hätte dieser die Führung übernommen, aber er mußte sich eingestehen, daß er natürlich überhaupt nicht wissen konnte, wo sich die Stelle mit der Geldkiste befand. Müller war immer noch überzeugt davon, daß es sich bei dabei um eine Lappalie handeln würde, daß dort jemand eher zufällig ein paar Scheine hineinlegt hatte und schließlich nach dem Ende von irgend­welchen Arbeiten auf der Insel einfach darauf vergessen hatte, die Kiste wieder mitzu­nehmen.

Tatsächlich sollte Müller ausnahmsweise mit seiner Einschätzung recht behalten.

Nach wenigen Minuten erreichten die drei die kleine Lichtung, Barbara fand auf Anhieb zu ihr.
- „Dort hinten!“, rief sie freudiger Erwartung, den beiden Polizisten ihre Entdeckung zu zeigen. Erstaunt stellte sie fest, daß der glänzende Deckel ohne Laubbedeckung in seiner gesamten Oberfläche zu sehen war. Sie hätte schwören können, daß sie mit Inge die Kiste gut getarnt zurückgelassen hätten.

- „Aha, da ist also das Ding“, kommentierte Brause das Fundstück.
- „Soll ich öffnen?“ frage Barbara.
Müller drängte sich vor.
- „Nee, das mach’ ich schon, ihre Aufgabe ist hiermit erledigt!“
Er nahm aus seiner Umhängetasche einen großen Schraubenzieher und stocherte an dem Rand der Kiste herum. Barbara wußte zwar, daß das nicht notwendig war, denn der Deckel war bereits freigelegt, man mußte nicht tiefer als zwei fingerbreit unter die Erde. Doch sie schwieg, denn Müllers schroffe Abfuhr versetzte ihr einen Stich.

Nachdem Müller mit seinem Schraubenzieher am Kistenrand herumgestochert hatte und dabei Aushuberde auf den Deckel beförderte, tastete er mit beiden Händen um den Rand herum.
- „Mach’ du `mal das, Olaf“, forderte er seinen Kollegen auf, „sonst wird mein Verband ganz voll Dreck.“
Erst jetzt sah Barbara, daß Müller an der rechten Hand einen Verband trug. Brummend ging Brause in die Hocke, ohne lang herumzufummeln griff er an den Deckel und zog in auf.
- „Jeht doch janz ehnfach“, wendete er sich spöttisch an Müller und legte den Deckel ab.

Barbara gefror das Blut in den Adern: Soeben noch in erregter Hochstimmung erstarrten ihre Gesichtszüge, alle drei starrten in die leere Kiste.
- „Wie wir sehen, sehen wir nichts“, höhnte Müller und sah sich in seiner Vermutung bestätigt, „na, wo ist denn nun das viele Geld?“
- „Halt’ dich zurück“, konterte Brause, „die Kiste ist immerhin da, und das ist schon `mal interessant, wer vergräbt eine Kiste hier mitten im Wald auf der Insel?“

Barbara gewann wieder Fassung und antwortete:
- „Ich schwöre, daß da sehr viele Geldbündel waren, also Scheine, die zu Bündel gebündelt waren, ja, und die Oberfläche, also über dem Deckel, die haben wir wieder mit Laub und Gestrüpp bedeckt, so wie wir sie vorgefunden hatten.“
- „Tja, dann hat jemand den Schatz rechtzeitig gehoben, da war einer schneller als wir. Sie sagten ja was von einem Mann.“
- „Ja, dem wird das Geld halt gehören“, meine Barbara naiv.
- „Zumindest versteckte er das hier, soviel steht schon `mal fest“, antwortete Brause.
- „Das bringt uns auch nicht weiter“, nörgelte Müller, er freute sich bereits auf die Rückfahrt mit dem schnellen Boot.
- „Ach, jetzt halt’ doch `mal die Klappe“, ärgerte sich Brause über seinen Kollegen und fuhr an Barbara gewandt weiter fort:
- „Also Sie sagen, Sie hätten mit Sicherheit die Kiste mit Laub bedeckt, also sozusagen getarnt, daß kein Fremder sie finden konnte.“
- „Ja, so ist es“, beteuerte Barbara.
- „Gut, danke, das glaub` ich Ihnen natürlich hundertprozentig, was sollen Sie sich die Mühe machen, als ehrliche Finderin den Fund melden, wenn kein Geld da gewesen wäre.“
- „Mach` `mal `n Bild“, forderte er seinen Kollegen auf, „und dann geh’n wir wieder!“
Müller grinste hämisch, als er seine Dienstkamera aus der Umhängetasche nahm und einige Aufnahmen machte.

Nachdem die drei Passagiere wieder auf dem kleinen Boot Platz genommen hatten, bugsierte Steuermann Müller vorsichtig durch den Schilfkanal auf den See hinaus. Kaum waren sie auf der offenen Seefläche, wurde der Kahn immer langsamer und obwohl Müller den Regler auf Vollanschlag schob, schnurrte der Elektromotor nur noch sehr verhalten.
- "Das kommt von deiner Raserei", fauchte Brause.
- "Wir haben doch noch die Reservebatterie", konterte Müller, "und überhaupt war es ja deine Idee, auf die dämliche Insel da zu fahren, eine alte Kiste anzusehen."
- "Ja, das war meine Idee, und das war auch richtig, denn Frau Barbara hatte mit ihrer Freundin viel Geld darinnen gesehen, das war schon `mal einen Besuch wert. Und jetzt mach' schon und tausch' die Batterien!"

Müller zog aus seiner Tasche eine größere Zange, einen passenden Sechskantschlüssel für die Schrauben der Batteriepole hatte er nicht dabei. Barbara war sich sicher, daß in den seitlichen Klappen Bordwerkzeug zu finden wäre, doch sie wollte sich nicht einmischen. Es dauerte schier endlos, bis Müller die Anschlüsse an der alten Batterie abgeklemmt und an der neuen angeklemmt hatte; er hantierte dabei mit der linken Hand her­um, um seine verletzte rechte zu schonen. Seine angespannten Gesichtszüge wichen ei­nem genüßlichem Grinsen, als er sich nach getaner Arbeit wieder auf seine Bank setzte und erwartungsvoll den Schalter betätigte.

Schnell wandelte sich Müllers Grinsen in eine versteinerte Grimasse: So oft er auch den Schalter des Elektromotors betätigte, es tat sich nichts. Gar nichts. Stille.
- "Total entladen", brach Müller das allgemeine Schweigen.
- "Und jetzt?", rief ihm Brause zu.
Müller schwieg. Verlegenheit kroch in ihm empor. Barbara erfaßte die Situation, griff unter das Sitzbrett und holte ein Ruder hervor, das seitlich an dem Bord eingeklemmt war.
Sie wandte sich an den neben ihr sitzenden Hauptwachtmeister:
- "Setzen Sie sich zu ihrem Kollegen hinüber, ich werde rudern!"
Brause wollte zu einem Protest ansetzen, doch Barbara ließ ihn nicht zu Wort kommen:
- "Ich ruder' gern, wir hatten einen Kahn ohne Motor, da mußten wir alles rudern."

Brause nahm das Angebot dankbar an, ging in die Hocke, um den hauptsächlich durch seinen Bauch verursachten Schwerpunkt niedrig zu halten, und tastete sich zu der hinteren Bank. Müller rutschte auf die Seite, um ihm Platz zu machen. Barbara hängte derweil die Ruderriemen ein; kaum saß Brause neben seinem Kollegen, holte sie aus und zog durch.
- "Jetzt zieh' schon den Außenborder aus dem Wasser", befahl Brause seinen Kollegen, "das Mädel hat es mit uns schon schwer genug, da muß nicht auch noch die nutzlose Schraube im Wasser sein!"

