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eröffnet von balzer am 07.07.07 19:12
letzter Beitrag von balzer am 10.07.07 15:40

1. So ein Reinfall mit dem Einfall

geschrieben von balzer am 07.07.07 19:12

So ein Reinfall mit dem Einfall


Quedlinburg 1936

Ein Lastwagen, ohne jede Werbung, oder einen anderen Anhaltspunkt der ihn auszeichnete, zuckelte in der Nacht von Westen auf Quedlinburg zu.
Am Steuer Scharführer Ludwig, neben ihm Oberführer Mannteufel. Beide in Zivil.
Ihre Fracht war geheim.
Als sie Quedlinburg erreichen schlief der Rest der Stadt längst.
Dennoch, selbst bei solch Betriebslosigkeit, waren die engen Gassen der mittelalterlichen Stadt eine Herausforderung für jeden Kraftfahrer.
Erschwerend hinzu, kam, dass kein Mensch es mitbekommen sollte das dieser Transport überhaupt statt fand.
Doch weder Ludwig, noch Mannteufel waren das erste Mal hier. Ihr Ziel war die Pfalzburg. Die Wiege des Reiches, wie es der Alte immer nannte.
Die Gassen wurden immer steiler und enger.
Auf Ludwigs Stirn perlte der Schweiß.
Als man endlich den Finkenherd erreicht hatte , wo vor gut tausend Jahren dem Sachsenherzog die Krönungsbotschaft ereilte, waren die Männer froh.
Noch eine steile Biegung und man hatte es geschafft.
„Also manchmal glaube ich schon dass der Alte spinnt. Mit nem LkW hier hoch. Dabei hätten wir die Kiste auch spielend in einen Daimler untergebracht.“
Ludwig schüttelte mit dem Kopf.
Mannteufel erwiderte nichts. Aber innerlich gab er den Scharführer Recht. Und hätte der Untergebene auch noch gewusst, was sich in der Kiste befand und zu welchen Zweck, er hätte den Alten wohl gleich in die Klapper gewünscht.
Mit dem Alten meinten die SS-Leute niemand geringeren als ihren obersten Brötchengeber. Heinrich Himmler, Reichsführer SS.
Man hatte die Burg erreicht.
Auf den Stufen warteten bereits drei weitere Herrn der schwarzen Garde.
Mannteufel sprang aus der Kabine.
Zwei der SS- Leute salutierten. Der dritte Mann grüßte lasch.
Mannteufel kannte ihn. Wie er, war auch Standartenführer Stenzel ein Mann der ersten Stunde.
Ohne Umschweife kam der auch zur Sache.
„Und, alles glatt gegangen?“
Mannteufel nickte.
„Das Ding steht hinten. Las es von Deinen Leuten in die Kapelle bringen. Wenn wir zwei allein sind, mache ich sie auf.“
Stenzel gab seinen Männern einen Wink, worauf diese eine Kiste vom LkW hievten von der Größe einer Waffenkiste.
Erfreulich, erstaunt stellten sie fest das dass Ding leichter war als sie befürchteten.
Ehe der Oberführer mit Stenzel folgte, klopfte er kurz an die Fahrertür.
„Rolf, las den Wagen stehen und hau Dich oben in der Herberge erst mal aufs Ohr.“
Dem Fahrer war’s genehm.
Dann stiegen auch die beiden Offiziere zur Burg empor.
Wie gefordert hatte man die seltsame Kiste in der Schlosskirche abgestellt.
Von außen machte die Kapelle zwar schon einen gotischen Eindruck, betrat man sie aber, stellte man fest dass sie romanisch war.
Das lag aber nicht an einer Geschmacksverirrung der mittelalterlichen Maurergilde, sondern am Alten.
Seit Himmler sich einbildete die Reinkarnation des Sachsenherzogs Heinrich zu sein, und das nur wegen einer Namensgleichheit, musste alles den Stiel des beginnenden 10 Jhd. entsprechen. Und so hatte er kurz entschlossen die großen gotischen Spitzfenster im Kirchenschief mit einem primitiven Quaderhalbkreis vermauern lassen.
Das die benutzten Steinquader der jetzigen Steinmetzenorm entsprachen und die Baustelle kein Jahr zählte, fiel natürlich gar Keinem auf.
Aber die Krönung dieser historischen Selbstverarschung, führte Mannteufel mit sich. Beziehungsweise sie stand schon da. Versteckt noch in der Kiste.
Als man die Mannschaftsdienstgrade entlassen hatte und Mannteufel mit Stenzel allein war, nahm der Erstere ein Stemmeisen zur Hand.
Während Mannteufel versuchte die Kiste zu öffnen, fragte Stenzel.
„Hast de schon vom letzten glorreichen Einfall gehört?“
Der Oberführer hebelte zwar noch immer, tat aber Stenzel den Gefallen nach zufragen.
„Der Alte lässt alte Hexendokumente sammeln. Man sagt es ist schon ein halbes Archiv zusammen gekommen. Die Einen sagen er will Beweisdokumente, um gegebenen falls die Kirche im Schach zu halten. Aber das ist bloß die halbe Wahrheit.“
Endlich hatte Mannteufel die Kiste offen.
„Und, was ist die andere Hälfte?“
Stenzel grinste.
„Himmler glaubt wirklich dran. Jetzt läst er in seiner Ahnenreihe nach verurteilten Hexen forschen.“
Mannteufel runzelte die Stirn.
„Langsam schockt mich nichts mehr.“
Stenzel lachte lauter.
„Weist Du was. Wir haben sogar was gefunden. Irgend so ne alte Vortante ist auf dem Scheiterhaufen gelandet mit Namen Himmlerin.“
„Und, ist sie eine Ahnin von ihm?“
„Weiß der Kuckuck. Sie heißt Himmler und das reicht! Dasselbe Spiel wie mit Heinrich und Heinrich. Morgen, zum Zeremoniell, will es ihm Heydrich stecken. Der kann sich wieder ne goldene Nase verdienen.“
Mannteufel winkte ab und wies auf die Kiste.
„Das ist noch gar nichts. Schau mal rein!“
Stenzel lüftete den Deckel. Unter sorgsam aufgebrachtem Stroh holte er einen Totenschädel und ein armlanges Stück Kantholz hervor.
„Was bitte soll das sein?“
Nun war es bei Mannteufel zu feixen.
„Wenn ich vorstellen darf, seine Hoheit Heinrich der Erste, Herzog der Sachsen aus der Familie der Liudolfinger und erster deutscher König. Zumindest nach der Rechnung der Bürgerlichen im letzten Jahrhundert.“
Etwas verblüfft sah Stenzel schon drein.
„Scheiße! Und das soll durchgehen? Sagt mal. Ein wenig mehr Mühe…“
Doch Mannteufel hob die Arme.
„Nicht meine Schuld! Himmlers Einfall selbst.“
Stenzel schüttelte den Kopf.
„Also der Schädel, na gut. Aber das Kantholz? Wir haben es doch nicht nur mit Bescheuerten zu tun!“
„Wird Alles verpackt. Leichentuch habe ich auch dabei.“

