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  Das Reich der Megara (Neuauflage)
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sheeeep Volljährigkeit geprüft
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:13.08.22 02:27 IP: gespeichert Moderator melden


Tolle Fortsetzung ! Alles sehr ausführlich beschrieben....meisterlich! Danke mal wieder dafür!

Grüße
Christian
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prallbeutel Volljährigkeit geprüft
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Licentia poetica

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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:14.08.22 19:17 IP: gespeichert Moderator melden



Längst war Helena faktisch entmachtet. Die Regierungsgeschäfte führten Senatorinnen. Die Majestät war lediglich eine Marionette, gab dem Staat ein Gesicht. Und solange eine einzelne Senatsfrau keinen Putsch wagte, würde das auch so bleiben. Während die Ledanier noch im Stadtstaat anwesend waren, hielt sich Anonymos, aus Angst entdeckt zu werden, versteckt. Heilfroh war der Schurke, als er von der Abreise der Delegation hörte. Nun konnte er mit seiner Insidia seine unrühmlichen Taten fortsetzen und sich hinfort wieder erfrechen, Mannsbildern die Münzen aus dem Beutel ziehen.

Sein betrogener Bekannter Catulus saß noch immer in doppelter Kerkerschaft: sein Keuschheitsgürtel versagte ihm seine Männlichkeit; und er steckte in den riesigen Gefängniskatakomben unter dem Palast der Helena – das reinste Labyrinth und nicht ohne Grund beim Volk als „Mauern des Vergessens“ bekannt. In so mancher Nacht waren Wärterinnen in seine Zelle gekommen, um ihn zu erniedrigen, ihn mit ihrer Weiblichkeit zu reizen wie Gossendirnen und ihn zu verlachen. Catulus war so frustriert, dass er sich wünschte, gar keine Männlichkeit mehr zu besitzen, doch diesen verzweifelten Schritt wagte er nicht. Wie sollte er diesen Wahnsinn auch bewerkstelligen?

Kaum war er wieder in dunkle Gedanken vertieft und seine Seele voller Last, so hörte er die quietschende Tür, die in den Gewölbeteil führte, in dem sich seine Zelle befand. Zwei Wärterinnen erschienen mit Fackeln vor seinen Gitterstäben. „An die Wand!“, befahl eine Uniformierte mit langen schwarzen Haaren, die weit über ihren Lederpanzer fielen. Ihr zartes Gesicht stand im Widerspruch zu ihrer harten und unbarmherzigen Miene, die schaurig im Blaken der Flammen aufblühte. Der Gefangene gab einen gequälten Seufzer von sich.

Catulus bewegte sich an die gegenüber liegende Seite und stellte sich mit dem Gesicht zum Mauerwerk. Er wusste schon, was nun folgen sollte. Er erlebte es nicht zum ersten Mal. Bei seinem Debut hatte er bitterlich gefleht, aber das hatte sie nur angestachelt in ihrem sündigen Tun. Die Weiber öffneten mit einem rasselnden Schlüsselbund seine Gittertür, eine von ihnen packte die Handkette des Sklaven und schloss sie an einen Wandring über seinem Kopf. Ihre Kameradin, die ihr feuerrotes Haar zu zwei Zöpfen geflochten hatte, riss Catulus mit einem Ruck den Lendenschurz vom Leib und grinste ihn feist und unverhohlen an.

Der Eingekerkerte hatte bei seiner ersten Behandlung starke Gegenwehr geleistet, was die Furien nur noch mehr antrieb. Doch mittlerweile ließ er die demütigenden Minnespiele nicht nur über sich ergehen, sondern er erzielte daraus sogar in gewisser Weise Lust – die einzige Lust, die ihm in seinem Keuschheitsgürtel ermöglicht wurde. Er schämte sich wahrlich für diese putzwunderliche Freudenpracht und Labsal seiner Sehnsucht, wollte sie zugleich aber auch nicht unterdrücken.

Die Rote schnallte sich den formvollendeten Holzzapfen um die Hüfte und fettete ihn mit Schmalz ein. „Bitte gemach…“, stammelte Catulus, doch er kannte die beiden Wärterinnen. Sie würden auf ihn wenig Rücksicht nehmen. Einzig ihre Lust galt. Kaum war er verstummt, spürte er das harte Holz an seinem Hintereingang. Es drückte, es presste und wurde mit einem Ruck tief versenkt. Catulus blieb ein Schrei in der Kehle stecken. Während die eine den Gefangenen mit harten Stößen stopfte, wanderten die Finger der anderen an ihre Weiblichkeit bis ihren Leib ein wohliges kleines Beben voller Wonne durchfuhr. Dann wechselten die uniformierten Damen ihre Position, und ein neuer Gang begann.

Ihre abartigen und klandestinen Spiele mit dem Sklaven brachten schließlich ihnen und sogar manchmal Catulus selbst frivole Freude. Wenigstens konnte er so sein Verlangen ein wenig dämpfen. Doch umso demütigender war es für den Nackten, wenn ihm die Geilheit schwoll und schließlich sein Samen aus dem Gürtel lief. Die Weiber beäugten dann seinen besudelten Schoß und ließen ihn noch eine Weile in seiner Stellung, damit er sich seiner Tat und seiner Gefühle schämen konnte. Nicht nur sein Leib war eingekerkert, sondern auch sein Geist und seine Gedanken waren gefangen und gemartert.

Von all den Ausschweifungen unter ihrem Palast bekam Helena nichts mit. Und die Senatorinnen waren nicht gewillt, im großen Kerkerkomplex für strengere Sitten einzustehen. Wo sonst, wenn nicht bei Verurteilten, konnte eine Frau sich noch austoben, nachdem die Leibeigenschaft im ursprünglichen Sinne abgeschafft worden war? So manche Dame fragte sich, wo das noch hinführen sollte? Wozu waren Mannsbilder denn sonst geschaffen als dem schönen und höheren Geschlecht zu dienen?

Keine Dame von Welt wollte auf Liebesdiener für das Beilager verzichten. Das war eine Wahrheit, die sich nicht zu verstecken brauchte. Gewiss gab es genügend Kerle, die sich für ein paar Münzen verdingten, doch war das nicht dasselbe. Einige mondäne Ladys suchten die absolute Macht über männliche Kreaturen. Und die fanden sie in den Verliesen. Gegen wenig Silber waren die Wärterinnen gern bereit, Interessierte in eine Zelle zu führen, in der sie dann mit dem Insassen in anstößigen und liederlichen Spielen ausschweifen konnten. Oft entwickelten sich maßlose Exzesse. Zu Hofe deuchten die honetten Jungfrauen voller Unschuld, doch in den Gewölben der Qual mutierten dieselben Damen zu ruchlosen, schäumenden und obszönen Hyänen mit grenzenlosem Hunger nach sadistischen Gelüsten - schmutzig im Geiste, schamlos in ihrem Tun.