Bei jedem anderen Mann wäre Barbara wütend geworden, sich >Mädel< bezeichnen zu lassen, doch fühlte sie sich bei Brauses Titulierung geehrt: Als vermutlich über 60-Jährigen durfte er zu ihr als 22-Jährige >Mädel< sagen.
'Der Kahn fährt leichter als jener neulich, mit dem ich mit Inge unterwegs war', dachte sich Barbara, und das war auch gut so, denn die Strecke nach Röthen war wesentlich weiter als zu dem gegenüberliegenden Nordufer. Sie ließ sich ihre Besorgnis wegen der weiten Strecke nicht anmerken, sie mußte ihre Kräfte einteilen und zwang sich, bewußt langsam, aber hochkonzentriert Schlag für Schlag zu setzen. Sie hatten auch nichts zu Trinken dabei, die Sonne wurde nur selten von einzelnen Wolkenfetzen verhüllt, sie stach gnadenlos vom heißen Spätsommerhimmel.

Nachdem sie die Nordspitze der Insel passiert hatten, brannte die Sonne auf Barbaras Rücken, während die beiden ihr gegenüber sitzenden Polizisten die Köpfe seitlich wendeten, um nicht das pralle Sonnenlicht in das Gesicht zu bekommen. Nach kurzer Zeit zog Barbara die Riemen ein und ihre Jacke aus, nur mit dem T-Shirt bekleidet ruderte sie weiter. Brause wollte sich gern mit ihr unterhalten, bemerkte indes, wie konzentriert Bar­bara sich den Takt vorgab; somit schien es ihm geraten, lieber zu schweigen. Müller da­gegen konnte sich nur schwer beherrschen, nichts zu dem langsamen Rudertempo zu sa­gen, er dachte sich: ‚Wenn die so langsam weitermacht, dauert das noch Stunden, bis wir in Röthen ankommen.’

Immer wieder blickte Barbara über ihre Schultern, ob sie noch Kurs hielt auf das kleine Dorf, deren Häuser sie am Südufer des Sees erahnen konnte. Noch waren sie zu weit weg, um genauer navigieren zu müssen; die grobe Richtung stimmte jedenfalls. Als sie etwa auf halben Weg im See angelangt waren, zog Barbara erneut die Riemen ein und hauchte zu den ihr gegenübersitzenden Passagieren:
- „Kurze Pause.“

Brause bot sich an, Barbara abzulösen, doch diese wehrte ab:
- „Nein, nein, ich mach` gleich weiter.“
Barbara rückte auf der Sitzfläche zur Seite und beugte sich über die Bordwand. Sie wusch sich mit dem Seewasser den Schweiß vom Gesicht, sie genoß die Abkühlung. Die beiden gegenüber sitzenden Passagiere ließen sich nichts anmerken, wie sie in ihren Uniformen schwitzten.

Barbara beschloß, ihr T-Shirt auszuziehen:
- „Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich mir jetzt auch noch das T-Shirt ausziehe.“
- „Aber bitte, nur zu, Sie verrichten ja Schwerstarbeit mit uns!“, entgegnete Brause.
- „So schlimm ist das nicht, ich rudere gern, aber die Hitze macht mir etwas zu Schaffen. Ziehen Sie sich doch wenigstens die Jacken aus und lockern Sie die Krawatte.“
- „Ja, das ist eine gute Idee, Sie haben recht, hier sind wir ja ganz unter uns“, meinte Brause und schälte sich aus seiner Uniformjacke. Müller tat es ihm gleich, beide blickten etwas ratlos umher, wo sie diese ablegen sollten.

Barbara erkannte die Notlage:
- „Geben Sie her, legen wir sie hier neben mir auf das Sitzbrett!“
Artig überreichten die beiden Polizisten ihre Jacken, Barbara legte sie behutsam neben sich. Ihr T-Shirt legte sie auf die andere Seite. Müller bekam Stielaugen, als die Ruderin mit dem schwarzen Büstenhalter wieder zu den Riemen griff und weit ausholte. Brause bemerkte das und gab ihm mit dem Ellenbogen einen Stoß in die Rippen. Müller begriff sofort und wandte seinen Blick ab. Barbara setzte ein breites Lächeln auf, sie bemerkte, daß auch Brause damit zu Kämpfen hatte, nicht auf ihre Brüste zu starren.

‚Ein Glück, daß ich den BH heute morgen nahm’, dachte sie sich, denn oftmals verzichtete sie darauf, wenn sie mit der Jacke bekleidet unterwegs war.
‚Die hätten jetzt `was zu Glotzen, ohne BH, wie da die Titten beim Rudern hin- und herspringen.’ Der Gedanke törnte sie an.
Barbara erhöhte ihren Schlagrhythmus, als Ausdauersportlerin freute sie sich, wenn sie nach der Hälfte des Weges, sei es beim Rudern, sie es beim Langlauf, beim Radfahren, das Tempo steigern konnte; sie wußte genau, daß sie es langsam angehen lassen mußte, bis sich der Körper auf die geforderte Leistung eingestellt hatte und dann war es gut, zulegen zu können, um schließlich in einen Endspurt einzumünden. Ihre beiden Fahrgäste waren erstaunt, zu welcher Steigerung sie fähig war und Müller mußte ihr im Geheimen Lob zollen: ‚Das hätte ich jetzt nicht erwartet, die ist echt gut `drauf.’
Als geborener Macho behielt er natürlich diese Gedanken für sich.

Der Bootsverleiher befand sich auf dem Steg, als er von Ferne einen Kahn heranrudern sah.
‚Ist das nicht mein Elektro-Kahn?’, wunderte er sich und beobachtete das Herannahen des Bootes.
Als es in Rufweite kam, rief er:
- „Ja was ist denn das, lassen sich da zwei Männer von einer Frau rudern, und überhaupt, was ist denn mit dem Motor, sind beide Batterien leergefahren?“
- „Von wegen Reservebatterie“, empörte sich Müller, noch bevor sie anlandeten, „total leer, das können Sie vergessen, daß wir Ihnen die fünf Stunden zahlen, höchstens drei!“

Der Bootsverleiher blickte ratlos auf das herangleitende Boot, gekonnt hielt Barbara zuerst auf der einen Seite, dann auf der anderen das Ruder fest im Wasser, so daß der Kahn entsprechende Wendungen vollzog und an Fahrt verlor. Mit einem sanften Schubser an die Hölzer des Steges war die Bootstour beendet, Barbara warf dem Verleiher die Leinen zu und klemmte die Ruderriemen an die Bordinnenseite. Mit einem Lächeln überreichte sie den Polizisten die Uniformjacken, Brause bedankte sich überschwenglich für den geleisteten Fährdienst und auch Müller brummelte etwas, das Barbara als einen Dank interpretierte.

- „Nun lassen Sie `mal sehen, ich kann es gar nicht fassen, beide Batterien sind fast ganz neu und ich hatte sie eigenhändig an’s Ladegerät gehängt.“
Der Bootsverleiher sprang in das Boot und betätigte den Schalter, die 7-Segment-Zifferanzeige leuchtete ihm entgegen „F 07“.
- „Da!“, rief er erregt, „da haben Sie es, F 07, und daneben da ist doch beschrieben, was das bedeutet, F 07, das heißt >falsche Polung<.“
Er bückte sich unter das Sitzbrett zu den Batterien hinunter und erkannte sofort das Problem:
- „Tatsächlich, da ha`m Se verpolt, rot is doch immer plus und blau minus und das steht doch auch auf den Anschlüssen, und die Elektronik hat das auch gemeldet, F 07, mein Jott, so wat hatte ich auch noch nich’. Und der Pluspol is’ doch dicker, wie ha`m Se denn überhaupt die Klemmen da drüber jebracht, die Minusklemme bringen Se normalerwees jar nich’ über den dicken Pol, ja, und seh`n Se, da, die dicke Plus-Klemme hängt janz lose über den dünnen Minuspol, wa, wie ha’m Se dat jeschafft!“