So sah also der grandiose Einfall des Reichsführers aus.
Als er, vor wenigen Jahren, zum ersten Mal Quedlinburg besuchte, öffnete man, auf sein Geheiß die Krypta. Die Gebeine der Königin fand man, doch Jene des ersten dt. Königs nicht. Heinrich war und blieb verschollen. Etwas voreilig machte Himmler ein Versprechen. Bis zum 1000 Todestag des Herrschers wollte er ihn gefunden haben und in seinem angestammten Grab beilegen. Ja und jener Tag war morgen.
Und da, musste man was bieten.

Stenzel, der im ehemaligen Zivilleben Mitarbeiter im Münchner Germanistikmuseum war, schüttelte nur noch mit dem Kopf.
Er hob den Totenschädel empor.
„Und, wo habt ihr Den her?“
„Minzen, das liegt…“
„Weiß, auch im Harz. Vermutlich stammt das Kantholz von einer Baustelle zwischen hier und Minzen. Also Benzinkosten habt ihr gespart. Aber der Schädel ist doch etwas älter wie die Völkerschlacht, oder? Nicht das morgen die Witwe bei mir auftaucht!“
„Nein, nein.“, wehrte Mannsteufel ab.
„War ein alter Friedhof. Der dortige Pastor erzählte was vom 14 Jhd. Soweit reichen zumindest die Aufzeichnung.“
„Hm, und warum habt ihr nicht gleich den Rest des Kerls mitgebracht? Warum das blöde Kantholz?“
„Weil wir schon unter der dritten Lage gebuddelt haben. Und außer dem Schädel war nichts mehr da!“
„Na alt scheint er ja zu sein. Ich lach mich krank, wenn das gar kein Mann war.“, amüsierte sich Stenzel.
„Komm, mach nicht so ein Aufheben! Reicht doch völlig aus, wenn die Menschen glauben! Was will man mehr? Himmler hat seinen Spaß, die Quedlinburger sind wieder etwas stolzer und wir, nun unser Schaden wird’s nicht sein.“
Resigniert legte Stenzel den Schädel zurück. Dann sah er doch etwas spöttisch auf den Oberführer.
„Ich hoffe das Leichentuch kommt nicht gerade aus der arischen Wäscherei. Heinrich der Erste stand nicht auf Persil.“