Königin Leda ahnte nichts von den Orgien, die klar gegen die Verträge mit Helenas Stadtstaat verstießen. Kein Mannsbild sollte aufgrund seines Geschlechts unterdrückt werden. Aber solange die Anzüglichkeiten unter dem Mantel des Schweigens verdeckt blieben würde sich nichts ändern. Die Reiterschar um die Regentin hatte etwa die Hälfte ihrer Heimreise zurückgelegt, da tauchte am frühen Abend ein ungewöhnlich starker Nebel auf. Anfangs nur ein wabernder, milchiger Schleier über der Wiese, entwickelten sich dichte Wände, die bis zur Risthöhe der Pferde reichte.

„Wunderlich“, stieß Nike aus und kniff die Augen zusammen. „Woher kommt der viele Dunst? Die Luft scheint mir zu trocken dafür…“ Doch die Schwaden wurden immer dicker und bald undurchdringlich. Die Reiterschar musste in Schritt fallen. Die Sicht war so stark eingeschränkt, dass die Bäume und Sträucher am Rande des Weges verschwanden oder sich lediglich schemenhaft abbildeten.

Nach zwei Stunden stellte die Oberste besorgt fest: „Wir sind vom Weg abgekommen. Ich schlage vor, dass wir rasten, bis sich der Nebel aufgelöst hat.“ Leda stimmte zu und saß als Erste ab. Die Gruppe blieb eng beieinander, damit niemand verloren ging. Sie wartete auf Besserung, auf klareren Himmel. Selbst die Rösser waren inmitten diesen Spuks nervös. Doch statt aufzureißen, stieg der Bodennebel immer dichter und höher und wurde zu geisterhaften Mauern. Dann erschrak die Majestät, als plötzlich eine Fratze vor ihr erschien, doch es war nur eine weitere Nebelwolke, die ihr einen Streich gespielt hatte. Schließlich setzte die Gruppe ihre Route fort, weil keine Besserung zu erwarten war. Doch schon bald musste Nike zugeben, die Orientierung verloren zu haben.

Der Feuerball am Himmel war rasend schnell untergegangen und gewährte der Nacht Eintritt in die Welt. Der Mond des nächtlichen Firmaments kam kaum durch die Wolken und schenkte nur ein funzelhaftes Licht. Knatschende und schmatzende Geräusche der Hufe ließen vermuten, dass sie in ein Sumpfgebiet geraten waren. Gladius schüttelte den Kopf. „Wie kann das sein? Wir müssen uns völlig verirrt haben. Zwischen Ledanien und Helenas Stadtstaat liegt kein Moor.“ Doch der modrige Geruch und die Geräusche von aufsteigenden, blubbernden und platzenden Blasen ließen keinen Zweifel.

„Bleibt alle in einer Linie hintereinander“, wies Nike die Delegation an. Sie übernahm die Vorhut, Gladius folgte, dann Königin Leda und Abas sowie die Begleiter. Der Nebel wurde immer dichter. Kaum sahen die Gefährten noch die Mähnen ihrer Falben und Rappen, geschweige denn den Vordermann. Nike warf einen Vorschlag ein. „Wir sollten uns alle mit einem Seil verbinden, damit niemand verloren geht.“ Bald darauf war die Gruppe entsprechend gesichert. Niemand wagte es mehr, aus dem Sattel zu steigen, denn schon wenige Schritte neben dem Pfad konnte das Moor tief und tödlich sein – ein nasser Abgrund, der in der Glut der Unterwelt endete.

Plötzlich schrie ein glatzköpfiger Gardist mit dunklem Bart auf, als er „Dämonenaugen“ gesehen habe. Die Reisenden sahen sich scheu und besorgt um. Dann beruhigte Nike: „Es gibt keine Moordämonen! Die Legende um die Sumpfhexen, die die Alten Götter geschickt haben, um umtriebige Mannsbilder zu strafen, sind nur Schreckgeschichten. Die geisterhaften Gestalten, die scheinbar im Nebel tanzen, sind nur harmlose Umrisse von Sträuchern oder Bäumen, die sich in das nächtliche Firmament türmen.“ Doch als um die Kolonne eine Meile später kurzzeitig der Nebel aufriss, waren sich fast alle gewiss, neben dem Pfad etwas liegen gesehen zu haben. Fröstelndes Grauen erfüllte die Schar. War es eine Moorleiche? Ein Wanderer, der sich, wie sie, verirrt hatte? Oder gab es sie etwa doch, die Sumpfhexen?

Gladius zauderte bei diesem Gedanken und murmelte: „Vielleicht verfolgt uns Megaras verfluchter Geist!“ Ein eiskalter Schauder lief den meisten der Reiter über den Rücken bei dem Schreckbild, das Gladius gemalt hatte. Abas hatte den Schultheiß gehört und spürte, wie sich sein Unterleib zusammenzog vor Angst, die ihn eisenhart gepackt hielt. Am liebsten hätte er den Atem angehalten. Er wollte nur noch weg. Er wollte aus diesem Todessumpf heraus. Unter den Hufen schmatzte der Morast immer matschiger. An vielen Stellen sanken die Tiere handbreit und tiefer ein. Die Reisenden hatten ein mulmiges Gefühl. Würden sie aus dieser Todeszone hinausgelangen? Würden sie hier zugrunde gehen? Hatten die Alten Götter ihr Schicksal besiegelt? Doch von ihnen erhielten sie keine Antwort. Dafür quakten Frösche abseits ihres Weges, als würden sie die Menschen verlachen.

Beinahe zwei Lichtmonde später erschien eine Gardistin aufgebracht bei Hofalchimist Caduceus. „Heiler! So höret! Ein Briefrabe hat den höfischen Falkner erreicht und bestätigt, dass die Majestät wie geplant abgereist sei. Sie hätte längst ankommen müssen. Wir sollten einen Suchtrupp in die Freien Ländereien schicken!“ Der Alchimist, der Königin Leda in ihrer Abwesenheit in wichtigen Angelegenheiten vertrat, machte ein nachdenkliches Gesicht. „Lasst mich die Götter befragen. Aber schickt schon flott eine Reiterschar voraus!“ Die Gardistin eilte die Wendeltreppe hinab, um alles in die Wege zu leiten. Beinahe wäre sie in der Hast und Aufregung über ihr Schwertgehänge gestolpert, konnte sich aber so gerade noch auffangen und schaute sich beschämt um, ob ihre Ungeschicklichkeit beobachtet worden war. Sie eilte zum Wachquartier, um alles in die Wege zu leiten.

Caduceus schwante nichts Gutes. Die Delegation konnte sich nicht in Luft aufgelöst haben. Marodeure gab es in der Gegend zwischen den Kleinstaaten keine mehr. Oder? Es gab genügend Patrouillen, die den Weg der Kauffahrer sicherten. Und Leda hatte die besten Gardisten bei sich. Wohin waren die Vermissten also verschwunden? Caduceus setzte sich in seinem Turmzimmer neben einen Basilisken aus Granit und griff nach einem Beutel an seinem Gürtel, in dem er eine geheime Kräutermischung aufbewahrte. Er nahm einen Fidibus und entzündete ihn im kleinen Kaminfeuer an der Wand, dann ließ er die Kerze auflodern, die unter einer Pendelschale stand, schüttete ein wenig von der Essenz in das Wasser, dass sich in dem flachen Gefäß aus Kupfer befand, und wartete, bis die Dämpfe des erhitzten Extrakts im in die Nase stiegen.

