Restriktive Foren

Thema:
eröffnet von Butterfly am 06.07.06 15:52
letzter Beitrag von Zwerglein am 18.02.07 19:35

1. Anita

geschrieben von Butterfly am 06.07.06 15:52

*schüchtern guck*
Hallo zusammen,
da bin ich mal wieder. Lang ist´s her. Hatte halt viele andere Dinge zu tun.

Aber in letzter Zeit bin ich mal wieder dazu gekommen, etwas zu schreiben. Sicherheitshalber siedele ich es mal im Offtopicbereich an, denn es ist zumindest stellenweise deutlich offtopic. Auch hoffe ich, mit der Geschichte nicht den Zorn der Auguren des Forums heraufzubeschwören.

Aynway, das übliche gilt: wer´s nicht mag, soll was anderes lesen, den anderen wünsche ich viel Spaß und einen langen Atem.

Setting der Story: Fantasy/Horror, mit elementen aus med. Fesseln

Grüßle
der Schmetterling.
2. Anita

geschrieben von Butterfly am 06.07.06 15:53

Anfang

Andreas fand schnell einen Parkplatz, ziemlich direkt vor seiner Haustür. Während er ausstieg, musterte er die Fassade und mal wieder ging ihm durch den Kopf, dass er unbedingt die Verwaltungsgesellschaft ansprechen musste. Der Putz begann langsam, sich in Placken abzulösen. Fehlte nur noch, dass ein Passant von einem herunterfallenden Brocken getroffen wurde...

Er blickte nach links und rechts in der Straße. Die meisten anderen Häuser sahen nicht viel besser aus.

Frau Hansen aus dem dritten Stock hatte ihn angesprochen, dass ihre Heizung tropfte, daher nahm Andreas den Werkzeugkoffer mit. Der Schaden war schnell repariert, schließlich war Heizung und Sanitär sein Beruf, neben der Hausmeisterei. Oder eigentlich eher umgekehrt, denn die Tätigkeit als Hausmeister war rein nebenberuflich.

Aber beides passte gut zusammen, abgesehen von dem Zeitaufwand.

Nachdem er sich verabschiedet hatte und erklärt hatte, dass er das natürlich unter eine Reaparatur fiele, die der Vermieter trug und dass er das schon entsprechend klären würde, ging er in den Keller. Die Bauherren hatten sich gespart, den Keller, der wohl als Luftschutzbunker gebaut worden war, neu zu machen und nach dem Krieg nur den oberirdischen Teil der Ruine abgerissen. Der Keller war stehengeblieben, unbeschädigt.

In seinem Kabuff angekommen, setzte er sich an den wackeligen Schreibtisch, beschriftete das Heizungsventil und legte es in eine Kiste. Eigentlich hätte die Heizung genau wie die Fassade mal eine grundlegende Überholung nötig gehabt. Genau wie die Elektrik, die Wasserinstallationen und die Fenster.

Seufzend machte er sich auf den Weg in seine Wohnung im ersten Stockwerk.

Gerade als er aus dem Keller kam, ging die Eingangstüre auf. Der Makler, den die Verwaltungsgesellschaft immer beauftragte, wenn eine Wohnung zu vermieten war, stand vor ihm. Hinter ihm blickte eine schmale, schwarzhaarige Frau in den Hausflur.

Der Makler lächelte berufsmäßig und begann zu reden: "Ja, Frau Hoch, und das ist unser Hausmeister. Herr Klösgen. Das trifft sich ja wunderbar." Dann wechselte er seinen Adressaten und fuhr fort: "Herr Klösgen, das ist Frau Hoch. Sie wollte sich die Maissonettewohnung noch einmal ansehen, bevor sie den Mietvertrag dann unterschreibt."

Er lächelte gewinnend in Richtung der jungen Frau, die hingebungsvoll die Augen verdrehte, als der Makler sich wieder von ihr abwendete.

Andreas konnte nur mühsam ernst bleiben. Jens Mauser von Mauser Immobilien war das Klischeebild seines Berufes. Und offenbar konnte die junge Frau dieses Klischee genausowenig leiden wie er selbst.

Der Makler nickte: "Herr Klösgen, möchten sie mitkommen? Vielleicht können sie die eine oder andere Frage, die Frau Hoch hat, aus der Praxis besser beantworten als ich..."

Er wartete nicht einmal auf eine Antwort sondern schob sich an Andreas vorbei und begann, die Treppe hinaufzusteigen.

Die Frau trat in den Eingangsflur, verdrehte die Augen und flüsterte: "So´n Arsch...", dann streckte sie ihre Hand aus und fuhr mit normaler Stimme fort: "Sie können mich Anita nennen."

Andreas gab ihr die Hand. Ihre Hand war schmal, warm und glatt, aber der Händedruck war überraschend fest.
Er machte eine einladende Geste und folgte ihr dann die Treppe hinauf, nachdem er eine starke Taschenlampe aus seinem Werkzeugkoffer genommen hatte.

Der Vormieter hatte eine eigentümliche Interpretation von "besenrein" gehabt, und in den drei Monaten, die die Dachgeschosswohnung leerstand, war die Wohnung nicht sauberer geworden.

Anita sah sich nachdenklich um. "Die Wohnung gefällt mir, aber hier ist einiges zu tun..."

Andreas nickte: "Das stimmt. Wände streichen, die Fenster, Türen und die Heizkörper lackieren. Muss nicht sofort sein, würde aber nicht schaden, geht natürlich auch viel besser, solange die Wohnung nicht eingeräumt ist. Der Teppich... der ist hin. Aber die Dielen darunter sind noch in Ordnung, müssten nur abgeschliffen werden. Oder einen neuen Teppich verlegen."

Er hob eine Ecke des Teppichs an und schlug sie um. Anita schaute skeptisch und zuckte etwas ratlos die Schultern.
Andreas fuhr fort: "Die Installationen sind ok, zwar nicht nach heutigen Standards, aber wenn etwas kaputt geht, kann ich es leicht reparieren."

Der Makler trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Offenbar begann er zu bereuen, Andreas zu der Besichtigung eingeladen zu haben. Er begann: "Herr Klösgen...", aber Andreas ließ sich nicht beirren. Er drehte sich zu Anita um und zwinkerte ihr verstohlen zu.

"Ist ein Haufen Arbeit für einen allein. Haben sie jemanden, der Ihnen hilft?"
Sie schüttelte den Kopf und sagte nachdenklich: "Ich kann zwar anstreichen, aber...", sie brach ab, schüttelte erneut den Kopf und zuckte mit den Schultern, dann wandte sie sich vollständig an den Makler und schüttelte den Kopf: "Das hat keinen Sinn. Haben sie eine andere Wohnung? Eine, wo man nicht so viel machen muss?"

Der Makler hob die Hände: "Ok, ok. Sie haben recht. Ich mache einen Vorschlag: wir lassen den ersten Monat mietfrei und die Vermietungsgesellschaft trägt die Materialkosten für die Renovierung bis zu 800 Euro."
Anita sah ihn an, schüttelte dann erneut den Kopf: "Ich schaffe das nicht alleine. Das ist zu viel."

Andreas nickte dem Makler zu: "Ich könnte ein paar Abende oder am Wochenende mit anpacken. Aber..."
Der Makler seufzte und sah Andreas leicht angewidert an: "Wieviel?"

Der erbittert geführten Verhandlung folgend fragte der Makler, ob es noch etwas gäbe. Anita nickte und erklärte, dass sie gerne noch den Keller sehen würde, sie hätte da einige Sachen aufzubewahren.

Der Makler fragte: "Machen sie das, Herr Klösgen? Ich gehe dann mal den Vertrag vorbereiten und sie kommen die Tage vorbei, um zu unterschreiben, ok?"

Anita nickte. Die drei gingen die Treppe hinunter, und als die Haustüre hinter dem Makler zugefallen war, grinsten sich Anita und Andreas an.
3. RE: Anita

geschrieben von SteveN am 06.07.06 16:13

Hallo Butterfly !

Da wird der reizenden Anita aber schöne neue Wohnung angedreht.
Was alles darf Andreas der Anita alles helfen ?

Viele Grüße SteveN
4. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 06.07.06 16:29

...abwarten. Es ist nicht alles Gold was glänzt und es glänzt nicht alles, was Gold ist.
Aber etwas Geduld wird von Nöten sein, denn die Geschichte ist wie gesagt zumindest zum guten Teil offtopic. Ich habe nicht vor, eine Zitterpartie aus der Geschichte zu machen, aber sie wird definitiv nur häppchenweise kommen...


Anita wurde ernst: "Danke."
Sie machte eine kleine Pause, dann fragte sie: "War das klug? So schnell wird der sie nicht mehr mit zu einer Wohnungsbesichtigung nehmen."

"Das macht nichts. Kommt mir grade recht. Und ich kann den arroganten Kerl einfach nicht leiden."

Sie gingen die Treppe in den Keller hinunter. Andreas warnte sie vor der ungleichmäßigen Stufe, wo die neue in die alte Treppe überging: "Das war früher ein Luftschutzbunker. Sehr stabil. Zwei Stockwerke unterirdisch. Aber eigentlich wird nur das obere benutzt. Nachdem vor ein paar Jahren ein paar Kinder unten gespielt haben, habe ich die untere Türe verschlossen. Ab und zu gehe ich nachsehen, ob alles in Ordnung ist, aber irgendwie..."
Anita nickte und setzte den Satz für ihn fort: "... ist es ein komisches Gefühl."
Andreas blieb stehen, drehte sich nach ihr um und sah sie verwirrt an: "Woher...?"
Sie zuckte mit den Schultern: "Weiß ich nicht. Aber es ist schon hier irgendwie bedrückend. Irgendwie abgeschossen von der normalen Welt."

Andreas sah sie an. Er wünschte beinah, er hätte keine Ahnung gehabt, wovon sie redete. Er ging die letzten beiden Stufen hinunter und lehnte sich gegen die dicke Stahltüre.
"So... das hier ist der normale Keller. Jede Wohnung hat einen eigenen Raum, zusätzlich noch der Raum mit den Öltanks und mein Kabuff."

Er redete weiter, während er den Gang entlang ging: "Die Stahltüren wurden drin gelassen. Sie sind mehr als solide und schließen ziemlich dicht. Hat man damals wohl gemacht, um bei einem Bombentreffer die Druckwelle der Explosion abzuhalten. Später sind dann Riegel von draußen angeschweißt worden, die man abschließen kann."
Er zog eine Tür auf: "Das Gerümpel von ihrem Vormieter habe ich auf den Sperrmüll geworfen."

Anita trat in den Kellerraum und sah sich um. Dann nickte sie: "Der ist genau richtig. Ein paar Regale und alles liegt kühl und trocken, und es entspricht auch den Vorschriften..."
Anita merkte seinen neugierigen Blick. "Ich bin Pharmavertreterin. Ich habe ein kleines Lager mit allen möglichen Arzneimitteln, teilweise verschreibungspflichtig. Da darf natürlich nicht jeder dran. Aber noch sicherer als hier lagere ich sie höchstens in einem Bankschließfach."

Sie ging aus dem Raum und lehnte sich gegen die schwere Tür, die sich mit einem dumpfen Knall schloss.

Abwärts
Sie gingen den Kellergang entlang. Am Fuß der Treppe blieb Anita stehen und sah auf die dunkle Treppe, die weiter hinunter führte.
"Sieht es unten genauso aus?"

Andreas zögerte, dann nickte er. "Ja. Ist nur etwas muffiger."
Er wartete einen Moment und als sie immer noch hinunter sah, fragte er: "Sie möchten eine Führung durch die Katakomben?"

Sie sah ihn zögerlich an, dann nickte sie.

"Na gut. Moment, ich muss den Schlüssel holen."
Er verschwand in sein Kabuff. Kurz überlegte er, ob er einen Schluck aus der Wodkaflasche nehmen sollte, die er für Notfälle auf dem Regal aufbewahrte, überlegte es sich aber anders.

Als er wieder zurückkam, drückte er ihr eine Taschenlampe in die Hand, dann drehte den Knebel des altertümlichen Schalters an der Wand. Eine dreckige Glühbirne leuchtete auf.

"Wozu die Taschenlampen?", fragte sie.

"Dann fühle ich mich besser. Und ich dachte, sie sich auch. Es ist nur im Gang Licht installiert."

Sie gingen die Treppe hinunter. Als sie vor einem Bruder der Stahltüre oben standen, fragte Anita: "Was um Himmels willen haben denn hier Kinder gespielt?"

Andreas schwieg. Als er die Tür aufzog, kam ihnen ein Schwall abgestandener Luft entgegen. Er machte eine einladende Geste: "Neugierige zuerst..."

Langsam trat Anita in den Gang.

"Wenn wir schonmal hier unten sind, möchte ich kurz überall reingucken. Nicht dass irgendwo was zu bröckeln anfängt", erklärte Andreas.

Anita nickte, dann öffnete sie die wahllos eine Tür. Um sich zu beweisen, dass sie keine Angst hatte, trat sie in den Raum. Erst jetzt nahm sie wahr, dass die Wand des Raumes in den Gang hinein mindestens fünfzig Zentimeter dick war. Sie ging weiter, und leuchtete umher. Die Luft in dem Raum roch nach altem Ruß und als sie umherleuchtete, sah sie, dass die Wände an der linken hinteren Ecke geschwärzt waren.
5. RE: Anita

geschrieben von SteveN am 06.07.06 16:41

Hallo Butterfly !

Willkommen im 2ten Untergeschoß
oder soll ich sagen, im Verließ ?

Viele Grüße SteveN
6. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 06.07.06 16:54

Lieber SteveN,
...und dann verließ sie ihn (die Rechtschreibung). sorry, couldn´t resist

Es ist ja genau das was ein Verlies ausmacht... das das Verlassen ein Problem darstellt.

Danke für den Gruß und nix für ungut
Butterfly

Hinzugefügt am 07.07. morgens: was tue ich da eigentlich überhaupt? Da schreibt jemand was auf meine Geschichte, hat offenbar mitgedacht, und was mache ich? Sarkastische Bemerkungen.

Böser Schmetterling.

Mein tiefstes Bedauern. Soll nicht wieder vorkommen. Zur Entschuldigung geht´s jetzt weiter...
7. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 07.07.06 08:59

... wie gesagt, es geht weiter, und für die, die die nächsten Absätze überstehen, mag es (noch in diesem Teil) interessant werden...

Andreas war im Gang stehengeblieben, die Hand an der Tür. Er musterte die Tür, bewegte sie leicht hin und her, dann sah er Anita an.
"Die Türen schließen ganz dicht. Da kann einen niemand hören."
Er machte eine Pause, dann klang seine Stimme gehetzt: "Zuerst war es wohl so eine Art Mutprobe, ein Abenteuerspielplatz. Ich habe keine Ahnung, wie lange das schon so ging. Es waren Kinder. Ein paar hier aus dem Haus, ein paar aus der Nachbarschaft. Acht, neun, zehn Jahre alt. Sie wußten sicher nicht, was sie da tun."

Es fiel ihm schwer, weiterzusprechen, aber wenn sie es nicht von ihm erfuhr, würde sie die Geschichte sicher später von anderer Seite hören.
"Sie haben ihn hier unten eingesperrt. Allein. Im Dunkeln."

Anita stand ganz still, ihre Augen warfen das Licht seiner Taschenlampe zurück.

Andreas schluckte, dann fuhr er fort: "Seine Schwester war auch dabei. Sie hat ihren Eltern erzählt, dass er bei einem Freund übernachten wollte. Er... er hatte Streichhölzer dabei... und in der Ecke lagen ein paar alte Möbelstücke, eine Matratze. Er hat ein Feuer gemacht."

Anita zog fröstelnd die Schultern hoch, dann sagte sie leise: "Er ist erstickt."

Andreas nickte, seine Stimme klang tonlos: "Kohlenmonoxid", dann fügte er nach einer kleinen Pause hinzu: "Man sagt, man würde nichts merken, einfach einschlafen."
Aber so war es nicht gewesen. Er hatte die Panik auf seinen Zügen gesehen, die aufgeplatzten Knöchel, mit denen er gegen die Stahltüre gehämmert hatte.
Davon hatte er niemandem erzählt. Bei der Polizei war es nicht nötig und den Eltern gegenüber wäre es grausam gewesen.

Sie ging auf ihn zu, blieb vor ihm stehen und sah ihm in die Augen. Andreas wollte sich abwenden, wußte, dass jetzt eine Platitüde kommen würde, ein "sie können nichts dafür", irgend etwas in der Art.
Stattdessen hielt sie seinen Blick, hob dann ihre Hand und berührte seinen Unterarm.

Die Berührung hatte etwas intimes, er wollte ihr ausweichen, war aber nicht in der Lage, sich wegzubewegen, wußte nicht, ob er nicht konnte oder nicht wollte.
Hitze strömte in die Stelle an seinem Arm, die sie berührte.

"Du träumst davon...", murmelte sie.

Er wollte den Kopf schütteln, sich von ihr losreissen. Stattdessen nickte er.
Sie schwieg, wartete.

Andreas schluckte trocken, dann sagte er leise: "Ja. Natürlich bin ich nicht dran Schuld. Aber wenn ich früher etwas bemerkt hätte, wenn hier kein alter Sperrmüll herumgelegen hätte, wenn ich einfach mal hier heruntergegangen wäre..."

Anita schüttelte schweigend den Kopf. Die Hitze breitete sich von der Stelle, die sie berührte, aus, seinen Arm hinauf.

Andreas verstummte, dann fing er erneut an: "Ich hätte..."

Ihre Augen funkelten im Licht, als sie den Kopf schüttelte.

Dann ließ sie ihre Hand sinken, brach den Blickkontakt ab.

Andreas fuhr zurück. "Was...?", keuchte er, und rieb seinen Arm.
"Was hast du gemacht?"
Er faßte sich, korrigierte sich: "Was haben sie...?", dann erschien ihm die Frage zu dumm, so daß er still dastand, seinen Arm schützend an sich gepresst.

Anita trat einen Schritt auf ihn zu. Andreas musste sich beherrschen, nicht zurückzuweichen, als sie ihre Hand hob.
"Es tut mir leid, wenn ich dir... wenn ich ihnen zu nah getreten bin. Selbstverständlich kann ich mir kein Urteil erlauben. Bitte entschuldigen sie."

Dann ging sie mit eiligen Schritten an ihm vorbei, auf den Ausgang zu.

Jetzt war Andreas völlig verwirrt. Er blieb noch einige Augenblicke stehen, dann lief er hinter ihr her, sah aber nur noch die Haustüre zugehen.


Dunkle Zeit

Andreas hatte eigentlich erwartet, die neue Mieterin - oder beinah-Mieterin - nicht wiederzusehen, zu merkwürdig war die Begebenheit im Keller gewesen. Aber schon drei Tage später klingelte sie an seiner Tür.
Sie erklärte ihm, dass sie einen Maler mit der Renovierung beauftragt hatte.

"Ehrlich. Ich hatte sowieso damit gerechnet, dass ich das bezahlen müsste, so kann ich einen guten Teil der Rechnung von der Vermietungsgesellschaft bezahlen lassen und spare die Miete."

Andreas bot ihr das Geld an, das er mit dem Makler ausgehandelt hatte.

Sie schüttelte den Kopf: "Nein... nehmen sie das ruhig selbst. Sie machen sicher eine Menge Dinge, für die sie nicht bezahlt werden."

Andreas hatte ein ungutes Gefühl dabei, aber sie hatte recht.

Nach knapp drei Wochen war die Wohnung fertig und Anita zog ein.

Abends klingelte er an ihrer Tür und drückte ihr ein Brettchen mit Brot und Salz in die Hand. Mit Befriedigung sah er ihren erst verwirrten Gesichtsausdruck in Freude umschlagen.
Sie zog ihn in die Wohnung, die nur spärlich möbliert war und schob ihn weiter in die Küche.

Sie griff in den Kühlschrank und holte eine Flasche Sekt hinaus.
"Den habe ich eigentlich allein trinken wollen, aber jetzt müssen sie mithelfen."

Er grinste, als sie ihm einen Plastikbecher in die Hand drückte. "Stilecht."

Sie stießen an, dann bot sie ihm das "du" an.
An sich hielt er nicht wirklich viel davon, aber er wusste nicht, wie er ablehnen sollte.

Dann fragte sie ihn um Erlaubnis, an ihre Kellertür ein neues Schloß montieren lassen zu dürfen. Andreas nickte: "Da wird sich niemand dran stören. Wenn dir das Vorhängeschloß nicht reicht..."

"Wir haben da in der Firma ziemlich strenge Richtlinien. Eigentlich müssen wir die Medikamente in der Wohnung lagern. Gerade mit Kellern und Garagen ist da einfach schon zu viel weggekommen. Und ein einfaches Vorhängeschloß ist leicht zu knacken."

---

Es war eine regnerische Nacht. Zwischen den schnell treibenden Wolken schaute ab und zu der zunehmende Mond hervor. Andreas war in den Keller gegangen, um sich eine Bierflasche zu holen und war von dem roten Leuchten der LED-Anzeige aufmerksam gemacht worden. Jetzt stand er vor der Kellertür zu Anitas Raum und bestaunte das Schloss.

Offensichtlich hatte der Schlosser ein Stück aus der Türe herausgeschnitten und sauber eine Platte mit einem Tastenfeld und einem kompliziert aussehenden Schließzylinder eingesetzt. So wie das aussah, würde es einige Arbeit mit einem Schneidbrenner kosten, hier etwas auszurichten; wahrscheinlich wäre es günstiger, die schweren Angeln abzuschweissen, als das Schloss direkt anzugehen. Sicher nichts, was ein zufälliger Medikamentendieb machen würde.
Das Ganze sah eher nach einer Tresortüre als nach einer Kellertüre aus.

Andreas stieg schulterzuckend die Treppe hinauf. Er war schon fast oben angekomme, als ihm sein ursprünglicher Grund einfiel, aus dem er in den Keller gegangen war. Er blieb für einen Moment stehen, beschloss dann, auf das Bier zu verzichten und ging weiter.

Als er die Treppe in den ersten Stock hinaufging, hörte er, wie sich hinter ihm die Haustüre öffnete. Er drehte sich um, um nachzusehen, wer um die Zeit nach Hause kam. Eine schwarze Gestalt schlüpfte in das Treppenhaus und schloss schnell die Tür hinter sich.

Er brauchte einen Augenblick, bis er Anita erkannte und der Anblick verschlug ihm halb den Atem. Es dauerte einige Sekunden länger als gewöhnlich, bevor er "Guten Abend" stammelte.

Sie fuhr herum und keuchte erschreckt, als sie ihn sah. Sie war sprichwörtlich von Kopf bis Fuß in einen enganliegenden schwarzen Overall gekleidet, der ihre Figur betonte, feucht schimmerte und nur das Gesicht freiließ. Auf dem Rücken trug sie einen kleinen schwarzen Rucksack, an den Füßen Turnschuhe.
Die Figur erinnerte stark an ein Filmplakat für Catwoman.

Andreas konnte nicht an sich halten. Auch wenn es ihn überhaupt nichts anging, er musste sie einfach fragen: "Wie siehst du denn aus?"

Anitas gehetzter Gesichtsausdruck verwandelte sich in ein verlegenes Grinsen.
"Ich war schwimmen..."

Andreas musste lachen. "Wäre das nicht tagsüber angebrachter? Und ist es nicht die völlig verkehrte Jahreszeit?"

Sie nickte und antwortete ernsthaft: "Prinzipiell ja. Aber ich komme tagsüber nicht dazu. Also habe ich mir angewöhnt nachts zu schwimmen."

"Aber ein schicker Bikini ist das...", rutschte ihm heraus, bevor er nachdachte. Verdammt, jetzt würde sie sicher beleidigt reagieren.

Stattdessen kicherte Anita: "Eher ein Taucheranzug. Ich friere ziemlich schnell. Und außerdem", sie hob die Arme über den Kopf und drehte sich in einer fließenden Bewegung um sich selbst, "außerdem finde ich, er kleidet mich. Und das mit der Sonnenbräune habe ich schon vor Jahren aufgegeben, zumal nachts die Sonne sowieso meist nicht scheint...."

Mit dem restlichen funktionierenden Teil seines Hirns registrierte Andreas, dass sie ihm die Bemerkung wohl nicht übel genommen hatte. Er murmelte: "Stimmt wohl...", während er sich Mühe gab, die Vorstellung aus seinem Kopf zu verdrängen, was sie wohl darunter anhatte und wie er sie aus dem Anzug pellte.

Anita hatte eine sehr genaue Vorstellung darüber, was sie ihm jetzt antat. Aber Strafe musste sein, für die Stielaugen, die Andreas machte. Ausserdem hielt es ihn hoffentlich von weiteren Fragen ab. Und der gerissene Muskel in ihrem rechten Oberarm tat wirklich erbärmlich weh.
Sie ging auf ihn zu, räkelte sich, verzog dabei demonstrativ das Gesicht, streckte ihre Brust vor und ließ den Rucksack langsam heruntergleiten.

Wie erwartet trat er den Rückzug an, als sie wenige Stufen unter ihm war, damit sie sich nicht an ihm vorbeidrücken musste.

Sie sprach ihn an: "Andreas..."

Er blieb stehen, sah sie wieder an.

"... könntest du... also...", sie räusperte sich, spielte Verlegenheit, "ich habe es eben beim Schwimmen etwas übertrieben. Ein Krampf im Arm. Tut verdammt weh... So komme ich nicht an den Reissverschluss. Der ist ziemlich hakelig. Kannst du ihn mir aufmachen?"
Sie wandte ihm ihren Rücken zu, bevor er antworten konnte. Sie hätte den Reissverschluss, der von ihrer linken Halsseite schräg bis knapp über ihr Steißbein verlief, problemlos erreichen können. Sie unterdrückte mühsam ein Kichern, als sie hörte, wie er die Luft einsaugte.

Andreas hatte erhebliche Probleme, das Zittern in seiner Hand zu unterdrücken, und so ungeschickt wie er sich anstellte, klemmte der Reissverschluss tatsächlich ungemein.

Er hörte auf, als er den Reissverschluss halb offen hatte und räusperte sich.

Sie blieb mit nach vorne geneigtem Kopf stehen. Als sie merkte, dass er nicht ohne Einladung weitermachen würde, sagte sie leise: "Bitte mach´ ihn ganz auf."

Andreas räusperte sich erneut, dann stammelte er: "Sollten wir das nicht... ich meine, weil hier im Treppenhaus... bei dir oben... wer weiss, wer uns...?"
Er hätte sich treten können.

Sie bewegte sich nicht. Dann erst wurde Andreas klar, was er gerade gesagt hatte. Hastig schob er hinterher: "Ich meine natürlich vor deiner Tür. Ich wollte nicht..."

Anita nickte, dann drückte sie sich schnell an ihm vorbei und ging vor ihm her die Treppe hinauf, weil sie nicht sicher war, ob sie weiterhin das Lachen hätte unterdrücken können, wenn sie ihm ins Gesicht hätte sehen müssen.

Andreas ging hinter ihr her. Sie zog ihren Schlüssel aus dem Rucksack und schloss die Tür auf. Dann ging sie in die Wohnung. Erwartungsgemäß hörte sie hinter sich, wie Andreas sich räusperte.
Sie drehte sich zu ihm um: "Komm rein..."

Er blieb in der Tür stehen und räusperte sich erneut.

Anita nickte und sah ihn etwas unglücklich an. Dann ging sie zurück an die Tür und wandte ihm wortlos den Rücken zu.

Als er den Reissverschluss ganz offen hatte, griff sie mit der linken Hand nach oben und zog die Kapuze ab. Dann gab sie sich Mühe, möglichst ungeschickt das Oberteil des Overalls auszuziehen, während sie ihren rechten Arm mehr als notwendig schonte.
Sie gab einen leisen Schmerzlaut von sich.

Andreas griff sofort helfend zu und begann, ihre Schultern und Oberarme aus dem Anzug zu schälen. Anita ließ passiv die Arme hängen. Schließlich hatte er ihren linken Arm befreit, und zog dann vorsichtig den engen Neoprenärmel von ihrem rechten Arm.

Anita nahm mit links das vorne herabhängende Oberteil, hob es an und hielt es vor ihre Brust. Sie drehte sich um, stellte sich auf ihre Zehenspitzen und gab Andreas einen Kuss auf die Wange.
"Danke. Den Rest schaffe ich allein."

Er stotterte ein "Tschüss", dann ging er die Treppe hinunter.

Anita grinste hinter ihm her, dann schloss sie die Tür, zog den Anzug aus und hängte ihn sorgsam zum trocknen ins Badezimmer.

Vorsichtig massierte sie ihren Oberarm, der mittlerweile eher heiss war, als dass er weh tat. Dann machte sie einige Dehnungsübungen, nahm den Rucksack, schüttete ihn vorsichtig auf das Bett aus und betrachtete seinen Inhalt. Schließlich seufzte sie und packte alles weg.
Sie stand noch eine Weile am Fenster und sah den halbvollen Mond an, der immer wieder zwischen den Wolken erschien.
8. RE: Anita

geschrieben von Maskenpit am 07.07.06 09:59

Diese Anita ist zur Zeit für mich noch eine ziemlich
undurchschaubare Person.Sie versteht es allerdings
meisterhaft Männer um den Finger zu wickeln und
für ihre Zwecke zu mißbrauchen.Ihre Verkleidung
läßt vermuten,daß sie keine Fetischistin ist,son-
dern eher eine Einbrecherin.Irgendwie wird sie für
ihre Vorhaben die Mithilfe des Hausmeisters benöti-
gen.
9. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 08.07.06 20:13

... ich würde sagen, das gibt glatte fünf Mark für unseren Ratefuchs. Man muss ja nicht gleich Fetischist sein, nur um eine Geschichte herzugeben. Aber ich habe noch ein paar Dinge in petto...

Eröffnung der Grillsaison

Der Fernseher war nicht nur ziemlich groß und schwer, er sah auch so aus. Anita lehnte neben der geöffneten Heckklappe ihres Kleinwagens und wartete darauf, dass niemand vorbeikam.
Stattdessen kam prompt Andreas aus dem Haus. Zuerst dachte sie, er hätte sie nicht gesehen, aber nachdem er seine Tasche in sein Auto geladen hatte, kam er auf sie zu.

"Hi. Wartest du auf Hilfe?"

Sie biß sich auf die Lippe, wollte zuerst den Kopf schütteln, doch dann nickte sie.
Sie murmelte: "Ich kann dich doch nicht schon wieder in Anspruch nehmen..."

"Wie geht es denn deinem Arm?"

Sie führte einige Bewegungen vor: "Ist wieder wie neu."

"Soll der Fernseher hoch?"

Anita nickte wieder.

Andreas krempelte die Ärmel hoch, versuchte den Fernseher anzuheben und sagte: "Dann wollen wir doch mal..."
Keuchend ließ er wieder ab. "Das schaffe ich alleine nie."
Dann sah er suchend die Straße entlang.

Anita runzelte die Stirn, dann hob sie den Fernseher auf der einen Seite an: "Ich denke, das schaffen wir beide zusammen."

Verdutzt sah Andreas sie an: "Wirklich?"

"Klar. Ich bin nicht so zerbrechlich, wie ich aussehe... schließlich schwimme ich regelmäßig."

Die Treppe hinauf ging Anita vor und Andreas trug den größten Teil des Gewichts. Als er oben angekommen war, war er ziemlich geschafft und schwitzte. Anita nickte zur Mitte ihres Wohnzimmers: "Dahin. Ich muss noch ein wenig was einrichten, bevor er dahin kann, wo er hin soll."
Ächzend setzten beide das Gerät ab.

Andreas nickte. "Ich muss jetzt los. Wenn ich dir heute abend noch einmal helfen soll, klingel einfach."

Anita nickte. Als er weg war, schob sie das Tischchen, auf dem der Fernseher stehen sollte zurecht, dann nahm sie den Fernseher und hob ihn hinauf.
Abends klingelte sie an Andreas Tür.
"Äh... Andreas... Kannst du mir noch mal mit dem Fernseher helfen? Ich hätte das Tischchen jetzt richtig stehen."

Andreas folgte ihr in die Wohnung, nickte in Richtung des leeren Tischens: "So, dahin soll das gute Stück?"
Dann ging er in die Knie, packte den Fernseher und hob ihn mit leicht hervorquellenden Augen auf den Tisch.
"Meine Güte, ist das Ding schwer. Jetzt bleibt der aber erstmal so stehen, ja? Nicht dass du morgen nochmal kommst und das Ding dann quer durch die Wohnung soll."

"Klar... wie kann ich dir danken?", fragte Anita lächelnd.

Andreas grinste: "Also da hätte ich was. Morgen abend wollte ich die Grillsaison eröffnen. Ein paar Leute aus dem Haus kommen dazu... Wie wär´s, wenn du dabei bist?"

Anita sah ihn kurz etwas nachdenklich an, dann nickte sie.
"Wann? Und was soll ich mitbringen?"

Nachdem Andreas gegangen war, fragte sie sich, ob das alles wirklich eine gute Idee gewesen war. Diese ganze Aktion mit dem Fernseher war ein blankes Fiasko. Eigentlich hätte sie den Fernseher einfach allein tragen wollen, wenn gerade niemand hinsah, dann hatte sie noch abends extra den Fernseher wieder heruntergestellt, damit Andreas keine dummen Fragen stellte, wenn er nochmal in die Wohnung kam.
Und jetzt hatte sie für morgen abend eine Verabredung... nicht, dass sie Andreas nicht mochte.

Sie grübelte noch eine Weile und schaltete dann den Fernseher ein. Wenig später schlief sie im Sessel ein.
Sie schlief unruhig, ihre Arme und Beine zuckten in versuchten Abwehrbewegungen und einige Male schrie sie leise auf oder gab wimmernde Geräusche von sich.
Als sie schließlich aus dem Sessel fiel und aufwachte, war sie naßgeschwitzt.


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Andreas hatte Bier kaltgestellt und eine Menge Steaks besorgt, irgend jemand hatte Brot mitgebracht. Frau Hansen hatte Bowle gemacht. Nicht das ´leichte Sommergetränk´ sondern die richtige mit den Rumrosinen.
Andreas hatte einen Gartentisch und einige Stühle hingestellt, der Grill stand einige Meter entfernt in einer Ecke des Hofes.

Die Sonne ging gerade unter und es war tatsächlich einigermaßen warm.

Als es richtig dunkel wurde, waren alle satt und ziemlich angeheitert. Plötzlich griff Anita sich an den Kopf und stand auf. Ihr Stuhl kippte um. Mit eiligen Schritten verschwand sie vom Tisch.

Nach einer kurzen Weile drehte Andreas sich nach ihr um. Vielleicht ging es ihr nicht gut? Das war bei Frau Hansens Bowle nicht auszuschließen...
Er stand auf und ging zum Grill, wo er ihren Schatten sehen konnte. Er trat neben sie und berührte sie an der Schulter.

Sie fuhr herum. Ihr Gesicht war blutverschmiert und sie starrte ihn aus aufgerissenen Augen an. Sie gab ein merkwürdiges Geräusch von sich.

"Anita! Was ist mit dir?"
Erst jetzt sah er, wie dass sie eines der rohen Steaks in der Hand hatte, die er nicht mehr hatte grillen wollen.
Einen Moment lang dachte er, sie würde ihn nicht erkennen. Ihre Augen wanderten von seinem Gesicht zum Himmel. Dann sah sie ihn ängstlich an.
"Ich muss rein. Bring mich rein. Schnell!"

Sie taumelte, hielt sich an ihm fest. Er legte seinen Arm um sie und ging mit ihr zum Treppenhaus. Sie murmelte leise vor sich hin: "Es kann noch nicht.. ich muss noch... das kann doch noch nicht...". Als sie gerade das Treppenhaus betraten, wurde sie von einem Krampf geschüttelt.
Andreas wollte stehenbleiben und warten, bis es ihr ein wenig besser ging, doch sie schüttelte den Kopf. "Muss weiter... schnell."
Er gehorchte, legte sich ihren linken Arm um die Schulter, hielt das Handgelenk fest und griff mit der Rechten um ihre Taille. Dann schickte er sich an, sie die Treppe hinaufzuschleppen, aber sie wehrte sich. "Nein... ich... Keller."

Andreas sah sie irritiert an. Sie sah ihn flehentlich an, während ihre Beine wegsackten. Sie wiederholte: "... keller..."

Er nickte. Als sie unten angekommen waren, griff sie in die Tasche, zog einen Schlüssel heraus. Der Schlüssel fiel auf den Boden.
Andreas hob ihn auf und steckte ihn in das Schloss, versuchte zu drehen, begriff, dass er erst die Zahlenkombination eingeben musste, bevor er ihn drehen konnte.
"Die Kombination. Ich brauche die Kombination!"
Anita hing mit geschlossenen Augen in seinem Arm und hechelte. Die Anstrengung war ihr anzusehen, als sie die Zahlenreihe nannte, unterbrochen von qualvollem Keuchen: "Drei, Drei, Vier, Sieben, Eins"
Mit einem Quietschen öffnete sich die Tür.

Anita machte sich von ihm los und wankte in den Keller. Sie ließ sich in eine Ecke fallen.

Andreas ging hinter ihr her, griff ihren Arm. Zunächst schien sie ihn kaum zu bemerken, dann sah sie plötzlich auf. In dem schwachen Licht schienen ihre Augen zu leuchten.

"Anita... du brauchst einen Arzt. Du bist krank."