Am Tag darauf erschien die gesamte NS Prominenz, zuzüglich der Stadtoberen. Gemeinsam bettete man den Deutschen König mit allen Ehren zu seiner letzten Ruhe. Himmler soll beim Anblick geweint haben. Ob seine Tränen der Rührung, oder Jener, welche man nach einem gelungenen Streich vergießt, entsprachen, läst sich heut schlecht sagen.
Was aber jedem Beteiligten entging war Eins.
Der Schädel wurde zwanzig Jahre später, also tiefster DDR- Zeit ins Jahr 1539zig datiert Und Stenzel behielt mit seinem Sarkasmus Recht. Hätte er den Krieg überlebt, er würde schallend lachen. Denn es handelte sich nicht um einen Mann, sondern eine junge Frau. Zu ihrem Todeszeitpunkt kaum zwanzig Jahre alt.
Spätere Nachforschung, vornehmlich 1964zig, unter Professor Klaus Ducke, brachten aber eine ganz andere Tragödie zu Tage. Im Einklang mit Kirchenbüchern und einem noch sehr gut erhaltenen Archiv in Minzen, nahm der Totenschädel ganz andere Konturen an.
Laut dem Stadtzeiger von Minzen aus dem Jahr 1539zig wurde am elften Tag des Monats August eine gewisse Marion Falkner hingerichtet. Besagte war ganze 19 Jahr, zehn Monate und acht Tage alt, als man sie dem Minzener Scharfrichter übergab.
Unter sechsfacher Folter hatte sie gestanden eine Hexe zu sein. Auf Grund ihrer Jugend und ihrem letztendlichen Geständnis, hat sie der Henker erwürgt, bevor ihr Leib verbrannte.
Der Stadtschreiber hinterlies eine zweite Sonderlichkeit. Obwohl ihr Körper unter dem Einfluss des großen Feuers fast völlig verbrannte, wollte es nicht der obere Teil. Sprich Schädel. Um nicht unchristlich zu wirken, bestattete man ihren Schädel in geweihter Erde.
Dass ihn Jahrhunderte später Himmlers Schergen ausbuddeln würden, konnte wohl Keiner ahnen.
Hätte der Reichsführer SS an jenem Tag gewusst was er da zu Grabe trägt, er hätte es wohl besser genutzt.
Aber so, geschah wohl etwas Einmaliges. Eine von Gott und den Menschen verfluchte Hexe wurde mit den Weihen eines deutschen Königs zur letzten Ruh gebettet.
Allerdings erhielt ein einfaches deutsches Baukantholz die gleiche Ehre.

Ja, ja, die Wege der Herren sind unergründlich. Manchmal wissen sie bloß selbst nicht wohin sie laufen.
2. RE: So ein Reinfall mit dem Einfall

geschrieben von Harun al-Rashid am 08.07.07 23:58

Die Geschichte offenbart einen Spleen des Reichsführers SS, überall nach angeblichen germanisch-arischen Vorfahren und Überresten derselben zu suchen. Insofern durchaus historisch.

Im ersten Teil (Ankunft in Quedlinburg und Gespräch über das Auffinden der "Reliquie") scheint mir aber die Erzählhaltung nicht ganz zu stimmen. Sie geht in Richtung Klamotte und verniedlicht das verbrecherische Unwesen von Himmler und Heydrich.

Der Kommentar am Schluss erscheint mir ebenfalls angesichts des Massenmörders und früheren Hühnerzüchters Himmler nicht ganz angemessen zu sein.

Die Begebenheit ist interessant, aber ich würde sie überarbeiten.
3. RE: So ein Reinfall mit dem Einfall

geschrieben von balzer am 09.07.07 17:08

Nun 0b der Anfang Richtung „Klamotte“ ging, darüber lässt sich streiten. Jeder hat so seine Ansicht.
Was aber das sogenannte „verniedlichen“ betrifft, so war es eher gewollt. Auch wenn ich es so nicht bezeichnen würde.
Eher das Grauen der blanken „Banalität“ dieser Protagonisten.
Es gab in der Menschheitsgeschichte noch nie Übermenschen, oder Übermonster. Auch wenn sie monströses taten.
Schau Dir Reinhard Heydrichs Biographie an, oder auch die vorhandenen Filmmaterialien. Wenn man ihn im Urlaub sieht, beim Wintersport mit seinem Kind in den bayrischen Bergen, kein Schwein könnte sich den gleichen liebenden „Papa“ kurze Zeit später in der „Villa am Wannensee“ bei der berüchtigten Konferenz vorstellen.
Oder, noch viel besser, schau Dir mal Merls = „Der Tod ist mein Beruf“ an. Banaler, kleinbürgerlicher, zum Teil treudummer und Teutscher, geht es ja wohl gar nicht.
Man kommt diesen Menschen nicht unbedingt historisch näher, in dem man sie als bluttriefende wandelnde Wesen darstellt.
Dazu war ein Großteil von ihnen selbst, viel zu „geistig“ arme Socken.
4. RE: So ein Reinfall mit dem Einfall