Als der alte Seher Stunden später aus seinem Turm kam und den höchsten Höflingen der Burg berichtete, was er in seinen Visionen gesehen habe, lauschten die Weiber und Kämpen mit offen Mündern. „Der Schlund der Unterwelt hat sich aufgetan!“, verkündete der Alchimist unheilvoll. „Der Alte Kontinent wird bald von Krieg und Feindschaft überzogen sein. Die Ära der Kleinstaaten ist beendet. Es ballt sich das Böse im Osten zusammen und wird gegen unsere Allianz marschieren.“ Caduceus hielt die Arme über den Kopf zum Himmel gestreckt und ballte seine Fäuste. Durch seinen gesamten Leib zuckte es, als würde ihn ein Blitz treffen.

Ein Gardist namens Aphron meldete sich zu Wort. „Aber was ist mit der Königin?“ Caduceus entspannte sich ein wenig und wendete sich zu dem Frager. „Die Majestät und ihr Gefolge befindet sich im Bann des grünen Kristalls. Eine magisch gewirkte Macht hält sie in einem Zwischenreich gefangen, für das uns kein Zutritt gewährt ist. Ich muss den Kristall aus der Höhle holen und ihn lumineszieren.“ Der Gerüstete verstand nicht. „Warum? Habt Ihr die Strahlkraft nicht gebunden, um den Leviathan vom Meeresgrund zu befreien und den Alten Kontinent zu schützen?“ Caduceus hob die Schultern. „Die Mächte der alten Magier sind unergründlich. Ich weiß nur, dass der Kristall wieder leuchten muss. Sonst gerät der gesamte Kontinent aus den Fugen.“

Aphron schickte Gebete zu den Alten Göttern. Gerade hatte er eine neue Heimat in Ledanien als freier Mann gefunden, und nun sollte die Welt vor ihrem Abgrund stehen?
Zwar trug er noch den Keuschheitsgürtel, den er als Lustsklave von seinen ehemaligen Herrinnen erhalten hatte, doch bald würde sein Sold für einen Schmied ausreichen, der ihn daraus befreite. Aber hatte er noch genügend Zeit, um seine Männlichkeit zu genießen? All die hübschen Ledanierinnen voll Verlockung? Oder würde ein finsteres Zeitalter beginnen, dass ihm Tod und Verderben bringen würde? Eine böse Ahnung wallte ihm entgegen wie der süßliche Gestank eines Gefallenen in der Schlacht. Als würde auch der Himmel über sein Geschick weinen, begann es dicke Tropfen zu regnen.

Eine Stunde zuvor war in gestrecktem Galopp ein Reitertrupp Gardisten polternd über die Zugbrücke der Burg geeilt, um sich auf die Suche nach der Majestät und ihrer Delegation zu machen. Sie suchten nach Spuren oder anderen Zeugen. Nur den Alchimisten Caduceus umgab das Wissen, dass die Uniformierten erfolglos zurückkehren würden. Der Seher ließ seinen Rappen satteln und machte sich auf den Weg zu der Höhle, in der der grüne Kristall verborgen lag. Auf einen Begleiter verzichtete er. Er musste die Beschwörung alleine durchführen. Sein langer Umhang wehte im Wind, während er seinem Ziel voll banger Glut näherkam.

Der alte Mann erreichte den verborgenen Eingang und band sein Ross an demselben Ölbaum an, an dem er ihn bei seinem ersten Besuch festgemacht hatte. Dann trat er durch den dunklen Spalt in die kühle und unheimliche Finsternis, eine Pechfackel in der Hand, die ihm den Weg leuchtete. Ein ganzer Schwarm Fledermäuse kam ihm kreischend entgegen. Caduceus hielt seinen Arm schützend vor das Gesicht. Bald war ihr wildes Flügelschlagen verklungen, und mühsam arbeitete er sich durch den engen Gang bis zu der Grotte, in der der Kristall lag. Beinahe wäre er dabei in einen seitlichen Spalt im Boden gestürzt, der weit bis in die schwarze Tiefe reichte und kämpfte mit dem Gleichgewicht. Hätte dort der Tod gewartet? Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und tastete sich weiter vor, einen Fuß vorsichtig vor den anderen setzend.

Nur wenige Schritt weiter tauchte erneut ein hinterhältiger Spalt am Boden auf. Es roch nach Schwefel, der den Eindringling umhüllte. Der Seher brach einen Holzspan von der Fackel, entzündete ihn und ließ ihn in die Bodenöffnung fallen. Das flackernde Licht wurde kleiner und kleiner und landete dann auf einem unebenen Fels in etwa zwanzig Schritt Tiefe. Caduceus starrte auf das, was die kleine Flamme nur schwach beleuchtete: ein menschliches Skelett. Die bleichen Gebeine eines Unglücklichen, der hinabgestürzt war. Vor vielen Jahren wohl war dessen Lebenslicht erloschen.

Der Seher hörte eine Schlange bösartig zischen. Als er genau hinsah, bemerkte er das Reptil, wie es sich aus einer Augenhöhle des Schädels schlängelte. Im nächsten Moment verlosch die Flamme in der Tiefe, und der alte Mann schaute die Düsternis. Caduceus konzentrierte sich nun wieder darauf, den Kristall zu finden. Dumpf und hohl schallten seine Schritte durch die Gewölbe. Da der Edelstein nicht mehr strahlte, war dies deutlich schwieriger, als es bei seinem vorherigen Besuch war. Als er den flachen Felsen endlich entdeckte, auf dem der Stein gelegen hatte, atmete der Greis erleichtert aus. Doch im nächsten Augenblick schmiegte sich eine kalte Faust um sein Herz: Der Kristall war verschwunden! Schwermut überfiel den alten Mann wie ein sich anschleichendes Unglück. Der Fels der Höhle schien ihn zu erdrücken als würde er in einer zu engen nasskalten Gruft liegen. Caduceus schnappte nach Luft. Kaltes Grauen erfasste ihn, als er spürte, wie die Hoffnung in ihm verdorrte. War der Tod gekommen, ihn zu umgirren?

Weit im Osten zogen Streitheere gigantischen Ausmaßes aus, um die Metropole für das cassandrianische Reich einzunehmen. Trotzig stand Vesta in ihrem feinen Zwirn auf dem höchsten Wehrturm und ließ ihren Blick über die schier endlosen Felder voll feindlicher Kampfsklaven gleiten. Und mitten in den tausenden Soldaten stampften zwölf Trolle, mit Schlagwaffen armiert, auf die Metropole zu. Die junge Diktatorin glaubte ihren Augen kaum trauen zu dürfen. Die verhasste Cassandra! Wie konnte sie es wagen!? Das würde diese Lotterhexe bereuen! Der Lebenssaft dieser niederträchtigen Kreaturen würde den Acker bis zu ihren Hälsen düngen. In Vestas Vorstellung drehte die Diktatorin am Spieß, siedendes Öl umfloss ihren Leib bis sie knusprig war und den Kettenhunden zum Fraße vorgeworfen werden konnte. Die Königin merkte gar nicht, wie sie unbewusst die kleinen Fäuste wuttrunken ballte und ihre spitzen Fingernägel die Innenseiten ihrer zarten Hände ritzten. Und ihr unbändiger Zorn ließ den kleinen Leib zittern, dass ihre Juwelen leise klirrten.