Ihr ganzer Körper verkrampfte sich, dann keuchte sie: "... nicht krank... schliess... mich ein... kannst mir nicht helfen... morgen früh erkläre ich..."
Ein neuer Krampf schüttelte sie. Sie gab ein jaulendes Geräusch von sich und rollte sich zu einem Knäuel zusammen.

Er kniete sich neben sie, schickte sich an, sie auf den Arm zu nehmen, um sie nach oben zu tragen: "Ich kann dich doch hier nicht allein lassen."
Sie schien ihn nicht gehört zu haben. Als er seinen Arm unter sie schob, fuhr ihr Kopf erneut herum. Sie hatte keine Ähnlichkeit mit der jungen Frau mehr, die er in den Keller gebracht hatte.
Sie stieß ihn weg, so dass er ein paar Schritte rückwärts taumelte. Mit kaum mehr dazu geeigneten Stimmbändern fauchte sie: "GEH!"

Andreas rannte panisch zur Tür und warf sie zu. Das Schloss rastete ein. Keuchend blieb er im Gang stehen.

Er blieb noch eine Weile schweratmend stehen, dann hatte er sich genügend gefasst, um den Schlüssel abzuziehen und zurück zu der Grillparty zu gehen.
"Ihr ist schlecht geworden. Ich habe ihr nach oben geholfen... sie wollte dann nur noch ins Bett."

Wenig später erklärte er, dass er jetzt müde wäre. "Ich räume den Grill und den Rest morgen früh auf. Heute nacht wird es wohl nicht mehr regnen."
Statt ins Bett ging er in den Keller. Er klopfte an die Tür. "Anita?"

Auf der anderen Seite regte sich nichts. Er steckte den Schlüssel in das Schloss, gab den Code ein, dann drehte er den Schlüssel. Er öffnete die Tür einen Spalt weit, dann fragte er erneut: "Anita?"

Ein Fauchen kam aus dem Raum, dann prallte ein Körper gegen die Tür, versuchte sie aufzudrücken. Sie - oder es - hatte nichts, wogegen sie sich abstützen konnte und Andreas war mindestens 25 Kilo schwerer.
Das Schloss rastete ein.
10. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 09.07.06 20:32

Krank

Am nächsten Morgen versuchte er es erneut. Bevor er zur Arbeit ging, ging er hinunter in den Keller. Er öffnete das Schloss, zog die Tür einen Spalt weit auf, jederzeit bereit, sich mit der Schulter dagegenzuwerfen. Er kam sich ziemlich dämlich vor, aber er fragte einfach mit ihrem Namen nach: "Anita?"

Ein leises Stöhnen drang aus dem Raum. Dann antwortete sie: "Guten Morgen. Bitte lass mich heraus."

Andreas öffnete zögernd die Tür etwas weiter. Anita saß in der Ecke auf dem Fußboden und sah ziemlich übernächtigt, sonst aber gesund aus.
Er blieb in der Türe stehen, jederzeit bereit, die Tür wieder zuzuwerfen und einen Notarzt anzurufen: "Was war das gestern?"

Anita sah ihn einige Sekunden an, dann sagte sie: "Ich glaube, ich bin dir eine Erkärung schuldig. Auf einen Kaffee bei mir?"
Andreas zögerte immer noch. Anita stand auf: "Es ist alles in Ordnung. Es geht mir wunderbar. Du kannst mich wirklich herauslassen. Alles in Ordnung."
Sie ging langsam auf ihn zu.


----


Sie saß zusammengekauert auf der Ecke des Sofas, einen großen Kaffeebecher in den Händen, die Ellbogen auf die Oberschenkel gestützt. Sie nippte daran, leckte sich dann die Lippen.
Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum, dann sah sie ihn fragend an: "Ok, was hast du gestern gesehen?"

Andreas überlegte einen Moment, dann antwortete er vorsichtig: "Du... du hattest einen Anfall oder irgendwas. Aber das war nicht alles. Bist du... ein Werwolf oder so etwas?"

Sie schüttelte den Kopf, dann nickte sie zögernd: "Kein Werwolf, aber das magst du als unwichtig abtun. Ein Werpanther. Ich... vor elf Monaten habe ich mich angesteckt. Ich habe die Verletzungen nur knapp überlebt, lag den ganzen Tag lang im Gebüsch, konnte mich nicht bewegen, nicht um Hilfe rufen. Dann in der Nacht... der Mond..."
Sie machte eine hilflose Geste: "Seitdem verwandele ich mich jeden Vollmond. Die ersten paar Male habe ich versucht, mich anzuketten, irgendwie zu fesseln. Es hat nicht immer funktioniert. Aber ich habe nie einen Menschen..."

Anita verstummte. Sie schwieg einige Sekunden, dann fuhr sie fort: "Hier der Keller ist ein Geschenk Gottes. Ich kann nicht heraus, bis das Zeitschloss abgelaufen ist. Ich sperre mich einfach abends ein, wenn Vollmond ist, und alles ist gut." Sie schniefte. "Alles muss gut werden. Es muss einfach..."

Andreas sah sie an, dann fragte er: "Aber gestern abend ist etwas schiefgelaufen?"

Anita nickte: "Ich weiss nicht, woran es lag. Erst heute ist Vollmond. Vielleicht der Alkohol, der Blutgeruch? Ich weiss es nicht. Es hat mich alle Beherrschung gekostet, die Verwandung aufzuhalten, solange zu warten, bis ich sicher war." Sie schniefte erneut, sagte dann mit leiser Stimme: "Bis du sicher warst."

Andreas wartete einige Sekunden, dann fragte er: "Und heute abend?"

Sie nickte: "... gehe ich vor Sonnenuntergang in den Keller und programmiere das Zeitschloss so, dass ich erst morgen früh wieder herauskomme."

Andreas schwieg eine Weile, dann schüttelte er den Kopf: "Ich muss das erst verdauen. Bist du sicher, dass du nicht zu einem Arzt gehen solltest?"

"Um als medizinische Kuriosität zu enden?"
Sie stellte die Tasse ab und ging in die Küche, kam mit einem Fleischmesser wieder. Bevor er etwas unternehmen konnte, hatte sie sich das Messer tief in das Bein gestoßen und es wieder herausgezogen. Sie keuchte vor Schmerz.

Erschreckt sprang Andreas auf. "Was...?"

Sie hob die Hand: "Warte..."

Und gemeinsam beobachteten sie, wie schon nach wenigen Sekunden die Blutung aufhörte und die Wunde verschwand, ohne eine Narbe zurückzulassen.

"So geht das nur direkt, wenn Vollmond ist. Aber auch sonst bin ich stärker, schneller, heile besser, als normale Menschen. Meinst du nicht, so etwas wird das Militär interessieren? Und heute nacht..."

Andreas hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Er wägte kurz verschiedene Alternativen ab. Dann fiel ihm noch etwas ein. "Und der Fernseher...?"

Das erste Mal an diesem Tag huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. "Das war sehr nett von dir..."
Sie stand auf, ging hinüber, legte das Messer ab und hob mit einer geschmeidigen Bewegung das schwere Gerät an.

Andreas schüttelte den Kopf. "Und ich schwitze mir da einen ab..."

Anita sah ihn ernst an: "Ich darf kein Aufsehen erregen...", dann stellte sie den Fernseher wieder ab, nahm das Messer wieder an sich und setzte sich auf das Sofa.

Die Richtung, die das Gespräch nahm, gefiel ihm gar nicht und er hatte in mulmiges Gefühl im Bauch, als er sagte: "Klar. Es wäre ja wohl eher selten, dass ein schmales Mädchen wie du gemütlich so eine Kiste durch die Gegend schleppt. Und du kannst nicht zulassen, dass jemand hinter dein Geheimnis kommt."

Sie nickte.

Jetzt musste der Moment der Wahrheit kommen. Andreas schluckte und starrte auf das Messer. Plötzlich bemerkte er, dass er dringend auf die Toilette musste. Er wischte sich über die Stirn.
"Wirst... wirst du mich gehen lassen? Ich werde niemandem... ich meine...."
Er brach ab. Es kam ihm selbst zu armselig vor.

Ihr Gesicht verzog sich. Sie lächelte kühl und zuckte mit den Schultern.
"Gehen lassen? Du meinst, jetzt, wo du mein Geheimnis kennst?"

Ein Luftzug schlug ihm ins Gesicht und ein Schatten huschte an ihm vorbei. Bevor er reagieren konnte, war sie aus seinem Gesichtsfeld verschwunden und sein Kopf wurde mit einem harten Ruck an den Haaren nach hinten gezogen. Kalter Stahl presste sich an seinen Hals.

Sie flüsterte in sein Ohr: "Ich sagte doch, ich bin schnell." Sie machte eine kleine Pause, dann fuhr sie in gemütlichem Plauderton fort: "Du weisst doch: Katzen spielen gerne. Aber ich mag dich, deshalb werde ich es schnell machen. Soll ich dir das Genick brechen oder lieber die Kehle durchschneiden?"
Er schloss die Augen und versuchte sich zu entspannen. So wie sie hinter ihm stand, hatte er überhaupt keine Chance, irgend etwas zu tun, zumal er seine vorherige Meinung, sie leicht überwältigen zu können, in den letzten Sekunden gründlich revidiert hatte.

Plötzlich merkte er, dass ihre Hand anfing zu zittern, ein Tropfen traf seine Wange, dann fiel das Messer auf den Boden und sie brach schluchzend zusammen.

Andreas blieb still sitzen, dann schluckte er und tastete nach seiner Kehle. Schließlich fasste sie vorsichtig an der Schulter an. Sie rollte sich zu einem Ball zusammen, bot möglichst wenig Außenfläche.

Er überlegte kurz, dann seufzte er und zog sein Handy aus der Tasche. Er war sich jetzt sicher, dass sie ihm nichts tun würde. Das Telefonat mit seinem Chef war kurz. Natürlich musste er eine Krankmeldung abgeben, aber die konnte er auch noch morgen nachreichen.

Dann setzte er sich auf das Sofa und wartete geduldig.

Es dauerte fast eine Stunde, bis Anita sich rührte. Als sie sah, dass Andreas immer noch auf dem Sofa saß, schluchzte sie: "Geh weg...", dann brach sie erneut in Tränen aus und rollte sich noch enger zusammen.

Andreas wartete einige Minuten, dann berührte er sie am Arm. Als sie ihn ansah schüttelte er den Kopf. Anita schniefte noch ein paar Mal und beruhigte sich dann langsam.

"Hast du dich jetzt wieder beruhigt?"

Sie nickte.

"Soll ich mich jetzt bei dir entschuldigen, oder du bei mir, oder wir uns gegenseitig?"

Anita sah ihn verwirrt an.

"Du wolltest mich nicht umbringen. Du warst wütend, weil ich dir so etwas zugetraut hätte. Das tut mir leid. Es stimmt, ich hatte Angst. Vor dir. Dafür muss ich mich entschuldigen."

Er machte eine kleine Pause, dann fuhr er fort: "Und du solltest dich vielleicht entschuldigen, weil es nicht wirklich nett ist, jemandem ein Messer an die Kehle zu drücken oder das Genick brechen zu wollen."

Sie nickte und schluchzte etwas Unverständliches. Andreas beschloss optimistischerweise, das als Zustimmung zu verstehen.

Er nickte: "Gut. Dann sind wir ja einig. Du tust mir nichts, und ich tue dir nichts. Wenn du willst, bleibe ich heute bei dir, ich habe mir eben freigenommen. Wenn du lieber alleine bist, kann ich gehen."

Er blieb sitzen und wartete ab, bis sie sich weiter beruhigt hatte.

Schließlich stand sie auf und ging in das Badezimmer. Ein lautes Schniefen war zu vernehmen, dann das Geräusch von laufendem Wasser.

Als sie wiederkam, sah sie nicht mehr ganz so verheult aus. Sie setzte sich ihm gegenüber.Ihre Stimme klang irgendwo zwischen aggressiv und ängstlich, als sie fragte: "Warum hast du keine Angst?"

"Sollte ich dazu einen Grund haben? Würdest du mir denn etwas tun?", fragte Andreas zurück.

Anita schüttelte den Kopf, dann nickte sie.
"Ich kann es dir nicht versprechen. Wenn ich mich... verwandele, dann kann ich mich nicht beherrschen. Aber nein. Als Mensch könnte ich nie..."

Dann brach sie erneut in Tränen aus.
11. RE: Anita

geschrieben von SteveN am 10.07.06 21:31

Hallo Butterfly !

Uiiiih, eine Werwolf äh WerPanther-Geschichte.
Das kann uns jetzt eine riesen lange Story liefern.
Muß er nun Bondage-Fesseln besorgen, damit Anita jedesmal gezähmt wird ?
Zuerst hatte es mehr nach Doctor Jekyll und Mister Hyde geklungen.

Mal sehen wie sich die Geschichte weiterentwickelt.

Viele Grüße SteveN
12. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 12.07.06 20:31

...das wäre ja mal was, auf die Idee bin ich ehrlichgesagt nicht so ganz gekommen...

1. Vollmond: Posey-Jacke
2. Vollmond: S-Fix
3. Vollmond: Martin rigid Cuffs
4. Vollmond: high Heels

... aber eigentlich hatte ich was anderes vor...



Wer-, wie, was?

"Wie oft verwandelst du dich? Einmal in der Vollmondnacht? Oder wenn du willst?"

Es dauerte eine ganze Weile, bevor sie antwortete, aber dann fing sie an zu erzählen.
"Eigentlich hätte ich es gestern beherrschen können müssen. Es sind drei Nächte. Die Nacht vor dem Vollmond, die Vollmondnacht und die danach. In der Vollmondnacht ist es am schlimmsten, dann habe ich überhaupt keine Kontrolle, in den anderen beiden weiß ich, was ich tue."

Sie schauderte, dann setzte sie erneut an: "... soviel Erfahrung habe ich auch noch nicht. So lange bin ich noch nicht ein Werpanther. Ich weiss es nicht. Gestern Nacht... es war ja noch nicht einmal richtig dunkel. Ich wollte eigentlich bald gehen und mich einschließen. Aber der Blutgeruch..."

Andreas zog fragend die Augenbrauen hoch.

"na, von den Steaks. Seit... mein Geruchssinn ist viel ausgeprägter als normal. Und eigentlich bin ich - war ich - Vegetarierin."

"Das ist natürlich... blöd", sagte er grinsend. "Was hast du denn eigentlich die letzten Monate über gemacht?"

Anita schwieg, fragte sich offenbar, wieviel sie erzählen wollte oder konnte. Schließlich kam sie zu einem Entschluss und nickte.
"Ich habe erzählt, dass ich angegriffen worden bin. Ich... ich war ja so dumm. Es war Kai. Ich hatte ihn ein paar Wochen vorher kennengelernt. Er hatte gesagt, dass wir uns abends am Flussufer treffen sollten. Wir waren schon ein paar Mal da. Sehr idyllisch gelegen, ein paar Heckenrosenbüsche, kaum jemand dringt in das Dickicht ein."

"Ich war etwas früher da, habe mich gesetzt und au ihn gewartet. Es dauerte nicht lange, bis er kam. Wahrscheinlich hat er im Gebüsch versteckt gewartet, bis ich da war. Ich konnte noch einen Blick auf ihn erhaschen, dann traf mich etwas am Kopf. Als ich wieder zu mir kam, war ich gefesselt, geknebelt und mir war speiübel. Kai hatte sich halb verwandelt. Er ist viel erfahrener als ich und kann in den Nächten vor und nach dem Vollmond die Verwandlung regelrecht kontrollieren. Er hat mir erklärt, dass er mich mag. Dass er mich anstecken könnte. Dass er mich töten müsste, wenn ich nicht einwillige."

"Dann ließ er mich allein. Zum Nachdenken. Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis er wiederkam. Er muss etwas gejagt haben, denn er hatte Blut an der Schnauze. Er beschnüffelte mich, dann knurrte er mich an. Seine Kehle war schon nicht mehr zum Sprechen geeignet."

Andreas war aufgestanden und im Raum auf und ab gegangen. Gerade war er dicht bei Anita angekommen. Er blieb stehen und legte seine Hand auf ihre Schulter.

Sie machte eine abwehrende Bewegung: "Lass mich. Das ist auch so schon schwer genug. Er zerrte mit den Zähnen den Knebel aus meinem Mund. Ich begann, ihn anzuflehen, mich zu verschonen. Ich würde niemandem etwas erzählen. Ich weiss nicht, was ich alles gesagt habe. Er sah mich einfach nur an. Da begann ich, um Hilfe zu schreien. Das ging ihm auf die Nerven und er hat mich einfach k.o. geschlagen. Bis zum nächsten Abend bin ich nicht mehr richtig zu mir gekommen. Meine ganze rechte Seite war gelähmt und ich konnte mich nicht bemerkbar machen."

Sie stockte, dann setzte sie sich gerade hin. Man konnte sehen, dass es ihr schwerfiel. Distanziert redete sie weiter: "Er muss mir den Schädel gebrochen haben oder der Schlag hat eine Hirnblutung ausgelöst. Ich weiß es nicht. Dann ließ er mich einfach liegen. Er spielt gerne seine grausamen Spielchen. Aber ich starb nicht. Ich habe von der Verwandlung nichts mehr mitbekommen und ich weiß auch nicht, was in der Nacht geschehen ist. Ich wachte in einem ganz anderen Gebüsch auf. Blutverschmiert. Ich war nackt und Kai war gerade dabei, mir die Hände auf den Rücken zu fesseln."

Sie saß wieder auf dem Sofa, umklammerte die Kaffeetasse, während sie ins Leere starrte.
"Er fesselte mich. Dann fauchte er mich an, still zu sein und zerrte mich hoch. Ich versuchte wegzulaufen. Mit einer kleinen Bewegung renkte er mir den rechten Daumen aus. Auch wenn Wertiere schnell heilen, heißt das nicht, das so etwas nicht wehtut. Es tat so weh, dass ich nicht einmal schreien konnte. Als er mich dann fragte, ob ich still mitkommen würde, nickte ich. Er sah zufrieden aus, half mir in eine Jogginghose, hängte mir einen Umhang um und befahl mir mitzukommen."

Andreas hatte gewartet, bis sie eine Pause machte, doch ihm war etwas aufgefallen: "Aber du bist doch so stark und schnell... warum hast du nicht die Fesseln zerrissen?"

Anitas Gesicht verzog sich zu einem traurigen Lächeln: "Naja, zum einen wußte ich ja nichts davon, was ich gekonnt hätte. Und zum anderen darfst du nicht vergessen, dass auch Kai ein Wertier ist. Und er weiß wohl, wie man Wertiere fesselt, das kannst du glauben."
Ein Schatten huschte über ihr Gesicht.

"Er IST ein Wertier?", fragte Andreas.

"Natürlich. Ich habe nicht... ich habe doch gesagt, dass ich keinem Menschen etwas zuleide getan habe. Ich bin geflüchtet, habe mich versteckt. Aber es gelang erst vor knapp drei Monaten, kurz vor dem Vollmond."

"Und er ist auch ein Panther?"

Sie schüttelte den Kopf. "Panther sind nur schwarze Leoparden. Eine Frage der Genetik. Kai ist ein Leopard."

Die Türe krachte auf und eine Stimme sagte trocken: "Das stimmt, mein kleines Plauderkätzchen... aber dass du keinem Menschen etwas zuleide getan hast, möchte ich in Abrede stellen."

Anita und Andreas waren herumgefahren. Anita war kreidebleich geworden und zitterte.

Kai war blond mit einem kleinen, sauber ausrasierten Bärtchen. Er war nicht besonders groß und hatte eher schmale Schultern. Er trug eine saubere Designerjeans mit heraushängendem Hemd, dazu italienische Slipper. Nicht der letzte Modeschrei, aber gepflegt.

Er trat langsam in das Wohnzimmer, kostete den Moment sichtlich aus.




Haarscharf

"Anita mein Schatz, bitte verzeih, dass ich einfach hier hereingeplatzt bin. Ich hätte mich telefonisch angemeldet, aber ich wollte die Überraschung nicht verderben..."

Sie starrte ihn an. Offenbar war die Überraschung gelungen. "Wie... wie hast du mich gefunden?"

Kai grinste hämisch: "Dachtest du wirklich, Jonathan würde mir nicht sagen, wenn du ihm Schmuck verkaufst?"

Dann sah er Andreas an. Das hämische Grinsen war von seinem Gesicht verschwunden, statt dessen sah er jetzt ernsthaft und auch leicht traurig aus. "Von jeder Geschichte gibt es zwei Seiten. Ich weiß nicht, wie oft das Miststück mein Vertrauen gebrochen hat. Und nicht nur mein Vertrauen."
Er lächelte. "Sie hat gesagt, sie hätte keinem Menschen etwas zuleide getan. Würdest du sagen, dass jemanden mit seinem eigenen Jeep zu überfahren, ihn an der Wand seiner Scheune halb tot zu quetschen, seine zerschmetterten Glieder mit silberdurchsetzten Drahtseilen zu fesseln und ihn im Keller einzuschließen, auf dass er dort sterbe, unter ´nichts zuleide tun´ fällt?"

Bei den letzten Worten sah er nicht mehr Andreas an, sondern war langsam auf Anita zugegangen.

Mit bleichem Gesicht fuhr sie ihn an: "Du hast jedes Recht, dich einen Menschen zu nennen verspielt."

Kai blieb stehen, machte ein völlig übertriebenes nachdenkliches Gesicht. "Das tut weh...", dann grinste er und zuckte mit den Schultern. "Aber es kann sein, dass du recht hast."

Wenn er jetzt noch einen Schritt weiterging... er machte den Schritt. Jetzt wandte er Andreas den Rücken zu. Unendlich vorsichtig beugte dieser sich hinab, wo immer noch das Fleischmesser lag, das Anita fallengelassen hatte.
Geschafft. Er hielt die linke Hand mit dem Messer neben seine Beine, so dass Kai, auch wenn er sich umdrehte, es nicht sehen würde.

Währenddessen hatte Kai seinen Monolog fortgesetzt: "Was ich aber wirklich erschreckend finde, ist, dass du einfach so alles diesem Menschen", er betonte das Wort abfällig, "zu erzählen. Möchtest du in einem Käfig enden? Möchtest du, dass wir alle in einem Käfig enden?"

Ohne Ansatz oder auszuholen gab er Anita eine Ohrfeige, die sie vom Sofa warf und durch das halbe Zimmer kugelte.
Anita bemühte sich offenbar benommen, sich aufzurappeln, während Kai entspannt zu ihr hinüberschlenderte. Die nächste Ohrfeige warf sie zurück zum Sofa. Diesmal blieb sie wie eine Stoffpuppe liegen.

Andreas reichte es. Er spang auf und stellte sich schützend vor Anita, das Messer in seiner Hand mit leichtem Zittern auf Kai gerichtet.

Andreas sagte: "Lass sie in Ruhe!", gleichzeitig stöhnte Anita: "Hau ab, du Idiot!". Kai hielt einen Sekundenbruchteil überrascht inne, dann grinste er und sagte: "Oh, ein Held. Die mag ich besonders gerne. So macht es natürlich mehr Spaß. Du wirst doch sicher verstehen, dass ich dich töten muß? Natürlich verstehst du das."

Und dann machte er eine blitzschnelle Bewegung, fauchte er und fuhr zurück. Durch reines Glück hatte Andreas ihm mit seiner völlig ungerichteten Abwehrbewegung den Unterarm der Länge nach aufgeschlitzt.

Kai sagte, wiederum völlig übertrieben: "Aua. So was tut doch weh..."
Dann sah er zu, wie der lange Schnitt sich sekundenschnell wieder schloss.

Beim zweiten Angriff war Andreas chancenlos. Er war entwaffnet, bevor er auch nur registriert hatte, dass Kai sich bewegt hatte. Dafür befand sich das Messer jetzt in Kais linker Hand, sein eigenes Handgelenk wurde von einem eisenharten Griff umspannt.

Kai lächelte, dann drückte er die Hand unwiderstehlich nach unten, zwang Andreas in die Knie. Dann verdrehte er das Handgelenk, bis es mit einem widerlichen Geräusch brach. Andreas wurde es schwindelig und er kämpfte mit einem Brechreiz. Schock, ging es ihm durch den Kopf. Warum lag er plötzlich auf dem Boden? Seine Ohren dröhnten.

In dem Moment griff Anita ein und sprang Kai an. Gleichzeitig brüllte sie Andreas wieder an: "Hau ab, du Idiot!"
Die Worte drangen wie durch Nebel zu ihm durch. Er hatte keine Ahnung, wie lange es dauerte, bis er verstand, dass er gemeint war. Aber da war es bereits zu spät. Anita lag schlaff auf dem Boden und Kai beugte sich über ihn.

"Ich habe es mir anders überlegt. Du wirst nicht zur Polizei gehen, oder? Schließlich ist sie dein Schätzchen und du willst nicht, dass ihr etwas passiert. Und so... vielleicht sehen wir uns ja wieder, kleiner Held."

Mit diesen Worten warf er sich Anita über die Schulter und verschwand.

Andreas blieb noch ein paar Minuten liegen, dann versuchte er, auf die Beine zu kommen. Seine linke Hand tat nicht weh, sondern ab einer nicht näher definierten Stelle unterhalb des Ellenbogen spürte er gar nichts, aber er war sich sicher, dass das nicht lange so bleiben würde. Verwundert bemerkte er, dass er eine heftig blutende Verletzung am Oberschenkel hatte. Davon hatte er gar nichts bemerkt.

Mühsam setzte er sich auf. Sein Blick fiel auf das Messer, das Kai fallengelassen hatte. Er musste ihn damit zum Abschied noch einmal gestochen haben.

Nachdenklich fragte er sich, warum. Die Verletzung war nicht schwer, der Stich musste sicherlich genäht werden, aber das Blut floss nur langsam, die Verletzung war sicherlich nicht lebensgefährlich.

Sein Blick fiel erneut auf das Messer. Es war blutverschmiert. Er verstand, dass das nicht alles sein Blut war. Der Schnitt an Kais Arm. Hatte er ihn infiziert? Würde auch er sich in der Nacht in eine Raubkatze verwandeln?
Er stöhnte, dann zog er sich am Tisch hoch. Er blieb einen Moment schwankend stehen und fragte sich, ob er ins Krankenhaus gehen sollte, oder nicht. Hätte er sicher sein können, infiziert zu sein, hätte er sich das wenigstens sparen können.

Andreas kam zu dem Schluß, dass er es nicht wusste. Und auf Verdacht eine Nacht in dem Keller eingesperrt zu verbringen und mit gebrochenem Arm darauf zu warten, dass er sich in eine Raubkatze verwandelte, war keine wirklich rosige Aussicht.
Aber was wäre, wenn sie ihn über Nacht im Krankenhaus behalten wollten und er... Anita hatte gesagt, dass sie in Vollmondnächten überhaupt keine Kontrolle hatte.

Er beschloss, beides zu tun. Er würde einfach alles dran setzen, nicht im Krankenhaus bleiben zu müssen, und mit einem Gips und einem ordentlichen Schmerzmittel (und dem Rest aus der Flasche Wodka, die er noch im Keller stehen hatte), würde er die Nacht im Keller überstehen.

Dann würde er jetzt eben Frau Hansen einen gehörigen Schrecken einjagen und hoffen, dass sie ihn ins Krankenhaus fuhr. Er klingelte an ihrer Tür und wartete an den Türpfosten gelehnt, bis sie öffnete.

Sie schlug natürlich zuerst die Hände über dem Kopf zusammen, dann reagierte sie aber erstaunlich kompetent, nahm eine Schere, schnitt sein Hosenbein auf und schüttelte den Kopf.

Dann rief sie trotz seines Protestes einen Krankenwagen. Sie winkte resolut ab. "Ich habe damals als Mädchen im Lazarett geholfen, da habe ich wirklich schlimmeres gesehen. Aber wenn sie damit herumlaufen, dann hört das nie auf zu bluten. Damit nimmt sie kein Taxi mit. Und ich habe vor... hach... schon vor fast einem Jahr meinen Führerschein abgegeben. Die Augen.... Und sie sind ja wohl kaum in der Verfassung selbst zu fahren."

Andreas hatte Glück. Aus irgendeinem Grund streikten gerade die Ärzte und das Krankenhaus versorgte nur Notfälle, daher war niemand wirklich traurig, als er darauf bestand, dass er selbstverständlich nach Hause wollte, und dass seine Nachbarin Krankenschwester wäre und sicher den Verband am Bein wechseln könne. Er hatte zwar kein hundertprozentiges Vertrauen in die medizinischen Fähigkeiten von Frau Hansen, aber ein wenig Übertreibung schien ihm angebracht.

Der Arzt nickte: "Na ja, dann scheint das ja geregelt zu sein."

Er erklärte dem Arzt von einer Schlägerei, und dass das Messer mit Sicherheit nicht sauber gewesen sei, mit dem er verletzt wurde. Dieser nickte und sagte, dass das kaum jemals der Fall wäre, und dass er sie Verletzung sowieso gründlich reinigen müsste, bevor er sie nähen könne.

Andreas nickte pflichterfüllt, auch wenn er eine Entzündung der möglichen Alternative gegenüber bevorzugte. Der Arzt forderte ihn auf, sich auf eine Liege zu legen, stach ihm eine Nadeln in den rechten Arm, gab ihm ohne weitere Worte eine Spritze und ging.
Eine junge Schwester kam und fragte ihn nach seiner Lieblingsfarbe.
Schon reichlich benommen lallte er: "Blau".
Sie nickte und schien etwas zu sagen, aber das bekam er schon nicht mehr mit.

Als Andreas wieder zu sich kam, steckte sein linker Arm von den Fingerspitzen bis zur Mitte des Oberarms in einem grellpinken Kunststoffgips und auf seinem Oberschenkel war eine Lage Mull festgeklebt.

Er setzte sich auf. Sofort war die Schwester an seiner Seite und drückte ihn wieder hinunter. Resolut befahl sie ihm, solange liegen zu bleiben, bis sie ihm erlauben würde, aufzustehen.

Nach zwei fehlgeschlagenen Versuchen arbeitete sein Mund wieder. Mit einer Kopfbewegung in Richtung seines Armes fragte er: "Hatte ich nicht gesagt, dass meine Lieblingsfarbe Blau ist?"

Andreas entzifferte das Namensschild auf ihrem Kittel während sie erst kurz verständnislos ansah und dann grinste: "Schon... aber ich mag Pink viel lieber. Und wenn sie sechs Wochen lang einen blauen Gips am Arm hätten, könnten sie Blau hinterher wahrscheinlich gar nicht mehr leiden..."

Dieser Argumentation konnte Andreas sich nicht ganz entziehen. Er wechselte das Thema. Seine Stimme hatte selbst in seinen eigenen Ohren einen jammernden Unterton: "Aber Schwester Kerstin, ich muss jetzt aufstehen. Ich muss auf die Toilette. Und ich muss zuhause sein, bevor es dunkel wird."

In deutlich weniger flapsigem Ton, aber immer noch lächelnd antwortete die Schwester: "Sie bleiben liegen. Ich helfe ihnen natürlich gerne mit der Urinflasche, wenn es nötig ist..."
Das behagte Andreas überhaupt nicht. Dann sah sie ihm in die Augen und fuhr sie im freundlichsten Ton fort: "... und wenn sie sich jetzt nicht benehmen wie ein großer Junge, dann sage ich dem Doktor, dass sie auf das Beruhigungsmittel, dass er ihnen gespritzt hat, mit starker Verwirrung reagiert haben und noch nicht bei sich sind. Das kommt schon mal vor und wegen dem Ärztestreik wird er wohl kaum lange fackeln. Und dann kommmen sie heute auf keinen Fall mehr nach Hause."

Andreas öffnete den Mund, um zu widersprechen. Er versuchte sich aufzurichten und kam bis zu: "Aber...", als die Schwester ihn schwungvoll zurück drückte, über ihn griff und einen breiten Gurt über seinen Brustkorb und Oberarme schnallte.

Sie wartete ein paar Sekunden, um zu sehen, wie er reagierte, dann erklärte sie: "Das ist natürlich nur zu ihrer Sicherheit, damit sie nicht von der Liege fallen. Wenn sie natürlich unbedingt wollen, würde es mich nicht stören, ihnen auch noch Hand- und Fußgelenke zu fixieren." Sie ging zu einem Schrank und zog ein paar Gurte hervor, die sie ihm mit einem fragenden Gesichtsausdruck entgegenhielt. Nach ein paar Sekunden nickte sie, packte die Fesseln wieder weg und fragte: "Wie war das jetzt mit der Urinflasche?"

Andreas verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf: "So nötig ist es nicht. Ich verspreche, dass ich brav bin."

Jetzt war das Lächeln echt und sie sagte, dass er noch zwei Stunden liegen bleiben müsse, dann würde sie ihm ein Taxi rufen.

Er gab keinen Laut von sich und musterte nur ihren Rücken, wie sie offenbar konzentriert an einem Computer arbeitete.

Als sie ihm schließlich erlaubte, aufzustehen, gab sie ihm zusätzlich zu einem Schmerzmittel noch ein Antibiotikum mit und sagte ihm, dass er auf jeden Fall in zwei oder drei Tagen noch einmal kommen sollte, früher, wenn ihm oder seiner Betreuung zuhause auffiel, dass eine Entzündung entstehen sollte.
13. RE: Anita

geschrieben von oxymoron am 14.07.06 20:43

Moin moin

@Butterfly
Nachdem im letzten halben Jahr außer dem roten Hund, dem Hasen und mir keiner mehr etwas geschrieben hat, wurde es langsam Zeit, daß Du Dich mal wieder meldest *lächel.
Fantasy ist zwar nicht mein Ding, aber bisher ist noch alles im grünen Bereich. Nur weiter so.

oxymoron
14. RE: Anita

geschrieben von Nachtigall am 15.07.06 09:39

Huhu Schmetterling,

Zitat
Fantasy ist zwar nicht mein Ding, ...

ABER MEINS *freu*!! Ich mag deine Geschichte. Sehr sogar . Sie ist toll geschrieben, hat lauter (un-)sympathische und lebendig gezeichnete Protagonisten und außerdem jede Menge Elemente, die mir gefallen. Hat sich der gute Jens nun angesteckt?

Werde regelmäßig reinlesen, obwohl Horror nicht MEIN Ding ist - aber bislang sieht es mir eher nach Fantasy aus, trotz dieses Kai-Leoparden (Werpanther, also wirklich...). Wehe du enttäuschst mich.

Und schööööön, dass du zurück bist (obwohl ich es verwirrend finde, dass dein Butterfly-Messer fehlt und durch den langjährigen Avatar von oxy ersetzt wurde *fg*).


Ganz liebe Grüße

Anja
15. RE: Anita

geschrieben von oxymoron am 15.07.06 10:18

Moin moin

Während der Forumsumstellung wurden einige Avatare durcheinander gewirbelt, vielleicht ist das Brotmesser auf diese Weise im Orkus verschwunden?

@Singvogel
[Erbsenzählermodus on]
Möglicherweise verwechselst Du den Immobilienhai Jens mit dem Faktotum Andreas?
[off]

oxymoron
16. RE: Anita

geschrieben von Nachtigall am 15.07.06 14:13

Erwischt. Jens war ja der Klischee-Makler. Na sowas. Danke, Erbsenzähler

Also gut, dann lautet die Frage, ob sich Andreas angesteckt hat *richtigstell*. Wär ja angesichts des gebrochenen Knochen gaaaar nicht mal so unpraktisch, aber er tät mir trotzdem Leid (bzw. wird mir wahrscheinlich Leid tun?).


Nachtigall
17. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 17.07.06 10:39

... ja, ist mir auch schon aufgefallen, das hübsche Messerchen ist weg... scheint auch in der Avatarliste nicht mehr zu sein.

Werpanther: zu meiner Schande muss ich zugeben, dass die Idee nicht von mir ist. Werleoparden kommen z. B. in den "Anita Blake" Romanen von Laurell K. Hamilton vor (allerdings erinnere ich mich nicht an einen Panther).
Wer das übrigens als einen Hinweis auf lesenswerte Literatur verstehen möchte, hier meine Kurzkritik: die ersten paar Bücher sind nicht ganz verkehrt, wenn man Vampire, Zombies und Werwölfe (und Werleoparden) mag. Zum Zeit-Totschlagen geeignet.
In den späteren (ich würde sagen, ab Band 4 oder 5) wird das ganze aber zunehmend obskurer / s*xorgienlastiger und immer weniger lesenswert.


Übrigens bin ich froh (siehe letztlich noch nicht so lange her gewesene Events hier im Forum), mich bis dato nicht mit dem S0d0mie-Vorwurf auseinandersetzen zu müssen. Nach der Aktion hatte ich größere Bedenken, ob man eine derartige Story hier ungestraft posten kann.

Grüßle
Butterfly
18. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 17.07.06 10:50

Pfandleihe

Es war schon ziemlich dämmrig, als der Taxifahrer Andreas vor seinem Haus absetzte. Hektisch schaute er düster-lila Himmel auf, aber der Mond war noch nicht zu sehen. Er fummelte ungeschickt mit seiner rechten Hand nach der linken Tasche seiner Jeans, in der der Schlüssel steckte. Zufrieden stellte er fest, dass er sich richtig erinnerte: er hatte Anitas Kellerschlüssel an seinen Schlüsselbund gemacht.

