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eröffnet von Deep Wishes am 11.12.24 16:22
letzter Beitrag von ball am 13.01.25 16:25

1. Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 11.12.24 16:22

„Haus Waldstetten“ ist die Fortsetzung meiner Geschichte „Sechs Monate“. Die Hauptperson ist wieder Katrin Ferner, die sich aufgrund einer persönlichen Krise dazu entschließt, in die psychiatrische Einrichtung nach Bodenhain zurückzukehren. Bodenhain arbeitet weiterhin vorzugsmäßig mit verhaltenstherapeutischen Ansätzen und legt Wert auf Formen der Reizreduzierung bis hin zur sensorischen Deprivation, damit die Patientinnen zur Ruhe kommen und ihr Nervensystem keine Überforderung durch Sinneseindrücke ausgesetzt sind, die sie nicht verarbeiten können.
Teilweise treten Personen in der neuen Geschichte auf, die auch schon in „Sechs Monate“ vorgekommen sind.


Prolog

Gurte überall – ein Bauchgurt, ein Schrittgurt, die Schulterhalterung, je zwei Gurte an den Armen und an den Beinen, die Fuß- und Handgelenke sind gesichert und als Krönung eine Kopffixierung. Außer meinen Fingern, die in dicken Patientenhandschuhen stecken, und meinen Zehen kann ich überhaupt nichts mehr bewegen. Vollfixierung im Netzbett.
Ein sabberndes, lallendes Etwas hat mich die Schwester genannt. Kein Mensch, erst recht keine Frau. Ein Ding, das zwar noch einigermaßen klar denken, sich aber nicht mehr artikulieren kann und rundum auf Hilfe angewiesen ist. Ein Lätzchen mit einer Auffangtasche wurde mir umgebunden, um den dauernd laufenden Speichel aufzufangen. So heftig sediert zu sein ist schon unangenehm, ich fühle mich ziemlich Matsche im Kopf.

Was habe ich mir eigentlich dabei gedacht, als ich unbedingt wieder nach Bodenhain zurückwollte?



Abgeholt

Noch eine Viertelstunde, dann sind sie da. Ich schaue auf meine zerbissenen Finger, spüre das Jucken der Wunden auf meinen Unterarmen und bin mir sicher, der Schritt ist richtig. Ich gehe noch mal ins Bad, setze meine Brille auf und sehe mich lange im Spiegel an. Bin ich verrückt oder bin ich es nicht? Warum zieht es mich zurück nach Bodenhain?
Ja, nach der Trennung von Sven geht es mir sehr schlecht. Ich war es selbst, die die Nähe nicht mehr aushalten konnte, aber jetzt fehlt er mir unsäglich. Vielleicht habe ich unter der Trennung mehr gelitten als er, ich weiß es nicht. Aber es kam bei mir wieder dieser Selbsthass hoch und der Wunsch, mich zu bestrafen. Beißen, kratzen, ritzen – das volle Programm. Meine Arme, meine Hände, mein Bauch sehen fürchterlich aus.
Ja, ich möchte mich bestrafen. Und vielleicht auch deswegen nach einem Jahr zurück in die Klinik. Einfach nicht mehr selbst entscheiden müssen, andere machen lassen. Ich bin so müde, so kraftlos.

Ich hatte einige Besuche bei meinem Psychiater, geholfen hat es nicht. Wollte mich dann in Bodenhain selbst einweisen, nichts zu machen. Dann hat mein Arzt das in die Hand genommen und siehe da, es ging dann ganz schnell.

Ich gehe zurück in den Flur, nehme meine Reisetasche und dann herunter zur Haustür. Da höre ich schon ein Motorengeräusch und ein Kleinbus setzt rückwärts in unsere Auffahrt. Zwei Männer steigen aus und kommen auf mich zu. „Guten Morgen. Sind Sie Frau Ferner?“ fragt einer der beiden. Ich nicke. „Wir sind von der Klinik Bodenhain und möchten Sie abholen. Sind Sie bereit?“ Ich nicke noch mal, schließ die Haustür und gehe auf die beiden zu. „Nach Absprache mit der Ärztin sollen wir Sie in einem Rollstuhl transportieren,“ sagt der andere, „kommen Sie bitte mit.“ Er macht die Seitentür des Fahrzeugs auf und ich blicke auf einen großen Patientenrollstuhl, der im Fahrzeuginnern festgemacht ist. Wie oft habe ich bei meinem ersten Klinikaufenthalt in so etwas gesessen. Bequem sitzend, aber festgeschnallt, manchmal bis zur Bewegungsunfähigkeit. Es kribbelt in mir drin, ja, ich möchte es, möchte mich fallen lassen. Ich steige ein und setze mich vorsichtig in den Rollstuhl. „Wir schnallen Sie jetzt an,“ sagt der einer der beiden Männer und legt vorsichtig einen Brustgurt um meinen Oberkörper. Dann zwei Schnallen links und rechts an meinen Hüften festgemacht, zwei breite gepolsterte Gurte über meine Schultern gezogen und dahinter festgeschnallt – schon bin ich transportfertig. Die Männer steigen ein, der Fahrer lässt den Motor an und fährt los. Auf nach Bodenhain.



Die Fahrt

Man braucht ungefähr eine Dreiviertelstunde über Land nach Bodenhain. Ich schaue aus dem Fenster und lasse meine Gedanken schweifen. Der Rollstuhl vermittelt mir ein Gefühl der Geborgenheit. Wenn nur das Jucken der Wunden auf meinen Armen nicht wäre, könnte es eine entspannte Fahrt sein. Ich beginne mich wieder zu kratzen, da läutet ein Handy. Der Beifahrer nimmt ab. Ich verstehe nicht wirklich, um was es geht. Er legt auf und wendet sich dann an den Fahrer: „Planänderung. Wir sollen sie nach Waldstetten bringen. Alles belegt im Haupthaus.“ Und dann dreht er sich zu mir um: „Die Firma brummt. Alles voll in Bodenhain. Sie hatten heute früh gleich drei Einweisungen. Wir sollen Sie jetzt nach Waldstetten bringen, in unsere Dependance.“ „Und ist das noch weit?“ frage ich. „Ein kleiner Umweg nur“, ist die Antwort. „Wissen Sie,“ fährt er fort, „Bodenhain platzt aus allen Nähten. Da hat die Geschäftsführung Haus Waldstetten dazu gekauft. Ich muss Ihnen sagen, es ist dort nicht so modern wie in Bodenhain, aber man arbeitet dran. Ist ein Haus mitten im Wald, aus den Dreißigern. War unter den Nazis als Freizeitheim für die HJ gebaut worden. Später hat es irgendwann die Lebenshilfe übernommen, aber es dann wegen seiner abgelegenen Lage wieder verkauft. Nun gehört es zu Bodenhain, eine ganze Abteilung ist dort eingezogen.“
Ich nicke. Warum nicht. Sehe ich mal was Neues.

Irgendwann biegt der Bus von der Landstraße ab und fährt über eine einsame, nur geradeaus führende Straße durch einen Kiefernwald. Ein bisschen trist hier, denke ich, der graue Himmel passt dazu. Dann hält der Wagen vor einem umzäunten Gelände mit einem großen Metalltor. Der Beifahrer ruft an: „Behrends hier, wir kommen mit Frau Ferner. Macht ihr bitte das Tor auf? Danke!“. Das Tor schiebt sich langsam auf, wir fahren durch, halten dann kurz an und der Beifahrer schließt das Tor wieder.

Der Zaun, das Tor – alles gut gesichert. Einfach das Gelände verlassen, wie das in Bodenhain zumindest theoretisch möglich war, ist hier nicht drin, schießt es mir durch den Kopf. „Welche Abteilung ist eigentlich hierhin ausquartiert?“ frage ich. „Station D“, ist die Antwort.



Zwangseingewiesen

Station D. D wie dauerhaft. Wie ein Flashback überkommt es mich. Station D. Dreimal war ich dort kurzzeitig. Die Nächte angeschnallt im Netzbett. Die Käfige. Das willkürliche Ausgeliefertsein. Die Ungewissheit, wann ich wieder auf die Normalstation komme.
Und nun bin ich wieder auf Station D. Von Anfang an. Scheiße.

„Bitte, nein“, rufe ich, „drehen Sie um, ich will da nicht hin, ich will nicht auf Station D.“ „Aber Frau Ferner,“ beruhigt einer der Männer, „nun keine Panik. Es ist doch zu Ihrem Besten.“ „Nein, nein,“ schreie ich und fange an, mir in die Hände zu beißen. Der Beifahrer zückt sein Handy und ich höre gerade noch, wie er von „mit Frau Ferner ist es gerade nicht so einfach“ spricht. Dann hält der Bus vor einem flachen lang gestrecktem Gebäude. „Sie sind jetzt besser ruhig,“ sagt einer der beiden. Dann machen sie den Rollstuhl los, ziehen
mich über die Rampe nach draußen und schieben mich dann ins Haupthaus herein. Da ist er wieder: der vertraute warme Geruch nach abgestandener Luft, Essen und Urin. Ich werde still und blicke mich angstvoll um, kaue dabei auf meinen Fingern. Zwei Pfleger kommen auf mich zu. „Guten Tag, Frau Ferner, willkommen in Haus Waldstetten! Wir bringen Sie gleich zur zuständigen Ärztin für das Aufnahmegespräch.“

Sie schieben meinen Rollstuhl einen langen Gang entlang und halten bei einer Tür. Es wird angeklopft und auf ein „Herein!“ werde ich in das Arztzimmer gerollt. Ich erschrecke, als ich die Ärztin sehe. Ich kenne sie und ich habe sie gehasst. Es ist Frau Dr. Hahn, die mir schon bei meinem ersten Aufenthalt in Bodenhain das Leben schwer machte. Auch das noch!
„Hallo, Frau Ferner,“ begrüßt mich die Ärztin, „willkommen bei uns in Waldstetten. Ich glaube, wir kennen uns.“ „Ja“, murmele ich, „ich war vor einem Jahr in Bodenhain.“ „Genau,“ antwortet sie, „und wenn es nach mir gegangen wäre, hätte man sie gar nicht erst entlassen dürfen. Ich habe mir noch mal gründlich Ihre Akte angesehen. Es wundert mich nicht, dass Sie nun wieder hier sind.“ „Frau Dr. Hahn,“ traue ich mich zu sagen, „ich will hier nicht sein. Ich wollte nach Bodenhain, aber auch das möchte ich jetzt nicht mehr. Ich möchte wieder nach Hause und in ambulanter Behandlung sein.“ „Gute Frau Ferner,“ kommt die liebenswürdige Antwort. „Ich fürchte, das ist unmöglich. Ihr Psychiater hat Sie zwangseinweisen lassen. Wussten Sie das nicht? Wegen schwerem selbstverletzendem Verhalten. Ein richterlicher Beschluss nach Aktenlage liegt mir bereits vor. Das heißt, Sie sind jetzt hier in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie. Unser Ziel ist es, Sie durch die Behandlung zu stabilisieren und deeskalierend zu wirken.“ Zwangseinweisung – bei diesem Wort läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Deshalb habe ich also so schnell den Platz in Bodenhain bekommen. Aber das heißt auch, ich kann hier nicht mehr weg oder erst dann, wenn meine Prognose günstig ist.

„Frau Ferner, hören Sie mich?“ fährt Frau Dr. Hahn fort. Ich schaue Sie wieder an. „Wichtig ist, dass Sie kooperieren und wirklich an sich arbeiten wollen. Und diesmal ohne Aufstände gegen unser System. Die Behandlung sieht wie auch bei Ihrem ersten Aufenthalt eine Reizreduzierung vor sowie verhaltenstherapeutische Maßnahmen mit dem Zwecke der Selbstregulierung. Diese müssen in Ihrem Fall auch Zwangsmaßnahmen beinhalten. Aber das kennen Sie ja schon. Bei besonders akuten Fällen, und dazu zähle ich auch Ihren Fall, ist zusätzlich eine Zwangsmedikamention angesagt. Haben Sie mich soweit verstanden?“ Ich nicke erschöpft, traue mich aber doch nachzufragen: „Was meinen Sie genauer?“
„Reizreduzierung heißt, dass Sie eine Zeitlang von Außenreizen akustischer, visueller und taktiler Art etwas abgeschirmt sind. Sie werden einen Helm mit Gehörschutz tragen sowie eine Brille mit starken Gläsern. Zum Schutz Ihrer Hände eine Schutzjacke oder Patientenhandschuhe. Wenn alles gut läuft, werden diese Maßnahmen nach und nach zurückgefahren. Zum Zwecke der Selbstregulierung gibt es am Ende jeder Woche ein Feedback-Gespräch, wonach entschieden wird, ob die Maßnahmen verstärkt oder abgeschwächt werden oder ob sie auf diesem Level so bleiben. Haben Sie noch weitere Fragen?“ Ich verneine. An die starke Brille kann ich mich natürlich noch gut erinnern, habe sie ja einige Wochen getragen. Sie half mir am Anfang wirklich dabei abzuschalten. Jetzt also erneut, nun gut, werde ich überleben.

„Gut. Die Herren bringen Sie gleich auf Station 2. Dort habe ich bereits meine Anweisungen gegeben und alles ist für Sie vorbereitet. Und denken Sie daran: Sie bestimmen durch Ihre Kooperation mit, wie lange Sie in der Geschlossenen bleiben. Vorher muss ich Ihnen jedoch noch ein Neuroleptikum verabreichen. Mir wurde mitgeteilt, Sie haben sich gerade wieder gebissen, und da müssen wir jetzt einfach gegensteuern.“

Bei diesen Worten treten die beiden Pfleger vor und befestigen meine Handgelenke mit zwei Ledergurten an den Seitenlehnen des Rollstuhls. Ich bin so überrascht, dass ich den Mund kaum aufbekomme. „So“, sagt die Ärztin, „ich spritze Ihnen jetzt etwas. Das hat Depotwirkung, wir müssen die nächste Spritze also erst in zwei Wochen setzen.“ Dann schiebt sie meinen rechten Ärmel nach oben, murmelt etwas von „das sieht ja wirklich schlimm aus“ desinfiziert meine Haut und spritzt das Medikament in meine Vene. „So, fertig. Das ist etwas sedierend, es wird Ihnen helfen. Sie werden auf der Station zunächst im Beobachtungszimmer sein. Das ist ein Einzelzimmer, die Ruhe wird Ihnen guttun. Dort wird Ihnen dann zunächst das Mittagessen gereicht, dann ist Mittagsruhe. Nach der Mittagsruhe beginnen die therapeutischen Maßnahmen. Haben Sie jetzt noch Fragen?“ Ich schüttele den Kopf. „Nun, und damit Frau Ferner nicht in Versuchung gerät, die ganze Station zusammenzuschreien, legen wir ihr jetzt einen Ballknebel an. Das kennt sie ja schon von früher.“ Frau Dr. Hahn kramt in einer Schublade und dann kommt sie mit dem Knebel in der Hand auf mich zu. „So, schön einmal den Mund aufmachen.“ Ich öffne brav den Mund und schon spüre ich den harten Ball zwischen den Schneidezähnen. Flinke Finge befestigen den Ledergurt an meinem Hinterkopf. „Der bleibt drin, bis zum Beginn der therapeutischen Maßnahmen, also auch während der Mittagsruhe,“ befiehlt sie. „Einen schönen Tag noch, Frau Ferner. Bis morgen.“ Und dann schieben mich die Pfleger auf den Flur.
2. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 18.12.24 20:16

Die Gurte

„Zwangseingewiesen, zwangseingewiesen“ hämmert es in meinem Kopf, während ich durch die langen Flure geschoben werde. Mantraartig wiederhole ich es still vor mich hin. „Zwangsmaßnahmen, Zwangsmedikamention, richterlicher Beschluss“ - die Worte der Ärztin hallen in meinem Hirn wieder. Was habe ich mir eigentlich dabei gedacht, mich wieder in Bodenhain einweisen zu lassen? Hatte ich das alles vergessen? Und jetzt hier in diesem Haus ist alles noch viel schlimmer.

Allmählich beginnt das Neuroleptikum zu wirken. Der Gang, durch den ich geschoben werde, wirkt wie ein Tunnel. Die Wände fangen an unscharf zu werden und ganz klar kann ich nur das sehen, was gerade aus vor mir ist. Ich merke, wie mir der Speichel aus den Mundwinkeln tropft, und mache durch ein Grunzen darauf aufmerksam. Tatsächlich reagiert der Pfleger darauf und putzt mir vorsichtig das Kinn trocken.

Dann geht es durch um eine Ecke und durch eine Glastür. „Gleich sind wir in Ihrem Zimmer“, kündigt der Pfleger an und dann werde ich in einem hellen Raum geparkt, wo nur ein Pflegebett drinsteht.

„So, ich kümmere mich jetzt mal um Ihr Essen und hole eben eine Platte für Ihrem Rollstuhl“, sagt der Pfleger. Er verschwindet kurz, kommt dann wieder und befestigt eine Tischplatte für das Essen am Rollstuhl. Dann nimmt er mir den Ballknebel ab. „Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Dominik.“ Ich blicke in ein hübsches, freundliches Gesicht. Dominik hat kurze schwarze Haare, markante Züge, ist schlank und scheint gepflegte Hände zu haben. Ich finde ihn sofort attraktiv. „Ich heiße Katrin“, bringe ich hervor, „Katrin Ferner.“ Wie schwer mir das Sprechen fällt, wie als wenn ich betrunken wäre. Meine Zunge fühlt sich pelzig an und mir fällt es schwer, mich zu konzentrieren.

„Das Mittagessen werde ich Ihnen anreichen und dann geht es zum Mittagsschlaf ins Bett“, kündigt Dominik an. Ich blicke auf das Bett und entdecke ein komplettes S-Fix-Set darauf. Was habe ich das vermisst!

Dominik stellt nun das Essen auf den Tisch, es gibt Kartoffelpüree, Sauerkraut und Würstchen. Esse ich eigentlich ganz gerne, aber mir fehlt der Appetit. Ich kann mich noch nicht darauf einlassen: vor drei Stunden war ich noch ein freier Mensch und nun sitze ich festgeschnallt in einem Rollstuhl, werde gefüttert und sabbere vor mich hin. Ja, sabbere, denn mir fällt es schwer, das Essen im Mund zu behalten. Dominik wischt mir immer vorsichtig und sorgsam das Kinn ab. „Ist nicht so schlimm, Frau Ferner, ich fürchte, Sie können das Neuroleptikum nicht so gut vertragen. Frau Dr. Hahn wird Ihnen beim nächsten Mal weniger verabreichen. Wie das Zeug so wirkt, ist ja bei jedem Menschen anders.“
Nach dem Essen bitte ich Dominik, zur Toilette gehen zu dürfen. Er schnallt mich los und hilft mir aus dem Rollstuhl. Meine Beine fühlen sich an wie aus Pudding und Dominik führt mich zur Toilette. „Ich lass Sie dann mal allein“, sagt er, „und lehne die Tür nur an. Wenn Sie Hilfe benötigen, rufen Sie bitte.“

Ich erleichtere mich, gehe dann vorsichtig ins Zimmer zurück und setze mich aufs Bett. „Es ist Order, Ihnen den Ballknebel über Mittag anzulegen. Darf ich bitten?“, fragt der Pfleger und hält mir den roten Ball vor den Mund. Ich öffne ihn bereitwillig und schon spüren meine Zähne den Ball zwischen sich. Dominik befestigt die Schnallen an meinem Hinterkopf und fügt hinzu: „Wie Sie sich sicher schon denken können, muss ich Sie fixieren. Ziemlich sogar. Legen Sie sich einfach bitte bequem hin.“ Ich lege mich auf den Rücken und Dominik fängt mit dem breiten Bauchgurt an und verschließt ihn sorgfältig, ohne ihn allzu stramm zu ziehen. Dann legt er meine Hände in Position, zieht die gepolsterten Gurte um meine Handgelenke immer enger und sichert sie schließlich mit kleinen Magnetschlössern. Ich mag es, wie er an mir herumhantiert. Sehe seine feingliedrigen Hände und wünsche mir, er möge mich berühren. Und als Dominik mir den Schrittgurt anlegt, werde ich trotz der Sedierung horny. Er verbindet ihn mit dem Bauchgurt und zieht dann eine Schulterhalterung bis neben meinem Kopf fest. Nun kann ich nur noch liegen, mich noch niemals aufrichten. „Jetzt noch die Füße“, murmelt Dominik, spreizt meine Beine etwas auseinander und legt die gepolsterten Gurte um meine Fesseln. Dann streicht er an meinen Oberschenkeln die Hose glatt und legt die Halterung an. Ich stöhne vor Wollust, auch wenn es sich mit dem Knebel anders anhört.

„So, wir sind fertig. Legen Sie bequem oder soll das Kopfteil noch höher?“ Ich nicke und Dominik richtet es etwas auf. „Soll ich Ihnen noch die Brille abnehmen?“ Ich schüttele meinen Kopf. „Dann wünsche ich einen guten Mittagsschlaf,“ sagt der Pfleger, zieht die Seitengitter hoch und lässt mich allein.

Allein mit meiner Lust, aber ich werde plötzlich immer müder. Einmal geht die Tür noch auf. Dominik kommt zu mir und hat eine Art Messschieber in der Hand. „Ich muss noch schnell was erledigen,“ sagt er und nimmt mit dem Werkzeug zunächst an meinen Wangen Maß, dann an meinem Gesicht. „Es ist wegen der Maske,“ erklärt er und geht. Welche Maske? denke ich und dann schlafe ich wohlig ein.


Eingekleidet

„Hallo, Frau Ferner, hören Sie mich?“ Eine Frauenstimme dringt in meinen Schlaf und widerwillig öffne ich die Augen. „Na, Sie haben ja gut geschlafen. Nun ist es Zeit, aufzuwachen und mit der Therapie anzufangen. Ich bin Schwester Margot, die Stationsschwester hier auf der 2. Ich werde Sie jetzt mal losmachen.“ Ich schaue in ein Gesicht von undefinierbarem Alter, irgendwas um die 50, und die Frau löst nach und nach sämtliche Fixierungen des S-Fix-Systems. Ich murmele irgendwas Sinnloses in meinen Knebel und lasse mir dann von der Schwester aufhelfen. „So, zuerst geht es jetzt mal in den Hygieneraum,“ kündigt sie an, „die zwei Kolleginnen werden Sie begleiten.“ Zwei andere, ungefähr gleichaltrige Schwestern stehen rechts und links neben mir und führen mich aus den Zimmer, quer über den Flur in einen anderen gefliesten Raum. Dort sehe ich eine Liege und einen Gynokologiestuhl. „So, Frau Ferner, Sie werden jetzt Ihre Klinikwäsche anziehen. Und gerade am Anfang Ihres Aufenthaltes hier müssen Sie eine Windel tragen. Also, bitte ziehen Sie sich jetzt aus,“ sagt eine der beiden Frauen. Ich fühle mich immer noch total schlapp und gehorche bereitwillig. Ich gebe meine Kleidung den Frauen. „Bitte auch Ihre Brille. Sie werden dann eine von unseren bekommen.“ Ich nehme meine Brille ab, die samt meiner Kleidung in einer großen Plastikkiste verstaut wird.

Ich stehe nur noch im Höschen da und dann werde ich zum Gynostuhl geführt, auf dem ich Platz nehme. Ein breiter Gurt wird über meinen Bauch gespannt und ein weiterer Gurt um meinen Kopf. „Wir werden Sie jetzt unten herum rasieren und Ihnen dann einen Windel anlegen.“ Mein Busch wird abrasiert und eine warme, dicke Windel schließt sich um meinen Unterleib. „Fertig. Wir machen Sie dann mal los.“ Die beiden helfen mir auf und ziehen mir dann eine gelbe Plastikhose über die Windel. „Wenn mal was ausläuft…“ und dann schlüpfe ich einen wunderschönen hellgelben Pflegeoverall, der mit Reißverschlüssen an den Beinen verschlossen wird. „Für das schnelle Saubermachen“, wie mir erklärt wird.
Wie in Trance lasse ich alles mit mir geschehen, ich finde die ganze Prozedur noch nicht einmal erniedrigend, sondern lasse sie einfach machen.

„Und jetzt bitte einmal die Arme nach vorne“ und schon werden die Ärmel einer weißen Jacke über meine Hände und Arme gestreift. Meine Hände finden vorne keinen Ausgang, Die Jacke wird rasch über meine Schultern gestreift und mit mehreren Schnallen fest hinter meinem Rücken und an meinem Hals verschlossen. „Wir wussten von Ihrem letzten Aufenthalt hier her noch Ihre Größe. Ha, sie passt wie angegossen,“ kommt als Kommentar. Die Schwestern verschränken meine Arme und befestigen die losen Enden ebenfalls an meinem Rücken. Der feste Segeltuchstoff spannt sich um meine Schultern und den Oberkörper, mir wird ganz warm darin und ich spüre trotz Sedierung ein eigenartiges Kribbeln tief in mir drin. Meine Zwangsjacke, ich darf sie wieder tragen. Dann wird noch der Schrittgurt stramm gezogen und ich bin diesem Teil unerbittlich ausgeliefert.

Die Stationsschwester meldet sich nun zu Wort: „Wir haben den richterlichen Beschluss für sämtliche Fixierungsmaßnahmen bei Ihnen aufgrund des hohen Grades an Selbstgefährdung. Sie sollten sich darauf einstellen, dass bei Ihnen, wie bei fast allen Zwangseingewiesenen die Maßnahmen in den ersten Wochen bestehen bleiben, bis eine Gefährdung ausgeschlossen werden kann. Nun nehme ich Ihnen aber erst mal den Knebel ab.“

Sie stellt sich hinter mich und befreit mich von dem Teil. Ich lecke mir die ausgetrockneten Lippen und möchte etwas sagen, aber meine Aussprache ist lallend und schleppend. „Immer die Zwangsjacke?“ bekomme ich noch hin. „Am Anfang ja,“ ist die Antwort, „bessert sich Ihr Verhalten, können Sie darauf verzichten. Das entscheidet dann Frau Dr. Hahn im wöchentlichen Feedback-Gespräch.“

Einigermaßen kann ich mich auch ohne Brille im Spiegel erkennen. Die dicke weiße Jacke, die gelben Beine des Overalls, hübsch sehe ich aus.
„Frau Ferner, Sie sind hier wegen selbstverletzendem Verhalten und wir halten nun in verhaltenstherapeutischer Hinsicht dagegen,“ erklärt Schwester Margot. „Sie werden nun bis auf weiteres eine Gesichtsmaske tragen, die das Beißen verhindert, sowie eine unserer reizreduzierenden Brillen. Dazu, damit Sie bei einem möglichen Fallen, nicht zu Schaden kommen, einen Schutzhelm. Das mag für Sie vielleicht ein bisschen viel auf einmal sein, aber denken Sie daran, es nützt Ihnen sich selbst zu regulieren.“ Und dann schiebt eine der Schwestern ein Schränkchen auf Rädern in den Raum und ich muss mich auf die Liege setzen. „Sie kennen den Film „Das Schweigen der Lämmer“? fragt Schwester Margot. „Solche Beißschutzmasken wie in diesem Film haben sich auch in unseren Einrichtungen als sinnvoll herausgestellt. Keine Angst, Sie werden damit sprechen können und die Atmung ist auch nicht behindert. Und an das Fremdgefühl im Gesicht gewöhnt man sich schnell.“ Und dann holt sie tatsächlich solch eine Horrormaske aus dem Schränkchen. „Sehen Sie hier“, sagt Margot, “durch das Mundgitter werden Sie gut atmen können. Die Maske müssen Sie zunächst immer tragen, nur zum Essen wird sie Ihnen abgenommen.“ Und dann wird sie mir angepasst und die Gummigurte um den Kopf gezogen. Ich sehe mich im Spiegel, mein halbes Gesicht samt Nase von der braunen Maske verdeckt. Vor dem Mund die Gitterstäbe. Ich schüttele mich. Bin ich das, Katrin, in Zwangsjacke und Beißschutzmaske? Ich versuche etwas zu sagen, aber nur schwer kommen die Worte aus meinem Mund: „Ich möchte das nicht. Ich beiße auch nicht mehr, ganz bestimmt nicht.“ „Das sind medizinisch-therapeutische Maßnahmen, die in Ihrem Fall absolut sinnvoll sind,“ ist die dürftige Antwort, „Sie wollen doch irgendwann einmal Haus Waldstetten wieder verlassen, oder?“
Ich schaue mich im Spiegel an. Und fasse es nicht. Und bin gleichzeitig fasziniert von meinem Aussehen. „Gibt es hier noch andere, die, die so aussehen wie ich?“ „Natürlich nicht alle, aber in Einzelfällen schon. Waldstetten ist ja spezialisiert für die schwereren Fälle. Aber wir sind noch nicht fertig.“

Schwester Margot holt nun einen braunen Lederhelm und eine dickrandige Brille mit großen Gläsern hervor, an deren Bügeln zusätzlich ein Gummigurt angebracht ist. „Das kennen Sie ja schon“, kündigt sie an, “Sie werden mit der Brille nur das klar sehen können, was in Ihrem Nahbereich ist. Alle anderen Reize können Sie damit ausblenden. Laut Frau Dr. Hahn fangen Sie mit einer hohen Stärke an, plus zehn auf beiden Gläsern. Sollten sie vom Tragen Kopfschmerzen bekommen, dann melden Sie sich bitte. Dagegen kann man ja was tun.“ Und dann zieht sie mir die Brille an. Wie bei einer Schwimmbrille ist der Mittelsteg flexibel, so dass sich die Brillenränder der beiden Gläser perfekt an mein Gesicht schmiegen. Die Bügel finden an meinen Ohren Halt, der Gurt an meinem Hinterkopf sorgt dafür, dass die Brille perfekt sitzt. Augenblicklich versinkt die Welt in Unschärfe. Ich sehe nur noch die Schwester deutlich, die direkt vor mir steht. Von allem anderen sehe ich nur unscharfe Farben.
„Wir werden Sie gleich für den Rest des Nachmittages in die Weichzelle bringen. Dort können Sie sich erst einmal an die neuen Eindrücke gewöhnen und völlig zur Ruhe kommen. Aber vorher müssen wir Ihnen diesen Helm aufsetzen. Auch ihn werden Sie jetzt nahezu permanent tragen. Er schützt Sie nicht nur, falls Sie mal fallen sollten, sondern hat auch noch einen integrierten Gehörschutz, damit Sie auch auf akustische Reize nicht mehr so reagieren können.“

Dann wird mir auch schon der braune Helm übergestülpt, schön farblich mit meiner Maske abgestimmt, und schon wird die Welt leiser. Die Schwester befestigt den Kinngurt und dann helfen mir zwei starke Arme auf und stellen mich vor den Spiegel.
Die starken Gläser der Brille vergrößern meine Augen enorm. Aber sonst ist von meinem Gesicht nichts mehr zu sehen. Die abscheuliche Maske nimmt die untere Hälfte ein, die Brille und der Helm den Rest. Das bin ich nicht mehr, das ist jemand Fremdes, der mich da ansieht.
3. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 18.12.24 21:23

Super Geschichte. Genau nach meinem Geschmack. Bitte weiter so.
4. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Doran am 19.12.24 22:34

Ein toller Bericht. Die Völlige Hilflosigkeit gefällt mir auch sehr gut. Bitte weiter berichten.
5. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 20.12.24 16:20

Vielen Dank für euer tolles Feedback. Nun geht es schon weiter.
6. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 20.12.24 16:25

Wie in Watte

Ich werde vorsichtig in die Mitte genommen und dann geht es über den Flur in Richtung Weichzelle, oder besser gesagt Gummizelle. Die beiden Schwestern stützen mich, denn meine Beine fühlen sich noch immer ganz schwach an. Sehen kann ich kaum etwas, hören auch nur gedämpft, ich fühle mich wie in Watte. Sie führen mich über den Flur, eine Tür geht auf und ich befinde mich in einem hellen Raum. Die Schwestern setzen mich vorsichtig auf eine gepolsterte Liege und lassen mich dann allein. Ich bleibe erst einmal wie benommen sitzen, stehe dann auf und versuche einige Schritte zu gehen. Mir ist etwas schwindelig und der weiche Boden gibt mir nicht unbedingt Sicherheit. Schließlich falle ich auf die Knie und dann lege ich mich auf den Boden. Das wird mir allerdings bald zu unbequem und irgendwie gelange ich zu der Liege. Rückwärts an die Wand gelehnt drücke ich mich hoch und dann mache ich es mir auf der Liege möglichst bequem. Langsam döse ich wieder weg, ich kann meine Gedanken nicht klar halten.

Irgendwann bemerke ich, dass jemand vor mir steht und mich beobachtet. Ich kann nicht erkennen, wer es ist, sehe nur etwas Weißes. Wahrscheinlich Frau Dr. Hahn, denke ich. Die weiße Gestalt entfernt sich dann wieder.

Draußen wird es langsam dunkler und das Licht in der Gummizelle geht an. Ich bleibe liegen und lasse meine Gedanken treiben. Aber ich kann sie nicht festhalten, alles nur Fetzen.
Dann sind plötzlich wieder die beiden Schwestern da, helfen mir auf und führen mich aus der Zelle. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist und wo es hingeht, bis ich mich wieder in meinem Zimmer, dem Beobachtungszimmer, wiederfinde. Ich werde auf einen Stuhl gesetzt und dort sofort mit einem breiten Brustgurt festgeschnallt. Dann wird ein Tisch herangeschoben, ich rieche Wurst und Käse. Also Abendessenzeit. Zwei Hände lösen die Maske von den Gurten und dann beginnt ein erlesenes Essen. Ich werde wieder gefüttert und trinke aus der Schnabeltasse. „Eigentlich mag ich keine Wurst auf Brot, nur Käse“, wage ich zu sagen und bekomme tatsächlich eine vernünftige Antwort: „Gut, dass Sie`s sagen. Dann gibt es morgen Abend nur Käse.“

Nach dem Essen wird mir die Maske wieder angelegt. Hannibal Katrin ist bereit. Dann wird meine Windel kontrolliert, sie ist noch schön trocken. „Darf ich zur Toilette?“ bitte ich und auch diese Bitte wird mir erfüllt. Toilette ja, aber mit Aufsicht. Und dann natürlich einer frischen Windel. Danach werde ich zum Bett geführt und dann zieht man mir endlich die Zwangsjacke aus. Ich recke und strecke mich ausgiebig, bevor mich die S-Fix-Gurte wieder empfangen.

Kein Waschen, kein Zähneputzen, ich bekomme nur einen dünneren Overall an, dicke Patientenfäustlinge werde über meine Hände gestreift und dann werde ich wie heute Mittag wieder rundum fixiert. Ich bin so fertig, dass ich alles mit mir geschehen lasse und bald schlafe ich ein.

In der Nacht werde ich ein paar Mal wach. Die Fixierung ist ungewohnt und anstrengend und durch kleinere Bewegungen versuche ich, mir etwas Erleichterung zu verschaffen.
Ich bin froh, als ich morgens geweckt werde. Nach der Befreiung von den Gurten führen mich zwei Schwestern ins Bad. Dort ziehen sie mich aus und führen mich zu einem seltsamen Gestell, eine Art Türrahmen. Mir wird eine Fessel aus Plastik um meinen Hals gelegt, links und rechts gehen Plastikgurte davon ab, die an den Seiten des Rahmens befestigt werden. Dann bekomme ich Fuß- und Handfesseln aus dem gleichen Material angelegt, die ebenfalls stramm am Rahmen befestigt werden. Ich stehe nun mit gespreizten Beinen nahezu bewegungsunfähig in diesem Rahmen und eine Schwester beginnt, mich nun ausgiebig einzuseifen und abzuduschen.

Nach der Säuberungsaktion bekomme ich wieder Windel, Gummihose, Pflegeoverall an und dann natürlich wieder die Zwangsjacke. Ich fühle mich immer noch ziemlich Matsche und lasse alles an mir geschehen. Später dann die Raubtierfütterung, Zähneputzen (also doch!), Maske wieder an und dann ab in die Gummizelle. Ich liege dort wieder auf der Liege, bin immer noch leicht benommen und fühle mich weiterhin wie in Watte.
Nach dem Mittagessen erwartet mich wieder S-Fix. Heute Mittag ist Dominik leider nicht da, irgendeine Schwester macht sich an mir zu schaffen. Etwas ruppig, wie ich finde, und sehr stramm fixiert. Dann werden die Gitter hochgezogen und ich kann mich wieder meinen müden Gedanken hingeben.

Und nach dem Mittagschlaf dann tatsächlich etwas Abwechslung. Erst die Zwangsjacke an und dann darf ich in einem Pflegerollstuhl Platz nehmen. Sofort werde ich dort mit einer breiten Weste festgeschnallt. Dann kommen Gurte um meine Füße, damit ich damit ja kein Unheil anrichte. Gurte um meine Oberschenkel verhindern, dass ich auch nur den Gedanken hege, ich könne aufstehen. Und damit ich nicht mit dem Kopf schlage, wird mein Helm noch an der Kopfstütze befestigt.

Und dann werde ich nach draußen geschoben. Geräusche dringen gedämpft zu mir durch, ich sehe schemenhaft, aber obwohl alles bei mir so eingepackt ist, spüre ich die frische Luft. Der Rollstuhl wird irgendwo draußen geparkt und ich genieße den aufkommenden Wind. Für wie wenig man schon dankbar sein kann!

Ich fühle mich immer noch wie abgeschossen, kann nicht wirklich einen klaren Gedanken fassen. Menschen kommen auf mich zu, stellen sich um meinen Rollstuhl und gehen wieder weg. Es fühlt sich alles so irreal an. Gestern Morgen bin ich noch ganz normal aufgewacht und nun sitze ich voll fixiert in diesem Monstrum, fühle mich völlig benebelt und kann mich nicht rühren.