Im heimischen Cassandria feierten die Damen der feinen Gesellschaft womöglich vorschnell den Sieg über die Metropole. Rauschende Feste reihten sich aneinander, Feierlichkeiten auf den Straßen und Märkten waren an der Tagesordnung. Im Rahmen der Kriegsvorbereitungen hatte Cassandra ein Überangebot an Sklavenmaterial aus dem Ostkontinent importiert. Leibeigene, die zu schwach für den Dienst an der Waffe waren, überschwemmten nun den Sklavenmarkt. Zu ungewöhnlich günstigen Preisen verramschten die Händlerinnen den Überschuss in diesen Tagen. So manches junge Fräulein aus weniger begütertem Hause hatte so die Gelegenheit gleich mehrere Leibeigene ihr Eigen zu nennen. Welch wunderholde Zeit doch pulsierte!



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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:27.08.22 16:16 IP: gespeichert Moderator melden


Unterdessen vor der Metropole die wahren Kämpfer auf dem Felde standen, spielten die Fräuleins mit ihren Leibeigenen die Invasion mit ihren Sklaven zu ihrem Wohlgefallen als amüsante Kurzweil nach. Gerade zankte eine junge Lady hochmutstoll mit ihrer Freundin: „Iwo. Ich bin Cassandra. Du bist Vesta. Und das ist mein Krieger. Meiner! Gib ihn her!“ Sie zerrte an der Leine des nackten Sklaven, der das Seil um sein Gemächt trug. Die Freundin bebte fast vor Zorn, ihre zarten Wangen glühten. Sie schlug mit einer mehrschweifigen Riemenpeitsche auf das Gesäß eines Sklaven ein, der auf allen Vieren neben ihr hockte. „Das ist unfair!“, giftete sie schrill. „Du warst gestern schon Cassandra! Heute bin ich dran!“

So schoss das grelle Wortgefecht noch eine Weile hin und her. Dabei zogen, schubsten und zerrten die Ladys ihre „Soldaten“ über das „Schlachtfeld“, das mit Kanthölzern, Kletterwänden, verstreuten kleinen Nägeln und Brennnesselbüschen präpariert war. Die jungen Damen saßen jeweils auf ihren „Rössern“, zwei Leibeigenen mit Schabracken, Zügeln, ledernen Augenklappen und einem wunderschönen Schweif aus echtem Rosshaar, der durch einen dicken Holzzapfen an Ort und Stelle hielt.

Die „Fußsoldaten“ kämpften auf der Walstatt gegen „Trolle“. Die Kolosse brachten es nur durch ihre Kostüme auf die auffällige Größe und staksten mehr blind und unsicher als kraftvoll mit ihrer schweren und warmen Verkleidung über das militärische Geschehen. Die „Feldherrinnen“ fochten persönlich, aber sie trieben auch gern aus der Ferne ihre Einheiten zu „Scharmützeln“ an, die bei den „Soldaten“ für so manche blaue Flecken sorgten, die bei verbissenen Ringkämpfen, Puffen und Knuffen sowie schmerzhaften Schlägen mit Holzschwertern, Knüppeln und breiten Lederklatschen alles gaben, um nicht wegen einer Niederlage von der eigenen Herrin bestraft zu werden. Schließlich spielten die jungen Damen mit viel Ehrgeiz und wollten beide siegreich aus der „Schlacht“ hervorgehen. Die Fräuleins überboten sich gegenseitig mit Ideen für ihre „Armee“. Da gab es „Streitwagen“, die drei oder vier „Rösser“ zogen und Miniaturarmbrüste mit stumpfen aber trotz allem schmerzhaften Bolzen. Eine Kletterwand symbolisierte die Stadtmauer der Metropole.

Während „Cassandra“ ihren Leibeigenen die Holzbarrikade hoch peitschte, wunderte sie sich, dass ihr „Soldat“ plötzlich schreiend hinab fiel und sich schmerzerfüllt zwischen die Beine griff. „Vesta“ lachte glockenhell. Sie hatte die „Schießscharte“ in der Wand genutzt, dem Invasor flink eine Schlinge um sein Gemächt gelegt und sich erfleißigt, herzhaft daran zu ziehen. Derweil der erfolglose Kletterer sich jammernd auf dem Boden kugelte, wischte sich das Fräulein eine Freudenträne aus dem Augenwinkel. „Da bekommt das Wort Glockenläuten gleich eine ganz lustige Bedeutung!“

Ihre Konkurrentin war verärgert über ihren „Soldaten“, der die Wehrmauer nicht erobert hatte. Sie befahl unwirsch: „Umdrehen, du Versager!“ Der Leibeigene rollte sich auf den Bauch. Das Fräulein stellte ihren feinen Lederstiefel zwischen die Schulterblätter des Sklaven und hieb auf das Gesäß ein. „Fahnenflucht! Lauheit! Du erdreistest dich? Das dulde ich nicht!“ Die Lady, die den Angriff des Invasoren abgewehrt hatte, kicherte immer noch. Dann drohte sie dem Leibeigenen mit dem erhobenen Zeigefinger: „Wage keinen zweiten Versuch, die Metropole zu stürmen! Sonst bleibt es nicht bei ein bisschen Zupfen!“ Der Sklave hatte das Gefühl, als würde seine Männlichkeit schrumpfen, sich in den Leib zurückziehen, vor Angst. Was sollte er nur tun? Eine der beiden Herrinnen würde er erzürnen – so oder so.

Nach einer tüchtigen Züchtigung, die ihn von seinem Misserfolg heilen sollte, schickte „Cassandra“ ihn dieses Mal mit einem zweiten „Soldaten“ ins Gefecht. „Du sorgst dafür, dass er die Mauer überwindet! Und wehe, er fällt wieder hinab!“ Sie drohte ihm mit einem Gifttrunk, durch den er Tröstung erfahren werde, sollte er erneut versagen. Insgeheim überlegte sie schon, die Heilerin um ein stark abführendes Mittel zu bitten. Der Sklave nahm seinen Kameraden auf die „Räuberleiter“ und stützte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Das gegnerische Fräulein rief zwei ihrer „Krieger“ herbei. „Verteidigt meine Burg! Verhindert, dass der Feind eindringt!“ Sofort eilten zwei Nackte auf die Sprossenleiter, die von der hiesigen Seite der „Stadtmauer“ angelehnt stand und versuchten, den kletternden Sklaven hinabzudrücken. Ächzend und schnaufend rangen die Leibeigenen um die Überhand. „Wehe, du schaffst es dieses Mal wieder nicht!“, warnte die Herrin ihren Soldaten.