Allerdings würde er sich wohl kaum ohne Bedienungsanleitung für das Schloss selbst in den Keller sperren. Schließlich war er kein Selbstmordkandidat. Auch wenn sein Bein weh tat, weil der Muskel "angekratzt" war, wie der Arzt gesagt hatte, ging er also zunächst die Treppe hinauf, verfluchend, dass es keinen Aufzug gab. Er begann, sich merkwürdig zu fühlen, so, als wäre er nicht ganz er selbst.

Hektisch sah er sich in Anitas Wohnung um. Dort lag ein Stapel Rechnungen, dazwischen die Bedienungsanleitung. Strahlend machte er sich auf den Weg in den Keller.

Als er dann allerdings in den Keller hinuntergehumpelt war und vor dem Schloss stand, schalt er sich einen Idioten. Drei, drei, vier,... er wusste es nicht mehr, zuviel war passiert. Er überlegte kurz. Bei den ersten drei Zahlen war er sich sicher, aber danach war alles wie ausgelöscht. Und ausprobieren war sinnlos. Er war sich beinah sicher, dass das High-Tech-Schloss nach ein paar Fehlversuchen für eine Zeit gar nichts zulassen würde.

Dann kam ihm die Idee. Er sah sich das Schloss noch einmal genauer an. Ja: auf der Eins und der Sieben waren fettige Fingerabdrücke zu erkennen. Im zweiten Versuch öffnete sich die Tür.

Nach Anleitung programmierte er das Schloss, so dass es am nächsten Morgen um acht Uhr aufging. Mit einem unguten Gefühl ließ er die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Er unterdrückte eine Panikattacke, und dann fing er an zu schimpfen. Er hatte den Wodka vergessen und ausserdem musste er auf die Toilette.

Die Nacht war grauenhaft. Sein Arm tat weh. Sein Bein tat weh. Es war eisig kalt. Anita hatte zwar ein paar Decken und eine Matratze hingelegt, aber er fror trotzdem. Offenbar waren Panther oder Leoparden weniger kälteempfindlich.

Das war alles. Als sich schließlich das Schloss mit einem leisen Klicken entriegelte, war überhaupt nichts passiert, er hatte sich nur eine unbequeme Nacht eingehandelt.

-----

Andreas ging in seine Wohnung, und aß ein Frühstück. Wo verkauft man Schmuck? Er fing an, in den Gelben Seiten zu blättern. In der Liste mit Pfandleihen gab es keinen Jonathan. So blieb ihm nichts anderes übrig, als sie eine nach der anderen abzutelefonieren.
"Hallo? Ich möchte Jonathan sprechen."

Erst bei der neunten Pfandleihe wurde er fündig.
Die Frau am anderen Ende antwortete: "Er ist nicht da."
"Wann kann ich ihn denn erreichen?" - "Er kommt normalerweise so gegen 11 Uhr." - "Ok, dann komme ich dann vorbei." - "Kann ich ihm etwas ausrichten?"
Andreas dankte: "Nein, die Angelegenheit ist vertraulich... ich komme dann vorbei."

Das tat er. Gegen 11:15 stand er vor der Pfandleihe. Andreas hatte die alte Schmuckschatulle in seinem Rucksack mitgebracht, die er von seiner Mutter geerbt hatte.

Er ging in den Laden. Eine junge Frau stand am Tresen. Andreas musste nicht verlegen tun. Er stand einige Minuten in dem Laden, sah sich die Auslage an, dann sprach er die Frau an: "Ich möchte gerne mit Jonathan sprechen."
Sie schüttelte den Kopf: "Er ist beschäftigt."
Er bestand darauf: "Es ist wichtig. Kai hat mich geschickt."

Einen kurzen Moment lang hatte er den Eindruck, etwas in ihrem Blick aufflackern zu sehen, dann zuckte sie die Schultern: "Ich kenne keinen Kai. Hier gibt es niemanden mit dem Namen. Sie müssen sich in der Adresse geirrt haben."

Andreas zuckte die Schultern, entschuldigte sich, dann ging er.

Er war nur ein paar Schritte weit gekommen, als ihn ein vielleicht sechzehnjäriger Junge am Ärmel griff. Der Junge fragte: "Kai hat sie geschickt?"

Andreas nickte zurückhaltend.

"Kommen sie."

Er folgte dem Jungen in eine Seitengasse. Der Junge wies auf eine Stahltür: "Hier hinein..."

Der Junge folgte ihm nicht, und kaum war er durch die Tür, drückte ein anderer Mann, der hinter der Türe gestanden hatte, ihm eine Pistole in die Seite: "Ist er jetzt völlig durchgeknallt?"

Andreas drehte sich um. Der Mann war fast sechzig, stark übergewichtig und trug eine Augenklappe. Das gesamte Gesicht war in verschiedenen Blau- und Grüntönen gefärbt. Seine linke Hand war verbunden.

"Bist du Jonathan?"

Der Mann knurrte und schubste Andreas einen Schritt voran.

Andreas blieb stehen und drehte sich erneut nach dem Mann um: "War das Kai?"

"Das solltest du verdammt nochmal wissen! Aber ich weiß nicht, wieso er auf die Idee kommt, hier noch willkommen zu sein."

Andreas hob seine linke Hand mit dem Gipsverband an: "Kommt ihnen das bekannt vor? Ich bin nicht sein Freund."

Der Mann sah ihn prüfend an: "Das heißt nicht automatisch, dass du ein Freund von mir bist."
Der Lauf der Pistole wurde noch einmal nachdrücklich in Andreas Rippen gedrückt.

Er beschloss alles auf eine Karte zu setzen: "Aber von Anita. Ich muss sie finden."

Der Mann - Jonathan - sah immer noch misstrauisch aus. Aber er zog die Waffe etwas zurück und senkte sie ein Stück weit. "Geradeaus, ins Büro. Dann setz´ dich hin."

In dem kleinen Büro, offenbar das Hinterzimmer der Pfandleihe, stand ein moderner Schreibtisch mit Glasplatte und einer Gruppe lederbezogener Stühle mit einem Kaffeetisch. In einer Ecke stand ein großer, stabiler Tresor. Andreas war nach dem vollgestopften Laden vorne überrascht, wie ordentlich es hier war.
Andreas setzte sich hin, Jonathan ihm gegenüber. Jonathan stellte zwei Kaffeetassen auf den Tisch goß ein. Dann Andreas wortlos an. Er nippte an seiner Tasse.

Andreas wusste nicht, wo er anfangen sollte. Vor allem wusste er nicht, ob Jonathan etwas über Kais und Anitas besondere Eigenschaften wusste.
Er fing vorsichtig an: "Anita ist bei mir ins Haus gezogen. Ich habe ihr ein wenig beim Einziehen geholfen... die schweren Kisten schleppen und so."

Jonathan nickte verständnisvoll: "Sie sieht etwas schwach aus." Er machte eine Pause, dann fuhr er fort: "Das gleiche gilt auch für Kai... Das war er?", Nickte er fragend in Richtung von Andreas Hand.

"Er hat sich nicht besonders anstrengen müssen", stimmte ihm Andreas zu, "Man könnte fast annehmen, dass an ihm mehr dran ist, als man bei Tageslicht sieht."
Er hatte den letzten Satz betont und dabei Jonathan in die Augen gesehen. Was er sah, bestätigte, dass Jonathan Bescheid wusste.
19. RE: Anita

geschrieben von living_and_laughing am 17.07.06 22:12

Bist ja immer noch in der Top-25-Mitgliederliste.
Nach soooooooooo langer Zeit.
War Dir früher doch mal wichtig.......
*lol*
20. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 18.07.06 09:15

... Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten
die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt...

Was soll ich da noch mehr als der Dichterfürst sagen?
21. RE: Anita

geschrieben von living_and_laughing am 18.07.06 10:30

"Zo-ombie, Zo-ombie"
Ist das nicht das passende Lied darauf?

Wann gehts denn weiter mit der Story?
Nachdem ich mich da schon mal durchgewühlt habe......
22. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 18.07.06 10:54

... na gut, weil du es bist. Übrigens ist bisher in der Geschichte eigentlich nicht mit Zobies zu rechnen, obwohl... also... *nachdenk*... *kopfkratz*... das bringt mich auf eine Idee *fg*

Das bunte Band

Jonathan nickte, stand auf und ging zu seinem Schreibtisch und holte einen Schlüssel aus der Schublade. Dann ging er zu dem Tresor. Als er wiederkam, trug er eine verzierte Holzkiste, die er auf den Kaffeetisch stellte. Er öffnete sie so, dass Andreas nicht hineinsehen konnte und legte einen Dolch auf den Tisch. Er nickte Andreas zu und beobachtete dann misstrauisch, wie dieser den Dolch nahm und aus der Scheide zog. Die Klinge bestand aus einem Damaszener-Stahl, mehrere Lagen verschiedener Metalle zusammengeschmiedet, gefaltet, wieder geschmiedet, der Griff aus einem gummierten Kunststoff, der nicht zur Zierde diente, sondern ziemlich funktionell und griffig aussah.

Stirnrunzelnd sah Andreas den zweischneidigen Dolch an. "Kein Interesse... so etwas kann ich mir nicht leisten. Und zum Kartoffelschählen taugt der auch nichts", sagte er, als er wieder aufblickte, dann fragte er: "Befinden wir uns auf einmal in einem Verkaufsgespräch?"

Jonathan streckte die Hand aus und nahm den Dolch entgegen. "Du hast recht. Er war nicht billig. Eine Spezialanfertigung. Finde erst einmal einen Schmied, der Silber und Stahl zu einem perfekten Dolch falten kann. Als ich endlich einen fand, der den Auftrag annahm, ohne lauter blöde Fragen zu stellen, hat er beinah zwei Monate herumexperimentieren müssen, bevor er es hinbekam. Und wahrscheinlich denkt er, ich wäre verrückt."

Sorgfältig steckte er den Dolch zurück in die Scheide, ließ ihn auf dem Tisch liegen. Dann sagte er: "Ich habe ihn erst letzte Woche bekommen. Und jetzt, wo ich ihn habe...", er zuckte mit einem eigenartigen Gesichtsausdruck mit den Schultern, dann nahm er einen zweiten Gegenstand aus der Kiste. Als er ihn auf den Tisch legte, musste Andreas sich vorbeugen, um zu erkennen, dass es ein Band war, kompliziert aus verschiedenen Schnüren geflochten. Fragend sah er Jonathan an.

"Ein Zauber. Er verleiht die Kraft und die Schnelligkeit, um... ohne wäre ich gegen ihn völlig chancenlos."

Andreas tat so, als hätte er überhaupt keine Idee, worum es eigentlich ging. "Silber? Zauber? Wovon reden sie überhaupt? Der Mistkerl hat mir die Hand gebrochen. Anzeigen wollte ich ihn."

Jonathan beachtete den Einwurf gar nicht, fuhr fort: "Aber ich bin zu alt. Selbst so kann ich es nicht mit ihm aufnehmen. Er würde mich... es wäre alles völlig sinnlos."
Er schob das Band und den Dolch über den Tisch in Richtung Andreas.

"Soll das heißen, dass sie mich für einen Mord anheuern wollen? Sie sind tatsächlich verrückt."

Jonathan schüttelte den Kopf: "Ich glaube nicht, dass man es Mord nennen könnte. Du suchst Anita. Und da du sie suchst, und da ich Kai verraten habe, wo er sie findet, denke ich, dass dein Weg zu ihr an ihm vorbeiführt."
Bei diesen Worten hatte er das Gesicht zu einem sarkastischen Lächeln verzogen, das endgültig klarstellte, dass dieser Verrat auf seiner Seite mit ziemlichem Schmerz verbunden gewesen war. Dann schüttelte er den Kopf.
"Ich verlange nicht von dir, dass du auch nur in seine Nähe gehst. Geh nach Hause. Vergiß die Geschichte. Wenn du Glück hast, wirst du beide niemals wiedersehen und mich auch nicht. Aber falls du Kai wiedersehen solltest, solltest du vorbereitet sein."

Dann lehnte er sich zurück und schwieg.

Andreas schwieg ebenfalls und dachte nach. Er trank seinen Kaffee aus, um etwas Zeit zu gewinnen. Dann schüttelte er den Kopf. "Ich werde zur Polizei gehen. Ich werde nichts von ihren... Vorschlägen erzählen, oder dass ich hier war."
Er stand auf.

Jonathan machte eine Geste mit der Hand. "Warte. Willst du das wirklich verantworten?"

"Was verantworten?", fragte Andreas gereizt zurück. Er hatte die Nase gestrichen voll.

"Es werden Menschen sterben. Vielleicht Kai, vielleicht Anita, aber auf jeden Fall unschuldige Polizisten. Du kannst es ihnen nicht erzählen, keiner würde dir etwas glauben. Glaubst du, Kai würde sich einfach so festnehmen lassen? Sie wären chancenlos. Und selbst wenn sie... willst du, dass sie sie einsperren? Er ist mir egal. Aber willst du, dass sie als Forschungsobjekt endet? Du weißt wenigstens, was er ist."
Er machte eine nachdenkliche Pause, dann setzte er hinzu und man konnte sehen, dass es ihm schwerfiel: "... und was sie ist."

Andreas brauchte einen Moment, bis er verstanden hatte, dass es in den letzten Sätzen um Anita gegangen war. Er nickte langsam, griff zögernd nach dem Dolch, dann hielt er inne und sah Jonathan an: "Sie lieben Anita."

Jonathan expodierte in lautes Lachen. Als er sich etwas beruhigt hatte, grinste er: "Das stimmt. Aber nicht so, wie du denkst. Sie ist meine Nichte. Ihre Eltern sind schon lange tot und ich habe mich mehr schlecht als recht um sie gekümmert. Sie hat im Laden geholfen. Und hier hat sie Kai kennengelernt. Insofern bin ich an dem ganzen Disaster schuld, wenn es einen Schuldigen gibt."

Andreas murmelte etwas betretenes, dann nahm er den Dolch und ließ ihn in der Seitentasche seiner Hose verschwinden. Er stellte die Frage, die ihn schon seit ein paar Minuten beschäftigte: "Wird das Silber helfen?"

Jonathan zuckte die Schultern: "Ich habe keine Ahnung. Wenn man den Sagen folgt, ist es die einzige Art, einem Werwolf bleibende Verletzungen zuzufügen. Aber ich habe es nicht ausprobiert. Aber selbst, wenn nicht, dann ist der Dolch hervorragend ausbalanciert und rasiermesserscharf."
Andreas konnte nicht behaupten, dass ihn das beruhigte. Er wollte lieber nicht zuviel darüber nachdenken, geschweige denn, überhaupt irgendwelche Waffen zum Einsatz zu bringen.

"Wissen sie, wo Kai wohnt?", fragte er, um sich von dem Thema abzulenken.
Jonathan nickte, ging zu seinem Schreibtisch und schrieb eine Adresse auf ein Post-It, das er dann Andreas gab. Andreas steckte den Zettel ein und stand auf.

"Gut, dann werde ich mal sehen, was ich machen kann."

Jonathan hob das Band auf, das noch immer auf dem Tisch lag: "Du hast das hier vergessen."

Andreas winkte ab: "Ich glaube nicht an Zauber."

Dies rief ein leises Kichern von Jonathan hervor: "Klar. Aber ich nehme an, du denkst auch, dass Werwölfe und ähnliches in das Reich der Phantasie gehören. Ausserdem musst du nicht daran glauben, damit der Zauber wirkt." Er ging einen Schritt auf Andreas zu, dann sagte er: "Gib mir deinen Arm. Den linken."

Verwirrt gehorchte Andreas. Jonathan schob den kurzen Hemdärmel hoch, bis über die Oberkante des Gips. Er legte das Band um Andreas Arm, dann verknotete er mit einiger Konzentration die einzelnen bunten Schnüre, aus denen das Band geknotet war, während er irgend etwas vor sich hin murmelte.

Plötzlich schoss ein sengender Schmerz durch den Arm. Andreas sah nur noch Sternchen und hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben. Als er wieder halbwegs bei sich war, stolperte er rückwärts. Sein Blick schwankte zwischen dem Band um seinen Arm und Jonathan hin und her, während er mit der rechten Hand erfolglos versuchte, das Band zu fassen, das scheinbar mit der Haut seines linken Oberarmes verschmolzen war.
"Was... was hast du...?", keuchte er.

Jonathan ließ sich Zeit mit der Antwort. Schließlich sagte er: "So wirkt der Zauber. Das muss so sein. Hätte ich dir das vorher gesagt, hättest du mich sicher nicht an dich herangelassen."
Er hob in einer entschuldigenden Geste die Hände.

Andreas fluchte, ging einen Schritt auf Jonathan zu und fragte drohend: "Und wie macht man das Mistding wieder ab? Und was soll er überhaupt bewirken?"

Jonathan schüttelte den Kopf.

"Was jetzt!?", schrie Andreas ihn an.

"Man kann ihn nicht ablegen. Der Zauber ist gewirkt. Er macht dich stark und schnell. Ausdauernder. Und..."
Jonathan verstummte.

Andreas gab sich Mühe, seinen Zorn herunterzuschlucken. Das alles gefiel ihm überhaupt nicht, aber er konnte im Moment nichts tun.
"Du hättest mich warnen müssen."

Sein Gegenüber nickte und zuckte mit den Schultern: "Vielleicht. Ich denke, so war es besser."
Wortlos drehte Andreas sich um und verließ den Raum.
23. RE: Anita

geschrieben von living_and_laughing am 18.07.06 12:51

Meine Zo(m)bies bezogen sich eigentlich auf die nahenden schwankenden Gestalten mit dem trüben Blick und nicht auf die Story. *fg*
Eigentlich les ich doch gar keine Fortsetzungsgeschichten.....
24. RE: Anita

geschrieben von Nachtigall am 18.07.06 16:08

Hmmmmm,

hast du dir diesen Bänderzauber selber ausgedacht, oder ist das eine Standard-Horrorgeschichten-Zutat? Auf jeden Fall nett (obwohl Andreas das wieder mal anders sehen dürfte).

Dann bin ich mal gespannt, ob dem lieben Kai einige Löcher gestanzt werden...


Anja
25. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 18.07.06 19:42

Hallo Singvogelin (ist das der korrekte Terminus?),
ich bin mir hinsichtlich des Zauberbändchens keines Vergehens oder Plagiierens bewußt. Allerdings kann man bei der Menge (und teilweise dem Schund), den ich in der Art lese (und schreibe ), nicht sicher sein, ob einem da das Unterbewußtsein einen Sreich spielt.

Ansonsten habe ich zwar schon ein wenig weiteres in petto, aber ich kann nicht zu schnell veröffentlichen, weil ich sonst hintendran nicht so schnell mit dem Schreiben hinterherkomme.

Das Ende steht nämlich noch nicht (und es wollen noch ein paar Zombies eingebaut werden. Nein. Nicht wirklich, da könnte ich ja gleich eine Anita Blake Geschichte schreiben).

Das ist mir nämlich auf halbem Wege eingefallen: Der Name meiner Hauptdarstellerin und Namensgeberin der Geschichte ist gewissermaßen plagiiert, wenn es sich auch nicht um eine zunehmend übermenschlich werdende Totenbeschwörerin handelt, sondern um eine Werpantherin.
Aber da hat wie gesagt sicher das Unterbewußtsein mitgespielt. *auf der Couch lieg, analysier*

Bis demnächst
der Schmetterling
26. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 20.07.06 08:17

Lange Nasen...

Sie hatte keine Erinnerung, wie sie hierher gekommen war, und sie wusste auch nicht, was in der Nacht passiert war. Seit sie aufgewacht war, hatte sie versucht, sich zu befreien, obwohl sie wusste, dass es sinnlos war und dass sie die silbernen Widerhaken nur weiter in ihr Fleisch bohren würde. Der stählerne Reifen um ihren Hals war nicht so schlimm, er hielt sie nur unverrückbar fest, egal ob als Mensch oder als Katze.

Sie hatte in dieser Zelle alles zusammengerechnet sicherlich mehrere Wochen verbracht, damals, als er sie gebrochen hatte, teils in den Fesseln, teils auf einer Wolldecke, die er ihr irgendwann in eine Ecke gelegt hatte. Und sie wusste auch, dass es auch jetzt einfach nur von seiner Laune abhing, ob er sie befreien würde, ob sie etwas zu trinken bekommen würde, oder ob sie hier sterben würde.

Damals hatte er sie die vollen drei Tage der Verwandlung in den Fesseln gelassen. Nicht mal nach dem nächsten Vollmond hatte sie gehen oder ihre Hände benutzen können.

Heute morgen war er bei ihr gewesen und hatte ihr erklärt, dass er die Widerhaken in den Schellen um ihre Hand- und Fußgelenke gegen längere ausgetauscht hätte, mit einem höheren Silberanteil. Und das Brennen der Wunden bestätigte seine Worte.
"Vielleicht lasse ich dich bis zum nächsten Vollmond in den Fesseln. Vielleicht lasse ich dich auch einfach verdursten. Vielleicht behalte ich dich als Kuriosität, nachdem du dich verstümmelt hast. Warte es einfach ab. Etwas anderes bleibt dir ja auch nicht übrig."
Er war lachend gegangen.

Sie hatte ihm nicht den Gefallen getan, ihn anzuflehen.
Aber sie wusste, dass das noch kommen würde.
Und dass es nichts nützen würde.

-----

Zuerst fuhr Andreas nach Hause. Er hatte den Verdacht, dass festes Schuhwerk sowie eine mittlere Tarnkleidung nicht schaden würden.
Allerdings wurde er aufgehalten. Als er gerade in Jeans, Wanderschuhen und einem dunkelgrünen Pulli seine Wohnung verlassen wollte, sprach ihn ein Mann an.

"Herr Klösgen?"

Auf Andreas Nicken hin fuhr der Mann fort: "Gut, dass ich sie treffe. Ich wollte eigentlich zu Frau Hoch. Wissen sie vielleicht, wo ich sie finden kann?"

Andreas murmelte etwas über die Anonymität moderner Wohnblöcke.

Der Mann nickte, dann sagte er, dass Frau Hansen gesagt hätte, dass er wohl mit Anita bekannt wäre.

Andreas versuchte sich herauszureden: "Ja klar. Ich bin hier nebenberuflich der Hauswart, und natürlich habe ich ab und an Frau Hoch geholfen, wenn etwas nicht funktioniert hat, oder etwas zu tragen war. Das mache ich aber für die anderen Leute hier genauso."

"Aber die Mitbewohner sagen, nach der Grillparty neulich, als sie sich wohl etwas übernommen hat, da hätte das ganz anders ausgesehen...", bohrte der Mann weiter.

Andreas reagierte gereizt: "Meine Güte. Klatsch und Tratsch. Irgend jemand musste sich ja um sie kümmern. Das hat doch überhaupt nichts..."

"Das will ich auch nicht behauptet haben.", unterbrach ihn der Mann, aber an seinem Gesicht war gut abzulesen, dass er genau das behauptet haben wollte.

"Wer sind sie eigentlich?", schoss Andreas zurück.

Der Mann entschuldigte sich, zückte dann sein Portemonnaie und holte eine Visitenkarte heraus, dann hielt er Andreas eine kleine Plastikkarte mit seinem Foto vor die Nase. "Polizeiobermeister Kleinschmidt. Darf ich sie bitten, in den nächsten Tagen bei uns eine Aussage zu machen? Rufen sie die obere Nummer an, und machen sie einen Termin. Und wenn sie Frau Hoch sehen sollten, wäre es nett, wenn sie uns informieren würden."
Er drückte Andreas eine Visitenkarte in die Hand.

Andreas nickte verwirrt, wenn er sich auch ziemlich sicher war, genau das nicht zu machen, zumindest nicht, ohne vorher mit Anita gesprochen zu haben.

Der Polizist verabschiedete sich, ging zwei Schritte, dann drehte er sich wieder nach Andreas um. "Entschuldigen sie... darf ich fragen, wie sie sich verletzt haben? Sieht ziemlich frisch aus, der Gips."

Andreas Gehirn raste. Er wollte dem Polizisten sicher nicht erzählen, dass er mit einem Werleoparden gekämpft hatte... wie lang durfte er brauchen, um sich eine plausible Geschichte auszudenken?

Er stotterte los: "Ich... also... das ist etwas peinlich... im Keller. Ich habe ein Werkzeugregal verschieben wollen, da hat es Übergewicht bekommen und ist umgekippt. Und mein Unterarm ist genau zwischen der Werkbank und dem Regal geklemmt. Drei Finger gebrochen, zwei Mittelhandknochen und Elle und Speiche. Der Arzt war ziemlich beeindruckt."

Sein Gegenüber pfiff durch die Zähne: "Das kann ich mir denken. Naja, gestern war ja auch Vollmond... da passieren die dollsten Dinge. Einen schönen Tag noch."

Erst, als die Tür hinter dem Polizisten zugefallen war, fiel ihm ein, dass er dem Arzt im Krankenhaus von einer Schlägerei erzählt hatte. Und was hatte er Frau Hansen erzählt? Er hatte keine Ahnung, ob er ihr überhaupt etwas erzählt hatte.

Wie auch immer, er hoffte, dass die Lügerei nicht auffliegen würde.

Und die Bemerkung über den Vollmond? War das einfach nur so dahergeredet gewesen, oder hatte der Polizist einen bestimmten Hintergrund? Er fluchte leise und zog seine Uhr aus der Tasche. Früher Nachmittag, er hatte noch eine Menge Zeit.
Tonlos vor sich hinschimpfend stieg er die Treppe hinauf und klingelte bei Frau Hansen.

Sie empfing ihn freundlich, bat ihn herein, bot ihm einen Kaffee an und ließ sich erzählen, wie es im Krankenhaus gelaufen war.

"Frau Hansen, habe ich ihnen eigentlich erzählt, was gestern passiert ist? Ich war so neben der Rolle, dass ich mich kaum noch an etwas erinnern kann."

Sie schüttelte den Kopf. "Nein, sie waren nicht wirklich in der Stimmung, viel zu erzählen. Aber es sah so aus, als hätten sie sich mit den falschen Leuten eingelassen, wenn ich das bemerken darf."

"Ich hoffe, das haben sie nicht dem Polizisten erzählt, der gerade gegangen ist.", entfuhr es Andreas.

"Nein. ich werd´ doch nicht irgendwelche halbgaren Vermutungen der Polizei erzählen... eigentlich sollten sie wissen, dass ich keine Tratschtante bin. Er hat natürlich nach ihnen gefragt, und da habe ich ihm erzählt, dass ich annehme, dass sie noch im Krankenhaus wären. Da hat er natürlich nachgefragt, warum."

Bezüglich der Tratscherei hatte er bisher einen anderen Eindruck und er hoffte, dass sie nicht mehr erzählt hatte, als ihm lieb war. Dann erzählte er ihr die gleiche Geschichte von dem Werkzeugregal. Sie verzog mitfühlend das Gesicht, dann fragte sie: "Und ihr Bein?"

Verdammt. Das hatte er völlig vergessen. Wieder raste sein Gehirn, und er hoffte, dass er die Antwort noch beiläufig genug gab: "Ein schwerer Stechbeitel. Sie wissen doch, so ein Ding um Aussparungen in Holz zu stemmen. Der lag oben in dem Regal und hat..."
Er brach ab und tastete mit schmerzverzerrtem Gesicht nach seinem Oberschenkel.

"Gute Güte. Das ist aber wirklich Pech."

Andreas nickte. "Nächstes Mal passe ich besser auf. Versprochen."
Dann bedankte er sich für den Kaffee, verabschiedete sich und ging.
27. RE: Anita

geschrieben von Nachtigall am 20.07.06 20:18

Auuutsch. Das klingt alles nach viel Arbeit...

"Polizeiobermeister Kleinschmidt"? *lol* Was für ein Name! Apropos Namen, Schmetterling: Dir nehm ich vermutlich sowieso keinen "Terminus" übel *gg*. Ist also egal, ob der korrekt wär oder nicht (könnte ich aber auch nicht beantworten).

Das mit der "Anita" war mir schon aufgefallen, als du den Namen genannt hattest... und die Zombies kannst dir meinetwegen gerne schenken, die wären mir bestimmt noch unsympathetischer als die We(h)r(haften)leoparden!

Deine Kapitel sind klasse, gut zu lesen, meistens spannungsreich und nachvollziehbar. Sie haben nur einen einzigen (allerdings heftigen) Mangel:

Sie sind ZU KUUUUUURZ!!! *schimpf*


Liebe Grüße

*flöööööt*
28. RE: Anita

geschrieben von SteveN am 21.07.06 17:19

Hallo Butterfly !

Tja, was der Andreas allen möglichen Leuten erzählt ...
Da muß er aber wirklich aufpassen, daß er sich da nicht verhaspelt.
Ob Anita aus eigener Kraft sich befreien kann, muß ich bezweifeln.
Jetzt hängt alles am Andy. Für den nächsten Vollmond
sollte er sich eine silberverstärkte Zwangsjacke besorgen ...

Viele Grüße SteveN
29. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 21.07.06 20:43

...jau, das stimmt. Sowohl, dass der arme Andreas ein ziemliches Päckchen von zunehmenden Verstrickungen zu tragen hat, als auch, dass die Kapitel kurz sind.

Rein gefühlsmäßig ist dieses länger...


Einbruchdiebstahl

Er las die Adresse auf dem Post-It noch einmal, sah nachdenklich auf seinen Gipsarm, zuckte dann die Schultern und setzte sich in sein Auto. Hoffentlich erwischt mich die Polizei nicht, dachte er.

Wider erwarten ging das Autofahren relativ problemlos vonstatten, nur war es eine ziemliche Verrenkung, mit der rechten Hand blinken zu müssen. Unterwegs fragte er sich wiederholt, was um Himmels willen der Polizist eigentlich von Anita wollte.

Der Wagen rollte in einem kleinen Waldstück aus, nicht weit von dem kleinen Gehöft am Rande des Örtchens entfernt, dass die Adresse auf dem Post-It bezeichnete. Es lag auf der Hand, dass es keine gute Idee war, an der Tür zu klingeln und nach Anita zu fragen.

Er hoffte nur, dass Kai nicht mit Besuch rechnete. Schließlich wusste auch Anita nicht, dass er die Adresse kannte, falls er sie gefoltert haben sollte.

Sein linker Arm juckte höllisch, mehr als einmal erwischte er sich dabei, wie er mit der rechten Hand gegen den Gips stieß, weil er sich unbedacht kratzen wollte.

Scheinbar war Kai nicht wirklich auf Sicherheit bedacht, denn es gelang Andreas, unbemerkt von hinten an das Haus heran zu schleichen. Auf dem Hof stand kein Auto. Blieb die Scheune, aber Andreas sah keine Möglichkeit, herauszufinden, ob jemand da war, und über den Hof laufen wollte er nicht.

Kai hatte etwas davon gesagt, dass Anita ihn gefesselt im Keller zurückgelassen hatte. Kai schien der Typ zu sein, der viel von alttestamentarischer Rache hielt, also lag es nah, dass er Anita genau dort finden würde.

Das einzige Gebäude, das unterkellert zu sein schien, war das Wohnhaus. Der Keller war nur zu einem Dritteln in der Erde und hatte Fenster. Andreas spähte durch ein Fenster: Ein Vorratskeller.
Aber schon das zweite Fenster weckte seinen Verdacht. Hier war verglichen mit dem Rest des Hauses, das alles andere als frisch renoviert erschien, erst vor kurzer Zeit ein extrem massiv aussehendes Gitter eingesetzt worden. Durch die verdreckte Milchglasscheibe war nichts zu erkennen.

Er trat die Scheibe des Vorratskellers ein. Klirrend fielen einige Scherben auf den Betonboden und Andreas stieg ein, hoffend, dass Kai nicht da war.

Er horchte einige Sekunden an der Tür, bevor er sie vorsichtig in den Flur hinein aufdrückte. Der nächste Raum rechts, da war das Gitter am Fenster. Und auch die Tür bestätigte seine Vermutung. Der Raum hatte eine massive Stahltür, die mit drei dicken Riegeln verschlossen war. In der Tür war in Augenhöhe ein Guckloch.

Andreas warf einen Blick hindurch, konnte aber nichts erkennen. Draußen war es noch hell, daher ging er davon aus, dass er keiner Raubkatze gegenüberstehen würde, sondern einem Menschen. Wenn überhaupt. Er schob die Riegel zurück und zog die Tür auf. Er spähte in den Raum und sah Anita auf dem breiten Eichentisch.

Mit drei schnellen Schritten war Andreas bei ihr. Er sah den breiten Metallreifen um ihren Hals und das Blut, dass schwärzlich unter den Schellen um Hand- und Fußgelenke heraussickerte.

Er fingerte ein paar Sekunden an dem Verschlussmechanismus herum, bis er die erste Handschelle aufklappen konnte. Mit aufgerissenen Augen sah er die drei Reihen federnd gelagerter scharfen Metallzungen, die garantierten, dass jeder, der versuchen würde seine Hand aus der Schelle zu ziehen, schwerste Verstümmelungen erleiden würde.

Er befreite auch ihre anderen Gliedmaßen, dann löste er den Reifen um den Hals. Anita hatte von all dem nichts wahrgenommen und nur schwach gewimmert. Andreas fluchte, weil klar war, dass sie auf keinen Fall laufen können würde. Als er sie vorsichtig anhob, gab sie erneut ein wimmerndes Geräusch von sich.

Hinterher wusste er nicht genau, wie er es geschafft hatte, mit ihr aus dem Fenster zu klettern, sie zu seinem Auto zu tragen, aber er fuhr mit quietschenden Reifen los.

Er fuhr hastig und gegen die Zeit, denn die Sonne begann unterzugehen. Er bezweifelte, dass sie irgendwelche Kontrolle haben würde, wenn sie sich verwandelte, und wusste nicht, ob die Verletzungen sie behindern würden.

Er hatte jedenfalls keine Lust, einen wütenden und verletzten Panther als Beifahrer zu haben.

Dankbar bemerkte er, dass die Straße menschenleer war, als er sie im Zwielicht aus dem Auto trug. Unruhig, aber noch immer ohne Bewußtsein bewegte sie sich in seinen Armen. Er stieß die Kellertür auf, trug sie hinunter und legte sie in ihren Keller.

Kurz ging ihm die Ironie durch den Kopf, dass er sie aus dem einen Gefängnis befreit hatte, nur um sie in ein anderes einzusperren...

Er holte die Flasche Wodka vom Regal aus seinem Kabuff und ging zu ihr zurück. Er goß einen großen Schluck Wodka über ihr linkes Handgelenk und tupfte die grausig aussehenden Wunden mit einem Papiertaschentuch sauber. Anita stöhnte gequält auf, aber erwachte nicht. Schnell verfuhr er mit dem anderen Handgelenk und den Fußgelenken genauso, während er beobachtete, wie sich Flecken schwarzen Haares auf ihrem Körper ausbreiteten und ihr Skelett sich umformte.

Dann ging er und ließ die Tür zufallen, weil er wußte, wie schnell sie sein konnte, und keine Ahnung hatte, ob sie spontan heilen würde oder ob die Bewußtlosigkeit auch als Wertier noch anhalten würde.

Draußen im Gang ging er erschöpft in die Hocke.

Er fuhr erschrocken auf, als sein Kopf nach vorne nickte. Er durfte jetzt alles tun, nur nicht einschlafen, denn er nahm an, dass Kai eine sehr genaue Vorstellung hatte, wo er Anita finden würde.
Und Andreas wollte nicht darauf hoffen, dass der rachsüchtige Werleopard in Ruhe abwarten würde. Er nahm eher an, dass er genau in dieser Nacht zuschlagen würde.
Nachdenklich wog er den Dolch in der Hand, mit dem Jonathan ihn ausgestattet hatte. Er hatte nicht den Eindruck, dass der ausreichen würde.

Plötzlich hatte er einen Geistesblitz. Er überlegte noch einmal kurz, dann nickte er und sprintete die Treppe hinauf in seine Wohnung. Unterwegs dachte er, dass er nur hoffen konnte, dass alles so funktionieren würde, wie er sich das vorstellte.

Änderung: Auf Nachtigalls / LiLaLus Hinweis Den Andreas gegen eine Anita geändert.
30. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 21.07.06 20:58

...Mist. Selbst beim besten Willen finde ich das Kapitel selbst zu kurz, wenn´s auch ein schöner Cliffhanger ist. Und da ich nicht weiß, ob ich am Wochenende dazu komme, bin ich mal nicht so.

Zauberei

Er nahm den solidesten Edelstahltopf, den er finden konnte. Auf dem Büffet im Wohnzimmer stand der Kerzenleuchter, den er von seiner Großmutter geerbt hatte. Sie hatte immer davon geredet, dass er silbern war, aber ihn hatte eher der nostalgische Wert interessiert. Schwarz angelaufen war er, insofern musste zumindest ein deutlicher Silbergehalt gegeben sein. Hoffentlich war er nicht nur versilbert.
Der Inhalt der Schmuckschatulle, die er noch in seinem Rucksack hatte, folgte in den Topf.

Er ging noch einmal aus dem Haus, holte aus seinem Firmenwagen die Gasflaschen, den Acetylenbrenner und eine große Rohrzange. Nachdenklich sah er, wie der noch fast volle Mond hinter den vorbeiziehenden Wolken leuchtete.

Er schloss die Kellertür hinter sich ab, dann setzte er sich in den Kellergang und begann, den Leuchter zu schmelzen. Die hauptsächliche Herausforderung war, kein Loch in den Topf zu brennen.