geschrieben von balzer am 09.07.07 17:49

Ach so, solltest Du aber eher auf den falschen Schädel, oder gar das Baukantholz anspielen, so kann ich Dich nur direkt an die Adresse der Pfalzburg zu Quedlinburg verweisen. Das Ding ist eigentlich uralt. Duke hat zwar erst zu DDR-Zeiten den absoluten Beweis geführt, aber schon 1936zig zweifelte ein Jeder, der etwas Einblick hatte, das Ganze an. Und in Innseiterkreisen gab es reichlich Witze über den Ex-Hühnerzüchter. Nicht zuletzt aus seiner eigenen schwarzen Garde selbst. Heydrich soll da Einiges gucken gelassen haben.
Die direkten historischen Materialien findest Du auf der Burg selbst. Unter anderen auch noch Einen( von ehemals zwei) schwarzen Leuchtern, der SS-Gilde. Liegt aber im Keller, nicht mehr in der Kapelle. Ein Besuch ist die Sache wert. Schon allein die mittelalterliche Stadt. Da stolperst du regelrecht von einer Epoche in die Nächste. Nur Eins, war zumindest vor 3 Jahren so, zurzeit kam man in die Kaiserkrypta nicht rein. Pilzbefall. Weiß nicht, ob man das mittlerweile im Griff hat. Aber vermute das ist eine längerfristige Sache.
5. RE: So ein Reinfall mit dem Einfall

geschrieben von Harun al-Rashid am 10.07.07 13:12

Du hast völlig Recht, wenn Du auf die "Banalität des Bösen" anspielst. Ich glaube, es gab auch schon ein Buch gleichen Titels darüber. Die letzte Biographie über Heydrich lautet: "Heydrich. Das Gesicht des Bösen" (Piper-Verlag, 2005). Man sieht ein nicht unsympathisches Durchschnittsgesicht auf dem Schutzumschlag.

Ich meinte nur, dass Deine Erzählhaltung, die historisch korrekt sein mag, durch den fehlenden auktorialen Erzähler, der sozusagen allwissend die Hintergründe aufdeckt, bei heutigen Lesern, die nicht Deinen und meinen Kenntnisstand haben, vielleicht zu falschen Annahmen führen könnte.

Aber ich bin gerne bereit, mich eines anderen belehren zu lassen. Interessant wäre es auch, mal hier das Urteil von Lesern zu hören, die "nur" im allgemeinen so über die NS-Zeit informiert sind. (Was gar kein Vorwurf sein soll, denn schließlich leben wir im 21. Jahrhundert und sind froh, dass jene unselige Zeit vorbei ist.)

LG

Harun
6. RE: So ein Reinfall mit dem Einfall

geschrieben von Harun al-Rashid am 10.07.07 13:20

Kleiner Nachtrag:

Du kennst sicherlich die Vorgänge beim Attentat auf Heydrich in Prag Ende Mai 1942. Daraus könntest Du - jawohl - eine interessante und aufschlussreiche kurze Erzählung machen!


LG

Harun
7. RE: So ein Reinfall mit dem Einfall

geschrieben von balzer am 10.07.07 15:40

Ja ich kenne die Hintergründe welche dann zu seinem Tod am 4. Juni führten. Auch das Buch von Dederichs.
Du hast Recht der Junge ist gut für so manchen „Stoff“. Man könnte(theoretisch) schon bei seiner Zeit in der Marine ansetzen. (Siehe seine unehrenhafte Entlassung), oder die Schote mit dem Ehrenrat, oder gar dem Verdacht seiner jüdischen Abstammung.
OK es ist ein Gedanke wert. Aber momentan komme ich nicht so schnell dazu. Zurzeit habe ich reichlich mit meinen beiden Seiten zu tun. Außerdem bin ich am Aufbau einer ganz Neuen. Na und wie das so ist, mit etwas neuen muss man erst mal auf die Beine kommen.
Wenn ich das Letztere in die Reihe gebracht habe, ist mein Kopf auch wieder freier. Die Storys welche ich momentan in diesem Forum hoch lade, sind Alle schon etwas älter.
LG Balzer


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