So langsam müsste ich mal auf die Toilette. Ich wage mehrmals eine fragendes „Hallo“, aber immer noch kommen die Worte wie Bröckchen aus meinem Mund. Dann setzt mich mein Rollstuhl plötzlich in Bewegung und ich werde in die Sonne geschoben. Ich versuche mich noch einmal zu melden, doch derjenige, der mich geschoben hat, geht einfach weg. Es wirkt alles so gespenstisch.

Und dann immer wieder dieses eine Wort, das mir durch den Kopf geht: Zwangseingewiesen. Wie ein Mantra taucht es in meinen Gedanken auf und ich kann es nicht wegscheuchen, so bedrohlich wirkt es auf mich. Während ich so in der Sonne sitze, muss ich es auch mehrfach ausgesprochen haben, denn plötzlich wird mein Ohrenschutz angehoben und eine Stimme fragt mich: „ Führen Sie Selbstgespräche?“ Mir ist das megapeinlich, jetzt sabbel ich auch schon vor mich hin. Sofort verstumme ich. „Ich werde es mal notieren,“ sagt die Stimme, „das kann ja auf eine Psychose hindeuten.“



Netzbetten im Schlafsaal

Am Abend und am nächsten Tag wieder das gleiche Programm, nur dass ich mich wesentlich besser fühle. Auch die Waschprozedur, festgeschnallt im Rahmen stehend, lasse ich über mir ergehen. Dann werde ich wieder in den Auszeitraum, natürlich weiterhin in Zwangsjacke, gefahren und nach der Mittagsruhe wieder voll fixiert im Rollstuhl nach draußen. Mittlerweile kann ich durch die starken Gläser ein wenig besser sehen, meine Augen haben sich wohl ein wenig daran gewöhnt.
In der Nacht schlafe ich zum ersten Mal, seit dem ich in Waldstetten bin, wenigstens einigermaßen gut. Ich habe aber auch den Eindruck, dass die Fixiergurte nicht mehr ganz so stramm angezogen werden.

Am nächsten Morgen dann eine Überraschung: Ich werde von einer Schwester geweckt und Frau Dr. Hahn steht plötzlich vor meinem Bett. Die Schwester löst die Gurte meines Helmes und nimmt ihn mir vorsichtig ab. „Guten Morgen, Frau Ferner,“ beginnt die Ärztin, „Sie haben sich bisher ja recht gut hier eingefügt, so dass wir an erste Lockerungen denken können. Heute Morgen dürfen Sie sich ganz alleine duschen. Ihre Brille nehme ich mit und lasse etwas schwächere Gläser einbauen. Sie bekommen auch einen neuen Helm, aber ohne Ohrenschutz. Sie sollen sich dann langsam wieder an die akustischen Reize gewöhnen. Nach dem Frühstück werden Sie das Beobachtungszimmer verlassen und sozusagen richtig auf Station kommen. Wir haben für Sie ein PIB vorgesehen, dann entfällt auch die Vollfixierung.“ Was ist ein PIB?“ frage ich. „Ein Psychiatrisches Intensivbett“, ist die Antwort. „Auf der Station finden in den meisten Patientenzimmern umfangreiche Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen statt. Da wir zudem mit Fachkräftemangel zu tun haben, müssen die Patientinnen sich am Tag, zumindest bei schlechteren Wetter wie heute in ihren PIBs aufhalten. Wegen des momentanen Raummangels stehen diese in einem Schlafsaal. Das geht leider im Moment nicht anders. Und jetzt macht die Schwester Sie los, bringt sie zur Dusche und dort dürfen Sie sich viel Zeit lassen. Einen schönen Tag noch.“ „Ach ja. Ihre Brille bitte noch.“ Und dann wird mir das Teil, das ich seit einigen Tagen und Nächten ununterbrochen trage, abgenommen. Meine neue Sicht ohne Brille ist ziemlich unscharf, zumal ich ja auch sonst eine, wenn auch schwächere, trage. Aber so verschwommen sehe ich sonst nicht.

Das Duschen ist dann eine Wohltat. Ich lasse mir wirklich viel Zeit dabei, wasche mir ausgiebig die Haare und mache mich dann in Ruhe fertig. Nachdem ich angezogen bin, wird mir wieder die Zwangsjacke übergestreift, aber diesmal deutlich lockerer als sonst zugemacht.
Nach dem Frühstück im Beobachtungszimmer wird mir angekündigt, dass gleich das PIB käme. Ich bin gespannt, was damit gemeint ist und staune nicht schlecht, als ein altertümliches Netzbett hereingerollt wird. „Bitte, Platz nehmen“, werde ich aufgefordert und dann wird mir geholfen, mich ins Bett zu setzen. Über mir und an der Seite sehe ich die festen Netze, die über Metallrahmen befestigt sind. Meine Beine und Füße werden schnell fixiert, der Rest meines Körpers zum Glück nicht. Ich bekomme meine Gesichtsmaske angezogen, das Seitennetz wird hochgefahren und mit dem Kommentar „das ist nun ihr neues kleines Zuhause“ werde ich samt Bett in Bewegung gesetzt. Ich werde über den Flur geschoben, dann öffnet sich eine Schiebetür und es verschlägt mir den Atem. Ein beißender Geruch strömt mir entgegen und ich kann gerade so ungefähr zehn Netzbetten mit Bewohnerinnen in einem Raum erkennen. An eine freie Stelle der Tür genau gegenüber wird mein Bett geparkt und die Bremsen werden angezogen. Eine mir unbekannte Schwester öffnet das Bett, setzt mir meine Brille auf und stülpt mir dann den neuen Helm über den Kopf. Augenblicklich ist mein einigermaßen klares Sehen auf wenig mehr als zwei Meter begrenzt. Mein Helm wird wieder schön festgeschnallt, dann das Netzgitter hochgezogen und mit einem launischen „ich wünsche einen ruhigen Vormittag“ werde ich verabschiedet.
Ich schaue nach links und rechts und kann so gerade in den beiden Netzbetten die anderen Patientinnen erkennen. Zu meiner linken sitzt eine älteren Frau, genau wie ich auch in eine Zwangsjacke gepackt, und schaukelt monoton hin und zurück. Dabei summt sie ununterbrochen die gleiche Melodiefolge. Im Bett auf der rechten Seite liegt eine jüngere Frau. Ein roter Ballknebel verschließt ihre Mund, hinter ihren dicken Brillengläsern hat sie ihre Augen geschlossen und auch sie hat eine Zwangsjacke an. Mein Gott, wo bin ich hier gelandet.

„Ah, unser Neuzugang,“ ertönt irgendwann eine kräftige Stimme, „ich bin Schwester Brigitte und Sie sind …. die Frau Ferner. Natürlich zwangseingewiesen, wie alle hier auf der Station. Ich soll Sie abholen, es wird ein EEG gemacht.“ Und schon löst sie die Bremsen des Bettes, zieht es hervor und schiebt mich dann über einen langen Flur in das Behandlungszimmer. Dort werde ich schon von Frau Dr. Hahn erwartet. Die Schwester öffnet das Netzbett, löst die S-Fix-Gurte und hilft mir aus dem Bett. Ich setze mich in eine Art Zahnarztstuhl und werde wieder schön festgeschnallt. Ich bekomme eine Haube aufgesetzt, mittels derer die Elektroden auf bestimmte festgelegte Punkte der Kopfhaut platziert werden. „Wir müssen doch herausbekommen, was zu Ihren Aussetzern führt,“ wird mir erklärt. Die ganze Prozedur dauert vielleicht eine halbe Stunde, mittlerweile fehlt mir jedes Zeitgefühl.

Irgendwann kommt Frau Dr. Hahn wieder herein. “So, wir sind fertig,“ kommentiert sie, „Herzlichen Glückwunsch! Es liegen keine Auffälligkeiten vor. Es finden sich keine Hinweise auf irgendwelche Funktionsstörungen. Das heißt, wir können weiterhin über verhaltenstherapeutische Maßnahmen auf Ihre Probleme eingehen und Ihnen weiterhelfen. Sie bleiben jetzt hier bitte noch etwas sitzen. Später gibt es dann Mittagessen.“
Schwester Brigitte befreit mich dann von der Haube und kündigt mir an, in etwa einer halben Stunde würde sie mich zum Essen abholen.

Und irgendwann kommt sie auch und schnallt mich los. An den Griffen meiner Zwangsjacke führt sie mich in den Speisesaal, wo es ganz schön laut her geht. Und – o Wunder – ich darf zum ersten Mal, seitdem ich hier bin selbständig essen! Die Schwester befreit mich von meiner Maske und von der Jacke und platziert mich an einen Vierer-Tisch. Damit ja nichts passieren kann, essen hier alle mit einem Plastiklöffel von einem Plastikteller und trinken aus einem Plastikbecher. Aber ich bin schon froh, diesmal nicht gefüttert zu werden.
Mit den die anderen Frauen am Tisch kann ich wenig anfangen. Sie stieren nur auf ihre Teller und schaufeln ihr Essen in sich hinein.

Nach diesem trostlosen Essen ist es dann aber auch schon wieder mit der relativen Freiheit vorbei. Ich bekomme meine Gesichtsmaske und die Zwangsjacke wieder angezogen und werde in den Schlafsaal geführt. Dort warte schon mein Netzbett auf mich, in das ich mich zur Mittagsruhe hinlegen muss, diesmal wieder schön mit dem S-Fix angeschnallt.
7. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 20.12.24 17:56

Danke für die rasche Fortsetzung. Ich wäre happy, wenn Frau Ferner wieder härter unter Medikamente gesetzt wird..ein medizinischer Ballknebel oder so. Nur als inspiration gedacht.
Danke nochmals für diese tolle Geschichte.
8. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 22.12.24 15:50

Schwester Gerda

Draußen regnet es den ganzen Nachmittag und daher „müssen die Damen leider in ihren Betten bleiben“ wie es gönnerhaft heißt. Zum Glück werde ich aus den Segufixgurten entlassen, so dass ich mich in meinem Netzbett immerhin ein klein bisschen bewegen kann. Aber natürlich ist mir unendlich langweilig. Wenn ich wenigstens lesen dürfte -aber wie soll ich dann die Seiten umblättern?

Das Abendessen darf ich dann wieder selber zu mir nehmen und zur Nachtruhe geht es nach und nach in den Waschraum. Das ist schon eine logistische Aufgabe für zwei Schwestern, dafür zu sorgen, dass zehn, zwölf psychisch angeschlagene Frauen in ihren jeweiligen Fixierungen sauber und dann bettfertig gemacht werden. Ich bin eine der letzten, die dran ist, und bekomme einiges vom Gespräch zwischen Schwester Margot und Schwester Brigitte mit. Besonders bei einem Namen werde ich hellhörig: „Ab morgen wird unsere Station etwas entlastet. Vom Haupthaus kommen zwei Abordnungen.“ „Weißt du mehr dazu?“ „Ein Mann soll kommen. Aber ich weiß nicht, wer. Und Gerda. Hast du schon mal mit der zusammengearbeitet?“ „Nein, die kenne ich nicht.“ „Hast auch nichts verpasst. Die ist ziemlich von sich eingenommen. War mal eine kurze Zeit Oberschwester, so ca. vor einem Jahr. Hat sich aber zu weit aus dem Fenster gelehnt und bei einer Patientin völlig falsch entschieden. Danach haben die Ärztinnen ihre Entscheidung wieder rückgängig gemacht und seitdem ist mit Gerda überhaupt nicht mehr auszukommen.“

Und da durchzuckt es mich. Diese Patientin war ich und ausgerechnet Gerda werde ich hier wieder treffen. Na, dann gute Nacht.
„Es sollte mich nicht wundern, wenn wieder was vorgefallen ist und Gerda quasi zwangsversetzt wird. Nun, lustig wird das nicht. Für niemanden. Für dich nicht, für die Kolleginnen nicht, für die Patientinnen nicht und auch nicht für mich. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie Stimmung gegen mich macht und mir meinen Posten neidet.“ „Ach, komm, Margot, du bist doch hier anerkannt.“ „Na ja, aber Gerda und Frau Dr. Hahn haben irgendein dickes Ei miteinander. Ich habe da echt kein gutes Gefühl.“

Und ich auch nicht. Bisher waren hier alle ganz nett zu mir, aber bei Gerda ist es anders. Wir haben eine gemeinsame Geschichte und die ist für mich sehr negativ belastet. Die Frau hat mich von Anfang an nicht gemocht und mir manche dicken Strafen eingebracht. Wenn Sven und Frau Dr. Herenthal nicht gewesen wären, wäre ich schon damals für immer auf Station D geblieben. Aber, das muss ich mir eingestehen, da bin ich jetzt auch und ich sehe wegen meiner Zwangseinweisung keine Chance bald hier wieder weg zu kommen. Und nun auch noch Gerda…

Und am nächsten Morgen nach dem Frühstück, wir sitzen und liegen wieder alle schön in unseren Netzbetten, begegne ich meiner Feindin. Schwester Margot erklärt ihrer neuen Kollegin alle Gepflogenheiten auf der Station und sorgt dafür, dass sie die Patientinnen kennen lernt. Und dann stehen sie vor meinem Bett. „Das ist Katrin Ferner“, fängt Margot an, „ebenfalls eine Zwangseinweisung. Sie hätte eigentlich ins Haupthaus gemusst, aber wegen Platzmangel ist sie hier gelandet.“ „Und hier ist die völlig richtig“, unterbricht Gerda sie. „Nicht wahr, Frau Ferner, wir kennen uns doch, auch wenn ich Sie wegen Ihrer hübschen Gesichtsmaske nicht sofort erkannt habe.“ „Selbst verletzendes Verhalten“, erklärt Margot, „die Maßnahme soll aber nur vorübergehend sein.“ „Oh, das haben bei Frau Ferner schon viele gedacht und sie sind immer wieder enttäuscht worden. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre die Dame nie entlassen worden. Und dass ich recht hatte, sieht man ja daran, dass sie wieder hier ist. Und dann noch auf richterliche Anordnung. Ja, Frau Ferner, auf gute Zusammenarbeit. Und ich denke, die wird diesmal etwas länger dauern. Übrigens, Frau Ferner, ich habe einen Kollegen mitgebracht. Den kennen Sie sicher auch noch. Eddie. Ja, man sieht sich immer zweimal im Leben.“

Oh, Eddie, der auch noch. Noch einer, der mir bei meinem ersten Aufenthalt das Leben schwer machte. Und dabei ist der Typ so saudumm, er merkt es nur nicht. So ein großer Mist, in den ich hier hereingeraten bin.

Heute ist das Wetter ganz passabel. Die Sonne scheint und es ist wohl wieder etwas wärmer. Und da tönt schon Eddies Stimme: „Guten Morgen, meine Damen, ich darf Sie jetzt alle nach draußen fahren. Bitte anschnallen und los geht die Fahrt!“ Und dann schiebt er ein Netzbett nach dem anderen heraus auf die Terrasse, die fast das ganze Haus umgibt und reiht uns schön nebeneinander draußen auf. Endlich mal etwas Abwechslung. Mit wie wenig man schon zufrieden ist.

Mein Bett steht als letzte ganz am Rand der Terrasse. Wegen der dicken Gläser meiner Brille sehe ich erst im letzten Moment, dass Schwester Gerda auf mich zusteuert. „Ja, Frau Ferner, so sieht man sich tatsächlich wieder. Und wissen Sie was, Frau Lorenz ist auch da.“ „Kim Lorenz?“, frage ich. Mit Kim hatte ich einige Wochen ein Zimmer geteilt und mich etwas für sie verantwortlich gefühlt. „Ja, genau diese Frau Lorenz. Die war und ist ja noch durchgeknallter als Sie. Und jetzt sind Sie beide wieder zusammen. Sie ist sogar bei Ihnen im Schlafsaal. Wahrscheinlich haben Sie sie noch nicht durch Ihre Glubscher gesehen.“ Gerda tut so, als wolle sie gehen, dreht sich aber doch noch mal nach mir um. „Wissen Sie was, Frau Ferner, mit Ihrer Hannibal-Lector-Maske gefallen Sie mir ausgesprochen gut. Das Problem allerdings ist, dass Sie damit sprechen können. Und damit haben Sie schon viel Unheil angerichtet. Wegen Ihnen war ich drauf und dran meine Stelle zu kündigen. Aber ich habe mich durchgebissen und nun bin ich hier und immer noch im Dienst.“ Und dann zischt sie mir zu: „Wir werden noch viel Spaß miteinander haben…“.
Und weg ist sie. Ich komme ins Grübeln. Kim ist also auch hier irgendwo draußen. Kennt sie mich wohl noch? Sie war ja immer sehr zurückgezogen und in sich gekehrt. Hat selbst mit mir nur wenig gesprochen. Gerda hatte es auch auf sie abgesehen gehabt. Hoffentlich hat sie hier nicht wieder so freie Hand.


Lockerungen

Das wöchentliche Feedback-Gespräch mit Frau Dr. Hahn brachte mir tatsächlich einige Erleichterungen. Endlich brauche ich keine Zwangsjacke mehr zu tragen. Nun gut, meine Hände stecken außer beim Essen in dicken Patientenfäustlingen, mit denen ich natürlich nichts greifen kann. Aber ich kann meine Arme wieder bewegen. Und da die Renovierung des Aufenthaltsraumes abgeschlossen ist, müssen wir nicht mehr so lange in unseren Betten ausharren – nur noch bis zur morgendlichen Visite und während der Mittagsruhe. Ich muss auch nicht festgeschnallt im Rollstuhl sitzen, sondern kann als eine der wenigen aus dem Schlafsaal frei herumgehen. Allerdings muss ich aus Sicherheitsgründen, wie es heißt, wieder den Schutzhelm tragen, weiterhin allerdings ohne Ohrenschutz.

Dabei habe ich Kim entdeckt und versucht, mit ihr zu sprechen. Aber sie scheint sehr unter Psychopharmaka zu stehen. In ihrem großen Pflegerollstuhl versinkt Kim fast, die Gurte halten sie einigermaßen aufrecht. Durch ihre dicken Brillengläser schaute sie mich nur ungläubig an und senkte danach wieder ihren Blick. Vielleicht hat sie mich auch nicht erkannt. Der Helm, meine Maske und meine Brille lassen mich schon arg fremd aussehen.

Mir wurde mittlerweile auch die zweite Spritze des Neuroleptikums gespritzt. Aber wahrscheinlich war die Dosis besser auf mich abgestimmt. Ich fühle mich weit weniger wie in Watte und kann mich besser konzentrieren. Allerdings bemerke ich mit Sorge, dass meine zielgerichteten Bewegungen etwas statisch werden, fast schon roboterhaft. Das muss ich unbedingt am nächsten Freitag mit der Ärztin besprechen.

Gerda lässt mich erstaunlicherweise weitgehend in Ruhe. Außer ein paar dahingezischten Bemerkungen habe ich noch nichts von ihr abbekommen. Und ihr Handlanger Eddie scheint auch nichts von mir zu wollen. Hoffentlich bleibt es so.

Zu meiner großen Freude sehe ich Dominik wieder. Der Arme war heftig erkrankt, aber jetzt ist er wieder im Dienst. Und er ist der erste, der sich tatsächlich etwas Zeit für einen nimmt. Dominik sucht das Gespräch, erkundigt sich ernsthaft nach meinem Wohlergehen und hat mir versprochen, die Sache mit meinen Bewegungseinschränkungen mit Frau Dr. Hahn zu besprechen. Das sei wohl eine häufige Nebenwirkung des Medikamentes.
Wie ich übrigens von Dominik erfahren habe, will er nach der Pflegeausbildung Medizin studieren. Er hat die Ausbildung vorgeschaltet, damit er weiß, was auf ihn zukommt, und da, wie er mit einem Lächeln zugab, sein Notenschnitt beim Abitur nicht so ganz den Anforderungen entsprach. Nach ein paar Wartesemestern, so hofft er, wird er wohl den Studienplatz bekommen.

Mittlerweile habe ich auch Dr. Härich kennengelernt, den Assistenzarzt und Vertreter von Frau Dr. Hahn. Ein unscheinbarer, eher zurückhaltender Mensch, der mir aber immerhin in dürren Worten die frohe Botschaft überbrachte, ich müsste wegen guter Führung keine Gesichtsmaske mehr tragen. Schwester Margot macht sich an mir zu schaffen und nimmt mir das Teil ab. „Keine Beißschutzmaske mehr,“ kommentiert sie lakonisch, „also enttäuschen Sie uns nicht.“

So langsam läuft mit der dem Ende zugehenden Renovierung endlich ein Beschäftigungsprogramm an, zumindest hat es so den Anschein. Ein Therapeut bietet zweimal in der Woche eine Rhythmikgruppe an. Was heißt anbieten – es gehört zum Pflichtprogramm. Ist zwar nett, etwas Abwechslung zu haben, aber ich komme mir ziemlich blöd dabei vor, mit meinen dicken Fausthandschuhen eine Trommel zu bearbeiten. In der Gruppe ist kaum jemand, der wenigstens einigermaßen den Rhythmus halten kann. Und der etwa verpeilte Typ da vorn macht es einem auch nicht gerade leichter. Es kommt auf jeden Fall nichts dabei heraus als chaotischer Krach, von einen Zusammenspiel ist nicht annähernd zu reden.


Läuse

Eines Morgens nach dem Frühstück wird es hektisch. Frau Dr. Hahn hat Urlaub und Schwester Margot ebenfalls, also treibt uns Gerda direkt vom Esssaal wieder in unsere Netzbetten. Ich weiß nicht, was los ist, es herrscht nur irgendwie große Aufregung. Und dann kommt Gerdas großer Auftritt: „Liebe Patientinnen“, kündigt sie an, „leider wurden bei einigen von Ihnen heute Morgen Läuse und Nissen in den Haaren gefunden. Nach Absprache mit Dr. Härich müssen wir Sie alle behandeln, damit wir der kleinen Tierchen Herr werden. Sie werden nach und nach in Ihren Betten ins Untersuchungszimmer gefahren. Es besteht kein Grund zur Beunruhigung, wir werden die Lage in den Griff bekommen.“ Dabei verrät ihre Stimme, dass die gute Schwester mehr als beunruhigt ist. Naja.

Als die ersten beiden Frauen in ihren Netzbetten von Eddie und einem anderen Pfleger vom Untersuchungszimmer in unseren Schlafsaal zurückgebracht und neben meinem Bett geparkt werden, traue ich meinen Augen nicht. Die Behandlung besteht aus einer radikalen Rasur der Haare, zwar keine Glatze, aber raspelkurz. Die werden das doch nicht auch bei mir machen, denke ich noch, und dann setzt sich schon mein Bett in Bewegung. Im Untersuchungszimmer erwartet mich schon Gerda. „So, Frau Ferner,“, sagt sie, „dann mal raus aus dem Bett und hier zum Haare schneiden Platz nehmen.“ „Aber ich habe doch keine Läuse“, wende ich ein. „Richtig, und damit das auch so bleibt, werde ich Ihnen jetzt eine schicke Kurzhaarfrisur verpassen. Nur keine Angst, die Haare werden ja nachwachsen.“ Als die Seitengitter hochgeschoben werden und die beiden Pfleger rechts und links von meinem Bett stehen, bekomme ich Panik. Ich lasse mir doch von Gerda nicht die Haare abrasieren. Nun werde ich laut und als die Pfleger mich anfassen wollen, schlage ich mit meinen Fäustlingen nach ihnen. „Das habe ich mir doch bei Ihnen schon gedacht, dass das nicht so einfach ist. Aber wenn es im Guten nicht geht, dann eben anders,“ schreit Gerda. Und dann hält mich Eddie in Rückenlage ganz fest, der andere Typ fasst meinen Arm und Gerda setzt mir eine Spritze. Augenblicklich werde ich ohnmächtig.

Als ich wieder aufwache, spüre ich die ungewohnte Kälte am Kopf. Unwillkürlich versuche ich mit den Händen nach meinem Kopf zu greifen, aber vergebens, sie sind festgeschnallt. Ich sitze fixiert im Pflegerollstuhl und kann auch irgendwie den Mund nicht schließen. Vor meiner Brust hängt eine Art Lätzchen und ich merke, wie mir der Speichel läuft. Ich versuche mich bemerkbar zu machen, kann aber nur ein paar unartikulierte Laure ausstoßen. Jedoch laut genug, dass Gerda sie hört. „Ja, hallo Frau Ferner,“ tut sie katzenfreundlich, „Sie haben einen kurzen Ausflug ins Land der Träume angetreten. In der Zeit haben wir einige Vorkehrungen getroffen, dass Sie nicht wieder auf uns los gehen und uns anschreien. Dieser Whitehead-Mundspreizer ist ein wunderbar effektives Gerät. Zwar nicht so angenehm für die Patienten, aber wie gesagt, sehr wirksam. Mindestens bis zum Mittagessen bleibt der drin und danach wird Dr. Härich entscheiden, wie es mit Ihnen weitergehen soll. Dass Ihr Aufstand Konsequenzen haben wird, ist so sicher wie das Amen in der Kirche.“ Und dann holt sie einen Spiegel und hält ihn vor mein Gesicht. Ich schreie auf, als ich meine verunstalteten Haare sehe, dazu den martialischen Metallspreizer in meinem Mund und dann die großen Augen hinter den dicken Brillengläsern. Und zusätzlich der Speichel, der auf das Lätzchen tropft.

Ich schließe die Augen und Gerda schiebt mich in den Aufenthaltsraum. Es lief doch hier relativ gut, denke ich, und nun? Vor meinem inneren Auge sehe ich noch mal mein Spiegelbild, hoffentlich sieht mich Dominik nicht so. Mir gruselt vor mir selber, ich fühle mich so absolut hässlich und bin es wahrscheinlich auch. Und ich habe Angst. Was werden die noch mit mir machen?

Die Antwort erfahre ich nach dem Mittagessen, bei dem ich ausgerechnet von Gerda gefüttert werde. Aber vorher verbringe ich gefühlt drei Stunden mit diesem Mistding im Mund. Sprechen ist unmöglich, der Speichel läuft aus meinem Mund und so langsam schmerzt mich die Maulsperre. Was für eine Wohltat, als Gerda die Scharniere löst und ich meine Kiefern wieder bewegen kann!

Nachdem ich mit dem Essen fertig bin, schiebt mich Gerda zum Ärztezimmer, wo Dr. Härich hinter seinem Schreibtisch auf mich wartet. „Liebe Frau Ferner“, säuselt er, “es tut mir sehr leid für Sie, aber heute waren Ihre Aggressionen gegenüber dem Pflegepersonal ein ganz klarer Rückschritt in Ihrer Entwicklung. Schwester Gerda kennt sie im Gegensatz zu mir ja schon etwas länger und wir haben uns bezüglich der weiteren und verschärften Maßnahmen abgestimmt. Diese lauten: intensive sensorische Deprivation, Aggressionsprophylaxe, gegebenenfalls Sturzprophylaxe. Jedoch zunächst keine erhöhte Sedierung wegen der Nebenwirkungen bei der derzeitigen geringen Dosierung, es sei denn, es gibt einen akuten Rückfall. Alles Weitere wird Ihnen Schwester Gerda auf der Station erklären. Ich rate Ihnen, mitzuarbeiten, damit diese zugegebenermaßen strengen Maßnahmen bald wieder allmählich zurückgefahren werden können.“ Und damit bin ich entlassen.

„Sie haben es ja selbst gehört“, kommentiert die Schwester, als wir wieder auf der Station sind. „Es ist schon alles vorbereitet. Ja, als hätte ich es vorausgesehen. Eddie macht sie jetzt erst einmal los und dann können Sie Ihre Schutzjacke anziehen.“ Der Pfleger befreit mich von den Gurten in meinem Rollstuhl. Ich stehe auf und recke mich erst einmal. „Und nun schön die Arme nach vorne,“ befiehlt Gerda und schon werden mir die dicken Ärmel übergestreift. Eddie schließt schnell die Schnallen auf meinem Rücken und an meinem Hals, verschränkt meine Arme und zieht die Enden stramm. Zum Schluss schließt er noch den Schrittgurt und nun ist die Welt wieder sicher vor mir. „So gefallen sie mir doch am besten“, begutachtet Gerda mich. Eddie setzt mich zurück in den Rollstuhl und schließt den breiten Brustgurt.
„So, liebe Frau Ferner, es war die Rede von intensiver sensorischer Deprivation. Und dazu brauchen wir das hier“ – sie hält mir dicke Kopfhörer vor die Nase – „das hier“ – was das ist erkenne ich nicht sofort – „und das hier.“ Und dabei hält sie sich selbst eine Brille vor die Augen. Diese vergrößert ihre Augen enorm, die Gläser sind groß und scheinen megadick zu sein. Ansonsten ist das Modell identisch mit dem, was ich seit Wochen fast ununterbrochen trage. Dann faltet Gerda eine weiß-braune Lederapparatur auseinander und ich erkenne mein geliebtes Knebelgeschirr wieder. Das musste ich bei meinem ersten Aufenthalt immer wieder mal tragen, wenn sie mich ruhigstellen wollten, und jetzt ist es wohl wieder so weit. Ich freue mich schon.

„Ich habe für Sie das stärkste Modell aus unserem Fundus“, kündigt Gerda mir an, „plus 15 Dioptrien. Sie werden erst einmal nichts mehr erkennen können.“ Schnell nimmt mir sie die Brille ab und setzt mir die neue auf, auch diesmal mit einem breiten Gummigurt unverrückbar an meinem Kopf festgemacht. Und tatsächlich, ich sehe nichts mehr, nur noch alles verschwommen. „Damit Sie nun auch wirklich nichts mehr sehen können, was Sie nicht angeht,“ erklärt sie, „und damit wir Ihre Kommentare nicht mehr hören müssen, bekommen Sie nun dieses hübsche Teil.“
Und damit legt sie mir das Knebelgeschirr an. Ein dickes Stück Leder verdeckt eng meinen Mund, an meinen Nasenflügeln laufen Lederriemen zu weiteren Ledergurten hoch, die um meinen rasierten Kopf befestigt werden. Und damit ich das Knebelgeschirr auch wirklich nicht verliere, verschließt ein Gurt um meinen Hals es unerbittlich. „So, jetzt wird es gleich ganz leise um Sie herum und dann bringt Eddie Sie für den Rest des Tages in den Auszeitraum. See you later.“ Mit diesen Worten stülpt sie mir die Kopfhörer über und damit verlassen mich alle Eindrücke der Welt um mich herum. Der Rollstuhl setzt sich in Bewegung, Eddie schiebt mich zur Gummizelle und lädt mich dort ab. Und dann bin ich allein.
9. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 22.12.24 17:39

Danke für die schnelle und tolle fortsetzung. Ich bin feuer und flamme mit deiner geschichte. Ich schaue 3-4 mal am tag obs eine fortsetzung gibt. Danke für alles
10. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Giba2000 am 22.12.24 18:41

Um es Frau Ferner etwas erträglicher bei gleicher Wirkung zu machen, könnte ihr die Riesenbrille wieder abgenommen und durch mit Binden befestigte Augenmullkompressen ersetzt werden.
Damit das Knebelgeschirr am kahlen Kopf nicht reibt, könnte sie vor dem Anlegen einen umfangreichen Kopfverband bekommen, der auch die Ohren verschließt.
11. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 22.12.24 19:14

@ redballgagged89: Ich freue mich über dein Lob und dein Mitfiebern.
Die Geschichte ist im Wesentlichen fertig. Muss sie hier und da noch etwas überarbeiten. Aber es wird bald weitergehen.
12. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 22.12.24 23:05

Ja wenn dir die inspiration ausgeht, kannst du mir ja die erlaubnis dafür geben, sie weiter zu schreiben.
13. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 23.12.24 11:35

Der Richter

Ich gehe halb blind durch die Zelle, stoße gegen die Wände und versuche gegen meinen Koller anzukämpfen. Der Kopfhörer nervt und deshalb reibe ich meinen Kopf an den Wänden, um ihn irgendwie abzustreifen. Mal links, mal rechts, so stramm sitzt er gar nicht, ich schüttele dann noch heftig meinen Kopf und das Teil fällt auf den Boden. Endlich. Wenigstens kann ich wieder hören, Stimmen auf dem Gang und die ständigen Geräusche in einer großen Einrichtung.

So langsam muss ich mal auf die Toilette. Ich versuche zu rufen, aber heraus kommt aus meinem Knebelgeschirr nur ein Blöken. Ich versuche ganz lange einzuhalten, aber irgendwann kann ich nicht mehr und erleichtere mich in meine Windel. Oh, wie gut das zunächst tut. Bis ich merke, wie schwer die Windel wird, gehe ich noch einige Male hin und her und dann sinke ich in eine Ecke und lasse meinen Tränen freien Lauf.

Abends holt mich ein Pfleger aus der Gummizelle ab und setzt mich in einen Rollstuhl. Dann fährt er mich in den Esssaal, nimmt mir das Knebelgeschirr ab und dann erwartet mich schon Schwester Gerda.
„Na, so sieht man sich wieder. Einen entspannten Nachmittag gehabt?“ fragt sie. „Schwester Gerda, meine Windel ist voll. Bevor ich esse, könnten Sie vielleicht…“ „Oh, Sie sind inkontinent, Frau Ferner? Das wusste ich ja noch gar nicht. Nein, jetzt haben wir keine Zeit zum Windelwechsel. Später, vor dem Schlafen gehen. Jetzt wird gegessen,“ ist die Antwort. Und dann bekomme ich irgendeinen Fraß reingeschaufelt. Ich habe überhaupt keinen Appetit und lasse die Prozedur über mich ergehen.

Als sie endlich fertig ist, wage ich die Frage, die mir schon so lange im Kopf herumgeht: „Schwester Gerda, warum hassen Sie mich so?“ Die Schwester ist überrascht, aber sie fängt sich schnell: „Ich hasse niemanden, auch nicht Sie. Wie kommen Sie darauf? Frau Ferner, Sie sind krank, sehr krank. Und ich tue das, was medizinisch geboten ist. Hassen? Tzz, tzz.“ Und dann setzt sie mir das Knebelgeschirr auf, so dass ich wieder stumm geschaltet bin. „Ach, übrigens, dass Sie Ihren Kopfhörer abgestreift haben, war gegen die ärztliche Anweisung. Seien Sie doch nicht so renitent.“ Und mit diesen Worten stülpt sie mir das Teil wieder über und ich versinke in meiner stillen Welt.

Knebelgeschirr, Kopfhörer, die superdicken Brillengläser, S-Fix im Gitterbett, Zwangsjacke, Rollstuhl und Gummizelle – das ist meine Welt für die nächsten Tage. Ich langweile mich endlos, ich glaube, ich verblöde, aber irgendwann ist Freitag, Zeit für das wöchentliche Arztgespräch. Dr. Härich meint es gut mit mir. Er empfiehlt, auf die Kopfhörer erst einmal zu verzichten, und statt Zwangsjacke die dicken weichen Fäustlinge anzuziehen. Aber alles andere bleibt und ich hangele mich von Gitterbett zum Frühstück, vom Frühstück zum Gitterbett, vom Gitterbett zum Mittagessen, dann in die Weichzelle und abends wieder sorgfältig mit den Gurten vollfixiert ins Gitterbett zurück.

Dann kündigt mir Schwester Gerda irgendwann mittags richterlichen Besuch an. „Richter Ahrends ist hier und möchte Sie kennenlernen. Damit Sie mit ihm kommunizieren können, verzichten wir dann auf das Knebelgeschirr und nehmen Ihnen die Brille ab. Ich hoffe, Sie zeigen sich von Ihrer besten Seite!“ Sie nimmt mir das Leder ab und setzt mir die dicken schweren Gläser ab. Was für eine Wohltat! Meine Augen brauchen eine Weile, um wieder klar sehen zu können. Dann führt sie mich in ein Büro.

Dort sitzt ein unglaublich dicker Mann hinter dem Schreibtisch und begrüßt mich. „Darf ich mich vorstellen, Ahrends vom Amtsgericht. Sie sind, mmh“, er sucht irgendwas in seinen Unterlagen, „Sie sind also Frau Ferner. Frau Ferner, wie geht es Ihnen?“ „Soll ich ehrlich sein?“ frage ich zurück. „Schlecht, sehr schlecht. Ich will hier nicht mehr sein.“ „Nun, das Leben ist kein Ponyhof. Ich bin hier, um die Zwangseinweisung zu überprüfen und habe Ihre Akte durchgesehen. Ich werde dem Gericht wahrscheinlich empfehlen, die Zwangseinweisung bis zu unserem nächsten Treffen so lange aufrecht zu erhalten, wie es medizinisch geboten ist.“ „Heißt das, ich muss hier bleiben?“ schrecke ich auf. „Frau Ferner, Sie sind medizinisch hier in besten Händen,“ säuselt der Mann. „In besten Händen?“ schreie ich ihn an. „In besten Händen? Im Bett immer fixiert, tagelang in Zwangsjacke und mit Knebelgeschirr. Das nennen Sie in besten Händen?“ „Frau Ferner“, wieder diese scheußliche Freundlichkeit, „ich bin nicht befugt, über ärztliche Maßnahmen zu entscheiden, bin aber sicher, sie sind medizinisch notwendig. Ich entscheide über Ihren Aufenthaltsort und der wird wohl für die nächsten Wochen hier sein.“ „Die nächsten Wochen?“ „Ich werde noch mit Ihrem Psychiater sprechen, der Sie eingewiesen hat, und ich habe hier den Bericht von Haus Waldstetten. In ein paar Wochen bin ich wieder hier und dann sehen wir weiter. Ich weiß Sie hier sehr gut aufgehoben.“ Das ist zu viel für mich. Ich springe auf und schreie den Mann an: „Noch Wochen, in dieser Hölle?“ Damit baue ich mich vor seinem Schreibtisch auf. „Bitte, Frau Ferner, beruhigen Sie sich doch“, beschwichtigt der Richter. Schwester Gerda legt mir die Hand auf die Schulter und drückt mich auf den Stuhl zurück. „Ach, bitte notieren Sie,“ wendet er sich an die Schwester, „im Hinblick auf eine gesetzliche Betreuung der Patientin, die Sie angeregt haben, werde ich noch mit dem Betreuungsgericht sprechen. Frau Ferner, wir hier sind fertig. Sie können jetzt gerne wieder auf Station. Oder haben Sie noch eine Frage?“ Wir klingen die Worte Zwangseinweisung und gesetzliche Betreuung noch durch den Kopf. Ich könnte diesen Affen in seiner schmierigen Art ohrfeigen. Und als er sich hinter seinem Schreibtisch hervorwälzt, um mir väterlich seine Pranke auf die Schulter zu legen und mir gute Besserung zu wünschen, ist es um mich geschehen. Ich springe auf, schubse ihn beiseite, schüttele auch Gerda ab und laufe zur Tür – geradewegs in die Arme zweier Pfleger. Die halten mich fest, ich winde mich in ihren Griffen, trete um mich, höre Gerda „Akutfall“ schreien und werde auf eine Liege geworfen. Kräftige Hände schnallen mich fest, ich sehe das Gesicht von Dr. Härich, spüre die Spritze im Arm und dann wird es Nacht.


Ganz unten

„Frau Ferner, hören Sie mich, Frau Ferner“, weckt mich die Stimme des Arztes. Ich schlage meine Augen auf und versuche zu antworten, aber meine Stimme gehorcht mir nicht. Ich brabbele nur ein paar unverständliche Laute vor mich. „Ich glaube, Sie sollten sich erst einmal gründlich ausruhen“, schlägt der Arzt vor und lässt mich in der Obhut der Pfleger. Ich realisiere, dass ich angeschnallt in einem Rollstuhl sitze, jedoch keine Handschuhe mehr anhabe, keinen Helm mehr, ja auch keine Brille. Trotzdem erscheint mir alles sehr unscharf, ich kann nur wie durch einen Schleier sehen.

Ich versuche meinen Arm zu heben, aber er gehorcht mir nicht. Mein Kopf ist durch ein Lederband an der Kopfstütze festgeschnallt, sonst könnte ich ihn überhaupt nicht aufrecht halten. Meinen Mund kann ich kaum schließen, immer wieder lässt meine Gesichtsspannung nach und der Speichel läuft. „Wir fahren Sie jetzt erst einmal in den Aufenthaltsraum“, sagt ein Pfleger, „Sie sind noch zu sehr geschwächt, um eigenständig gehen zu können.“ Ich versuche zu fragen, wie lange dieser Zustand dauern wird, aber heraus kommt wieder nur ein undeutliches Genuschel. Dann wird mir noch ein Gummilatz umgelegt und ich werde weggefahren.

Das Abendessen kann ich kaum zu mir nehmen, weil mein Mundschluss nicht funktioniert. Die Nahrung läuft einfach wieder aus meinem Mund. Es ist furchtbar, ganz klar zu denken, wieder richtig wach zu sein, und festzustellen, dass die einfachsten Bewegungen nicht mehr funktionieren. Später werde ich von starke Armen auf die Wickelliege gehoben, bekomme ein frische Windel und dann geht es ins Netzbett. Zum ersten Mal seit längerer Zeit werde ich nicht fixiert, in meinem Zustand kann ich ja sowieso niemanden etwas antun.

Am nächsten Morgen ist Frau Dr. Hahn wieder da und führt ihre Visite zusammen mit Dr. Härich bei mir durch. „Das gefällt mir nicht, das gefällt mir ganz und gar nicht“, wendet sie sich an den Kollegen. „Frau Ferner reagiert hochempfindlich auf Neuroleptika. Sie haben sie ja regelrecht abgeschossen. Ich denke, wir müssen Frau Ferner über eine Sonde ernähren, sonst hat sie zu wenig Nährstoffe und kommt überhaupt nicht aus ihrem Zustand heraus.“ „Was meinen Sie, wie lange kann das anhalten?“ fragt Dr. Härich. „Ich weiß es nicht“, antwortet die Ärztin, „ vielleicht drei Wochen? Irgendwann ist aber ein Kipppunkt erreicht und dann wird die Patientin zum permanenten Pflegefall.“ „Ich will es ja nicht hoffen“, fügt sie hinzu. Und das Ganze höre ich bei vollem Bewusstsein, unfähig mich mitzuteilen oder mich zu rühren.

Und so wird mir noch an diesem Vormittag eine Magensonde gelegt, damit ich ihnen nicht verhungere. Eine sehr unangenehme Geschichte. Ab sofort werde ich mehrmals am Tag mit spezieller Sondennahrung versorgt.

Die nächsten Tage vergehen alle gleich. Nachts werde ich regelmäßig im Bett gedreht, damit ich mich nicht wund liege. Das gleiche auch tagsüber bei meiner langen Mittagsruhe. Gefüttert werde ich weiterhin im Rollstuhl über die Sonde. Schmecken tue ich so natürlich nichts. Es ist ein absolut reizloses Dasein. Und das Schlimme ist, dass ich alles total mitbekomme, auch wenn ich wie ein debiler Idiot aussehe mit meinem meist offenstehendem Mund.

Nach ca. zwei Wochen bekomme ich bei der täglichen Visite von Frau Dr. Hahn ein Gespräch von ihr mit Schwester Margot mit. „Wenn der Zustand von Frau Ferner noch weitere zwei Wochen so anhält, dann erwarte ich keine grundlegende Besserung mehr.“ „Das heißt, wir können ihr nicht mehr helfen?“ „Nein, die Patientin ist ja hundertprozentig pflegebedürftig. Wir haben auf längere Sicht gar nicht die Kapazitäten, sie rund um die Uhr zu versorgen. Wir müssen ihren Platz hier frei machen. Die Warteliste ist lang genug.“ „Und was passiert dann mit ihr?“ „Nun, wir müssen uns jetzt schon um einen Platz im Pflegeheim kümmern.“ „Und das ist dann die Endstation?“ „Ich fürchte, ja.“
Als ich das mitbekomme, läuft es mir kalt den Rücken herunter. Schlimmer kann es nicht kommen.
14. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 24.12.24 23:01

Danke vielmals für die erneut rasche und tolle fortsetzung. Gehts noch weiter oder ist es zu Ende? Hoffe nicht, dass sie im pflegheim landet. Muss doch noch ein platz im waldstetten für sie freigemacht werden, als Dauerpatientin.
15. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 26.12.24 21:35

Hoffnungen

Am nächsten Morgen taucht Dominik plötzlich wieder auf. „Hallo Frau Ferner, ich habe erfahren, was passiert ist. Ich war länger nicht hier, hatte einige Prüfungen zu absolvieren. Aber in den kommenden zwei Wochen habe ich Dienst, auch bei Ihnen.“ Ich bin froh, jemand zu sehen, der mich mag, auch wenn ich alles andere als anziehend aussehe. Ich bin ein sabberndes Etwas mit kurz geschorenem Haar. Dominik greift nach meiner rechten Hand. „Versuchen Sie mal, Ihre Hand in meine zu drücken,“ fordert er mich auf. Tatsächlich schaffe ich es Druck aufzubauen. „Prima, und jetzt fünf Mal.“ Ich gehorche ihm widerspruchslos. „Und nun die andere Hand. Ja, so ist es gut.“ Und dann geht die Aktivierung weiter. Dominik macht mir Mut, mich anzustrengen und meine Muskeln anzuspannen. Und ich strenge mich an. Jetzt wo er da ist, habe ich weder Hoffnung, aus meinem hilflosen Zustand herauszukommen.

Und ich weiß nicht, ob es seine Zuwendung ist oder ob die Sedierung jetzt doch endlich allmählich nachlässt: an jedem Tag mache ich merkliche Fortschritte. Nach drei Tagen kann ich wieder frei sitzen und willkürlich Arme und Beine bewegen. Auch mein Mund schließt sich wieder. Allerdings kann ich weiterhin nur unscharf sehen. Zwar etwas besser als vorher, aber es erscheint mir noch recht verschwommen.
Frau Dr. Hahn schaut nun häufiger vorbei und ist sichtlich erleichtert über meine Fortschritte. Sie hat tatsächlich eine Physiotherapeutin aus dem Haupthaus geholt, die mit mir zweimal täglich Übungen macht und mir für die Zwischenzeit Hausaufgaben aufgibt. Und am Ende dieser Woche ist es so weit. Ich stehe vorsichtig alleine auf und gehe – zwar noch etwas wackelig – mehrere Schritte ohne Begleitung. Ich freue mich total und falle der Therapeutin um den Hals. Sie piept Dominik an und freudestrahlend mache ich ein paar Schritte auf ihn zu. „Wir müssten nun unbedingt am Muskelaufbau arbeiten,“ meint die Physio, „aber leider haben wir hier drin so gut wie keine Möglichkeiten. Noch nicht einmal Treppen gibt es hier. Aber morgen bringe ich einige Materialien mit.“

Und so gehen auch in der folgenden Woche die Therapieeinheiten weiter, bis ich fast wieder bei meiner alten Kraft bin. Essen und trinken kann ich auch wieder. Ich bin so froh, dass es wieder aufwärts geht. Kaum auszudenken, wenn ich wirklich ein Pflegefall geblieben wäre!
Und das Schöne ist, meine neu gewonnene Selbständigkeit wird durch keine Restriktionen eingeengt. Die lassen mich hier einfach machen. Ich gehe zur Musiktherapie und zur Gymnastik, esse selbständig mit den anderen oder verbringe Zeit im Aufenthaltsraum. Schwester Gerda, mein Quälgeist hat noch einige Tage Urlaub und kann sich daher nicht einmischen.

Am Donnerstagmittag setzt sich Dominik zu mir. Wir sind mittlerweile beim Du. Ich lächle ihn an und sage ihm, wie gut es mir tat, dass er sich um mich gekümmert hat. Er strahlt zurück und teilt mir mit, dass er sich über meine Fortschritte auch über Maßen gefreut habe. „Allerdings, Katrin, morgen ist mein letzter Tag vor meinem sogenannten Urlaub. Ich werde vier Wochen nicht hier sein, weil ich meine schriftlichen Prüfungen habe und vorher zur Vorbereitung überstundenfrei genommen habe,“ und er lächelt wieder so süß, „wenn ich wiederkomme, möchte ich noch weitere Fortschritte sehen.“

Mein Herz macht einen kleinen Aussetzer. Dieser Mann ist gerade mein Anker hier, mein Lichtblick, und bald muss ich vier Wochen ohne ihn auskommen. Aber da sind noch mehr Sachen, die mich bewegen. „Ich habe ein paar Fragen, kann ich sie dir jetzt stellen?“ frage ich Ihn mit neuem Ernst in der Stimme. „Gerne,“ antwortet er, “worum geht es denn?“ „Nun, eigentlich sollte ich gar nicht hier sein,“ fange ich an. „Wenn in Bodenhain ein Platz frei gewesen wäre, wäre ich dorthin gekommen. Weißt du, wie die Pläne der Ärzte sind? Wann kann ich wieder hier weg und ins Haupthaus überwechseln?“ „Oh, ich werde heute noch in Ihrer Patientenakte gucken oder, falls da nichts steht, mich erkundigen. Aber wenn es da Pläne gäbe, hätte man es dir schon sagen müssen.“ „Und kannst du nicht gleich nachsehen? Es wäre sehr wichtig für mich.“ „Okay, ich mach schon. Bis später. Aber mach dir bitte nach dieser Sache mit dem Richter nicht zu viel Hoffnungen.“

Und zehn Minuten später ist Dominik mit besorgten Gesicht zurück. „Es gab tatsächlich vor kurzem die Mitteilung vom Haupthaus, dass da nun ein Platz für dich frei sei. Und dies ist abgelehnt worden mit der Begründung, dass du aufgrund deines mentalen Zustandes zurzeit und voraussichtlich auch in Zukunft hier besser aufgehoben seist.“ Und als er meine Enttäuschung sieht, fügt er noch hinzu: „Es tut mir leid, dir keine bessere Nachricht überbringen zu können.“ Ich atme schwer. Die folgenden Fragen müssen nun einfach heraus: „Dominik, sei bitte ehrlich. Hast du schon erlebt, dass jemand Waldstetten verlassen hat.“ Er wird etwas verlegen. „Nur Pflegefälle“, erwidert er stockend. „In den neun Monaten, in denen ich hier bin, ist tatsächlich noch nie jemand ins Haupthaus gewechselt oder gar entlassen worden.“ „Und warum bekommt hier niemand Besuch?“ „Ja, in den ersten drei Monaten ist kein Besuch gestattet und danach werden alle Anfragen abgewimmelt mit dem Hinweis, dass dies für die Heilung nicht förderlich wäre.“ „Der Richter hat was von Entmündigung gesagt. Meinst du, er macht ernst?“ „Nun ja, das weiß ich nicht so genau. Ich kann mir aber vorstellen, dass hier viele Patientinnen unter Betreuung stehen.“ „Noch was, Dominik, ich kann seit der Spritze nicht mehr gut sehen. Ich habe sowieso keine ganz guten Augen, aber so unscharf war es noch nie. Gibt es da irgendeinen Zusammenhang mit der Sedierung?“ „Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich weiß nur, dass Dr. Härig dir ein Hammer-Mittel verabreicht hat. Und ich habe gehört, dass es bei einigen Menschen zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen kann.“

„Und, Dominik, noch eine für mich ganz wichtige Frage: hältst du mich für verrückt?“ Und da kommt die Antwort spontan und ohne Herumdruckserei – und ich glaube, dass sie ehrlich ist: „Nein, Katrin, das bist du nicht. Ein bisschen unkontrolliert vielleicht, aber wenn ich ehrlich bin, hast du hier in dieser Einrichtung nichts zu suchen.“ „Dominik,“ sage ich nun etwas fester, „ich will hier raus. Die halten mich ja sonst, wie du gesagt hast, für immer hier. Die machen mich verrückt. Und wenn Schwester Gerda wiederkommt, weiß ich nicht, ob ich mich noch kontrollieren kann. Und dann haben sie erst recht einen Grund.“
Er wirkt jetzt sehr nachdenklich: „Hast du enge Verwandte, die man verständigen kann?“ „Nein, wir waren nur eine sehr kleine Familie. Meine Eltern leben nicht mehr. Außer zwei Freunden (und dabei denke ich an Melanie und Sven) habe ich niemanden mehr.“ „Und was ist mit dem Psychiater, der dich für Bodenhain eingewiesen hat?“ „Zwangseingewiesen,“ verbessere ich ihn, „ich fürchte, für den guten Mann war ich eher lästig. Mein Smartphone wurde ja bei meiner Ankunft einkassiert wie die anderen Sachen. Wie kann ich ihn jetzt erreichen?“ „Ich muss noch nachdenken,“ sagt Dominik, „ wie komme ich denn an seine Telefonnummer und an die deiner Freunde? An dein Handy käme ich schon heran.“ „Der Psychiater heißt Aschdorf. Dr. Aschdorf in H. Weißt du was, ich gebe dir meine PIN, das ist nämlich mein Geburtstag, und würdest du dir dann die Nummern von Melanie und Sven aufschreiben und sie am Wochenende anrufen? Es wäre sicher gut, wenn jemand da draußen weiß, wo ich gelandet bin.“ „Das will ich gerne machen. An deine Sachen komme ich als zuständige Pflegekraft ganz legal heran. Und dann werde ich die beiden informieren.“ „Oh, vielen, vielen Dank dafür. Du musst wissen, Sven war ein Pfleger in Bodenhain. Und nach meiner Entlassung dort, kündigte er auch bald und wir waren eine Zeitlang zusammen. Aber das ging leider wieder auseinander… Vielleicht hat Sven eine Idee, wie man mir helfen kann.“ „Und wer ist Melanie?“ „Sie war auch in Bodenhain. Wir waren in einem Zimmer. Und nachdem wir entlassen worden waren, wurde sie meine beste Freundin.“ „Ich möchte dir gern helfen. Aber jetzt müssen wir aufhören. Schwester Margot guckt schon zum dritten Mal zu uns herüber. Vertraulichkeiten gelten als unprofessionell und werden nicht gern gesehen. Ich gehe jetzt lieber. Morgen mehr davon.“ Dominik steht auf und geht zu Schwester Margot, erklärt ihr irgendwas. Morgen sehe ich ihn wieder, leider zum erst einmal letzten Mal.

Beim Frühstück am Freitag kommt er kurz zu mir. „Schwester Margot ist misstrauisch. Sie hat mich heute zu anderen Patienten eingeteilt. Nur so viel: ich habe die Nummern und werde mich kümmern. Und, Katrin, falls wir uns heute nicht mehr sehen: ich wünsche dir alles Gute. Gerda tritt nachher wieder ihren Dienst an. Lass dich nicht von ihr provozieren.“


Der Isolationsraum

Am Nachmittag kommt es im Aufenthaltsraum, in dem ich mich langweile, zur unausweichlichen Begegnung. Schwester Gerda ist wieder da; frisch erholt und voll Tatendrang. „Oh, hallo Frau Ferner,“ ist ihre Begrüßung,“ wie ich sehe, geht es Ihnen wieder gut. Dann wird ja bald Ihre Therapie starten können. Morgen Vormittag sind Sie bei den Ärzten vorgeladen.“ Ich sage lieber gar nichts und lasse die Schwester reden. „Na, hat es Ihnen die Sprache verschlagen? Gut, lieber so als ihre aufsässigen Reden. Aber ich habe Sie ja vor meinem Urlaub in einem ganz anderen Zustand gesehen. Im gewissen Sinne pflegeleicht. Zumindest musste man vor Ihnen nicht auf der Hut sein. War auch nicht schlecht.“ „Ach, lassen Sie mich doch in Frieden,“ presse ich nun doch hervor. „Sie können ja doch noch sprechen,“ grinst mich die Schwester an, „na mal sehen, wie lange noch.“ Und damit lässt sie mich erst einmal stehen.

Zehn Minuten später kommt sie mit Eddie vorbei. „Hier liegt einiges im Argen,“ erklärt sie ihm. „Sehen Sie Frau Ferner?“ fragt sie den Pfleger. „Wenn jemand so hoch aggressiv ist, wie kann man sie dann so ohne weiteres herumlaufen lassen?“ „Frau Ferner“, baut sie sich vor mir auf, „ was genau morgen an Maßnahmen besprochen wird, weiß ich nicht. Aber eins weiß ich, so ungeschützt lasse ich sie nicht herumlaufen. Wir ziehen Ihnen die Patientenhandschuhe an. Das ist ja das Mindeste.“ Und da reitet es mich und ich kann meine Widerrede nicht verhindern: „Dürfen Sie das überhaupt? Ist das mit den Ärzten abgesprochen?“ „Tzz, tzz, tzz. Meinen Sie, ich tue unerlaubte Dinge. Natürlich darf ich das, wenn Gefahr in Anmarsch ist. Und das ist bei Ihnen immer gegeben. Und nun die Hände nach vorne.“ Ich gehorche lieber und Eddie zieht mir die dicken gepolsterten Fäustlinge über die Hände und schließt sie fest um meine Unterarme. „Und ehe sie weiter hin so renitent daher reden, haben wir Ihnen Ihr Knebelgeschirr mitgebracht, das Eddie Ihnen nun anlegt. Und wenn Sie noch mehr wollen, Ihre Schutzjacke oder ein Rollstuhl ist stets in Reichweite.“ Und schon legen sich die Ledergurte um meinen Kopf und meinen Hals, das Vorderteil schließt sich eng um meinen Mund, ich rieche wieder das vertraute Leder und dann kann ich nur noch grunzen. „Ja, so gefallen Sie mir richtig gut“, kommt die hämische Bemerkung der Schwester. „Bis zum Abendessen werden Sie nun hoffentlich still sein.“

Da höre ich Dominiks Stimme: „Schwester Gerda, vielleicht wussten Sie es nicht, aber Frau Ferner ist zur Zeit ohne Restriktionen.“ „Oh, ein Auszubildender will mir erklären, wie ich die Patientinnen zu behandeln habe. Ein Auszubildender untergräbt meine Autorität vor den Patientinnen. Eddie, bringen Sie Frau Ferner, so wie sie ist, in die Weichzelle. Und mit Ihnen, Herr Schlegel, wird noch ein Gespräch anstehen, im Beisein der Klinikleitung. Am besten heute noch. Verlassen Sie sich darauf.“

Nachdem ich eine Zeitlang in der Gummizelle verbracht habe, werden mir zum Essen die Handschuhe und das Knebelgeschirr wieder abgenommen. Später bekomme ich eine Nachtwindel in die Hand gedrückt, ich solle mich bettfertig machen. Und dann nach der Abendtoilette rasch ins Netzbett. „So langsam ist die Renovierung der Räume abgeschlossen“, erklärt mir Eddie, “dann wird der Schlafsaal allmählich aufgelöst. So weit ich weiß, soll das hier drin Ihre letzte Nacht sein. Und morgen früh ziehen Sie wieder eine Windel an.“ „Wieso das denn?“ frage ich. Er zuckt nur mit den Achseln: „So lautet die Order.“

Am nächsten Morgen lege ich mir also eine Windel um, ziehe meinen Overall an und gehe zum Frühstück. Kaum bin ich fertig, werde ich von einem fremden Pfleger angesprochen, einem wahren Hünen: „Ich bringe Sie jetzt ins Sprechzimmer. Und keine Mätzchen bitte.“ Er fasst mich am Arm und führt mich über den Gang in das Zimmer zu Frau Dr. Hahn. Die fällt gleich mit der Tür ins Haus: „Guten Morgen, Frau Ferner, ich mach`s kurz. Es ist schön, dass es Ihnen wieder besser geht und wir mit der Anti-Aggressionstherapie beginnen können. So eine Sache wie bei Richter Ahrends darf nie wieder vorkommen und deshalb werden Sie jetzt an einer sehr restriktiven Therapie teilhaben. Glauben Sie mir, es wird das Beste für Sie sein. Sie machen jetzt alles, was wir sagen, klar? Marcel, fangen Sie an.“

„Bitte zunächst die Hände nach vorne,“ fordert mich der bullige Pfleger auf und dann streift er mir die Ärmel der Zwangsjacke darüber, zieht von hinten die Gurte stramm, kreuzt meine Arme, befestigt die Schlaufen an meinem Rücken und zieht zum Schluss den Schrittgurt stramm. „So, die Jacke bleibt an. Zunächst ununterbrochen,“ befiehlt die Ärztin. Dann legt Marcel mir einen kurzen Gurt um die Knöchel, so dass ich nur noch kleine Schritte gehen kann. „Sehen Sie,“ säuselt die Ärztin, „kein Schlagen und kein Weglaufen mehr. Und auch kein Sprechen.“ „Machen Sie den Mund auf,“ befiehlt der Pfleger und er fuchtelt mit einer Art großen Schnuller vor meinem Gesicht herum. Ich öffne brav meinen Mund, das Ding dringt in meinen Mundraum und der Schnuller wird mit einem Gurt an meinem Hinterkopf befestigt. „Was soll das?“ lalle ich. Ungerührt befestigt Marcel einen Schlauch mit einem kleinen Ballon an der Kappe vor meinen Lippen und dann beginnt er den Knebel aufzupumpen. Dieser füllt immer mehr meinen Mundraum, bis ich nur noch fiepen kann. „Das Teil werden Sie außer beim Essen tagsüber immer tragen. Zumindest die nächste Zeit. Nachts werden wir Ihnen Ihr Knebelgeschirr anlegen. Jegliche Kommunikation ist vorerst untersagt,“ erklärt die Ärztin, „Sie gehören zu den ersten, die in unseren neu gestalteten Isolationsraum kommen. Nach zwei Wochen sind, wenn Sie sich bewähren, erste Lockerungen vorgesehen. Es hängt also an Ihnen, wie lange Sie die Schutzjacke tragen und ab wann Sie wieder sprechen dürfen. Marcel wird Sie nun hinfahren.“ Er drückt mich in einen Rollstuhl, schnallt mich an und dann geht es über verschiedene Flure in einen Trakt des Gebäudes, den ich noch gar nicht kenne. Er öffnet eine Tür und gerade so erkenne ich, dass in dem großen Raum in jeder Ecke eine Art Käfig steht. Abgeteilte Ecken mit Maschendraht bis hoch zur Decke, jede vielleicht drei mal drei Meter groß. Ein Bett steht darin und sonst nichts. In zwei Käfigen kann ich Patientinnen erkennen, die auf ihren Betten sitzen. So einen Raum kenne ich vom Haupthaus. Da wurde ich bei meinem ersten Aufenthalt ein paar Mal weggeschlossen.

„So ich zeige Ihnen erst einmal die Örtlichkeiten,“ sagt Marcel, „denn das soll für die nächsten vier Wochen Ihr Zuhause sein. Dann sehen wir weiter.“ Er öffnet eine Tür und schiebt mich in eine Art Hygieneraum mit Dusche und einer Wickelunterlage, an den Fixiergurte herunterhängen. „Ist natürlich für den Windelwechsel,“ kommentiert er. „Und hier,“ und damit rollt er mich einmal quer durch den Raum, „nehmen Sie Ihr Essen ein.“ Ich sehe eine Polsterbank mit hohen Lehnen und mehrere Gurte, die an der Wand befestigt sind. „So, und jetzt in Ihr Zimmer.“ Er öffnet einen der Käfige, der den beiden schon besetzten gegenüber liegt und fährt mich herein. „Sie haben jetzt genug gesehen“, kündigt er mir an, „zur sensorischen Deprivation setze ich Ihnen eine Brille auf. Viel werden Sie dadurch nicht erkennen können.“ Ich habe geahnt, dass das noch für mich vorgesehen war. Das Ausblenden der visuellen Reize steht hier ja ganz hoch im Kurs. Marcel verschwindet eben im Hygieneraum und kommt dann mit Brille und Helm zurück. Es ist die gleiche Brille mit den superstarken Gläsern, die ich vor dem Treffen mit dem Richter tragen musste. Schon platziert Marcel sie vor meinen Augen und befestigt die Bügel und Gummigurte am Hinterkopf. Augenblicklich versinkt alles in noch milchiger Unschärfe, als ich sowieso schon sehe. Dann stülpt er mir den gepolsterten Helm über den Kopf – natürlich als Schutzmaßnahme und auch etwas, was ich schon fast vermisst hatte – und dann hilft er mir aus dem Rollstuhl. Er führt mich zum Bett, schließt die Tür ab und wünscht mir noch einen erholsamen Aufenthalt. Dann höre ich, wie er den Raum verlässt und die Tür von außen abschließt. Ich lasse mich auf das Bett fallen und dann ist fast Stille. Ich höre nur noch das Fiepen der beiden anderen Frauen, wahrscheinlich genauso verschlossen wie ich.
16. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 27.12.24 10:17

Danke für die vielen fortsetzungen über die weihnachtstage. Deine geschichte ist super.
17. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 27.12.24 20:41

Danke dir für deine Meinung. Das beflügelt.
18. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 27.12.24 20:46

Im Käfig

Doch schon bald wird die Ruhe gestört. Die Tür geht wieder auf und ich höre Schwester Gerdas Stimme. „So, angekommen, Frau Lorenz, ein Zimmer ist noch für Sie frei. Marcel, setzen Sie ihr bitte Brille und Helm auf und führen Sie die Patientin in ihre neue Unterkunft.“ Ah, denke ich, Kim ist also auch hier. Ich höre, wie die beiden sich an ihr zu schaffen machen, höre ihr unterdrücktes Wimmern und dann, wie eine Tür auf- und dann bald wieder abgeschlossen wird.

„So und nun alle mal herhören, liebe Damen,“ beginnt Gerda, „ich bin Schwester Gerda und für diesen Raum hier zuständig. Der Isolationsraum ist ganz neu und Sie haben die Ehre, diesen als allererste Patientinnen nutzen zu dürfen. Ihr Mindestaufenthalt beträgt vier Wochen. In diesen vier Wochen werden Sie diesen Raum nicht verlassen und Ihr Zimmer nur zum Essen, Duschen und Windelwechsel. Sie alle vier beginnen mit einer recht strengen Therapie. Nach und nach können bei guter Kooperation die Maßnahmen zurückgefahren werden, bei auffälligem Verhalten jedoch auch verstärkt werden. Haben Sie mich soweit verstanden? Dann nicken Sie mit dem Kopf.“ Ich tue wie geheißen und Gerda scheint mit dem Feedback sehr zufrieden zu sein. „Wir werden Sie weitgehend allein lassen. Jedoch stehen Sie alle vier unter permanenter Kamerabeobachtung, so dass wir jederzeit eingreifen können. Ein miteinander Sprechen ist zunächst strengstens verboten. Deshalb werden Sie erst einmal dauernd Ihre Knebel tragen. Außer beim Essen natürlich, und auch da herrscht Redeverbot. Wer dagegen verstößt, hat die Konsequenzen zu tragen. Das Essen wird Ihnen angereicht werden, so dass Sie Ihre Schutzjacken den ganzen Tag tragen können. Zur Abendhygiene bekommen Sie diese ausgezogen. Die Nacht verbringen Sie fixiert in Ihren Betten. Sie werden permanent eine Windel tragen. Der Windelwechsel ist morgens, mittags und abends. Das wäre es an Informationen und nun wünsche ich Ihnen einen angenehmen Aufenthalt. Es liegt an Ihnen, diesen nicht unnötig zu verlängern.“ Und mit dieser beeindruckenden Rede verlässt sie mit Marcel den Raum.

Und dann ist wieder Stille, bis auf das schwere Atmen mit dem Knebel und hin und wieder das Geräusch von herumschlurfenden Schritten. Ich weiß die ganze Situation noch nicht einzuordnen, fatalistisch habe ich heute Morgen alles hingenommen, um meine Ruhe zu haben und um nicht aufzufallen. Nun, Ruhe habe ich hier eine ganze Menge, wahrscheinlich mehr als mir lieb ist. Ich lege mich aufs Bett, auf dem natürlich die Gurte drapiert sind. So langsam wird mein Mund trocken, der aufgepumpte Gummiknebel im Mund macht mir so langsam zu schaffen. Die Zwangsjacke ist zum Glück nicht allzu stramm angezogen, so dass mir die Arme nicht einschlafen.
Ich versuche etwas zu dösen, doch irgendwann meldet sich meine Blase. Ich rutsche hin und her, werde immer nervöser, aber ich weiß, ich werde es nicht bis zum Mittag einhalten können. Irgendwann stehe ich auf und erleichtere mich. Was für eine Wohltat! Natürlich wird die Windel jetzt merklich schwerer, aber das ist die Sache wert.

Später höre ich wieder Schwester Gerda, diesmal durch einen Lautsprecher: „Meine Damen, in einer halben Stunde ist Mittagessenzeit. Gleich kommt jemand, um Sie frisch zu machen.“ Und nach dieser freundlichen Ankündigung kommen auch schon zwei Pflegerinnen herein, ich höre, wie Türen aufgeschlossen werden, Schritte sich in Richtung Hygieneraum entfernen und wiederkommen. Und die die fertig sind, werden wohl, wie ich vermute, bereits auf die Bank zum Mittagessen gesetzt. Dann wird die Tür meines Käfigs geöffnet. Die beiden Frauen nehmen mich in ihre Mitte und führen mich zum Wickeltisch. Dort befreien sie mich erst einmal von meiner Zwangsjacke, legen mir aber sofort Patientenfäustlinge an. Dann werde ich ohne viele Worte auf die Liege gesetzt, mein Oberkörper wird heruntergedrückt und dann fixieren mich die beiden mit Lederriemen unter der Brust und an der Stirn. Meine Arme werden in offene Schalen geführt und dort ebenfalls fixiert. Und dann machen sie die Pflegerinnen an die Arbeit, öffnen den Beinreißverschluss meines Overalls, entfernen die volle Windel und säubern mich. Dann eine frische Windel an, der Reißverschluss wird wieder geschlossen und ich werde allmählich aus meinen Fixierungen befreit. Zum Schluss werden mir die Handschuhe wieder ausgezogen und ich bekomme sofort die Zwangsjacke wieder an. Geredet wird nur das Nötigste mit mir, kurze Anweisungen und Befehle.

Dann führen mich die zwei zu meinem Essensplatz. Ich setze mich auf die gepolsterte Bank, wo ich dann sofort wieder fixiert werde. Ich könnte ja auf den Gedanken kommen, das erlesene Mittagessen zu verlassen! Zuerst wird mein Oberkörper fest mit einer Fixierweste an die Rückwand geschnallt, dann legt sich ein Lederriemen um meinen Hals und ein weiterer Riemen wird mit meinem Helm verbunden. Unverrückbar sitze ich nun da und warte auf das Essen.

„So, meine Damen, nachdem Sie nun alle zum Essen Platz genommen haben, noch einige Anweisungen,“ lässt sich Schwester Gerda vernehmen. „Sie bekommen jetzt Ihre Knebel abgenommen. Das wird aber kein Grund sein, zu sprechen. Dies ist absolut verboten und wird mit einer Strafe geahndet. Halten Sie sich also dran.“ Und dann wird aus dem Ventil meines Knebels und dem meiner Nachbarin die Lust herausgelassen und der Knebel aus meinem Mund geholt.

Dann geht die Fütterei los. Pürierte Nahrung mit einem Plastiklöffel, lecker, lecker. Ich habe keine Ahnung, was für einen Brei ich jetzt esse, ist mir auch ziemlich egal. Ab und zu wird mir eine Schnabeltasse aus Plastik an den Mund gehalten, aus der ich irgendeinen widerwärtigen Fruchtsaft trinke. Ich hasse Plastikgeschirr, aber das interessiert hier natürlich keinen. Irgendwann habe ich brav den Inhalt meines Tellers leer gegessen. Ich bekomme mit einem Feuchttuch den Mund abgewischt und dann wird mir gesagt, ich solle nun warten, bis die beiden anderen Patientinnen ihr Essen bekommen haben.

Doch endlich werde ich von meinen Gurten befreit. Vorher bekomme ich den Knebel wieder in den Mund gesteckt, der dann sofort aufgepumpt wird, bis ich meine Zunge kaum noch bewegen kann. Man hilft mir beim Aufstehen und ich werde zurück in meinen Käfig gebracht, wo ich dann untätig den Nachmittag verbringe. Viele Gedanken gehen durch meinen Kopf, doch ich kann keinen festhalten. So unscharf meine Sicht ist, so sind auch meine Gedanken. Macht das die völlige Anregungsarmut? Ich weiß es nicht, aber ich fürchte, nach vier Wochen hier drin bin ich wirklich verrückt.

Abends beim Essen und Wickeln wieder die gleiche Prozedur, nur dass ich danach meine Zwangsjacke nicht mehr anziehen muss. Dafür werde ich schön sorgsam und ganz fest mit den Gurten am Bett fixiert. Vorher aber eben noch die Fäustlinge anziehen. Dann einmal das S-Fix-Komplett-System mit Schrittgurt und Schulterhalterung. Dann nimmt man mir den Helm ab und befreit mich von meinem Knebel. Doch ich schaffe es gerade, zweimal erleichtert durch den Mund zu atmen, da wird mir schon mein Knebelgeschirr übergestülpt, so dass ich nicht in Versuchung gerate, mit den anderen zu sprechen.

Ich nehme an, man hat mir ein mildes Schlafmittel ins Abendessen getan, denn augenblicklich werde ich müde und schlafe in der Nacht erstaunlich gut. Am Morgen werde ich dann von zwei fremden Schwestern geweckt und sofort in den Hygieneraum geführt. Die beiden ziehen mich bis auf die Handschuhe und die Brille völlig aus und dann werde ich zu der Dusche geführt. Dort legen sie mit dem Duschrand verbundene Plastikgurte um meine Handgelenke, meine Knöchel und schließlich meinen Hals, nehmen mir endlich die Handschuhe ab und drehen das warme Wasser auf. Was für eine Wohltat am frühen Morgen! Ich werde eingeseift und darf ich geraume Zeit unter dem warmen Wasserstrahl stehen, bis ich dann für den Tag fertig gemacht werde: natürlich wieder Windel, Patientenanzug, Zwangsjacke, ein Gurt um die Waden und zum Schluss den Helm. Das Frühstück gibt es wie alle Mahlzeiten erst, wenn wir auf unseren Bänken fixiert sind. Und dann ab in die Käfige und die Welt hat wieder Ruhe vor uns.



Voll fixiert

Und so vergehen die Tage. Morgens duschen, gewickelt werden, Zwangsjacke, Fütterung, der Knebel, ab in den Käfig, irgendwann eine frische Windel, wieder Fütterung und so weiter. Abends dann ins S-Fix mit Knebelgeschirr. Ich verliere völlig das Gefühl für die Zeit. Nur durch die Oberlichter sehe ich, ob es Tag oder Nacht ist. Ich habe aber keine Ahnung, wie lange ich schon in diesem Raum bin. Zehn Tage, vierzehn Tage, ich weiß es nicht. Die Zeit ist wie Watte. Oder vielleicht wie ein Fluss, der sich nicht festhalten lässt. Und alles ist gleich und alles fühlt sich wie selbstverständlich an. Automatisch strecke ich morgens meine Arme der Zwangsjacke entgegen, ich bin dankbar, wenn mir der Lederhelm aufgesetzt wird. Die Brille trage ich Tag und Nacht unterbrochen. Nur einmal, als beim Duschen zu viel Wasser hinter den Gläsern war, wurde sie mir abgenommen und gereinigt. Ohne sah ich dann nur noch verschwommen und ich freute mich, als sie mir wieder umgeschnallt wurde. Damit kann ich mittlerweile wenigstens ein, zwei Meter weit sehen. Auch an den aufpumpbaren Knebel habe ich mich gewöhnt; er ist wie ein riesiger Schnuller und ich komme damit nicht in Versuchung zu sprechen, denn das ist uns ja streng verboten.

Was mich freut, ist, dass ich noch keinen Stuhlgang in der Windel hatte. Es gelingt mir immer ganz gut auszuhalten, bis in den Wickelraum geführt werde und kann mich dann dort ganz normal auf der Toilette erleichtern.
Nur heute Nachmittag ist das anders. Ich merke, dass ich muss, und fürchte, ich schaffe es nicht bis zum Abend. Irgendwas muss jetzt passieren, aber in die Windel kacken kann und tue ich nicht. Ich fange an, auf mich aufmerksam zu machen, die sehen doch durch die Kameras, wenn wir unruhig werden. Ich fange an, mich mit dem Oberkörper gegen das Käfiggitter zu werfen. Und als das noch keinen Erfolg hat, stelle ich mich mit dem Rücken daran und schlage mit dem Hinterkopf dagegen. Der Maschendraht scheppert ziemlich und ich versuche mich trotz Knebel bemerkbar zu machen. Jemand von den anderen drei macht wohl mit und es entsteht gerade ein ziemlicher Lärm. Irgendwie scheint es uns Spaß zu machen, bis die Tür aufgerissen wird und wir die Stimme von Schwester Gerda kreischen hören: „Jetzt sind Sie ja völlig verrückt geworden. Hören Sie auf, sofort!“ Ich höre noch mehr Menschen hereinkommen. Dann wird meine Käfigtür aufgeschlossen, zwei Männer packen mich an den Armen, ziehen mich heraus und drücken mich in einen Rollstuhl. Sofort werde ich darin fixiert und dann beugt sich Schwester Gerda zu mir herunter: „Sie, Frau Ferner, haben mit dem Unsinn angefangen. Das habe ich auf dem Bildschirm gesehen. Und Sie werden die Konsequenzen tragen müssen. Freuen Sie sich schon einmal auf 24 Stunden Vollfixierung!“ Und dann wird mein Kopf durch die Schlaufen am Helm an der Kopfstütze fixiert und ich bin völlig unbeweglich. „Wir werden Ihr S-Fix noch etwas ergänzen müssen und dann dürfen Sie dort Platz nehmen und sich wunderbar entspannen.“ „Sie beide“, weist sie kräftige Pflegerinnen an, „lassen Frau Ferner noch einmal zur Toilette und ziehen ihr dann eine 24-Stunden-Windel an.“ Die beiden rollen mich zum Wickelraum und endlich kann ich mich auf der Toilette erleichtern. Dann bekomme ich eine sagenhaft dicke Windel angezogen samt Gummihose und die beiden führen mich zurück in den Käfig. „Wir machen das nicht oft, weil es extrem viel Arbeit bedeutet, aber für Sie, liebe Frau Ferner, ist die 12-Punkt-Sicherung genau richtig. Machen wir uns also an die Arbeit,“ kündigt Gerda an. Sie befreien mich von meiner Zwangsjacke, ich lege mich aufs Bett, immer noch froh, nicht eingekotet zu haben, und dann geht es los.

Überall Gurte: am Bauch, über die Schultern, im Schritt, mehrere an den Beinen und Fußgelenken, an den Armen und Handgelenken. Man zieht mir dicke, steife Handschuhe an und dann ist mein Kopf an der Reihe. Ein breiter Gurt ums Kinn, ein anderer um meine Stirn, nachdem sie mir den Helm abgesetzt haben, und ich bin schön verpackt.
„Die Arbeit muss sich auch lohnen“, resümiert Gerda, „ 24 Stunden in der Vollfixierung und dann sehen wir weiter. Gegessen wird nachher übrigens im Bett. Ich wünsche Ihnen eine wundervolle Zeit der Entspannung. Sie scheinen es ja nötig zu haben.“ Und dann werde ich allein gelassen.

Ich liege ganz still da, natürlich immer noch mit dem Knebel im Mund. Ich versuche herauszufinden, ob ich irgendwo etwas Bewegungsspielraum habe. Ein wenig ist drin. Ein klein wenig kann ich wenigstens meine Arme und Beine bewegen und auch den Kopf etwas drehen. So sollte ich die nächsten Stunden überstehen können.
Ein bisschen kann ich erkennen, dass es draußen immer dunkler wird und die elektrische Beleuchtung angeht. Und irgendwann kommt jemand in meinen Käfig, fährt das Oberteil des Bettes etwas hoch und legt ein Plastiklätzchen um meinen Oberkörper. „So, es gibt jetzt Abendessen“, werde ich informiert und dann lässt die Pflegerin die Luft aus meinem Knebel, holt ihn aus meinem Mund und beginnt mich zu füttern. Viel Appetit habe ich nicht und es wird zum Glück auch keine Zwangsfütterung. Ich bekomme noch etwas Wasser zu trinken und dann wird mir für die Nacht das braun-weiße Knebelgeschirr angezogen. Das Oberteil des Bettes wird zurückgefahren, ich werde mit einer leichten Decke zugedeckt und die Nacht kann nun kommen.

Wahrscheinlich war irgendetwas Sedierendes im Essen, denn ich schlafe schnell ein und wache erst wieder auf, als die typischen Morgengeräusche uns wecken. Natürlich werde ich nicht ins Bad geschickt, sondern bin gezwungen, liegen zu bleiben. So langsam schmerzen meine Beine leicht, ich müsste sie mal dringend bewegen. Als die Schwester kommt und mich vom Knebelgeschirr befreit, spreche ich sie an. Sie legt jedoch nur den Finger an den Mund und schüttelt den Kopf. Doch dann besinnt sie sich anders: „Ich gebe Ihnen nach dem Frühstück ein leichtes Schmerzmittel. Das hilft sicher, aber losmachen darf ich sie nicht.“ Sie setzt mir mein heiß geliebtes Knebelgeschirr auf und ich bin damit erst einmal wieder ruhig gestellt. Und damit beginnt ein endlos scheinender Tag in der Fixierung. Ich döse vor mich hin, bekomme später mein Mittagessen und irgendwann kommt der Pfleger Marcel herein und verkündet, mir dass die 24 Stunden nun vorbei wären. Er macht mich los und hilft mir, mich aufzusetzen und dann zu stehen. Unbeholfen mache ich ein paar Schritte. Schnell setzt er mir meinen Schutzhelm wieder auf und dann wanke ich allein durch meinen Käfig. Die steifen Handschuhe behalte ich an, damit ich auch ja keinen Blödsinn anstelle.
19. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von ChasHH am 27.12.24 20:56

Was ist denn mit Dominik? Hat der Drache Gerda ihn ausgeschaltet?
20. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 27.12.24 21:44

Katrin wird ihn nicht so schnell wiedersehen. Sie hat keine Ahnung, was mit ihm ist. Er wird aber in der Geschichte noch mal auftauchen.
21. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 27.12.24 22:44

Wieder eine rasche und tolle Fortsetzung. Wird frau ferner in zukunft ihre windeln vollkacken und 2 oder 3 tage in diesem windelpaket verbringen müssen? Wird die haftzeit verlängert, wegen ihres ausrasters? Wird kim lorenz noch stärker in die geschichte eingebunden?
22. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 28.12.24 13:28

In der Spreizhose

Am nächsten Morgen werde ich von Schwester Gerda geweckt. Sie nimmt mir das Knebelgeschirr ab, dass ich für die Nacht angelegt bekam, und führt mich zum Duschen in den Hygieneraum. Wie immer festgeschnallt an Armen, Hals und Fußgelenken, aber dennoch ist es das Highlight des Tages. Und was ich dann erlebe, ist der vorläufige Höhepunkt an Gemeinheit und Demütigung. Ich bekomme zunächst wieder ein dickes Windelpaket verpasst und dann zieht Gerda mir ein Oberteil an, dass an den Ellbogen gepolstert ist und wo meine Hände in dicken, steifen Handschuhen verschwinden. Ich bekomme eine weite Hose mit gepolsterten Knie angezogen. Und dann erwartet mich etwas ganz Besonderes. Mit Hilfe eines anderen Pflegers wird mir etwas Rotes zwischen meine Beine gelegt. Meine Oberschenkel dehnen sich dabei etwas nach außen, ich spüre weiches Polster und ein festes Plastikteil zwischen den Schenkeln. Schnell werden Gurte um meine Hüften befestigt. „Tagsüber tragen Sie ab jetzt eine Spreizhose, liebe Frau Ferner“, flötet die Schwester, „Sie sollen lernen, dass man nicht einfach machen kann, was man will. Einen neuen Radau wie vorgestern können wir hier gar nicht brauchen. Das war ja sowas von kleinkindhaft.“ Und dann werden mir Träger über die Schulter gezogen und das Ding damit an mir fixiert. Ich frage mich, wie ich damit gehen kann, merke aber schnell, dass das mit der Spreizhose gar nicht geht, als die beiden mich auf die Füße stellen. Ich wanke und drohe zu fallen, da fängt mich der Pfleger schnell auf und ich lasse mich auf allen vieren nieder. „So,“ dröhnt von oben die verhasste Stimme, „dann krabbeln Sie mal los Richtung Essensplatz.“ Ich blicke auf und „los, los“ sagt Gerda, “oder wollen Sie lieber in die Vollfixierung?“ Ich schüttele den Kopf und versuche auf Händen und Knien mit weit gespreizten Oberschenkeln voran zu kommen. „Gut machen Sie das“, lobt mich die Schwester, „aber bleiben Sie noch kurz, ich setze Ihnen noch Ihren Helm auf.“ Dieser wird mir übergestülpt und dann muss ich loskrabbeln, auf allen Vieren. Jetzt weiß ich auch, warum ich die Knie- und Ellbogenpolster trage. „So, weiter, weiter,“ befiehlt mir Gerda und als ich am Essensplatz angekommen bin, muss ich mich dort auf ein niedriges Bänkchen setzen. Das geht erstaunlich gut. Dann wird wie sonst auch mein Oberkörper fest mit einer Fixierweste an die Rückwand geschnallt und mein Hals und mein Kopf fixiert. Und damit ich mit meinen Handschuhen nicht ins Essen schlage, werden meine Handgelenke noch schnell in die dafür vorgesehene Gurte meines Sitzplatzes geschnallt. Ich bekomme mein Essen von Gerda gereicht und dann wird mir ein großer Schnuller eingesetzt und mit einem Gurt am Hinterkopf fixiert. „Spreizhosen tragen ja nur Babys, dann wollen wir doch im Stil bleiben. Essen und trinken dürfen Sie aber normal, und jetzt ab zu Ihrem Zimmer.“ Sie gibt mir einen Stups, ich falle nach vorne und krabbele dann in meinen Käfig, wo die Tür sofort verriegelt wird. „Bis nachher“, ruft mir die Schwester zu und verschwindet.

Ich setze mich auf den Boden und lehne mich an mein Bett. Erst da dämmert mir, was hier eigentlich gerade passiert. Ein ganz gemeines Kleinmachen, eine gezielte Demütigung. Ich bin vor Gerda auf dem Boden herumgekrabbelt. Jetzt hat mich diese Sadistin da, wo sie mich hin haben möchte. Vor ihr auf dem Boden. Nicht mehr auf Augenhöhe. Oh, wie ich diese Frau hasse. Und sie hat mich voll in der Hand. Ich könnte heulen vor Scham und vor Wut. Ich habe Lust, mit meinen Händen irgendwo gegen zu schlagen, reiße mich aber im letzten Moment zusammen, da ja doch alles über die Kamera gesehen wird. Ich will meine Lage nicht noch schlimmer machen. Dann versuche ich aufzustehen, aber ich komme nicht hoch. Ich krabbele dann ans Gitter und versuche mich da irgendwo hochzuziehen. Nur leider sind die Handschuhe dermaßen steif, dass ich mit ihnen im Gitter keinen Halt finde. Ich rutsche immer wieder ab.

Also krabbele ich zurück zum Bett und versuche es dort. Es gelingt mir, ich kann mich etwas hochziehen, wenn ich die Hände auf die Matratze lege und mich hochstemme. So finde ich Halt und kann mit breit gespreizten Beinen etwas stehen. Nur wirklich angenehm ist diese Haltung nicht. Ich versuche mich etwas zu bewegen, doch fühle ich mich dermaßen unsicher, dass ich mich weiterhin, so gut es geht, am Bett festhalte. Als ich loslasse, falle ich prompt nach vorne, kann mich aber gut mit den Händen abstützen. Ich krabbele zurück zum Bett und ziehe mich erneut hoch. Jetzt stehe ich wieder breitbeinig davor, komme aber nicht auf die Matratze drauf. Entmutigt lasse ich los und setze mich wieder auf den Boden. Das ist dann immer noch die angenehmste Haltung.

Irgendwann ist auch dieser Vormittag zu Ende. Meine Käfigtür wird geöffnet und ich krabbele zum Mittagessen. Nachdem ich mich gesetzt habe und wieder schön angeschnallt bin, befreit mich Gerda endlich von dem Riesenschnuller. Dann gibt es das Mittagessen `reingeschaufelt. Ich beobachte die anderen und wenn ich es richtig erkenne, haben mindestens zwei von ihnen keine Zwangsjacke mehr an. Ich höre Stimmen, sie reden miteinander oder besser gesagt: ich höre sinnlose Monologe und sinnfreies Brabbeln. Bei denen haben die Lockerungen wohl schon eingesetzt. Schön für sie! Nur bei mir nicht, vielleicht weil ich mit dem Scheppern gegen die Käfigwand angefangen habe. Oder weil Gerda mich sowieso auf dem Kieker hat.

Ich trinke noch etwas schaurigen Tee und dann wird mir der Schnuller wiedereingesetzt. „Süß, sehen Sie aus“, ist der Kommentar der Schwester, „und jetzt ab zum Mittagsschlaf.“ Also wieder zurück zum Käfig krabbeln. Dort wird mein Bett so weit heruntergefahren, dass ich alleine auf die Matratze komme. Ich lege mich mit gespreizten Beinen auf den Rücken. Dann kommt Marcel und sichert meine Beine gut mit S-Fix und meine Hände auch. Am Ende noch die Gurte über die Schultern und damit hat dann alles seine Richtigkeit. Wenn Gerda das sieht, hätte sie ihre wahre Freude an mir.

Irgendwann werde ich aus den Gurten wieder befreit, ich bleibe aber lieber auf dem Bett liegen. Zum Abendessen krabbele ich dann wieder zu meinem Platz, werde abgefüttert und dann geht es auf allen Vieren ins Bad. Höhnisch wünscht mir Gerda eine gute Nacht und dann übernimmt uns die Nachtschwester. Diese befreit mich endlich von der Spreizhose und verpasst mir eine frische Windel. Mir wird der Riesenschnuller abgenommen und das Knebelgeschirr aufgesetzt. Und dann ab ins Bett und sorgfältig fixiert.
23. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 28.12.24 13:41

Danke für die kurze aber tolle fortsetzung. Gibts heute noch einen weiteren Teil?
24. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 28.12.24 20:09

Da ich morgen keine Zeit zum Redigieren und zum Posten habe, kommen jetzt noch zwei weitere Kapitel.
25. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 28.12.24 20:17

Eine Begegnung im Isolationsraum

Und so setzen sich die Tage fort. Tagsüber in die Spreizhose, mit der ich zu Gerdas Freude nur krabbeln kann. Durch den Schnuller still gelegt, bekomme ich mit, wie sich die drei anderen unterhalten dürfen. Sie tragen auch weiterhin keine Schutzjacken mehr und werden beim Essen im Gegensatz zu mir nicht festgeschnallt. Selbst den Mittagsschlaf scheinen sie unfixiert machen zu können. Nur bei mir wird das volle Programm durchgeführt und nach Gerdas Ansage „sind wir noch lange nicht damit fertig“. „Ja, Frau Ferner, so weit wie Ihre Mitpatientinnen könnten Sie auch schon sein, wenn Sie ein bisschen besser kooperieren würden. Aber ich fürchte, bei Ihnen ist Hopfen und Malz verloren,“ predigt mich die Schwester an, „ bald sind die vier Wochen herum, und wie es aussieht, werden sie weitere vier Wochen hier bleiben müssen. Aber das ist nur zu ihrem Besten. So können Sie wenigstens nicht viel Unsinn anstellen.“ Ich denke mir, lass sie reden. Antworten kann ich ja doch nicht und ich weiß, ich bin Gerda völlig ausgeliefert. Frau Dr. Hahn hat sich schon länger nicht mehr blicken lassen, sie hat wohl volles Vertrauen zu Gerda.

Seit fünf Tagen schon trage ich diese Spreizhose und wieder einmal bin ich damit bis zu meinem Platz für das Mittagessen gekrabbelt. Schön fest geschnallt lass ich Gerdas Fütterei über mich ergehen. Ich weiß, bald wird sie wieder verschwinden, und ich habe meine Ruhe.
Wir sind gerade mit dem Essen fertig und Gerda scheucht mich Richtung meines Käfigs. Da geht die Tür auf und zwei Personen kommen herein. An seinem mächtigen Bauchumfang gut zu erkennen ist Richter Ahrends, zusammen mit Frau Dr. Hahn. Ich bin noch nicht auf allen Vieren an meinem Käfig angekommen, da höre ich die durchdringende Stimme des Richters und sehe, wie er auf mich zeigt: „Frau Dr. Hahn, was ist das denn für eine Sache?“ Die Ärztin bekommt erst keinen Ton heraus, dann erwidert sie: „Äh, äh, das sind therapeutische Maßnahmen, die wir hier anwenden müssen.“ „Nun“, antwortet der Richter „ich bin kein Mediziner, aber das hier scheint mir etwas zu weit zu gehen, dass Patientinnen über den Fußboden krabbeln müssen.“ „Herr Ahrends“, meldet sich nun Gerda zu Wort, „wenn ich auch etwas sagen darf. Das ist Frau Ferner, die Sie angegriffen hat. Wir müssen sehen, dass sie lernt mit ihren Aggressionen umzugehen.“ „Na, Angriff ist sicher nicht der richtige Ausdruck“, antwortet der Richter, „ich bin Frau Ferner ein wenig zu nahe getreten und sie hat mich etwas weggedrückt. Aber ich bin sicher, Frau Dr. Hahn, diese Maßnahme steht begründet im Therapieplan.“ „Ehrlich gesagt“, stammelt die sonst so souveräne Ärztin, „ich muss da erst nachsehen. Kann sein, dass wir das übersehen haben.“ „Machen Sie das“, sagt der Richter, „meine Damen, ich wünsche Ihnen gute Therapieerfolge. Wir sehen uns!“ Und damit gehen die beiden heraus.

Gerda scheucht mich in den Käfig und bedeutet den anderen, sie sollen den Mund halten. Dann schließt sie schön sorgfältig und extra stramm alle Segufixgurte auf meinem Bett und ich liege wie unbeweglich da. Ca. eine halbe Stunde höre ich die scharfe Stimme von Frau Dr. Hahn: „Schwester Gerda, Sie kommen zum Ende Ihrer Schicht sofort in mein Büro. Nehmen Sie sich Zeit mit. Wir haben zu reden.“

Ich vermute, da braut sich was über Gerda zusammen. Vielleicht hat sie wieder mal zu eigenmächtig gehandelt. Das würde ihr ähnlich sehen. Auf jeden Fall geht Gerda nun hoch aggressiv mit uns um, sie erwartet da sicher etwas im Büro und das ist nichts Gutes. Ich gönne es ihr von Herzen.


Birgitta

Am nächsten Morgen werden wir nicht von Gerda geweckt und aus unseren Gurten befreit, sondern von einer fremden Schwester. Sie stellt sich als Birgitta vor und auf die Frage einer meiner Mitpatientinnen, ob Gerda auch noch käme, antwortet sie, dass Gerda auf längere Zeit arbeitsunfähig geschrieben sei. Ich vermute, das Gespräch im Büro ist nicht gut für sie gelaufen. Jedenfalls ist Schwester Birgitta vom Haupthaus in Bodenhain abgezogen worden und vertritt nun Gerda. Birgitta hat eine angenehme Stimme und pflegt einen ganz anderen Umgangsstil als Gerda. Sie ist höflich und erkundigt sich bei uns, wie die Nacht war. Ganz anders als ich es hier von einigen gewohnt bin, begegnet Birgitta uns. Viel freundlicher und einfühlsamer. Ich glaube, ich kann Vertrauen zu ihr aufbauen.

Beim morgendlichen Duschen werde ich nun nicht mehr festgeschnallt, sondern ich kann mich in der Dusche frei bewegen. Ich muss dabei auch keinen Knebel tragen und auch die Brille nimmt sie mir ab. Was für eine Wohltat! Als ich beim Wickeln nach der Spreizhose frage, deutet Birgitta an, dass das Gerda alleinige Idee war, ohne dass die Ärzte informiert waren. Und natürlich muss ich keine mehr tragen. Ich bekomme meinen Overall an und keine Schutzjacke mehr. Wie gut wieder gehen zu können, ohne Angst haben zu müssen, hinzufallen.

Beim Wickeln und wie gesagt beim Duschen legte ich meine Brille mit diesen ganz dicken Gläsern ab und ich habe mich etwas unsicher gefühlt. Denn alles war so unscharf und ich war fast froh, als ich sie wieder aufgesetzt bekam. Schwester Birgitta trägt selber eine Brille mit relativ starken Gläsern, die ihre Augen unnatürlich vergrößern. Eine schicke Brille mit großen Gläsern und silberfarbenen Rahmen, die gut zu ihren blonden Haaren passt. Vielleicht spreche ich sie wegen diesem unscharfen Sehen ohne Brille mal an. Ich bin ja etwas kurzsichtig, aber so schlimm war das ohne Brille vor meinem Aufenthalt hier nicht.
Mit den Frühstück müssen wir vier heute etwas warten, weil erst noch ein Tisch besorgt wird. Und dann, oh Wunder, dürfen wir vier nach Wochen des Gefüttert-werdens wieder selbständig essen. Wir können es noch! Und wir veranstalten auch keine Schlacht.

Dann gibt es die Fäustlinge angezogen und es geht in unsere Käfige. Und: Überraschung! Mittags und nachts endlich nicht mehr fixiert schlafen zu müssen, wegen guter Führung, wie man uns mitteilt. Herrlich!
Wir dürfen uns auch unterhalten, wissen aber, dass wir durch die Kameras bewacht sind. Doch leider wird aus einem richtigen Gespräch nichts. Zwei von den anderen brabbeln nur vor sich hin und Kim sagt keinen Ton außer ja und nein. Nun gut, man kann nicht alles haben. Immerhin keinen Knebel mehr.

Birgitta teilt uns mit, dass wir in ein paar Tagen, wenn wir uns weiterhin gut halten, zurück auf die Station dürfen. Also wieder in richtige Zimmer, Zwei-Bett-Zimmer wohlgemerkt, und wir dann auch therapeutische Angebote bekommen. Vorausgesetzt, wie gesagt, wenn wir uns nichts zu Schulden kommen lassen.

Ich mag die Schwester, ihre freundliche Art, das Vertrauen, das sie uns schenkt. Und ich spreche sie mal wegen meinem unscharfen Sehen ohne die dicken Brillengläser an. Denn jedem Morgen beim und nach dem Duschen fühle ich mich ohne die Brille so unsicher. Und da ich sie auch nicht mehr ununterbrochen tragen muss, auch zum Schlafen darf ich sie endlich absetzen, fällt es mir mehr und mehr auf. Birgitta stutzt etwas, als ich sie darauf eines Morgens anspreche. Das könne eigentlich nicht sein, dass sich die Augen an die Gläser gewöhnen, ob ich das so extrem auch bei meinem ersten Aufenthalt in Bodenhain so gehabt hätte. Nein, antworte ich, aber da wären die Gläser auch nicht so stark gewesen und ich hätte die Brille zwischen durch immer mal absetzen können. Birgitta nimmt ihre Brille ab und setzt meine auf. „Oh, die ist aber wirklich stark“, sagt sie. „Die hat Gläser für Weitsichtige und ich selber bin auch ziemlich weitsichtig, aber sehen kann ich dadurch nicht so gut. Und die mussten Sie die ganze Zeit tragen?“ „Nicht die ganze Zeit, aber fast“, antworte ich. „Na, hoffentlich hatte das keine Langzeitwirkungen“, murmelt die Schwester. „Hier, setzen Sie mal meine Brille auf und sagen mir dann, ob Sie damit gut sehen können.“ Und Birgitta reicht mir ihre Brille, die ich vorsichtig aufsetze. Der Blick dadurch ist wie eine Offenbarung, alles klar und scharf. Zum ersten Mal seit Wochen. „Oh, Schwester Brigitta, ich kann supergut damit sehen“ sage ich begeistert. „Okay“, entgegnet sie nachdenklich, „aber das heißt, dass Sie tatsächlich einen beträchtlichen Sehfehler davon getragen haben. Ich spreche mal mit Frau Dr. Hahn darüber und wie wir jetzt verfahren. Was ist denn für Sie angenehmer, gar keine Brille oder diese starke?“ „Lieber mit Brille“, sage ich. „Gut, dann tauschen wir wieder, aber ich werde mich drum kümmern.“ Ich gebe Birgitta ihre Brille zurück und setze meine wieder auf. Augenblicklich ist alles weiter Entfernte wieder unscharf, nur Nahes sehe ich deutlich. Aber besser, als alles unscharf zu sehen.
Schwester Birgitta hält Wort. Sie hat mit Frau Dr. Hahn über meine Sehprobleme gesprochen. Und die hat sich schlau gemacht. Das Sedierungsmittel, dass ich nach meiner ersten Begegnung mit dem Richter bekommen hatte, hat diverse Nebenwirkungen. Eine kann auch die Sehfähigkeit betreffen. Das heißt, so erklärt es mir Birgitta, das unscharfe Sehen kann mit diesem Mittel zu tun haben und baut sich in diesem Fall nur sehr, sehr langsam ab – wenn überhaupt. Vielleicht wurde diese Entwicklung noch durch das ununterbrochene Tragen der zu starken Gläser beeinflusst. Das Ergebnis habe ich leider jetzt.

Frau Dr. Hahn und Schwester Brigitta kommen zusammen in unseren Raum und sprechen mit mir. Und was ich höre, ist alles in allem doch ganz erfreulich. „Wir sind zu dem Schluss gekommen, Frau Ferner,“ beginnt die Ärztin, „dass Sie sich in den vergangenen vier Wochen gut und kooperativ verhalten haben. Sie und auch die anderen drei Patientinnen können diesen Raum morgen verlassen.“ Ich lächle, genau das habe ich mir erhofft. Und jetzt kommt die Überraschung: „Ursprünglich hätten Sie sich ja ins Haupthaus nach Bodenhain begeben sollen und sind nur wegen dem dortigen Platzmangel hier in Waldstetten untergekommen,“ fährt Frau Dr. Hahn fort. „Nun ist in Bodenhain ein Platz frei, der für Sie reserviert ist. Meiner Meinung nach gehören Sie nicht zu den austherapierten Fällen. Wenn Sie weiter gut an sich arbeiten, haben Sie eine echte Chance, wieder gesund zu werden. Und die werden Sie im Haupthaus erhalten.“ Ich bin echt baff, damit habe ich nicht gerechnet. „Morgen werden Sie nach Bodenhain gefahren und dort von Frau Dr. Schardtwald empfangen. Frau Dr. Schardtwald ist ja nicht nur Psychiaterin sondern auch Augenärztin und sie wird Ihnen zu einer passenden Brille verhelfen.“

„Oh, da freue ich mich drüber,“ bringe ich heraus und kann mein Glück gar nicht fassen. Endlich weg von hier. Damit konnte ich gar nicht mehr rechnen. „Vielleicht werden wir uns bald wiedersehen,“ sagt Schwester Birgitta. „Meine Abordnung hier nach Waldstetten soll in drei Wochen enden und dann, so ist der Plan, fang ich wieder im Haupthaus an.“
26. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 28.12.24 23:48

Super..danke, dass du dir soviel mühe machst. Du versüsst mir den Tag. Ich wünschte nur ich könnte mich erkenntlich zeigen.

Ich lebe vermutlich weit weg von dir. Denn ich komme aus Luzern in der schönen Schweiz
27. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 28.12.24 23:49

Hast du damit gemeint, dass nach dem Teil mit der Spreizhose noch ein Teil erscheint? Ich bin ein wenig verwirrt.
28. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 28.12.24 23:50

Sorry ich meinte den Teil mit dem Isolationsraum, der letzte teil..kommt da heute noch ein weiterer?
29. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 29.12.24 09:56

Morgen am Montag soll es weitergehen. Die Geschichte ist noch lange nicht an ihrem Ende angekommen.
30. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 29.12.24 17:51

Das ist wirklich schön zu hören, dass die Geschichte noch lange nicht zu Ende ist.
31. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 30.12.24 21:07

Wieder in Bodenhain

So viele gute Nachrichten auf einmal. Ich werde ganz euphorisch und schlafe in der Nacht, obwohl ich nicht fixiert bin, sehr unruhig. Am Morgen darf ich meine eigenen Sachen anziehen, lasse Overall, Brille und Helm da, bekomme mein Handy und meine eigene Brille wieder, die mir nun leider gar nichts nützt, und werde zum Transport gebracht. Ich verabschiede mich von Birgitta, die mir so sehr geholfen hat. Ich habe aber noch eine Frage an Sie: „Wissen Sie, warum Richter Ahrends so plötzlich ein zweites Mal auftauchte?“ „Ja. Ihr Psychiater Dr. Aschdorf war informiert worden, dass möglicherweise etwas total schief gelaufen war. Er hat dann den zuständigen Richter informiert, der sowieso in Waldstetten zu tun hatte. Und der hat dann hier mal kritisch nachgefragt.“ „Wissen Sie denn, wer meinen Psychiater informiert hat?“ frage ich zurück. „Nein“, antwortet die Schwester, „das weiß ich nicht.“ Ich denke dankbar an Dominik, er muss das veranlasst haben. Schade, dass ich ihn nirgendwo sehe und mit ihm sprechen kann.

Dann setze ich mich in einen Patientensitz, werde dort sicher fixiert und los geht die Fahrt. Nach ca. 20 Minuten haben wir Bodenhain erreicht. Erkennen kann ich nicht viel, so begleiten mich die beiden Fahrer in die Eingangshalle. Eine Schwester bringt einen Rollstuhl, in den ich mich setzen muss. Sie schnallt meinen Oberkörper mit einer Fixierweste fest und fixiert mit Gurten auch meine Waden und Unterarme. Ich soll ja nicht in Versuchung kommen, etwas anzustellen. Dann fährt sie mich zum Sprechzimmer von Frau Dr. Schardtwald. Die kenne ich noch von meinem ersten Aufenthalt hier und sie tut immer noch so geschäftsmäßig wie damals.

„Ich habe von Ihren Sehproblemen erfahren“, begrüßt sie mich. „Nun, wir werden sehen, wie wir Ihnen helfen können. Frau Dr. Hahn hat Ihren mentalen Zustand betreffend von einer gar nicht so ganz schlechten Entwicklung berichtet. Ich gehe davon aus, diese setzt sich hier fort. Falls Sie uns da enttäuschen, müssen wir über eine Rückkehr nach Waldstetten nachdenken. Und Sie verstehen, was das für Sie bedeuten kann? Immerhin sind Sie zwangseingewiesen, auf unbestimmte Zeit.“ Ich schlucke und sage mit belegter Stimme, dass ich mich wirklich anstrengen möchte. „Nun gut. Wir schnallen Sie jetzt ab und Sie kooperieren. Versprechen Sie das?“ Ich bejahe und schon werde ich von den Fixierungen befreit und soll mich vor das Augenmessgerät setzen. Ich muss irgendwelche Buchstaben lesen, erkenne aber leide keinen einzigen. Einige Gläsereinstellungen später sind wir schon weiter. Und nach der Feinabstimmung auf beiden Augen verkündet mir die Ärztin, dass ich ein beträchtliches Sehproblem habe – darauf wäre ich ja gar nicht gekommen – und dass ich durchgehend eine Brille mit relativ starken Gläsern tragen müsse. „Plus 6 Dioptrien auf jedem Auge – das ist nicht wenig,“ kommentiert die Ärztin, „und es ist leider nicht vorherzusagen, ob und wann sich das wieder bessert. Sie haben nun Ihre Brille dabei, die ja viel zu schwach sein dürfte, doch leider haben wir nicht die Möglichkeit, da passende Gläser einzuschleifen. Wir können Ihnen recht schnell eine unserer Brillen geben, mit denen wie hier in der reizreduzierten Therapie arbeiten. Schwester Dorothea,“ wendet sie sich an ihre Assistentin, „zeigen Sie doch Frau Ferner bitte unsere drei Modelle.“ Mir werden drei Brillengestelle gezeigt, ein schwarzes und ein braunes, jeweils aus Kunststoff und ein großes mit einem viereckigem silbernen Metallgestell. Ich kann sie zwar kaum erkennen, doch instinktiv entscheide ich mich für das Metallgestell. Es wird mir angepasst und dann verschwindet Schwester Dorothea in einem Nebenraum. Während sie beschäftigt ist, erklärt mir die Ärztin die verschiedenen Therapieangebote und die Regeln der Verhaltensmodifikation und der Reizregulierung. „Aber das kennen Sie ja alles noch vom letzten Mal“, endet sie. „Hoffen wir, dass diesmal der Erfolg nachhaltiger ist. Ich bin übrigens nicht dafür, Ihnen wieder sämtliche Freiheiten zu gewähren. Ich kenne Ihre Krankenakte und möchte gewissenhaft vorgehen. Das heißt für Sie, bis auf Weiteres tragen Sie, wenn Sie Ihre Hände nicht gerade für therapeutische Angebote oder zum Essen brauchen, Patientenhandschuhe. Und im Bett werden wir Sie fixieren müssen.“ Und dann kommt schon Schwester Dorothea und setzt mir behutsam meine neue Brille auf. Es ist eine Offenbarung - endlich kann ich wieder scharf sehen. „Nun, wie ist das?“ fragt die Schwester. „Super“, antworte ich, „alles scharf.“ „Das freut mich. Bitte halten Sie jetzt still, ich mach noch die Feinanpassung.“ Und dann darf ich mich vor dem Spiegel betrachten. Die Brille steht mir nicht schlecht. Das Silber ist ein schöner Kontrast zu meinen wieder nachgewachsenen dunklen Haaren. Die Gläser vergrößern arg meine Augen, aber damit kann ich leben. Ich wende meinen Kopf, erhasche etwas von meinem Profil und stelle fest, dass die Gläser zur Mitte hin relativ dick sind. Aber es ist okay so. Hauptsache, ich kann klar sehen, und vielleicht habe ich Glück und meine Augen normalisieren sich mit der Zeit.

„Schön, Frau Ferner, dann konnte Ihnen ja in dieser Hinsicht schon geholfen werden. Gleich kommt Schwester Yvonne, die kennen Sie sicher noch, und bringt Sie auf Station. Ich verabschiede Sie schon einmal. Schwester Dorothea gibt Ihnen noch Ihre Schutzjacke mit. Für alle Fälle. Ach ja, und auch noch Ihr Kopfgeschirr.“ Und dann sitze ich alleine vor dem Büro, halte meine Zwangsjacke als eindringliche Warnung auf dem Schoß, fummele an den Gurten meines Knebelgeschirrs herum und freue mich an meinem neuen Sehgefühl.



Auf Station

„Guten Tag, Frau Ferner“, höre ich eine bekannte Stimme kommen, „ich bin´s, Schwester Yvonne, vielleicht erinnern Sie sich an mich.“ Ja, ich erinnere mich an diese freundliche, etwa betuliche Schwester. Sie war die erste, die ich bei meinem früheren Aufenthalt hier kennen lernte. „Hallo!“ grüße ich zurück. „Schön, eine bekannte Stimme zu hören.“ „Ja, seien Sie gegrüßt. Ich nehme Sie direkt mit zur Station W 2 . Kann ich Ihnen helfen?“ „Nein danke, das geht schon.“ „Ich meine, können Sie sich überhaupt orientieren? Sie tragen doch eine unserer Brillen. Warten Sie, ich hole Ihnen eben noch einen Schutzhelm.“ „Nein, warten Sie, Schwester.“ Und dann erkläre ich, was es mit dieser Brille auf sich hat, dass ich erst mit ihr wieder deutlich sehen kann.

Die Schwester bringt mich dann zur Station und zeigt mir mein Zimmer. Ein normales Zwei-Bett-Zimmer mit den schon auf mich wartenden S-Fix-Gurten auf dem einen Bett. Dann gehen wir in den Hygieneraum, wo ich meine Kleidung abgebe und die Klinik-Kleidung, diesmal in zartgelb, anziehe. Eine Art Jogginghose und ein Sweatshirt, mal gar nicht so unbequem. Im Gegenteil, ganz schön flauschig. Dann bekomme ich schöne dicke Patientenfäustlinge angezogen und fertig bin ich für meinen Aufenthalt hier. Schwester Yvonne bringt mich in den leeren Aufenthaltsraum und erklärt mir, dass ein Gong bald das Mittagessen ankündigen würde. Dann nähme sie mir auch die Handschuhe wieder ab.

Das Mittagessen verbringe ich an einem Sechser-Tisch. Es gibt Fragen der anderen Frauen zu meinem Woher und ich erkläre es in kurzen Sätzen. So sehr auf Kommunikation bin ich noch nicht aus.
Dann gehe ich in mein Zimmer. Ich bin gespannt, mit wem ich es teilen soll. Aber noch bin ich alleine. Ich gehe noch eben auf die Toilette und dann lege ich mich auf mein Bett, wo ich mich brav von der Schwester fixieren lasse. Erst den Bauchgurt, dann die Armgelenke, die Fußgelenke, einen Schrittgurt und zum Schluss den Schultergurt. Yvonne nimmt mir die Brille ab und wünscht mir eine angenehme Mittagsruhe. Auf meine Frage nach meiner Zimmerpartnerin erklärt sie mir, dass Frau Wichertshagen gerade ihre ersten zwei Urlaubstage außerhalb der Klinik habe und erst heute Abend zurückkehre. Yvonne verabschiedet sich von mir, Schwester Jasmin würde den Nachmittags- und Abenddienst übernehmen.

Ich döse tatsächlich etwas ein und werde später von Schwester Jasmin geweckt. Sie zieht mir die Handschuhe an, löst meine Gurte und sagt mir, ich könne nun gerne in den Aufenthaltsraum gehen. Die Therapie fange erst morgen an. Ich sitze nun auf dem Bettrand und versuche irgendwie zu erkennen, wo denn meine Brille liegen könne. Nach der Schwester rufen möchte ich nicht, ich will nicht schon am ersten Tag unangenehm auffallen. Ich fühle mich ohne Brille total aufgeschmissen, alles sieht unscharf und milchig aus und ich habe keine Ahnung, wo meine Brille sein könnte. Ein scheiß Gefühl! Ich taste mich vorsichtig durch den Raum und versuche die Brille zu ertasten, aber das ist durch die dicken Handschuhe kaum möglich. Endlich entdecke ich sie, sie liegt auf der Fensterbank. Ich kann sie zwar in die Hände nehmen, aber mit den Fäustlingen nicht aufklappen und aufsetzen. Da endlich höre ich Schritte vor der Tür und Schwester Jasmin fragt mich, warum ich noch hier bin. Ich stammele etwas von meiner Brille und bitte Sie, sie mir aufzusetzen. Das macht die Schwester auch und ich schwöre mir, in Zukunft immer genau zu wissen, wo die Brille abgelegt wird. Diese unnötige Hilflosigkeit möchte ich nicht noch mal freiwillig erleben.

Der Nachmittag vergeht ruhig. Ich schaue irgendetwas stumpfsinniges im Fernsehen, gehe dann ein bisschen durch den Park und später gibt es Abendessen. Mein Therapieprogramm würde erst in ein paar Tagen anfangen, erklärt man mir, ich solle erst einmal hier auf Station gut ankommen.
Als ich abends dann frisch gewindelt und schön fixiert in meinem Bett liege, bestehe ich darauf, meine Brille anzulassen. Schwester Jasmin lässt mich gewähren, da ich in Rückenlage liege und sie so nicht beschädigt werden kann. Meine Zimmernachbarin ist noch nicht gekommen. Ich frage die Schwester danach, die aber auch nichts weiß.
32. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 30.12.24 21:11

Liz` Geschichte

Am nächsten Morgen werde ich geweckt. Ich darf duschen und achte vorher genau darauf, wo ich meine Brille ablege. Wieder ist alles mega unscharf ohne die Brille und ich bin heilfroh, als ich sie sofort nach dem Duschen wieder aufsetzen kann. Ich frage Schwester Yvonne, die heute Tagesdienst hat, nach meiner Zimmerpartnerin. Sie sagt mir, Frau Wichertshagen sei einfach nicht aus ihrem Urlaub zurückgekehrt, auch nicht über Handy zu erreichen. Sie hätten jetzt die Polizei verständigt.

Der Tag zieht sich ohne wirkliche Beschäftigung sehr. Da ich wieder meine dicken Patientenhandschuhe anhabe, kann ich beim Lesen nicht umblättern, keine Zeitungen angucken und bin ziemlich zum Nichtstun verurteilt. Am Abend hat wieder Schwester Jasmin Dienst und sie teilt mir mit, Frau Wichertshagen sei auf dem Weg nach Bodenhain. Die könne was erleben, wenn sie hier ankommt. Und tatsächlich: ihr Bett ist bereits mit dem kompletten S-Fix ausstaffiert. Am Abend, ich liege schon fixiert in meinem Bett, geht die Zimmertür auf und eine mittelgroße Frau mit blonden Locken wird im Patientenoutfit hereingeführt. Ich schaue auf und sehe, dass sie eine extrem dicke Brille trägt, die ihre Augen ganz klein macht. Die Frau wird sofort und ohne viele Worte im Bett festgeschnallt und dann wird auch schon das Licht gelöscht. Bevor die Schwestern das Zimmer verlassen, bekommt Frau Wichertshagen noch gesagt, dass sie morgen nach dem Frühstück bei Frau Dr. Schartwald zu erscheinen habe, die dann über die weiteren Konsequenzen zu entscheiden habe.

Als wir allein sind, traue ich mich sie anzusprechen: „Hallo, ich bin Katrin. Ich bin seit zwei Tagen hier.“ „Oh, das freut mich,“ ist die Antwort, „ich heiße Elisabeth, aber du kannst mich gerne nur Liz nennen.“ „Alle haben dich schon gestern hier erwartet“, fange ich an. Und Liz unterbricht mich: „Ja, ja ich weiß. Ich habe meinen Anschlusszug hierhin verpasst und bin dann wieder nach Hause gefahren. Mein Handyakku war leer, so dass ich hier nicht anrufen konnte und hinterher habe ich es einfach vergessen. Am anderen Morgen stehen zwei Polizisten vor meiner Wohnungstür, die haben mich zuerst ins Krankenhaus gebracht. Und von dort bin ich dann wieder nach Bodenhain gebracht worden. 100 km Liegendtransport, bei vollem Bewusstsein und gut angeschnallt, auch ein Erlebnis. Die machen jetzt hier ein Riesendrama daraus. Von wegen Unzuverlässigkeit und ich müsse die Konsequenzen tragen. Mal sehen, was mir morgen blüht. Ach, die können mich mal!“

„Aber du bist neu hier?“ fragt sie mich. „Nein“, sage ich und erzähle kurz von meinem ersten Aufenthalt vor einem Jahr, von meinem Rückfall und der Zwangseinweisung. „Zwangseingewiesen bin ich auch“, sagt Liz, „Wegen Trunkenheit. Und weswegen du?“ „Eigentlich wollte ich wieder freiwillig hierhin. Ich war einfach nur noch fertig und habe SVV gemacht. Selbstverletzendes Verhalten“ erzähle ich, „da aber kein Platz frei war, verfiel mein Psychiater auf die tolle Idee der Zwangseinweisung. Ich wurde dann kurzerhand nach Waldstetten geschickt und dann plötzlich hierhin.“ „Waldstetten?“ fragt Liz. „Davon haben sie vorhin auch geredet. Dass ich vielleicht dorthin kommen soll, um Ruhe zu finden. Wie ist es da so?“ „Ich bin heilfroh, dass ich da weg bin,“ antworte ich, „die reine Willkür da. Es ist eigentlich ein Wunder, dass sie mich haben gehen lassen. Das habe ich wohl nur einer engagierten Schwester zu verdanken, ist wohl die Ausnahme. Aber ich will dich nun nicht verschrecken. Erzähl lieber von dir. Wie lang bist du schon hier?“ „Oh, vier Monate, ich habe mich eigentlich ganz gut an den Betrieb hier angepasst. Lag vielleicht an meiner Sehbehinderung, dass alle ganz nett zu mir waren. Die Zwangsjacke und eine Rollstuhlfixierung brauchte ich gar nicht ausprobieren. Ich war immer recht ruhig und bin nirgendwo angeeckt.“
„Wieso bist du dann hier?“ frage ich. „Eine schlimme Geschichte und die hat mit meiner Brille zu tun. Also eigentlich bin ich Lehrerin, genauer gesagt war ich es bzw. ich war - nur - Referendarin. Normalerweise trage ich Kontaktlinsen, weil ich total kurzsichtig bin. Minus 20 Dioptrien, ich kann ohne Brille nichts sehen, rein gar nichts, nur Schatten und schummerige Farben. Du trägst ja auch eine Brille. Hat das was mit der reizreduzierenden Therapie zu tun?“ „Nein,“ erkläre ich Liz. „Ich brauche sie einfach genau wie du, nur dass ich Plus-Dioptrien habe. Plus 6. Aber ohne Brille sehe ich auch nur schummerig.“ „Okay. Aber ich wollte dir ja eigentlich erzählen, was mir passierte. Einmal waren meine Augen so sehr gereizt, dass ich keine Kontaktlinsen vertragen konnte. Wohl oder übel musste ich meine Brille tragen, natürlich auch im Unterricht. Ich unterrichtete in einer achten und in einer neunten Klasse einer Oberschule. Die Kids waren gnadenlos und machten sich über mich lächerlich, machten blöde Sprüche oder äfften mich nach. Und einmal bei einer Stillarbeit der Klasse, setzte ich meine Brille ab, legte sie auf das Pult und musste mir etwas die Augen reiben. Als ich sie wieder aufsetzen wollte, war sie nicht mehr da. Hektisch tastete ich über das Pult, konnte sie nicht finden und langsam wurde ich panisch. Ich hörte das Gekichere der Kinder und ihre süffisanten Fragen: `Haben Sie ein Problem, Frau Wichertshagen? Können wir irgendwie helfen?` Ich fragte, ob sie irgendwo meine Brille gesehen hätten, ich habe sie doch gerade erst abgelegt, aber alle taten unschuldig. Du kannst dir sicher vorstellen, Katrin, wie mir zumute war. In der Klasse wurde es immer unruhiger, ich hörte Lachanfälle, wahrscheinlich ließen die Kinder gerade meine Brille herumgehen und probierten sie auf. Ich hörte Kommentare wie “Was muss die blind sein!“ Und dann klopfte es ein paar Mal und ich hörte die Stimme des Rektors, was denn hier für ein Lärm sei. Ich blinzelte meinen Chef an, wirklich sehen konnte ich ihn nicht, und sagte, ich suche meine Brille. „Die liegt doch direkt vor Ihnen“ war seine Antwort und tatsächlich war sie wieder auf meinem Pult. Ich setzte sie schnell wieder auf und sah in die zufrieden und unschuldig blickenden Gesichter der Kinder. Als der Rektor wieder draußen war, habe ich sie gefragt, ob ihnen das Spaß gemacht hätte. „Na klar“, sagte jemand, „ein bisschen Spaß muss sein, Sie hässliches Entlein.“ Nach dieser Stunde bin ich dann ins Sekretariat gegangen und habe mich krank gemeldet. Und ich, die ich sonst gar keinen Alkohol vertrage, habe mich mit Schnaps und Wein eingedeckt und habe mich zu Hause besinnungslos betrunken. Vier Tage habe ich mein Bett nicht verlassen. Ich muss gestunken haben wie sonst was. Und als dann alles leer war, bin ich nach draußen zum Supermarkt gegenüber getorkelt. Dort bin ich dann zusammengebrochen und erst im Krankenhaus wieder aufgewacht. Habe dort randaliert und die Leute ganz schön auf Trab gehalten. Und von dort aus wurde ich nach ein paar Tagen hierher nach Bodenhain eingeliefert und gelte jetzt als schwerer Alkoholfall.“ „Oh. Liz, was für eine Geschichte! Willst du noch mal, wenn du wieder hier draußen bist, als Lehrerin arbeiten?“ „Nein, nie mehr, damit habe ich abgeschlossen. Mal sehen, was ich mache, vielleicht gehe ich wieder an die Uni und dort in die Lehre. Aber wie es aussieht, halten die mich noch eine Weile hier.“ „Und wenn du nach Waldstetten kommst, vielleicht für immer“, denke ich, traue mich aber nicht, es zu auszusprechen.



Strafen

Am nächsten Morgen wird Liz nach dem Frühstück abgeholt. Ich lungere später etwas auf der Station herum und da wird eine Frau im Rollstuhl von einem Pfleger in den Aufenthaltsraum gefahren. Ich erkenne Liz kaum wieder: man hat ihr ein braun-weißes Knebelgeschirr und einen Lederhelm aufgesetzt. Sie ist nach allen Regeln der Kunst im Rollstuhl fixiert und selbst ihr Kopf ist über den Helm an der Kopfstütze befestigt. Ich gehe auf sie zu und begrüße sie mit „Hallo Liz.“ Liz zwinkert mir zu und murmelt etwas in das Leder vor ihrem Mund. Ich möge die Kranke bitte in Ruhe lassen, weist mich der Pfleger zurecht, Frau Wichertshagen würde nun eine spezielle Therapie bekommen. Ich stammele, dass ich mit ihr ein Zimmer teile und deshalb sie begrüßt habe. „Ach, Sie sind Frau Ferner“, antwortet mir der Pfleger, „auch so ein Härtefall. Die mit eigener Schutzjacke und eigenem Kopfgeschirr. Sie scheinen ja auch sehr speziell zu sein.“ Ich weiß gar nicht, was ich darauf antworten soll, und frage aufs Geratewohl, wie lange Liz denn im Rollstuhl bleiben müsse. „Auch wenn Sie das nichts angeht, liebe Frau Ferner, ich will es Ihnen trotzdem sagen. Eine Woche reizreduzierte Therapie, war ja ihr erster Aussetzer. Das heißt morgens Rollstuhl, nachmittags Weichzelle und mittags und nachts vollfixiert. Und jetzt lassen Sie sie besser in Frieden mit Ihren Fragen, sonst stellen wir Sie auch noch ruhig, verstanden?“ Ich ziehe mich lieber zurück, bevor der Mann richtig ärgerlich wird, und trödele weiter durch den Vormittag.

Zur Mittagsruhe werde ich wieder in meinem Bett voll fixiert. Liz liegt schon im anderen Bett, ebenfalls fixiert und weiterhin in Zwangsjacke und mit dem Knebelgeschirr. Liz ist sehr unruhig und auch ich kann mich nicht wirklich entspannen. Ich denke, das ist eine gute Gelegenheit, um Liz von Waldstetten zu erzählen. Vielleicht als Warnung, dass sie möglichst alles tun soll, damit man keinen Grund hat sie dorthin zu schicken. Und ich erzähle: von den ersten Tagen, vom Schlafsaal, von der ganzen sensorischen Deprivation dort. Ich merke, dass Liz mir zuhört, ab und zu höre ich ihr Murmeln. Ich will gerade von den Tagen im Käfig anfangen, da wird die Tür aufgerissen und der Pfleger von heute Morgen steht in der Tür. „Frau Ferner, Sie scheinen meine Ansagen nicht ernst zu nehmen. Ich sagte, Sie sollen die Patientin in Ruhe lassen, anstatt sie mit Ihren Geschichten zu belästigen. Sie sind ja noch nicht so lange hier und ich denke, es kann nie zu früh für den ersten Denkzettel sein.“ Und dann holt der Mann mein Knebelgeschirr, zeigt es mir mit einem höhnischen Grinsen und legt es mir an. „Ah, das passt ja wie angegossen“, kommentiert er, „ich werde mit der Ärztin sprechen, denke aber, dass es nur sinnvoll sein kann, wenn Sie dieses hübsche Teil genauso lang tragen, wie Ihre Zimmergenossin.“ Gefühlte zehn Minuten später steht Frau Dr. Schardtwald vor meinem Bett. „Ich bin maßlos enttäuscht von Ihnen, Frau Ferner“, beginnt sie ihre Predigt, „ich denke, Sie wollen hier einen Neuanfang starten und setzen sich dann über die Anweisungen des Personals so ohne Weiteres hinweg? Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie auf unbestimmte Zeit zwangseingewiesen und quasi nur auf Bewährung hier sind? Sie wollen doch an sich arbeiten. Und damit Ihnen das besser gelingt, tragen Sie Ihr Kopfgeschirr genauso lang wie Frau Wichertshagen. Zum Essen kommt es natürlich ab, Ihnen beiden wird das Essen dann separat gereicht. Geduscht wird mit Ballknebel. Sie sind also damit eine Woche ruhig gestellt. Da scheinen Sie wohl nötig zu haben.“ Und damit verlässt sie unser Zimmer. Ich habe wieder den vertrauten Geruch von Leder in der Nase und kann nur noch in meinen Knebel hineingrunzen.
33. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 30.12.24 23:08

Tolle fortsetzungen..danke vielmals. Wird sich frau ferner bald in waldstetten wiederfinden?
34. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von sturmgras1 am 31.12.24 07:31

Vielen Dank für die neuerliche Fortsetzung. Die Geschichte bedient viele Faibles, die auch ich teile, darunter auch das Faible schicksalhafter Fehlsichtigkeit mit "markanten" Brillen z.B.
Jetzt haben wir zwei Probantinnen mit solcher Fehlsichtigkeit. Ob es im Alltag mit 20dpt Kurzsichtigkeit oder mit "nur" 6 dpt Übersichtigkeit leichter lebt, wenn die Korrekturbrille vorenthalten ist, bleibt eine Frage. Liz kann wenigstens noch scharf sehen - direkt vor ihrer Nasenspitze- aber immerhin....
Mit 6dpt plus gibt eskeinen Bereich, wo man scharf sehen kann, nicht lesen, nicht TV, nicht essen...
Gut, dass beider Gehör (noch) nicht in den Fokus besonderer Aufmerksamkeit geraten ist...es reichen geringe Zeiten unangenehmer Lautstärke und Ohrokklusion wird sich erübrigen. Eswird den Probanten ein Anliegen werden, wie die Brille- dann die Hörgeräte tragen zu dürfen....

Alles Gute für das kommende Jahr
einem jeden so "bequem" oder "herausfordernd" wie es jedem GUT TUT.

Manchmal ist ja misslich das bequemste! Grins
35. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von sturmgras1 am 31.12.24 07:31

Vielen Dank für die neuerliche Fortsetzung. Die Geschichte bedient viele Faibles, die auch ich teile, darunter auch das Faible schicksalhafter Fehlsichtigkeit mit "markanten" Brillen z.B.
Jetzt haben wir zwei Probantinnen mit solcher Fehlsichtigkeit. Ob es im Alltag mit 20dpt Kurzsichtigkeit oder mit "nur" 6 dpt Übersichtigkeit leichter lebt, wenn die Korrekturbrille vorenthalten ist, bleibt eine Frage. Liz kann wenigstens noch scharf sehen - direkt vor ihrer Nasenspitze- aber immerhin....
Mit 6dpt plus gibt eskeinen Bereich, wo man scharf sehen kann, nicht lesen, nicht TV, nicht essen...
Gut, dass beider Gehör (noch) nicht in den Fokus besonderer Aufmerksamkeit geraten ist...es reichen geringe Zeiten unangenehmer Lautstärke und Ohrokklusion wird sich erübrigen. Eswird den Probanten ein Anliegen werden, wie die Brille- dann die Hörgeräte tragen zu dürfen....

Alles Gute für das kommende Jahr
einem jeden so "bequem" oder "herausfordernd" wie es jedem GUT TUT.

Manchmal ist ja misslich das bequemste! Grins
36. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 01.01.25 18:16

In der Stadt

Ich sitze festgeschnallt in meiner Zwangsjacke in einem tiefen Rollstuhl, ein Brustgurt spannt sich über die Jacke, dicke Gurte gehen um meine Waden und schnallen die Beine fest an den Rolli. Damit ich schön still bin, habe ich mein Knebelgeschirr auf. Wenigstens kann ich meinen Kopf noch bewegen. Neben mir ist Liz, ebenfalls in einem Rollstuhl und genauso ausstaffiert wie ich. Wir werden gleich in einen Kleinbus geschoben und dann geht es nach Waldstetten. Vier Wochen lang, hieß es, erst einmal. Bis wir die Freiheiten in Bodenhain wieder zu schätzen wissen, sagte man uns.
Mir schwirrt der Kopf und ich muss mir erst einmal vergegenwärtigen, was mich in diese Lage gebracht hat.

Nachdem Liz und ich vor sechs Wochen schön brav noch ein paar Tage unsere Knebelgeschirre getragen hatten, fing eine eigentlich ganz harmonische Zeit an. Liz und ich freundeten uns richtig gut an. Wir besuchten die verschiedenen Therapien, manche alleine, manche gemeinsam, und spürten, es ging aufwärts. Frau Dr. Schartwaldt lobte unser Verhalten und unsere Bemühungen und stellte uns baldige Vergünstigungen in Aussicht. Dann war sie von einem auf den anderen Tag verschwunden, es hieß, die Ärztin sei plötzlich schwer erkrankt. Frau Dr. Hahn sprang ein, und auch sie ließ uns weitgehend in Ruhe. Ich merkte bei mir, wieviel ausgeglichener ich wurde und dass mich nichts mehr so schnell aus der Fassung brachte. Wie gesagt, es war eine tolle Zeit voller Hoffnung, dass doch noch alles gut werden würde.

Unserer Gruppe von Patientinnen wurde dann vor ein paar Tagen das Angebot gemacht, einen Nachmittag zu zweit oder in einer kleinen Gruppe in der nahen Stadt zu verbringen. Was freuten wir uns! Endlich raus aus der Klinikkleidung, unsere schönen Sachen angezogen und mal wieder ab ins wahre Leben. Liz und ich wählten den Samstagnachmittag und es war schon ein seltsames Gefühl, nach all den Wochen wieder in Freiheit zu sein. Wir nahmen den Weg in die Stadt zu Fuß und bummelten zunächst durch ein paar Geschäfte, ohne etwas zu kaufen. Dann holten wir uns in einer Bäckerei jeder ein Teilchen und ließen uns für eine kleinen Imbiss auf eine Bank im Park nieder. Plötzlich setzten sich zwei Männer zu uns, wir kamen ins Gespräch und hatten, auch wenn keiner der beiden mein Typ war, viel Spaß miteinander. Endlich mal wieder unbefangen mit Männern sprechen; auch etwas, von dem ich gar nicht wusste, wie sehr ich das vermisst habe. Die beiden luden uns schließlich in eine Kneipe ein, die gerade aufmachte. Ich fand es ja etwas öde dort drinnen, aber Liz war begeistert. Sie bestellte sich zusammen mit den beiden einen Charly nach dem anderen. Mir genügte ein kühles Bier, aber Liz becherte ganz schön mit den zwei Typen. Der eine machte sich ziemlich an sie ran und Liz genoss merklich die Zärtlichkeiten. Ich versuchte etwas zu intervenieren und Liz daran zu erinnern, dass sie so kaum in der Klinik gesehen werden sollte. Die beiden Typen fanden es irre spannend mit zwei halbblinden Psychos, wie sie uns nannten, herum zu machen. Und Liz ging allzu bereitwillig darauf ein. Ich bestellte mir noch ein Bier und hielt die Uhr etwas im Auge. Um 18.00 Uhr sollten wir zurück sein, doch Liz war schon in einem Zustand, in dem ihr alles egal war. Als ich vehement drauf drängte, warfen mir die Typen vor, eine Spielverderberin zu sein, ließen aber von uns ab. Allerdings war Liz dermaßen abgefüllt, dass sie nicht mehr in der Lage war, sich auf den Beinen zu halten. Einer der Männer rief dann in der Klinik an und bestellte einen Wagen für uns beide „Psychotanten“, wie er sich ausdrückte.
Der kam auch recht pünktlich und die beiden Typen führten Liz zum Auto und verfrachteten sie auf den Rücksitz. Ich stieg vorne ein und der Fahrer brachte uns umgehend in die Klinik, ohne groß mit uns zu sprechen.

Dort wurden wir von zwei Pflegern abgeholt und sofort aufs Zimmer gebracht. Liz war total schlecht und sie bekam etwas gegen ihr Unwohlsein. Ohne Abendessen wurden wir in unseren Betten mit den S-Fix-Gurten fixiert. Eigentlich etwas, was wir schon hinter uns gebracht hatten. Aber jetzt leider wieder in die Vollfixierung. Uns wurde Blut abgenommen und dann folgte eine unruhige Nacht, in der ich Angst bekam, nun in etwas hineingeraten zu sein, was ich nicht wirklich gewollt hatte. Am nächsten Morgen war mit Liz überhaupt nicht los, sie starrte nur an die Decke. Ich durfte duschen, musste mir eine Windel anziehen, konnte frühstücken und dann in den Aufenthaltsraum gehen. Für 14.00 Uhr war ein Gespräch mit Frau Dr. Hahn angesetzt. Dort erschien ich dann auch pünktlich und trat in ihr Sprechzimmer. Zwei bullige Pfleger mit einem Stoffpaket in der Hand, worin ich meine Zwangsjacke vermutete, sicherten die Bürotür ab. Frau Dr. Hahn bedeutete mir, mich hinzusetzen. Sie hielt mir einen Vortrag über missbrauchtes Vertrauen und dass Alkohol während eines Klinikaufenthaltes absolut untersagt sei. Meinen Einwand, ich hätte kaum getrunken, wurde mit dem Hinweis auf meinen gestrigen Blutalkoholgehalt von 0,4 Promille hinweggewischt. Es sei an der Zeit, ein Zeichen zu setzen, für uns, aber auch als Warnung für die anderen. Vier Wochen zurück nach Haus Waldstetten und dann hänge es von mir ab, wie es weitergehen solle. Frau Wichertshagen, also Liz käme auch dorthin. Ich fühlte mich ungerecht behandelt, ich hätte immerhin nichts Schlimmes gemacht, aber die Ärztin blieb unerbittlich. Und wie so oft, wenn ich auf eine Mauer stoße, werde ich laut und aggressiv. Ich stand auf und schrie, das können sie nicht mit mir machen, ich hätte mich doch wochenlang gut benommen. Aber Frau Dr. Hahn nickte nur den beiden Pflegern zu, die mich in die Zwangsjacke steckten, mir mein Knebelgeschirr überstülpten und dann in die Gummizelle brachten, wo ich auf meinen Abtransport warten sollte. Irgendwann wurde ich aus der Zelle wieder herausgeholt, sofort in den Pflegerollstuhl bugsiert und dann nach draußen gefahren.



Wieder im Käfig

Die Fahrt nach Waldstetten dauert nicht allzu lange. Ich frage mich, wo wir dort untergebracht werden würden, und meine schlimmsten Befürchtungen werden wahr, als man uns durch den Flur zu den Isolationsräumen rollt. Alle vier Käfige dort sind leer und Liz und ich werden in zwei nebeneinanderliegenden untergebracht. Heraus aus unseren Rollstühlen und dann ab in die Käfige, in denen nur die Pflegebetten mit den S-Fix-Gurten steht. Wir warten in unseren Käfigen auf das, was jetzt kommt, sprechen können wir uns nicht, auch keine Zeichen geben. Niedergeschlagen setze ich mich auf das Bett. Zum Abendessen werde zunächst ich, dann Liz in die Essecke geführt und dort schön fest mit einer Weste auf der Sitzbank fixiert. Der Gurt um meinen Hals darf auch nicht fehlen und dann wird mir das Brot zum Abendessen gereicht. Appetit habe ich keinen, ich würge das Brot runter und hoffe, ich erwache irgendwann aus dem Alptraum. Aber es ist kein Traum, sondern die Realität. Nach dem Essen werden wir für die Nacht fertiggemacht, bekommen unsere Zwangsjacken ausgezogen, werden im Bett natürlich wieder sorgfältig festgeschnallt. Mit einem „Schwester Gerda wird sich morgen riesig auf sie freuen“ wird uns eine erholsame Nacht gewünscht und das Licht ausgemacht.

Schwester Gerda, denke ich, ist die also immer noch hier und dann auch noch für uns zuständig. Ja, das glaube ich, wie viel Spaß es ihr machen wird, mich zu quälen. Hatte ich doch vor einigen Wochen mitbekommen, wie sie von Frau Dr. Hahn heruntergeputzt wurde. Und diese Demütigung wird sie mir nicht verzeihen. Mit ganz schlechten Gefühlen versuche ich irgendwie in den Schlaf zu kommen.

Am nächsten Morgen weckt uns die Nachtschwester. Zwei Schwestern sorgen dafür, dass wir uns vernünftig duschen und dann wird jedem von uns eine dicke Windel und eine Gummihose angelegt. Wir ziehen Overalls an und unsere Hände schlüpfen in steife, integrierte Handschuhe. Nach dem Frühstück wird uns erst einmal nicht das Knebelgeschirr aufgesetzt. Unsere Brillen dürfen wir aufbehalten. Und dann stolziert Schwester Gerda herein. Betont lustig begrüßt sie mich, wie schön es sei, alte Bekannte zu treffen. Und zu Liz sagt sie, oha, eine Lehrerin, die hatte sie ja noch nie unter ihren Fittichen. Und das direkt vier Wochen lang. Wir würden eine wunderbare Zeit erleben und vielleicht gebe es ja eine Verlängerung. Sie bekomme gleich noch etwas für uns geliefert und so lange bräuchten wir nicht in unsere Käfige. Nach einer Viertelstunde bringt ein Pfleger eine Kiste mit etwas Rotem und etwas Blauen darin. Ich erkenne darin die Spreizhose, die ich schon mal tragen musste. Das gibt es doch gar nicht, ich dachte, das wäre untersagt. Doch die Schwester kann wohl meine Gedanken lesen: „Ja, Frau Ferner, gleich ab in die Spreizhose. Ich habe mir die Erlaubnis von Herrn Dr. Härich geben lassen. Also keine Sorgen, meine Damen. Diesmal hat alles seine Richtigkeit oder besser gesagt, seinen therapeutischen Nutzen. Diese Maßnahme sind diesmal von oberster Stelle gebilligt.“ Und dann kommt Pfleger Marcel dazu und die beiden legen mir die rote Spreizhose an. Wieder kann ich kaum damit stehen, geschweige denn gehen. Ich lasse mich auf allen Vieren nieder, den Hintern hoch erhoben. „Gut sieht das aus, Frau Ferner,“ sagt die Schwester, „aber wir sind noch nicht fertig. Jetzt gibt es erst noch einen schönen Schnuller, um sie ruhig zu stellen, und dann noch einen Schutzhelm, damit Sie sich nicht verletzen.“ Und dann führt sie mir einen Riesenschnuller in den Mund, der fast meine ganze Mundhöhle ausfüllt, und befestigt ihn in meinem Nacken. Marcel stülpt mir dann einen leuchtend roten Helm mit einem Gitter vor dem Gesicht über, aus weichem Material, ähnlich wie ihn Taekwondo-Kämpfer aufsetzen. So einen musste ich schon bei meinem ersten Aufenthalt zweimal tragen. Ich weiß noch, dass ich zwar scheußlich damit aussehe, er aber ganz bequem ist. Mein Kopf ist dick eingepackt, ich kann nur noch wenig hören, weil meine Ohren auch bedeckt sind, und ein weiches Teil schützt mein Kinn. Ich sehe durch das Gitter, immer noch auf allen Vieren und werde dann von Marcel aufgefordert, in den Käfig zu krabbeln. Von dort sehe ich, wie Liz ausstaffiert wird. Genauso wie mich, nur alles in blau. „So meine Lieben“, flötet die Schwester,“ ich wünsche Ihnen eine wunderschöne Zeit bei uns. Bis später.“ Und damit lässt sie uns allein, aber ich weiß, dass wir über Kameras permanent beobachtet werden.
37. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 01.01.25 19:29

Danke, dass du selbst am 1.Januar eine fortsetzung schreibst und dann gleich noch so eine schöne
38. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von windelfohlen am 01.01.25 20:09

So hab jetzt die Geschichte komplett nachgelesen.
Irgendwie schade das unsere Protagonistin immer wieder rückfällig wird, aber dann wäre die Geschichte wohl schneller zuende.
Hoffentlich schaffen es doch mal die kurve zu kriegen und nicht immer Waldstetten zurück müssen geschweige den dann dauerhaft dort bleiben zu müssen.
39. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 03.01.25 16:56

Wann folgt der nächste teil?
40. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 03.01.25 18:00

Die vertauschten Brillen

Liz und ich schauen uns an. Ich meine, ein übergroßes „Ich-fass-es-nicht“ zeichnet sich auf ihren Gesicht ab. Wir beide versuchen uns am Käfiggitter hochzuziehen, und trotz der steifen Handschuhe gelingt es uns, breitbeinig und am Gitter festhaltend, zu stehen. Ich versuche, Liz etwas zuzurufen, aber nur dumpfe Laute kommen aus meinem Mund. Ich weiß gar nicht, ob Liz etwas hören kann, sie reagiert nicht. Auch ihr Helm bedeckt fest ihre Ohren.

Wir sehen so lächerlich aus. Ich winke ihr vorsichtig zu, Liz winkt sachte zurück. Aber das ist es dann schon mit der Kommunikation. Liz verliert plötzlich ihr Gleichgewicht und fällt nach hinten; wie gut, dass sie einen Helm aufhat. Ich lasse mich vorsichtig wieder auf alle viere nieder und krabbele zu meinem Bett. Es geling mir, darauf zu klettern und ich ruhe mich etwas aus. Mehr außer krabbeln und liegen bleibt uns ja nicht zu tun. Zur Besinnung kommen nennen sie das. Gut, dass sie mir meine Brille aufgelassen haben, so dass ich mich noch einigermaßen orientieren kann.

Zu Mittag kommt Schwester Gerda herein, sie hat eine Stange, ca. 1 m lang, in der Hand. Sie schließt die Tür von Liz`s Käfig auf und befiehlt ihr, auf allen vieren zu krabbeln. Dann befestigt sie eine Stange am Kragen von ihrem Overall und führt sie so, wie an einer Leine, aus dem Käfig zum Essensplatz. Liz bekommt den Schnuller ab und dann das Essen hereingeschaufelt. Dann wird sie auf allen vieren zum Hygieneraum geführt, wo sie wahrscheinlich eine frische Windel bekommt. Danach bin ich dran, auch auf allen vieren und dann mit Stange wie ein Hund an der Leine erst zum Mittagessen und später zum Windelwechsel. Das Ganze wiederholt sich abends, endlich bekommen wir die Spreizhosen ausgezogen und dann werden wir schön für die Nacht fixiert. Während des Essens hat sich Marcel an unseren Betten zu schaffen gemacht und, wie Gerda anpreist, eine wunderschöne 12-Punkt-Fixierung angebracht. Wir werden an allen möglichen Stellen unseres Körpers festgeschnallt, selbst der Kopf ist dran, und dann liegen wir absolut bewegungsunfähig mit unseren Riesenschnullern da und warten auf den erlösenden Schlaf, der nach so einem Tag nur schwer kommt.

Es wird eine harte, unruhige Nacht und nach dem Wecken verbringen wir erst einmal eine geraume Zeit in unserer Fixierung. Dann ist endlich die Dusche freigegeben. Ich werde von allen Gurten befreit und werde in den Hygieneraum geführt, wo ich mich ausziehen und den Helm absetzen darf. Meine Füße und Handgelenke werden an Schlaufen an den Seiten der Dusche festgeschnallt, man nimmt mir die Brille ab und dann darf ich mich der Wohltat eines warmen Wasserstrahles überlassen. Ich höre, dass Liz ebenfalls den Hygieneraum betreten hat, höre Schwester Gerda mit ihr schimpfen und dann läuft auch das Wasser aus der Dusche nebenan. Der Höhepunkt des Tages für uns.

Danach werde ich abgetrocknet und angezogen, natürlich mit Spreizhose. Gerda setzt mir eine Brille auf, mit der ich überhaupt nichts sehen kann. Zuerst denke ich, sie ist beschlagen, doch dann dämmert es mir, es muss die Brille von Liz sein. Ich protestiere in meinen Schnuller, doch Gerda meint nur, wir seien aber auch blinde Hühner. Sie hätte gerade durch unsere Brillen geschaut. Wie könne man nur so blind sein! Ihr scheint jetzt gar nicht aufzufallen, dass wir die falschen Brillen tragen. Leider kann ich mit der Brille von Liz nichts, aber auch gar nichts erkennen. Alles nur Nebel. Und ich schätze, Liz wird es kaum besser gehen. Wie schade, auch die letzte Vergünstigung des klaren Sehens wird uns nun leider genommen. „So geduscht wird erst wieder in zwei Tagen,“ verkündet uns die Schwester. Sie hätte nun bis übermorgen Urlaub und wünsche uns noch einen unbeschwerten Aufenthalt.

Beim Frühstück, das uns Marcel reicht, versuche ich ihm klar zu machen, dass wir die falschen Brillen tragen, doch diese Dumpfbacke meint nur, Gerda hätte sicher schon alles richtig gemacht und sich was dabei gedacht.



Arztvisite

Zwei Tage lang trage ich nun die Brille von Liz ununterbrochen. Sehen kann ich nichts mehr, nur noch ganz unscharfe Farbtöne. Hören kann ich wegen des Helms nur ganz dumpf. Tasten wegen der steifen Handschuhe gar nichts. Dazu tagsüber in die Spreizhose und nachts in der Vollfixierung. Und dazu noch den überdimensionalen Schnuller im Mund, mit dem ich nur tumbe Laute ausstoßen kann. Die Zeit zieht sich wie Gummi, ich döse und schlafe viel, zwischendurch als Struktur des Tages drei Mahlzeiten, in den ich das Ding im Mund kurzzeitig los bin.

Am dritten Tag ist Gerda wieder da, das Duschen ist wie gehabt, doch wir bekommen weder Helm noch unsere Brille angezogen und auch die Schnuller dürfen draußen bleiben. Dafür werden Liz und ich nach dem Frühstück wieder sorgfältig bis auf die Schulter- und Kopfsicherung im Bett fixiert. Dr. Härich käme gleich, um nach uns zu sehen, ist die frohe Botschaft.

Und tatsächlich, da kommt dieser unscheinbare, schüchterne Mann, lässt sich von Gerda die bisher gelaufenen therapeutischen Maßnahmen im verklärten Licht erläutern und spricht mich dann an. „So, Sie sind also Frau Ferner. Sie haben schon eine ganz schön dicke Krankenakte, das muss ich sagen. Wie geht es Ihnen?“ Ich weiß gar nichts, was ich sagen soll. Das Sprechen ist ungewohnt und mir fällt nichts Besseres ein, als zu fragen, wie lange ich noch hier bleiben müsse. „Das wird beizeiten entschieden“, ist die Antwort des Arztes, „Schwester Gerda hat mir berichtet, es laufe nicht alles zu ihrer Zufriedenheit bei Ihnen. Vielleicht müssen wir da nachsteuern.“ Ich bin so verdutzt, ich weiß gar nicht, was er meint. „Was heißt das ?“ frage ich nur. „Sie sind auf weiteres meine Patientin und ich lasse Sie in der Obhut von Schwester Gerda. Ich finde, Sie sollten sich weiterhin sammeln und dazu hilft Ihnen eine Reiz- und Bewegungsregulation. Draußen ist schönes Wetter - mein Vorschlag ist, wir bauen Ihr Bett zu ihrem Schutz schnell in ein Netzbett um, das geht zügig, und dann fahren die Pfleger Sie heute Vormittag nach draußen. Es ist allerdings klar, dass Sie, so unter Leuten sozusagen, diesmal zum Schutz der anderen Patientinnen bis heute Mittag fixiert bleiben müssen. Ihre Mitpatientin übrigens auch. Frau Wichertshagen wird ohne ihre eigene Brille auskommen müssen, um das visuelle Sehen einzuschränken. Sie dürften ohne Ihre Brille noch genug sehen, auch da müssen wir gegensteuern. Die Schwester wird Ihnen eine unserer Brillen mit extra starken Gläsern umschnallen, die können Sie dann permanent tragen. Sie werden dann so wenig sehen wie Frau Wichertshagen. Und dazu natürlich wieder den Helm, um akustische Reize weitgehend zu unterbinden. Wenn Sie versprechen, ruhig zu bleiben, können wir auf einen Knebel verzichten.“ Das verspreche ich und schon wird mir eine Brille mit dickem Rand umgeschnallt, so wie ich sie hier am Anfang tragen musste.

Wieder ist mein ganzes Sichtfeld eingeschränkt, ich kann nichts mehr erkennen. Und dann wird mir der Helm übergestülpt und sorgfältig festgemacht. Danach werden die Schulterhalterungen des S-Fix-Systems stramm gezogen und ich kann nur noch meinen Kopf bewegen. Zwei Pfleger machen sich an meinem Bett zu schaffen und verwandeln es in ein Netzbett. Als sie fertig sind, werden Liz und ich aus den Käfigen nach draußen gefahren und sind endlich wieder an der frischen Luft. Zwar vollfixiert und aller visuellen und akustischen Eindrücke beraubt, aber es tut gut, wieder etwas frisches Riechen zu können und ein ganz klein wenig den Wind zu spüren. Unsere Mitpatientinnen sind neugierig, sie stehen um mein Bett herum, aber das ist mir in diesem Moment egal. Hauptsache ein klein wenig Abwechslung.

Nach dem Mittagessen, das mir diesmal im Bett gefüttert wird, bleibe ich noch ein wenig in der Fixierung. Und dann gibt es nach dem Windelwechsel meine geliebte Spreizhose an und ich darf mich damit auch außerhalb meines Bettes aufhalten.


Allein

Da das Wetter stabil bleibt, vergehen die nächsten Tage so ähnlich. Ab und zu kommt der Arzt zu einem kleinen Plausch vorbei. Weder Schnuller noch Knebel muss ich tragen, das ist auch eine Erleichterung. Und wenn Dr. Härich mit mir spricht, bin ich zwar wieder fixiert, mir wird aber wenigstens kurzzeitig der Helm abgenommen, damit ich zuhören kann.
Nur das, was er mir heute Morgen sagt, das will ich gar nicht hören. Vier Wochen seien wir nun hier, erzählt er uns, Frau Wichertshagen hätte sich gut entwickelt. Liz darf nach Bodenhain zurück, heißt das. „Und ich?“ traue ich mich zu fragen. „Was passiert mit mir?“ „Ich finde, Sie sind noch nicht so weit. Die Berichte von Schwester Gerda über Sie deuten noch nicht darauf hin, dass wir Sie jetzt ins Haupthaus zurück überweisen können. Nicht wahr, Schwester?“ „Ja, Herr Doktor, Frau Ferner benötigt noch weiterhin unsere bewährten Therapiemaßnahmen,“ antwortet die Schwester. „Gut, dann lasse ich Frau Ferner noch in Ihrer Obhut. Sollte Sie auf Station oder besser hier noch in der Isolation bleiben?“ „Nun“, antwortet die Schwester, „auf Station im Beisammensein mit unseren anderen Patientinnen befürchte ich einen Rückfall. Wir sollten sie erst einmal hier lassen.“ „Okay“, sagt der Arzt, „dann ist da so. Sie haben es gehört, Frau Ferner, tut mir leid.“ Und dann geht er.

Zunächst bin ich sprachlos, doch dann überkommt mich die Verzweiflung. Ich rüttele an meinen Gurten, schreie und weine, bis mir der Mund wieder gestopft wird. Diesmal ist es ein ganz normaler Ballknebel, der mir umgeschnallt wird, und mein Schreien in ein dumpfes Stöhnen verwandelt. Was habe ich da gerade erlebt und gehört? Wer hat hier wirklich zu sagen? Gerda? Und nun bin ich ihr voll und ganz ausgeliefert. Ich ahne Schreckliches. Und was für Lügen hat Gerda in die Akten geschrieben? Ich habe mir hier wirklich nichts, aber auch gar nichts zuschulden kommen lassen. Das ist so ungerecht und willkürlich.

Ich bekomme mit, wie Liz nebenan für den Abtransport fertig gemacht wird. Wahrscheinlich ab in den Rollstuhl und dann sofort nach Bodenhain. Und ich bleibe hier zurück. Allein.
Und schon ist Gerda wieder da. Sie spricht so laut, dass ich es gut verstehen kann: „Wir beide werden noch eine schöne Zeit zusammenhaben. Sie merken, der Doktor vertraut mir, und das ist nur gut so. Wegen Ihrem Tobsuchtsanfall gerade bleiben Sie besser in der 24-Stunden-Vollfixierung, meine Beste.“
41. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 03.01.25 18:20

Tolle fortsetzung..ich danke dir
42. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 03.01.25 18:20

Tolle fortsetzung..ich danke dir
43. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 03.01.25 20:06

Danke für dein nettes Feedback. Morgen geht die Geschichte weiter.
44. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 04.01.25 12:11

Watschelnd wie eine Ente

Die Tage vergehen, außer Gerda und ihren Bütteln Marcel und Eddie und der Nachtschwester habe ich mit niemandem Kontakt. Die Brille schränkt mein Sehen weiterhin ein, allerdings nicht mehr so stark wie am Anfang. Vielleicht passen sich meine Augen allmählich an die Gläser an. Tagsüber gibt es immer noch die Spreizhose an, mit der ich nur krabbeln kann. Ach ja, und den Schnuller muss ich auch wieder tragen und bin so gut wie still gelegt.

Nach ein paar Tagen nach dem Frühstück mit Pfleger Eddie nimmt dieser mir den Helm ab. „Ich habe mit Ihnen zu reden,“ sagt mir Schwester Gerda, die gerade hereingekommen ist, „und ich habe keine Lust, rumzuschreien. Hören Sie mir mal gut zu!“ „Ja, Schwester,“ antworte ich eingeschüchtert. „Also, liebe Frau Ferner, nur herumsitzen oder zu liegen geht auch nicht. Sehen Sie zu, dass Sie etwas in Bewegung kommen. Und dazu will ich Ihnen helfen. Was halten Sie davon?“ Ich habe keine Ahnung, wo Gerda drauf hinaus will und zucke nur mit den Schultern. „Können Sie nicht sprechen?“ fragt mich die Schwester. „Damit es Ihnen ein für allemal klar ist, Frau Ferner, Sie sind von mir und meiner Beurteilung über Sie abhängig. Haben Sie das endlich kapiert? Dr. Härich legt sehr viel Wert auf die Meinung erfahrener Schwestern und fragt mich oft, welche Fortschritte Sie machen. Und ich kann dann leider nur den Kopf schütteln und sagen, wir arbeiten daran. Aber dann müssen Sie auch mitmachen.“ „Aber ich mache doch alles, was Sie wollen,“ antworte ich. „Das war eine falsche Antwort,“ sagt Gerda, „nicht das, was ich will, sondern was mir medizinisch notwendig erscheint. Und da ist noch eine ganze Menge zu machen. Sie sind gefährlich, Frau Ferner, wirklich gefährlich. Für mich sind Sie psychisch schwer erkrankt, aber sonst funktioniert Ihr Gehirn noch gut. Daher auch diese Renitenz. Vielleicht sollten wir Sie da doch etwas sedieren.“ „Sie haben mich doch schon so weit, was wollen Sie denn noch?“ frage ich mit Tränen in den Augen, „Ihre Rache?“ „Was unterstellen Sie mir da?“ fährt mich Gerda an. „Ich will nur alles medizinisch und therapeutisch Notwendige für Sie. Wie oft soll ich das noch sagen? Für mich sind Sie hier genau richtig und sollten permanent hier bleiben.“ „Aber ich bin doch noch nicht entmündigt?“ frage ich kleinlaut zurück. „Nein, noch nicht, Frau Ferner, aber auf einem guten Weg dorthin. Wir arbeiten daran. Leider haben Sie bei Richter Ahrends aus was für Gründen auch immer einen Stein im Brett. Er will noch keinen Vormund für Sie bestimmen. Aber steter Tropfen höhlt den Stein. Deshalb schicken Dr. Härich und ich ihm regelmäßig Berichte über Sie und dass Sie nun wieder in Waldstetten sind, könnte seine Meinung ja ändern.“

„Und nun genug geplaudert, ab zum Training. Damit Ihnen nichts passiert, setzt Ihnen Eddie jetzt einen Schutzhelm aus Leder auf und dann geht’s los.“ Eddie hält einen braunen Lederhelm in der Hand, den er mir überstülpt. Der Helm hat ein breites Polster rund um den Kopf und ist merklich schwerer als der rote, den ich bisher trug. „So, und nun bekommen Sie ein schönes Laufgeschirr mit integrierter Spreizhose angezogen, liebe Frau Ferner.“ Die Schwester zieht mir die Spreizhose aus, nur um mir mit mehreren Gurten ein Laufgeschirr, wie es Kleinkinder tragen, anzulegen. In das Laufgeschirr ist eine Spreizhose integriert, die wieder meine Beine auseinanderbringt. „So, und jetzt aufgestanden, und Sie gehen durch den Raum,“ befiehlt die Schwester. Ich stehe mühsam auf und watschele vorsichtig auf ein Gitter zu, an dem ich mich, so gut es geht, beim Gehen, festhalte. „Gut und jetzt mal bis zur anderen Wand, immer geradeaus,“ lautet der Befehl. Mich mit der linken Hand festhaltend setze ich vorsichtig einen Fuß vor den anderen, so gut es mir in der Spreizhose und mit verschwommener Sicht möglich ist. Am Ende des Raumes angekommen, soll ich zurückgehen. Doch die Wende gelingt mir nicht und ich falle nach vorne. Gerda kommt, hakt ihren Plastikstab in mein Laufgeschirr ein und hilft mir durch Ziehen, wieder auf die Beine zu kommen. „Jetzt machen wir das noch dreimal,“ kündigt sie an. Mir bricht schon der Schweiß aus. Dennoch gelingt es mir, indem ich mich mit einer Hand am Gitter halte. Danach bin ich aber ganz schön fertig und bin froh, als ich mich wieder in meinen Käfig ausruhen kann. Marcel setzt mir den Schnuller wieder ein und befestigt einen Gehörschutz an dem Lederhelm. So bin ich still gelegt und habe meine Ruhe.

Dieses Fitnessprogramm wiederholt Gerda mit mir am Nachmittag. Sie nennt mich ihr hässliches Entlein und weist mich daraufhin, dass ich auch lernen müsste, zu gehen ohne mich festzuhalten. Morgen solle ich das versuchen.
Am nächsten Tag ist wieder Training angesagt, aber ich traue mich einfach nicht, das Gitter loszulassen. Gerda herrscht mich an, ich solle mich zusammenreißen. Aber ich habe Angst vor den Stürzen, auch wenn ich weich gepolstert bin. Da reißt ihr der Geduldsfaden. Sie telefoniert Marcel herbei, er solle meine Schutzjacke mitbringen.
Und dann wird mir zuerst das Laufgeschirr mit integrierter Spreizhose ausgezogen und ein neues dünnes Oberteil ohne die steifen Handschuhe angezogen. Danach muss ich wieder in die Ärmel meiner Zwangsjacke schlüpfen – was habe ich sie vermisst. Nachdem die Zwangsjacke schön verschnürt wurde, natürlich auch mit dem Schrittgurt, bekomme ich wieder das Laufgeschirr samt Spreizhose angezogen. „Sie haben es ja nicht anders gewollt, Frau Ferner,“ kommentiert Schwester Gerda, „ dann lernen Sie es eben auf die harte Tour.“ Das Training wird furchtbar, immer wieder falle ich hin und Gerda und Marcel ziehen mich hoch. Am Nachmittag geht das schon besser und am Folgetag schaffe ich schon die ganze Strecke zur Wand und zurück. Die Zwangsjacke muss ich jedoch den ganzen Tag über permanent tragen.

Schwester Gerda hat merklich ihren Spaß mit mir. Sie befestigt den Plastikstab an meinem Laufgeschirr und dann gehen wir an einem Nachmittag ein bisschen spazieren, wie sie es nennt. Ich solle doch auch mal etwas Abwechslung haben. Sie führt mich an dem Stab wie an einer Leine und ich watschele in der Zwangsjacke und in der Spreizhose vor ihr her. Es geht durch die Tür auf den Flur und dann führt sie mich in irgendwelche Räume, die ich aber nicht erkennen kann. Wenn ich schräg nach oben schaue, kann ich gerade noch einige anderen Gestalten sehen, wahrscheinlich Schwestern, mit denen Gerda lebhaft diskutiert. Dann zieht sich mich weiter, und das Watscheln fällt mir immer schwerer. Ich kann fast nicht mehr und falle seitwärts auf den Boden. Sofort stehen einige Leute um mich herum und diskutieren. Ich höre Gerda schimpfen, spüre einen schmerzhaften Ruck am Nacken, der versucht mich wieder auf alle Viere zu bringen. Irgendwie macht sich Gerda an mir zu schaffen, gerät ins Stolpern und fällt über mich drüber. „Habt ihr es gesehen?“, kreischt sie, „das war ein körperlicher Angriff auf mich. Ihr habt es alle gesehen. Das wird Konsequenzen haben, Frau Ferner.“ Ich höre ein Raunen und ein Gemurmel. Dann heben mich einige starke Arme hoch, legen mich auf ein Bett und fixieren mich. Ist mir doch egal, Hauptsache nicht mehr wie Gerdas Ente vor ihr her watscheln.



Die Wende

„So, Voll-Fixierung ist angesagt,“ faucht mich Gerda an, als ich wieder in meinem Bett liege. Eddie und Marcel machen sich schon an mir zu schaffen. „Auch die Kopffixierung“, bellt die Schwester, „Frau Ferner, Frau Ferner, ein Angriff auf mich, tzz, tzz. Das ist ja wohl das Letzte. Das heißt 48 Stunden fixiert, damit sie nichts Schlimmes mehr anrichten können. Und wehe, Sie koten ein. Dann können Sie in Ihrem eigenen Gestank liegen bleiben.“ Die Pfleger ziehen die Gurte besonders stramm, so dass mir keine Bewegungsfreiheit mehr bleibt. Und immer noch habe ich die Zwangsjacke und diese furchtbare Spreizhose an. Ich kann nicht mehr und bin froh, als ich endlich alleine bin.

Die Nacht fixiert in der Spreizhose wird schlimm. Allmählich tut mir das ganze Becken weh und ich finde nicht recht in den Schlaf. Am Morgen weckt mich Gerda, stellt den Kopfteil meines Bettes etwas hoch und füttert mich. Dann schnell wieder den Schnuller in den Mund und ich bin mir selbst überlassen. Noch 36 Stunden denke ich.

Aber so weit kommt es nicht. Irgendwann am späten Vormittag kommt Schwester Margot herein, befreit mich von Schnuller, Helm, Brille und schnallt mich von den Gurten los. Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht und was los ist. „Sie dürfen aus der Isolation heraus,“ erklärt sie mir, „und dann erst einmal zu Kim Lorenz ins Zimmer. Die kennen Sie ja noch. Ein schöner Aufenthalt in einem unserer renovierten Zwei-Bett-Zimmer. Dr. Härich wird dann mit Ihnen sprechen und erklären, wie es weitergeht.“ „Darf ich denn zurück nach Bodenhain?“ frage ich die Schwester. „Das weiß ich nicht, warten Sie erst einmal das Arztgespräch ab,“ ist die knappe Antwort. Dann befreit mich Schwester Margot von der Spreizhose und hilft mir aus der Zwangsjacke. Ich darf erst einmal in Ruhe zur Toilette und dann duschen und danach bekomme ich die normale Klinikkleidung gereicht und auch meine richtige Brille wieder. Was für eine Wohltat!

An diesem und am nächsten Tag erfahre ich nach und nach, was ungefähr so vorgefallen sein muss. Schwester Gerda hatte sich mit ihrer arroganten und besserwisserischen Art bei den Kolleginnen ganz schön unbeliebt gemacht. Und mit der Entennummer mit mir und dem gefaketen Angriff hat sie einfach überzogen. Eine Schwester hat sie, nicht nur bei dieser, Aktion gefilmt und das Video Frau Dr. Hahn in Bodenhain gezeigt. Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass Gerda phantasiereiche Berichte in die Akten eintrug, um gegenüber Liz und mir härtere Maßnahmen anwenden zu können. Und dann hat Gerda auch noch fast alle Videosequenzen von den Käfigen gelöscht, obwohl sie ein halbes Jahr verwahrt werden müssen. Hat sie wohl gemacht, um kompromittierende Aufnahmen verschwinden zu lassen. Zwei hat sie jedoch übersehen und die zeigen sie in schlechtem Licht. Gerda hat wohl mit mir Dinge wie die Spreizhose gemacht, die Dr. Härich mitnichten angeordnet, jedoch geduldet hatte. Frau Dr. Hahn musste reagieren und hat in Abstimmung mit Frau Dr. Schardtwald Schwester Gerda auf unbestimmte Zeit frei gestellt sowie Dr. Härich eine Kollegin, Frau Reichinger, an die Seite gestellt. Die prüft zurzeit alle Berichte von Gerda und die Schwestern erwarten, dass das das Ende von Gerdas Karriere war. Gut wäre das. Ein bisschen Schadenfreude kann ich mir nicht verkneifen, zu übel hat die Frau mir mitgespielt.

Jetzt also mit Kim auf einem Zimmer. Sie ist noch mehr verschlossen als vor einem halben Jahr, als wir schon einmal einige Wochen das Zimmer teilten. Ihre Hände sind mit dicken Patientenfäustlingen versehen, da sie autoaggressive Schübe hat und sich sonst selbst gegen den Kopf schlägt. Ihre Arme stecken auf Höhe der Ellbogen in festen Röhren, so dass sie diese nicht anwinkeln kann und so ihren Kopf nicht trifft. Zur zusätzlichen Sicherheit trägt Kim einen blauen Kopfschutzhelm mit Stahlgitter, wie ich ihn auch getragen habe. Eine große Brille mit dicken Gläsern, um die Außenwelt auszublenden, verdeckt fast ihr ganzes Gesicht. Sprechen tut sie kaum, sie lebt nur noch in ihrer eigenen Welt. Ich fürchte, die Spätfolgen des Crack und anderer Drogen haben ihr Gehirn wohl für immer vernebelt.



Die Enttäuschung

Am dritten Tag nach meiner Entlassung aus dem Isolationsraum kommen die Pfleger Marcel und Eddie bringen mich zu Dr. Härich. Vorher wird mir noch eine Windel und eine Gummihose gereicht, die ich anziehen soll. Ich frage mich natürlich, warum, befolge aber lieber die Anweisung. Der Arzt erwartet mich hinter seinem Schreibtisch, ich darf mich davor setzen, während die beiden Pfleger an der Tür Wache stehen. „So, Frau Ferner,“ beginnt der Arzt, „da ist ja einiges passiert, von dem ich leider keine Ahnung hatte. Aber Hauptsache, Sie sind jetzt wieder gut untergebracht. Wie geht es Ihnen?“ Ich antworte zögernd: „Ganz gut.“ „Nun, das freut mich. Dann wollen wir mal sehen, dass Sie nun allmählich wieder richtig in die Spur kommen. Der Aufenthalt in einem unserer modernen Zwei-Bett-Zimmer wird Ihnen gut tun, nach allem was passiert ist. Ja, wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Das hat nun Schwester Gerda auch erleben müssen. Auch wenn es Sie als Patientin nichts angeht, als Betroffene möchte ich Ihnen jedoch mitteilen, dass die Schwester vorübergehend beurlaubt worden ist. Betonung auf „vorübergehend“. Ich weiß nicht, wie unsere Personalabteilung die Angelegenheit beurteilt, ich halte auf jeden Fall große Stücke auf die Mitarbeiterin und ein Verlust ihrer Arbeitskraft würde mich sehr schmerzen.“ Ich schlucke, heißt das, Gerda kommt eventuell wieder? „Da ich gerade über Personalsachen plaudere – Sie sollten wissen, dass wir den Vertrag mit Pfleger Dominik nicht verlängert haben. Da gab es Dinge, die den hiesigen Arbeitsablauf störten. Vielleicht können Sie sich denken, warum ich das ausgerechnet Ihnen sage. Vertraulichkeiten zwischen Personal und Patienten sind von beiden Seiten zu unterlassen.

Und nun nach dieser Einführung, wie geht es nun mit Ihnen weiter? Ich schlage nach einem längeren Gespräch mit der Kollegin Frau Dr. Reichinger vor, Sie bleiben mit Frau Lorenz auf einem Zimmer. Ihre etwas lebhaftere Art kann Frau Lorenz nur gut tun und Sie sind bei jemanden, die Sie schon kennen.“ „Aber ich dachte, ich könnte auch nach Bodenhain?“ werfe ich schüchtern ein. “Nein, das schlagen Sie sich aus dem Kopf. Erstens ist dort zurzeit kein Platz frei und zweitens hatten Sie Ihre Chance, die Sie versemmelt haben. Nein, Ihr Platz ist hier und hier bei uns wird die Therapie weitergeführt werden.“ Ich merke, wie ich rot anlaufe, ich bekomme einen Kloß in den Hals: „Ich will hier wieder weg,“ stammele ich und werde dabei immer lauter, „ich, ich kann das nicht mehr.“ „Liebe Frau Ferner,“ säuselt der Arzt, „beruhigen Sie sich doch bitte wieder. Ich kann ja verstehen, dass Sie psychisch etwas angeschlagen sind, deshalb sind Sie ja auch hier, und vergessen Sie das bitte nicht,“ und hierbei wird seine Stimme lauter, „Sie sind zwangseingewiesen. Und wie lange, hängt von meinen Gutachten ab und damit von ihrem Verhalten.“ Ich springe auf, baue mich vor dem Arzt auf und stütze meine Hände auf den Schreibtisch. „Ich habe mir in Bodenhain nichts zu Schulden kommen lassen, ich habe mich dort tadellos verhalten,“ schreie ich ihn an, „da war nur der Ausflug in die Stadt und ein klein bisschen Alkohol…“ „Frau Ferner, es reicht,“ unterbricht er mich scharf, „ich fühle mich von Ihnen bedroht. So können wir nicht weiterreden. Meine Herren, bitte!“ Ehe ich mich versehe, packen mich Marcel und Eddie. Einer hält mich fest, der andere zieht mir die Zwangsjacke über. Das ist zu viel für mich. Ich winde mich in ihren Armen, trete und schreie. Die Tür geht auf, es kommen noch weitere Pfleger gelaufen und dann liege ich plötzlich, fest eingepackt in der Zwangsjacke und mit mehreren breiten Lederriemen um meine Beine auf dem Boden. Einer hält meinen Kopf fest und Eddie setzt mir einen Ballknebel in den Mund. „Sehen Sie, Frau Ferner,“ kommentiert Dr. Härich, „genau deswegen bleiben Sie hier bei uns. Für den Rest des Tages geht es nun in die Weichzelle. Ich ordne eine 5-Punkt-Fixierung plus Schulterhalterung für die Nacht im Gitterbett an. Grundsätzlich, wenn Sie wieder auf Station sind, Reizreduzierung wie bei Frau Lorenz. Einen schönen Tag noch.“ Und dann heben mich die Pfleger in einen tiefen Rollstuhl, fixieren mich darin und fahren mich zur Gummizelle. Dort nehmen sie mir wegen angeblicher Verletzungsgefahr meine Brille ab und legen mich auf den Boden. Die Tür wird verschlossen und ich bin allein. Wegen den Gurten kann ich mich nicht hinsetzen. Ich liege auf dem Boden und wimmere vor mich hin.

Mittags kommen Eddie und Marcel, lehnen mich an die Wand und füttern mir das Mittagessen. Dann werde ich bis zum Abendessen wieder allein gelassen. Anschließend fahren mich die beiden Pfleger mit dem Rollstuhl in unser Zimmer. Dort wartet schon das komplette S-Fix auf mich. Im angrenzenden Hygieneraum werde ich zunächst auf eine Liege geschnallt und Marcel und Eddie befreien mich von den Beingurten und der Zwangsjacke. Dann zieht mir eine Schwester die volle pitschnasse Windel aus, legt mir eine frische an und die beiden führen mich zum Bett. Dort werde ich sorgfältig und sehr stramm am Bauch, an den Fuß- und Handgelenken, im Schritt und letztlich mit Schultergurten fixiert. Eddie stülpt mir mein Ledergeschirr über den Kopf, die Seitengitter des Bettes ratschen ein und dann kümmern sich die beiden um Kim.



Die Ankündigung

Am nächsten Morgen werde ich nach einer harten Nacht geweckt und Schwester Margot beugt sich über mich. „Guten Morgen, Frau Ferner, nun werden Sie also wieder länger unser Gast sein. Dr. Härich hat einige Maßnahmen vorgeschrieben, womit wir sofort anfangen werden. Danach gibt es dann eine frische Windel und es wird Ihnen und Frau Lorenz hier im Zimmer das Frühstück gereicht.“ Die Schwester löst mich bis auf die Fußgelenke aus der Fixierung und nimmt mir das Knebelgeschirr ab. Meine Hände werden in dicke Patientenhandschuhe gepackt und dann bekomme ich die gleichen steifen Röhren um meine Ellbogen wie bei Kim angelegt. Anschließend schnallt sie mir die Brille mit den extra starken Gläsern um, so dass mein Sichtfeld wieder stark eingeschränkt ist. „Jetzt noch den Helm mit den Ohrenschützern und dann sind Sie fertig“, kommentiert sie. „Erst einmal ohne Gitter, das setzen wir Ihnen nach dem Frühstück ein.“ Und dann bekomme ich meinen Schutzhelm wieder aufgesetzt, der sich so schön um meinen Kopf schmiegt und mich halbtaub werden lässt. „Es liegt an Ihnen, Frau Ferner, ob wir sie noch stilllegen müssen“, kommt die Warnung, „also halten Sie sich lieber zurück.“

Nach dem Frühstück wird noch das Gitter an meinem Helm befestigt und dann ist die Welt wieder sicher vor mir. Kim und ich bleiben auf unserem Zimmer bis zur Arztvisite. Dann kommt Dr. Härich zusammen mit einer Frau und mit Marcel. „Sehr schön, Frau Ferner“, kommentiert er mit lauter Stimme, damit ich ihn verstehen kann, „so, gefallen Sie mir nach gestern schon besser. Marcel, nehmen Sie ihr bitte eben den Helm ab. Dann spricht es sich leichter.“ Jetzt kann ich wieder besser hören. „Frau Ferner,“ fragt die Ärztin, „können Sie mich erkennen?“ „Nur verschwommen,“ antworte ich. „Ich bin Frau Dr. Reichinger und bis auf weiteres für Sie zuständig, wenn Dr. Härich nicht da ist. Dann lernen wir uns auch mal kennen.“ Ich nicke und erwarte, was kommen wird. Dr. Härich übernimmt wieder: „Frau Ferner, wir müssen jetzt angesichts Ihres Zustandes an eine zumindest zeitweilige Entmündigung und damit an eine gesetzliche Betreuung denken. Ich habe Herrn Richter Ahrends Ihren Fall noch einmal unterbreitet und auf die absolute Dringlichkeit hingewiesen. Ich möchte, dass Sie Bescheid wissen und erkennen, dass alle unsere Maßnahmen zu Ihrem Besten sind. Demnächst wird Herr Ahrends hier sein und dann eine Entscheidung treffen. Bis dahin bleiben unsere Therapiemaßnahmen so bestehen. Bei schönem Wetter werden Sie Gelegenheit haben, in der Gruppe nach draußen zu gehen und ein bisschen frische Luft zu schnappen. Haben Sie noch eine Frage?“ Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. „Sie wollen mich also wirklich entmündigen?“ stammele ich. „Nein, nicht ich, letztendlich entscheidet das Gericht. Aber ich befürworte es. Wie gesagt, es ist nur zu Ihrem Besten. Und nun schauen wir uns mal Frau Lorenz an.“ „Ich habe noch eine Frage,“ werfe ich ein. „Ja,“ ist die ungeduldige Antwort. „Wie lange muss ich noch hier bleiben?“ Dr. Härich wirkt gereizt: „Immer wieder diese Fragen. Das kann noch kein Mensch sagen.“ Er zuckt die Schultern: „Vielleicht ein Jahr, vielleicht für immer. Ob die Zwangseinweisung weiterhin verlängert wird, hängt ebenfalls vom Richter ab und der stützt sich auf meine Berichte. Damit Ihnen der Ernst der Lage klar ist: in Ihrer Akte steht ein Z für „zwangseingewiesen“, ein W für „Wiederholung“ und ein EhV für „extrem herausforderndes Verhalten“. Und da fragen Sie, wie lange Sie noch bleiben müssen.“ „Aber das mit dem herausfordernden Verhalten hat doch bestimmt Schwester Gerda geschrieben“, insistiere ich. „Wer das geschrieben hat, ist zweitrangig. Ich stehe auf jeden Fall voll dahinter. Das heißt für uns, dass wir vorsichtig und mit Verantwortung allen Beteiligten gegenüber agieren müssen. Oder anders ausgedrückt, für Sie sind strenge Restriktionen vorgesehen. Und wenn ich einen Rat geben darf: Frau Ferner, nehmen Sie die Situation so an. Sie sind psychisch krank, haben aggressive Schübe und sind meiner Meinung nach eine Gefahr für andere. Lassen Sie hier alles medizinisch und therapeutisch Notwendige einfach mit sich geschehen und machen Sie das Beste draus. Die Zeit wird es zeigen. Und nun, Marcel, setzen Sie der Patientin bitte wieder den Helm auf. Ach ja, wegen der Schreiattacke gestern und weil die Patientin so unruhig ist, setzen Sie ihr bitte für die nächsten zwei Stunden den Butterfly ein und schnallen Sie Frau Ferner bitte bis heute Mittag im Rollstuhl fest. Sicher ist sicher.“

„Sie haben es gehört,“ weist mich Marcel an, „also Mund auf.“ Ich bin noch ganz geschockt von dem, was ich gehört habe, und öffne brav den Mund. Schon schiebt mir Marcel das schwarze Gummi in die Mundhöhle und pumpt Luft durch die vordere Platte in den Knebel. Der wird größer und größer, legt meine Zunge still und weitet meine Wangen, bis ich nur fiepen kann. Dann setzt Marcel mir den Helm auf und führt mich zum Rollstuhl. Er setzt mich hinein, befestigt meinen Oberkörper, meine Füße und meinen Kopf, so dass ich nur meine Arme bewegen kann. Die sind allerdings in diesen Röhren nutzlos und so erwartet mich ein weiterer endlos langer Vormittag.
45. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von ChasHH am 04.01.25 15:27

Vielleicht kann Dominik, jetzt wo er weg ist, Polizei und/oder einen Anwalt für die Patientin holen. Menschenrechte gelten für alle.
46. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 05.01.25 17:28

Danke für die lange und ausgiebige fortsetzung. Ich freu mich immer, wenn du eine fortsetzung schreibst.
47. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 05.01.25 20:11

An der Leine

Nach der Mittagsruhe im kompletten S-Fix – von was soll ich mich eigentlich ausruhen? – muss ich wieder im Rollstuhl Platz nehmen. Kim übrigens auch. Dann werde ich allerdings von Marcel erst einmal wieder ruhig gestellt. Erst bekomme ich ein großes Lätzchen umgelegt und dann wird mir ein Mundspreizer eingesetzt, dessen Lederband gut in meinem Nacken verschlossen wird. Marcel öffnet nun langsam den Spreizer, ich habe keine Chance dagegen und mein Mund öffnet sich. Ich kann nur noch unartikulierte Laute ausstoßen, eine Kommunikation mit anderen scheint mir untersagt zu sein. Dann werden Kim und ich nach draußen gerollt und unter eine Überdachung gestellt. Es tut gut, ein wenig über das bisschen, was von meiner Haut sichtbar ist, also eigentlich nur die untere Gesichtshälfte, den Wind zu spüren. Für wie wenig man schon dankbar ist, ich war schließlich wochenlang nicht mehr draußen.

Und dann kommt der große Moment: Kim und ich werden losgeschnallt und wir dürfen aufstehen. Zwei weitere Patientinnen werden zu uns geführt, alle bekommen einen Gürtel um, an denen ein breites, langes Band befestigt wird. Und dann geht eine Schwester voraus, fasst das eine Ende des Bandes und führt uns vier hintereinander durch das Außengelände. Ich gehe als letzte und hinter mir hält eine weitere Pflegerin das andere Ende des Bandes. Und so geht es stumpfsinnig im Viereck vorwärts. Sprechen kann ich wegen des Spreizers ja nicht, dafür sabbere ich wie blöd vor mich hin. Irgendwann wird jemand aus unserer Viererreihe ungeduldig. Sie zieht immer wieder an dem Band, so dass ich aufpassen muss, nicht zu stolpern. Es wird unruhig, dann stoppt alles, die Frau wird aus unserer Gruppe herausgeholt und dann geht es ohne sie weiter. Ich habe keine Ahnung, wie lange, aber irgendwann darf ich mich auf einen Plastikstuhl setzen und pausieren. In meinem Nacken wird ein Band eingehakt, das wiederum an der Wand befestigt ist. So kann ich aufstehen und ein paar Schritte machen. Aber mein Bewegungsradius ist so klein, dass ich bestimmt nichts Böses anstellen kann. So sinnstiftend verbringen wir den Nachmittag, bevor es dann wieder heißt, im Rollstuhl gut angeschnallt Platz zu nehmen und auf die Station zurückgeschoben zu werden.

Immerhin konnte ich gut meinen Gedanken nachhängen, auch wenn sie sehr düster waren. Ich habe einen Mordszorn auf diesen Dr. Härich. Der will mich unbedingt hier behalten und ich erinnere mich noch an das Gespräch mit Dominik, der von niemanden wusste, der hier wieder weg kam. Aber was soll ich machen – mehr als mich auf die beschissene Situation einzulassen, kann ich im Moment nicht tun. Eigentlich kann ich froh sein, nicht wieder im Käfig zu sitzen. Man lernt halt für das Wenige dankbar zu sein. Ich hoffe, dass sie mich irgendwann wieder sprechen lassen und ich mich wieder etwas freier bewegen kann. Dazu darf ich jedoch nicht mehr auffallen, das muss mein erstes Ziel sein.


Zwei interessante Gespräche

Und dann wird mir zwei Tage später morgens bei der Arztvisite der Besuch von Richter Ahrends angekündigt. Ich solle mich bitte um 10 Uhr bereit machen. Es gehe um die Weiterführung der Zwangseinweisung.
Der gestrige Tag lief fast so ab wie der Tag zuvor, nur dass mir der Butterfly-Knebel erspart wurde. Dafür wurde mir am Nachmittag draußen ein kleiner Ballknebel eingesetzt – jegliche Kontaktaufnahme scheint mir verboten. Eddie setzt mir diesen auch jetzt ein und bringt mich um kurz vor zehn in einen separaten Raum, wo schon zwei Männer warten: Richter Ahrends und zu meiner Überraschung mein Psychiater Dr. Aschdorf. „Sie können uns mit Frau Ferner gerne alleine lassen,“ wendet sich der Richter an Eddie. „Wenn Sie sie wiederholen sollen, rufe ich an. Und nehmen Sie ihr bitte den Helm ab und sorgen Sie dafür, dass die Patientin wieder sprechen kann, damit wir uns unterhalten können.“ Eddie befreit mich von Ballknebel und Schutzhelm und drückt mich dann auf einen Stuhl. Ich höre, wie er das Zimmer verlässt. „Erst einmal guten Morgen, Frau Ferner,“ begrüßt mich Herr Ahrends, „ich habe Dr. Aschdorf mitgebracht, weil es heute um sehr wichtige Dinge gehen wird. Wir haben uns ja schon zweimal gesehen. Die erste Begegnung war nicht so erfreulich, aber da habe ich auch einen Gutteil Schuld daran. Und beim zweiten Mal traf ich Sie in einem dieser Käfige an in einer Art Spreizhose. So weit ich weiß, hat Frau Dr. Hahn sofort reagiert und Ihren Aufenthalt erleichtern können. Nun, es geht heute um die Frage, ob die Zwangseinweisung aufrecht erhalten wird. Normalerweise wird das nach Aktenlage entschieden und die ist von Seiten des Hauses eindeutig. Aber ich habe meine Gründe, das persönliche Gespräch mit Ihnen zu suchen und habe als Hilfe zur Beurteilung Dr. Aschdorf mitgebracht.“ Ich begrüße beide Männer und bin gespannt auf das, was jetzt kommt. Und dann soll ich berichten, über meinen ersten Aufenthalt in Bodenhain und warum ich unbedingt wieder in die Psychiatrie wollte. Die beiden Männer stellen dann detaillierte Fragen über die Gegebenheiten in Haus Waldstetten und schreiben alle meine Aussagen in ihre Laptops. Nach gefühlt einer Stunde beendigen die beiden das Gespräch. „Frau Ferner, wir danken Ihnen für Ihre Offenheit und für Ihre genauen Beobachtungen“ äußert sich der Richter, „ich werde Ihren Fall jetzt gleich mit Dr. Aschdorf beraten. Anschließend muss ich noch zu anderen Patientinnen. Ich würde sagen, gegen halb drei oder drei Uhr sehen wir uns hier wieder. Es gibt noch einiges zu besprechen. Man wird Sie dann zu uns bringen.“ „Darf ich etwas fragen“ bringe ich hervor. „Gerne.“ „Bin ich nun weiter zwangseingewiesen?“ „Ich sehe, diese Angelegenheit nicht so eindeutig wie Dr. Härich,“ antwortet Dr. Aschdorf. „Wir werden uns beraten und Herr Ahrends wird Ihnen seine Entscheidung heute Nachmittag mitteilen.“ Dann telefonieren sie nach Eddie, der mich zurück in mein Zimmer führt. Ich staune, so schlecht ist das gar nicht gelaufen. Die beiden Herren zeigten ein echtes Interesse an mir und betrachteten mich scheinbar nicht als hoffnungslosen Fall. Mal sehen, was der Nachmittag bringt.

Am Nachmittag sitze ich Herrn Ahrends gegenüber. Der kommt sofort zur Sache: „Also, Frau Ferner, die Entscheidung wird lauten, die Zwangseinweisung zu beenden. Die Argumente von Dr. Aschdorf, der Sie ja schon länger kennt, sind überzeugend. Das neueste Kurzgutachten hier aus dem Hause scheint mir sehr von dieser unmöglichen Schwester, die jetzt gerade beurlaubt wurde, beeinflusst zu sein. Dr. Aschdorf wird ein Gegengutachten schreiben, an dem ich mich orientieren werde.“ Ich schaue den Mann erstaunt an und freue mich aufrichtig. „Das heißt dann also, ich bin, wenn Ihre Entscheidung aktenkundig ist, nur noch aus freien Stücken hier. Ich kann dann also das Haus verlassen?“ „Ich fürchte, so einfach wird das nicht sein. Das ist noch ein laufendes Verfahren, und so schnell wird man hier nicht nachgeben. Aber Dr. Aschdorf und ich haben uns etwas überlegt. Dazu jedoch, Frau Ferner, müssen Sie mir Ihre absolute Verschwiegenheit gegenüber Dritten hoch und heilig versprechen. Letztendlich in Ihrem eigenen Interesse. Tun Sie das?“ „Ja, ich verspreche es,“ antworte ich und bin gespannt auf das, was nun kommt.

„Also erstens: schon in meiner Reflexion nach unserer ersten Begegnung hatte ich den Eindruck, dass Sie hier in Waldstetten möglicherweise falsch sind. Das sagte mir einfach meine Erfahrung mit psychiatrischen Kliniken. Aber ich brauchte mehr Sicherheit. Hier sind wirklich sehr schwere klinische Fälle und da gehören Sie definitiv nicht dazu. Dr. Aschdorf ist sogar der Meinung, Sie hätten nach Ihrem letzten Aufenthalt mehr Geduld in seiner Ambulanz mitbringen sollen und wenn er sich von Ihnen nicht so gedrängt gefühlt hätte, hätte er nicht für die Einweisung gesorgt. Nun denn. Jetzt ist es so, wie es ist und wir müssen in die Zukunft sehen.

Und zweitens: ich denke nicht nur, Sie sind hier falsch untergebracht, ich bin auch überaus entsetzt über die Zustände, die ich in diesem Haus angetroffen habe. Und das bleibt jetzt unbedingt unter uns. Jede Willkürmaßnahme wird hier medizinisch-therapeutisch begründet, egal ob man sich damit über den gesetzlichen Rahmen hinwegsetzt oder nicht. Und Menschen wie Sie, die als Sand im Getriebe empfunden werden, trifft es dann ganz besonders. Wenn ich nur an diese Käfige denke… Ich habe ja einige Psychiatrien von innen gesehen und viele arbeiten tadellos, aber Haus Waldstetten ist in negativer Hinsicht unerreicht.

Nicht ganz unwichtig war in diesem Zusammenhang auch der Bericht von Herrn Schlegel bei Ihrem Psychiater über seine Beobachtungen. Dr. Aschdorf hat mich darüber informiert und ich habe selbst mit Herrn Schlegel gesprochen.“ Ich muss ihn wohl etwas ratlos angeblickt haben, denn Herr Ahrends ergänzt: „Dominik Schlegel wurde mittlerweile entlassen. Vielleicht ist etwas von seinen Aktivitäten hier bekannt geworden. Schade drum. Er hat nämlich wertvolle Hinweise gegeben.“ Also Dominik, denke ich, du Engel!

„Wichtig war auch der Bericht an Frau Dr. Hahn von Seiten einiger Mitarbeiterinnen in Bezug auf diese unsägliche Schwester Gerda. Und wenn ich unterschwellig mitbekomme, dass die Frau womöglich bald wieder auf Patientinnen losgelassen wird, dann wird mir ganz übel. Ich gebe Ihnen mal meine Überlegungen weiter“, fährt der Mann fort, „aber weiterhin streng vertraulich. Auch wenn Sie demnächst nicht mehr zwangseingewiesen sind, wird es für Sie allein fast unmöglich sein, hier wieder herauszukommen. Dr. Härich wird Gutachten um Gutachten verfassen und das Gericht damit bombardieren. Es geht schließlich auch um seinen Ruf.

Meine Idee ist, ich beauftrage für Sie einen gesetzlichen Betreuer mit einer teilweisen Betreuung. Damit sind Sie nicht entmündigt; ist sowieso Quatsch, das gibt es in Deutschland schon seit Jahren nicht mehr. Aber ein versierter Betreuer, gerade wenn er juristisch nicht ganz unterbelichtet ist, hat einfach mehr Möglichkeiten, Sie hier wieder herauszuholen. Mir schwebt da auch schon jemand vor, ein Mitarbeiter vom Gericht, den ich sehr schätze und der meines Wissens nach noch Kapazitäten frei hat. Herr Seehausen könnte Sie dann betreuen und dann dafür sorgen, dass Sie wieder nach Hause kommen. Was halten Sie davon? Vertrauen Sie mir?“ „Oh, nach unserer ersten Begegnung habe ich Sie ganz anders eingeschätzt,“ antworte ich. „Ja, auch ich lerne dazu,“ ist die Antwort. „Ich habe ja keine andere Chance mehr, fürchte ich. Machen wir das doch so, wie Sie es vorschlagen. Wird die Betreuung denn dann wieder aufgelöst, wenn ich zu Hause bin?“ „Ja, wenn Sie sich nichts Wesentliches zuschulden kommen lassen, wird das so sein.

Aber jetzt habe ich noch eine Bitte: ich möchte die Zustände in Haus Waldstetten nach oben melden und brauche dafür noch mehr Informationen über Missstände, Demütigungen, Entwürdigungen usw. Wären Sie bereit, mir diese zu geben? Herr Seehausen könnte Sie hier jede Woche zu einem festen Termin besuchen, am besten Freitagnachmittags, und er soll dafür sorgen, dass Sie beide unter vier Augen in Ruhe sprechen können. Und wenn es beim Spaziergang draußen ist. Er wird mir alle Ihre Beobachtungen weitergeben. Als Zeitraum halte ich acht Wochen für ausreichend.

Also folgender Ablauf ist angedacht: Dr. Aschdorf erstellt unverzüglich ein Gegengutachten und dann sind Sie in ein paar Tagen aus der Zwangseinweisung heraus und nur noch quasi freiwillig hier. Ich spreche mit Herrn Seehausen, von dessen Zustimmung ich ausgehe, und der Ihr gesetzlicher Betreuer in Teilangelegenheiten, nämlich vorrangig der Gesundheitsfürsorge, werden wird. Damit kann er sie schützen, denn er muss über alle medizinischen Maßnahmen informiert sein. Ob das Waldstetten machen wird, wage ich zu bezweifeln, aber den regelmäßigen Besuch bei Ihnen muss man Herrn Seehausen gestatten. Sie schildern ihm das, was Sie für zumindest zweifelhaft in Ihrer Behandlung und der der anderen Patientinnen halten, und er wird sich dann regelmäßig mit mir in Verbindung setzen. Was halten Sie davon?“ „Nun, das war ja jetzt ziemlich viel auf einmal, aber ich glaube, ich möchte da mitmachen,“ antworte ich. „Brauchen Sie noch Zeit zum Überlegen?“ Ich schüttele den Kopf. „Nun dann sollten wir jetzt gleich noch den Antrag auf gesetzliche Betreuung bez. der Gesundheitsfürsorge ausfüllen, damit ich diesen ans Betreuungsgericht weiterreichen kann, einverstanden?“ Und das bin ich. Hier wieder rauszukommen und dabei vielleicht noch etwas zur Verbesserung von uns Patientinnen tun zu können, da möchte ich mitmachen.

48. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von pauli2004 am 06.01.25 10:13

Ach du liebe Zeit,
das hatte ich jetzt nicht erwartet.
Die Frau Ferner ist doch sehr schwer krank, dass der Richter und der Arzt das nicht bemerken hätte ich nicht gedacht. Ich denke, die Schwester Gerda ist genau die richtige Person, die das beurteilen kann und auch dir richtigen Maßnahmen ergreift, um dafür zu sorgen, dass Frau Ferner wieder gesund werden kann. Und wie geht es jetzt weiter? Nun soll sie, so krank wie sie ist, wieder nach Hause?
Ich weiß nicht, ob das so richtig ist.
49. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von ChasHH am 06.01.25 13:33

Nee, genau anders herum. Gerda ist ein sadistischer Drache, und Frau ferner ein willkommenes Opfer.
50. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 06.01.25 16:01

Dr. Härich und Schwester Gerda werden nicht so schnell nachgeben. Die haben noch ein paar Pfeile im Köcher.
Morgen soll es weitergehen.
51. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von pauli2004 am 06.01.25 16:16

Ja das ist unbedingt nötig, Frau Ferner wird sonst bestimmt nicht gesund, die beiden werden es schon schaffen und das ist gut für die Patientin.
52. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 06.01.25 18:09

Danke wieder einmal für eine lange fortsetzung. Du bist super
53. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von ChasHH am 06.01.25 19:25

Zitat
Ja das ist unbedingt nötig, Frau Ferner wird sonst bestimmt nicht gesund, die beiden werden es schon schaffen und das ist gut für die Patientin.


Ja nee ist klar. Jemandem u.a. die Augen zu ruinieren soll gut sein?
Träum weiter...
54. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von jonnyf am 07.01.25 11:00

Interessante Entwicklung, welche sich da auftut.

Wenn es in der Realität solche unmöglichen Zustände gäbe, wäre in der Psychatrie ganz schön was schief gegangen.

Es kommt ein klein wenig in der Geschichte durch, wie man als mündiger Patient in den falschen Händen (Gerda und ihr Doktor) Unrecht erfährt.

55. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von burli am 07.01.25 11:22

Eine spannende Geschichte mit vielen Facetten! Nicht das am Ende Herr Seehausen mit Gerda noch Blutsverwandt ist!
Danke, weiter so.

Grüßli von burli
56. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 07.01.25 14:04

Die Wiedergängerin

„Guten Morgen, meine Damen, da bin ich wieder,“ tönt es durch den Frühstücksraum. Eine wohl bekannte, verhasste Stimme. „Sicher haben Sie mich schon vermisst. Nun, mein Urlaub ist zu Ende und ich darf mich wieder um Sie kümmern. Ah, da ist ja auch Frau Ferner. Das freut mich, Sie so munter wiederzusehen.“ Ich zucke zusammen, als mich Schwester Gerda so plötzlich anspricht. Ich hatte so gehofft, sie würde nie mehr wieder kommen, aber jetzt ist sie wieder da. Und als wenn sie meine Gedanken lesen könnte, sagt sie zu mir: „Ihnen wäre es doch sicher lieber gewesen, ich wäre entlassen worden. Aber so einfach geht das nicht bei einer verdienten Mitarbeiterin wie mir. Wir beide werden wieder viel Spaß zusammen haben, oder?“ Ich antworte nur ein schüchternes „Ja, Schwester Gerda“ und schaue wieder auf meinen Teller. „Frau Ferner, ich habe nicht vergessen, was zu meinem unfreiwilligen Urlaub geführt hat, und da werde ich Sie noch häufiger daran erinnern. Bis später.“
Ich bekomme nach dieser Drohung keinen Bissen mehr herunter. Nach dem Gespräch mit dem Richter hatte ich drei relativ gute Wochen hier. Nach und nach wurden die Sanktionen zurückgenommen: kein Rollstuhl mehr, keine Röhren mehr an den Armen, so dass ich sie wieder frei bewegen konnte, keinen Knebel und selbst den Helm, der mein Hören so sehr reduziert hat, musste ich nach einer Woche nicht mehr tragen. Auch muss ich nicht mehr die extra starke Brille aufsetzen, sondern kann die tragen, die mir Frau Dr. Schardtwald gegeben hat. Die nächtliche Fixierung wurde weitgehend zurückgenommen, nur noch meine Hand- und Fußgelenken werden mit S-Fix am Bett befestigt. Allerdings stecken meine Hände aus Sicherheitsgründen, wie es heißt, bis auf die Mahlzeiten weiter in dicken Fäustlingen, aber damit lässt sich leben. Wie gesagt, ich habe das Gefühl, es geht aufwärts, und innerlich fühlte ich mich so erleichtert, Gerda nicht mehr zu sehen. Aber jetzt – wie wird das weitergehen?

„Ich weiß nicht, wie das passieren konnte,“ spricht Gerda mich am frühen Nachmittag plötzlich an und baut sich vor mir auf: „Warum Sie nun nicht mehr bei uns zwangseingewiesen sind, kann ich mir gar nicht erklären. Ich werde mit Dr. Härich sprechen, der muss ein Gegengutachten verfassen und ich kann ihm gerne genug Argumente liefern. Aber zumindest macht Ihre Entmündigung Fortschritte. Sie haben ja seit vorgestern einen Betreuer. Wenn der sich so viel Zeit lässt wie die anderen gesetzlichen Betreuer unserer Patientinnen, dann pfuscht der uns schon nicht dazwischen.“ Oh, denke ich, danke für die Auskunft, das hätte mir ja eigentlich der Arzt sagen müssen. Aber gut, dass Richter Ahrends Wort gehalten hat. So ganz chancenlos bin ich wohl doch nicht. Ich lächle ein wenig vor mich hin. „Ach, hören Sie doch auf mit Ihrem blöden Grinsen. Wenn Sie sich über mich lächerlich machen wollen, bitte. Ich kann das ab.“ Und weg ist sie. Doch schon nach kurzer Zeit kommt Gerda mit Eddie und Marcel im Schlepptau zurück. „Die Patientin ist heute sehr unruhig und äußerst renitent“, wendet sie sich an die beiden Pfleger, „bitte Schutzjacke und Weichzelle bis heute Abend und dann in der Nacht Vollfixierung. Ja, Frau Ferner, jetzt werden wieder andere Seiten aufgezogen. Ich wünsche Ihnen noch einen abwechslungsreichen Tag.“ „Sie wissen genau, dass ich heute weder unruhig noch renitent bin,“ traue ich mich zu sagen. „Pah, Frau Ferner, Sie haben sich über mich lustig gemacht und hämisch gegrinst.“ „Nein“, insistiere ich, „ich freu mich darüber zu hören, dass ich nicht mehr zwangseingewiesen bin.“ „Quatsch, Ihre Freude wird nur von kurzer Dauer sein. Und jetzt die Arme nach vorne, aber dalli.“ Und schon wird mir seit Wochen wieder zum ersten Mal der schwere Stoff der Zwangsjacke übergestreift. Meine Hände stecken in den langen Jackenärmeln, ich spüre, wie an meinem Rücken die Gurte stramm gezogen werden, dann werden meine Arme verschränkt und die Enden ebenfalls an meinem Rücken befestigt und zum Schluss ziehen die beiden noch den Schrittgurt fest. „Marcel, da ich ungern mit Patienten diskutiere und ich das Frau Ferner schon hundertmal gesagt habe, holen Sie doch bitte gleich den Mundspreizer für die Dame,“ ergänzt Gerda noch. Und dann bringen mich die Männer in die Gummizelle und setzen mich dort in eine Ecke. Kurze Zeit später kommen Marcel und Eddie wieder, einer hält meinen Kopf, während der andere den Spreizer in meinen Mund setzt. Langsam öffnet sich meine Kiefer und ich bin mal wieder still gelegt. Die beiden legen mir noch ein überdimensionales Lätzchen um und lassen mich dann alleine.


Michael Seehausen (1)
Puh, ich merke hier sind ganz schön dicke Bretter zu bohren. Gleich nachdem mit Herr Ahrends mit der Übernahme der Betreuung von Frau Ferner betraut hatte, habe ich mich hier in Waldstetten angemeldet mit der Absicht, Einblick in die Behandlung von Frau Ferner zu bekommen. Der zuständige Arzt Dr. Härich schien aus allen Wolken zu fallen und mauerte sofort. Ich ließ nicht locker und forderte einen Termin für ein zeitnahes Gespräch mit ihm ein sowie ein Treffen mit Frau Ferner, den ich auch heute bekam. Auch wenn Dr. Härich mehrfach betonte, dass er mein Verhalten unüblich fände, weiß ich doch das Recht auf meiner Seite.

Nun war ich heute zum Gespräch bei ihm und er beteuerte, dass man vom Haus aus alles tun würde, damit Frau Ferner bald gesund würde. Und dazu seien auch nicht alltägliche Maßnahmen manchem angesagt, fügte er hinzu.

Meinen Wunsch, mich noch heute mit Frau Ferner treffen zu können zwecks einem ersten Kennenlernen, wehrte der Arzt entschieden mit dem Hinweis ab, dass Frau Ferner in einer seelischen Ausnahmesituation sei und sie zurzeit aus medizinischer Sicht am besten in Ruhe gelassen werden sollte. So leicht wollte ich nicht nachgeben und bat wenigstens um ein kurzes Treffen. Das sei leider total ausgeschlossen, wurde ich belehrt, ich könne jedoch einen Blick in den Auszeitraum werfen. Wir gingen gemeinsam dorthin und der Blick durch das Türfenster in die Gummizelle erschütterte mich: eine Frau eingeschnürt in einer dicken Zwangsjacke mit einem Metallgestell im Mund. Auf meine erstaunte Frage bezüglich dieser Behandlung erklärte mir Dr. Härich lang und breit den verhaltenstherapeutischen Ansatz der Einrichtung und dass Frau Ferner aus negativen Konsequenzen durchaus lernen würde.

Wir haben dann für den kommenden Freitag einen erneuten Besuchstermin ausgemacht. Doch wie der Arzt meint, nur unter der Prämisse, dass es Frau Ferner besser gehen würde.

Mittlerweile ärgere ich mich über mich selbst. Ich hätte besser konkret nachgefragt, was Frau Ferner denn verbrochen habe, dass sie nun in einer solchen Situation sei. Da muss ich in Zukunft noch hartnäckiger sein.



Hoffnungslos

Nach einer Nacht im S-Fix darf ich morgens duschen, werde dabei aber an den Hand- und Fußgelenken sicher am Duschrahmen befestigt. Dann gibt es wie jeden Morgen eine neue Windel und über meine Klinikkleidung wird mir wieder die Zwangsjacke angezogen. Auf meinen Einwand, dass ich doch gar nichts gemacht habe, wird mir nur lapidar geantwortet: „Reine Vorsichtmaßnahme. Übrigens für das ganze Wochenende.“ Zwei Tage in der Zwangsjacke, das kann ja heiter werden. Nach dem Frühstück, das mir gereicht wird, bekomme ich mein Knebelgeschirr angelegt und dann – sicher ist sicher – einen schweren,
breitkrempigen Lederhelm aufgesetzt, damit ich mir bei einem Sturz nicht den Kopf verletze. So vergeht das Wochenende, schön verpackt, im Bett natürlich auch fixiert. Draußen ist es regnerisch, so dass ich nur zwischen Aufenthaltsraum, Speisesaal und unserem Zimmer hin und her pendle.

Ich werde immer wütender, wenn ich daran denke, dass ich nichts gemacht habe, was eine solche Behandlung rechtfertigt. Ein Lächeln zu viel, das war`s doch schon. Als ich am Montag endlich wieder keine Zwangsjacke tragen muss und auch von meinem Knebelgeschirr befreit bin, beschließe ich bei der nächsten Visite am Dienstag mit Dr. Härich zu sprechen. Auch wenn ich mir nicht viel davon verspreche, ich bin es mir schuldig, nicht alles hinzunehmen. Am Dienstag spreche ich den Arzt an, der mir verspricht, sich am frühen Nachmittag Zeit zu nehmen.

Marcel und Eddie schieben einen tiefen Pflegerollstuhl in mein Zimmer, in dem ich Platz nehmen darf. Dann fixieren sie meine Arme, die Füße und meinen Oberkörper und rollen mich zum Sprechzimmer. Dort sitzt Dr. Härich schon hinter seinem Schreibtisch und schaut mich fragend an. Das erste, was mir jedoch herausrutscht, ist die Frage, warum ich im Rollstuhl fixiert bin. „Deswegen sind Sie wohl kaum gekommen“, antwortet er, „aber wenn Sie es genau wissen wollen, Sicherheitsmaßnahme. Aber nun sagen Sie mal, warum wollten Sie mich wirklich sprechen.“ Und ich erzähle ihm davon, wie ich von Freitag bis Sonntag behandelt worden bin. Tage in der Zwangsjacke, ohne sprechen zu können. Der Arzt nickt nur, schaut dann in seinen PC und liest vor: „Offene und latente Renitenz, offene und versteckte Aggressionen. Deshalb.“ „Aber das ist doch gar nicht wahr,“ rufe ich. „Nun beruhigen Sie sich doch, Frau Ferner. Wie Sie wissen, vertraue ich meinen Mitarbeitern,“ säuselt der Arzt zurück, „und sie genießen auch in gewissem Umfang Handlungsfreiheiten. Die Maßnahmen waren absolut in Ordnung und decken sich mit unseren Regeln.“ „Aber die Begründung stimmt doch nicht. Ich war weder renitent noch aggressiv am Freitag,“ stoße ich hervor. „Frau Ferner, eine mangelnde und unzutreffende Selbstwahrnehmung gehört leider zu Ihrem Krankheitsbild. Sie müssen da meinen Mitarbeitern und mir besser vertrauen lernen. Die Begründung wird schon stimmen.“ Ich wage noch einen letzten Versuch: „Geht das, dass Sie Schwester Gerda von mir abziehen? Es passt einfach nicht zwischen uns.“ Und dann schildere ich, wie die Schwester mich immer behandelt. Doch weit komme ich nicht, da unterbricht mich der Arzt: „Frau Ferner, ich habe noch andere Termine. Wir müssen jetzt hier aufhören. Nur drei Dinge noch. Erstens machen hier nicht die Patienten den Dienstplan. Zweitens: wie Sie unsere medizinischen und therapeutischen Maßnahmen auf eine etwaige persönliche Antipathie von Schwester Gerda Ihnen gegenüber reduzieren, das zeugt durchaus von Verfolgungswahn. Und drittens: machen Sie sich darauf gefasst, dass wir bei Ihnen demnächst noch mal therapeutisch ganz unten ansetzen. Schutzjacke, Weichzelle und S-Fix, dazu sensorische Deprivation, das sollte Sie allmählich wieder in die Spur bringen. Ich gebe den Herren hiermit noch detaillierte Anweisungen mit.“ Und damit bin ich entlassen. Die beiden Pfleger bekommen ein Schreiben überreicht und rollen mich zurück auf die Station, wo ich den restlichen Nachmittag im Rollstuhl verbringe.
57. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von windelfohlen am 07.01.25 17:45

Da kommt ja eine menge Arbeit auf Herr Seehausen zu, er dürfte dann für jeden einzelnen Besuch einen Kampf austragen um Frau Ferner zu sehen, hoffentlich hat er so viel kraft und Ausdauer das durchzustehen.
58. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von sturmgras1 am 07.01.25 18:14

Zitat
Interessante Entwicklung, welche sich da auftut.

Wenn es in der Realität solche unmöglichen Zustände gäbe, wäre in der Psychatrie ganz schön was schief gegangen.



Guten Abend.
Um dem noch Öl ins Feuer zu giessen,
der Fall. GUSTL MOLLATH. Ist grad so ein Psychiatrieirrtum der nach Jahren erst gerichtlich korrigiert wurde. War gross in der dt. Presse.
59. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 07.01.25 19:08

Eine tolle wendung..du bist echt kreativ..danke für deine mühen.
60. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Gutverpackt am 08.01.25 07:05

Danke für die Mühen. Ich lese das gerne. Das Kopfkino spielt.
Was das wahre Leben mit wirklich Kranken angeht, hoffe ich auf besseren Umgang.
61. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von pauli2004 am 08.01.25 10:13

So ist das richtig, genauso hätte ich auch entschieden. Nochmal ganz von vorne anfangen, damit Frau Ferner endlich Zeit hat, sich auszuruhen und damit ganz ruhig zu werden.
62. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 08.01.25 10:53

Eine grundlegende sensorische Reduzierung

Was die angedeuteten, ganz unten angesiedelten therapeutischen Maßnahmen betrifft, erfahre ich am Donnerstagmorgen. Schwester Gerda hat wieder Dienst. Sie kommt mit ihren beiden Bütteln, die wieder einen Rollstuhl für mich vor sich herschieben, in unser Zimmer. „So, Sie haben sich also beim leitenden Arzt ausgeheult,“ begrüßt sie mich, „Sie wollen mich wohl los sein. Aber gut, dass hier nicht die Patientinnen zu entscheiden haben, wer sie betreut. Sie werden wohl weiter mit mir vorliebnehmen müssen. So, und jetzt erst einmal die Hände nach vorne.“ Marcel fummelt mir die Patientenhandschuhe ab, und dann schlüpfe ich die langen Ärmel der Zwangsjacke, die mir Eddie hinhält. Marcel verschließt die Schnallen auf dem Rücken und Schwester Gerda lässt es sich nicht nehmen, den Schrittgurt anzulegen und die losen Enden der Ärmel auf dem Rücken zu befestigen. Dann drücken mich die Pfleger in den Rollstuhl und werde zunächst wieder gründlich festgeschnallt. „Nachdem Sie gut verpackt sind, Frau Ferner, werden Sie jetzt eine neue Brille bekommen“, kündigt die Schwester an und zeigt mir dann ein großes schwarzes, mit Gummibändern versehenes Gestell. „Das ist super bequem. So ein Gestell kennen Sie ja schon. Sie werden es wie bisher ununterbrochen tragen. Das neue daran sind die Gläser. Schauen Sie mal.“ Und dann hält sie mir die Brille hin und ich entdecke viele Ringe in den dicken Gläsern. Die Gläser sind ganz anders als die, die mir sonst verpasst wurden. Sie ist eigentlich für sehr kurzsichtige Menschen gedacht wie Liz. „Wenn Sie diese Brille tragen, werden Sie nur noch Nebel sehen; vielleicht noch hell und dunkel unterscheiden können. Es ist eine grundlegende sensorische Deprivation für Sie verordnet. Wie gehabt kann es sein, dass nach und nach die Maßnahmen zurückgefahren werden. Aber erst einmal drei Tage das volle Programm. Und dazu gehört auch dieser Helm.“ Und sie zeigt mir wieder den blauen Helm, den ich schon häufiger tragen musste. „Diesmal ist er an den Ohren extrem verstärkt. Sie werden nicht nur wie blind, sondern auch wie taub sein. Es wird Ihnen sicher gut tun, um mal ganz abzuschalten, und Sie werden nicht negativ auffallen. Auf eine Sprachregulierung verzichten wir erst einmal, aber, Frau Ferner, sollten Sie das ausnutzen, dann stellen wir Sie ruhig. Da können Sie sicher sein.“

Dann nimmt sie mir meine Brille ab, legt mir die neue an und augenblicklich versinkt mein Blickfeld in milchigen Nebel. Nichts, aber auch rein gar nichts kann ich durch die Gläser deutlich sehen. Ich nehme nur Schemen wahr und undeutliche Farben. Die breiten Gummibänder sitzen eng an meinem Hinterkopf, damit ich die Brille nicht abschütteln kann. Danach wird mir der Helm angepasst, diesmal ohne Gitter, und meine Welt wird ganz, ganz leise. Ich kann nichts sehen und auch nichts hören. Bekomme nur mit, wie der Rollstuhl sich in Bewegung setzt und ich irgendwo hingefahren werde. Dass es sich um den Aufenthaltsraum handeln könnte, schließe ich daraus, dass ich ziemlich viele Personen in meiner Nähe bemerken, ohne sie recht identifizieren zu können.

Irgendwann setzt sich mein Rollstuhl wieder in Bewegung und ich werde in einen anderen Raum gefahren. Meine Nase sagt mir, dass es der Speisesaal sein muss, wo mir dann auch vorsichtig das Mittagessen gereicht wird. Ich orientiere mich alleine am Geruch und am Geschmack, sehen und hören kann ich ja so gut wie nichts, und so werde ich behutsam gefüttert.

Danach werde ich in den Hygieneraum gefahren, wo ich eine frische Windel bekomme. Und da ich jetzt endlich mal aus dem Rollstuhl herausgekommen bin, werde ich von vier starken Armen in die Gummizelle geführt, die ich bis zum Abend genießen kann.
Die Nacht verbringe ich dann im S-Fix-Bett, war ja klar, aber immerhin wird mir die Zwangsjacke ausgezogen.

Der Freitagvormittag gestaltet sich genauso ereignisarm wie der Tag zuvor. Ohne wirkliche Orientierung sitze ich in meiner Zwangsjacke im Rollstuhl festgeschnallt und lasse die Zeit verstreichen. Schwester Gerdas Warnung vor einem Knebel ist sehr effektiv; ich hüte mich, mich irgendwie zu äußern und bin ganz still.
Nach dem Mittagessen geht es diesmal nicht in die Gummizelle, sondern ich muss auf unser Zimmer, wo mich dann wieder die Gurte empfangen und mich sanft aber unnachgiebig umfassen. Seltsamerweise bekomme ich eine Spritze in die Vene am Arm. Irgendetwas wird mir gegeben. Ich frage, warum, aber die Antwort kann ich nicht verstehen. Ich merke jedoch, wie ich allmählich immer unruhiger werde. Ich wälze mich, so gut es geht, in meinen Gurten, zerre an ihnen und zappele herum. Was haben sie mir da gespritzt und warum?


Michael Seehausen (2)
Die hier sollen wissen, dass ich nicht so schnell locker lasse. Nach meinem missglückten Besuch vor einer Woche meldete ich mich wieder rechtzeitig telefonisch an, um Frau Ferner zu treffen, auch mit der Bitte, einen Blick in Frau Ferners Krankenakte zu werfen. Dr. Härich war am Telefon sehr kooperativ und wir vereinbarten ein Treffen um 14.00 Uhr. Als ich dann pünktlich in Haus Waldstetten erschien, teilte mir der Arzt mit, dass aus einem Treffen mit der Patientin leider heute nichts würde. Frau Ferner sei in einem emotionalen Ausnahmezustand und in keinster Weise in der Lage, sich mit mir zu treffen. Ich tat erstaunt und erwähnte, dass sie doch noch vor geraumer Zeit mit Richter Ahrends vernünftig zusammengesessen hätte. Das sei nur eine Momentaufnahme gewesen, teilte mir der Arzt mit, die Tendenz ginge bei der Patientin eindeutig nach unten, ich könne dies alles samt der Diagnostik gerne nachlesen. Ein Treffen heute sei jedoch dem Wohle der Patientin sehr abträgig. In der Akte steht einiges zu einer ausgeprägten Psychose, einer ausgeprägten Selbst- und Fremdaggression, einer verschobenen Selbstwahrnehmung sowie ersten Anzeichen von Selbstvernachlässigung. Die Patientin sei mittlerweile inkontinent.
Das alles deckte sich so wenig mit den Gutachten von Herrn Ahrends und Dr. Aschdorf, dass ich gegenüber Dr. Härich darauf bestand, meine Betreuungsperson sehen zu können. Der Arzt seufzte nur und bedeutete mir mitzukommen. Wir betraten ein Zimmer und ich sah Frau Ferner in höchster Erregung mit den S-Fix-Gurten kämpfen. Sie war in Fünf-Punkt-Fixierung einschließlich einer Schulterhalterung am Bett befestigt und stieß, während sie an ihren Gurten zerrte, aufgeregte Schreie aus. Ob sie sich selbst hörte, konnte ich nicht beurteilen, da sie einen dicken Helm, der auch die Ohren bedeckte, trug. Meine dahin gehende Frage wurde von Dr. Härich mit einer reizreduzierenden Maßnahme begründet; dazu zählen nicht nur der Gehörschutz sondern auch die starken Gläser der Brille, was der Patientin helfe, sich auf sich selbst zu konzentrieren, indem die Umwelt ausgespart würde. Ich musste Dr. Härich recht geben, dass ich so nicht mit Frau Ferner sprechen könne, fragte mich aber, ob hier alles mit rechten Dingen vor sich gehe. Die Aussagen von Richter Ahrends waren so ganz anders und viel positiver. Ich verabschiedete mich, ohne einen Folgetermin anzukündigen, und werde auf jeden Fall in den nächsten Tagen mit Herr Ahrends über die Lage sprechen.


Stillgelegt

Irgendwann habe ich trotz meiner Unruhe mitbekommen, dass wer mein Zimmer betreten hat. Ich konnte aber nicht ausmachen, wer da herein kam; ich glaube, es waren zwei Personen. Auf jeden Fall bekam ich kurz danach einen Ballknebel angelegt. Wahrscheinlich bin ich zu laut geworden; nun bin ich zwar leiser, sabbere aber dafür vor mich hin. Abends werde ich im Bett gefüttert und darf dann, da ich so verschwitzt bin, unter die Dusche. Dort natürlich mit Gurten festgeschnallt und auch wieder mit dem Ballknebel im Mund. Mit einer frischen Windel versehen werde ich später angezogen, im Rollstuhl verfrachtet und in den Aufenthaltsraum gerollt. Ich spüre die Anwesenheit anderer Patientinnen. Wahrscheinlich läuft ein Fernseher, hören oder sehen kann ich ja nicht viel und fragen auch niemanden.

Der Samstag und der Sonntag verlaufen in aller Langeweile. Morgens in die Zwangsjacke, dann im Rollstuhl fixiert und entweder nach draußen oder in den Aufenthaltsraum, am Nachmittag in die Gummizelle. Und nachts dann rundum fixiert im Bett. Ein toller Alltag, zum Glück wird mir der Ballknebel nicht mehr eingesetzt.

Ich frage mich, ob irgendwann die versprochenen Erleichterungen kommen, bis ich am Montagmorgen wieder bei Dr. Härich sitze. Mir wird der Helm abgenommen und Dr. Härich erklärt mir, er sei sehr zufrieden mit meinen Fortschritten. Damit das Ganze sich aber stabilisiert, solle die Reizreduzierung weitgehend fortgesetzt werden. Zusätzlich soll ich in Zukunft noch mein Knebelgeschirr tragen - das habe ich nun wirklich schon so lange vermisst – dafür bekäme ich allerdings einen neuen, etwas weiteren Helm angepasst, damit nichts drückt. Wie fürsorglich! Der Ohrschutz bleibe bestehen. Auf die Zwangsjacke könne man erst einmal verzichten, dafür werde ich wieder die dicken Patientenhandschuhe tragen. Wenigstens ein kleiner Lichtblick. Ansonsten bleibe der Tagesablauf so wie bisher. Bei einem erneuten Fehlverhalten müsse ich wieder die Zwangsjacke tragen und überdies im Netzbett bleiben. Und das würde ich doch bestimmt nicht wollen, fügt er süffisant hinzu. Bevor mich der Arzt wegschickt, kommen Marcel und Eddie herein und setzen mir mein heiß geliebtes Knebelgeschirr an. Ich kann nur noch grunzen und bin nun für die nächste Zeit stillgelegt. Dann noch den neuen weiteren Helm aufgesetzt und alles wird wieder still. Und dann wird mir tatsächlich die Zwangsjacke ausgezogen, was für eine Wohltat!
Mittlerweile frage ich mich allerdings, wann eigentlich der von Richter Ahrends angekündigte Betreuer kommt. Ich hätte ihm einiges zu erzählen.
63. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von pauli2004 am 08.01.25 11:39

So wie der Herr Seehausen es gesehen hat, hat Frau Ferner wohl einen erheblichen Rückfall erlitten, insofern ist es nur gut, sie noch länger in Waldstetten zu behalten. Hier bekommt sie schließlich die beste Therapie, denke ich.
64. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von ChasHH am 08.01.25 15:20

Zitat
So wie der Herr Seehausen es gesehen hat, hat Frau Ferner wohl einen erheblichen Rückfall erlitten, insofern ist es nur gut, sie noch länger in Waldstetten zu behalten. Hier bekommt sie schließlich die beste Therapie, denke ich.


Merkst du eigentlich, was du da schreibst?
Man merkt deine sadistischen Züge....
65. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 08.01.25 17:57

Danke vielmal für die fortsetzung..ist echt super geworden. Weiter so
66. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 09.01.25 13:24

Michael Seehausen (3)
Eigentlich hatte ich vor, unangekündigt in Haus Waldstetten aufzutauchen, aber Richter Ahrends hat mir dringend davon abgeraten, weil das Haus Besuche nur nach Ankündigung gestatte und damit ich mich nicht angreifbar mache. Also habe ich für Freitagnachmittag wieder einen Besuch vereinbart, aber Dr. Härich sagte mir schon am Telefon, dass sich Frau Ferners Zustand kaum verbessert habe und sie aus therapeutischen Gründen nicht kommunizieren dürfe. Wie ich dieses Gesäusel und diese Begründung, mit der sich alles rechtfertigen lässt, hasse.
Dennoch soll mich das nicht vom Besuch abhalten. Als ich dann am Freitag in Waldstetten war, schlug mir seine Vertreterin, Dr. Reichinger, vor, ich könne bei dem schönen Wetter ja die Patientin ein wenig durchs Außengelände schieben. Ein Pfleger brachte Frau Ferner in ihrem Rollstuhl. Allerdings konnte ich von ihrem Gesicht so gut wie gar nichts erkenne. Dicke Brillengläser und eine Ledermaske bedeckten ihr Gesicht, ein voluminöser Schutzhelm saß ihrem Kopf. Wie mir die Ärztin sagte, könne Frau Ferner mich aufgrund der Brille nicht erkennen und wegen des Ohrschutzes nicht hören. Ich solle sie aber behutsam draußen etwas herumfahren, die Gute käme so selten nach draußen. In einer halben Stunde würde sie nach uns sehen.
Frau Dr. Reichinger kam dann tatsächlich in Begleitung eines Pflegers. Er nahm Frau Ferner ihren Helm ab und auch die Ledermaske. So hatte ich endlich Gelegenheit mich der Patientin vorzustellen. Frau Ferner verhielt sich ruhig und vernünftig und bat darum, dass man ihr die Brille abnähme, damit sie wisse, wie ich aussähe. Der Wunsch wurde ihr erfüllt, allerdings stammelte sie dann nur, sie könne immer noch nichts erkennen, sie sei wie blind, ob sie nicht ihre eigene Brille tragen dürfe. Das würde die Therapie gerade nicht vorsehen, war die knappe Antwort der Ärztin, man würde ihr jetzt gleich wieder Brille, Knebelgeschirr und Helm anziehen. Ob sie noch kurz mit mir alleine reden dürfe, fragte die Patientin. Auf meinen auffordernden Blick gestattete das die Ärztin, jedoch nicht länger als zehn Minuten. Das Personal entfernte sich etwas und Frau Ferner bat mich inständig, sie hier herauszuholen, sie könne nicht mehr und hätte Angst, sich selbst oder bei Gelegenheit jemand anders etwas anzutun. Auf meine Fragen, ob die Maßnahmen, die ich bei meinen drei Besuchen gesehen habe, die Regel seien, antwortete sie nur, ja das seien hier übliche Methoden der Verhaltenstherapie.
Da kam auch schon der Pfleger wieder. Ich versprach Frau Ferner, in einer Woche wiederzukommen, vielleicht wüsste ich bis dahin schon, wie es weitergehen soll. Ich muss mir auf jeden Fall externen Rat bei Dr. Aschdorf oder Herr Ahrends holen.


Ein sabberndes, lallendes Etwas

„Das ist ja wohl das Letzte,“ schreit mich Schwester Gerda am nächsten Morgen an. Und damit ich sie gut verstehe, hat sie vorher den Ohrschutz vom Helm abgenommen. „Da wird Ihnen eine kleine Vergünstigung gewährt und die nutzen Sie sofort aus. Marcel hat mir einiges erzählt, was draußen draußen abgelaufen ist, als Sie sich bei Ihrem Betreuer ausgeheult haben. Diese Frau Dr. Reichinger ist einfach zu gutgläubig, halt noch zu grün hinter den Ohren. Wissen Sie was, Frau Ferner, einer unserer Isolationsräume unten im Keller ist heute frei geworden! Das ist der richtige Aufenthaltsort für renitente Personen wie Sie. Dr. Härich hat schon sein Okay gegeben und mir freie Hand gestattet. Sie brauchen das wohl und, wie ich finde, für länger. Die Herren bringen Sie jetzt hinunter und dann hört der Spaß erst einmal auf.“ Eddie und Marcel fassen mich an den Oberarmen und wollen mich zu meinem Rollstuhl bugsieren. Zurück in den Käfig? Alles, nur das nicht. Und dann noch mit Gewalt. So lasse ich mich nicht behandeln. Und warum ich in den Käfig zurück soll, ist doch reine Willkür. Nicht zurück in den Käfig, bloß nicht. Ich strampele und wehre mich in den Armen der Pfleger, schlage um mich. Ich höre Schwester Gerda schreien, irgendjemand versucht meine Füße zu fassen, aber ich trete dagegen. Ich kämpfe mit allem, was ich an Kraft noch habe. Es müssen mittlerweile einige Pfleger da sein, die mich bändigen wollen, aber sie bekommen mich nicht zu fassen. Ich reiße mich immer wieder los, aber auf Dauer habe ich keine Chance. Irgendwann werde ich in den Rollstuhl gedrückt und dort blitzschnell fixiert. Ich rudere mit meinen Armen und Füßen und dann spüre ich den Stich im Hals…

Ich wache mit Kopfschmerzen auf. Meinen Kopf kann ich kaum halten, Speichel läuft mir aus dem Mundwinkel. Ich habe kein Knebelgeschirr mehr angelegt, auch der Helm fehlt. Dafür haben sie mich wieder in die Zwangsjacke gesteckt bin und ich bin im Rollstuhl an den Füßen und im Brustbereich fixiert. Ich habe immer noch die Brille mit den starken Gläsern auf. Und da ich nichts erkennen kann, versuche ich zu rufen. Meine Zunge fühlt sich wie dick geschwollen und pelzig an und mein Rufen endet in unartikulierten Lauten. Aber ich höre Schritte und es ist Schwester Gerda. „Sie haben uns ja vorhin einen schönen Tanz bereitet, aggressiv hoch drei. Frau Ferner, die Konsequenzen müssen Sie jetzt ausbaden.“ Ich kann die Worte der Schwester gut verstehen, bin ganz klar im Kopf. „Wir mussten Sie sedieren, weil Sie eine Gefahr für sich selbst und für andere darstellten. Vielleicht erinnern Sie sich noch, wie Sie getreten und um sich geschlagen haben. Die Dosis ist dementsprechend hoch und hält noch zwei Tage. Wenn es nach mir ginge, bekommen Sie dann die nächste Portion. Na, mal sehen, was die Ärzte vorschlagen, aber ich fürchte, die lassen sich wieder erweichen.“ Und ich höre ihr hässliches Lachen. „Auf jeden Fall sind Sie an dem Punkt, wo Sie hingehören. Ihr Betreuer ist bereits über die Sachlage informiert und er hat von mir ein Video von Ihnen bekommen. Ein sabberndes, lallendes Etwas. Und so jemand sollte er hier rausholen? Vergessen Sie es. In diesem Zustand können Sie die Klinik nicht verlassen. Ja, Pech gehabt, meine Gute, richtig Pech gehabt.“ Ich versuche zu fragen, was mit mir geschehen soll, bekomme aber nur undeutliche Worte heraus. „Sparen Sie sich Ihre Mühe,“ fährt mich die Schwester an. „Bevor wir Sie in den Käfig stecken werden, bleiben Sie noch, so lange sich Ihr Zustand nicht bessert, hier auf Station. Natürlich Zwangsjacke und Rollstuhl und im Netzbett die Vollfixierung. Ich wünsche Ihnen viel Spaß damit. Und“, so fügt sie hinzu, „eine Entlassung können Sie vergessen. Auch wenn Ihr Betreuer noch davon überzeugt sein sollte, er könne Sie hier rausholen: wenn er Ihren Zustand sieht, weiß er sicher Bescheid. Wir sehen uns.“

Was die Vollfixierung im Netzbett bedeutet, erfahre ich, nachdem mir der Brei zum Mittagessen gereicht und mir danach eine frische Windel angelegt wurde. Gurte überall – ein Bauchgurt, ein Schrittgurt, die Schulterhalterung, je zwei Gute an den Armen und an den Beinen, die Fuß- und Handgelenke sind gesichert und als Krönung eine Kopffixierung. Außer meinen Fingern und Zehen kann ich überhaupt nichts mehr bewegen. Damit mir der Sabber weiterhin schön abfließt, hat man das Kopfteil vom Bett etwas angehoben und mir ein Lätzchen umgehängt, aber zum Glück gelingt es mir, den Speichel nun besser zu kontrollieren. Das Schlucken des Breis klappte ja auch schon ganz gut. Die Gitter des Bettes sind hochgezogen und auch das Netz als zusätzlicher Schutz über mir angebracht. So werde ich nach draußen gefahren und darf wenigstens etwas die frische Luft genießen.

Mich wieder aus der Fixierung zu entlassen, die Mühe macht sich keiner. Ich bleibe den ganzen restlichen Tag und die Nacht in den Segufixgurten, erst am Morgen werde ich losgeschnallt, bekomme meine volle Windel ausgezogen und werde frisch gewickelt. Schwester Gerda kümmert sich persönlich darum, wie immer mit einigen hässlichen Bemerkungen. Das Frühstück reicht sie mir, als ich wieder fixiert im Rollstuhl sitze. Irgendetwas Sedierendes müssen sie ins Essen gemischt haben, denn sehr bald danach wird mir sehr schwindelig, meine Zunge fühlt sich wieder pelzig an und meine Muskeln erschlaffen. Gerda setzt mir den Helm auf und befestigt ihn an der Kopfstütze. „Wir mussten Ihnen noch einmal etwas für die nächsten Tage verabreichen,“ ist ihr Kommentar, „Ihr Betreuer soll Sie ruhig in diesem Zustand sehen. So lange sollen Sie noch auf Station bleiben und danach geht es wirklich in den Isolationsraum.“

Michael Seehausen (4)
Was machen sie mit der Frau und was hat sie angestellt? Ich begegne Frau Ferner und diesmal ist jegliche Kommunikation nicht möglich bzw. untersagt. Frau Ferner sitzt fest in einer Zwangsjacke im Pflegerollstuhl, sie ist am Oberkörper und an den Füßen fixiert. Die Patientin wirkt fast völlig apathisch, die Verstärkung des Helms an den Ohren lässt sie wie taub sein. Erkennen könne sie wegen der dicken Gläser der Brille nur Schatten, sagt mir die Schwester. Alles, damit die Patientin zu sich selbst findet. Ich fasse Frau Ferner zur Begrüßung an den Oberkörper. Wenigstens ein undeutliches Murmeln entfährt ihrem Mund. Die Schwester bedauert, dass ich mein Mündel in diesem Zustand sehen müsse, aber das hoch aggressive Verhalten vor ein paar Tagen hätte leider diese Folgen. Morgen oder übermorgen geht es ihr bestimmt schon besser.
Eigentlich hatte ich ja vor, Frau Ferner in die psychiatrische Abteilung des Kreiskrankenhauses verlegen zu lassen, aber in diesem Zustand kann ich das vergessen. Für mich ist hier gerade nichts mehr zu tun. Ich verlasse die Station wieder mit dem Hinweis, in einer Woche wiederzukommen.
67. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von andreas am 10.01.25 10:39

Nun habe ich es endlich geschafft diese schöne Geschichte zu lesen und bin froh das diese noch nicht zu Ende ist. Wirklich interessant was in diesem Haus so alles passiert. Mich würde interessieren wie es Frau Ferners geht immer gewickelt zu sein und alles in die Windel zu machen. Gerade wenn sie die Windel sehr lange tragen muß. Ich freue mich auf den nächsten Teil.

VG Andreas
68. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 10.01.25 16:35

Sorry, dass ich mich erst jetzt melde. Ich war beruflich ziemlich beschäftigt. Die Geschichte hat super Wendungen. Ich freue mich schon irrsinnig auf den nächsten Teil.
69. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 10.01.25 17:02

Herzlichen Dank für euer tolles Feedback. Das motiviert! Allerdings neigt sich die Geschichte langsam dem Ende zu...
Nachher poste ich noch was und dann wird am Samstag oder am Sonntag der letzte Teil kommen.
70. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 10.01.25 19:26

Wieder im Käfig

Sie drücken mich in meinen Rollstuhl, fixieren mich darin und dann wird mir ein aufpumpbarer Knebel angelegt, der schnell meine Mundhöhle füllt und mich völlig verstummen lässt. Ich lasse alles geschehen, fühle mich noch zu schwach, um zu protestieren. Und mich zu wehren, hat überhaupt keinen Sinn. Das habe ich hier oft genug erfahren. Dann rollen Sie mich zum Fahrstuhl. Ich weiß, was mich erwartet: ein großer Käfig, nur mit einem Bett darin. Ich war ja schon ein paar Mal da, gottlob immer nur kurz. Und das letzte Mal mit Liz. Doch jetzt fröstelt es mich. Die Pfleger schieben mich in den großen Raum mit den Käfigen, deren Gitter bis zur Decke gehen. Eine Gittertür wird geöffnet, man befreit mich aus dem Rollstuhl und dann werde ich in den Käfig geführt, bevor schnell wieder abgeschlossen wird. Ob ich alleine hier unten bin oder noch andere Patientinnen kann ich nicht beurteilen, ich bin ja weiterhin halbblind und so gut wie taub. Meine Arme stecken weiterhin in der Zwangsjacke; man hat sie mir einfach angelassen, obwohl ich hier nun wirklich nichts Schlimmes mehr anrichten kann.

Ich versuche mich, so gut es geht, einigermaßen zu orientieren. Ich stoße an das Bett und zähle die wenigen Schritte bis zum Maschendraht des Käfigs. Ich fühle mich absolut leer und habe keine Ahnung, was sie hier mit mir vorhaben. Jetzt heißt es erst einmal nur warten und möglichst nicht negativ aufzufallen. Die neue Brille trage ich ja nun schon ein paar Tage und ich stelle fest, dass sich meine Augen langsam an die Gläser gewöhnen. Ich sehe zwar noch sehr unscharf, aber bei weitem nicht mehr so verschwommen, wie noch vor am Anfang.

Irgendwann wird die Tür geöffnet und ein Pfleger – ich glaube, es ist Eddie – zieht mich hinaus und setzt mich auf eine Bank. Sofort schnallt er meinen Hals fest und nimmt mir dann endlich den Knebel aus dem Mund und nimmt mir den Helm ab.
Da kommt schon Schwester Gerda. „Ich darf Ihnen jetzt das Essen anreichen, liebe Frau Ferner,“ säuselt sie, „und dann geht es zurück in Ihr reizvolles Appartement hier unten.“ Ich sage lieber nichts und lasse mir das Essen geben. Als wir fertig sind, traue ich mich zu fragen, wie lange ich noch die Zwangsjacke tragen muss. „Oh, Ihre Schutzjacke haben Sie noch bis heute Abend an, und dann geht es zur Nachtruhe ein die Vollfixierung. Morgen sehen wir weiter. Aber wissen Sie, ich bin ja nicht so: auf den Gummiknebel verzichten wir nun. Sie bekommen ihr Kopfgeschirr aus Leder aufgesetzt und dann wieder den passenden Helm dazu. Damit sind sie sicher verpackt und können keinen Unfug anstellen. Und schon wird mir wieder mein Kopfgeschirr über die Brille gestülpt, die Ledergurte schließen sich um meinen Hals und am Hinterkopf und ich kann nur noch grunzen. Dazu dann ein dicker Lederhelm mit einer breiten Stirnkrempe, damit ich mir nicht weh tun kann, und dann ab zurück in den Käfig.
Der Nachmittag zieht sich endlos, am Abend darf ich immerhin duschen – endlich raus aus der Zwangsjacke -, und dann geht es ins Bett, wo mich Eddie wieder nach allen Regeln der Kunst fixiert. Auch meinen Kopf lässt er nicht aus und damit mir auch wirklich nichts passieren kann, bekomme ich wieder die Patientenfäustlinge angezogen.

Am nächsten Morgen kommen Gerda und Marcel an mein Bett. „Guten Morgen, Frau Ferner,“ begrüßt mich die Schwester, „ich habe gute Nachrichten für Sie. Ich habe mit Dr. Härich die weitere Behandlung abgesprochen. Wir verzichten weiter auf den Gehörschutz und auch die Schutzjacke ersparen wir Ihnen erst einmal. Vorausgesetzt natürlich, es kommt zu keinem Rückfall. Was halten Sie davon?“ Ich grunze irgendwas in meinen Knebel, bin aber innerlich ganz froh. „Der Herr Doktor hat mir ganz freie Hand in Ihrer Behandlung gelassen. Ich möchte ehrlich sein: Sie stellen mit Ihren unvorhersehbaren Aggressionsschüben immer noch eine Gefahr für sich selbst und andere dar. Eine Möglichkeit wäre die Dauerfixierung im Pflegerollstuhl, ist nur ein bisschen eng hier unten. Und nur fixiert im Bett zu liegen, kann auf die Dauer auch nicht die Lösung sein. Aber irgendwas müssen wir zu unserem Schutz tun. Und deshalb, tata, hat mir Dr. Härich erlaubt, Ihnen wieder eine Spreizhose samt Laufgeschirr anzulegen. Und das machen wir jetzt!“

Ich grunze entsetzt in meinen Knebel. Nein, bitte nicht die Spreizhose. Aber schon schnallt Marcel die Segufixgurte los. Ich darf mich etwas dehnen und strecken und dann geht es Richtung Wickelraum. Ich bekomme eine dicke Windel für den Tag angezogen, darüber eine Gummihose und dann eine Hose und ein Oberteil mit Knie- und Ellenbogenschonern. Und dann ziehen die beiden mir die Spreizhose an und befestigen die Gurte des Laufgeschirrs an meinem Oberkörper. „Nun, dann krabbeln Sie mal los,“ weist mich die Schwester an. Ich lasse mich vorsichtig auf alle viere nieder und unter den höhnischen Kommentaren der Schwester krabbele ich zum Essensplatz, wo ich mich mit breit gespreizten Beinen auf eine niedrige Bank setze. Damit ich keinen Unfug mache, wird mir wieder der Ledergurt um den Hals gelegt und meine Unterarme mit einem Gürtel an meiner Taille befestigt. Und dann gibt es das erlesene Frühstück, bevor man mich wieder losschnallt und ich zurück in meinen Käfig krabbele. „Das wird Ihr Tagesprogramm sein,“ lächelt die Schwester mich an, „tagsüber die Spreizhose, nachts die Vollfixierung im Bett. Viel Spaß dabei.“ Und dann wird die Käfigtür abgeschlossen und ich bin alleine. Ein langer Tag liegt vor mir, nur unterbrochen von den Mahlzeiten. Zum Glück ist die Spreizhose nicht so breit eingestellt, dass es mir in den Hüften weh tut. Aber unangenehm ist sie schon. Stehen kann ich nur kurzzeitig damit. Es gelingt mir irgendwie, auf mein Bett zu kommen. Ich lege mich auf den Bauch mit hochgestrecktem Po – ich muss wunderbar aussehen.


Michael Seehausen (5)
Ich hatte einen heftigen Disput mit Dr. Härich am Telefon. Ich hatte mich spontan zu einem Besuch angekündigt, um mit Frau Ferner reden zu können. Aber der Arzt beharrte auf medizinischen Vorsichtmaßnahmen, ein Besuch würde die Patientin beunruhigen, gerade seien in der Therapie erste Fortschritte zu sehen, die man auf keinen Fall beeinträchtigen wolle. Es gelang mir, den Arzt auf diesen Freitagnachmittag festzulegen. Aber erst als ich Richter Ahrends erwähnte, der ja schließlich die Zwangseinweisung nicht verlängert hatte, gab Dr. Härich nach. Ich erzählte ihm noch nicht, dass ich vorhabe, in kurzer Zeit die Patientin ins Kreiskrankenhaus überweisen zu lassen. Am Donnerstag kam dann der Anruf aus Waldstetten, dass es besser sei, meinen Besuch abzusagen, da die Patientin überaus labil sei. Da wurde ich schon sehr laut und deutlich am Telefon und sprach von widerrechtlichen freiheitsberaubenden Maßnahmen, so dass der Arzt merklich kleinlauter wurde. Mittlerweile habe ich mir die Aufnahmegenehmigung der Psychiatrie des Kreiskrankenhauses besorgt. Dort könnte Frau Ferner erst einmal durchatmen. Herr Ahrends, Dr. Aschdorf und ich möchten sie dann dort begleiten und ihre Integration in den Alltag in die Wege leiten.
71. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von ChasHH am 10.01.25 19:44

Zitat
Herzlichen Dank für euer tolles Feedback. Das motiviert! Allerdings neigt sich die Geschichte langsam dem Ende zu...
Nachher poste ich noch was und dann wird am Samstag oder am Sonntag der letzte Teil kommen.


Moin. Dann hoffe ich, dass die Gerda, die beiden Pfleger sowie dieser Dr. Härig auch verklagt werden und eine gerechte Strafe bekommen.
72. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Redballgagged89 am 10.01.25 22:04

Danke für die fortsetzung. Sehr schade, dass die Geschichte bald beendet ist. Macht mich traurig.
73. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Leggingfan am 11.01.25 16:11

Uiuiui... Fr. Ferner wird aber hart bestraft. Erst starke Beruhigungsmittel und nun auch das noch. Wie wird es weitergehen?
74. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 11.01.25 20:48

Und nun: der letzte Teil.
75. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Deep Wishes am 11.01.25 20:55

Der Betreuer

Ein Tag ist wie der andere. Sie ziehen sich endlos. Der Höhepunkt ist der Besuch von Dr. Härich, der sich sehr zufrieden über meinen Zustand äußerte, jedoch eine Fortführung der Therapie mit unbestimmter Dauer empfahl. Ich habe jedes Zeitgefühl verloren, weiß gar nicht, welchen Tag wir haben. Nur das tägliche Duschen, der Windelwechsel, das An- und Ausziehen der Spreizhose und die Mahlzeiten bringen Abwechslung in meine Tage. Natürlich trage ich weiterhin mein Knebelgeschirr, die dicke Brille und den Helm. Zum Essen krabbele ich auf allen vieren und jede Nacht verbringe ich voll fixiert in den S-Fix-Gurten. Schwester Gerda kümmert sich rührend um mich. Sie scheint Dauerdienst zu haben, denn täglich legt sie mir die Spreizhose an und abends mit einem Pfleger zusammen die Gurte. Gestern Abend hat sie sich verabschiedet, mit der Bemerkung ich solle schön brav sein, sie hätte jetzt langes Wochenende.

Heute am Freitagnachmittag wird es plötzlich spannend. Marcel kommt herein, zieht mir die Spreizhose aus, nimmt mir Helm und Knebelgeschirr ab und zieht mir die Brille vom Kopf. Ich frage natürlich, was los ist, bekomme aber nur die einsilbige Antwort „Befehl von ganz oben“. Dann hilft er mir auf und ich stehe etwas wackelig auf meinen Beinen. Meine Augen versuchen sich ohne Gläser zu orientieren. So langsam kehren die Konturen zurück und ich kann einigermaßen deutlich sehen. „Ach ja, Ihre Brille“, sagt Marcel und gibt mir meine eigene richtige Brille in die Hand. Ich setze sie schnell auf und schon ist die Umwelt wieder einigermaßen scharf gestellt. „Sie haben Besuch“, murmelt Marcel, „ich soll Sie ins Besucherzimmer führen. Also benehmen Sie sich gut, sonst muss ich Ihnen die Schutzjacke anziehen.“ Ich sage, nein, das geht schon, er müsse sich keine Sorgen machen. Und dann führt er mich zum Fahrstuhl, wir fahren nach oben und betreten dann bald ein Zimmer, das ich noch gar nicht kenne. Dort sitzt ein großer, schlanker Mann mit schütterem Haar, der sich als mein Betreuer Michael Seehausen vorstellt. Natürlich erinnere ich mich an die kurze Begegnung draußen vor einigen Wochen und ich bin gespannt auf das, was nun kommt.

Herr Seehausen schickt Marcel aus dem Zimmer und fragt, wie es mir geht. Ich antworte ihm ehrlich und berichte detailliert von den Tagen im Käfig. Herr Seehausen schreibt auf seinem Laptop mit, bis es energisch an die Tür klopft und Dr. Härich mit hochrotem Kopf das Zimmer betritt. „Aus Sicherheitsgründen hören wir mit, was die Patientin Ihnen erzählt. Sie glauben diesem kranken Menschen doch hoffentlich kein Wort. Das ist doch absolut lächerlich.“ „Damit ich Ihnen glauben kann, würde ich gerne die Kameraaufnahmen aus den Isolationsräumen sehen, zu denen Sie verpflichtet sind“, lächelt Herr Seehausen zurück. „Das geht nicht“, stammelt der Arzt, „sie sind versehentlich gelöscht worden.“ „Dann möchte ich gerne mit dem Pfleger sprechen und zwar sofort.“ „Das hat doch keinen Sinn, aber wenn Sie meinen…“

Dr. Härich telefoniert und kurz darauf erscheint Marcel. „Herr Müller, der Herr Betreuer möchte mit Ihnen sprechen. Er will wissen, was in den Isolationszimmern vor sich geht. Ich verlasse mich auf Sie.“ Zunächst streitet Marcel jeden Punkt meines Berichtes ab. Doch dann nehme ich meine Brille ab und zeige Herrn Seehausen die Abdrücke des Brillengestells mit den starken Gläsern, die sich deutlich von meinem Gesicht abheben. Ich verweise auf die Knie- und Ellenbogenschoner, die ich noch immer trage, und biete sogar an, die Abdrücke der Spreizhose an meinen Leiste zu zeigen. „Das ist wohl hoffentlich nicht nötig,“ meint Herr Seehausen. „Herr Müller, ich möchte, dass Sie mir folgende Dinge bringen, von denen die Patientin berichtete: das Kopfgeschirr, die Brille, die sie wochenlang tragen musste, die Schutzjacke und die Spreizhose. Und danach führen Sie mich bitte nach unten, damit ich das Isolationszimmer selber sehen kann. Und wenn das nicht klappt, meine Herren,“ und damit blickt er den Arzt an, „Richter Ahrends ist in seinem Büro, der ist wenigen Augenblicken erreichbar und erklärt Ihnen die rechtliche Lage.“

Dr. Härich zuckt nur noch mit den Schulter und weist Marcel an: “Sie haben es gehört. Machen Sie, was er gesagt hat.“ Marcel kommt wenig später mit den Utensilien zurück. „Und?“ fragt Herr Seebergen den Pfleger. „Musste Frau Ferner das alles hier tragen?“ Marcel nickt. Dr. Härich beeilt sich zu sagen, dass dies alles zu den medizinisch-therapeutischen Maßnahme gehöre, die bei vielen Patientinnen überragende Erfolge gezeigt haben. Herr Seebergen brauche übrigens gar nicht ins Isolationszimmer zu gehen. Er hätte hier einige Fotos. Und ob Frau Ferner auch von diesen Maßnahmen profitiert habe, fragt Herr Seebergen. „Selbstverständlich“, antwortet der Arzt, „wir waren auf einem guten Weg.“ „Das freut mich“, erwidert Herr Seebergen, „trotzdem habe ich den Eindruck, dass Ihr Konzept nicht das Richtige für Frau Ferner ist. Hier ist der Aufnahmebescheid des Kreiskrankenhauses, wo Frau Ferner eine Woche zur Beobachtung geladen ist und danach werde man weitersehen.“ Ich schaue den Mann überrascht an, aber der spricht schon weiter. „Auch wenn Sie, Dr. Härich, Anträge auf eine weitere Zwangseinweisung der Patientin gestellt haben, so sind diese noch nicht bewilligt worden. Sie befinden sich noch in der Prüfung mit ungewissem Ausgang. Aus juristischer Sicht kann Frau Ferner in Absprache mit mir Haus Waldstetten verlassen und daher bitte ich Sie, uns unverzüglich die persönlichen Sachen von Frau Ferner zu übergeben, damit wir diese Einrichtung verlassen können.“

Ich bin baff und sprachlos. Ich soll hier raus, endlich. Okay, erst in eine andere Einrichtung, aber ich habe noch die Worte von Dr. Aschdorf und Richter Ahrends im Ohr. Es scheint sich doch noch alles zum Guten zu wenden.

Dr. Härich steht abrupt auf. „Wie Sie wollen, aber wenn das Ganze schief gehen sollte, hier brauchen Sie nicht mehr anzuklingeln. Herr Müller wird Frau Ferners Sachen besorgen. Die Entlassungspapiere bekommen sie per Post.“ Und weg ist er.

Marcel kehrt nach einiger Zeit mit meiner Tasche zurück und ich ziehe mich in einem Nebenraum um. Wie gut das tut, wieder persönliche Kleidung zu tragen!

„Nun, Frau Ferner, überrascht?“ fragt mein Betreuer. „Ja,“ antworte ich, „und sehr glücklich.“ „Ich fahre Sie jetzt in Kreiskrankenhaus nach C. Sie werden dort eine ganz andere Atmosphäre erleben. Dr. Aschdorf wird Sie besuchen und wenn alles normal läuft, sind Sie in einer Woche wieder zu Hause.“



Epilog

Ich stehe in meinem Badezimmer vor dem Spiegel. Nur undeutlich sehe ich mein Gesicht. Ich setze mir vorsichtig meine neue Brille auf und sehe meine durch die dicken Gläser stark vergrößerten Augen. Sie haben sich weiter verschlechtert, der Sehtest beim Optiker ergab eine Veränderung auf plus 8 Dioptrien. Ein heftiger Sprung, wie die Angestellte meinte. Aber Hauptsache, ich kann wieder scharf sehen.

Ich nehme die Brille wieder ab, augenblicklich wird alles verschwommen. Dann setze ich sie wieder auf und sehe mich um. Wie gut, wieder klar gucken zu können. Der dunkle Rahmen passt gut zu meinem Gesicht und sorgt dafür, dass die Dicke der Gläser nicht so auffällt.

Dann nehme ich mein braun-weißes Knebelgeschirr in die Hand und stülpe es vorsichtig um meinen Kopf. Das breite Lederstück umfasst meinen Mund, schmale Gurte führen links und rechts an der Nase entlang zum Stirngurt. Ich spüre das Lederband an der Stirn und die Gurte an meinem Kopf. Dann ziehe ich die Schnallen am Hinterkopf fest und dann die des Halsgurtes. Etwas in mir tief drin kribbelt sehr, als ich mich so sehe. Ich versuche etwas zu sagen, aber heraus kommen nur undeutliche Wörter. Ich bin erregt.

Dann gehe ich ins Schlafzimmer. Auf dem Bett liegt ein komplettes S-Fix-Set mit Schulterzusatzhalterung. Ich lächle und freu mich darauf, später von Dominik ins Bett gebracht zu werden. In einer halben Stunde wird er kommen, ich stelle schonmal den Auflauf in den Backofen.
Mal sehen, wie ich ihm mit neuer Brille gefalle. Schließlich haben wir die zusammen ausgesucht und er weiß, dass ich stärkere Gläser brauche und diese meine Augen sehr vergrößern. Ich löse die Gurte meines Knebelgeschirrs und nehme es wieder ab, vielleicht werde ich es noch später tragen.

Ich bin jetzt seit vier Wochen zu Hause. Die eine Woche in der Psychiatrie des Krankenhauses war unspektakulär. Man hat mich weitgehend in Ruhe gelassen, es gab zwei nette Gespräche und dann wurde ich nach sieben Tagen entlassen. Eine Windel brauchte ich auch nicht mehr zu tragen. Alles funktionierte, von wegen inkontinent… Was mir zu schaffen machte, waren meine Alpträume und meine Schlafstörungen, die auch zu Hause regelmäßig auftraten.

Dominik, der mir in Waldstetten so sehr geholfen hat, hatte mich angeschrieben. Wir haben ein paar Mal telefoniert und uns dann regelmäßig getroffen. Ich glaube, ich habe mich in ihn verliebt, und ich scheine ihm auch nicht ganz gleichgültig zu sein. Als angehender Mediziner habe ich ihn wegen meinen Alpträume um Rat gefragt und dass ich nachts so sehr unruhig sei. Irgendwie kamen wir gemeinsam auf die Idee, dass mir vielleicht das Fixiertsein fehlen könne. Dominik konnte über Beziehungen bei seiner neuen Praktikumsstelle ein gebrauchtes S-Fix-System bekommen. Ich habe es die letzten Nächte mit Dominiks Hilfe ausprobiert und ich konnte tatsächlich tiefer schlafen. Eine meiner Hände habe ich nicht fixieren lassen, so dass ich mich dann morgens von den Gurten alleine befreien konnte. Die Zeit in der Psychiatrie hat ihre Spuren hinterlassen. So ganz fühle ich mich noch nicht zu Hause und meine dunkle sexuelle Sehnsucht nach Fixierungen und Restriktionen ist sehr präsent. Ich habe Dominik davon erzählt, der mich ermutigte, mir die Zeit zum Verarbeiten zu geben. Er weiß auch von meinem Knebelgeschirr.

Zweimal war ich bei Richter Ahrends und er hat mich nach meiner Zeit in Waldstetten befragt. Ich habe so genau wie möglich geantwortet und der Richter hat die Verantwortlichen bereits angezeigt. Die Polizei wird nun ermitteln. Ich soll mich als Zeugin bereithalten, aber ich weiß, es wird für mich schrecklich sein, sollte ich Schwester Gerda vor Gericht begegnen.

Da klingelt es. Er kommt. Dominik hat ein flaches Paket unter dem Arm, als ich ihn hereinlasse. Das legt er erst einmal in den Flur und umarmt mich. Er schaut mir lange ins Gesicht und sagt dann, dass ich mit meiner Brille toll aussehe. Die neuen Gläser würden meinen Augen noch einen ganz neuen Ausdruck verleihen.

Wir essen zusammen und dann machen wir es uns gemütlich. Ich frage Dominik, was es mit dem Paket auf sich habe. Er holt es herein und öffnet es langsam. Darin liegt eine weiße Zwangsjacke. „Wo hast du die denn her?“ frage ich ihn. „Ich hatte heute in der Einrichtung auf dem Speicher zu tun, wo das Equipment, was nicht mehr benutzt wird, herumliegt. Da sah ich einige Jacken in einem Schrank liegen und ich dachte, vielleicht möchtest du noch einmal eine anziehen.“ „Da du ja auch die S-Fix-Gurte magst,“ fügt er schüchtern hinzu. „Dann verwöhne mich doch heute“, antworte ich. „Aber ich habe noch einen Wunsch. Ich möchte, dass du dabei meine alte Brille aufsetzt.“ Und dann hole ich die Brille mit dem silberfarbenen Metallrand, die mir Frau Dr. Schardtwald gegeben hatte und setze sie Dominik auf.

Gut steht sie ihm. Ich ziehe schnell meine Hose und meinen Pulli aus. Dann reiche ich ihm mein Knebelgeschirr. „Bitte das zuerst.“ Dominik legt es mir an und dann strecke ich meine Arme nach vorne und empfange die Ärmel der Jacke. Sie sitzt eng und umhüllt mich verführerisch. Nachdem Dominik die Schnallen auf dem Rücken verschlossen hat und meine Arme verschränkte, streichelt er sacht über meine Brüste. Ich zittere vor Erregung. Dann zieht er den Schrittgurt fest, ich könnte schreien, weil es mich so anmacht. Ich stöhne in meinen Knebel hinein und Dominik beginnt, mich an den schönsten Stellen zu streicheln. Ich sehe seine großen Augen hinter den Brillengläsern und dann wird es ganz bunt um mich. Wir lassen uns aufs Sofa fallen. Ein Gefühl des Zerfließens. Vielleicht brauche ich in dieser Nacht kein S-Fix mehr.
76. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von andreas am 12.01.25 03:59

Vielen Dank für die letzten Teile der Geschichte. Es ist schon ein bisschen schade das diese schon zu Ende ist. Eine wirklich schöne Geschichte und ich würde gerne erfahren wie es mit den beiden weiter geht. Kommen sie zusammen, wird sie wieder Windeln undd Spreizhose tragen und möchte gern als Adult Baby leben, etc. So viele Fragen und Möglichkeiten und ich hoff auf eine weitere Fortsetzung.

VG Andreas
77. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von windelfohlen am 12.01.25 14:23

Schön das es ein Happy end gibt, für beide.
Die zeit in Waldstetten hat ihre spuren hinterlassen.
Schön und schade zugleich ist die Geschichte zu ende.
schade, es ist zu ende
Schön Geschichte wurde zum abschluss gebracht und jeder kann ja sein teil selber denken was mit Gerda und Co weiter geht, vielleicth dürfen beide ja die eigene medizinische therapie am eigenen leibe erfahren.
78. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von Gutverpackt am 12.01.25 22:20

Vielen Dank für dieses Happy End.

Ich freue mich auf dein nächste Werk
79. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von burli am 13.01.25 15:05

vielen Dank für diese gelungene Geschichte. Das Ende hast Du zum richtigen Zeitpunkt gewählt, denn ich glaube sonst währe die Story zu langatmig geworden und hätte diesen besonderen Charakter verlosen!

Ich ziehe meinen Hut, verneige mich und vielleicht kommt eine Fortsetzung oder eine ganz neue genau so spannende Geschichte dabei rum.

Grüßli von burli
80. RE: Haus Waldstetten

geschrieben von ball am 13.01.25 16:25

Dankeschööön für die schöne Geschichte.
Ich habe beim lesen viel Spass gehabt.
ich hoffe das er eine nachfolge Geschichte gibt


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