Gegen elf Uhr hörte er, wie die Kellertür mit einem leisen Krachen nachgab. Er löschte den Brenner und sprang auf. Das Wesen, das ihm im Kellergang entgegen kam, war kein Leopard, aber es war auch kein Mensch.
Es war schnell, doch Andreas war schneller. Wie in Zeitlupe sah Andreas, wie es auf ihn zu sprang. Er machte einen Ausfallschritt zur Seite. Aus dem Topf spritzte ein Bogen flüssigen Silbers, der die Stelle, wo gerade das verwirrte Zwischenwesen landete, zum Ziel hatte.

Der Zeitablauf normalisierte sich wieder. Andreas machte eine überraschte Ausgleichsbewegung, spürte, wie sein verletzter Arm gegen die Kellerwand prallte. Er ignorierte den stechenden Schmerz und zog mit der Rechten den Dolch aus der Tasche.

Das Wesen kreischte, krümmte sich zu einer Kugel zusammen, zappelte spasmisch bei dem Versuch, das aushärtende Metall aus seiner verbrennenden Haut zu kratzen. Dann lag es plötzlich still.

Atemlos ging er mit langsamen Schritten auf das Wesen zu. Er sah, dass sich der Brustkorb schwach hob und senkte. Er warf einen Blick auf das zerstörte Gesicht und musste sich würgend übergeben, als er realisierte, dass es sich nicht um ein anonymes Ungeheuer handelte, sondern um einen Menschen.

Kais Atem ging unregelmäßig und flach. Andreas Blick fiel auf die breiten, mit messerscharfen Krallen besetzten Hände. Er fragte sich, ob Kai sterben würde, ob er sich bis morgen erholt haben würde, wenn er - hoffentlich - mit Anita reden konnte. Auf den Punkt gebracht, war er ratlos, was er tun sollte.

Er hatte den Werleoparden schwer verletzt. Vorsichtig stieß er ihn mit dem Fuß an, aber es erfolgte keinerlei Reaktion. Schließlich schüttelte er den Kopf, steckte den Dolch griffbereit in die Scheide und hob Kai auf. Er war nicht viel schwerer als Anita.
Andreas überlegte, ihn in einem der unteren Kellerräume einzusperren, aber er hatte keine Idee, was er tun sollte, wenn er sich erholen würde. Er wusste nicht, wie lange der Zauber wirkte und Kai war viel stärker und schneller gewesen als Anita und er selbst.

Schließlich trug er ihn die Treppe hinauf und lud ihn in sein Auto.
Mit nervösen Seitenblicken auf den Beifahrersitz raste er stadtauswärts. Erst, als er Kai in genau den Fesseln fixiert hatte, aus denen er am Nachmittag Anita befreit hatte, atmete er erleichtert auf. Er wusste, dass Kai sich nicht würde befreien können und dass er sich ihm so morgen würde gefahrlos nähern können, um einen Waffenstillstand auszuhandeln.

Er schob die Riegel zu und fuhr nach Hause. Er stellte den Wecker so, dass er ihn kurz vor Sonnenaufgang wecken würde und schlief sofort ein.

-----

Beim Duschen bemerkte er, dass er einen langen Kratzer quer über den Rücken hatte. Selbst mit einem Spiegel konnte er ihn nicht genau sehen, aber ein Blick in sein Bettzeug und auf das zerfetzte Shirt von gestern versicherte ihm, dass er nicht nur ein wenig geblutet hatte.

Anita wurde wach, als Andreas sich über sie beugte. Sie machte einige schwache Abwehrbewegungen, bis ihre Augen klar wurden und sie verstand, dass sie nicht mehr bei Kai war.
Er inspizierte vorsichtig ihre Hand- und Fußgelenke, was sie mit leisen Schmerzlauten kommentierte.

"Wie... wie komme ich hierher?"

Andreas erzählte ihr, wie er sie aus dem Keller geholt hatte. Sie hob einen Arm, drehte ihn vorsichtig vor ihrem Gesicht. Vorsichtig bewegte sie die Hand ein Stück, aber es war ihr anzusehen, wie schmerzhaft das war.

Dann fuhr sie erschreckt zusammen: "Was ist mit Kai? Er wird dich töten!"

Andreas versuchte möglichst wenig berührt zu wirken: "Heute nacht hat er den kürzeren gezogen. Er steckt jetzt in den Eisen, mit denen er dir das angetan hat."

Dann erzählte er, was er getan hatte.

"Flüssiges Silber?", sie sog entsetzt die Luft ein. "Das macht dich zu einem Vogelfreien unter uns. Jedes Wertier, dass dich sieht, ist verpflichtet, dich zu töten!"

"Sozusagen Einsatz von Massenvernichtungswaffen? Ich gebe zu, dass auch meine Methoden, Kriegsgefangene zu behandeln sicher nicht von der Genfer Konvention abgedeckt sind.", bemerkte er ärgerlich.

Dann beruhigte er sich wieder: "Gilt das auch für dich? Sollte ich dich lieber gleich erledigen? Oder besser mich?"

Sie schüttelte schwach den Kopf. "Das muss ja niemand erfahren. Kai ist ein Außenseiter und niemand wird ihm eine Träne nachweinen. Wir müssen ihn nur unauffällig beseitigen..."

Andreas verzog angewidert das Gesicht.

Sie sah, dass er nicht davon begeistert war. "Ok. Was hast du denn mit ihm vor? Ihn dort einfach verdursten lassen? Er wird verdursten, aber das dauert lange. Oder wolltest du ihn freilassen? Oder die Polizei holen?"

Andreas hatte sich diese Frage auch gestellt, aber die Problemlösung bewußt verschoben. Er zuckte die Achseln und antwortete ehrlich: "Ich weiß es nicht. Vielleicht einen Waffenstillstand mit ihm aushandeln?"

Anitas Lachen ging in ein gequältes Husten über. Dann nickte sie und meinte: "Ich glaube nicht daran, dass das geht. Dann sollten wir hinfahren. Ihn dort verdursten zu lassen, ist sicher eine der grausameren Möglichkeiten."

Dem musste Andreas widerwillig zustimmen.
"Kannst du laufen?"

Anita wirkte nicht gerade zuversichtlich. Andreas hob sie vorsichtig hoch und versuchte, sie auf die Beine zu stellen. Noch bevor ihr volles Gewicht auf den Füßen lastete, schüttelte sie mir verzerrtem Gesicht den Kopf.

"Nein. Da müssen ein paar Sehnen beschädigt sein. Ich habe überhaupt keine Kraft und praktisch kein Gefühl in den Füßen. Alles fühlt sich so an, als ob es in Flammen stünde."

Andreas nickte: "Also einmal Krankentaxi."

Allerdings trug er sie nicht erst zum Auto, sondern in seine Wohnung. Dann ging er hinaus, fuhr das Auto vor die Tür und nahm den Verbandskasten mit, ging ebenfalls in ihre Wohnung und griff einen weit geschnittenen Trainingsanzug aus dem Schrank.
Wenige Minuten später hatte Anita saubere weiße Bandagen um Hand- und Fußgelenke, dann trug er sie zum Auto und setzte sie auf den Beifahrersitz.
31. RE: Anita

geschrieben von Nachtigall am 22.07.06 13:44

*lachweg* Na, ZWEI Kapitel zusammen haben doch eine schöne Länge!

Deine Geschichte entwickelt sich ja rasend schnell. Dafür, dass Andreas zunächst so ratlos wirkte, war er ziemlich einfallsreich; bin gespannt, wie das jetzt weiter geht. Schön, dass der Freundschaftsbändchen-Zauber so gut gewirkt hat, und die Silber-Attacke war zwar brutal, aber ziemlich exakt das, was ich Kai gönne.

Zwei Kleinigkeiten sind mir aufgefallen:

Zitat

Er spähte in den Raum und sah Andreas auf dem breiten Eichentisch.
... oder war es vielleicht doch Anita?

Zitat

Dann erzählte er, was er getan hat.
-te.

Schön, dass dein Schreibstil so flüssig und nahezu (Rechtschreibe-)fehlerfrei ist. Neben dem spannenden Inhalt ist das ein sehr angenehmer Pluspunkt deiner Geschichten, den nicht viele Autoren hier vorweisen können.
32. RE: Anita

geschrieben von living_and_laughing am 22.07.06 14:22

Boah, Nachtigall und ICH hatte mir den Hinweis auf diesen Fauxpas extra mit übermenschlicher, fast schon Wer-hafter Kraft und Schnelligkeit und Anstrengung verkniffen.
Wollte ja nicht als Erbsenzähler dastehen.
*haha-fingerdeut*

Aber die Story hat das Manko, das ich schon in meiner Kindheit bei den Fix&Foxi-Fortsetzungsgeschichten
HASSTE,
es dauert immer so lange bis es weitergeht.
*quengel*
33. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 22.07.06 17:07

Ahhhhh *unter den Teppich kriech*
... ist mir das unangenehm. *rot werd*

Verzweifelter Rechtfertigungsversuch:
An sich lese ich das Alles mehr als einmal Kontrolle, um genau die Art Fehler mit den Andreassen und Anitas auszuschließen.
Aber genau den Satz habe ich exakt beim letzten Korrekturlesen direkt vorm Posten noch reingeschrieben.

Ansonsten natürlich vielen Dank für die nette Kritik, auch wenn der Fix&Foxi-Vergleich etwas hinkt. Zwar sind auch Anita&Andreas eine Alliteration, aber ich kann LiLaLu nur zustimmen... ich habe Fix&Foxi auch nie gemocht...

Grüßle
Der Schmetterling.

P.S.: ich habe mir erlaubt, den Fehler zwecks des flüssigen zukünftigen Lesens seitens Dritter zu korrigieren, aber einen recht deutlichen Hinweis hinterlassen....
P.P.S.: Der nächste Teil kommt bestimmt =)
P.P.P.S.: Rächtschraibefehlerfrei liegt nur daran, dass ich nicht Word oder irgendwas anderes verwende, was mich mit roten Unterschlängelungen irritieren würde, sondern ´nen simplen Texteditor.
34. RE: Anita

geschrieben von oxymoron am 22.07.06 17:58

Moin moin
Zitat
Wollte ja nicht als Erbsenzähler dastehen.
Das steht ja wohl auch eher mir zu *g. Du hast andere Aufgaben hier ...

oxymoron
35. RE: Anita

geschrieben von Why-Not am 22.07.06 20:35

Jetzt habe ich nach langer Zeit erstmalig wieder in eins der Geschichten-Boards hier gesehen - und gleich eine Story der "Ersatz-Rosamunde" entdeckt.

Eine schöne Geschichte, die ich weiterverfolgen werde. (Das hast Du nun davon.)

Why-Not
36. RE: Anita

geschrieben von Why-Not am 23.07.06 11:09

Warum sind Wer-Tiere eigentlich immer so blutrünstige Exemplare? Wie wäre es mal mit Wer-Hamstern oder Wer-Schildkröten, die bei Vollmond einen Salatkopf überfallen? Alternativ vielleicht ein Rudel Wer-Karotten, die sich monatlich auf Hasenjagd begeben?

Why-Not

PS: Ich glaube, meine Muse hat Fieber.
37. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 23.07.06 21:10

Hallo Why,
nice to see you... ich denke, man kann das mit den Wertieren aus zweierlei Sicht erklären.

Ich denke, die Leute wollten halt zum Gruseln ein übermächtiges Raubtier haben. Und da passt halt ein Werwolf (der ja aus dem europäischen Raum kommt, passend zu dem Raubtier, vor dem man vermutlich am meisten Angst haben musste) oder ein Werleopard (den es durchaus in der afrikanischen Mythologie gibt) recht gut.

Es ist auch eine Frage der Masse. Was wiegt ein Wolf? 30-40kg? ein Leopard dürfte in der gleichen Gewichtklasse kämpfen (meine Schätzung). Ein Mensch... vielleicht damals durchschnittlich 60kg. Man nehme also einen extrem großen Wolf, der zudem mit der Intelligenz eines Menschen ausgestattet ist und man hat einen wahrlich gruseligen Gegner.

Ein Werbär hingegen wäre eher etwas mickrig, was mich zu deinem Werhamster bringt. Der würde also weniger Salatköpfe überfallen als eher ganze Gemüseplantagen kahlfressen (was ihn dann immerhin zum Angstgegner abergläubischer Gärtner machen würde).

Ausserdem finde ich den Gedankengang wirklich nicht besonders abstrus. Ich habe mir nämlich genau darüber auch Gedanken gemacht, aber es wollte mir ausser Wölfen und Leoparden / Panthern (o.ä.) einfach nichts einfallen, was mehr als einen netten Lacheffekt gehabt hätte.

Grüß also insofern deine Muse
*winkweg*
Butterfly
38. RE: Anita

geschrieben von Billyboy am 23.07.06 21:13

Werkarotten?? Du willst die doch nicht auf RR hetzen? *ggg*
cu
Tom
39. RE: Anita

geschrieben von Nachtigall am 23.07.06 22:40

Zitat

Du willst die doch nicht auf RR hetzen?
Neiiiiin. Die würde er ganz zweckfrei züchten.

Übrigens werden Wölfe bis zu 80 kg schwer. Und Leoparden 40-90 kg (Männchen) bzw. 30-60 kg (Weibchen).

Zitat

PS: Ich glaube, meine Muse hat Fieber.
Wahrscheinlich eine Sommergrippe. Gib ihr mal Cola und Salzstangen .


Grinsende Grüße (Werhamster!! *grunz*)

Nachtigall
40. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 24.07.06 08:20

Liebes Wervögelchen,

*staun*, das müssen aber ziemlich übergewichtige Wölfe sein... Der Berner Sennenhund eines meiner Freunde sieht eher aus wie ein Bär und verhält sich auch so (definitiv erheblich größer und schwerer als alles, was ich bisher unter dem Titel "Wolf" gesehen habe).
Und das "Tierchen" wiegt grade mal 80kg. Allerdings hat man mit dem Tier seine liebe Not, wenn der irgendwo hin will... ich bin fast 50% schwerer, aber die setzen ihre Muskulatur auch wirklich ein... ausserdem haben sie Allradantrieb. Da versuch´ ich lieber ´nen Traktor aufzuhalten.

Ich zitiere mal von http://www.wolfs-shop.de/html/der_wolf.html
"Vom Kopf bis zum Rumpf misst der Wolf je nach Gattung etwa 100 bis 150 Zentimeter bei einem Gewicht von 25 kg (Arabien) und etwa 45 kg (Alaska) gelegentlich werden auch Tiere mit bis zu 70 kg registriert."

Wobei es sicher Webquellen gibt, die das völlige Gegenteil behaupten (grad´ mal ´ne Website aufsetz , und den großen Grzimek habe ich grade nicht greifbar.

Da Werwölfe in meinen Augen tendentiell eher aus dem eurasischen Raum (darf man das eigentlich sagen, oder ist es ein No-No?) stammen, lag meine Schätzung doch gar nicht so verkehrt?
Andererseits ist´s auch völlig egal, weil das ist ja nur meine Theorie und andere Werwolftheoretiker haben wahrscheinlich ganz andere Theorien.
Hier geht´s um die Praxis...


Grüßle
Butterfly
41. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 24.07.06 08:28

... und deshalb, bevor in Vergessenheit gerät, dass es hier um eine Geschichte geht...

... kurze Beine

"Sag mal, warum sucht dich eigentlich die Polizei?", fragte er etwas später während der Fahrt beiläufig.
Ihre entsetztes Zusammenzucken ließ ihn für wahrscheinlich halten, dass die Polizei einen guten Grund hatte.

Ihre Antwort passte damit nicht zusammen, erschien ihm aber ziemlich unglaubwürdig, er nahm sie aber mit einem Kopfnicken hin.

Ein paar hundert Meter später hielt er am Straßenrand an, als sich eine Gelegenheit bot.

"Warum hältst du?", fragte sie überrascht.

"Meinst du nicht, dass ich verdient hätte, dass du ehrlich zu mir bist?", fragte er. Dann sprach er weiter, bevor sie etwas sagen konnte: "Diese Sache mit dem nicht bezahlten Strafzettel. Für wie dumm hältst du mich? Deswegen rückt doch nicht gleich die Kripo an. Also was ist los?"

Anita sah ihn stumm an. Dann zuckte sie die Achseln und ließ ein unschuldiges Lächeln über ihre Lippen huschen.

"Ich bin eine Einbrecherin. Professionelle Diebin. Und ich muss bei meinem letzten Fischzug irgend eine Spur hinterlassen haben."

Andreas fuhr sie verärgert an: "Na klar. Und ich bin Batman. Warte, ich ziehe rasch mein Kostüm..."
Er brach ab, sah sie noch einmal an und stotterte: "Das ist dein Ernst? Das ist wirklich dein Ernst?"

Sie nickte. "Weißt du noch, als ich damals abends schwimmen war, und du mir aus meinem Neoprenanzug geholfen hast? Das war das erste mal, seit ich...", sie stockte, fing dann neu an, "Alles war sauber durchgeplant. Der Anzug macht mich für Infrarotkameras praktisch unsichtbar, und ich kann prima im Dunkeln sehen. Und ich habe einige Dinge auf Lager, bei denen es Zirkusartisten flau im Magen würde."

"Was ist schiefgegangen?"

Sie zuckte die Schultern: "Ich habe keine Ahnung, woher plötzlich der Wachmann mit dem Hund kam. Die Tage vorher war nie einer dagewesen. Ich musste einen ziemlichen Sprint einlegen und bin quer über eine Nebenstraße gesprungen. An dem Haus dort habe ich mich mit Mühe und Not an der Dachrinne festklammern können. Und als ich mich hochgezogen habe, habe ich mir einen Muskelriß zugezogen. Insofern war ich dir echt dankbar, dass du den Anzug aufgemacht hast. Ich habe wohl ein wenig zuviel auf meine Superkräfte vertraut."

Andreas schüttelte ungläubig den Kopf. "Hat Kai dich auf die Idee gebracht? Erst zu einem Werpanther gemacht und dann auf Raubzug geschickt?"

Anita lachte leise: "Nein, auch wenn es sich prima in sein Bild als Schurke einfügen würde. Das mache ich schon viel länger. Ich nehme von den Reichen und gebe den Armen. Naja. Zumindest kann man sich das ja einreden, es kommt nur darauf an, wie man ´die Armen´ definiert..."
Auf seine ungeduldige Geste hin hob sie entschuldigend die Hände und verzog bei der unbedachten Bewegung schmerzhaft das Gesicht: "Nein, Kai hat keine Ahnung, das ist ja das Verrückte. Es hätte mich zwar sicher attraktiver gemacht, aber ich kann ja nicht jedem auf die Nase binden, wovon ich lebe."

"Verdammt, und warum ist jetzt die Polizei hinter dir her?"

Sie zuckte die Schultern: "Ich habe keine Ahnung. Ich muss irgend eine Spur hinterlassen haben, oder sie haben mühsam die Bilder der Überwachungskameras der Tage vorher ausgewertet. Vielleicht waren meine Verkleidungen nicht gut genug, als ich mich vorher umgesehen habe und es hat mich jemand erkannt."
"Es gibt tausernderlei Möglichkeiten, und wirklich erfahren werden wir es erst, wenn ich vor Gericht stehe und du deine Aussage machst, wie du mich quasi in flagranti an dem Abend erwischt hast. Aber das würde ich gerne vermeiden, wenn es möglich wäre."

Andreas stimmte ihr zu. Er fuhr wieder an, dabei überlegte er laut: "Dann sollte ich aber trotzdem zur Polizei gehen und eine Aussage machen. Über deine ordentliche Lebensweise, wie gut du dich bei uns in die Hausgemeinschaft integriert hast, und dass ich keine Ahnung habe, wo du bloß steckst magst."

Anita überlegte einen Moment, dann stimmte sie ihm zu. "Das wird wohl das beste sein. Wenn du nicht auftauchst, dann werden sie anfangen, sich auch zu fragen, was du wohl in deiner Freizeit machst."
Der Rest der Fahrt verlief schweigend.

Andreas fuhr direkt auf den Hof von Kais Haus. Er öffnete die Tür, dann nahm er Anita wieder auf den Arm und trug sie hinein.

"Wenn das noch länger zum heilen dauert, dann sollte ich dir vielleicht von dem Orthopädetechniker um die Ecke einen Rollstuhl ausleihen..."

Anita wehrte ab: "In ein paar Tagen müsste alles wieder in Ordnung sein, hoffe ich. Du hast das einzig richtige gemacht, die Wunden auszuwaschen, dabei müsstest du den größten Teil der Silberrückstände entfernt haben."

Er trug sie die Treppe hinunter und gab dann einen überraschten Laut von sich, denn die Tür zu der Zelle stand offen.

Zwei schnelle Schritte zur Tür bestätigten seine Befürchtung: die Zelle war leer, bis auf die geöffneten blutigen Fesseln. Andreas blieb mit geöffnetem Mund stehen. Dann murmelte er: "Wir müssen hier verschwinden."

Anita stimmte mit leicht panischem Blick zu: "Er muss Hilfe gehabt haben."

So schnell es ging, verließen die beiden das Haus, setzten sich in das Auto und fuhren los.

Nach ein paar Kilometern fuhr Andreas in einen kleinen Weg und stellte den Wagen ab. Zur Hälfte war er froh, dass ihr Problem sich von allein erledigt hatte, zur anderen Hälfte befürchtete er, dass er mit der Art der Problemlösung noch Schwierigkeiten bekommen würde.

"Verdammt. Was machen wir jetzt?"

Anita dachte nach, dann antwortete sie: "Er muss Hilfe gehabt haben. So oder so. Erstens glaube ich dir, dass du die Fesseln richtig verschlossen hast. Es ist unmöglich, alleine herauszukommen, das weiß ich nur zu gut. Und zweitens hast du ihn mit dem Silber schwer verletzt, wahrscheinlich eher verstümmelt, wenn er so lange ohne Bewusstsein war."

"Als er dich... in deiner Wohnung, da hat er erzählt, dass du ihn schwer verletzt hattest und gefesselt zum Sterben liegen gelassen hast. Hätte er da alleine entkommen können?"

Anita runzelte die Stirn, dann nickte sie. "Vielleicht. Es waren alles normale Verletungen und es war kurz vor Vollmond." Sie setzte an, etwas zu sagen, dann brach sie ab.

Andreas kratzte sich am Kopf: "Dann bleiben eigentlich nur zwei Möglichkeiten: entweder wir vereinbaren einen Frieden mit ihm. Es kann doch nicht angehen, dass wir uns gegenseitig an die Kehlen gehen, bis einer oder alle tot sind. Oder wir tun genau das. Die dritte Möglichkeit, zur Polizei zu gehen, scheidet aufgrund deiner Vorgeschichte wohl aus."

Sie stimmte schnell zu: "Nicht nur das. Wir... sie würden uns..."

Andreas unterbrach sie: "Das kann ich mir nicht vorstellen. Wir leben in einem Land, wo es Menschenrechte gibt, und auch Tierschutzgesetze. Sie könnten dich nicht einfach so wegsperren."

"Ich denke schon.", unterbrach Anita ihn, "Ich bin eine Gefahr für die Allgemeinheit. Ich bin eine Verbrecherin und ein wildes Tier. Ich jage und ich töte. Keine Menschen, zugegeben, aber das ist doch sicher nur eine Frage der Zeit.", sie schürzte sarkastisch die Lippen, "Ganz klar eine Gefahr für die Allgemeinheit. Normales menschliches Verhalten ist das wohl nicht. Meinst du nicht, ein netter Platz in einer geschlossenen Psychiatrie, mit einer schönen Gummizelle, unter Drogen gesetzt, bis ich eine zahme, faule Käfigkatze bin, vergessen von allen ausser einem Heer Forscher, die aus mir Medikamente gewinnen wollen..."

Sie brach ab und Andreas konnte die nackte Angst in ihren Augen sehen. Er beugte sich zu ihr hinüber und nahm sie tröstend in den Arm. Anita brach in Tränen aus. Als sie sich etwas beruhigt hatte, schluchzte sie: "Ich weiß doch auch nicht, was ich tun soll. Ich will doch nur ein normales Leben."

Namensdreher auf Lilalus freundlichen Hinweis hin weggedreht
42. RE: Anita

geschrieben von SteveN am 24.07.06 09:48

Hallo Butterflieger !

Tja, Anita möchte ein ganz normales Leben.
Das geht ja auch fast gut, bis auf die drei Tage bei Vollmond.
Für diese Zeit muß sie in die Gummizelle, Zwangsjacke bzw.
Fesselbett etc. ...
Nur wenn Anita und die anderen WERers dem Zustimmen,
dann könnte daraus was werden.

Viele Grüße SteveN
43. RE: Anita

geschrieben von living_and_laughing am 24.07.06 10:29

--->Kai stimmte ihr zu<----
*buahahahahahahaha-irrelach*
ZWEIMAL den gleichen Fehler bezeugt eindeutig, daß Du seeeehr in die Geschichte eingebunden bist und von Deiner eigenen Spannung zehrst.
*ichlachmichbucklig-----ähhhhhbinichjaschon* *kringel*

Doch, die Geschichte ist gut zu lesen, aber woher Du Dein Urteil über "ungefährliche" (Wer)Bären hast, würde mich echt interessieren.
Ich hätte allemal weitaus mehr Muffensausen vor einem Bären als vor einem Wolf oder Leoparden und Geparden wären niedlich, aber Bären? Ungefährlich?
44. RE: Anita

geschrieben von living_and_laughing am 24.07.06 10:30

Kann mir eigentlich noch jemand verraten, wie ich meinen obigen Text zweigeteilt habe?
*grübelrätselwissbegier*
45. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 24.07.06 12:24

Text zweiteilen: geht zumindst mit 5 * "-". Ansonsten weiß ich das auch nicht.

-----

Der Hinweis mit dem Namen wurde eingearbeitet und ich werde einfach seltener posten und gründlicher nochmal lesen *seufz*, *an die Brust klopf*
Verfluchte Tat, ich fange wieder an, Geschichten in der ersten Person zu schreiben, die Einsiedler alleine in der Wildnis erleben. Oder ich vergebe statt Namen Nummern, die kann ich mir dann merken.

-----

Das mit dem Werbären und dass der ziemlich mickrig wäre, bezog sich darauf, dass ein Eisbär (größtes derzeitig lebendes Landraubtier) bis zu 650kg wiegt.

Und wenn jetzt der durchschnittliche Mann mit 80kg (keine Daten da, geschätzt) zum Wereisbär würde, wäre dieser entweder ziemlich klein oder sähe ziemlich verhungert aus.
Es sei denn, es gäbe einen mystischen Massezuwachs.

Natürlich gibt es auch kleinere Bären, aber ich stehe tatsächlich auf dem Standpunkt, dass ein Waschbär oder kleiner Panda in erster Linie nicht wirklich furchteinflößend ist...

Die Liebelle
(äh... Motte? Wie war noch der Nick?)
46. RE: Anita

geschrieben von living_and_laughing am 24.07.06 14:13

Bist also ne liebe Libelle. *g*
Allerdings finde ich es höchst unanständig und erprersserisch, wenn Du damit drohst, Deine Geschichte NOCH seltener fortzuführen, nur wegen solcher Flüchtigkeitsfehler. Das ist eine gaaaaanz billige Retourkutsche und Deiner nicht würdig.
*-----*

*empörtguck*
47. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 24.07.06 19:01

... mitnichten und mitneffen, Ihro verehrtheste Empörtheit.

Keineswegs handelt es sich um ein verkehrt rum rollendes Gefährt, vielmehr um meinen untertänigsten und unfähigen Versuch, die Wahrhaftigkeit und Korrektheit der von mir beschriebenen Fiktion in der Orthogonalität zu behalten.

Kurz und gut: ein einfach Versuch, ein ISO9000 Qualitätsmanagement einzuführen.
*sfz*. Nä. Lieber doch nicht, sonst droht die Insolvenz )).
Dann lieber weiterhin mit Fehlern, die den Widerspruch meiner wertesten Zuhörer (oder -leser) reizen...

Der
Zitronenfalter
*klapp*
*falz*
48. RE: Anita

geschrieben von Nachtigall am 24.07.06 22:26

Huhu,

die 80 kg-Wölfe kennt Wikipedia! Muss ich aber hier nicht verlinken, oder?

Den Leoparden verschwinden zu lassen war fies von dir. Ich hatte mich schon so gefreut, dass der jetzt sein Fett weg kriegt!


Wervogel-Grüße
49. RE: Anita

geschrieben von Why-Not am 24.07.06 22:35

Daß die Idee meiner fiebrigen Muse so viel Diskussionen ausgelöst hat ...

Tja, Spottdrossel, daß der Wer-Kai verschwinden mußte, wenn die Story nicht ihres eingeführten Antagonisten verlustig gehen will, ist doch eigentlich naheliegend.

Dann putze ich schon mal meinen Silber-Sublimierer, um angreifende Wer-Tomaten schnell versilbern zu können.

Why-Not

PS: Die Story gefällt mir natürlich weiterhin.
50. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 25.07.06 07:40

Hallo Nachtigall und Why-Not,
Why hat natürlich recht.... sonst hätte es ja auch auf einen glatten Mord oder sowas in der Art hinauslaufen müssen. (und das wäre natürlich ungesetzlich und sowas würden die Protagonisten meiner Geschichte nie tun *hüstel*.)

Interessanter als die Antwort von der Metaebene (Why ist ein übler Verräter von Story-Writer-Geheimnissen ) ist natürlich die Frage, warum er verschwunden ist... aber dazu bedarf es aufgrund der ISO9001 Bemühungen noch etwas Geduld...

Zum Thema Wikipedia habe ich so meine eigene Meinung. Zum Überblick ist´s durchaus nett, aber gerade was solche Details angeht manchmal irreführend bis regelrecht falsch (muss man sich nur mal das Thema Netzwerktechnik ansehen... da gibt´s ganz klare Standards (IEEE oder RFCs)...).

Habe mich ansonsten mal etwas umgesehen. Es scheint in sehr seltenen Fällen auch 80-90kg-Wölfe gegeben zu haben (oder zu geben), die werden aber selbst auf der englischen Wikipedia-Seite als abnormal bezeichnet.
Diese übergewichtigen (sicherlich nur bei Vollmond gefangenen Wer-)wölfe finden sich auch auf anderen Seiten, aber eigentlich immer als Ausnahmen deklariert.

aber genug von der Korinthenkackerei, in näherer Zukunft ein weiterer Teil.
Butterfly
51. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 25.07.06 08:42

...weiter geht´s

Hieroskopie

Sie fuhren nach Hause. Kurz vor ihrem Ziel bog Andreas in eine Seitenstraße ab und hielt vor einem Orthopädiegeschäft.
Anita schüttelte den Kopf. "Lass mal. Schau, ich kann meine Hände schon wieder etwas bewegen, und bei den Füßen sieht es genauso aus. Morgen werde ich wieder laufen können, denke ich. Es wird zwar sicher noch ein paar Tage weh tun, aber..."

"Gut...", er kratzte sich am Kopf. "Ich verstehe dich richtig, dass du heute nacht ein völlig normaler Mensch bleibst, ja?"

Anita nickte.

"Ok. Dann bringe ich dich jetzt in meine Wohnung. Dort wird dich hoffentlich niemand suchen. Du ruhst dich aus und ich sehe mich um und mache den Termin bei der Polizei."

Zwei, drei Leute schauten, als er sie aus dem Auto hob und zur Haustür trug. Aber da ließ sich um diese Zeit nichts gegen machen, die Straße war einfach zu belebt.

Er legte Anita vorsichtig auf dem Sofa ab. "Ist das bequem genug, bis ich wiederkommen?"

Sie stotterte und druckste herum.

Zunächst verstand er nicht, was sie von ihm wollte, dann schlug er sich mit der Hand vor den Kopf. Zunächst half er ihr auf die Toilette, dann holte er etwas zu trinken und schmierte ein Butterbrot.

"Soll ich dich füttern, oder kannst du das schon greifen?"

Sie versuchte es, aber Andreas konnte sehen, dass sie Schmerzen hatte, also fütterte er sie.

Dann fragte er, ob noch er noch etwas tun könnte. Als sie verneinte, nahm er das Telefon und rief bei der Polizei an. Er erfuhr, dass er gerne jederzeit kommen könnte, daher verabschiedete er sich von Anita nachdem er aufgelegt hatte und fuhr zur Kriminalpolizei.

Er wurde von einem freundlichen Polizisten empfangen und in einen kleinen Raum geführt. Dann stellte der Polizist ihm eine Menge Fragen über Anita und über die anderen Bewohner seines Hauses.

Andreas antwortete so nah wie möglich an der Realität, ausser bei allen Fragen, die Anitas Verbleib angingen, hier gab er an, dass er sie seit dem Grillabend nicht mehr gesehen hätte.

"Ich habe sie zu ihrer Wohnung gebracht, ihr die Treppe hinaufgeholfen. Oben an der Treppe ging es ihr schon wieder so gut, dass sie mich weggeschickt hat. Ich war müde, daher bin ich dann auch bald ins Bett gegangen."

Schließlich dankte ihm der Polizist und stellte das Diktiergerät ab: "Ok, das wäre es dann."

Andreas nickte und stand auf, dann hielt er inne: "Ich hätte da auch noch eine Frage. Worum geht es eigentlich überhaupt? Frau Hoch scheint verschwunden zu sein. Sucht die Polizei sie, weil sie verschwunden ist, oder ist sie verschwunden, weil die Polizei sie sucht?"

Der Polizist machte ein etwas unglückliches Gesicht, das er sicherlich hunderte Male geübt hatte, und schüttelte den Kopf: "Es tut mir leid. Laufende Ermittlungen, ich darf Ihnen leider nichts sagen. Aber ich würde ihr sehr gerne ein paar Fragen stellen."

Er war nicht viel schlauer geworden, aber er war sich ziemlich sicher, der Polizei nicht viel erzählt zu haben, was sie nicht bereits wussten.

Er ging zu der Pfandleihe. Diesmal wurde er auf seine Frage nach Jonathan nach hinten geführt, in das Büro.

Jonathan wirkte angestrengt und war kurzatmig. Andreas schilderte ihm in kurzen Worten, was geschehen war.

"Dein Zauber hat wirklich geholfen. Ohne ihn wäre ich bei weitem nicht schnell genug gewesen, um es mit Kai aufzunehmen."

Sein Gegenüber nickte bedächtig: "Mag sein. Aber du hast es nicht zu Ende gebracht."

Andreas fauchte ihn an: "Zu Ende gebracht? Warum denkt ihr alle, ich würde einfach so einen Menschen ´zu Ende bringen´? Habe ich meine Arbeit nicht richtig gemacht? Mich als schlechtes Werkzeug erwiesen?"
Jonathan gab keine Antwort, also fuhr Andreas fort, ruhiger jetzt: "Das einzige, was ich wissen will, ist wie ich Kai finde und wer ihm geholfen hat. Wahrscheinlich hat ihn auch schon damals jemand befreit, als Anita ihn im Keller gefesselt hat. Und jetzt wieder. Und ist dann mit ihm verschwunden."

Jonathan nickte und bestätigte: "So sieht es aus."

"Und du hast keine Idee, wie wir herausfinden könnten, wo Kai jetzt steckt und wer ihm geholfen hat?"

Jonathan sah ihn einige Sekunden lang an. Dann seufzte er auf und sagte dann leise: "Das wird nicht billig werden."

Jetzt war Andreas Geduld endgültig zu Ende. "Das gibt´s doch wohl nicht", fuhr er Jonathan an, "bei der Sorte Geschäfte, mit der du dein Geld verdienst, solltest du dir über Geld wohl kaum Gedanken machen."

"Ich habe nicht von den finanziellen Aspekten geredet", sagte Jonathan kopfschüttelnd, "und was die Geschäfte angeht: ich habe eine Menge Dinge getan, die ich hinterher bereut habe, aber auch Dinge, die ich immer wieder tun würde. Aber du bist nicht derjenige, der über mich urteilen wird, oder?"

Andreas sah ihn verwirrt an, dann stotterte eine Entschuldigung, die Jonathan mit einer Handbewegung abtat: "Ich habe mich mißverständlich ausgedrückt. Ich meinte, es wird nicht billig werden, was Blut und Magie anbelangt. Komm mit."

Jonathan machte eine auffordernde Handbewegung und ging in den kleinen, mir Kartons zugestapelten Flur, der zur Hintertür führte. Er bog in einen winzigen Gang ein, der aus der Seitenstraße zwischen zwei Häusern hineinführte. Von dort ging es durch einen Hausflur, über eine Straße, auf einen weiteren Hinterhof. Jonathan schloß eine Tür auf und ging die Treppe hinauf. Schon nach der ersten Treppe begann er zu keuchen.

Schließlich war er auf dem obersten Treppenabsatz angekommen. Aus einer Ecke nahm er einen Besenstiel mit einem Haken und öffnete eine Luke mit einer Dachbodentreppe.
Auf dem Dachboden öffnete er eine Luke, die hinaus auf einen schmalen Steg führte.

Das erste Mal, seit sie das Hinterzimmer der Pfandleihe verlassen hatten, fragte Andreas, wo sie eigentlich hingingen.

Die Antwort war einfach: "Nach oben. Wir müssen hinauf. Dort finden wir sie. Bleib hier. Ich bin gleich wieder da."

Tatsächlich dauerte es kaum eine Minute, bis er sich wieder durch die Dachluke quälte.
In der Hand hielt er ein Päckchen, das sich zu bewegen schien. Er forderte Andreas auf, mitzukommen. Jetzt ging die Reise hinunter, in einen kahlen Kellerraum.