Die Konkurrentin versuchte erneut durch die Schießscharte zu greifen, doch war diese nun durch den Rücken des unteren Sklaven geschlossen. Außerdem stieg der Obermann nun auf die Schultern seines Trägers hoch und rang mit den Verteidigern der Wehranlage. Das Fräulein krallte ihre Fingernägel in den Rücken des unteren Mannes, der vor Schreck zuckte und sich von der Holzwand ein Stück wegbewegte. Dabei geriet der Obermann, der gleichzeitig von den Verteidigern attackiert wurde, aus dem Gleichgewicht und rutschte mit den Füßen von der Schulter. Mit einem heftigen Plumps landete er mit dem Gesäß im Nacken seines Helfers und klemmte sich dabei seine Männlichkeit. Jankend wedelte er mit den Armen und stieg ab. „Wieder versagt!“, schimpfte seine Herrin erbost.

Die Freundin lachte schadenfroh. „Lass ihn doch auf dem Pflock sitzen, damit er seinen Gleichgewichtssinn ein wenig übt“, schlug sie vor. Grimmig sah die junge Lady ihren „Soldaten“ an, der sich noch schützend die Hände zwischen die Beine gedrückt hielt. „Guter Einfall! Und er komme erst wieder runter, wenn sein Arsch so platt ist wie eine Flunder!“ Die Freundin ließ ihrer Kreativität ihren Lauf: „Leg eine Dornenmatte unter. Das gibt hübsche Muster.“ Die Fräuleins kicherten und umarmten sich. Der Krieg war vergessen. Zumindest für heute. Aber die versagenden Truppenteile würden den „Lohn“ für ihre Unfähigkeit noch erhalten. Nein, überlegte sich die „Feldherrin“, ferner würde sie Kollektivstrafen verteilen. Das habe eine besonders gute Wirkung auf die Moral, hatte ihr eine andere Freundin mal erzählt. Denn dann würden die mitbestraften Kameraden den Schuldigen eine zusätzliche Abreibung verpassen. Das machte auch die wahre Cassandra so mit ihren Kriegssklaven.

Derweil die jungen Ladys sich am Kriegsspiel ergötzten, um ihrer Langeweile Herr zu werden, hatten sich einige Malus-Priesterinnen in der größten Tempelanlage von Cassandria versammelt. Die Hohepriesterin, die die Runde leitete, hob ihre Arme zur Decke, an der geheime Symbole prangten. Die weiten Ärmel ihrer schwarzen Robe hingen tief und ausgebreitet wie Flügel eines Todesvogels. „Wohlan! Die alte Überlieferung hat uns ein Zeichen versprochen, wenn die Sterne den alten Tafeln entsprechen. Und dieser Wink ist heute gekommen.“ Ein Raunen ging durch die Frauen in ihren schwarzen Gewändern. Zahlreiche Fackeln hüllten die runde Halle in ein gespenstisches Flackerlicht.

Auf einem großen Steinaltar stand eine güldene, flache Schale, die mit einem blutroten Samttuch bedeckt war. Unter dem Stoff bildete sich ein großer kugelförmiger Gegenstand ab. Die Hohepriesterin rezitierte mit ergriffener Stimme eine magische Formel einer Geheimlehre und entblößte dann den Schädel, der sich auf der Unterlage verborgen hatte. In den Knochen waren Runen eingeschnitzt, die dem Maluskult frönten. Die Gewandete griff ihn mit beiden Händen und hob ihn hoch über den Kopf und setzte ihre magischen Worte fort. Im Chor wiederholten die Priesterinnen einige Teile der Andacht, die uralte Kräfte zum Leben erwecken sollte. Eine knisternde Spannung lag in der Luft wie nach einem Blitzeinschlag.

Die Hohepriesterin legte den Schädel zurück auf die Schale. Sie schloss die Augen und murmelte einige mystische Worte. Plötzlich schossen Dampfwolken aus einem Loch im Boden, das direkt vor dem Altar in die Steinquader eingelassen war. Der Dunst reichte bis zur hohen Kuppeldecke der Halle und verteilte sich dann langsam im gesamten Raum, waberte wie geheimnisvoller Nebel. Die Priesterinnen glaubten Gestalten im Dunst erkennen zu können. Tanzende Dämonen. Teufelsfratzen. Rothäutige Geisterwesen mit Hörnern auf der Stirn, einem Pferdesch****z und Hufen statt Füßen. Die geistlichen Weiber versanken in einer Art Traumzustand und wurden von einem ekstatischen Rausch übermannt, sich mit den Dämonen zu vereinen. Eine Stimme rief entrückt „Ei, schauet diese Pracht! Mich deucht, es ruft mich zu sich!“ Viele Stimmen bildeten einen eindringlichen Chor. „Es ruft mich zu sich!“

Bald war die Tempelhalle erfüllt von ausschweifender Orgie, von obszönen Taten, perversen Sünden und fleischlichen Gelüsten zwischen Weib und Geistwesen. Auf den Stufen, auf dem Altar, auf dem Boden- überall paarten sich die nymphomanen Weiber mit den Teufelsfiguren, die sich in die Leiber ergossen und ihre sündige Lust verströmten. Alle Scham war dahin. Ungezügelt trieben sie es exzessiv und hemmungslos, hungrig, gefräßig gar. Alle versanken im Mahlstrom von Verlangen und Gier. Schreie, Wimmern, Winseln, Stöhnen, Lachen und Kreischen füllten die Kuppel des Malus-Kultes. Die unkeusche Maßlosigkeit führte die Priesterinnen in eine frivole Welt, der sie sich anarchistisch und bedingungslos ergaben. In ihren Augen flackerten der fiebrige Wahnsinn und tiefste Befriedigung zugleich. Bilder, Laute, Gefühle - alles verschmolz zu einem Pfuhl euphorischer Verzückung am animalischen Trieb.

Die Hohepriesterin erbebte und hielt sich entkräftet am Altar fest. Sie war die einzige Person, die keinen Dämon berührt hatte. Trotzdem spürte sie eine wilde Kraft durch ihren Leib jagen, heiß wie flüssiges Eisen. „Dunkle Macht. Das Opfer ist geschehen“, sprach sie feierlich. „Nun lasse das Unglück über alle fremden Herrscherinnen des Kontinents kommen. Entführe die Königinnen in dein schwarzes Reich. Lasse sie qualvoll mit schreiendem Munde zu Grunde gehen. Und schenke der gesalbten Cassandra den Sieg, auf dass alle Völker ihr untertan und unserer Hoheit ihrer Göttlichkeit eingedenk zu Willen seien.“ Als sie ausgesprochen hatte, brach sie ohnmächtig und entkräftet neben dem Altar zusammen.

Zur gleichen Zeit verspürte Helena stechende Schmerzen in ihrem edlen Haupte. Aber sie weigerte sich, von der Medica eine Arznei zu nehmen. Kein Rosenwasser, kein Lorbeeröl, kein Sud aus getrockneten Maulwurfsblut, keine Kräutermischung, keine trüben Tinkturen. Nichts! Wer wusste schon, ob man sie vergiften wollte? Lieber ertrug sie die drängende Pein. Und wenn sie die Beulenpest oder die Schwarzen Pocken bekäme! Doch die Marter wurde unerträglich. Ruhelos stapfte sie in dem gewaltigen Palast umher, der einst von der berühmten Megara bewohnt worden war. Als hämmerte ein ganzer Tross winziger Gnome in ihrem Kopfe mit ihren Spitzhacken auf sie los, um sie zu foltern.

Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und stieg hinab in die Katakomben, eilte am Eingang zu den „Mauern des Vergessens“ vorbei und lief bis zu der zugemauerten Stelle, wo die ehemalige Tyrannin Megara in ein unterirdischen Höhlenlabyrinth und ihr schauriges Verderben gerannt war. Helena schlug mit ihren Fäusten verzweifelt gegen die Ziegel. „Diese Agonie! Diese Qualen! Sie sollen aufhören!“ Abrupt verharrte sie. Hatte sie eine Stimme gehört? Eine Stimme in ihrem Kopf. Diese Stimme versprach Linderung, wenn sie die Höhlengänge beträte. Ein Omen der Alten Götter! Sofort spurtete sie Hoffnung schöpfend zur Leibgarde und befahl, die Mauer unverzüglich aufbrechen zu lassen. Verblüfft über den sonderlichen Wunsch der Königin, gehorchten die Männer und machten sich sogleich mit Hacke und Schaufel an die Arbeit.

Eine Senatorin, die davon erfuhr, hastete zu der Regentin. „Majestät! Was habt Ihr vor? Ihr wollt doch nicht etwa in die verzweigten Gänge? Verirren würdet Ihr Euch!“ Helena schickte die Senatorin mit barschen Worten weg. „Kümmert Euch um die Politik! Und lasst mich allein!“ Die getadelte Senatorin hob eine Augenbraue und zog sich stumm und pikiert zurück. Auf dem Weg in ihr Gemach eilte sie mit wehendem Seidentuch durch die kühlen, langen Gänge des großen Bauwerks und presste ihre Lippen aufeinander. Doch ein verstecktes Lächeln wollte sich Bahn brechen. Sollte die Verrückte doch den Tod finden wie Megara vor ihr! Sie buhlte gewiss nicht um die Anerkennung dieser Närrin. Die Götter würden entscheiden.

Die Senatsfrau rechnete sich bei einer Abstimmung gute Chancen aus, die Gunst des Senats zu erhaschen und die vorläufige Regentschaft zu übernehmen. Die Bevollmächtigung für Wahlen würde spätestens eintreten, wenn Helena einige Tage verschollen blieb – oder wenn ihr Leichnam gefunden würde. Doch dazu sollte es erst gar nicht kommen, überlegte die Senatorin. Vielleicht könnte man dem Schicksal nachhelfen und die offene Mauer wieder schließen. Ein hinterhältiger Plan reifte in ihr, der Helena als Opferlamm zum Altar schickte. Doch wem durfte sie sich anvertrauen?

Helena stolperte mit einer Fackel durch die langen Gänge. Und tatsächlich: Je weiter sie lief, desto schwächer wurden die Stiche in ihrem Kopf. Die Königin lachte, dass es von den kahlen Wänden widerhallte. Bald hatte sie ihre Pein völlig vergessen und kehrte um. War sie von links oder rechts gekommen? Sie entschied sich für den linken Weg. Nach einer Weile zweifelte sie an der richtigen Wahl. Sie kehrte um, doch die Abzweigung aus ihrer Erinnerung wollte nicht auftauchen. Der Gang führte sie stattdessen abwärts. Sie hatte auf dem Hinweg gar keine Steigung bemerkt. Wieder kehrte sie um. Wieder erkannte sie den Weg nicht wieder. Dann folgte eine Abzweigung von drei Gängen. Helena stöhnte laut. Wo war sie nur? Sie rief hallend in die Dunkelheit. „Hallo! Garde! Hallo! Ich bin hier! Bringt mich sofort aus dieser Höhle fort!“

Ihre Stimme echote ohrenbetäubend laut in ihrem Schädel. Die Schmerzen begannen auf ein Neues. Helena ergriff die Panik. Sie stolperte hastig einen der Gänge entlang, knickte um, rief um Hilfe und eilte immer weiter in die Finsternis. Plötzlich kreischte sie auf, als sie etwas im Gesicht berührte. War das nur ein Spinnennetz gewesen? Oder hatte die Klaue eines Höhlenkobolds nach ihr gegriffen? Helena fiel beinahe über ihr Kleid und riss es ein Stück ein. Doch das war ihr jetzt einerlei. Sie wollte nur ihren Verfolgern entkommen und aus diesen dunklen, bösen Gängen hinaus. Ihre Hilferufe hallten von den nackten Wänden wider. Ungehört. Die Regentin des Stadtstaates war allein und verloren. Sie erinnerte sich daran, dass auch Megara in diesem Labyrinth zu Tode gekommen war. Hysterisch schrie sie nach Hilfe. Helena hechelte und japste. Sie lief weiter. Kurzatmig. Verschwitzt. Mit hämmerndem Herzen. Wie weit war es noch bis zum Ausgang? Waren da Schritte hinter ihr?

Sie blieb stehen und verharrte. Sie lauschte angestrengt in die beängstigende Finsternis. Doch alles, was sie hörte, war das Blut, das laut in ihren Ohren rauschte. Ein Absatz ihres Stiefels brach ab, als sie über einen schrägen Felsbrocken stolperte, und sie humpelte den Gang entlang. Reumütig verfluchte sie ihren Besuch in den Höhlen. Wimmernd lief sie tiefer und tiefer in die Wirren des unterirdischen Irrgartens. Schließlich zog sie sich beide Stiefel aus und warf sie zornig fort. Ihre königlichen Beine waren verschrammt wie die einer Beerenpflückerin. Ihr Kleid blühte vor Dreck und war zerrissen wie das Gewand einer Magd, die ein betrunkener Knecht ungeschickt beackert hatte. Helena griff sich ins Gesicht und hinterließ schmutzige Spuren, die sich mit den Tränen mischten. Sie drehte sich im Kreis, aber die Dunkelheit war überall. Niemand kam, um sie zu retten. Die Felsen hatten sie eingekerkert wie eine Vogelfreie. Sie schluchzte laut und verlor den letzten Funken Hoffnung.

Zu dieser Stunde gab Prodita, die Senatorin, die die Macht des Stadtstaates an sich reißen wollte, den Geheimbefehl, die Öffnung des Höhlenlabyrinths zumauern zu lassen. Nachdem die zwei Arbeiter fertig waren, wurden sie von zwei Gardistinnen in eine Kammer geführt, wo sie ihren Lohn erhalten sollten. Doch statt der versprochenen Silbermünzen schmeckten sie die Klingen der Gerüsteten. Prodita wollte keine Zeugen für ihren Regentschaftssturz. Nur drei Tage später ließ sie verkünden, dass die geliebte Führerin auf rätselhafte Weise verschollen sei. Der Senat setzte Prodita wie erwartet als kommissarische Führerin des Stadtstaates ein. Ein ganz und gar beseligendes Gefühl überkam sie. Ihre Krönung würde nur eine Frage der Zeit sein, stellte sie trunken vor Stolz fest. Und nur die Alten Götter wussten, ob sie nicht eines Tages auch Einfluss und Macht über Ledanien besaß. Wer je von der süßen Macht genascht hatte, war ihr verfallen für alle Ewigkeit.







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+++ Die gemeine Miriam +++ Das Unzuchts-Komplott +++ Im Reich der Megara +++ Die Nachtschicht seines Lebens +++ Optional Genetics +++ Venus +++ Regina +++ Inkasso +++
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:04.09.22 15:41 IP: gespeichert Moderator melden


Zufrieden griff sie nach einem Stiel einer reifen Kirsche, die mit zahlreichem anderen Obst in eine tönernen Schale lag, und steckte sich die Frucht zwischen die Lippen, zupfte mit den Zähnen den Stiel ab und zerbiss die saftige Kirsche. So süß konnte das Leben sein! Man musste es nur in die eigenen Hände nehmen. Im Palast war es angenehm kühl, während draußen Gluthitze den Boden verdorrte. Ihre prunkvolle Liege war mit dicken Pelzen gepolstert. Stumm und reglos wie Säulen standen vier Leibeigene in ihrem Lederharnisch im Hintergrund vor einem gewaltigen Marmorrelief, das eine ruhmreiche Schlacht abbildete, stramm und warteten auf Befehle der Herrin. Sie wussten, was geschah, wenn sie ein leises Fingerschnippen nicht schnell genug bemerkten. Die nackten Hinterteile der Männer konnten eine Ode davon singen. Zwei von ihnen waren frisch gestriemt.

Weit entfernt versteckte sich seit vielen Jahrhunderten der Eingang zu einem anderen Höhlensystem. Der Seher Caduceus wandelte in der Grotte umher. Wo war nur der Kristall? Hatte er sich geirrt? War er in der falschen Höhle? Nein, der alte Mann war sich sicher, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Der grüne Stein hatte auf diesem flachen Felsplateau gelegen. Und nun war er einfach hinfort. Caduceus setzte sich erschöpft auf den kalten Boden und versank in einen Traumzustand. Die Alten Götter mussten ihm einen Hinweis geben. Jämmerliches Klagen war ihm keine Hilfe. Wie sollte er sonst die Säulen des Alten Kontinents wieder in die rechte Stellung bringen? Wie den Krieg verhindern? Den Untergang so vieler Völker? Und seine Majestät Leda aus dem Zwischenreich der Dämonen retten?

In seinen Visionen erschienen geheimnisvolle Trugbilder über den undurchdringlichen Nebel, in dem Leda und ihre Delegation verschwunden waren. Gefährlich nahe links und rechts ihres schmalen Pfades lauerten tödliche Fallen: tiefes Moor, kochende Quellen, Sumpfgestalten mit rot glühenden Augen und grüner, pockiger und warziger Haut und langen, scharfen Krallen. Eine Kreatur mit einem Medusenhaupt tauchte aus dem Morast auf und bleckte die Reißzähne… Caduceus kostete der Blick in die Zwischenwelt all seine Kraft und bald schon fühlte er sich so matt und ausgelaugt wie bei seinem ersten Besuch in der Höhle, als er dem grünen Kristall seine Lichtkraft nahm.

Als er fast glaubte, seine Besinnung zu verlieren, verspürte er einen leisen, hellen Ton, ein Klirren wie das von zwei Gläsern, die gegeneinander stießen. Caduceus zwang sich aus seiner trügerischen Vision zu entkommen und in seine Umgebung zurückzukehren und blickte sich in der Grotte um. Der Kristall! Er lag vor ihm auf dem Boden! Der Seher bückte sich danach und hielt ihn mit beiden Händen fest und doch zitternd umschlungen. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Empfindungen, die der Stein ihm sandte. Seine Formeln kämpften gegen die bösen Kräfte an, die Leda und ihre Begleiter im Nebel gefangen hielten. Der Greis ahnte, dass er seine letzte Lebenskraft opfern müssen würde, um seine Majestät zu retten.

Caduceus war bereit. Er rang einen Kampf, den er nicht gewinnen konnte, aber auch nicht verlieren wollte. Schließlich wusste er nicht, ob es ihm gelungen war, als er die Besinnung verlor. Den Kristall hatte er nicht wieder entflammen können. Ein großer Krieg auf dem Kontinent war unabänderliche Heimsuchung der Kleinstaaten. Wer auch immer siegen würde, der Alte Kontinent würde danach ein anderer sein. Caduceus hauchte sein Leben in der vagen Hoffnung aus, Leda gerettet zu haben. Doch er musste mit der Gewissheit sterben, dass er durch sein Wirken auf den Kristall nicht nur den Leviathan im Westmeer entfesselt, sondern auch Umwälzungen gigantischen Ausmaßes auf dem gesamten Kontinent verursacht hatte.

Der alte Seher lag auf dem kalten Fels und erschlaffte. Dieses Mal immerdar. Nur wenige Augenblicke später krabbelten stinkende und schleimige Ghule mit ihren blinden Augen und rissigen Lippen herbei und umringten den liegenden Körper. Und wie auf ein geheimes Signal machten sie sich kreischend und wühlend an ihm zu schaffen, um ihn endgültig in ihr Reich zu holen. Das Felsgestein färbte sich, als die Kreaturen der Unterwelt sich mit dem Fleische besudelten. Der Kristall jedoch blieb reglos auf dem Boden liegen und erlosch für alle Zeiten, wurde blind und schließlich zu ordinärem Granit, beraubt seines schmucken Glanzes.

Wenige Stunden später zeigte Gladius mit ausgestrecktem Arm nach vorne und rief: „Majestät! Seht! Der Nebel! Er löst sich auf!“ Leda sah erleichtert, dass die Sicht deutlich verbessert war. Der Silberflor, den der Nebel über die Lande gelegt hatte, verzog sich. Auch der Pfad hatte sich zu einem harten Lehmboden gewandelt. Und bald schon wuchsen Sträucher und Bäume an den Seiten und es grünte in ihren Kronen. Die Sonne kam durch den weißen Dunst durch, der sich nach und nach völlig verflüchtigte. Die Reiterschar löste ihr Seil und ritt wieder in Zweiergruppen nebeneinander. Voller Hoffnung den rechten Weg nun wiederzufinden, bewegten sie sich vorwärts.

Nike erkannte den Ort, wo sie sich befanden. Sie waren weit nach Norden geraten, doch ein halber Tagesritt würde sie zu einem lichten Birkenwald führen, der an seinem südlichen Ende an eine hügelige Grasebene grenzte, auf der sie auf den Palisadenzaun stoßen würden, der Ledanien von den „Freien Ländereien“ abgrenzte. Leda atmete erleichtert aus. „Wir sind gerettet! Den Alten Göttern sei Dank!“ Der Tross ging in einen lockeren Trab über und näherte sich der Grenze. Endlich umfloss sie die behagliche Sonne des Frühlings, doch Abas fühlte eine Gänsehaut über den Leib ziehen. Bald würde er in seiner Burg sein. Die maliziösen Mächte, die sie vom Wege abbringen und ins Verderben reiten lassen wollten, hatten versagt, aber er spürte sich noch immer gefesselt von fremden Mächten, die ihm Unbill wollten.

