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eröffnet von r-martine am 10.09.06 20:05
letzter Beitrag von Tamburi am 10.09.06 22:13

1. An diesem Abend

geschrieben von r-martine am 10.09.06 20:05

An diesem Abend
sieht sich der Ehediener schon
wunderbar geformt in Optik, Charakter und Gebaren
prüfend im Hausflur vor dem Spiegel stehen
dunkler Anzug, Fliege, blütenweißes Hemd
er weiß - ganz lebendige Etikette,so möchte Sie ihn am liebsten sehen
perfekt rasiert, das Haar sehr sorgfältig gekämmt
über seinem klopfendem Herzen die kleine Brosche
die er mit Ihren Initialen auf goldener Krone trägt
nach so vielen Jahren noch immer ohne Routine
immer noch etwas ängstlich, immer noch aufgeregt
dann ein leises Geräusch, Sie kommt
dafür hat er ein ganz senibles Gespür
ein letzter Blick in den Spiegel- gerade Haltung
- jetzt - öffnet sich die Tür
Sie tritt herein, schwungvoll, lächelnd, Hut, Mantel
hochgesteckte Frisur, schickes Kostüm
er ist noch immer fasziniert, Sie hat Einkäufe im Arm
ein Blick zu ihm, der sagt: "willst du dich wohl gleich bemühen" ?
jetzt die Verbeugung: Guten Abend - er eilt zu ihr
nimmt die Tüten ab, den Hut auf die Garderobe
hilft Ihr aus dem Mantel mit reizender Bravour
Sie bemerkt es lächelnd, wendet sich ihm zu:
"Wie lange haben wir das geübt- heute ist es Teil deiner Natur"!
Sie betreten das Wohnzimmer, alles glänzt
er hat den ganzen Vormittag aufgeräumt
auf dem Eßtisch Blumen, ein Gedeck, strahlende Gläser
alles gehaucht in sanftes Kerzenlicht
Sie ist heute besonders heiter aufgelegt
genießt die Atmosphäre ganz verträumt
Ihr prüfender Blick geht im Raum umher
kein Makel ist zu erkennen, jetzt ist Sie bei ihm
ein Lächeln im Gesicht
"Liebling, du darfst mich jetzt bedienen
wieder eine Verbeugung- er tritt an den Tisch
rückt Ihr den Stuhl zurecht, Sie nimmt Platz
er trägt Ihr auf:Fisch, gedämpftes Gemüse, Salat
dazu ein leichter Wein
Sie ißt schweigend mit Genuß,für lange fällt kein Satz
dann ist der Hunger gestillt,Sie ist zufrieden, sagt:
"Nimm einen Stuhl, setz dich heute mal zu mir
ich möchte dir was sagen: sofort, mein Schatz"!
er gehorcht, sitzt jetzt an Ihrer Seite
ihre Gesichter treffen sich im Kerzenschein.
"Weißt du noch, Liebster, als wir uns das erste mal trafen
damals glaubtest du noch, die Welt gehört ganz dir
wolltest mich verführen, mit mir schlafen
und seit der Hochzeit weißt du, dieses Thema ist bei
mir verpönt
und mit viel Geduld und List und Strenge
bist du heute ganz entwöhnt
sag, tut es dir leid "?
er zuckt zusammen, jetzt nur die richtigen Worte
"Nein, die Triebe sind zwar nicht verloren-
doch verdrängt durch schmerzhaftes Lernen
und den heilsamen Geist der Enthaltsamkeit."
Sie schaut ihn lange an, den Blick verklärt
er fühlt mit Ihr einen Augenblick
der die Zeit vergißt, fast ewig währt
"weißt du was: die Nacht ist schön, rasch meinen Mantel, ich will mit dir spazierengehen"!
Er tat wie befohlen und und etwas später
konnte man Sie und ihn, verliebt Arm in Arm
im Lichterglanz der Sterne sehen.
2. RE: An diesem Abend

geschrieben von Tamburi am 10.09.06 22:13

Mir gefällt, dass Du Dir in dieser Geschichte die Mühe machst, ausführlich die Atmosphäre und das Ambiente zu beschreiben. So wirkt sie viel liebevoller als vieles, was ich bisher hier gelesen habe. Sie ist "leise" ... das gefällt mir.
Nur der Schluss kommt mir persönlich zu übergangslos.

lg
tamburi


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