Müller blickte betreten, Brause konnte nur noch mit dem Kopf schütteln:
- „Ne, ne, und wegen deiner Blödheit mußte Frau Barbara die ganze weite Strecke zurück Rudern!“
Der Bootsverleiher sagte nichts dazu, klappte eines der Fächer an der Bordwand auf und holte einen Gabelschlüssel hervor, um die Anschlüsse zu berichtigen. Die Arbeit dauerte nur wenige Sekunden, als er einschaltete, zeigte die Elektronik mit vielen kleinen grünen Balken volle Ladung an.
- „Seh`n Se, voll jeladen!“

Genüßlich legte der Verleiher den Schraubenschlüssel in das Fach zurück und drückte den Deckel zu. Er kannte seine Kundschaft und ließ entsprechend nochmals seinen Blick über das Boot wandern, ob nichts zurückgelassen wurde. Tatsächlich wurde er fündig:
- „Da liegt noch ein Hemdchen“, rief er den dreien auf dem Bootssteg zu, und erst jetzt wurde sich Barbara bewußt, in welchem Aufzug sie da stand.
- „Danke, hätte ich jetzt glatt vergessen.“

Für einen kurzen Augenblick blickten sich Barbara und der Bootsverleiher tief in die Augen. Dann zog sich Barbara das T-Shirt über den Kopf und war für den Landgang wieder hergestellt.
Müller war wegen seiner Verpolung ganz verpolt, sein Überlegenheitsgefühl schmolz restlos dahin.
Der Bootsverleiher ergriff das Wort, als sie zu seinem Häuschen schritten:
- „Weil Sie schon `mal hier sind von der Polizei, da hatte ich letzthin zwei Typen jeseh’n, die dort auf dem unbewaldeten Teil der Insel, da jechenüber gleich, herumliefen und wat machten, konnte dat nich’ so jenau seh’n hinter dem Schilf dort, aber sachen Se, is dat nich verboten, dort zu sein wegen Naturschutzjebiet und so?“

Bevor Brause etwas erwidern konnte, ergriff Barbara das Wort:
- „Das waren wir, also ich und meine Kollegin vom Umweltamt, wir beobachteten die Zugvögel, die hier regelmäßig alle Jahre von Skandinavien her kommen und hier rasten.“
- „Aha, und was beobachten Sie da genau?“
- „Das darf ich Ihnen leider nicht sagen, das ist erstmals in diesem Jahr etwas Geheimes.“
- „Etwas Geheimes, wird halt wieder so was wie eine eingeschleppte Vogelgrippe sein, vermut’ ich `mal.“

Barbara errötete: ‚Wie kommt der Mann da d’rauf?’
Sie schwieg und auch der interessierte Fragesteller bohrte nicht weiter. In dem Kassenhäuschen reichte er ihr eine Wasserfalsche.
- „Da, neh’m Se, ham’ Se sich verdient!“

Auf der Rückfahrt zwängte Brause seinen Bauch neben Barbara auf die Rückbank, um sich mit dieser zu unterhalten. Er mahnte Müller:
- „Nun fahr aber anständich, nich’ daß uns auch noch dat Benzin ausjeht.“

Müller preßte die Lippen aneinander und schwieg. Barbara begann die Konversation mit einer Frage:
- „Wissen Sie eigentlich `was von so einer Notfallübung, die angeblich alle Behörden absolvieren müssen; ich war mit Inge auf der Insel, als diese war und jetzt sollen wir das nachholen.“
Brause überlegte, ob er ihr die ganze Wahrheit sagen sollte. Er antwortete ausweichend:
- „Is’ jeheim, wohl genauso geheim wie ihre Vogeluntersuchung, vielleicht hängt dat sogar miteinander zusammen.“
Barbara blickte ihn verwundert an, Brause lenkte auf ein anderes Thema:
- „Wenn wir in Lüggen zurück sind, lad’ ich Sie natürlich zum Mittagessen ein, Sie müssen einen Bärenhunger haben nach der Plackerei.“
Barbara lächelte und entgegnete:
- "Ich hab’ immer einen Bärenhunger, auch wenn ich satt bin.“
Brause blickte einen Augenblick lang verdutzt auf, dann fiel bei ihm der Groschen:
- „Ah, ich verstehe, und jetzt fällt mir wieder ihr Zuname ein, Frau Bär, sehr schön!“

Brause wies Müller an, in Lüggen auf den Markt zu fahren, dort stieg er mit Barbara aus, während Müller allein zum Polizeirevier weiterfuhr. Beim Mittagessen tauschten sich Brause und Barbara ihre Geheimnisse aus.

Beiden wurde mulmig, was sie voneinander erfuhren.




















110. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von modex am 10.07.22 21:12

Magnus,
mal wieder eine spannende Wendung, wenn sich zwei Erzählstränge kreuzen. Danke für all die Mühe und die pünktlichen Fortsetzungen. Ich bewundere diese Disziplin. Und bin neidisch.
111. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 13.07.22 12:50

Modex,

angeblich macht Reichtum erst richtig glücklich, wenn man darum beneidet wird.

Deine Anerkennung ehrt mich und es fühlt sich gut an, wieder einmal eine Rückmeldung zu erhalten, wenngleich auch kein Grund zum Neid besteht; zudem kann ich nicht garantieren, ob ich immer pünktlich jede Woche eine Fortsetzung bringen werde.

Ich wünsche weiterhin viel Freude beim Lesen!
112. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 15.07.22 20:23

62


Nachdem Gangolf mit Magda am Abend vom Gardasee zu der Herberge zum Corte San Zeno zurückgekehrt war, holte er sein Smartphone hervor; eine eingehender Anruf forderte seine Aufmerksamkeit. Er nahm an, daß Bettina ihm mitteilen wollte, wie weit sie bereits gekommen waren, vermutlich hatten sie längst Deutschland erreicht. Gangolf war ziemlich sprachlos, als er lauschte, was ihm Bettina am Handy alles erzählte.
- „Und da müßt ihr jetzt wirklich vierzig Tage d’rinn bleiben in der winzigen Zelle?“, fragte er ungläubig-erstaunt.
- „Das ist ja Wahnsinn... Ja, danke, daß du mir das erzählst, dann sind wir vorgewarnt... Da müssen wir durch, es hat wohl keinen Sinn, den Urlaub hier noch auszudehnen, dann ist das nur aufgeschoben ... Schöne Grüße an die Martina, und vertragt euch gut ... chiao.“

Zur Salzsäule erstarrt legte Gangolf das Gerät auf den Tisch und blickte minuntenlang starr vor sich hin. Magda wagte es, ihn anzusprechen: „Was ist denn los?“

Gangolf überlegte, wie er es ihr schonend beibringen konnte, doch dann berichtete er ohne Umschweife, was er von Bettina erfahren hatte. Magda war bezüglich der Leidensfähigkeit eine starke Person, sie zeigte sich nicht erschrocken, als sie von der vierzigtägi­gen Quarantäne auf engstem Raum erfuhr, höchstens überrascht, und Gangolf vermeinte, gar ein kurzes freudiges Aufblitzen in ihren Augen gesehen zu haben. Ihm war nicht im geringsten klar, wie er es mit Magda in dem schmalen Doppelbett aushalten würde, über­haupt in der winzigen Zelle, andererseits überlegte er, daß es mit ihr noch am besten funktionieren würde von allen drei Frauen; dank ihrer Selbstlosigkeit und Zurückhaltung hoffte er, mit ihr an der Seite die Zeit einigermaßen schadlos zu überdauern.