Jonathan seufzte, dann zog er ein Stück Kreide aus der Tasche und malte einen Kreis auf den Fußboden, rund um sich herum. Er sah Andreas mahnend an: "Was auch immer passiert: Überschreite nicht den Kreis. Was auch immer du hörst und siehst, was auch immer ich sage. Überschreite nicht den Kreis, schweig still und merke dir, was du siehst und hörst."

Dann zog er ein Messer aus der Tasche und ritzte in seinen Unterarm.

"Schließ die Augen."

Andreas gehorchte und spürte, wie etas Feuchtes seine Augenlider berührte, dann seine Ohren. Jonathan murmelte etwas, was er nicht verstehen konnte.

"Du kannst sie wieder öffnen, vielleicht ist es aber weniger verwirrend, wenn du sie geschlossen läßt."

Andreas nahm ein eigentümliches Doppelbild war, sich selbst, wie er in der Ecke des Raumes stand und Jonathan, wie er ihn ansah. Alle Geräusche schienen ein merkwürdiges Echo zu haben.

Jonathan wandte sich ab und trat in den Kreis und drehte sich eimal murmelnd und gestikulierend um seine Achse, dann öffnete er das Päckchen. Andreas war von den Doppelbildern etwas schwindelig, also schloss er seine Augen. Jetzt sah er nur noch durch Jonathans Augen. Er sah, wie Jonathan die Taube in der linken Hand hielt, einige beschwörende Worte murmelte und dann das Messer in sie hineinstieß.

Er ging in die Knie und legte das tote Tier hin. Er öffnete den Körper, studierte die Innereien, während er weitermurmelte.

Andreas wünschte, er hätte jetzt die Augen schließen können, aber er hatte keinen Einfluß auf das, was er sah.

Dann schrie Jonathan auf: "Komm her!"

Kurz dachte Andreas, dass er gemeint wäre. Er machte einen Schritt nach vorne, dann erinnerte er sich an Jonathans Worte und blieb stehen.

Plötzlich stand eine zweite Person im Kreis, eine junge Frau. Auf ihrer Brust hing eine Kette mit einem silbernen Ankh.
Sie sagte freundlich und ruhig: "Du solltest das nicht tun. Es ist nicht an Menschen, zu erfahren, was geschrieben steht."

Jonathan keuchte und murmelte überrascht: "Du?"

Die junge Frau lächelte: "Du wusstest, dass ich irgendwann kommen würde, oder?"

Nach einigen Sekunden schien er sich gefangen zu haben. Abgehackt sagte er: "Gib... mir... drei Antworten."

Die Gestalt sagte ernsthaft: "Es ist deine Sache. Du kennst den Preis? Und du weisst, dass es dir nichts nützen wird?"

Jonathan nickte. Auch die Frau nickte ernsthaft, besiegelte den Handel.

Dann fragte er: "Wo ist der Werleopard Kai?"

"Er wandelt auf der Grenze zwischen meiner und meines Bruders Domäne."

"Wer hat ihm geholfen, zu entkommen?"

"Die Scharfrichter."

"Wie kann Andreas ihn überwinden?"

Sie lächelte wieder: "Die kleine Katze kann ihn nicht überwinden."

Sie hatte die Antworten geduldig gegeben. Sie wartete einen winzigen Moment, dann streckte sie die Hand aus und sagte bestimmt: "Du hast die Antworten bekommen. Jetzt komm."

Plötzlich verschwamm das Bild, das Andreas durch Jonathans Augen sah, dann sah er nichts mehr. Jetzt erst schlug er die Augen auf und sah, wie Jonathan der schwarzhaarigen jungen Frau mit dem merkwürdigen Hut die Hand gab, dann zusammenbrach und gleichzeitig neben ihr stehenblieb.

Sie sah Andreas in die Augen, lächelte ihn freundlich an und sagte: "Wir sehen uns...", dann drehte sie sich um und verschwand spurlos mit dem stehengebliebenen Jonathan, dessen toten Körper auf dem Boden zurückblieb.

Jonathan war tot, soviel war sicher.
Dazu musste Andreas nicht seinen Puls fühlen.
52. RE: Anita

geschrieben von living_and_laughing am 25.07.06 10:18

Naja, immerhin hat Andreas nun die Gewissheit, daß es ein Leben nach dem Tod gibt. *g*
Darum beneide ich Ihn direkt.....
53. RE: Anita

geschrieben von träumerin am 26.07.06 01:22

Huhu, Schmetterling,

schön, dass du wieder da bist. Ich habe dich vermisst. *anlächel*

Und eine wunderbare, gruselige, sehr spannende Geschichte hast du uns mitgebracht. Da ich nicht mehr viele lese, habe ich sie erst heute gefunden. Und hatte damit zumindest den Vorteil, ein paar Kapitel auf einem Male lesen zu können.

Mir gefällt aber nicht nur deine Story sehr gut, sondern auch die herrlichen Kommentare dazwischen. Wenn ich ehrlich bin, so habe ich diese mindestens genauso vermisst wie dich und deine Geschichten.

Einen lieben Gruss
die träumerin
54. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 26.07.06 08:59

... das mit dem Leben nach dem Tod ist ein Missverständnis. Sagen wir mal, Andreas hat die Gewissheit, dass eine freundliche anthropomorphe Manifestation existiert, die denjenigen abholt.

Ich gebe ja ehrlich zu, dass "Death" von den "Endless" mir erheblich lieber ist, als klassischere Vorstellungen vom Tod. Ich mag keine Sensen. Und Gerippe sind mir zu knochig.
Die freundliche junge Frau nicht auf meinem Mist gewachsen, aber so ein kleiner Gastauftritt...

Träumerin, es ist schön, wieder von dir zu hören, und wenn ich dazu beitrage, dich zu unterhalten, dann habe ich einen Platz in der Welt

Grüßle
Butterfly.
P.S.: Kommt ein Skelett in eine Bar: "Ich hätte gerne ein Bier und ein Tuch zum aufwischen."
55. RE: Anita

geschrieben von SteveN am 26.07.06 09:57

Hallo Butterfly !

Oh habe ich da was mit dem Jonathan
vom Pfandhaus falsch verstanden ?
Er hat sich für Andreas geopfert ?
Er ist freiwillig ins Jenseits gegangen.
*Grübel*
Und wie bringen diese Antworten Anita und Andreas weiter ?

Viele Grüße SteveN
56. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 26.07.06 19:05

Lieber SteveN,
freiwillig geopfert würde ich nicht sagen. Der gute Mann hatte eindeutig ein deutliches Herzproblem.

Und bei der Überraschung, die er zeigt, als die freundliche junge Dame auftaucht, würde ich sagen, eigentlich hat er jemand anders erwartet.
Allerdings hat er dann noch versucht, das beste aus der Situation zu machen, da er sowieso abtreten musste... es bringt meistens nicht viel, mit Death zu handeln, aber man kann es ja versuchen.

So war´s jedenfalls gedacht.
Butterfly

P.S.: eigentlich wollte Jonathan natürlich Destiny beschwören, Deaths Bruder. Der hätte nämlich gewusst, was geschrieben steht.
So bleibt euch nichts übrig, als auf mich zu warten.
57. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 26.07.06 19:18

Visite

Andreas wollte fluchen, aber es fiel ihm einfach nichts ein, was zu der Situation gepasst hätte. Er hatte Antworten haben wollen. Er hatte Antworten bekommen. Zwar waren es nicht die Antworten auf die Fragen, die er gestellt hätte und auch keine, mit denen er wirklich etwas hätte anfangen können. Jedenfalls hatte er den Eindruck, dass es so wahr.

Aber jetzt war ein Mensch tot.
Und er hatte er einen Toten am Hals, der unter mehr als merkwürdigen Umständen gestorben war.

Hatte ihn jemand mit Jonathan gesehen? Gab es Spuren, die auf ihn hinwiesen? Konnte er einfach verschwinden? Oder sollte er lieber zur Polizei gehen? Jonathan hatte gesagt, dass Anita seine Nichte wäre. Wenn das wirklich stimmte, würde das seine Geschichte, dass er gar nichts über Anita wüsste, nicht gerade untermauern. Und er´hatte überhaupt keine Idee, was er darüber erzählen sollte, was er mit Jonathan in dem Kellerraum getan hatte.

Er entschied sich, dass Flucht die einzige Möglichkeit war. Vor allem die Antwort auf Jonathans letzte Frage machte ihm Sorge. Jonathan hatte ausrücklich nach Andreas gefragt, und die Antwort hatte sich um eine kleine Katze gedreht. Er dachte an den Kratzer auf seinem Rücken, den er am Morgen entdeckt hatte.

Er musste nachdenken. Er brauchte Zeit, denn er hatte keine Idee, wie er die Nachricht von Jonathans Tod Anita weitergeben sollte. Er sah auf seine Uhr und beschloss, dass es eine gute Zeit war, um im Krankenhaus nach der Verletzung an seinem Bein sehen zu lassen, da ihn sein Weg sowieso dort vorbei führen würde.

Er musste eine Weile warten, eh er zum Verband wechseln gerufen wurde. Der Arzt, ein anderer als das letzte Mal, sah sich den Schnitt an, warf noch einen Blick in die Akte, dann fragte er verwundert: "Noch keine drei Tage her? Sieht eher aus wie drei Wochen. Höchste Zeit, die Fäden zu ziehen, sonst wachsen die ein."

Das Ziehen der Fäden war nicht weiter schlimm. Anschließend warf der Arzt noch einmal einen Blick auf das Röntgenbild von Andreas linkem Arm, dann sah er nachdenklich auf den Gips: "Hmmmm.... vielleicht sollte ich noch ein Röntgenbild von ihrem Arm in dem Gips machen lassen. Nur um sicherzustellen, dass die Knochenstücke gerade zusammenwachsen."

Andreas winkte mit pochendem Herzen ab: "Aber wir haben doch direkt nachdem er geschient wurde ein Bild gemacht. Ich habe gut aufgepasst und keine Kunststücke mit dem Arm gemacht. Warum sollte sich da etwas verschoben haben?"
Der Arzt gab nach, wenn er auch nicht glücklich dabei aussah: "Aber in drei Wochen sollten wir den Gips wechseln und eine Nachkontrolle machen."

Andreas schwor sich, dass er vorher sicher kein Röntgenbild von dem Arm machen lassen würde, denn er war sich gar nicht so sicher, ob er Fortschritt der Heilung dokumentiert haben wollte. Und er begann Anitas Verfolgungswahn zu verstehen.

Als er ging, sah er die Schwester, die ihn bei seinem letzten Besuch betreut hatte. Er forschte kurz in sich nach dem Namen, dann rief er leise: "Schwester Kerstin?"
Sie drehte sich um und er sprach sie an: "Ich wollte mich entschuldigen. Ich glaube, ich war nicht besonders umgänglich."
Zuerst wusste sie offenbar nicht, mit wem sie es zu tun hatte, doch als Andreas den pinken Gips anhob, grinste sie.

"Oh ja. War nicht so schlimm. Ich bin schon mit übleren Patienten fertig geworden. Und sie waren dann ja ganz ok, nachdem ich sie ein wenig zurechtgerückt hatte."

Andreas nickte. Dann fragte er, in fester Überzeugung, dass sie ablehnen würde: "Wie wäre es, wenn ich sie zu einem Kaffee einladen würde?"

Überraschenderweise stimmte sie zu: "Ich wollte jetzt sowieso eine kleine Pause machen, da können wir in die Cafeteria gehen."

Über den Kaffee sprach er sie noch einmal darauf an: "Ich muss mich benommen haben, wie ein echtes Arschloch..."

Sie lachte leise, dann schüttelte sie den Kopf: "Sie waren noch reichlich benommen von dem Beruhigungsmittel. Davon merkt man selber gar nichts, und sie scheinen halt etwas störrisch zu sein. Aber ich war auch nicht wirklich nett. Normalerweise bin ich geduldiger, aber ich war voll im Stress und konnte nicht bei ihnen sitzen bleiben und Händchen halten..."

Sie war wirklich nett. Schließlich fragte sie: "Wie haben sie sich eigentlich verletzt?"

Andreas runzelte die Stirn und überlegte einen Moment lang. Es wäre doch nicht schlecht, wenn er jemanden im Krankenhaus hätte, auf den er bei Bedarf zurückkommen konnte.
Er setzte sein breitestes Grinsen auf und beugte sich zu ihr hinüber.
"Das ist ein Geheimnis. Sie dürfen es niemandem erzählen. Und ich habe dann einen Gefallen bei ihnen gut."

Sie spielte überrascht: "Ein Geheimnis?", und gab einen staunenden Laut von sich.
Dann hob sie die Hand. "Ich werde schweigen wie ein Grab."
Sie beugte sich vor und sah ihn gespannt an.

"Gut. Also, da ist diese Mieterin bei mir im Haus, die mich umbringen wollte, weil ich herausgefunden habe, dass sie eigentlich ein Werwolf ist. Aber sie konnte es nicht über das Herz bringen. Und als sie gerade dabei war, mir ihr Herz auszuschütten, da kommt ihr Ex rein. Auch ein Werwolf."
Er zog eine bedrohliche Grimasse.
"Ein richtiges Ekel. Jedenfalls fängt er an, sie zu verprügeln. Ich werfe mich also dazwischen und habe ihn schon fast niedergerungen, da packt er meinen Arm und...", er nickte in Richtung des Gipsarms.
"Dann hat er sich die Frau gepackt und sie aus der Wohnung geschleppt. Und jetzt muss ich mich auf den Weg machen, ihr zu helfen, denn ausser mir hat sie keine Hoffnung auf Rettung."

Die junge Schwester schlug die Hand vor den Mund und spielte mit großen Augen Überraschung. Dann lachte sie los.
Andreas stimmte ein.

Schließlich japste sie: "Das war die beste Story, die ich bisher erzählt bekommen habe."

Er grinste und deutete eine Verneigung an. "Nun, wenn es ihnen gefallen hat, würde es ihnen etwas ausmachen, mir ihre Handynummer zu geben?"

Sie gab sie ihm.

-----

"Jonathan ist tot."

Anita sah ihn erst ungläubig an. Als er dann bestätigend nickte, schüttelte sie traurig den Kopf.

Andreas erklärte ihr, was geschehen war.

Dann fügte er hinzu: "Ich glaube nicht, dass Jonathan sich das so vorgestellt hat. Eigentlich wollte er wohl die Taube opfern. Aber der... die Frau hat ihn genommen, hat ihm gesagt, dass Menschen nicht wissen dürfen, was geschrieben steht. Und sie hat zu mir gesagt, dass wir uns wiedersehen werden."

Anita überlegte eine Weile, dann bat sie ihn, noch einmal die Fragen und die Antworten zu erzählen.

"Zuerst hat er gefragt, wo Kai ist. Darauf hat sie gesagt, er wäre zwischen ihrer und ihres Bruders Domäne. Dann hat er gefragt, wer ihm geholfen hat. Sie hat gesagt, es wären die Scharfrichter gewesen. Und dann hat er gefragt, wie ich Kai überwinden könnte. Und sie hat gesagt, dass ich ihn nicht überwinden kann."
Er gab die letzte Antwort absichtlich nicht im Wortlaut wieder. Er seufzte: "Ich habe mir das wieder und wieder durch den Kopf gehen lassen. Das ist total sinnlos!"

Anita kniff die Augen zusammen. "Du wirst sie wiedersehen. Und sie hat Jonathans Seele oder was auch immer mitgenommen. Wahrscheinlich wird wohl jeder sie irgendwann mal sehen. Ich denke, sie ist der Tod. Wer auch immer ihr Bruder ist. Der Schlaf vielleicht? Ihre erste Antwort muss heißen, dass du Kai schwer verletzt hast und dass er im Koma liegt oder so etwas."

Andreas stimmte zu. "In etwa so weit bin ich auch gekommen."

"Gut. Die Scharfrichter. Das ist wirklich komisch. Keine Idee. Wieso Scharfrichter. Wieso retten Scharfrichter jemanden?"
Sie schüttelte verwirrt den Kopf, dann fuhr sie fort: "Und die letzte Frage... die Antwort läßt jeden Interpretationsspielraum. Vielleicht stirbt er so oder so. Vielleicht... nein. Überwinden. Was für ein komisches Wort. Typisch für Jonathan, er ist immer..."

Sie brach ab und schluchzte auf. Schließlich fing sie sich wieder: "Entschuldigung. Er war immer so etwas wie ein Elternersatz für mich. Ich werde mich wohl dran gewöhnen müssen, dass er nicht da ist."

Andreas nahm sie in den Arm und murmelte sein Bedauern. Anita schniefte noch einmal leise, doch dann zog sie ihn eng an sich und küßte ihn ausgiebig.

"Ich bin dir ja so dankbar. Und du machst das alles nur für mich..."

Schließlich gelang es ihm, etwas Abstand zu gewinnen. "Ich mache das nicht nur für dich. Ich glaube nicht, dass Kai mich besonders gerne mag. Und ich glaube, ich bin tiefer in dieser Sache, als du denkst. Er knöpfte seine Hose auf, und zeigte ihr die weisse Narbe an seinem Oberschenkel.

Anita sah ihn fragend an.

"Da hat Kai mir zum Abschied dein Fleischmesser reingestochen. Ich war im Krankenhaus und sie haben die Wunde genäht. Und heute meinte der Arzt, dass die Wunde eher nach drei Wochen aussähe. Sie war wulstig und rot, als er vorhin die Fäden gezogen hat."

"Er... er hat dich infiziert?"

"Nicht mit dem Messer. Als ich ihn mit dem Silber... irgendwie muss er mir mit der Kralle über den Rücken gekratzt haben.Vielleicht, als ich ihn in seinen Keller getragen habe. Jedenfalls schätze ich, dass ich nächsten Monat..."

Anita schüttelte traurig den Kopf: "Es tut mir leid."

"Ich hätte genügend Gelegenheit gehabt, auszusteigen. Ich wusste, was das Risiko dabei ist. Und ist es nur furchtbar?"

Anita brauchte einen Moment, um zu verstehen, was er meinte und dass die Frage durchaus ernsthaft gestellt war. Ihr Gesicht war immer noch traurig, aber sie versuchte, zu lächeln, als sie den Kopf schüttelte. "Nein. Es ist nicht nur furchtbar."
Sie hatte schon viele Jahre zuvor gelernt, überzeugend zu lügen und brachte es nicht über das Herz, ihm die Wahrheit zu sagen.

Später am Abend fragte Anita ihn, ob sie mit ihm zusammen in seinem Bett schlafen dürfte. Andreas wurde rot und hatte ein Problem, zu antworten, also nickte er ruckartig. Anita lächelte, dann humpelte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht in Richtung seines Schlafzimmers.
Andreas wollte sie hochheben und tragen, aber sie wehrte ab: "Das muss allein gehen. Es tut jämmerlich weh, aber ich muss die Sehnen bewegen. Krankengymnastik sozusagen."

Andreas hielt sie die ganze Nacht im Arm, auch wenn er erhebliche Schwierigkeiten hatte, zu schlafen und sein rechter Arm begann, sich anzufühlen wie ein Stück Holz.

Als die Sonne aufging, stand er vorsichtig auf, um sie nicht zu wecken, ging Brötchen holen. Er bereitete ein Sonntagsfrühstück zu, dann setzte er sich geduldig an den Küchentisch und wartete. Und er dachte nach.
Kai wandelte zwischen Ihrer und Ihres Bruders Welt. Im Koma? In einem Traum?
Allerdings blieb dann die Frage unbeantwortet, wo Kais Körper war. Und was er tun würde, wenn er ihn finden würde. Und wer hatte ihn befreit? Was für Scharfrichter? Ein Scharfrichter war ein Henker. Niemand benutzte dieses Wort mehr. Und wieso sollte ein Henker jemanden helfen? Und hatte das was mit Anita und ihm zu tun?

Anita roch den frischen Kaffeeduft, trotzdem brauchte sie fast eine Viertelstunde, bevor sie sich überwinden konnte, aufzustehen. Prüfend bewegte sie ihre Finger, ihre Hände. Es war noch beiweitem nicht alles in Ordnung, aber die Schmerzen waren erträglich. Sie setzte sich auf die Bettkante und musste sich erst einen Moment lang überwinden, bevor sie sich traute, ihre Füße zu belasten.

Mit zusammengebissenen Zähnen stakste sie in die Küche. Andreas schob ihr den Stuhl zurecht.

"Sieht ja so aus, als würde es wieder gehen?"

Anita verzog das Gesicht, dann antwortete sie: "Na ja, könnte besser sein. Aber ich will mich nicht beklagen. Ich hätte mir wohl keine bessere Versorgung wünschen können. So schlimm war es diesmal nicht. Beim ersten Mal habe ich mir wohl schon in der ersten Nacht alle Sehnen zerrissen. Diesmal wusste die Katze vielleicht, dass sie besser nicht versuchen sollte, sich zu befreien."

Sie nahm wahr, wie er bei den Worten "die Katze" die Augenbrauen hochgezogen hatte und verzog das Gesicht: "Entschuldigung, aber das ist so, wie ich denke. Ich habe keine Kontrolle darüber, was ich in den Vollmondnächten tue. Es ist einfach...", sie legte den Kopf schief, kaute kurz auf ihrer Unterlippe herum, dann fuhr sie fort: "Es ist einfacher, wenn ich es mir als ein anderes Wesen vorstelle. Aber du wirst das ja selbst nächsten Monat sehen."

Andreas zuckte zusammen. Er hatte sich seit dem gestrigen Abend keine Gedanken darüber gemacht, dass er offenbar jetzt auch betroffen war.

Anita hatte sein Zucken bemerkt und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Sie beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte ihm ins Ohr: "Mach dir keine Sorgen. In der Nacht vor dem Vollmond passe ich auf dich auf und wir jagen zusammen. Und in der Vollmondnacht werden wir uns zusammen in den Keller sperren. Ich möchte wetten, die beiden Katzen werden eine Beschäftigung finden..."

Andreas musste grinsen: "Wie wäre es mit einem Frühstück, und dann gibst du mir einen kleinen Vorgeschmack auf mögliche Beschäftigungen?"

So wurde es gemacht.
58. RE: Anita

geschrieben von living_and_laughing am 26.07.06 22:23

DIES HIER IST EIN KEUSCHHEITSFORUM!!!!!

Was sollen denn da diese verqueren Anspielungen
Ich möchte mich hier in aller Ruhe auf mein Mönchsleben vorbereiten und nun sowas?

Ich dachte hier gehts um Exkommissionierung, ähhh.... Exkommunismierung, ähhhhhhhh.... Danone-austreibung oder wie dieser Scheiß heißt.....
59. RE: Anita

geschrieben von Why-Not am 26.07.06 22:49

Da mir kein geistreicher Kommentar einfällt, merke ich nur mal bescheiden an, daß ich die Story weiterhin mit Interesse und Vergnügen verfolge.

Why-Not

PS: Ich bräuchte mal wieder ein paar kühlere Tage und etwas mehr Zeit, um selbst weiterzuschreiben.
60. RE: Anita

geschrieben von Billyboy am 26.07.06 23:22

@lal
geht doch nur um Katzen, und die spielen halt nun mal gern!! Was du wieder denkst! ts ts ts
*gg*
cu
Tom
61. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 28.07.06 21:05

Ha! Ich bin völlig exkommunizierungsresistent. Ich kommuniziere einfach weiter. Und meine Form der Verkommunizierung ist ein weiteres Kapitelchen...


Rüstungswettlauf

Einige Zeit später erzählte Andreas ihr seine Überlegungen vom Morgen. Anita wälzte sich auf die Seite und sah ihn nachdenklich an.

"Was heißt das?", fragte sie schließlich.

Andreas räusperte sich, dann sagte er leise: "Ich glaube, wir müssen Detektiv spielen. Noch einmal hinfahren und nachsehen, ob wir irgendwelche Hinweise finden. Fluchtartig zu verschwinden war ein Fehler. Ich weiss einfach nicht, was ich von diesem Orakel halten soll und wie zuverlässig es ist. Wir können nur dabei gewinnen, wenn wir wissen, wo Kai steckt. Wer ihn befreit hat. Die Scharfrichter. Keine Ahnung. Aber ich möchte mich nur ungern von Kai überraschen lassen..."

Er konnte Anitas Gesicht ansehen, dass ihr die Vorstellung nicht gefiel. Aber sie musste sich selbst eingestehen, dass er recht hatte. Sie nickte schließlich. "Aber zuerst gehen wir in Jonathans Pfandleihe."

Andreas zog verwundert die Augenbrauen hoch. Anita erklärte ihm, dass sie sich bewaffnen wollte: "Nur ein Baseballschläger. Und auch wenn sie nicht mehr frei gehandelt werden dürfen, bin ich ziemlich sicher, dass ich weiß, wo ein paar Schreckschusspistolen mit Gasmunition sind." Sie machte eine kurze Pause, dann fuhr sie fort: "Und auch ein paar Leuchtkugeln."

"Was willst du denn mit Leuchtkugeln?", zeigte Andreas sich ratlos, dann verstand er. "Du willst... du willst doch nicht... Verdammt, damit kann man jemand umbringen. Ich möchte keine Konfrontation. Können wir das nicht irgendwie friedlich lösen?"

"Meinst du, ich will es auf eine Konfrontation ankommen lassen? Aber was ist, wenn Kai oder wer auch immer ihn befreit hat das anders sieht?"

Er stöhnte und antwortete mit einem ergebenen Stöhnen: "Also gut. Aber es wird geredet, bevor geschossen wird. Versprochen?"

"Versprochen."

"Aber vorher muss ich noch etwas anderes erledigen. Ich bin in zwei Stunden an der Pfandleihe."
-----

"Meine Güte. Ich schaffe es einfach nicht, sie zu durchschauen. Gestern waren sie noch im Krankenhaus und heute..."
Kerstin Beske - Schwester Kerstin - sah ihn an und runzelte die Stirn. Offenbar meinte er das, was er sagte völlig ernst. "Wie kommen sie darauf, dass irgendwas mit ihrem Arm nicht stimmt, und warum gehen sie dann nicht einfach wieder ins Krankenhaus?"

"Bitte. Ich habe wirklich meine Gründe. Wirklich. Vielleicht kann ich es später erklären. Wird es nun gehen, oder nicht?"

Sie sah ihn an und tippte beim Überlegen mit dem Nagel ihres Zeigefingers ein paar Mal gegen einen Schneidezahn. Dann nickte sie: "Gut. Was solls, es ist ja kein Problem. Aber dann schulden sie mir einen Gefallen."

Zehn Minuten später standen sie in der Röntgenabteilung. Sie redete kurz mit der Röntgenassistentin, die die Augenbrauen hochzog. Offenbar wurde ein weiterer Gefallen eingetrieben. Sie ließ ihn allein. Die Aufnahme war schnell gemacht und Andreas musste nicht lange warten, bis ihm die Röntgenassistentin das Bild in die Hand drückte.
Sie schickte ihn hinunter in die Notaufnahme, Untersuchungszimmer 4.

Er klopfte an die Tür des Zimmers. Schwester Kerstin öffnete. Auf dem Leuchtkasten hing bereits sein altes Röntgenbild.
Sie nahm das Bild, dass er mitgebracht hatte aus dem Umschlag und hing es neben das andere.

Sie studierte es etwa zwanzig Sekunden, dann drehte sie sich zu Andreas um: "Ok. Jetzt müssen sie mir aber doch eine Erklärung liefern."

Andreas wich ihr aus und sah zu dem Schaukasten: "Was ist mit dem Bild? Für mich ist das alles spanisch."

Sie zuckte die Schultern. "Hier... man kann noch sehen, wo die Knochen gebrochen waren... hier, die Verdickungen. Die bilden sich dann in den nächsten Monaten zurück... Das Bild sieht aus, wie bei einer erfolgreichen Nachuntersuchung nach sechs Wochen oder länger."
Sie sah Andreas an und setzte hinzu: "Und nicht nach vier Tagen."

Andreas nickte.

Die Schwester wartete ab, dann fragte sie: "Was ist jetzt mit meiner Erklärung?"

Er seufzte ergeben: "Also, da waren diese Ausserirdischen mit dieser netten kleinen Zeitmaschine..."

Verärgert schnitt sie ihm das Wort ab. "Danke. Verarschen kann ich mich auch selber. Kommen sie wieder, wenn sie mir die echte Geschichte erzählen wollen. Der Arm ist ok. Soll der Gips ab?"

Er nickte, dann fügte er hinzu: "Können wir das so machen, dass ich ihn hinterher wieder anziehen kann?"

Jetzt war die Schwester gündlich verärgert. "Pervers auch noch, was? Gipsfetischist. Wahrscheinlich haben sie sich einfach nie den Arm gebrochen und uns ein falsches Röntgenbild untergeschoben. Warum kommt ihr Leute nicht und sagt, was ihr wollt. Klar geht das. Genug zum Affen gemacht habe ich mich ja bereits."

Sie sägte vorsichtig auf der Innen- und Außenseite einen Spalt in den Gips.

Bevor sie ihn abnehmen konnte, äußerte Andreas hatte noch enen Sonderwunsch: "Können sie ihn dranlassen? Den Rest mache ich dann zuhause."

Die Schwester zuckte mit den Schultern, dann klebte sie wortlos der Länge nach je einen Pflasterstreifen über die Spalten, die sie gerade gesägt hatte. Sie trat einen Schritt zurück.
"Später können sie dann eine Lage Mull draufwickeln. Es wird Probleme mit der Polsterung geben. Mehr als zwei oder dreimal werden sie den Gips nicht anziehen können."

Andreas dankte ihr ernsthaft. Sie schnaubte.
Er griff ihr an die Schulter: "Ich habe sie nicht an der Nase herumgeführt. Schauen sie sich die Röntgenbilder nochmal an. Das ist mein Arm dort. Und unten drauf steht das Datum. Sie waren doch dabei, als der Arzt meine Hand eingerichtet hat."
Sie schnaubte wieder, aber diesmal mehr trotzig.

Andreas ging, den Gips immer noch am Arm. Aber jetzt wusste er, dass er ihn sehr schnell loswerden konnte.
Als Überraschungseffekt.

----

Jonathans Laden war geschlossen, aber Anita hatte tatsächlich einen Schlüssel für die Tür in der Seitenstrasse. Nachdem sie den Laden betreten hatten, schloss sie ab. Dann suchte sie in einigen Schränken herum, zog Kartons unter Regalen im Hinterzimmer heraus und durchwühlte ihren Inhalt. Schließlich blieb sie fluchend stehen.

"Er muss die Schreckschusspistolen tatsächlich weggetan haben. So ein Mist!"

Andreas konnte ein Gefühl der Erleichterung kaum unterdrücken. Nicht, weil er den Eindruck hatte, dass sie Kai unbewaffnet überlegen wären, oder den unbekannten Scharfrichtern. Vielmehr, weil er befürchtete, dass ihnen selbst ein hervorragend ausgestattetes Militärdepot nicht viel geholfen hätte.

Immer noch vor sich hin murrend öffnete Anita eine Vitrine, die verschiedenste Messer zum Inhalt hatte. Sie zog eine Schublade heraus und nahm ein langes, feststehendes Messer heraus.
Sie zog es aus der Scheide und prüfte mit dem Finger die breite, gut fünfundzwanzig Zentimeter lange Klinge. "Jonathan hat das von einem Jäger angekauft. Saufänger hat er das Ding genannt. Willst du es, oder soll ich es nehmen?"

Andreas schüttelte den Kopf und antwortete: "Du. Ich bin versorgt."
Mit diesen Worten zog er den Dolch aus dem Gürtel, den Jonathan ihm gegeben hatte.

Er war zwar nicht so lang und dick wie das Messer, das Anita hielt, aber sah nicht weniger gefährlich aus.

"Jonathan hat ihn mir gegeben. Stahl mit Silber. Er meinte, dass wäre das einzige, was gegen Kai helfen könnte."

Anita machte große Augen, sagte aber nichts.

Dann ging sie hinter die Ladentheke und griff aus einer Halterung, die dem Kunden verborgen war, einen kleinen Baseballschläger.

Dann nickte sie: "Ich denke, wir sind versorgt.", und strebte dem Ausgang zu.

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Auf der Fahrt zu Kais Haus war Andreas schweigsam. Anita fuhr, weil sie sich inzwischen voll erholt hatte und Andreas mit seinem vorgetäuschten Gipsverband nicht fahren wollte. Was wäre schließlich gewesen, wenn sie von der Polizei angehalten worden wären?

Sie fuhren auf den Hof und sahen sich um. Alles sah verlassen aus.

Anita zögerte, doch schließlich ging sie hinter Andreas her auf das Haus zu, das Messer am Gürtel, den Baseballschläger locker in der Hand. Sie fingen im Erdgeschoss an, nach Hinweisen zu suchen und fuhren im Obergeschoss fort.

Anita durchblätterte einige Adressbücher, die auf dem Schreibtisch lagen, aber schüttelte nur den Kopf. Auch auf dem Anrufbeantworter waren keine interessanten Nachrichten.

Der Keller erwies sich ebenfalls als eine totale Enttäuschung.
Schließlich gaben sie auf und fuhren zurück.

In Andreas Wohnung hielten sie Kriegsrat und überlegten, was sie nun machen wollten. Abwarten? Auswandern?
Schließlich begann Anita, im Telefonbuch zu blättern. Sie nahm einen Zettel zur Hand und begann, sich einige Telefonnummern aufzuschreiben.

"Was machst du da?", fragte Andreas verwundert.

"Es gibt keinen Hinweis, wohin er verschwunden sein könnte. Jedenfalls ist er schwer verletzt. Ich rufe jetzt die verschiedenen Krankenhäuser an und erkundige mich nach ihm."

Andreas nickte und schob sein Telefon zu ihr hinüber.

Anita schüttelte den Kopf: "Nein. Falls die Polizei mit im Spiel ist, wäre es sicher keine gute Idee, wenn deine Telefonnummer zu häufig in irgendwelchen Telefonanlagen auftaucht. Oder vielleicht überwachen sie dein Telefon. Ich fahre jetzt ein Stück raus, suche mir eine Telefonzelle und rufe von da aus an."

Andreas nickte und sagte in übertriebener Ernsthaftigkeit: "Dann solltest du es aber wie im Hollywoodfilm machen und bei solchen Aktionen von hier aus in verschiedene Richtungen fahren, sondern das ganze innerhalb eines anderen Stadtteils machen, sonst müssen die nur einen Zirkel in den Stadtplan stechen und..."

Sie bestätigte das: "Ja, das ist ein guter Hinweis. Ich hatte allerdings schon selbst daran gedacht."

"Das war kein Hinweis. Das war ein Witz." Er seufzte. "Denkst du nicht, dass du vielleicht etwas übertreibst?"

"Stimmt wohl... Wahrscheinlich fühle ich mich zu sehr verfolgt. Keine Ahnung. Was soll´s, schaden kann es jedenfalls nicht."

Andreas schob ihr sein Handy hin. "Jedenfalls solltest du dein Handy in der Wohnung lassen, die Polizei sucht dich, und man kann die Dinger anpeilen."
62. RE: Anita

geschrieben von träumerin am 29.07.06 00:58

Uff, Schmetterling,

höre doch nicht immer auf mit dem Schreiben! *grummel* Hatte mich gerade so schön eingelesen.

Vielleicht sollte ich deine Geschichte lieber am helligen Tag als kurz vor dem Schlafengehen lesen? Andererseits, hmmm, vielleicht träume ich ja, wie die Story weitergeht. *gg*

Komm, Süsser, lass uns nicht zu lange warten, ja?

Es grüsst dich
eine hippelig auf dem Stuhl hin- und herrutschende träumerin
63. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 29.07.06 07:23

Träumerin, wenn ich mir die Uhrzeit deines Postings ansehe, dann ist es vielleicht besser, das ich nicht mehr geschrieben habe, damit du noch was von der Nacht in deinem Bett verbringen konntest... Aber ich denke, ich kann jetzt demnächst anfangen, etwas schneller Teile einzustellen, weil ich mittlerweile das Ende so gut wie fest habe. Und damit ändert sich natürlich weiter vorne nichts mehr...

Homo homini lupus

Als sie weg war, fragte er sich, wo um Himmels Willen er da hineingeschlittert war. Er würde sich beim nächsten Vollmond in ein Raubtier verwandeln, er deckte eine Verbrecherin, er hatte selbst... wie würde das wohl heißen? Notwehr? Davon war sicher nicht abgedeckt, dass er Kai hinterher durch die Gegend gefahren und schwer verletzt und gefesselt in einer Foltervorrichtung zurückgelassen hatte. Gefährliche Körperverletzung? Versuchter Totschlag? Mordversuch?
Mord... irgendwo hatte er mal gehört, zu Mord gehöre Heimtücke hinzu. War es heimtückisch, jemandem mit einem Topf geschmolzenen Metalls in einem Kellergang aufzulauern?
Was, wenn Kai starb? Aus versuchtem Totschlag würde Totschlag werden, aus Mordversuch Mord.
Sein schlechtes Gewissen ließ ihn nicht zur Ruhe kommen.

Nach fast zwei Stunden klingelte es. Überzeugt, Anita käme zurück, öffnete Andreas die Tür. Zwei Männer drängten in die Wohnung, und noch bevor er irgend etwas tun konnte, sprühte ihm der eine der beiden eine Dosis Pfefferspray direkt ins Gesicht.

Fast blind schlug Andreas um sich, was ziemlich erfolglos blieb. Nach einem Schlag, der ihn seitlich am Kopf traf, taumelte er in den Garderobenschrank, der krachend zusammenbrach. Der aufgeschnittene Gips löste sich von seinem Arm.

Der eine der beiden Männer hielt sich seine heftig blutende Nase, auf die Andreas einen Zufallstreffer gelandet hatte, und fluchte unterdrückt vor sich hin. Der andere ging zurück in das Treppenhaus, öffnete eine Tasche und entnahm ihr eine Spritze. Er ging zu Andreas, der erfolglos versuchte, sich aufzurichten und injizierte ihm den Inhalt. Wenige Augenblicke später lag Andreas still.

Die Nase des einen Mannes hatte schon wieder aufgehört zu bluten. Ohne viele Worte gingen die beiden Männer hinaus und holten eine Trage aus ihrem kleinen Lieferwagen. Sie packten Andreas darauf, fixierten seine Handgelenke, schlugen zwei seitlich angebrachte, dicke Nylonlappen über seine Beine und drückte den breiten Klettverschluss zu.

Der eine der beiden legte eine breite Halskrause aus Kunststoff um Andreas Hals, während der andere weitere Nylonlappen über Andreas Oberkörper und Arme befestigte. Gleichartige Lappen wurden schräg über seine Schultern auf die Brust geschlagen, wo auch sie mit Klettverschlüssen fixiert wurden.

Andreas sah aus wie die moderne Version einer Mumie oder ein Katastrophenopfer. Es folgten noch vier Gurte, die ihn in Höhe der Fußgelenke, der Knie, Hüften und Brustkorb an die Trage fesselten. Dann nickten die beiden sich zu, hoben die Trage an und gingen zu ihrem Wagen. Sie öffneten die hintere Türe und schoben die Trage, auf die Andreas fixiert war direkt neben die, auf der Anita lag.


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Andreas kam langsam zu sich. Er fühlte sich miserabel, als ob er Fieber hätte. Ein Mann beugte sich über ihn, aber er konnte das Gesicht nur umrißhaft erkennen, dahinter eine blau-grün-weiße Fläche, die sich zu bewegen schien.

"Da ist er ja... alles klar mit ihnen?"

Andreas versuchte zu nicken, aber irgend etwas hinderte ihn daran. Er öffnete den Mund einen Spalt weit und stöhnte etwas.

"Dann ist ja gut. Es ist völlig normal, dass sie nicht richtig sehen können und das sie sich nicht gut fühlen. Das liegt an den Medikamenten, die ihre Muskulatur entspannen. Aber sie werden sich dran gewöhnen..."

Er bekam immer noch kein ganzes Wort heraus, so sehr er es auch versuchte.

"Wo wir sind? Im Wald. Heute abend dürfen sie noch mal ihre Meinung zu dem Urteil sagen... aber machen sie sich keine Hoffnungen, es ist gerecht."

Dies Mal war die Frage, die Andreas stellen wollte fast verständlich.

"Was für ein Urteil?"

Der Mann lachte. "Wissen sie das wirklich nicht?", fragte er. "Sie und ihre Freundin hier haben Herrn Trauber mit geächteten Waffen angegriffen. Auch wenn er sicher kein großer Verlust für die Gemeinschaft ist, so kann es dafür doch nur ein Urteil geben."

"Trauber? Kai?"

Sein Gegenüber nickte: "Es ist gewisse Ironie damit verbunden. Ein Team von uns hatte ihn abholen wollen, weil er gerichtet werden sollte, da er begann, zu einer untragbaren Belastung für die Gemeinschaft zu werden. Er hat uns alle durch sein Verhalten gefährdet. Sie haben ihn schwerverletzt gefunden, aber er hat noch ihren Namen und Adresse genannt, bevor er von uns ging. Aber das Urteil ist einhellig: Die Nutzung geächteter Waffen ist für die Gemeinschaft nicht tolerierbar."

Andreas versuchte etwas zu sagen und musste husten. Der Mann stand auf und verschwand aus seinem Sichtfeld.
Er hatte von seiner Freundin gesprochen. Sie mussten Anita auch erwischt haben. Er versuchte sie zu rufen. Tatsächlich klang seine Stimme eher nach einem heiseren Krächzen. Nach dem zweiten Versuch antwortete sie.

"Was haben die vor?", fragte Andreas.

Sie krächzte genauso zurück: "Das hat er doch gesagt. Sie werden uns hinrichten."

"Das kann doch nicht dein Ernst sein?", fragte er, obwohl ihm ziemlich klar war, dass es so war.

"Doch. Genauso ist es. Ich habe doch gesagt, geschmolzenes Silber ist geächtet. Es macht uns zu Vogelfreien."

"Aber... ich habe das doch nicht gewusst... und zu dem Zeitpunkt war ich nicht mal ein Wer-wasweissich."

Sie brach in ein gequältes Husten aus: "Ich glaube nicht, dass sie das wirklich interessieren wird."

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Die Verhandlung war kurz, es gab keinen Verteidiger, der Ankläger und der Richter waren ein und dieselbe Person. Als Andreas anfing, Anita zu verteidigen, dass sie nicht beteiligt gewesen wäre, dass das alles allein seine Idee gewesen wäre, brach die kleine Gruppe, die sich aus unterschiedlichsten Wertieren zusammensetzte, in schallendes Gelächter aus.
Herr Reiter, ein alter Werwolf, der dem Tribunal vorstand, erklärte, dass Andreas Einstellung zwar sehr gentlemanlike sei, aber völlig nutzlos.
Anita schien sich in ihr Schicksal gefügt zu haben und sagte die ganze Zeit nichts.

Schließlich erklärte Reiter ihnen, dass sie umgehend hingerichtet werden würden. Langsam.

Andreas versuchte sich verzweifelt zu wehren, aber er war schwach wie ein kleines Kind und hatte nicht die geringste Chance. Nach wenigen Minuten lag er nackt ausgezogen flach auf dem Rücken, ausgestreckt wie ein großes X. Um Hand- und Fußgelenke hatten sie breite Stahlreifen gelegt, die auf der Innenseite und an den Flanken mit einer Neoprenschicht gepolstert waren.

Die Fesseln waren an Metallpfosten angekettet, die tief in den Boden eingeschlagenen waren. Der Pfosten, an den seine rechte Hand gekettet war, stand gut zwei Meter aus der Erde.

Um den Hals hatte er nach wie vor eine breite Halskrause aus hartem Kunststoff, die verhinderte, dass er seinen Kopf drehte.
Eine ältere Frau kam dazu. Sie stellte sich als Doktor Hansen vor. "Ich habe deine Freundin für ein Weilchen schlafen gelegt, weil ich dir ein paar Dinge erklären muss und es reicht, wenn sie sich um ihre eigenen Probleme sorgen macht."

Dann legte sie ohne viele Worte eine Magensonde durch die Nase und hängte einen großen Beutel mit einer trüben Flüssigkeit an einen Haken in den langen Pfosten.

Dann tätschelte sie ihm die Wange und sagte: "Wir wollen ja nicht, dass hier jemand verdurstet..."

Er unterdrückte mühsam ein neues Würgen. "Was macht ihr?", gelang es ihm zu krächzen.

Sie schüttelte den Kopf und seufzte: "Das hat er doch erklärt. Wir sorgen dafür, dass ihr nicht zu schnell sterbt. Der Beutel enthält eine Mischung von Wasser, Nährstoffen und ein paar sorgfältig ausgewählten Medikamenten, die deine Muskeln entspannen, damit du nicht etwa loskommen kannst. Der Beutel läuft ziemlich genau einen Tag lang. Einmal am Tag wird jemand kommen, um den Beutel auszutauschen."

Andreas versuchte etwas zu sagen, zu protestieren, aber die Frau schob ihm einen Gummikeil zwischen die Zähne, sobald er den Mund öffnete. Er grunzte überrascht.

Sie kommandierte: "Weit aufmachen." Als er nicht reagierte und ein Kopfschütteln andeutete, zuckte sie die Schultern: "Dann könnte dich das ein paar Zähne kosten. Auf jetzt!"

Er gehorchte. Der Gummikeil wurde weiter hineingeschoben, dann schob sie blitzschnell ein dickes Rohr zwischen die Zähne und schob es bis in den Rachen weiter. Er würgte hart. Die Ärztin hakte einen Gurt an dem Stück ein, das aus seinem Mund stand, führte ihn hinter seinem Kopf lang auf die andere Seite und verzurrte ihn dort.

"Das Rohr ist aus Stahl, mit Gummi ummantelt. Selbst ohne den Gurt hättest du deine liebe Not, es auszuspucken, weil es bis hinten in den Rachen hinein steht. Das vordere Ende ist mit einem feinmaschigen Gitter verschlossen. Wir wollen ja nicht, dass dir irgendwas in den Mund krabbelt."
Sie machte eine Pause, dann fügte sie hinzu: "...jedenfalls nicht sofort."

Andreas gab ein paar grunzende Geräusche von sich, während die Ärztin begann, seinen Kopf zu verbinden. Sie rollte dicke Wachskugeln zwischen den Fingern und schob sie ihm in die Ohren, dann klebte sie ihm Pflaster über die Augen. Er war taub, blind, stumm und bewegungsunfähig und sie würden ihn hier zum sterben liegen lassen. Als sie anfing, eine dicke Lage Mull um seinen Kopf zu wickeln, ohne eine Öffnung zu lassen, brach er in Panik aus.

Trotz den entspannenden Drogen musste die Ärztin einen der anderen Werwölfe bitten, ihn zu halten, während sie eine weitere Lage Klebeband über sein Gesicht wickelte.

Bei Anita verfuhr sie genauso, nur dass sie die Magensonde gelegt bekam und geknebelt wurde, während sie noch bewußtlos war. Dann warteten die Henker, bis sich ihre Augen klärten. Die Ärtzin erklärten ihr alles, dann verbanden sie auch ihren Kopf.
Sie nickte und betrachtete mit einem leicht traurigen Gesichtsausdruck ihr Werk. Dann zündete sie sich eine Zigarette an und setzte sich auf einen Baumstamm.

Andreas lag still. Anita versuchte immer noch genauso verzweifelt wie erfolglos, sich irgendwie zu befreien, als die anderen Wertiere eine Mischung aus Schweineblut und Marmelade auf den Gliedmaßen der beiden verteilten, um die Tiere anzulocken.

Damit blieben die beiden alleine, jeder von ihnen in seiner privaten Hölle, allem, was der Wald zu bieten hatte hilflos ausgeliefert.

Es dauerte ziemlich lang, bis Anitas Verstand seine Arbeit einstellte. Sie konnte sich erinnern, wie sie zunächst eine kleine Zunge eine Zeitlang in der Achselhöhle kitzelte, bis sich nadelspitze Zähne in ihr Fleisch bohrten. Der Fuchs fuhr überrascht zurück, als Anita zuckte, kam dann aber nach ein paar Minuten wieder. Wahrscheinlich gab es keinen genau definierten Zeitpunkt. Sie driftete zwischen Delirium und Klarheit hin und her, auch wenn sie gar keinen Wert auf die Realität legte.
64. RE: Anita

geschrieben von SteveN am 29.07.06 11:52

Hallo Butterfly !

Ein Homo homini lupus !
Mann, das sind aber Sachen.

Jetzt muß Anita nur klar im Kopf werden
und der Vollmond aufgehen,
dann könnten sie sich befreien ......

Viele Grüße SteveN
65. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 29.07.06 18:30

Homo homini lupus
Der Mensch ist des Menschens Wolf

Das stammt noch aus dem Schullatein, wie veni, vidi, vici. Ich fand allerdings, es passt prima zu dem Inhalt... und meinst du nicht, eine Gruppe Werwölfe wären nicht auf vollmondige Verwandlungen eingerichtet?

Nachtrag, weil ich zuerst dachte, ich hätte eventuell ´nen dicken Logikfehler gebaut: ich möchte darauf hinweisen, dass die nächste Vollmondnacht noch mindestens 24 Tage hin ist, wenn ich die Mondphase richtig im Kopf habe.

Meinst du, dass schaffen die solange?
Ich würde anfangen, um die Helden zu zittern...

Grüßle
Butterfly
66. RE: Anita

geschrieben von SteveN am 30.07.06 10:02

Ja Butterfly, ich zittere schon wie Espenlaub.
Aber ich überlege, was passiert mit dem Fuchs,
der von dem Blut etc. geschleckt hat?
Verändert der sich ? Zum Guten oder Schlechten?

Viele Grüße SteveN
67. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 30.07.06 12:38

*grins*
*Kopfkratz*
Ich würde sagen, über den Fuchs schreibt dann Lilalu eine Geschichte... bei mir würde der in erster Linie sich natürlich infizieren.

D.h. er wird ein Werfuchs und verwandelt sich demnächst bei Vollmond in einen Fuchs...

Allerdings könnte das dann böse Konsequenzen für zukünftig von dem Fuchs gebissene Menschen haben... insofern lassen wir das lieber und nehmen der Einfachheit halber an, dass das für Tiere nicht ansteckend ist...

Grüßle
butterfly
68. RE: Anita

geschrieben von Nachtigall am 30.07.06 15:15

*lol* Der Fuchs könnte auch ein Wermensch (oder Werleopard?) werden. Weia, habt ihr Gedankengänge...

Allerdings war mir so, als hätten Anita und Andreas noch gar nicht selber geblutet, sondern seien "nur" mit einer Mischung aus Tierblut und Marmelade beschmiert worden?

Ich glaub übrigens nicht dran, dass unser Pärchen nicht frei kommt, bevor was Ernstliches passiert. So schnell und ineffektiv wirst du wohl deine nette Geschichte kaum beenden, Schmetterling. Das mit dem Zittern überlasse ich also anderen *entspannt zurücklehn und auf das nächste Kapitel wart*.


Liebe Grüße

Nachtigall
69. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 30.07.06 15:48

... bei Nachtigalls unerschütterlichem Vertrauen in meine Fähigkeiten als Johannes Mario Pilcher (auch wenn sie offenbar den letzten Absatz des Kapitels noch mal lesen sollte), wäre ich ja glatt versucht, die Geschichte jetzt abzuschließen: "Ein paar Tage später sammelte ein freundlicher Werwolf die Knochen ein und verbuddelte sie in einem Steinbruch. Ende."

Aber in der Tat, in der Tat, ich bin so leicht durchschaubar... mein Vater muss ´nen Glaser gewesen sein...



Mors certa, hora incerta

Es war rötlich-dunkel. Ihr war angenehm warm und sie fühlte sich ganz ruhig, wohl und geborgen. Langsam kehrten die Erinnerungen zurück. Schließlich fragte sie sich, wieso sie sich erinnern konnte.
War sie tot? Man hatte sie hingerichtet, zum sterben verdammt. War das... wo kam man hin, wenn man tot war? Nach ihren eigenen Kriterien hatte sie den Himmel wohl kaum verdient. Aber die Hölle oder das Fegefeuer hätte sie sich auch anders vorgestellt. Weniger angenehm. Viel weniger angenehm.

Sie gähnte. Sie nahm mit gelinder Verwunderung war, dass sie noch einen Körper hatte. Und erst jetzt kam sie auf die Idee, die Augen zu öffnen. Die rötliche Dunkelheit war das Licht gewesen, das durch ihre Augenlider fiel.

Ein Zimmer in einem Krankenhaus. Sie drehte mühsam den Kopf. Wo war sie? Sie war allein im Zimmer, aber es standen noch zwei weitere Betten darin. Beide frisch bezogen und unbenutzt. Auf dem Nachttisch stand irgendeine Maschine, von der ein dünner Schlauch zu ihrem Bett führte.

Sie fühlte sich zu schwach, um irgendetwas zu tun, auch nur nachzudenken, sich zu fragen, wie sie hierhergekommen war, also schloss sie wieder die Augen und glitt in den Schlaf hinüber.

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Beim nächsten Erwachen fühlte sie sich wacher und sie begann, sich Fragen zu stellen. Was war wirklich gewesen, was war ihre überreizte Phantasie gewesen, als sie blind, taub und wehrlos dalag? Wer hatte sie befreit? Wie war sie hier hergekommen? Schließlich wagte sie sich die Frage zu stellen, was noch von ihr übrig war. Würde ihr Körper ihr überhaupt gehorchen?

Es kostete sie eine große Überwindung, überhaupt zu versuchen, die Decke aufzuschlagen. Ihr Arm funktionierte völlig mühe- und schmerzlos. Sie zog ihn unter der Decke heraus und musterte ihn, dann nahm sie die Kante der Decke und schlug sie zurück.
Immer noch führte ein Schlauch von der Maschine auf ihrem Nachttisch zu einer Nadel in ihrem linken Handrücken. Sie trug eines der peinlichen Nachthemdchen, die auf dem Rücken offen sind und sie trug eine Windel.

Sie setzte sich auf und begutachtete sich. Alles sah aus wie gewohnt, allenfalls etwas dünner als normal und auch ihre Zehen wackelten genauso, wie sie es schon seit ihrer Geburt taten.

Erleichtert lehnte sie sich zurück. Vielleicht hatte sie nur einen Unfall gehabt und das gesamte letzte Jahr war ein deliriöser Alptraum gewesen. Bestimmt. Es gab keine Werleoparden, -panther und -wölfe. Sie war einfach eine ganz normale junge Frau. Ein schlimmer Verkehrsunfall. Das musste es gewesen sein.
Wie lange war sie schon hier? Ihr Körper funktionierte einwandfrei, daher konnte es nicht zu lange sein. Wahrscheinlich einfach eine Gehirnerschütterung und eine Amok laufende Phantasie.

Wieviel Uhr war es überhaupt? Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihr den noch nicht ganz dunklen Nachthimmel. Sie starrte einige Sekunden lang auf den Klingelknopf, aber irgend etwas hielt sie davon ab, auf den Knopf zu drücken.

Sie sammelte sich einen Moment lang, dann stand sie vorsichtig auf, jederzeit bereit, sich wieder hinzusetzen, sollte ihr schwindelig werden, aber es gab keine Probleme. Sie löste die Pflaster, die den Schlauch an ihrem Arm fixierten und zog auch die Nadel aus ihrer Vene.
Beunruhigt sah sie, dass die kleine Wunde innerhalb weniger Sekunden spurlos verschwand. Die Saat des Zweifels begann zu keimen.
Sie entledigte sich mit leicht angewidertem Gesichtsausdruck der Windel.
Das Hemdchen, das sie anhatte war hinten offen und bedeckte kaum ihre Beckenknochen. Sie warf einen Blick in die Schränke und ihren Nachttisch, aber alles war völlig leer.

So würde sie bestimmt nicht auf Erkundung gehen. Sie ging hinüber zu einem der anderen Betten, zog die Bettdecke herunter, die seitlich unter die Matratze gesteckt war und zog den Bezug von der Decke.
Sie brauchte zwei Versuche, bis sie zufrieden war, und sie war sich sicher, nicht die Anforderungen der aktuellsten Mode zu erfüllen, aber am Strand wäre das Wickellaken mit dem dicken Knoten vor der linken Schulter durchgegangen.

Vor allem konnte sie sich gut bewegen und war auf alles eingestellt. Während sie mit dem Laken gekämpft hatte, hatte sie eine Idee gehabt. Wenn sie nur ein Opfer ihrer überbordenden Phantasie war, dann hatte sie keine Superkräfte.
Sie hob mühelos das Krankenbett an. Sie schimpfte leise. Sie war sich sicher, dass sie das nicht hätte können dürfen, wenn sie kein Werpanther war. Und daraus ließ sich schließen, dass auch der Rest ihrer Erinnerung zum großen Teil wahr war. Also musste sie sich entsprechend verhalten.

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Sie ging an die Tür und drückte vorsichtig und langsam die Klinke herunter und schob sie einen Spalt auf. Keine Geräusche drangen aus dem Gang zu ihr ins Zimmer. Sie fasste sich ein Herz und öffnete die Tür soweit, dass sie hindurchschlüpfen konnte. Nach einem kurzen Blick in beide Richtungen schloss sie die Tür hinter sich und ging leise auf das Ende des Ganges zu, das nicht so aussah, als würde es in dem normalen Treppenhaus enden.

Eine Tür vor ihr öffnete sich und eine Schwester schob ein Wägelchen in den Flur. Anita hatte keine Zeit, um zu verschwinden, denn die Schwester hatte sie bereits gesehen.

Anita überlegte einen Moment lang, ob sie losrennen, gegebenenfalls die Schwester umrempeln sollte. Sie war sicher, die nicht besonders kräftig aussehende Frau überrumpeln zu können. Sie spannte schon ihre Muskeln an, als sie sah, dass der verwirrte Gesichtsausdruck der Schwester in ein freundliches Lächeln überging.
"Oh... sie sind aufgewacht. Ist alles in Ordnung mit ihnen?"

Anita nickte mit vorsichtiger Zurückhaltung.

Die Augen der Schwester wanderten bezeichnend an Anita herunter und wieder zu ihrem Gesicht.
"Ich kann natürlich verstehen, dass sie mit dem Flügelhemdchen nicht ganz einverstanden waren."

Sie wartete auf Anitas Nicken, dann fuhr sie fort: "Wie wäre es, wenn ich sie in ihr Zimmer zurückbringe und ihnen etwas brauchbareres zum Anziehen besorge? Ich denke, wir müssten einen Jogginganzug haben, der ihnen passt. Ich bringe ihr Krankenblatt mit und dann stehe ich ihnen gerne zur Verfügung. Sie müssen eine Menge Fragen haben."

Sie ging an Anita vorbei. Nach ein paar Schritten drehte sie sich um. Anita stand immer noch da und versuchte sich zu entscheiden, ob sie der Schwester vertrauen konnte oder nicht. Als die Schwester sah, dass Anita immer noch dort stand, blieb sie stehen und wartete.

Anita machte einen zögernden Schritt, dann entschied sie sich, einen Testballon steigen zu lassen. "Was ist mit Andreas?"

"Andreas?", echote die Schwester.

Anita nickte.

Die Schwester fragte weiter: "Ihr... Mann?... Freund?"

Anita nickte erneut, schob dann hastig hinterher: "Ich möchte ihn sehen. Andreas Klösgen."

"Es tut mir leid, hier auf der Station ist er nicht, insofern habe ich seine Akte nicht. Aber ich kann sehen, ob ich etwas herausfinde."

Anita folgte der Schwester. Zurück in ihrem Zimmer setzte sie sich auf die Bettkante. Die Schwester verabschiedete sich mit einem fröhlichen: "Bin gleich wieder da."

Anita kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum. Je länger es dauerte, desto nervöser wurde sie. Sie malte sich aus, wie die Schwester sich Hilfe holte, um sie überwältigen zu können, nachdem sie eben erfolgreich ihr Mißtrauen eingeschläfert hatte.
Wieviele würden kommen? Sie musste hier weg, soviel war sicher. Sie hastete zur Tür und legte ihr Ohr daran. Sie hörte Schritte im Gang.

Verdammt. Sie kamen. Eilig sah sie sich um.

Als sich die Tür langsam öffnete, saß Anita wieder auf der Bettkante, die rechte Hand unter der Bettdecke an das Stahlrohr geklammert, das sie am Kopfende des Bettes hatte lösen können.

Die Schwester schob einen kleinen Wagen mit Wäsche in den Raum, auf dem eine Akte lag. In der rechten Hand hielt sie eine Kaffeetasse. "Ich habe ihnen noch einen Kaffee mitgebracht", meinte die Schwester und stellte ihn auf dem Nachttisch ab. Dann gab sie Anita ein Wäschebündel. "Mit regelrechter Unterwäsche kann ich nicht dienen, da muss es die Einmalunterwäsche tun. Der Jogginganzug ist ein alter von mir, aber sauber gewaschen."

Sie musterte Anita noch einmal neidisch und seufzte: "Ich fürchte, er wird ihnen etwas zu weit sein, aber mit etwas anderem kann ich gerade nicht dienen."

Anita nahm das Bündel mit links entgegen und murmelte einen Dank. Sie legte es neben sich auf das Bett. Langsam löste sie ihre rechte Hand von dem Metallrohr und zog sie unter der Decke heraus. Sie schielte gierig nach dem Kaffee, beschloss aber, sich lieber an frisches Leitungswasser zu halten. Wer wusste schon, was ausser Milch in dem Kaffee war...
Wieder stellte sie die Frage: "Was ist mit Andreas?"

Die Schwester sah etwas unglücklich aus. "Ich habe im Computer nachgesehen. Wir haben keinen Andreas Klösgen hier. Gleichzeitig mit ihnen ist ein unidentifizierter Mann eingeliefert worden. Er liegt auf der Intensivstation. Er ist nicht mehr in direkter Lebensgefahr, vielmehr...", sie machte eine hilflose Geste: "... er hatte eine schwere Infektion. Er wird noch beatmet und liegt in einem künstlichen Koma. Quarantäne und absolutes Besuchsverbot."

Die Schwester schwieg einen Augenblick, dann fragte sie: "Woran erinnern sie sich?"

Anita schüttelte ausweichend den Kopf: "Ich bin nicht sicher. Ich erinnere mich an viele Dinge, weiß aber nicht, was tatsächlich geschehen ist..."

Die Schwester nickte: "Ich glaube, die Frage stellen sich gerade eine Menge Leute. Und ich denke, sie werden in den nächsten Tagen einigen Besuch bekommen." Sie zuckte mit den Schultern, dann fuhr sie fort: "Ich weiß selbst nur das, was hier in ihrer Akte steht. Vielleicht hilft ihnen das etwas."

Dann begann sie zu erzählen. Sie zeigte Anita nicht die Fotos, die in die Akte geklebt waren. Bei einigen davon wollte sie lieber selbst nicht zu genau hinsehen, einmal hatte gereicht, als sie das erste Mal die Akte gesehen hatte. Sie erzählte, dass Anita auch ein paar Tage auf der Intensivstation gelegen hatte und der behandelnde Arzt eigentlich davon ausgegangen war, dass sie praktisch keine Überlebenschance hatte.

"So viele kleine Verletzungen am ganzen Körper, die Verunreinigungen...", sie unterschlug die Maden, von denen es in den Verletzungen gewimmelt hatte, "... er hat mit schwersten Infektionen gerechnet. Natürlich haben sie die Wunden so gut es ging gereinigt und sie haben eine gründliche Schmerztherapie bekommen, aber..."

Anita vollendete den Satz: "aber abgesehen davon haben sie nicht damit gerechnet, dass ich überleben könnte."

Die Schwester nickte, dann fuhr sie fort: "Überraschenderweise haben sie keinerlei Anzeichen einer Infektion entwickelt. Am nächsten Tag dachte dann wohl die Kollegin, die die Verbände wechselte, dass sie bei der versteckten Kamera wäre."
Sie lächelte über ihren eigenen Witz. "Die Wunden hatten angefangen, zu verheilen. Man konnte beinah dabei zusehen, wie sich neue Haut bildete. Naja, nicht wirklich. Sowas gibt es eigentlich nicht, aber innerhalb drei Tagen waren sie wieder wie neu. Noch ein paar Hautstellen, die ziemlich neu aussahen. Niemand wollte es wirklich glauben. Dann wurden sie hierher verlegt. Sie haben noch weiterhin Antibiotika bekommen, aber ansonsten..."

"Wie lange muss ich denn noch hierbleiben?"

Die Schwester zuckte die Schultern. "Wenn es ihnen gut geht: es gibt keine medizinische Indikation dafür, dass sie im Krankenhaus bleiben müssten. Sie sind in einem beneidenswerten körperlichen Zustand. Aber sämtliche Ärzte brennen drauf, sie genauer zu untersuchen und werden sie hier behalten wollen, so lange es geht." Sie verzog das Gesicht zu einem übertriebenen Lächeln: "Natürlich ist es eine unangenehme Komplikation, dass sie aufgewacht sind... weil sie jetzt natürlich irgendwelchen Untersuchungen zustimmen müssen. Solange sie bewußtlos sind und keine Verwandten mit einer Patientenverfügung ankommen, ist natürlich alles gerechtfertigt..."

Anita massierte ihre Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger und schüttelte dann den Kopf. Das alles bestätigte ihre Befürchtungen, aber erstens wollte sie das der Schwester nicht direkt auf die Nase binden und zweitens wollte sie sicher gehen, dass sie auch richtig verstand.
"Das ist mir alles zu hoch. Das klingt ja beinah so, als würde ich im Zweifel sogar gegen meinen Willen hierbehalten werden."

Das Lächeln der Schwester wurde eher noch breiter, als sie antwortete: "Das ist natürlich ganz ausgeschlossen. Aber wenn sie ihren Willen nicht ausdrücken können..."

Anita fragte weiter: "Da ist es natürlich wirklich unangenehm oder eigentlich merkwürdig, dass ich bei Bewußtsein bin, nicht? Wer schläft sündigt nicht..."

Die Schwester nickte bestätigend: "Genau. Aber das ist völlig hypothetisch, da sie ja ausschließlich", sie hüstelte und nickte in Richtung der Maschine auf dem Nachttisch, in die eine große Spritze eingespannt war, "ein Antibiotikum bekommen und kein Mensch weiß, warum sie nicht aus ihrem Koma aufwachen. Wissen sie, dummerweise ist heute ein kleines Unglück mit ihrem Perfusor passiert. Daraufhin habe ich natürlich ein neues Gerät vorbereitet, mit den Medikamenten in der Dosierung, die in ihrer Akte stehen."

Anita nickte und sagte ernsthaft: "Vielen Dank."

Die Schwester schürzte spöttisch die Lippen: "Ich habe schließlich keinen hippokratischen Eid geleistet, Menschen keinen Schaden zuzufügen oder sowas... aber ehrlichgesagt war ich schon überrascht, dass sie so schnell fit waren, nachdem ich die Drogen abgesetzt hatte. Sie müssen eine Konstitution wie eine Raubkatze haben..."

Anita bemühte sich um ein möglichst ausdrucksloses Lächeln: "Das höre ich nicht das erste Mal."

"Gilt das gleiche auch für ihren Freund?"

"Was?"

Die Schwester verzog das Gesicht und zuckte mit den Schultern, was Anita korrekt als Aufforderung verstand, sich nicht zu dumm zu stellen.

Sie gab auf und nickte. "Ja. Wahrscheinlich. Ich bin nicht ganz sicher."

"Dachte ich mir. Sie wollen ihn sehen?"

Anita nickte.
70. RE: Anita

geschrieben von SteveN am 30.07.06 18:23

Hallo Schmetterling !

Mann, das hast jetzt aber 1A gelöst.
Einfach im Krankenhaus aufwachen lassen.
Wäre mir nicht in den Sinn gekommen.
Jetzt gehen beide Richtung Intensivstation.
Anita wird um Andreas zittern.

Viele Grüße SteveN



Ps. Das du uns auch immer diese tote Sprache unterjubeln mußt ... ...
71. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 30.07.06 20:14

Hallo SteveN,
jetzt fühle ich mich aber doch leicht kritisiert. Wo um himmels willen soll Anita denn sonst aufwachen?

Es war mir nicht so recht danach, noch eine Perspektive einzuführen, und aus Anitas Perspektive ist das einfach das nächste.
Die Frage ist doch, wie sie da hinkommt, gelle?

Grüßle
Butterfly

P.S.: Die Sache mit der lingua morta: Tatsächlich habe ich eine Faible für die Sinnsprüche. Wenn du dir ältere Geschichten von mir durchliest, wirst du feststellen, dass ich keine Kapitelüberschriften praktiziert habe.
Hier habe ich es angefangen, aber teilweise ist mir dann keine knackige Überschrift eingefallen... und in Latein findet man immer was...
72. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 30.07.06 20:41

... aber da ich jetzt tatsächlich mit dem Schreiben beim Ende angekommen bin, kann ich jetzt ohne weitere Sorgen die Frequenz erhöhen, in der ich poste. Und ich verspreche Besserung: kein Latein mehr.

Kidnapping

Die Schwester schwieg einen Moment, dann seufzte sie: "Das macht die Dinge nicht unbedingt einfacher. Ich muss noch mal telefonieren. Ich würde vorschlagen, sie ziehen sich an. Ich bringe noch ein paar Sachen mit, um ihre Verkleidung zu komplettieren... was für eine Schuhgröße haben sie? Ich bin dann in ein paar Minuten wieder da und helfe ihnen mit den Haaren. Übrigens: ich heiße Marion."

Als die Tür hinter ihr zugefallen war, beeilte Anita sich, die weiße Jogginghose anzuziehen. Als Oberteil lagen ein T-Shirt und Kittel dabei.

Schwester Marion kam herein und stellte ein Paar gebrauchter weißer Sandalen vor Anita, dann wickelte sie Anitas Haare geschickt zu einem Knoten und steckte ein Stethoskop nachlässig in ihre Brusttasche.

Sie kommentierte: "Bloß nicht zu ordentlich. Junge Ärztinnen haben nicht viel Zeit, sich um ihr Erscheinungsbild zu kümmern."
Dann nahm sie noch einmal Maß, schob Anita noch einen Pieper in die Kitteltasche, nickte und sah noch einmal auf die Uhr.

"Ok, jetzt müssen wir uns beeilen."
Damit verließ sie das Zimmer. Anita folgte ihr. Unterwegs erklärte Schwester Marion Anita, was sie sagen sollte, wenn jemand sie ansprach, und dass sie mit einer Kollegin gesprochen hätte, die dafür sorgen würde, dass sie so freie Bahn wie möglich hätten. Ausserdem einigten sie sich darauf, sich zu duzen.

Marion grinste: "Wahrscheinlich bin ich sowieso meinen Job los, wenn das rauskommt..."

Anita wollte darauf bestehen, dass Marion wieder auf ihre Station zurückging, den Rest würde sie schon alleine schaffen, aber die Schwester schüttelte den Kopf. "Du kennst dich hier nicht aus."

Als sie in die Intensivstation gingen, zogen sie sich in einem kleinen Zimmer, das offenbar als Schleuse fungierte, noch blaue Kittel über, einen Mundschutz und eine Haube für die Haare. Erneut sah die Schwester auf die Uhr. Sie öffnete die Tür zur Intensivstation einen Spalt weit und wartete ab. Als sie einen lauten Alarmton hörte, nickte sie und zog Anita hinter sich her.

"Nach rechts. Dritte Tür links."

Anita schob die breite Tür auf und sie schlüpften hinein.

Anita sah sich schnell um. An der Seite des Raumes war ein großes Fenster, dass wohl in ein Nachbarzimmer führte, aber die Jalousie war herunterlassen. In einem Krankenbett lag Andreas, umstellt von einem großen Haufen Maschinen, von denen aber die meisten ausgeschaltet waren.

Entgegen dem, was Marion zuvor gesagt hatte, wurde er nicht künstlich beatmet, aber auch mit ein paar saftigen Ohrfeigen war er nicht zu einer Reaktion zu bekommen. Marion hatte nach einem Klemmbrett gegriffen, dass am Fußende des Bettes gehangen hatte. Nach einem gründlichen Blick darauf schüttelte sie den Kopf und sah Anita aus aufgerissenen Augen an: "Das hat keinen Sinn. Was hier draufsteht reicht, um einen kompletten Club Techno-Teens auf Extasy ins Reich der Träume zu befördern. Dauerhaft."
Sie fasste Anita an dem Arm: "Ernsthaft. Das würde jeden normalen Menschen sofort umbringen. Was seid ihr? Außerirdische? Irgendein militärisches Experiment?"

Anita schüttelte den Kopf. Sie versuchte möglichst überzeugend auszusehen, als sie mit traurigem Gesichtsausdruck sagte: "Ich weiß es selbst nicht."

Sie schlug die Decke zurück. Andreas war unversehrt, bis auf eine Menge Elektroden, die über seinen Brustkorb verteilt waren, zwei Infusionsschläuche und einen Katheter. Seine Hand- und Fußgelenke waren mit breiten Ledermanschetten an das Bett gefesselt.

Marion griff Anita an den Arm: "Wir müssen hier wieder weg. Sie müssen aus dem Krankenhaus verschwinden."

"Nicht ohne ihn", sagte Anita kopfschüttelnd. "Und wenn ich hier alles kurz und klein schlagen muss."

Die Schwester sah sie einen Moment lang an. "Fast würde ich es dir zutrauen. Nein. Wir machen das anders. Wir müssen nur schnell sein. Vertraust du mir?"

Als Anita nickte begann sie, hektisch auf den Tastaturen der Geräte herumzudrücken, die an Andreas angeschlossen waren. Schließlich nickte sie: "Ok, jetzt dürfte kein Alarm losgehen. Und jetzt nichts wie weg hier."

"Aber wie...?"

Marion griff das Bündel Elektroden und riß sie mit einem Ruck ab. Mit den Infusionsschläuchen verfuhr sie etwas vorsichtiger.
"Wir sind eine Schwester und eine Ärztin, die einen Patienten verlegen. Wo ist das Problem?"
Mit diesen Worten löste sie die Bremse des Bettes und begann geschickt, es auf die Tür zuzuschieben. Anita konnte sie gerade noch aufschieben.

Niemand sah sie. Als sie die Intensivstation verlassen hatten, ging Marion langsamer, aber beeilte sich immer noch merklich.

"Wo gehen wir hin?", fragte Anita.

Marion antwortete knapp: "Aufzug. Wir fahren mit dem Bett in das Obergeschoss. Dort lassen wir das Bett, von dort führt eine Feuertreppe in den Garten."

"Aber werden sie uns nicht genau dort..."

Marion unterbrach sie: "Ja. Werden sie. Und ich muss zusehen, dass ich möglichst schnell auf meine Station zurückkomme, sonst bin ich wirklich meinen Job los. Du fährst mit ihm in den Keller. Können wir ihn zusammen tragen, falls wir keinen Rollstuhl finden?"

Anita lächelte dünn: "Kein Problem. Ich kann ihn ohne weiteres alleine tragen."

Sie schoben das Bett in den Aufzug. Marion drückte den Knopf für das oberste Stockwerk, dann zog sie die Decke vom Bett und zeigte Anita, wie man die Fesseln an Andreas Hand- und Fußgelenken löste. Ohne weitere Zeremonien zog sie eine Schere aus der Tasche, und schnitt den Katheter durch. Eine kleine Menge Flüssigkeit lief in das Bett, als sie ihn aus seiner Harnröhre zog.

Anita verzog das Gesicht, was Marion zu dem Kommentar trieb: "Keine Zeit, zimperlich zu sein. Und wenn er genauso ist, wie du, dann ist das längst ok, wenn er die Augen aufschlägt."

Die Aufzugtür ging auf und Marion schob das Bett hinaus.

"Ah... da ist ein Rollstuhl. Prima. Du fährst mit ihm in den Keller. Der Schlüssel für Vorzugsfahrten steckt noch. Nimm den Schlüsselbund mit, er passt auch für die meisten Türen im Keller. Versteckt euch in der Bettenzentrale bei den benutzten Betten, da ist jetzt keiner mehr. Ich hole euch dann später ab. Das Bett bleibt hier. Sie sollen ja eine Spur haben..."

Sie wollte Anita helfen, Andreas in den Rollstuhl zu heben, aber die winkte ab: "Sieh zu, dass du auf deine Station kommst."
Marion nickte und verschwand.

Anita hob hastig Andreas in den Rollstuhl. Sie schob ihn in den Aufzug und fuhr in den Keller. Als sie ausstieg, drückte sie noch einmal rasch auf den Knopf für das zweite Stockwerk, dann suchte sie ein Versteck für sich und Andreas, weil ihr die Bettenzentrale zu übersichtlich erschien. Nachdem sie seinen Rollstuhl in einen kleinen Lagerraum geschoben hatte, begann sie, sich nach einer Waffe umzusehen. Jedenfalls würde sie sich nicht kampflos erwischen lassen.

Sie endete wieder bei einer Metallstrebe, die sie von einem der Betten in der Bettenzentrale abmontierte und mit der sie hinter der spaltbreit offenen Tür des Lagerraums stehen blieb.

Was viel problematischer war, war das Warten. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die vielleicht tatsächlich zwanzig Minuten dauerte, hörte sie Schritte im Gang. Da es nach mehreren Menschen klang, schloss sie die Tür leise und drehte gefühlvoll den Schlüssel im Schloss.
Wenige Augenblicke später wurde die Türklinke heruntergedrückt, aber offenbar gab sich der Andere damit zufrieden, dass der Raum abgeschlossen war.

Jemand rief: "Niemand hier", dann entfernten sich die Schritte wieder.

Als draußen wieder alles ruhig war, öffnete sie die Tür wieder ein kleines Stück.

Plötzlich fing Andreas an, laut unverständliches Zeug zu lallen. Sie versuchte erfolglos ihn zu beruhigen und wusste sich schließlich nicht mehr anders zu helfen, als ihm eine Ohrfeige zu geben.

Er öffnete die Augen, was ihm vorher nicht ganz gelungen war. Sein Blick war alles andere als klar und er versuchte nach ihr zu schlagen. Anita wich aus. Der Schwung des kräftig geführten aber ungenauen Schlages ließ ihn aus dem Rollstuhl fallen. Sofort versuchte er sich aufzurappeln.

Mühsam rang sie ihn nieder, verdrehte seine Arme auf den Rücken und setzte sich auf die Unterarme, nicht immer ganz erfolgreich bemüht, seinen ziellos herumtretenden Beinen auszuweichen.

Er wehrte sich verbissen, so dass er mehr als einmal kurz davor war, sie abzuwerfen. Sie sprach beruhigend auf ihn ein, nannte wieder und wieder ihren Namen. Schließlich hörte er auf, sich zu wehren. Mit immer noch verwaschen klingender Stimme fragte er: "Anita?"

Sie löste vorsichtig den Druck auf seine Arme, jederzeit bereit, sich wieder mit vollem Gewicht auf ihn fallen zu lassen.
Stöhnend versuchte er, seine Arme zu befreien. Nach kurzem Zögern ließ sie es zu. Dann half sie ihm, sich auf den Rücken zu drehen.

Ein Hüsteln kam von der Tür. Anita fuhr herum, griff die Metallstange und konnte gerade noch den Schlag stoppen, als sie Marion erkannte, die erschreckt zurückfuhr.

Nach einer Schrecksekunde fing sie sich wieder. "Das sah ja wirklich beeindruckend aus. Jetzt verstehe ich auch die Lederfesseln. Bist du sicher, dass du ihm nicht die Schultern ausgerenkt hast?"
Anita schüttelte den Kopf. Sie war sich nicht sicher, aber Andreas stützte sich hinter ihr bereits auf und bemühte sich recht erfolglos, auf die Beine zu kommen. Anita ging zu ihm und kniete sich vor ihm hin: "Alles klar?"

Er nickte, schüttelte den Kopf und nickte wieder.

Anita nahm seinen Kopf zwischen die Hände und sah ihm tief in die Augen: "Ok, ich verspreche, ich erkläre dir alles, wenn wir hier heraus sind. Kannst du laufen?"

Er hatte seine Zunge nicht ganz unter Kontrolle, als er antwortete: "Mir geht´s miserabel. Alles dreht sich."

Marion, die dazugekommen war, kicherte etwas hysterisch. "Meine Güte, dann möchte ich dich nicht in Topform erleben."
Sie leuchtete ihm mit einer Lampe in die Augen, dann nickte sie: "Vielleicht sollten wir den Rollstuhl nehmen", dann drückte Anita ein Kleiderbündel in die Hand: "Hilf ihm, sich anzuziehen. Ich bin gleich wieder da."
Sie drehte sich um und fragte Anita noch einmal: "Das du ihn tragen könntest, war ernstgemeint?"

Anita nickte.

Sie kam nach knapp zwei Minuten wieder. Kurz darauf war Andreas fertig.

Marion nickte. "Setz dich in den Rollstuhl."

Sie zog ihm den linken Schuh und die Socke wieder aus und begann schnell eine dicke Bandage um sein Fußgelenk zu wickeln, dann drückte sie ein Mullpolster auf sein Ohr und fixierte es ebenfalls mit einem Verband, der die Hälfte seines Gesichts verdeckte.

"Ok, dann trage ich den Rollstuhl die Treppe hinauf und du hilfst ihm. Ich möchte nicht in der Eingangshalle aus dem Aufzug kommen, sondern es soll so aussehen, als kämet ihr aus der Notaufnahme."

Anita vereinfachte die Prozedur, in dem sie ohne viel Federlesens den Rollstuhl mit dem darin sitzenden Andreas hochhob und im Laufschritt die Treppe hinauftrug. Oben wartete sie auf Marion, die mit völlig schockiertem Gesichtsausdruck immer noch am Fuß der Treppe stand.
Schließlich beeilte sie sich, die Treppe hinaufzukommen. Sie schüttelte den Kopf, dann nickte sie Anita zu. "Durch die Halle, geradeaus, die Rollstuhlrampe hinunter. Unten stehen immer Taxis."
Sie drückte Anita einen Geldschein in die Hand. "Hier habt ihr fünzig Euro. Auf dem Zettel steht meine Handynummer... ich hätte das Geld eigentlich ganz gerne wieder. Und jetzt: Viel Glück."

Tatsächlich funktionierte die Flucht ohne weitere Probleme. Der Taxifahrer schaute zwar etwas verwundert, als die "Ärztin" ebenfalls einstieg, aber fuhr beide ohne weitere Fragen nach Hause.
Der Rollstuhl blieb vor dem Krankenhaus stehen.
73. RE: Anita

geschrieben von SteveN am 31.07.06 11:52

Hallo Butterflügel !

Mann, was für eine Flucht aus dem Krankenhaus.
Aber auch nur möglich durch die Hilfe von Schwester Marion.
Werden sie nun von den anderen Wer-Tieren für Tod gehalten?
Können sie nun ein geregeltes Leben leben ?
Oder muß Marion eingeweit werden? Damit beide von ihr an den
drei Vollmondtagen ruhig gestellt werden können?

Viele Grüße SteveN
74. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 31.07.06 20:18

Katerstimmung

Sie hatten keine Schlüssel und Anita hatte überhaupt keine Nerven, lange zu fackeln. Das Schloss von Andreas Wohnungstür gab mit einem leisen Krachen nach.

Andreas kicherte.

Anita sah ihm in die Augen: "Du bist noch völlig high, stimmts?"

Andreas grunzte etwas schwer Verständliches. Anita nahm das zum Anlass, ihn trotz seines ungeschickten Protestes geradewegs ins Bett zu stecken, wo er augenblicklich einschlief.
Dann setzte sie sich an den Tisch und überlegte, was sie jetzt tun sollte. Schließlich gähnte sie, ohne zu irgendwelchen Schlüssen gekommen zu sein und legte sich neben Andreas.

Als die Sonne durch das Fenster hineinschien, stand Anita auf. Sie hatte immer noch keine gute Idee, aber fragte sich zunehmend, wie sie eigentlich in das Krankenhaus gekommen waren. Und sie fragte sich, inwieweit die Polizei hinter ihnen her war. Konnten sie sich überhaupt noch auf die Straße trauen?
Sie zog den Zettel mit der Handynummer von Schwester Marion aus der Tasche, dann überlegte sie noch einmal kurz und wählte die Nummer.

Leider konnte die Krankenschwester sie nicht mit vielen Neuigkeiten versorgen. Das einzige, was sie erfuhr, war, dass es in dem Krankenhaus keine offensichtliche Ermittlung oder etwas gegeben würde. Andreas wurde offiziell nicht mal wirklich vermisst, und sie selber war offenbar aus eigener Entscheidung gegangen.
Beide wurden nach wie vor als "unbekannte Notfälle" geführt.
Auf die Frage, wie Andreas und Anita in das Krankenhaus gekommen waren, wusste die Krankenschwester keine Antwort. Aber sie konnte Anita erzählen, dass sie und Andreas sechs Tage lang im Krankenhaus gewesen waren.

Als sie auflegte, stand Andreas in der Tür. Er rieb sich die Schläfe, dann fragte er: "Was um Himmels Willen ist eigentlich passiert?"

Sie fragte ihn, was das letzte wäre, woran er sich erinnern würde. Er sah sie einen langen Moment lang unschlüssig an, dann sagte er mit einem fragenden Unterton: "Eine Gerichtsverhandlung? Sie haben uns zu Tode verurteilt. Oder habe ich nur irgendwelchen Mist zusammengeträumt?"

Anita bestätigte ihm, dass seine Erinnerung korrekt war.
"Was weisst du darüber, wie sie uns hinrichten wollten?"

Er konnte sich nicht erinnern.

Sie erklärte ihm, dass sie selbst keine Ahnung hatte, warum sie nicht tot waren. Sie erzählte ihm, was im Krankenhaus passiert war.

"Du hast mich von der Intensivstation entführt, und bist dann im Keller des Krankenhauses auf mir Rodeo geritten?"

Sie grinste, dann nickte sie. "So könnte man das ausdrücken. Du weißt davon nichts?"

Er schüttelte den Kopf und grinste verlegen: "Und was machen wir jetzt?"

Sie gab zu, keine Ahnung zu haben und erzählte ihm von ihren Überlegungen.

Andreas kratzte sich am Kopf. "Gut. Dann müssen wir uns darüber klarwerden, was in den letzten Tagen passiert ist. Was für ein Datum ist eigentlich?"

Als sie die Schultern zuckte, schaltete er den Fernseher ein. Ihnen fehlten vierzehn Tage.
Andreas schaltete wieder aus. "Ok... wir waren sechs Tage im Krankenhaus. Was ist mit den anderen acht Tagen? Hast du irgendeine Ahnung?"

Anita überlegte, ob sie verneinen sollte. Sie hatte eine Ahnung. Eine ganz bestimmte. Aber sie wollte nicht darüber reden. Schließlich beschloss sie, dass sie es ihm schuldig war, darum nickte sie und begann in groben Zügen zu erzählen, woran sie sich erinnerte und was sie sich zusammengereimt hatte.

"Du meinst, wir haben acht Tage lang gefesselt im Wald gelegen und alles mögliche Viehzeug hat an uns herumgefressen? Meine Güte, das ist aber nichts für den schwachen Magen. Aber wieso kann..."
Er unterbrach sich und fragte: "Anita?"

Bei seinen Worten war ihr ein Schauer über den Rücken gelaufen. Sie zitterte. Nein, die Details von dem, woran sie sich erinnerte konnte sie nicht erzählen. Noch nicht. Vielleicht nie. Wahrscheinlich nie. Wie sollte sie den namenlosen Horror jemandem erklären?

Andreas interpretierte ihr Verhalten richtig. Er ging zu ihr hinüber und ging neben ihrem Stuhl auf die Knie. Er nahm sie in den Arm. "Vielleicht ist es besser, dass ich mich nicht erinnere."
Anita sagte nichts, aber sie legte ihren Kopf auf seine Schulter.

Schließlich murmelte sie: "Wir müssen etwas machen. Wir können nicht hierbleiben. Die Wertiere kennen die Adresse hier. Ich weiss nicht, ob sie ihr Werk vollenden wollen. Aber ich wusste einfach nicht, wohin ich sollte."

Andreas nickte und stand auf. "Gut. Dann müssen wir sehen, dass wir möglichst schnell erfahren, was in den letzten Tagen passiert ist. Ich gehe Frau Hansen fragen. Die ist normalerweise über alles von Globalpolitik bis zu den Dingen, die hier in der Straße passieren informiert."

Anita hielt ihn fest. "Und was willst du ihr sagen?"

"Keine Ahnung. Das hängt davon ab, was sie denkt, wo ich oder wir geblieben sind. Ich werde wohl aus dem Bauch heraus spielen müssen."

Sie zog ihn in ihre Arme: "Weißt du eigentlich, dass ich dich liebe?"

"Spätestens, seit du mich aus dem Krankenhaus mitgenommen hast. Du hättest viel einfacher alleine abhauen können."

Sie kniff ihn in den Arm. "Unsensibler Kerl."

-----

Frau Hansen schlug überrascht die Hände zusammen: "Herr Klösgen, meine Güte, ich war kurz davor, die Polizei anzurufen."

Daraus war zu schließen, dass die Polizei nicht wieder hier gewesen hatte oder zumindest nicht nach ihm gesucht hatte. Die eine Geschichte, die er sich grob ausgedacht hatte, passte. Er erzählte von einem Trauerfall in der Familie. Ein entfernter Onkel, den er selber kaum gekannt hatte, aber seine Mutter war ziemlich mitgenommen gewesen.
"Und da ich ja krankgeschrieben bin, bin ich ein paar Tage dort geblieben. Es waren ein paar Sachen zu reparieren, so sind aus ein paar Tagen fast zwei Wochen geworden."

Sie kondolierte ihm, dann sagte sie: "Aber sie hätten schon mal Bescheid sagen können...", dann unterbrach sie sich, "aber sie sind ja schließlich ein erwachsener Mann. Nehmen sie es als das Geplapper einer alten Frau."

Er beschloss direkt zu fragen: "Hat es in den letzten Wochen irgend was interessantes gegeben? Bevor ich weg bin, war doch ein Polizist hier, der nach Frau Hoch gefragt hatte..."

Frau Hansen nickte bestätigend: "Ja, der war ja auch bei mir. Hat eine Menge Fragen gestellt. Aber seit dem ist niemand mehr hier gewesen. Das Haus ist wie ausgestorben, von Frau Hoch war auch nichts zu sehen oder zu hören. Sonst gab es nichts, nur tropft jetzt bei mir die Heizung im Badezimmer."

Andreas musste grinsen. Das war das erste Normale, was er in den letzten Tagen erlebt hatte. Eine Trivialität wie eine tropfende Heizung bewies, dass die Welt nicht völlig aus den Fugen geraten war. Er fragte: "Wann würde es ihnen denn passen, dass ich einen Blick drauf werfe?"

Es passte direkt und er meinte, dass er hoffentlich am Abend die Zeit finden würde, noch einmal vorbeizuschauen und den Heizkörper abzudichten.


Dann ging er noch zu Anitas Wohnung. Wenn die Krimis im Fernsehen nichts verkehrtes erzählten, hätte an der Tür ein Siegel sein müssen, wenn die Polizei die Wohnung durchsucht hatte. Da nichts davon zu sehen war, schloss er, dass die Polizei tatsächlich nicht dagewesen war. Was angesichts Anitas Geschichte wohl bedeutete, dass sie ihr nicht zu nah auf den Fersen waren. Sie schienen sie tatsächlich nur über irgend etwas befragen zu wollen.

Er ging noch kurz an den Briefkasten und zog die Menge Post und Werbezettel hinaus, die hineingepfropft waren.
Dann ging er in die Wohnung und setzte sich an den Küchentisch. Er erzählte Anita, was er herausgefunden hatte, auch wenn es nicht viel war.

In dem Stapel Post war ihm ein dicker brauner Umschlag aufgefallen. Er drehte ihn nachdenklich zwischen den Händen. Der Umschlag trug keine Briefmarke oder Absender, adressiert war er an ´Andreas Klösgen und Anita Hoch´.
Anita sah ihm interessiert zu, schließlich fragte sie: "Bekommst du so etwas öfter? Mach schon auf!"

Andreas schüttelte den Kopf und überwand sich endlich, den Umschlag zu öffnen.

Er schüttelte die Fotos und das Begleitschreiben auf den Tisch.
Anita sah mit bleichem Gesicht die Fotos an, während Andreas das Schreiben las.

Schließlich reichte Andreas das Schreiben wortlos zu Anita hinüber und sah sich die Fotos an, während sie las. Dann sah sie Andreas kopfschüttelnd an.

Beide stellten gleichzeitig die Frage: "Was soll das?", dann sahen sie sich an und mussten grinsen. Allerdings waren die Abbildungen auf den Fotos nicht wirklich dazu angetan.

Anita lehnte sich zurück und überlegte laut: "Wir sind scheinbar begnadigt wurden. Und wenn ich das richtig zwischen den Zeilen lese, sind wir quasi Strandgut einer Revolution. Es sieht so aus, als hätten liberalere Wertiere die Macht übernommen. Wenn man sich die Bilder ansieht, scheint das ganze für die konservative Partei ziemlich fatal geendet zu haben."
Sie deutete auf eines der Fotos: "Das war dieser Reiter, der Vorsitzende unseres Gerichts. Ich hatte ihn schon einmal bei Kai gesehen, aber erst draußen im Wald habe ich mitbekommen, dass er so etwas wie der Chef der Gruppe ist."

Andreas kratzte sich am Kopf. "Politik bei Werwölfen. So etwas absurdes..."

"Ich würde das hier so lesen, als hätten sie sich über uns in die Wolle bekommen. Scheint so, dass wir sozusagen zur Bastille geworden sind, an der sich der unterdrückte Mob aufgeheizt hat und zum Sturm auf die Obrigkeit geblasen hat."
Anita lächelte sarkastisch und redete weiter: "Das heißt, dass wir sozusagen Helden sind. Es wurden heiße Propagandareden gehalten, in denen unser Tod nach dem viel zu harten Urteil betrauert wurde, dann haben sie die Hinrichtungsstätte gestürmt und die Verantwortlichen aus der konservativen Partei massakriert. Ich hätte gerne die Gesichter gesehen, als sie feststellen mussten, dass wir noch lebten. Das dürfte ihnen gar nicht in den Kram gepasst haben."

"Du interpretierst da aber eine Menge hinein. Woher willst du wissen, dass das so passiert ist?"

Sie zuckte die Schultern: "Ich weiß es nicht. Ich reime mir etwas zusammen. Aber lies das mal. Wir werden als ´Helden´ tituliert, die ´gegen das diktatorische Regieme rebelliert haben´, wenn auch mit ´verzweifelten und unrechtmäßigen Mitteln´, , und schließlich so etwas wie eine Amnestie bei gleichzeitigem Aberkenntnis des passiven Wahlrechts für den Rat der Wertiere. Unterschrieben von eben jenem Rat (komissarisch)."

"Wieso meinst du, dass unser Überleben ihnen nicht in den Kram passt?"

Jetzt grinste sie und zuckte mit den Schultern: "Keine Ahnung. Ich rate nur herum. Die haben uns zu Helden hochstilisiert, die ungerecht vom alten Regieme für eine wahrlich heroische und revolutionäre Tat hingerichtet wurden. Wäre ja alles kein Problem gewesen... wenn wir gestorben wären. Also mussten sie dafür sorgen, dass wir ihnen nicht in die Suppe spucken."

"Aber das ist doch alles reine Spekulation. Kann auch alles ganz anders sein, nicht? Und was heißt überhaupt passives Wahlrecht?"

"Natürlich weiß ich nichts genaues", antwortete Anita. "Aber passives Wahlrecht heißt, gewählt werden zu dürfen. Und das passt prima zu meiner Geschichte. Ich wette, in ungefähr ist es so gelaufen. Wir dürfen den Rat mitwählen, aber uns nicht zur Wahl aufstellen lassen."

Andreas knurrte: "Hätte ich sowieso nicht getan. Ich bin kein Politiker, und Leute, die so verdrehte Sachen denken, kann ich gar nicht leiden."

Sie stand auf und setzte sich auf seinen Schoß. Sie wirkte aufgekratzt und flötete: "Ich hoffe, das gilt nicht auch für mich, wenn ich hier verdrehte Theorien aufstelle?"

"Das weißt du ganz genau", dann stand er auf und trug sie ins Schlafzimmer.
75. RE: Anita

geschrieben von Jo_the_O am 31.07.06 22:34

Ach nein, die Geschichte kann doch jetzt nicht zu Ende sein. Das war so spannend, anrührend, fantasievoll und romantisch, ich bin richtig ergriffen. Ich möchte, daß es weiter geht - bitte !!!!

@Nachtigall
Du kommentierst eigentlich recht viel, aber so mit dem Herzen dabei warst Du wohl selten. Oder

@Träumerin
Vielleicht kannst Du dem Schmetterling mal ein paar Inspirationen aus Deinen Träumen geben.
Wenn´s der Fortsetzung dient ...

Liebe Grüße
Jo
76. RE: Anita

geschrieben von Nachtigall am 01.08.06 05:25

Hallo Schmetterling,

Revolution der Wertiere? *lol* Du kommst vielleicht auf Ideen. Aber fein, wenn sie nun "begnadigt" sind, brauchen sie sich ja keine neue Bleibe zu suchen.

Es sieht mir nicht so aus, als sei die Geschichte schon fertig... bin gespannt, was noch kommt.


Liebe Grüße

Nachtigall
77. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 01.08.06 08:21


@Jo: so einfach werdet ihr mich nicht los. Die Geschichte ist zu ende, wenn ´Ende´ drunter steht. Ich hätte da noch die eine oder andere Überraschung...
@Nachtigall: Meine Güte, ich dachte immer, ich wäre ein Frühaufsteher. Oder bist du ein Noch-nicht-ins-Bett-geher?


Einladung

Die meiste Zeit der nächsten beiden Tage verbrachten sie im Bett und gaben sich Mühe, die Erlebnisse zu verarbeiten, was Andreas definitiv leichter fiel, da er sich praktisch an überhaupt nichts erinnerte und ihn auch sein Unterbewußtsein dankenswerterweise in Ruhe ließ. Anita hingegen wurde immer wieder von Alpträumen gequält und als ihr im Bad unverhofft eine Spinne über den Weg lief, schrie sie entsetzt auf und musste sich erst überwinden, das Tier zu entfernen.

Schließlich ging Anita zur Polizei. Zunächst hatte sie sich mit Händen und Füßen gesträubt, aber sie konnte auf den Hinweis von Andreas, dass schließlich ihre Wohnung nicht durchsucht worden war, nichts antworten. Sie hatte zustimmen müssen, dass das eigentlich nur heißen konnte, dass die Polizei nichts gegen sie in der Hand hatte, und dass sie umso verdächtiger wurde, je länger sie verschwunden blieb.
Und sie wusste, dass es keine Lösung war, sich dauerhaft zu verstecken.

Sie rief an und machte einen Termin für den nächsten Tag.
Am Abend war sie reichlich nervös, aber sie absolvierte den Termin völlig problemlos. Natürlich gab sie zu, fünf und zwei Tage vor dem Raubüberfall in der Ausstellung gewesen zu sein.
"Wer würde sich nicht so Diamantohrringe wünschen? Das war einfach herrlich, deshalb musste ich noch einmal hingehen. Ein Elend, dass jemand so etwas stiehlt."

Auch auf die Frage, warum sie sich jetzt erst meldete, war sie vorbereitet.
Sie zuckte kokett mit den Schultern: "Ich habe einfach keine Nachricht bekommen. Hätten sie mal etwas auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, oder einen Brief geschrieben. Aber es scheint, dass sie nur meinen Nachbarn bescheid gegeben haben. Und ich bin viel unterwegs. Erst gestern hat mich Herr Klösgen darauf angesprochen. Und dann habe ich natürlich sofort angerufen."

Die Polizei ließ sie wieder gehen.

-----

Natürlich hatten sie die Beerdigung von Jonathan verpasst. Anita war darüber nicht wirklich unglücklich, weil sie den Rest seiner Familie, die sich wie die Krähen um die Überreste stritten, nicht gut leiden konnte.
Und sie hatte es einige Tage herausgeschoben, daran zu denken, aber schließlich war es soweit.

Andreas fühlte sich mit seiner Rolle bei Jonathans Tod nicht wirklich wohl, er fühlte sich schuldig, auch wenn Anita das abtat: "Meine Güte, er war alt, er war herzkrank, seine ganze Familie hat darauf gewartet, dass sie endlich mit dem Erben an die Reihe kommen. Du bist der Letzte, der schuld ist. Wenn jemand wußte, worauf er sich mit Magie und Beschwörungen einläßt, dann Jonathan. Und du hast doch selbst gesagt, dass sie freundlich zu ihm war."

Sie legte eine einzelne weiße Rose zwischen die verwelkenden Blumen auf dem Grab.
Andreas musste ziemlich lange warten, bis sie sich endlich abwandte, dann gingen sie gemeinsam vom Friedhof.

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Am gleichen Tag, zwei Tage vor dem nächsten Vollmond, traf neue Post ein, diesmal mit dem regulären Postboten, aber der Umschlag war derselbe wie beim letzte Mal.
Anita drängte sich an Andreas und sie lasen den Brief gemeinsam.

Der eigentliche Brief war kurz. Es handelte sich um eine Einladung des kommissarischen Rates der Wertiere, an der Mond-Party teilzunehmen, eine Grillparty am Nachmittag vor dem Vollmond mit anschließendem gemeinsamen Jagdvergnügen. Eine Anfahrtsskizze war im Brief enthalten sowie ein weiterer handschriftlicher Zettel mit der ausdrücklichen Zusicherung, dass keinerlei rechtliche Mittel gegen Andreas oder Anita ergriffen würden, dass sich alle sehr freuen würden, wenn sie kommen würden, dass aber natürlich mit ihrem Erscheinen verbundene besondere Risiken nicht vom Rat getragen würden. Daher wurde ihnen ausdrücklich und ausnahmsweise erlaubt, sich zu Selbstverteidigunszwecken zu bewaffnen, natürlich mit Ausnahme von Feuerwaffen und geächteten Waffen.

Ein weiterer Zettel und ein Rückumschlag waren enthalten, mit dem sie sich bei dem Treffen anmelden konnten.

Andreas sah Anita an: "Ich habe mir doch gleich gedacht, dass Rechtsanwälte und Politiker keine normalen Menschen sind. Der ganze Rat scheint mit denen gespickt zu sein."

Anita musste grinsen, dann deutete sie auf den Brief und sagte sie nachdenklich: "Das dürfte in etwa so freundlich sein, wie möglich."

"Du willst da hin?", fragte Andreas überrascht.

Sie sah ihn an, überlegte, dann antwortete sie: "Ja. Ich denke schon."

Er wusste nicht genau, ob sie scherzte, oder ob sie es ernst meinte. "Du meinst, weil sie uns letztes Mal nur beinah umgebracht hätten, willst du jetzt noch mal hin, um ihnen eine weitere Chance zu geben? Bist du so Lebensmüde?"

Mit ernsthaftem Gesichtsausdruck antwortete sie: "Nein. Sie sichern uns freies Geleit zu. Und es gibt so viele Dinge, die ich nicht weiß, die ich noch lernen muss. Und in den letzten Monaten bin ich kein bisschen weitergekommen, die Verwandlung, die Katze zu kontrollieren. Kai wollte es mir nicht beibringen. Er hat mich jedesmal verprügelt, wenn ich ihn darauf angesprochen habe. Und selber... ich weiß nicht. Vielleicht bin ich auch nur zu ungeduldig."

Andreas schnaubte. Er war nicht wirklich ärgerlich und er musste ihr zubilligen, dass sie ihre Gründe hatte. Aber...
"Was, wenn dieser Wisch das Papier nicht wert ist, auf dem er geschrieben ist? Sie erlauben uns Messer. Toll. Gegen wieviele Pistolen willst du dich verteidigen? Ich weiß, dass sie uns damit nicht leicht umbringen können, aber meinst du nicht, dass es so weh tun wird, dass sie uns leicht überwältigen können? Was, wenn sie auf uns warten, entwaffnen und das ´gemeinsame Jagdvergnügen´ bedeutet, dass sie uns zu Tode hetzen?"

Anita zuckte die Schultern: "Du hast recht. Das Risiko besteht. Aber ich glaube das nicht. Der Brief klingt ernsthaft und trägt das Siegel des Rates. Die neue Regierung würde sich bei allen anderen unglaubwürdig machen, wenn sie uns mit der Zusicherung von freiem Geleit hinlocken und dann umbringen. Da stünde die nächste Revolution direkt vor der Haustür. Das ´Volk´ hat jetzt gelernt, dass es eigentlich nicht schwer ist, sich einer regierenden Clique zu entledigen."

Er schnaubte noch einmal. "Mag alles sein. Aber ich finde das ganze zu riskant. Sind dir deine Gründe so wichtig? Wir haben doch den Keller. Keine Chance, dass die Katzen da rauskommen."

"Willst du dich wirklich für den Rest deines Lebens dreimal im Monat im Keller einsperren?", fragte sie traurig. "Du weißt noch nicht, wie es ist. Wäre es nicht viel schöner, wenn du die Katze kontrollieren könntest?" Sie runzelte die Stirn: "Ach, ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll."

Andreas schnappte ein wenig ein: "Hmmm. Du hast mehr Erfahrung. Ich kann da wirklich nichts zu sagen."
"Gut. Dann gehen wir", stimmte er nach einer kurzen Pause zu.

Sie schüttelte lächelnd den Kopf: "Ich gehe. Du bleibst."

"Du hast sie ja wohl nicht mehr alle. Was soll ich denn machen, wenn dir etwas passiert? Ich komme auf jeden Fall mit. Alleine gehen lasse ich dich nicht. Und das hat überhaupt nichts mit männlichem Beschützerinstinkt zu tun."

"Na gut", ihr Lächeln war ein paar Grade besorgter geworden, "dann gehen wir halt zusammen. Aber hüte dich, hinterher zu behaupten, ich wäre schuld."

Sie füllte die Antwort aus, zwei Teilnehmer, steckte den Brief in den Rückumschlag fragte ihn noch einmal: "Sicher?" und ging dann über die Straße zum nächsten Briefkasten.
78. RE: Anita

geschrieben von Nachtigall am 01.08.06 11:26

Frühaufsteher.

Netter neuer Teil, Schmetterling,

ich wusste doch, du enttäuschst mich nicht . Rechtsanwälte und Politiker??! *weglach*

Schreib ruhig in dem Takt weiter, dein Stil gefällt mir so gut wie der Inhalt.


Liebe Grüße

Anja
79. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 01.08.06 20:22

Mondlicht

Andreas war nervös. Morgen würde Vollmond sein. Morgen war die Mond-Party des Rates der Wertiere. Heute abend würde er sich das erste Mal in eine Raubkatze verwandeln. Anita hatte ihm empfohlen, am Nachmittag noch ein Nickerchen zu machen, aber er konnte überhaupt nicht schlafen. Er war völlig aufgekratzt. Kein Gedanke an Schlaf.
Schließlich stand er auf, um sie nicht zu stören.

Unruhig tigerte er in seiner Wohnung auf und ab. Er sah auf die Uhr. Noch zwei Stunden, bis der Wecker klingeln würde, den Anita gestellt hatte. Dann würden sie sich langsam für den Keller fertigmachen müssen. Leise zog er seinen Jogginganzug an und ging.

Als er eine knappe Stunde später völlig verschiwtzt wieder kam, erwartete Anita ihn schon.
"Meine Güte, kannst du nicht Bescheid geben, wo du steckst? Ich habe mir Sorgen gemacht. Was, wenn du nicht rechtzeitig..."

Er unterbrach sie und entschuldigte sich, dass er es einfach nicht mehr ausgehalten hatte.
Sie schwenkte von vorwurfsvoll auf Verständis: "Meine Güte, klar, du musst völlig mit den Nerven am Ende sein, und ich schlafe da friedlich. Komm, was hältst du davon, wenn du dich noch duscht und wir dann einen Pizza essen gehen?"

Andreas stimmte zu.

Eine gute Stunde später standen sie vor der Kellertür. Andreas programmierte das Schloss, schließlich hatte er schon mal in dem Keller übernachtet.
Nachdem sie noch einmal kurz überlegt hatten, ob sie auch sicher nichts vergessen hatten, gingen sie in den Raum und ließen die Tür hinter sich zufallen.

Sie zogen sich aus, setzten sich auf die Matratze und begannen ein wenig zu schmusen. Nach ein paar Minuten zuckte Anita zusammen und löste sich von ihm.
"Es fängt an. Entspann dich. Mach am besten die Augen zu und versuch einfach ruhig zu atmen. Es schmerzt ein wenig, wenn sich die Knochenstruktur umstellt."

Andreas nickte und versuchte, ihren Empfehlungen zu folgen.

Anita griff nach seiner Hand und schloss die Augen, als der erste Krampf sie schüttelte. Sie wusste, dass sie schamlos untertrieben hatte. Es tat gemein weh und sie war bisher noch jedesmal überrascht gewesen, wie schlimm es war. Sie hatte nicht wirklich die Möglichkeit, sich um Andreas zu kümmern und zwischen den Krämpfen, die ihr kaum Zeit zum Luftholen ließen, hoffte sie, dass er es gut überstand.

Die Woge animalischer Instinkte drohte ihr Bewusstsein zu überrollen, aber sie schaffte es, die Oberhand zu behalten, wenn es sie auch eine riesige Anstrengung kostete.
Sie öffnete die Augen und sah sich um. Das Bild war durch die geschlitzten Pupillen merkwürdig verzerrt, zwar eindeutig heller und stellenweise schärfer, aber irgendwie anders. Sie wusste, dass sie sich in wenigen Augenblicken daran gewöhnt haben würde, als ob es nie anders gewesen wäre.

Sie hatte dieses Mal nicht versucht, den Vorgang aufzuhalten, sondern sich drauf konzentriert, möglichst viel von ihrem Bewusstsein zu bewahren. Als sie an sich hinuntersah, sah sie einfach nur eine große schwarze Katze. Sie sprang auf, schlug unbewusst nervös mit dem Schw*****nz ...böse Forumssoftware... und leckte ihre Schnauze.

Dann erst sah sie Andreas. Er stand mit angstgeweiteten Augen in einer Ecke des Raumes. Er hatte sich nicht verwandelt. Ganz automatisch versuchte sie ihn zu fragen, was los war, aber aus ihrer Kehle kam nur eine Mischung aus Fauchen und Knurren, das ihn keineswegs zu beruhigen schien.

Der Geruch seiner Angst reizte die Katze in ihr. Ohne ihr Zutun machte sie sich sprungbereit, der Schw*****nz zuckte aufgeregt hin und her. Sie konnte sehen, wie sich vorne in seiner Hose ein dunkler Fleck ausbreitete. Eine tiefes Glücksgefühl überkam sie. Alles an ihm schrie "Opfer!".

Anita verstand, dass hier gerade etwas dabei war schiefzugehen. Sie schloss einen Moment die Augen, konzentrierte sich und machte den bewussten Versuch, ihre Muskulatur zu entspannen, das Bündel ihr fremder Empfindungen zurückzudrängen. Fremde Empfindungen? Sie war die Fremde in diesem Körper. Wie sollte sie erklären, dass sie noch immer hier drin war?

Sie zwang die Katze weiter zurück und legte sich gegen den protestierenden Aufschrei aller ihrer Instinkte auf den Boden. Dann rollte sie sich auf die Seite und sah ihn an. Sie konnte ein leichtes Schlagen mit der Schw@nzspitze nicht vermeiden, so sehr sie sich auch Mühe gab. Wie steuert man bewusst Muskeln, die ein Mensch gar nicht hat?
Sie wartete ab.

Einige Herzschläge später schien auch Andreas sich ein wenig zu entspannen.
"Anita, bist du da drinne?"

Sie gab das leiseste Miauen von sich, dessen sie fähig war.

Er ging sehr zögerlich auf sie zu. Sein Geruch war überwältigend, aber sie schaffte es irgendwie, ruhig liegen zu bleiben. Vorsichtig berührte er das weiche Fell über ihrer Nase.
"Du hast doch die Kontrolle, oder?"

Das war die dümmste Frage, die sie seit langem gestellt bekommen hatte. Sie konnte ein Kichern nicht unterdrücken, das als leises Grollen herauskam. Einen Moment ließ ihre Aufmerksamkeit etwas nach und die Katze schlug aufgeregt mit dem Schw*****nz.

"Soll ich irgendwas... soll ich dich fesseln?"

Das hätte vielleicht geholfen, aber allein die Vorstellung genügte, als dass sie nicht vermeiden konnte, die Ohren anzulegen und ihn mit zurückgezogenen Lefzen laut anzufauchen.

Er nahm sofort seine Hand weg und ging langsam einen Schritt zurück. Dann nickte er: "Es ist schwer, stimmts? Ich denke, es ist das beste, wenn ich mich auf die Matratze setze und einfach still verhalte."

Ihre Augen folgten wachsam jeder seiner Bewegungen.

Der Rest der Nacht war ein einziger Kampf. Auch wenn seine Angst nicht mehr so stark war, so war doch die ganze Zeit sein Opfergeruch um sie herum, reizte das Tier zu verzweifelten Anstrengungen, die Oberhand zu gewinnen.
Zwei Mal war sie aufgesprungen und hatte in seine Richtung gewittert, als ihre Aufmerksamkeit einen Moment lang nachgelassen hatte.

Ein tiefes Frohlocken warnte sie, als sie gerade dabei war, ihn mit einem Prankenhieb niederzuwerfen und seine Kehle aufzureißen. Sie konnte den Hieb gerade noch ins Leere leiten und machte einen ungeschickten Sprung an ihm vorbei, der sie kraftvoll in die Betonwand krachen ließ.
Sie war einen Moment lang benommen und alle Instinkte schrien laut auf, aber es gelang ihr irgendwie, damit fertig zu werden.

Sie legte sich wieder in eine andere Ecke des Raumes und beobachtete Andreas weiter.

Es dauerte ewig, bis der Morgen kam. Bisher hatte sie immer kurz vor Sonnenaufgang das Bewusstsein verloren und war dann als Mensch wieder aufgewacht, aber sie konnte es dieses Mal nicht riskieren. Sie klammerte sich mit aller Kraft fest, auch weil sie merkte, dass die Katze keineswegs schwächer wurde.
Schließlich schüttelte sie der erste Krampf. Alle ihre Instinkte riefen nach Flucht, nach Verstecken, aber irgendwie schaffte sie es liegenzubleiben. Beim zweiten Krampf verlor Anita. Sie gab auf und ließ sich überrollen, aber ihr Katzenkörper war schon zu schwer beschädigt, um mehr als den Versuch zu machen, aufzustehen.

Irgendwann kam sie wieder zu Bewusstsein. Andreas hatte sie aufgehoben und auf die Matratze gelegt. Er streichelte ihren Kopf und murmelte beruhigende Worte.

Sie sah zu ihm auf, räusperte sich, gab ein paar verkorkste Silben von sich, dann fragte sie: "Warum hast du dich nicht verwandelt?"

Andreas zuckte mit den Schultern und sagte defensiv: "Woher soll ich das wissen?"

Sie schloss die Augen und murmelte: "Egal. Ich muss schlafen. Ich kann nicht mehr."
Dann war sie weg.

-----

Andreas hatte sie zugedeckt und im Keller allein gelassen. Die Tür war offen, so dass sie jederzeit hoch in die Wohnung kommen konnte, aber er wollte vermeiden, dass Frau Hansen oder sonstwer ihn erwischte, wie er eine spärlich bekleidete Frau durch das Treppenhaus trug, wenn es nicht sein musste.

Er setzte sich an den Küchentisch und starrte vor sich hin.
Die Nacht war eine Katastrophe gewesen. Zuzusehen, wie Anita sich verwandelte, war alles andere als schön. Ihre Behauptung, es würde ein wenig weh tun, war von ihrem verzerrten Gesicht, von dem Krachen und Reißen, mit dem sich ihre Knochen und Muskulatur umgeformt hatten, ad absurdum geführt worden.
Das hatte nicht nur ein bisschen weh getan. Es musste die Hölle sein.

Aber selbst das hätte er dem gegenüber bevorzugt, was ihm passiert war. Nichts. Und dann war er die ganze Nacht mit einer hungrigen Raubkatze in einem Keller eingesperrt gewesen. Nachdem die Verwandlung fertig war, war sie wunderschön gewesen. Wunderschön und gefährlich. Unter dem glänzenden schwarzen Fell hatten stahlharte Muskeln gespielt, sich fertig zum Sprung gemacht.

Sie war das perfekte Raubtier gewesen, die weißen Fänge geblekt, bereit, ihrem Opfer die Kehle herauszureißen.

Und das Opfer war er gewesen. Schon im ersten Moment hatte er die Kontrolle über seine Blase verloren. Und auch anschließend... einen Moment hatte er gedacht, dass sie die Katze wirklich kontrollieren konnte. Aber das schien keineswegs so einfach zu sein.
Es hatte genau sehen können, wie die Katze darauf lauerte, dass Anitas Aufmerksamkeit nachließ, sie die Kontrolle verlor. Als sie endlich auf ihn zusprang, hatte er schon mit dem Leben abgeschlossen. Wie sollte er sich mit bloßen Händen gegen sie verteidigen?

Aber sie hatte es geschafft. Trotzdem war er sich sicher, dass er keine weitere Vollmondnacht mit ihr eingesperrt verbringen würde, wenn er nicht sicher war, dass er sich auch verwandeln würde, um ihr auf gleicher Ebene entgegentreten zu können.

Verwandeln. Warum hatte er sich nicht verwandelt? Was war los? Würde er sich erst heute abend verwandeln? Vielleicht zählte die Nacht vor dem Vollmond für Neulinge nicht, sondern vielleicht ging es erst in der Vollmondnacht los.
Er überlegte, was Anita über ihr erstes Mal erzählt hatte. Da war es wohl ähnlich gewesen. Sie hatte irgend was erzählt, dass sie die ganze Nacht und den Tag verletzt am Fluß gelegen hatte und erst in der richtigen Vollmondnacht zur Werkatze geworden war.

Zufrieden, eine Erklärung gefunden zu haben, stand er auf und kochte Kaffee. Aber bevor die Kaffeemaschine durchgelaufen war, gähnte er lautstark und entschied sich, lieber doch ins Bett zu gehen.

Gegen Mittag weckte Anita ihn auf.
"Andreas! Ist mit dir alles in Ordnung?"

Schlaftrunken rappelte er sich auf. Dann nickte er und gähnte: "Hast du ausgeschlafen?"

"Ja. Eigentlich ein Wunder, nach der Nacht. Ich vermute, sie war für dich genauso wenig schön, wie für mich? Andererseits war es eine gute Übung."

Er starrte sie verwirrt an: "Wieso Übung?"

"Naja. Eine Konzentrationsübung gewissermaßen. Es war ganz schön hart." Sie lächelte, dann fuhr sie fort: "Aber ich glaube, das hast du gemerkt, oder?"

Andreas nickte. "Ja. Meine Güte, hatte ich eine Angst, du würdest mich unabsichtlich umbringen."

Sie lächelte wieder: "Das habe ich gemerkt, aber es wäre nicht unabsichtlich gewesen. Glaub´ nicht, das hätte meinen Kampf um die Kontrolle vereinfacht. So aufgeregt habe ich die Katze noch nie erlebt. Eingesperrt mit einer leckeren Zwischenmahlzeit, die sich auch genau so verhält, wie es ein Beutetier tut..."

"Ich habe mir sowas gedacht", antwortete Andreas mit einem gequälten Lächeln, "aber du hast keine Ahnung, wie furchteinflößend du fauchen kannst."
Dann erzählte er ihr, was er sich überlegt hatte, warum er sich nicht verwandelt hatte.

Anita runzelte nachdenklich die Stirn, aber schließlich nickte sie. "Kann sein. Ich habe einfach keine Ahnung davon. In der Leihbücherei gibt es eine Menge Leitfäden für alle möglichen Lebenslagen, aber keinen einzigen über Wertiere..."
Dann sah sie auf die Uhr. "Wir müssen los, zu der Party."
Sie korrigierte sich: "Ich muss los. Du bleibst hier."

"Wie kommst du auf die Idee? Ich..."

"Ich habe einfach kein gutes Gefühl dabei. Du hast dich bisher noch nie verwandelt. Was, wenn etwas schiefgeht? Was, wenn die doch nicht freundlich zu uns sind?"

Er schüttelte den Kopf: "Ich komme mit und damit basta. Wie sieht das denn aus, wenn wir uns zu zweit anmelden und dann nur einer kommt?"

Sie seufzte.
80. RE: Anita

geschrieben von Nachtigall am 01.08.06 22:59

Auweia, was für eine Nacht.

Aber guck nochmal, was die Korrektur-Software des Forums aus Anitas Katzens|ch****z gemacht hat!!

Da möchte man glatt die Zähne blecken.


Grinsende Grüße

Nachtigall
81. RE: Anita

geschrieben von living_and_laughing am 02.08.06 05:05

Ach die Forumssoftware iss der Übeltäter.
Und ich dachte, Buttterfly hat plötzlich seinen Hang zur Travestie entdeckt.

Schon dooooof so ein Fehler.
82. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 02.08.06 18:45

... böse Forumssoftware, wobei ich mir nach Nachtigalls und Lilalus Hinweis auch ein breites Grinsen nicht verkneifen konnte...
"... leichtes Schlagen mit der Penisspitze..." das verfälscht dann doch die (von mir) intendierte Bedeutung nicht unerheblich, wenn die Wortersetzung für andere Autoren teils im Sinne des Erfinders sein könnte...

Tiergeschichten hier im Board sind halt (trotz anwesender Nachtigallen (apropos: S0d0mie!!! )) eher eine Seltenheit...

Grüßle
Butterfly
P.S.: und das mit der Travestie möchte ich (sowohl im eher zum Board passenden als auch literarischen Sinne) weit von mir weisen. Nie würde ich...
83. RE: Anita

geschrieben von SteveN am 02.08.06 19:11

Hallo Schmetterling !

Auweia !
Anita fühlt sich richtig ausgeschlafen ...
Nun sind beide bereit sich mit dem neuen Tribunal zu treffen.

Viele Grüße SteveN
84. RE: Anita

geschrieben von Butterfly am 02.08.06 21:08

... wollen wir doch mal sehen, was für Worte das Forum diesmal verwurstet...

Partytime

Die Verkehrslage war unproblematisch, sie brauchten kaum eine Stunde bis zu dem Waldstück, das mit großen Schildern gepflastert war, die abwechselnd darauf hinwiesen, dass es sich um ein Truppenübungsgelände, Privatbesitz, eine Giftmülldeponie handelte. Aber das hatte alles auf der Wegbeschreibung gestanden und gehörte zur Tarnung; schließlich wäre es nicht gut gewesen, wenn irgendwelche normalen Menschen sich entschieden, hier eine Nachtwanderung abzuhalten.

Es war früher Nachmittag, als sie den Wagen in den Schatten der Bäume abstellten. Schon nach wenige Minuten waren sie angekommen. Einige Biertischgarnituren waren aufgestellt und zwei ältere Frauen eilten geschäftig umher, um die Kuchenplatten bereitzustellen. Ein Mann war dabei, einen Schwenkgrill anzuheizen.
Alles sah nach einem völlig normalen, gemütlichen Nachmittag des Kleingärtnervereins der Brieftaubenzüchter oder einer ähnlichen Organisation aus.

Beklommen gingen Anita und Andreas auf die Lichtung. Er ging auf eine der Frauen zu und hüstelte leise. Sie wandte sich zu ihnen um. Sie lächelte schüchtern. Andreas fühlte, wie sich Anita neben ihm versteifte.

Die Frau begann hektisch zu reden: "Oh. Sie haben gesagt, dass ihr euch angemeldet habt, aber ich habe es gar nicht glauben könnnen..."
Dann merkte sie Anitas Körperhaltung. Sie wurde rot.

"Ich... also, es... also ich habe...", sie brach ab und räusperte sich, dann versuchte sie es nochmal.
"Ich habe mir alles mögliche überlegt, aber es gibt keine Entschuldigung. Ich habe versucht, es euch so einfach wie möglich zu machen, aber sie haben sogar die Medikamente überwacht, die ich euch gegeben habe. Es gab keine Möglichkeit, es für euch schnell und schmerzlos zu machen."

Andreas konnte zwar einiges aus ihren Worten ableiten und das Gesicht der Frau kam ihm vage bekannt vor, aber Anita nahm ihm ab, eine sinnvolle Antwort zu finden.
Mit schneidender Stimme sagte sie: "Frau Doktor Hansen, die Henkerin. Ich hätte nicht erwartet, sie noch einmal wiederzusehen."

Die Schultern der Frau sackten nach vorne. Erst jetzt sah man ihr wahres Alter. Sie war offenbar den Tränen nah. "Sie haben mich gezwungen. Die ersten Male, als ich... geholfen habe, habe ich dafür gesorgt, dass sie keine Schmerzen hatten und nicht zu Bewußtsein kamen. Aber beim vorletzten Mal... beim letzten Mal vor euch... da haben sie Verdacht geschöpft. Sie haben mich überwacht... sie haben..."

Andreas spürte, dass Anita kurz vor einer Explosion stand. Er hatte mittlerweile verstanden, wer vor ihnen stand. Er nahm Anitas Arm und bedeutete ihr, zu gehen. Aber sie blieb stehen und starrte die Frau weiterhin an. Schließlich schnaubte sie leise. In mühsam beherrschtem Tonfall knurrte sie: "Na klar. Sie haben nur ihre Befehle befolgt. Dafür habe ich natürlich Verständnis."
Sie machte eine wütende Bewegung mit den Händen, dann drehte sie sich zur Seite und ließ die Ärztin stehen.

Andreas ging hinter ihr her und griff sie am Arm.
"Meinst du nicht, dass du etwas zu harsch warst?"

Sie blieb stehen und sah ihn an. Sie war immer noch wütend: "Sag mal, verstehst du das nicht? Sie hätte uns beinah umgebracht, verdammt noch mal. Und dann faselt sie etwas davon, dass sie es gerne ´schnell und schmerzlos´ gemacht hätte. Als ob das besser gewesen wäre."

"Versetz dich mal in ihre Position. Wir wären sowieso gestorben. Sie hat sich selber in Gefahr begeben, um anderen zu helfen. Ich glaube nicht, dass sie mit der Art, wie Urteile vollstreckt werden, glücklich war."

Es klang etwas trotzig, als sie antwortete: "Ach lass mich! Ich will doch nur..."
Dann schlug ihre Miene um. Tränen glitzerten in ihren Augen. "Verdammt... sie hat mir weh getan. Sie war das letzte, bevor... ich war so hilflos... Ich hasse sie, am liebsten würde ich..."

Andreas nahm sie in den Arm, ging mit ihr ein paar Schritte auf den Wald zu und wartete, bis sie sich etwas beruhigt hatte. Schließlich fragte er sie: "Meinst du, es wird jetzt wieder gehen?"

Sie schniefte noch einige Male, schließlich nickte sie. Andreas ging zu dem Mann am Grill hinüber. Nach wenigen gewechselten Worten kam er zurück und nahm Anita an der Hand.

Der Mann hatte ihm gesagt, wo sie die Mitglieder des Rates finden würden. Unter einer großen Kastanie standen ein paar Stühle. Zwei Männer und eine junge Frau saßen darauf.
Die drei standen auf und einer der Männer begrüßte sie: "Willkommen. Frau Hoch, Herr Klösgen. Wir freuen uns wirklich sehr, dass sie sich entschieden haben, zu kommen."

Viele Hände wurden geschüttelt.
Dann erklärte die junge Frau: "Die meisten anderen wissen schon Bescheid, deshalb wollten wir euch erklären, wie unsere Regierung in Zukunft funktioniert."

Dann ließen sich die beiden aufklären, dass der Rat nach der Ablösung der bisherigen Diktatur dabei war, ein Triumvirat einzuführen. Und Andreas und Anita standen dem vorläufigen Triumvirat gegenüber. Tatsächlich gab es ein demokratisches Wahlsystem, bei dem rollierend alle zwei Jahre ein Mitglied des Triumvirats ausgetauscht wurde. Damit entspach eine Amtsperiode sechs Jahren.
Die einzige Ausnahme war die erste Wahl. Hierbei wurden alle drei Mitglieder des Triumvirats gewählt. Anschließend wurde gelost, welches Mitglied des Triumvirats zwei, vier oder sechs Jahre Amtszeit hatte.

Anita nickte und unterbrach die Ausführungen, die zunehmend technisch wurden: "Wann ist denn die Wahl? Und wer darf sich zur Wahl stellen?"

Die junge Frau hüstelte und sah hilfesuchend zu den beiden Männern. Der eine, der bisher noch gar nichts gesagt hatte, sprang ein: "Die Wahl findet am Tag vor dem nächsten Vollmond statt. Wahlberechtigt sind alle Wertiere. Und zur Wahl stellen können sich alle Wertiere, ausser euch."

Anita fragte dazwischen: "Wieso nicht wir?"

Der Mann machte ein ernstes Gesicht: "Verwendung von geächteten Waffen ist und bleibt ein Verbrechen. Aber die barbarischen Hinrichtungen gehören der Vergangenheit an. Zukünftig wird niemand lange leiden müssen."
Der Mann räusperte sich, dann fuhr er fort: "Wir haben per Akklmation beschlossen, dass eure Beinah-Hinrichtung durch ihre Grausamkeit ausnahmsweise als praktisch durchgeführt eingestuft wurde."

Andreas sah ihn verdutzt an: "Das heißt, wir sind praktisch tot? Hingerichtet?"

Die junge Frau lächelte. "Äh, eher theoretisch als praktisch, aber vereinfacht gesagt: Ja. Genau. Und deshalb könnt ihr auch nicht gewählt werden."

Anita fuhr durch den Kopf, dass es ziemlich unlogisch war, dass sie dennoch wählen durften. Oder atmen. Aber sie verzichtete darauf, naseweise Fragen zu stellen. Stattdessen fragte sie ernsthaft: "Gut, ich denke, das ist uns alles soweit klar. Allerdings habe ich da ein Problem..."
Sie schilderte, dass sie sehr wenig praktische Erfahrung mit dem Verwandeln hatte und dass sie Probleme hatte, ihr Bewußtsein zu bewahren und die Katze zu kontrollieren.

Das komissarische Triumvirat nickte nachdenklich. Die junge Frau lächelte verständnisvoll: "Das geht vielen jungen Wertieren so. Aber Frau Doktor Hansen kann ihnen da mit Beratung und praktischen Übungen zur Seite stehen."
Sie hüstelte, als sie den Ausdruck auf Anitas Gesicht sah: "Frau Doktor Hansen hat das alles überhaupt ausgelöst. Sie hat herumtelefoniert und die ersten Treffen organisiert. Und als wir dann die Wache am Galgenhügel überwältigt hatten, war sie es, die alle überzeugt hat, dass man euch nicht einfach sterben lassen kann, sondern dass ihr medizinische Versorgung braucht."

Anita schluckte und sah ratlos erst die junge Frau, dann Andreas ratlos an. Dann seufzte sie auf: "Ok. Ich glaube, ich muss mich entschuldigen."


Raubtiere

Anita entschuldigte sich tatsächlich bei der Ärztin, die sich gleich ihres Problemes annahm. Am Anfang war sie sehr scheu und das schlechte Gewissen war ihr deutlich anzumerken. Aber schon nach wenigen Minuten wirkte sie sehr professionell.
Nachdem Anita geschildert hatte, wie es bei ihr aussah, sah die Ärztin sehr nachdenklich aus.

Sie schüttelte den Kopf: "Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber das ist alles nicht richtig so. Es war unverantwortlich, was Herr Traubner ihnen angetan hat. Umso tragischer ist der ganze Rest. Wir hätten viel früher einschreiten müssen."
Sie nahm Anitas Hand: "Sie dürfen das nicht als einen Fluch sehen. Solange sie es als eine Krankheit betrachten, nicht als eine Gabe, solange sie diesen Teil ihrer Person abspalten und verleugnen, solange wird es immer ein Kampf sein. Wenn sie es akzeptieren, bereit sind, als Katze zu rennen und zu jagen, ihre Zähne in das zuckende Fleisch ihrer Beute zu schlagen, dann werden sie auch in Form einer Katze ihr Bewußtsein wahren und steuern. Aber sie werden nicht gegen die Natur ihres Tieres verstoßen können."

Anita sah die Ärztin mit großen Augen an: "Das heißt, es ist nicht eine Frage der Willensstärke? Die Kontrolle zu haben?"

Die ältere Frau lachte: "Ganz im Gegenteil. Je mehr Zwang sie anwenden, desto stärker wird dieser Teil ihrer Person sich gegen sie wenden." Sie wurde wieder ernst und fuhr fort: "Sie kämpfen mit ihrem Spiegelbild. Sie können nicht gegen sich selbst gewinnen. Die Katze ist genauso stark wie sie, weil sei ein und die selbe Person sind."
Dann wurde sie ernst: "Ich hoffe nur, dass sie sich noch nicht zu sehr in diesen Kontrollzwang verrannt haben. Was würden sie normalerweise heute abend tun?"

"Ich... ähm... also... Ich schließe mich in den Keller ein. Die Tür hat ein Zeitschloss, das erst morgen früh wieder zu öffnen ist. So kann niemandem etwas passieren."

Dir Ärztin schüttelte den Kopf. "So kann das nicht bleiben. Ich sollte sie mit in meine kleine Privatklinik nehmen, aber ich kann verstehen, wenn sie mir nicht vertrauen. Für heute und morgen Nacht wird es ihre Notlösung mit dem Keller tun. Aber sie müssen daran arbeiten, sonst werden sie zerbrechen. Versuchen sie, heute abend ganz gelassen zu bleiben. Freuen sie sich auf die Stärke, auf die Geschmeidigkeit ihres Selbst."

Dann wandte sie Andreas an: "Und sie? Sie waren heute nacht dabei? Wie lief ihre Verwandlung?"

Andreas schluckte: "Überhaupt nicht. Ich hatte mich mit Anita zusammen eingesperrt, aber ich habe mich nicht verwandelt. Es wäre das erste Mal gewesen. Die erste Verwandlung findet doch erst bei Vollmond statt, nicht in der Nacht davor, oder?"

Mit einem sehr nachdenklichen Geschichtsausdruck schüttelte die Ärztin den Kopf: "Nein. Das stimmt nicht. Jedenfalls nicht bei Werwölfen." Sie zuckte die Schultern und fuhr fort: "Ihr Katzen seid ziemlich selten, da weiß ich das nicht so genau. Ausser ihnen kenne ich keine lebenden Werkatzen. Scheinbar ist es nicht so ansteckend wie bei Werwölfen, ich weiß es auch nicht. Oder sie haben sich nicht infiziert."
Sie sah ratlos aus, schloss einen Moment die Augen und dachte nach: "Nein. Das kann auch nicht sein. Ein normaler Mensch hätte das nie und nimmer acht Tage lang überlebt."

Sie sah auf die Uhr, dann überlegte sie kurz: "Ich würde vorschlagen, sie fahren nach Hause. Es ist noch genug Zeit. Wenn hier heute zwei ungeübte Katzen mit den Wölfen laufen, dann gibt es ein Riesendurcheinander."

Anita nickte: "Ich hätte das auch nicht vorgehabt. Ich brauche meinen Keller, damit ich niemandem etwas antun kann."

Die Ärztin zog die Augenbrauen zusammen und nickte, obwohl ihr anzusehen war, dass sie lieber den Kopf geschüttelt hätte. Sie drückte Andreas noch eine Karte mit ihrer Telefonnummer in die Hand, dann verabschiedete sie sich von den Beiden.

-----

"All das Gerede von akzeptieren, keinen Zwang anwenden, eins mit der Katze werden. So ein Quatsch. Kein Wunder, dass die alle völlig meschugge sind."

Es dauerte eine Weile, bis Anita sich soweit abgeregt hatte, dass er sich traute, ihr zu widersprechen. "Das hat aber nicht so unsinnig geklungen, was sie gesagt hat, finde ich."

Anita kreuzte die Arme vor der Brust und würdigte ihn keiner Antwort.

Fast fünf Minuten später knurrte sie: "Das schlimme ist, dass sie wahrscheinlich recht hat. Aber ich habe keine Ahnung, wie ich das geregelt bekommen soll. Wie soll man denn freiwillig etwas, was so anders ist, zu sich einladen, sich ihm ausliefern?"

Andreas zuckte die Schultern: "Ich kann da noch nicht viel zu sagen. Aber du machst dich selber völlig fertig, wenn du dich dagegen wehrst. Das schaffst du auf Dauer nicht."

Anita antwortete nicht, sondern sah konzentriert aus dem Fenster. Nach einiger Zeit fragte Andreas: "Wie machen wir das gleich? Was ist, wenn ich mich nicht verwandele? So eine Nacht wie die letzte möchte ich eigentlich nicht noch einmal haben."

Anita riß ihren Blick von der vorbeiziehenden Landschaft los und sah Andreas an. Dann stimmte sie zu: "Für mich war es auch nicht so schön." Sie seufzte: "Und es wäre wahrscheinlich nicht im Sinne von Frau Doktor Hansen. Ich habe noch nie so hart um die Kontrolle gekämpft wie letzte Nacht. Aber ich hatte ja auch eine gute Motivation."

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Zuhause angekommen holte Andreas eine Isomatte, seinen Schlafsack und ein paar Decken aus seiner Wohnung. Er legte sie in einen leeren Kellerraum.
Anita fragte noch, ob es auch wirklich ok sei, wenn sie ihn einschloss. Auf sein Nicken hin warf sie noch einmal einen Blick auf die Uhr, dann ging sie, verriegelte die Tür und ließ das Vorhängeschloss zuschnappen. Dann ging sie zu ihrem Keller, programmierte das Schloss und ging hinein.

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Am nächsten Morgen schloss Anita die Tür von Andreas Keller auf. Sie kuschelte sich an ihn und streichelte ihn sanft, bis er aufwachte.

"Hallo, mein kleiner Kater... hattest du eine schöne Nacht?"

Er gähnte laut und ausgiebig, dann antwortete er: "Ich glaube, ich verlege mein Schlafzimmer hier herunter. Ich habe geschlafen wie ein Murmeltier."

"Das will ich doch gar nicht wissen. Wie war es?"

Er zuckte mit den Schultern: "Ich sage doch. Ich habe geschlafen. Du hattest kaum die Tür zugemacht, als ich eingeschlafen bin. Und ich bin eben erst aufgewacht."

Anita stöhnte laut auf: "Das gibt es doch nicht. Du kannst doch nicht einfach... ich meine..."

"Vergiss es einfach. Ich bin ein ganz normaler Mensch, denke ich. Ich habe keine Ahnung, was los war, warum ich die ´Hinrichtung´ überleben konnte. Vielleicht eine Nebenwirkung von Jonathans Zauber."

Ein Schatten huschte über Anitas Gesicht, dann lächelte sie traurig und zuckte die Schultern.
"Na gut. Ich gehe mal rauf in meine Wohnung und mache mich frisch. Machst du uns Frühstück, wenn du so gut geschlafen hast? Ich komme dann gleich zu dir."

Er hielt sie fest: "Wie war denn deine Nacht? Ging es, oder war es sehr schlimm?"

Sie wich seinem Blick aus und antwortete: "Ging schon. Ich habe die Katze einfach kommen lassen und mich nicht mit ihr herumgeschlagen. Zumindest hat sie mir nicht wehgetan. So, ich geh jetzt. Ich muss duschen. Mach´s gut."
Dann gab sie ihm einen Kuß und verließ den Keller.

Andreas blieb noch einen Moment lang verdutzt sitzen, dann sammelte er seine Sachen ein und ging in seine Wohnung. Er wusch sich, putzte sich die Zähne und fing an Kaffee zu kochen.
Ein Blick in die Brotdose zeigte ihm gähnende Leere. Er sah auf die Uhr: der Bäcker würde bereits auf haben.
Daher ging er in den Flur und die Treppe hinunter. Die Haustüre fiel gerade zu und er hätte schwören können, dass...
Hastig lief er auf die Sraße, dann legte er einen Spurt ein. Sie trug einen großen Wanderrucksack und eine Tasche in der Hand und hatte gerade den Kofferraum ihres Autos geöffnet.

"Anita. Wo willst du...?"

"Laß mich. Ich gehöre nicht hierher. Du gehörst nicht zu mir. Es wäre so schön gewesen, aber so... ich muss gehen."

Andreas sah sie fassungslos an und sah die Tränen in ihren Augen glitzern.
Er holte aus und gab ihr eine Ohrfeige. "Du hast sie wohl nicht mehr alle. Du kannst dich doch nicht einfach wegschleichen, nur weil ich nicht... Ich werde dich nicht gehen lassen, da musst du mich schon k.o. schlagen."
Dann schlug er den Kofferraumdeckel zu, nahm sie an der Hand und ging mit ihr zum Haus zurück. Sie wehrte sich nicht, sondern ging stumm mit.

Im Hausflur blieb er stehen und überlegte kurz. Dann sah er ihr in die Augen: "Ich muss gleich zu meinem Arzt, die Krankmeldung verlängern lassen. Versprichst du mir, dass du dableibst und keine Dummheiten machst, bis wir gesprochen haben?"

Anita nickte mit niedergeschlagenen Augen.

"Gut. Und um sicherzugehen, dass nichts unbeabsichtigtes passiert, schließe ich dich im Keller ein, bis ich wieder da bin. In Ordnung?"

Sie zögerte kurz und es war ihr anzusehen, dass sie überhaupt nicht begeistert war, aber schließlich nickte sie.

Andreas atmete auf, als die Tür hinter ihr zugefallen war.

So würde das nicht weitergehen. Er ging in seine Wohnung und telefonierte.

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Zwei Stunden später war er wieder zu Hause. Er kochte noch einmal frischen Kaffee und deckte den Tisch, dann ging er in den Keller.

Anita erwartete ihn mit hängendem Kopf. Sie überfiel ihn mit einem Redeschwall: "Andreas, ich... ich liebe dich. Alles, was du für mich getan hast. Aber ich bin nicht gut für dich. Ich bin krank. Ansteckend. Irgendwann werde ich dich unabsichtlich verletzen, vielleicht töten, vielleicht auch nur infizieren. Ich werde jetzt gehen, und du wirst mich nicht halten, verstehst du?"

Er schüttelte den Kopf: "Lass uns das nach dem Frühstück diskutieren. Von mir aus kannst du dann gehen, wenn du willst."

Sie war nicht begeistert, aber stimmte zu.

Jedesmal, wenn Anita wieder davon anfing, schüttelte Andreas den Kopf und verwies darauf, dass er wenigstens in Ruhe frühstücken wollte. Anita trank den Kaffee, den Andreas ihr eingeschenkt hatte und aß ein halbes Marmeladenbrötchen dazu.

Andreas ließ sich Zeit und beobachtete mit sehr gemischten Gefühlen, wie ihre Augen langsam glasig wurde und schließlich zufielen. Ihr Kopf sackte nach vorne.
Er wartete noch ein paar Minuten, dann nahm er Anita auf den Arm und trug sie in den Keller.

Er hatte Frau Doktor Hansen gegenüber auf sämtliche Knöpfe ihres Schuldkomplexes drücken müssen, bis sie ihm das starke Beruhigungsmittel gegeben hatte, das sich geruchs- und geschmacklos in Kaffee löste.

-----

Andreas lächelte Anita etwas gequält an, als sie schließlich aufwachte.

"Wir sind im Keller. Bitte entschuldige, ich musste das tun. Es kann sein, dass du dich noch eine Weile etwas benommen fühlst und dir schwindelig ist, aber das sollte sich bald geben."

Er machte eine Pause und half ihr, sich aufzusetzen. Er fühlte sich ziemlich fiebrig und etwas schwindelig.

Sie stöhnte: "Was soll das. Warum hast du das gemacht? Glaubst du, so kannst du mich umstimmen? Was soll das nützen? Du kannst mich nicht dauerhaft unter Drogen setzen. Willst du werden, wie Kai?"

Andreas zuckte zusammen, dann schüttelte er den Kopf. Er konnte erst wieder sprechen, als der Raum aufgehört hatte, sich zu drehen: "Nein. Nicht wie Kai. Ich verspreche dir, dass das eine Ausnahme war, und ich das nie wieder machen werde. Aber es musste sein."
Er zögerte einen Moment, dann griff er neben sich. Er wies auf den klaffenden Schnitt in seinem linken Oberarm, dann zeigte er ihr die große Spritze.

"Was soll das?", fragte Anita.

"Ich habe das Zauberband, das Jonathan mir um den Arm geknotet hat durchgeschnitten. Es hatte sich in der Haut festgesetzt, aber sobald ich es durchgeschnitten habe, ist es abgefallen. Dann habe ich mir fünfzig Milliliter von deinem Blut gespritzt. Das muss auf jeden Fall für eine Infektion ausreichen."

Sie sah ihn mit großen Augen an und er fuhr fort: "Wir können erst morgen früh aus dem Keller", er schaute auf die Uhr, aber das Zifferblatt verschwamm vor seinen Augen. Schließlich gelang es dennoch, "und es ist noch eine gute Stunde..."
Dann stöhnte er, nuschelte: "mir ist schlecht...", verdrehte die Augen und klappte zusammen.

Anita versuchte, aufzustehen und nach ihm zu sehen, aber sie fühlte sich selbst noch viel zu benommen. Schließlich schaffte sie es. Sie fühlte seinen Puls, der recht unregelmäßig schlug. Sie versuchte die Tür, aber sie wußte, dass ein Entkommen unmöglich war.
Schließlich rollte sie eine Decke zusammen und legte sie unter seinen Kopf. Sie knöpfte sein Hemd auf, dann setzte sie sich, zog die Knie an den Körper und umschlang sie mit ihren Armen. Sie legte den Kopf auf das rechte Knie und wartete.

Es gab nichts, was sie tun konnte.

Während der erste Krampf sie durchfuhr, sah sie, wie er ebenfalls gequält zuckte.
Sie wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, aber sie wusste, dass sie jetzt nicht alleine war. Das machte es einfacher.

-----

Die beiden schwarzen Katzen beschnüffelten gegenseitig ihre Nasen. Die Schw@nze zuckten aufgeregt hin und her. Die weibliche Katze schnurrte melodisch, was die männliche beantwortete. Dann balgten sie sich kurz und begannen, sich gegenseitig zu lecken.
Schließlich schliefen sie aneinander gekuschelt auf einer der Decken ein.

Finis
85. RE: Anita

geschrieben von living_and_laughing am 02.08.06 22:31

Ich hab ja gerade einen Bänderanriß in der Schulter. Nicht besonders tragisch, aber schmerzhaft. Insofern bedaure ich schon, nicht auch so ein bisschen zu den Wertieren zu gehören.
Nicht mal zu den Gummibären. *g*

Bei Deiner Geschichte dachte ich ja auch erst, daß der Schluß viel früher kam. Allerdings dachte ich dort, Du hättest die Lust am Weiterschreiben verloren.
So iss es ja doch noch ein nettes Ende geworden, das Zufriedenheit bei (fast?) allen Mitlesern auslöst.
Ein Kuschelende.
*bg*
86. RE: Anita

geschrieben von Nachtigall am 03.08.06 04:44

*schnurrrrrrr* Jaaaa, ein Kuschelende macht mich sehr zufrieden. Und die Hansen, wer hätte das gedacht...
Obwohl mein Gerechtigkeitssinn empört aufgekreischt hat, weil der Fall mit den "geächteten Waffen" nicht wieder neu aufgerollt wurde: Schließlich war Anita dabei gar nicht beteiligt und Andreas war noch kein Werpanther und hätte gegen Kai ohne das Silber überhaupt keinen Stich gesehen. UNGERECHT! Jawohl. Diese Biester haben wohl noch nie was von "Notwehr" gehört.

Was all meine Vorurteile gegen Rechtsanwälte und Politiker wieder mal voll bestätigt *breitestgrins* .

Ansonsten ein prima Schluss, Butterpilcher...


Frühe Grüße
Nachtigall
87. RE: Anita

geschrieben von SteveN am 03.08.06 11:43

Hallo Butterfly !

So hat sich nun Andreas auch zu einem Wertier gemacht.
Er will jetzt mit seiner Anita zusammenbleiben und gemeinsam alt werden.
Ähm, was für eine Lebenserwartung haben eigentlich diese Werkatzen ?
Ansonsten super Geschichte.

Viele Grüße SteveN
88. RE: Anita

geschrieben von träumerin am 05.08.06 17:58

Ohhhhh....
*glücklich und zufrieden seufzel*
Was für eine Geschichte, Süsser! So wunderbar spannend, mit einem meisterlichen Ende!

Natürlich hätte ich zu gern gelesen, wie die beiden ihr Leben als Werkatzen in den Griff bekommen. Aber....das liegt nur daran, dass ich von deinen Geschichten nicht genug bekommen kann!

Es grüsst dich
eine zufrieden vor sich hin schnurrende Träumerin...
89. RE: Anita

geschrieben von Why-Not am 04.01.07 00:34

So, jetzt habe ich es endlich auch geschafft, die letzten Folgen zu lesen.

Schöne Geschichte. Hast Du gut gemacht, Butterfly.

Why-Not
90. RE: Anita

geschrieben von Zwerglein am 18.02.07 19:35

Di Geschichte gefällt mir sehr gut. Es freut mich das es ein glückliches Ende genommen hat.

Danke Butterfly.
-----
liche Grüße Zwerglein.


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