Der Schultheiß Gladius nahm vor Erleichterung einen kräftigen Schluck aus seinem Weinschlauch und prostete den Gefährten zu wischte sich mit dem weiten Ärmel seines Waffenrocks das Kinn und rülpste leise, bevor er den Schlauch mit dem labenden Tropfen wieder in der Satteltasche verstaute. Die Reisenden kehrten schon wenige Stunden später erleichtert auf ledanischen Boden zurück. Einen Bogenschuss vom Durchgang im Palisadenwall entfernt, stand eine Traube Untertanen der Königin als Zaungäste: Ein Falkner hatte einen Vogel auf seinem dicken Lederhandschuh hocken, ein Jäger rief ein lautes „Hurra“, einige rosige Mägde hielten ihre Hände als Schutz vor der Sonne über die Augen, um die Ankommenden besser erkennen zu können und nestelten nervös und mit geschwind schlagenden Herzen mit der anderen Hand an ihren Leinenschürzen.

Die Gruppe winkte ihrer Regentin zu, als sie die flatternde Fahne der Standarte erkannten, die ein Gardist auf seiner Rotschimmelstute an seiner Lanze führte: eine aufrecht stehende Löwin mit Schwert in der Pranke. Der Jäger Arcanum hatte dank seiner scharfen Adleraugen als erster gewusst, dass hier Leda und ihr Gefolge ritten. Nur wenige Menschen wussten, was ihn mit Leda für eine Geschichte verband. Die Ledanier ergötzten sich an den fliegenden, bunten, edlen Stoffen des Zugs, der dort entlang ritt. Welche Pracht die höfische Gesellschaft ausstrahlte! Ohne Habgier oder Neid gönnten sie dem Adel und ihren Geharnischten die Uniformen und wertvollen Pferde. Denn in der Not, so wussten sie, würde die Königin ihrem Volk stets zur Seite stehen. In ihren Blicken lagen eher Neugierde und Sympathie.

In der Zitadelle verkündete der Gardist Aphron seiner Königin von dem Vorhaben des Alchimisten. „Er wollte unbedingt alleine reiten. Aber gestern erschien sein wiehernder Rappe allein vor dem Burggraben. Da ahnte ich Schlimmes. Ein Suchtrupp ist sofort ausgeschwärmt, aber ich fürchte, dass wir Caduceus nicht mehr finden. Vielleicht ist er Opfer der bösen Mächte geworden, von denen er sprach.“ Leda spürte, dass Aphrons Vermutung wahr war. Der Seher hatte sich für sie und Ledanien geopfert. Und als wollten die Alten Götter ein Omen setzen – sei es Trauer, Anerkennung oder einfach einen Fingerzeig – verdunkelte sich die Sonne an diesem Tage bis auf einen dünnen Rand der Korona. Fast das gesamte Himmelsgestirn hatte sich hinter dem Mond versteckt, für Augenblicke eine unheimliche Kühle und Dunkelheit herauf beschworen, die Tier und Mensch frösteln ließen.

Ein Tag darauf, bei Vollmond, richtete die Königin ein prachtvolles Trauerfest für den verstorbenen Alchimisten aus, um ihm die gebührende Reverenz zu bezeugen. Caduceus sollte in die Historie von Ledanien eingehen und für immer als Held und Retter des Reiches geehrt werden. Er sollte in die Chroniken aufgenommen werden und nie vergessen werden. Sein Name würde in der ledanischen Geschichte große Bedeutung bekommen. Schreiber sollten sein Lebenswerk und sein Opfer auf den Pergamentblättern zwischen den kunstvoll verzierten Holzdeckeln der Folianten verewigen. Die Bibliothek der Burg sollte noch in Jahrhunderten von dem Seher Zeugnis reden, wie auch Barden von ihm singen würden.

Während des Feuerrituals in der lauen Nacht, das im Burghof stattfand, erschienen Dutzende Raben und krönten die Zinnen der Festung. Doch sie verblassten mit ihrem schwarzen Federkleid in der Dunkelheit und blieben unbemerkt von den Ledaniern. Nur in ihren Augen spiegelte sich das Feuer, das die Gardisten angebrannt hatten. Lautlos starrten die Vögel auf die Zeremonie, als wollten auch sie dem Seher ein letztes Geleit geben. Trommeln spielten einen militärischen Takt, um den Verstorbenen zu ehren, und aus einem kleinen Glockenturm erklang Geläut. Die Rauchschwaden der Flammen verteilten sich im Burghof und schwängerten die würzige Luft, als nächtliche Winde leise Flügel schlugen. Alle Gardisten standen aufgereiht in ihren gesteppten Gambesonen auf dem Platz, die mit Federn geschmückten Helme unter dem Arm, die Rücken stolz durchgestreckt, tief ergriffen in Gemüt und Seele. Im Hintergrund hing die große Flagge von Ledanien, auf den sie ihren Eid geschworen hatten.

Auch die Angehörigen des Hofes und Bediensteten waren anwesend. Das Rittervolk hatte den Gardisten gegenüber Aufstellung genommen, die Dienstboten hatten sich ehrfürchtig vor dem Gatter des Heuschobers versammelt, der aus Weidenruten geflochten war, und durch deren Lücken einige Knappen und Stallburschen dem Ritual heimlich beiwohnten, obschon es sich nicht geziemte. Die Königin hatte als Zeichen der Anerkennung ihre schlichte Krone vom Haupt genommen und auf einem roten Samtkissen auf einem hohen Schemel abgelegt. Vor Aufregung biss sie sich auf die roten Lippen. Aber während der Zeremonie wirkte sie stark und standhaft wie aus Marmor gemeißelt. Eine Schwäche erlaubte sie sich nicht. Und nur wenige Vertraute wussten, wie es hinter der Fassade in ihr aussah. In ihrem Busen verbarg sie arge Trauer. Nur vor ihrem Volke durfte sie kein Tränlein darbringen. Abas musste hart schlucken. Versunken in Gedanken starrte er in das Feuer, als begehrte er es aufzusaugen.

„Was wird uns die Zukunft bringen?“, fragte Leda leise ihren Gemahl später in ihrer Kammer. Abas zuckte mit den Achseln. „Getröste dich, mein Herz. Sollten die feindlichen Reiche aus dem Osten einen Feldzug gegen unsere Allianz wagen, so sind wir gut gerüstet. Habt keine Furcht, meine Königin. Unseren Soldaten gebricht es nicht an Mut und Geschick.“ Er legte seine Hand auf Ledas linke Schulter und drückte sanft zu. Sie nahm seine Hand sanft in die ihre und küsste sie. Die Regentin wusste, dass das Leben weiterging. Ein anderer Heiler musste zum königlichen Medikus ernannt werden. In Ledanien herrschte glücklicherweise kein Mangel an Badern, Barbieren und Heilkundigen. Vielleicht könnte auch Aphron die Rolle des verstorbenen Caduceus übernehmen, denn er hatte stets mit Interesse und Talent die Heilkünste des Sehers verfolgt. Der Gardist hatte auch bereits einen Breiumschlag für Abas bereitet und für Caduceus Kräuter aus dem Garten gezupft. Außerdem war er geschickt im Umgang mit dem Mörser und Stößel.

In dieser Nacht regnete es dünne Fäden, als weine der Himmel. Die Rinnsale nässten den Boden und löschten das Feuer. Kälte zog auf, die sich auch in die Knochen der Menschen schlich. