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Thema:
eröffnet von mister am 10.09.05 02:42
letzter Beitrag von surfi am 28.02.05 16:37

1. Jetzt oder Vergangenheitsform

geschrieben von mister am 14.12.04 15:59

Die Rache einer Sklavin
http://www.kgforum.org/board/YaBB.pl?board=fstories&action=display&num=5999

liebe Leser und Schreiber
Meine aktuelle Story habe ich versucht in der Jetztform zu schreiben, Meines Wissen nach ist es noch nicht gemacht worden. Ich würde mit euch gerne darüber diskutieren wie so ein Schreibstil ankommt und was ihr davon haltet. Es wäre natürlich viel leichter in der Erzählform zu schreiben Wie ZB
ICH GING NACH HAUSE, als wenn ich schreibe, ICH GEHE NACH HAUSE.
Was meint ihr dazu?


(Diese Nachricht wurde am 14.12.04 um 15:59 von mister geändert.)
2. Re: Jetzt oder Vergangenheitsform

geschrieben von Herrin_nadine am 14.12.04 18:43

hallo mister


im prinzip muß die schreibform, in welcher zeit sie sein sollte, von dir als autor festgelegt werden, und Präsens und Imperfekt und Perfekt mit "haben" müssen darin genau eingehalten werden. sonst lauft man gefahr, daß zeiten verwechselt werden.

in der jetztform zu schreiben, da kann ich mir vorstellen, daß das am schwersten ist.

für geschichten hat man bisher meistens die vergangenheitsform gewählt, weil sie abgeschlossene handlungen erzählen.

eine erzählung mit handlung, wie sie jetzt gerade passiert wie in einem film, den man gerade sieht, ist reizvoll.


(Diese Nachricht wurde am 14.12.04 um 18:43 von Herrin_nadine geändert.)
3. Re: Jetzt oder Vergangenheitsform

geschrieben von Fabian am 14.12.04 18:49

Die allermeisten fiktionalen Geschichten werden im Tempus des "epischen Präteritums" (Imperfekt + Plusquamperfekt) geschrieben. Die Unterscheidung vom "Präsens" ist nur formal, denn beim Lesen entsteht eine Vergegenwärtigung des Erzählten, so als wenn es jetzt passieren würde.

Natürlich kann der Autor sich am Anfang ganz bewusst für das Präsens entscheiden, aber - wie gesagt - es ist nicht die Norm, und wenn er sich entschieden hat, darf er nicht mehr wechseln. Wenn er dagegen im epischen Präteritum schreibt, kann/darf er an besonders spannenden Stellen ins Präsens wechseln und dann wieder zurück zum epischen Präteritum.
Durchgehend im Präsens zu schreiben, ist, wie Herrin_nadine geschrieben hat, auch schwerer. Zum Beispiel hat man es nicht so leicht, einmalige und wiederkehrende bzw. andauernde Handlungen zu unterscheiden.

Grüße ........... Fabian,
der sich nach langer Zeit mal wieder meldet

(Diese Nachricht wurde am 14.12.04 um 18:49 von Fabian geändert.)
4. Re: Jetzt oder Vergangenheitsform

geschrieben von bluevelvet am 14.12.04 21:33

Grundsätzlich kann man natürlich nur von dem erzählen, was gewesen ist; deshalb ist das Normaltempus in Erzählungen das Präteritum, welches ja Verlaufscharakter ausdrückt . Ich empfinde es so, dass die Verwendung des Präsens den Leser stärker in die Geschichte verwickelt, oder anders ausgedrückt: Die Geschichte rückt dichter an den Leser heran. Aber weshalb sollte ein Autor, der im Präsens schreibt wie Michael in der geannten Geschichte, nicht zwischendurch ins Präteritum wechseln können - z. B. wenn er sich erinnert? Nach der Beschreibung der Erinnerung im Präteritum wechselt er wieder ins Präsens. Vielleicht versucht Michael das `mal; ich glaube nicht, dass es wie ein Kunstfehler wirkt.

Bluevelvet


(Diese Nachricht wurde am 14.12.04 um 21:33 von bluevelvet geändert.)
5. Re: Jetzt oder Vergangenheitsform

geschrieben von nowalic am 15.12.04 08:44

Die Erzählung in der Jetztform bietet eine interessante Perspektive. Man wird als Leser quasi in eine Zeitraffer-Situation versetzt und ist gezwungen, in diesem Zeitraffer mit dem Erzähler „mit zu gehen“. Alles darf live mit erlebt werden; der Leser ist omnipräsent. Und ein wenig darf er auch Voyeur sein.

Ich finde, es ist eine nette Erzählvariante, die anfänglich etwas die Sinne verwirrt, aber wenn man sich erst mal „eingelesen“ hat, durchaus etwas für sich hat.

Ich stelle mir allerdings vor, dass es relativ schwer ist, diese Darstellungsform auf Dauer konsequent durchzuhalten und könnte mir vorstellen, dass der Autor zumindest Anfangs reichlich vom elektronischen Tipp-Ex Gebrauch machen muss, bis alles schlüssig und in sich stimmig ist.

Ich lese gerne weiter; der Fortgang der Geschichte interessiert mich - schon um zu sehen, wie die gewählte Erzählform dauerhaft verwirklicht werden kann.