Wie jeden Abend tippte Gangolf auf >Tagesschau.de<, um sich die Nachrichten des Tages anzusehen. Als erste Meldung wurden die Quarantänemaßnahmen in Österreich ge­bracht:

- „Österreich errichtete an den Grenzübergängen zu seinen südlichen Nachbarländern Quarantänestationen. Alle Einreisenden sind gezwungen, in den Containerbehausungen von der Außenwelt weitgehend isoliert sechs Wochen zu verbringen. Wie aus gut unterrichteten Quellen verlautete, sind die Bedingungen in den kleinen Räumen unerträglich; nicht ohne Grund verschwieg die österreichische Regierung die Ergreifung dieser restrikti­ven Maßnahme, um zu vermeiden, daß vor allem Touristen, die aus ihrem Urlaub aus den südlichen Ländern heimkehren oder weiter nach Deutschland und andere Länder fahren, das sogenannte >Condoma-Virus< einschleppen. Wie wir gestern berichteten, bereiten sich auch Deutschland und andere Staaten in Europa auf Abwehrmaßnahmen vor, genaue­re Angaben unterliegen der Geheimhaltung. Die Bundesregierung erwägt, nöti­genfalls als letztes Mittel die Notstandsgesetzgebung erstmals in der Geschichte der Bun­desrepublik zu aktivieren.“

Gangolf tippte auf seinem Smartphone weiter herum, auch die österreichischen und italienischen Medien brachten kurze Meldungen über die aufgebauten Quarantäneeinrichtungen. Als er bereits wieder abschalten wollte, schweifte sein Blick auf eine italienisch­sprachige Seite, welche von einer Alternative zu der vierzigtägigen Quarantäne berichte­te. Glücklicherweise gab es eine deutsche Übersetzung; der Autor des Berichts war dem Namen nach zu schließen Südtiroler.

Fasziniert las Gangolf von einer dreistündigen Intensiv-Reinigung, der sich die Reisenden aus Italien unterwerfen müßten, eine Tortur, die an die Grenzen des Aushaltbaren ging. Gangolf folgte dem >Link< zu einer staatlichen Seite, wo man sich anmelden konn­te. Er zeigte Magda den Text mit den Anmeldevoraussetzungen:

>Gesund, robuste körperliche und mentale Verfassung, 18 bis 30 Jahre.<
- „Da bin ich schon drüber“, seufzte Gangolf, „ob die mich mit meinen 32 da noch nehmen?“
Magda lächelte ihn an: „Was sind schon zwei Jahre, du wirkst doch noch viel jünger.“
- „Danke“, entgegnete Gangolf und lächelte zurück. „Probieren werden wir es jedenfalls, ich möcht’ doch nicht sechs Wochen da in einer engen Bude eingesperrt werden!“
Magda nickte, Gangolf nahm jedoch einen kurzen Anflug einer Enttäuschung auf ihrem Gesicht wahr.
‚Was du nur immer so geil findest am Eingesperrt sein’, dachte sich Gangolf und es kam ihn die Kartoffelkisten-Geschichte in den Sinn, die ihm die Bekanntschaft mit einer Polizeizelle einbrachte.

Beherzt füllte Gangolf die Eingabefelder aus, mit seinem und mit Magdas Namen und den Geburtsdaten. Bei seinem Geburtstag mogelte er sich zwei Jahre jünger; sollte er darauf angesprochen werden, würde er sich auf einen versehentlichen Tippfehler herausreden. Auch die Geburtsorte waren gefragt, er war überrascht zu erfahren, daß Magda in Berlin geboren war:
- „Ja, ich kenne das Großstadtleben, möchte nie wieder dort zurück.“
Das war alles, was sie darüber sagte und Gangolf wollte es dabei belassen, denn er war erstaunt, daß sie sich überhaupt zu so einem langen Satz hinreißen ließ, meistens antwortete sie nur sehr einsilbig.

---

Umweltministerin Graumaus konnte sich nicht mehr zurückhalten; sie polterte in der eilig zusammengerufenen Kabinettsitzung darauf los:
- „Ach ja, und was planen Sie noch so alles in ihrem Ministerium, Herr Kollege Scham, Herr Doktor Unwohl, um das Virus wieder südlich über die Alpen zu vertreiben, sollen die Menschen mit ihren Gasmasken in den Wohnungen sitzen und verpflichtet werden, die Fenster weit geöffnet zu halten?“

Staatssekretär Unwohl antwortete mit einer Gegenfrage:
- „Fenster geöffnet zu halten, meinen Sie, daß die sicherlich dann verbesserte Lüftung in den Wohnungen so viel bringt gegen die Verbreitung des Virus`?“

Graumaus ereiferte sich:
- „Nee, doch nicht wegen der Lüftung, sondern daß Kollege Schießmann mit seinen Drohnen hineinfliegen kann und die Hausbewohner überwachen kann, daß sich bloß keine Fremden heimlich in den Wohnungen treffen, George Orwell läßt grüßen!“
- „Mäßigen Sie sich,“ zischte Bundeskanzlerin Prank-Barrenkauer, obwohl sie zugeben mußte, daß Graumausens abstruse Gedankengänge gar nicht so weit hergeholt waren.
Verteidigungsminister Schießmann verwahrte sich gegen Graumausens Verdächtigungen:
- „Da sind Sie in meinem Ministerium vollkommen falsch gelandet, Frau Ministerin Graumaus, das Schnüffeln und Ausspionieren liegt ganz im Innen-Ressort, beschuldigen Sie Minister Schneehoffer, wenn Sie schon solche irre Gedanken hegen, daß die Zivilisten un­serer Republik mit Überwachungsdrohnen ausgespäht werden!“
Schleehoffer blickte überrascht auf, schüttelte aber nur den Kopf und sagte nichts dazu.

Ein Referent des Innenministeriums berichtete von den sogenannten >Notfallübungen<, in seinem Ministerium war man überrascht, wie es gelingen konnte, diese Maßnahme bislang weitgehend geheim halten zu können; offenbar wirkte die den Teilnehmenden mit auf den Weg gegebene Drohung, sie verlören ihren Beamtenstatus, wenn sie von den eingeübten Aktionen etwas nach außen dringen ließen.

Die Regierungsmitglieder kamen überein, nochmals eine Woche zu warten, wie sich die von Österreich ergriffenen Maßnahmen der Quarantäne an der Südgrenze auf das Infektionsgeschehen auswirken würden; sollte es gelingen, tatsächlich alle Urlauber und sonsti­ge Reisende aus Italien und Slowenien wochenlang isoliert zu halten, wären solche Maß­nahmen an Deutschlands Südgrenzen wohl überflüssig.

- „Warten wir es ab“, ergriff Prank das Wort, „wir sind immerhin bestens gerüstet, das Desaster wir vor zehn Jahren wird sich nicht wiederholen, daß Deutschland unvorbereitet dem Virus gegenüber tritt.“
- „Sie meinen also, daß sich das Virus davon abhalten läßt, wenn wir alle mit der Gummischnauze herumschnüffeln, vielleicht dadurch, daß sich die Viren darüber totlachen“, ergötzte sich Graumaus. Einige Kabinettskollegen lachten kurz auf, doch allen war der hintergründige Ernst in diesen Worten bewußt, daß das Tragen der Gasmasken vielleicht nur Symbolcharakter haben könnte, ein Zeichen der Solidarität, so wie damals beim Coronavirus die Stoffmasken es waren.

Als nach dem Ende der Versammlung Graumaus und Prank in einem Winkel des großen Flurs zusammenkamen, fragte diese jene:
- „Na, hast du schon kräftig geübt mit dem Gummiding?“
Graumaus entgegnete:
- „Ja klar, ich bin gewappnet, nicht nur gegen das Condoma-Virus, sondern auch gegen das HIV.“
- „Ach, du meinst deinen Blechstreifen über deine Furche, daß dort nichts eindringen kann.“
- „Neidisch?“
- „Hm, ja, vielleicht. Kannst ja beim nächsten Mal den Vorschlag bringen, daß Unwohl solche Dinger für alle verteilen läßt, ich bräuchte dann wohl eine größere Ausführung, damit der Virus nicht seitlich darunter durchrutscht.“









































113. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 23.07.22 06:44

63

Als sich Gangolf auf seinem Motorrad immer weiter alpenwärts die alte Brenner-Staatsstraße SS12 hinaufwand, stieg sein ungutes Gefühl von Kilometer zu Kilometer. Magda hingegen genoß hintenaufsitzend das beschwingte Fahren durch die breiten Kurven der ehemaligen Hauptverkehrsstraße zwischen Italien und Mitteleuropa, sie machte sich nicht die geringsten Gedanken, was ihr mit Gangolf bevorstehen würde. Ihr gesamtes Leben war bisher von anderen gelenkt und vorgegeben worden, wie ein kleines Kind klammerte sie sich jetzt an Gangolf, auch im übertragenen Sinne.

Schon von weitem erblickte Gangolf das riesige Container-Dorf, von dem Bettina ihm erzählt hatte. Von der neu errichteten Autobahnausfahrt Gossensaß / Colle Isarco wälzte sich eine schier unendliche Auto-Karawane Richtung nördlichem Ortsausgang, auch einige Omnibusse waren unter den Fahrzeugen, deren Insassen überwiegend nach Deutsch­land und anderen nördlichen Ländern zurückkehrende Urlauber waren. Ein Straßenverkehrspolizist mit obligatorischer Maske regelte den Verkehr; während der langen
Warte­zeit erinnerte sich Gangolf an einen Schüttelreim, den sein Vater stets daherbrachte:

>Ein Auto fuhr durch Gossensaß
durch eine wahre Soßengass,
Bis daß die ganze Gassensoß
sich über die Insassen goß<.

Als es endlich weiterging, sah Gangolf am Ortsende weitere Schutzmänner in ihren adretten Uniformen stehen, verunstaltet durch die skurrilen Gasmasken vor dem Gesicht. Es könnte sich auch um Schutzfrauen handeln, kam es Gangolf in den Sinn, sofern diese kurze Haare hatten, wären sie wegen den Vollgesichtsmasken nicht von ihren männlichen Kollegen zu unterscheiden gewesen. Wild gestikulierend wiesen sie die Autos in eine schmale Seitenstraße, welche schließlich auf eine große zu einem Parkplatz umfunktionierte Wiese führte. Gangolf hielt an, öffnete sein Helmvisier, blökte den Gendarmen auf Italienisch an, er habe sich zu der >pulizia intensiva< angemeldet. Nachdem er sich die Handschuhe abgestreift hatte, zog er sein Smartphone aus dem Tankrucksack und wollte die Webseite aufrufen, um seine Anmeldung zu zeigen. Der Polizist erkannte Gangolfs lautere Absicht und winkte ihn an der Straßensperre vorbei, ohne weiter Notiz zu neh­men.

In weiten Schlingen ging es nun deutlich steiler bergauf, oberhalb der Staatsstraße verlief auf zahllosen Betonstützen die Autobahn. Anstelle der Etsch, die sie in Gossensaß verlassen hatten, begleitete jetzt das Flüßlein Eisack die Motorradfahrer zum Brennerpaß hinauf.
‚Von der Maas bis an die Memel’, kam es Gangolf in den Sinn, ‚von der Etsch bis an den Belt’; so groß war einmal das deutschsprachige Gebiet, das Gebiet von der nördlichen Etsch an haben sich die Südtiroler von Italien als Provinz mit weitreichenden Autonomierechten zurückerobert, die anderen besungenen Flüsse liegen weit abseits des heuti­gen deutschen Siedlungsraums. Als Hoffmann von Fallersleben diesen Text als >Lied der Deutschen< schrieb, waren die Verhältnisse noch ganz anders, 31 souveräne deutsche Staaten gab es im Jahr 1841.

Große zweisprachige Schilder wiesen im südtiroler Teil des Grenzortes Brenner den Weg zu der >Pulizia intensiva – Intensiv-Reinigung<; der Seitenweg führte von der Hauptstraße weg zu einer ehemaligen Kaserne. In dem weiten Hof stellte Gangolf das Motorrad ne­ben bereits dastehenden Motorrädern in einer Reihe ab, die überwiegende Anzahl der Fahrzeuge waren indes Autos. Er befestigte die Helme wie gewohnt an die Haken unter der Sozius-Sitzbank und zog den Tankrucksack vom Tank. Mutig stiefelte er mit Magda an seiner Seite dem Eingang zu, vor welchem sich eine kurze Schlange junger Leute ge­bildet hatte. Gangolfs beklemmendes Gefühl erhärtete sich mit jedem Schritt, allein schon die Atmosphäre des Kasernenhofs löste ein starkes Unbehagen in ihm aus. Magda indes spazierte sorglos neben ihm daher, anscheinend durchaus erfreut über die bevor­stehende Abwechslung.

Ein im totalen Schutzanzug eingehüllter Wärter trat aus dem Eingangsbereich heraus und zählte die Warteschlage ab; nach dem achten Wartenden breitete er den rechten Arm hinter dessen Rücken aus und wies mit der linken Hand zum Eingang mit mehrfachen Aufrufen: - - „Va, va ... va“.
Erstaunt blickte Magda ihren Begleiter an, Gangolf erläuterte ihr:
- „Das heißt: geht; anscheinend werden wir gruppenweise eingelassen.“

Vor Magda und Gangolf stand eine Frau mit schönen langen Haaren, sie stand nun als erste in der Warteschlange vor der Pforte. Als sie sich beiläufig umsah und Gangolf und Magda erblickte, kam sie in’s Grübeln: ‚Die beiden kenn’ ich doch woher, wer waren die bloß.’
Als Verkäuferin von Motorradbekleidung lernte sie natürlich viele Motorradfahrer kennen und sie folgerte richtig, daß diese beiden wohl Kunden gewesen waren.
Gangolf reagierte mit einem Lächeln und grüßte mit einem knappen „Hallo.“
Magdas Augen indes begannen zu strahlen und sie ergänzte Gangolfs Einsilbigkeit: „Hallo Birgit.“

Gangolf richtete seinen Blick erstaunt auf Magda, dann wieder auf die vor ihr stehende Frau, die offenbar Birgit hieß. Nun grüßte auch diese mit einem „Hi“ zurück.
- „Kennt ihr euch?“, fragte Gangolf, nachdem keine der beiden Frauen weiter ein Wort verlor.
Birgit antwortete:
- „Ja, ich glaub’ schon, habt ihr nicht eure Klamotten bei mir in Berlin gekauft?“

Jetzt erinnerte sich auch Gangolf wieder an sie und er bewunderte Magda wegen deren Erinnerungsvermögen. Gangolf dagegen mußte Menschen oft wieder treffen, um sich deren Gesicht einzuprägen, überdies hatte er ein schlechtes Namengedächtnis.
- „Ja klar, so ein Zufall, da hast du dich also auch zu der Schnellreinigung hier angemeldet.“
Magda überließ von nun ab wie selbstverständlich Gangolf den Fortgang der Konversation.
- „Ich möchte doch nich’ `ne halwe Ewichkeit in dem Quarantäne-Bunker eingesperrt werden“, entgegnete Birgit. Gangolf stimmte ihr zu, es gelang ihm, dank des Plauderns mit Birgit die Nervosität zu mildern. Selbst Magda bemerkte Gangolfs Nervosität, sie war überrascht, denn bislang schien ihr Gangolf die Ruhe in Person zu sein.
‚Eine Schnellreinigung, was soll daran schon groß was Aufregendes sein’, dachte sie sich.

Birgit und Gangolf tauschten sich über ihre Urlaubsgeschichten aus, Gangolf berichtete von dem Ausflug in das hoch überflutete Venedig; Birgit bestätigte, davon im Internet gelesen zu haben. Sie blieb mit ihrer Geländemaschine in den Bergen westlich des Gardasees. Eigentlich wollte sie neben dem Motorradtouren auch Bergwanderungen unternehmen, doch überall warnte man, daß man auch dabei die Gasmasken aufsetzen müßte, selbst wenn man alleine unterwegs war.

Mitten im Gespräch fiel Birgit Magdas Handicap ein:
- „Sag’ `mal“, wandte sie sich an Magda, „hattest du nicht diese elektronische Fußfessel, oder erinner’ ich mich da falsch, entschuldige bitte, daß ich so direkt frage.“
Magda errötete leicht und antwortete kurz:
- „Ja, stimmt.“
- „Und da kannst du so weit weg fahren, freut mich für dich, also mein Ding is’ jetzt endlich weg, ich fühle mich so frei jetzt, ein tolles Gefühl.“
- „Magdas Ding haben wir ausgetrickst“, übernahm nun Gangolf wieder das Wort.
- „Ach ja, ich erinner’ mich, das hast du damals erzählt, find’ ich toll, daß so `was möglich is’.“

Auch die hinter den drei Motorradfahrern Wartenden begannen miteinander Gespräche zu führen, es schienen allesamt Autofahrer gewesen zu sein. Endlich ging die Tür zu dem Kasernengebäude wieder auf, der gleiche Wachmann wie zuvor kam heraus und begann in der gleichen Weise abzuzählen. Die Gespräche verstummten, die Wartenden vernahmen die leisen Worte:
- „... quattro, cinque, sei sette, otto, allora.“
Der Wärter deutete dem abgezählten Block an, einzutreten und rief dazu wieder sein „va, va!“

Mit pochendem Herzen schritt Birgit voran, gefolgt von Magda, die hingegen vollkommen arglos die Pforte durchschritt. Gangolf zog es den Magen zusammen, als er die hohen langen Gänge erblickte, durch welche die Achter-Gruppe geleitet wurde. Der voranschreitende Wächter öffnete eine Tür und wies die Gruppenmitglieder an, in den dahinter lie­genden Raum hineinzugehen. Als alle eingetreten waren, erklärte er in einem ganz schlecht verständlichem Deutsch, daß sich nun alle vollkommen nackt entblößen sollten. Keiner verstand ihn, weder akustisch, noch inhaltlich. Nach einigem hin und her bot sich Gangolf als Dolmetscher an. Der italienische Wärter war sehr froh über diese unerwartete Hilfe; bei den Gruppen, die er zuvor durch das Gebäude schleusen mußte, dauerte es eine halbe Ewigkeit, bis er den Leuten klarmachen konnte, was sein Befehl war. Er ver­suchte es zwar auch auf Englisch, doch blieb er schon allein durch die Maske sprachlich schwer behindert.

Gangolf mußte dann auch noch in’s Französische übersetzen: Die letzten drei in der Warteschlange waren Franzosen, sie wurden von ihren Freunden durch die Zählung bis acht abgetrennt. Gangolf gelang es mühsam, deren Besorgnis dem italienischen Wächter klarzumachen, doch dieser zuckte nur und meinte wenig trostreich: „Va bene, va bene!“

Die Menschen in der Gruppe konnten nicht glauben, was Gangolf ihnen da alles übersetzte, sie sollten sich vollkommen nackt ausziehen und ihre Sachen in die an der Wand stehenden Kleiderspinde hängen. Um seine Anweisungen durchzusetzen, drückte der Wärter auf einen Knopf an der Wand; eine laute Klingel erschall in dem Gang und hallte lange nach. Nach kurzer Zeit kamen mehrere Kollegen hereingestürmt mit drohend erho­benen Gummiknüppeln, allein Magda erfreute der schaurige Anblick:
‚Alles an denen ist grün und aus Gummi, hoffentlich schlagen sie nicht zu fest zu.’

Magda war die erste, die sich schnell aus der Motorradkombi schälte, obwohl gerade sie kein besonderes Problem bei der Anwendung der Knüppel gehabt hätte. Auch die anderen Anwesenden erkannten den Ernst der Lage und begannen mit dem Entkleiden. Gan­golf stellte fest, daß die Frauen offensichtlich weit weniger Hemmungen hatten, sich nackt zu zeigen als die Männer, diese hielten verschämt ihr Gemächt mit den Händen bedeckt.
‚Vielleicht liegt das daran, daß die Damen keine solche Teile auf Halbmast baumeln haben’, überlegte sich Gangolf. Er bemerkte dann doch, daß einige Frauen abwechselnd ihre Brüste, dann ihre Scham bedeckten, ihnen fehlt eindeutig eine dritte Hand, dachte sich Gangolf, und nach einigem Hin- und Herwechseln ließen die besagten Frauen das Abdecken ihrer intimen Schönheiten gänzlich bleiben, einige stemmten selbstbewußt die Hände auf die Hüften und präsentierten stolz die erhabenen Körperformen des weiblichen Geschlechts.

Als die Entkleidung bei allen erfolgt war und auch alle mitgebrachten Gegenstände verstaut worden waren, zog der Verstärkungstrupp wieder ab, ohne von der Waffe Gebrauch gemacht zu haben. Fast alle standen nun splitternackt da, nur drei trugen ihre Brillen als einzigsten Gegenstand, einmal von einigen Ringen abgesehen, die an den Fingern oder als Piercings in der Haut steckten. Der Wärter beäugte jeden eingehend und brummte bei den dreien durch seine Maske:
- „Anche gli occhiali!“
Gangolf echote: „Auch die Brillen!“
- „Die Brillen müssen wir auch abnehmen?“, empörte sich einer der drei Brillenträger, „dann seh’ ich doch nichts mehr.“

Gangolf empfand die Situation äußerst bizarr, ungewollt wurde er als Dolmetscher zum Handlanger dieses Spießgesellen, doch er sagte sich, daß sich ohne seine sprachliche Hilfeleistungen die ganze Sache noch viel länger hinziehen würde. Nachdem er den Einwand dem Italiener vorgetragen hatte, übersetzte er dessen Antwort zurück:
- „Es wird nichts zu sehen geben.“

Bei der Leibesinspektion übersah der Wärter Magdas Fußfessel, er kam anscheinend nicht auf die Idee, daß jemand mit solch einem Teil ausgestattet gewesen war und machte sich nicht die Mühe, bei jeder Person in die Hocke zu gehen, um deren Füße nach
Ge­genständen abzusuchen. Die Maskengläser schränkten das Sichtfeld nach unten schwer ein, so daß er es dabei beließ, bei zwei der jungen Frauen die Piercingringe durch deren äußeren Schamlippen zu beglotzen. Um diese besser wahrzunehmen, ging er jeweils vor diesen Frauen in die Hocke.

Nach erfolgter Fleischbeschau nötigte der Wärter die Mitglieder seiner Gruppe, sich die jeweiligen Nummern der Spinde zu merken, in welchen jene die Kleidung und Habseligkeiten verstaut hatten; glücklicherweise waren es nur dreistellige Zahlen. Aus einer Kiste holte der Wärter eine Zange und einen Metallstreifen hervor. Er wandte sich an Gangolf, der Satz für Satz übersetzte.

‚Eines muß man den Italienern lassen’, stellte Gangolf fest, ‚sobald diese erkennen, daß sich Ausländer bemühten, ihre Sprache zu sprechen, formulieren sie einfache Sätze und sprechen deutlich.’ Das mit dem Deutlichsprechen galt wegen der schweren Gummimaske naturgemäß nur eingeschränkt.
- „Hier jeder bekommt so einen Metallband um die Hand“, begann Gangolf. Den nächsten Satz verstand er nicht sofort, er fragte nach: „Cosa vol’ dire foca?“

Der Italiener beschrieb in anderen Worten, was er meinte und zeigte Gangolf dabei die Innenseite der Plombierzange mit den auswechselbaren Prägeziffern.
- „Ah, ho capito“, entgegnete Gangolf und übersetzte: „Das Band wird verschlossen mit einem Siegel ... Die Siegelnummer ist eine Bestätigung für die Reinigung ... die muß man vorzeigen bei einer Kontrolle in Österreich ... Also los jetzt, einer nach dem anderen vorgehen.“

Allmählich verschwand auch bei den Männern das beklemmende Gefühl der Nacktheit. Es entstand ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, der Wächter dagegen in seinem Ganzkörper-Gummianzug wurde nicht als menschliches Wesen wahrgenommen.
‚Welch ein Widersinn’, kam es Gangolf in den Sinn, ‚>beklemmende Nacktheit<, das ist so, als ob man von einer >freimachenden Fesselung< spräche.’

Da Gangolf dem Wärter zunächst stand, kam er als erster an die Reihe. Erstaunlich geschickt öffnete der Wärter mit seinen in Gummihandschuhen steckenden Finger das Me­tallband, drückte deren flachgepreßte Enden auseinander, führte sie um Gangolfs linkes Handgelenk und brachte nach der vollzogenen Umschlingung die Enden übereinander. Mit der Zange drückte er die flachen Enden zusammen, so daß diese zusammengequetscht wurden. Erstaunlicherweise ergriff der Wärter anschließend auch Gangolfs rechtes
Hand­elenk und verpreßte auch um dieses einen Metallstreifen.

Nacheinander ließen sich nun alle die Metallbänder um die Hände führen; einige Männer murrten zwar, doch sahen sie ein, daß Widerstand zwecklos gewesen wäre, schnell hätte der Wärter wieder seine Kollegen mit der Klingel herbeigeordert und wer weiß, ob diese dann nicht doch einmal von ihren Knüppeln Gebrauch gemacht hätten.

Gangolf ergriff ein zusammengequetschtes Ende von Magdas linkem Band, es war erstaunlich glatt, kein Grat war zu fühlen, welcher zu einer Verletzung an der Haut hätte führen können. Er erkannte in der Mitte des Siegels eine fünfstellige Nummer. Jetzt wurde ihm klar, warum der Wärter nach jeder Plombierung eine Prägeziffer auswechselte; alle wurden fortlaufend numeriert. Magda empfand die Metallbänder um ihre Handgelen­ke als anregende Fessel, es schien, als freute sie das, was alle anderen als Demütigung empfanden. Unbewußt faßte sie sich an den Schritt, sie nahm ihre nackten Schamlippen wollüstig in ihre zarten Finger.

Dem Wärter wurde Magdas Verhalten sofort gewahr, in erstaunlicher Geschwindigkeit wirbelte er herum und beobachtete diese mißtrauisch.
- „Nimm’ jetzt lieber die Finger weg“, raunte Gangolf Magda zu, „sonst meint der gar, du hättest da was.“
Nun wurde auch Magda bewußt, daß das Herumfingern an den Geschlechtsorganen ein Erkennungsmerkmal dieser seltsamen Krankheit war, daß sie sowohl in Caorle, als auch in Bardolino etliche gesehen hatten, die unter dem zwanghaften Trieb litten. Schnell zog Magda ihre Finger weg und blickte mit einer Unschuldsmine den Gasmaskenmann an.
Gangolf machte es stutzig, daß weder beim Betreten des Kasernengeländes, noch jetzt nach erfolgter Numerierung ein Abgleich mit irgend welchen Ausweisen durchgeführt worden war.

‚Vielleicht ein Glück’, dachte er sich, ‚sonst wäre ich wegen meines Alters nicht hereingelassen worden. Und ach ja, beim Anmelden hab’ ich >Magda Armdran< als Namen an­gegeben, dabei heißt die Magda ja eigentlich Anneliese oder so ähnlich, weiß ich gar nicht mehr genau.’
- „So, jetzt sind wir nur noch eine Nummer“, bemerkte Birgit sarkastisch, sie ahnte natürlich nicht, daß das eine geradezu lächerlich-kleine Demütigung war im Vergleich zu je­nen, denen sie in wenigen Minuten ausgesetzt werden würden.

Als die Gruppe auf den breiten Gang hinausbeordert wurde, begannen einige wieder zu murren, ihnen ging das dann doch zu weit, im Adamskleid herumgeführt zu werden. Einige Damen stiegen unwillkürlich auf die Zehenspitzen, als sie von dem Holzboden des Zimmers auf den kalten Steinboden des Flurs traten. Der Wärter zischte etwas in seine Maske, augenblicklich wurde es wieder ruhig, schließlich sahen alle der Tatsache in’s Auge, daß anscheinend eine Ganzkörperreinigung in Form eines Brausebades stattfinden würde.

Doch keiner der jungen Leute ahnte, als sie da im Gänsemarsch nackt den Gang entlang tippelten, wie diese Intensiv-Reinigung aussehen würde.















114. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 29.07.22 23:05

64

Bevor Brause Gangolf in die Mangel nahm, wollte er die Kollegin der taffen Ruderin wegen des angezeigten Fundes auf der Insel befragen, Frau Inge Langohr, nach Aussage von Frau Barbara Bär war diese Zeugin. Ohne sich anzumelden betrat Brause das Gebäude des Umweltamts und verlangte nach Frau Langohr. Seine Uniform und sein gesetztes Alter schafften ihm überall ungehinderten Zutritt, ohne daß er sich hätte ausweisen müs­sen. Seinen Kriminal-Kollegen, die üblicherweise in Freizeitkleidung dahergeschlappt ka­men, hatten es diesbezüglich wesentlich schwerer; man wollte diesen im Allgemeinen nicht sofort Glauben schenken, Polizisten im Dienst gegenüber zu stehen.
Es war Brauses Prinzip, sich nicht erst telephonisch anzukündigen, er suchte den Überraschungseffekt und beurteilte das Verhalten der Befragten, ohne diesen im Vorfeld Gele­genheit auf eine Vorbereitung zu dem Gespräch zu lassen.
Im Geschäftszimmer teilte man Brause mit, daß Frau Langohr auf einer amtsinternen Übung sei und daß man ihm dazu nichts weiter mitteilen dürfte.

- „Nun hören Sie `mal, ich bin hier als Hauptwachtmeister im Dienst und ich war selbst vor zwei Wochen auf so einer amtsinternen Übung, und ich weiß auch, daß ich darüber nicht sprechen darf. Aber es ist jetzt sehr wichtig, daß ich mit Frau Langohr spreche, nicht daß wir sie in irgend einer Weise verdächtigen, verstehen Sie mich jetzt bloß nicht falsch, ganz und gar nicht, aber ich muß sie dringend als Zeugin sprechen. Also wo ist sie auf dieser Notfallübung, so wurde bei der Polizei die Aktion genannt?“
- „Ja also wenn Sie da schon Bescheid wissen, sie ist in Wünsdorf in der Russenkaserne.“
- „Ah ja, da waren wir auch gewesen, jut, hab’m Se `mal vielen Dank, ick fahr’ denn `mal da hin.“

Brause entgegnete im Berlinischen Tonfall, mit dem ihm geantwortet wurde. Als er zum Ausgang schritt, kam ihm Barbara entgegen.
- „Ah, juten Tach, Frau Bär, ich dachte, Sie wär’n ooch uf der Notfallübung, worüber wir neulich sprachen.“
- „Ja, neulich hieß es, daß wir beide da einen Nachholkurs machen sollten, weil wir ja zum Haupttermin auf der Insel waren, aber jetzt hieß es, das ist nur für Beamten, also ich bin ja nur Praktikantin und durfte dann doch nicht mit.“
- „Seien Se froh, daß Sie das nicht mitmachen mußten, wie schon jesagt, aber behalten Se das für sich, ich dürfte das alles gar nicht sagen.“
- „Aber sicher, seien Sie unbesorgt.“

Dienststellenleiter Nisselpriem ließ Brause zwar dessen ehrgeizige Nachforschungen durchführen, für eine Fahrt nach Wünsdorf hatte dieser aber nicht die ausdrückliche Anweisung seines Chefs. Dennoch zwängte Brause fest entschlossen seinen Bauch hinter das Lenkrad des Polizeiautos und brauste los, ohne jemanden Bescheid zu geben.
In dem Hauptgebäude des ehemaligen Kasernengeländes, das bereits die Wehrmacht genutzt hatte, erhielt Brause dank seiner Uniform und seiner stattlichen Erscheinung wiederum problemlos Zutritt. Jemand führte ihn zu einer Übungsgruppe, welche im Freien die Handhabung von Gasmasken trainierte. Während Brause im Hintergrund stehen blieb und das Geschehen von weiten beobachtete, wurde Inge von der Gruppe weggeholt und zu Brause gebracht.
‚Was für ein idiotisches Zeug’, dachte sich Brause und fühlte sich sofort wieder daran erinnert, wie er selbst vor zwei Wochen mit dieser Übung konfrontiert worden war.

