Thema:
eröffnet von Blue Moon am 17.02.07 10:34
letzter Beitrag von Charly am 17.02.07 11:36
1. Abschied nehmen !
geschrieben von Blue Moon am 17.02.07 10:34
Als wir uns das erste mal vor 20 Jahren begegneten konnte ich nicht all zu viel mit dir anfangen. Nur widerstrebend hatte ich mein Einverständnis gegeben als Taufpate zu Verfügung zu stehen. Nach einer durchzechten Nacht zu vor stand ich nun in der Kirche und hielt dich vorsichtig in meinen Armen. Ich erinnere mich noch sehr gut wie du zum ersten Mal mit deinen kleinen Beinen auf mich zu gelaufen bist und mich mit deinen strahlenden Augen neugierig angesehen hast. Irgendwie hattest du in meiner Person einen Narren gefressen, denn jedes Mal wenn ich zu Besuch bei euch war, bist du sofort zu mir gelaufen und ich war peinlich berührt als dir zum ersten Mal mein Namen über die Lippen kam. Ich habe dich mehrmals vom Kindergarten abgeholt, war bei deiner Einschulung dabei und fungierte sehr oft als dein Babysitter. Du warst damals schon eine kleine Rebellin und hast immer versucht deinen Willen durch zu setzen, sehr zum Leidwesen deiner Eltern. Ich, dein Patenonkel fand dein Verhalten cool, da ich selbst in meiner Kindheit stets aus der Reihe getanzt bin und genau das Gegenteil tat, von dem was man von mir erwartete. Oh ja, wir hatten viel gemeinsam und ich war stets bemüht dich auf deinem eingeschlagenen Weg zu unterstützen
In Anbetracht meines Lebenswandels war ich bestimmt nicht geeignet dir als leuchtendes Vorbild zu dienen und doch hast du dich an mir orientiert, was den Rest unserer Familie natürlich überhaupt nicht behagte. Ich schwamm ständig gegen den Strom, ließ mich in keine geformte Schablone pressen und ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich dich mit 15 Jahren auf ein Konzert unserer gemeinsamen Lieblingsgruppe " Die Toten Hosen " mitnahm, was mir mächtigen Ärger mit deinen Eltern einbrachte. Aber egal, es war damals dein größter Wunsch, welchen ich dir gern erfüllt habe. Als du die Schule beendet hattest und dein Berufswunsch anstand hast du uns alle in Erstaunen versetzt. Nie werde ich das Gesicht deiner Mutter vergessen, als du ihr eröffnet hast, das du eine Lehre als Schreinerin beginnen wollest und nichts konnte dich davor abhalten dieses Ziel zu verwirklichen. Ich habe dich für deine Entschlossenheit damals wirklich sehr bewundert und ich war unendlich stolz auf dich als du deine Gesellenprüfung als Klassenbeste abgeschlossen hast.
Als mich Anfang letzten Jahres die Nachricht ereilte das meine über alles geliebte Evi bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt war und Trost im Alkohol gesucht habe, warst du sofort zur Stelle. Du hast mir ordentlich ins Gewissen geredet und gewaltige Anstrengungen unternommen um meine Talfahrt zu stoppen, was dir letzt endlich auch gelungen ist. Obwohl uns über 20 Jahre trennten, warst du in gewisser Hinsicht reifer als dein lebensmüder Onkel. Du warst wirklich sehr hartnäckig in deinen Bemühungen und hast mich ständig auf irgendwelche Veranstaltungen und Rockkonzerte mit geschleppt. Im Rückblick hat dir der Erfolg recht gegeben und ich fand in ein halbwegs normales Leben zurück. Du warst damals wirklich der Sonnenstrahl in meinem düsteren Leben und jetzt hast du diese Welt für immer verlassen. Das warum brennt mir immer noch auf der Seele und ich empfinde es als grausame Ironie des Schicksals das du auf die gleiche Weise verstorben bist wie Evi. In mir herrscht Wut, Trauer, Niedergeschlagenheit und Resignation Anbetracht deines unerwarteten Todes. Ich bin kein sehr religiöser Mensch und mied die Kirche wie der Teufel das Weihwasser. Du hingegen warst des genaue Gegenteil und wir führten unzählige Debatten über Glaube, Erlösung sowie Gott. Jetzt hoffe ich verzweifelt das es so was, wie das in der Bibel zitierte Leben nach dem Tod gibt, denn das würde bedeuten das ich dich und Evi wieder sehen könnte, wenn meine Zeit abgelaufen ist. Ich weiß das es immer deine größte Sorge war das ich mein Ableben auf irgend eine Weise beschleunigen könnte, aber ich kann dich beruhigen. Ich verspreche dir das ich meine verbleibende Zeit hier brav absitzen und mich in Geduld üben werde. Nur es ist so verdammt schwer ohne die beiden Menschen dir mir soviel in meinem Leben bedeuteten zu recht zu kommen, aber ich gebe dir hier das feierliche Versprechen das ich mich am Riemen reißen werde.