Viele Grüße
Nowalic
6. Re: Jetzt oder Vergangenheitsform

geschrieben von mister am 15.12.04 09:06

Hallo zusammen
Vielen Dank für die Beteiligung und Ratschläge in diesem Thread. Für mich ist es neu in dieser Weise zu schreiben und ich muss zugeben auch sehr anstrengend. Immer wieder schleichen sich kleine Fehler ein die korrigiert werden müssen. Das ist auch ein Grund warum es mit der Geschichte nicht wie sonst so schnell weitergeht. Ich werde jedenfalls versuchen in diesem Stil konsequent weiter zu schreiben.
Mal sehen wie es sich entwickelt.
Viele Grüße
Michael
7. Re: Jetzt oder Vergangenheitsform

geschrieben von master_of_m am 17.12.04 10:18

Jeder sollte so schreiben, wie er meint das es für seine Geschichte am bessten passt.
8. Re: Jetzt oder Vergangenheitsform

geschrieben von xrated am 17.12.04 11:20

@master_of_m
Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. So sehe ich das auch.

VG Xrated
9. Re: Jetzt oder Vergangenheitsform

geschrieben von Gast surfi am 17.12.04 12:19

@ master_of_m und xrated

Hallo Ihr beiden,

vollkommen richtig, denn beim Schreiben ist man immer allein und man hat nur seinen Verstand und - was noch wichtiger ist! - sein (gutes oder nicht so gutes) Gefühl als Helfer dabei.
Aber:
Man muss beim Schreiben auch immer die Leserseite im Unterbewusstsein mitberücksichtigen. Und Leser/innen haben ein ausgeprägtes Wertesystem (<-Grundgesetz, elterliche Erziehung, angeborene Fairniss, moralische Werte [Kirche, Parteien, Vereine usw.], öffentliche Meinung [Fernsehen, Zeitungen], Gerichtsurteile usw. usf.). Aber ich schweife vom eigentlichen handwerklichen Thema ab. Leser/innen haben auch ein tradiertes Leseverhalten (Schule und Lektüre anderer Bücher oder Artikel) und erwarten einfach, dass man bestimmte "Normen" (Rechtschreibung, Tempus, Logik) einhält. Wer dagegen massiv verstößt, fällt einfach bei jedem/r Leser/in durch, unabhängig von dessen/deren Vorbildung. Wer gegen diese "ungeschriebenen" Gesetze verstößt, muss es gut begründen(*). Wenn er es aber schafft, können allerdings solche Geschichten besonders gut gelingen.

L.G.
surfi

Anm.(*)
1. Zum Beispiel sieht man meiner Mirjam wohl nach, dass sie kein perfektes Deutsch spricht, sondern ein Deutsch mit hartem Akzent. Es ist zwar ihre Muttersprache, aber es war ihr bei Strafe verboten, in der Schule, auf der Straße und überhaupt Deutsch zu sprechen. Das war im kommunistischen Polen wirklich so, und kein Pole hat sich dafür bei den Hunderttausenden Deutschen, die darunter litten, bis heute entschuldigt.
2. Die inneren Monologe in "Heiner sein Tagebuch" verstoßen ebenfalls lustvoll (!) gegen die grammatischen Regeln der Hochsprache. Das macht mir besonderen Spaß. Ich bin eben maso. *gg*

Entschuldige Michael, die Anmerkungen gehören ja nicht eigentlich zum Thema, aber ein bißchen Werbung muss sein *zwinker*.

(Diese Nachricht wurde am 17.12.04 um 12:19 von surfi geändert.)
10. Re: Jetzt oder Vergangenheitsform

geschrieben von Flipi am 28.02.05 05:36

Ich habe gerade überlegt, wann ich etwas wie schreibe. Vergangenheit oder Gegenwart.
Ich glaube, anfangs habe ich sehr viel in der Vergangenheit geschrieben. Heute nutze ich oft die Gegenwartsform, um in der Geschichte auf frühere Geschehnisse aufmerksam zu machen.
Ich habe meist die Grundstory im Kopf und daher kommt die Entscheidung.
Wenn ich mit dem Lyrischen ich oder Du arbeite, z.B bei Gedichten, bietet sich die Gegenwart gerade zu an. Das gibt dem Leser das Gefühl, just dabei zu sein.
So wurde mir gesagt, und dafür ist es geschrieben.
Es liegt im Gefühl und entscheidet sich auf der ersten Seite. Ob es 5, 10 oder 100 Werden.

LG Flipi
11. Re: Jetzt oder Vergangenheitsform

geschrieben von Gast surfi am 28.02.05 16:37

@ flipslave
Zitat
Ich glaube, anfangs habe ich sehr viel in der Vergangenheit geschrieben. Heute nutze ich oft die Gegenwartsform, um in der Geschichte auf frühere Geschehnisse aufmerksam zu machen.


Das am meisten gewählte Erzähltempus in fiktiven Geschichten ist das (epische) Präteritum (bzw. Imperfekt). Wenn von dieser Zeitstufe aus auf noch frühere Geschehnisse aufmerksam gemacht wird, wählt man das Plusquamperfekt (bzw. vollendete Vergangenheit).

Beispiel: "Ich schaute aus dem Fenster und sah, wie soeben die Sonne über die Mauerzinne kroch. Gestern hatte sie sich überhaupt nicht blicken lassen."
Der Effekt ist der gleiche, wie wenn ich schreiben würde: ""Ich schaue aus dem Fenster und sehe, wie soeben die Sonne über die Mauerzinne kriecht. Gestern hat sie sich überhaupt nicht blicken lassen."

Oder sieht jemand einen Unterschied in den beiden Beispielen, was das Verhältnis zwischen "gegenwärtigen" (heute) und früheren (gestern) Geschehnissen angeht?

Ich persönlich bevorzuge das epische Präteritum, weil es mir geschmeidiger erscheint.

surfi
(Diese Nachricht wurde am 28.02.05 um 16:37 von surfi geändert.)


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