Deutlich verunsichert trat Inge zu Brause, dieser griff mit der linken Hand an den Rand seiner Schirmmütze und deutete deren Abnahme an; ganz von alter Schule erwartete er, daß Inge ihm die Hand reichen würde. Diese blickte Brause indes mit leicht geöffnetem Mund an und stammelte nur ein schwaches „Guten Tag.“
Nun streckte Brause seine rechte Hand vor, zögerlich ergriff Inge sie zu einem zarten Händedruck.

- „Ich will Sie gar nicht lange abhalten von der Übung, ich mußte übrigens vor zwei Wochen das auch mitmachen, na ja, ich hoffe, das wird nicht zum Ernstfall, was die uns da beibrachten.“

Inges verspannte Gesichtszüge lockerten sich etwas, doch blieb sie innerlich weiter auf Distanz. Brause spürte das sofort, er überlegte, wie er weitere einleitende Sätze formulieren konnte, bevor er auf das eigentliche Thema kam. Ihm fiel jedoch in der Situation nichts weiter ein, und so fing er ohne weitere Umschweife an:
- „Ich bin hierher gekommen, um Sie zu fragen, wie das auf der Insel im Röthener See war; Sie waren mit Frau Bär auf Naturerkundigungen dort und dabei haben Sie in einer Kiste Geld gefunden. Schildern Sie mir doch bitte kurz aus ihrer Erinnerung, wie sie diese Kiste mit dem Geld gefunden hatten.“

Inge errötete, sie hatte zwar damit gerechnet, wegen dieser Sache von Brause angesprochen zu werden, als sie aus der Gruppe herausgeholt wurde. Doch reichte der Weg von wenigen Metern nicht aus, daß sie sich Antworten auf alle möglichen Fragestellungen des Polizisten zurechtlegen konnte.
Sie stotterte herum:
- „Ja, eigentlich hat zuerst meine Kollegin die Kiste gefunden. Und später hat sie mich dazugeholt und da sahen wir dann das viele Geld darin liegen.“
- „Und wie fand ihre Kollegin die Kiste, stand die einfach so frei sichtbar herum?“
- „Nein, nein, sie war eingegraben.“
- „Und wie fand ihre Kollegin dann die Kiste, wenn die sogar eingegraben war?“

Inge schwieg für eine Weile, sie mußte sich erst besinnen, wie das damals abgelaufen war.
- „Ja da war so ein Mann, der ist da herumgeschlichen.“

Brause bemerkte, wie Inge immer nervöser wurde. Er mußte sie erst einmal beruhigen.
- „Frau Langohr, Sie brauchen nicht ängstlich sein, etwas Falsches aus der Erinnerung heraus zu sagen, ich verstehe, es ist ja schon eine Weile her, also Sie können ganz beruhigt sprechen, das ist keinesfalls hier ein Verhör, damit Sie mich nicht falsch verstehen. Ihre Kollegin Bär hat mir schon vieles gesagt, aber vielleicht hat sie ein Detail vergessen und so möchte ich Sie bitten, mir ihre Erinnerung einfach zu sagen.“

Inge schien etwas beruhigter zu sein, sie antwortete:
- „Der Mann war am Abend auf der Lichtung, als wir am ersten Abend also auf die Insel gekommen waren und da hat er irgend was am Boden gesucht oder irgend etwas `rum gemacht dort.“
- „Aha, können Sie mir den Mann beschreiben, haben Sie ihm in’s Gesicht gesehen, was hatte er an?“
- „Nein, es war schon ziemlich dunkel, wir konnten gar nichts weiter erkennen.“
- „Gut, hat er etwas zu Ihnen gesagt?“
- „Nein, nein, wir waren noch weit weg, im Wald, ich glaub’, er hatte uns gar nicht bemerkt.“
- „Und wie ging es dann weiter?“

Inge legte wieder für eine Gedankenpause ein. Schließlich fuhr sie fort:
- „Ich glaub’, er ist dann weggegangen.“
Als Inge wiederum nicht weitersprach, hakte Brause nach:
- „Wo ging er hin?“
- „Das konnten wir nicht sehen, er ging an unserem Zelt vorbei und verschwand im Wald.“
- „Aha, der Fremde hat also ihr Zelt gesehen, wußte also, daß er nicht allein auf der Insel war.“
- „Äh, das wird wohl so gewesen sein, also er war dann schon weg, bis wir zu unserem Zelt kamen.“

Wieder trat eine Pause ein.
‚Die Bärin war da schon wesentlich auskunftsfreudiger’, dachte sich Brause, ‚und auch längst nicht so zaghaft, so eingeschüchtert wie diese Langohr, obwohl diese gut zehn Jahre älter sein dürfte, noch dazu als Verwaltungsbeamtin doch mit Gesprächsdialogen vertraut sein müßte.’

- „Gut, der Mann war also dann weg und wie kamen Sie dann auf die Kiste?“
Inge blickte ihn mit offenem Mund an, als ob Brause nach einem Mondgestein gefragt hätte. Nach längerem Zögern antwortete sie:
- „Barbara, also meine Kollegin Bär, die ging dann dort hin an die Stelle, wo der Mann etwas am Boden machte, und fand die Kiste.“
- „Schön, und dann haben Sie die Kiste geöffnet, ging das ohne weiteres, sie war doch wohl abgesperrt?“
- „Ja, also nein, sie war nicht abgesperrt, glaub’ ich, Barbara hat sie aufgemacht und sie hat mich dann hingerufen, damit ich das viele Geld sehen konnte.“
- „Aha, und da sind Sie dann hingegangen und haben das Geld gesehen in der Kiste.“
- „Ja“, gab Inge knapp zur Antwort.
- „Wieviel war es denn, grob geschätzt?“
- „Weiß nicht, schwer zu schätzen.“
- „Also bloß ein paar Münzen, oder waren es einige Scheine, größere Scheine vielleicht.“

Inge wurde blaß im Gesicht. Brause bemerkte ihren innerlichen Kampf, den sie mit sich focht.
- „Ist Ihnen schlecht, Frau Langohr?“
- „Nein, nein, geht schon, es ist bloß – bloß die Erinnerung, wissen Sie, auf einmal soviel Geld zu sehen, also das waren viele Geldbündel, also viele Scheine, die gebündelt zusammen waren.“
- „Und Sie sind sich absolut sicher, daß da sehr viele Geldscheinbündel in der Kiste lagen?“

Als Inge diese Frage vernahm, schauderte es sie, ihr Körper zuckte zusammen und sie ließ sich in’s Gras fallen.
Brause winkte einen Kursteilnehmer heran und rief ihm zu, man möge was zu Trinken bringen. Inge nahm ein paar Schlucke aus der ihr gereichten Wasserflasche, worauf sich ihr Zustand wieder stabilisierte.
‚Wie kann es sein, daß so eine simple Frage die dermaßen aus dem Gleichgewicht bringt?’, überlegte sich Brause. Er setzte sich zu ihr auf den Rasen, was ihm mit seiner Leibesfülle nicht einfach fiel.

- „Ja, ist doch wieder recht warm jeworden“, klagte er, „und dat im Oktober, in meiner Kindheit hat das Ende Oktober oft schon jeschneit, so än