Deinen Goldfisch Franzi habe ich zu mir genommen und du kannst dich darauf verlassen, das er es bei mir sehr gut hat. Während ich diese Zeilen schreibe, erinnere ich mich über unser letztes Gespräch über Internetbekanntschaften. Du hast die These vertreten das dies nur eine glitzernde Scheinwelt ist, aber in diesem Punkt muss ich dir energisch widersprechen. In den Forums in denen ich verkehre haben mir sehr viele Menschen ihre Anteilnahme ausgesprochen und mir ihre Hilfe angeboten haben. Vor mir liegt jetzt ein langer, schwieriger Weg denn ich jetzt beschreiten muss, aber ich kann dir versichern, das ich ihn bis zum Ende gehen werde. Ich muss dich jetzt loslassen, aber loslassen heißt nicht vergessen. Ich wirst für immer einen fest verwurzelten Platz in meinem Herzen haben und ich ende mit einem Song von unserer Lieblingsgruppe den " Toten Hosen "
Nur zu Besuch
Immer wenn ich dich besuch, fühl ich mich grenzenlos, alles andere ist von hier aus soweit weg. Ich mag die Ruhe hier zwischen all den Bäumen,
als ob es den Frieden auf Erden wirklich gibt. Es ist ein schöner Weg der unauffällig zu dir führt. Ja ich hab ihn gern weil er so hell und freundlich wirkt.
Ich habe Blumen mit, weiß nicht ob du sie magst. Damals hättest du dich bestimmt sehr gefreut. Wenn sie dir nicht gefallen, stör dich nicht weiter dran
sie werden ganz bestimmt bald wieder weg geräumt. Wie es mir geht, die Frage stellst du jedes Mal. Ich bin okay, will nicht das du dir Sorgen machst.
Und so rede ich mit dir wie immer, so als ob es wie früher wer, so als hätten wir jede Menge Zeit. Ich spür dir ganz nah hier bei mir, kann deine Stimme
im Wind hören und wenn es regnet weiß ich das du manchmal weinst. Bis die Sonne scheint, bis sie wieder scheint.
Ich soll dich grüßen, von den andern, sie denken alle noch ganz oft an dich. Und dein Garten, es geht ihm wirklich gut, obwohl man merkt das du ihm
doch sehr fehlst. Und es kommt immer noch Post, ganz fett adressiert an dich, obwohl doch jeder weiß das du weg gezogen bist. Und so rede ich mit dir
wie immer und ich verspreche dir wir haben irgendwann wieder jede Menge Zeit. Dann werden wir uns wieder sehen , du kannst dich ja kümmern wenn du
willst, das die Sonne an diesem Tag auch auf mein Grab scheint. Das die Sonne scheint, das sie wieder scheint.
Ich wünsche dir da wo du jetzt bist, alles erdenklich gute und werde dich immer in Gedanken bei mir tragen. Ich muss jetzt meinen mir vorgezeichneten Weg alleine gehen und weiß nicht wo er hinführen wird. Aber ich werde ihn bis zu Ende gehen und was danach geschieht wird sich zeigen. Hoffentlich bewahrheitet es sich, das wir uns in einer besseren Welt wieder sehen.
In Erinnerung an Andrea, meinem Patenkind, von deinem Onkel Roland !
__________________
2. RE: Abschied nehmen !
geschrieben von Charly am 17.02.07 11:36
Hallo Blue Moon - Roland,
zwei solche Schicksalsschläge, zwei geliebte Menschen verlieren, ist sehr hart und geht auch lange an die Gefühle. Ich habe sicher Evi und Andrea nicht gekannt, auch wir beide kennen uns nicht persönlich. Dein Artikel hat mich aber sehr berührt und ich möchte dir hiermit mein Beileid aussprechen.
Gut ist, dass du trotzdem weitermachen willst und dich selber auch wieder aufrichten willst. So wie du geschrieben hast glaube ich, dass Evi und Andrea genau das auch wollen würden. Ich selber habe vor 25 Jahren meinen damals besten Freund durch ein tragisches Unglück verloren, aber selbst heute ist der Schmerz noch da, wenn ich an ihn denke, oder an seinem Grab stehe. Aus dieser Erfahrung heraus, der Schmerz wird immer bleiben, aber wir lernen, mit ihm zu leben. Aber dies braucht Zeit, die wir uns nehmen und die wir uns auch selber geben müssen.
Gib dir diese Zeit, meine traurigen Gedanken sind gerade bei dir.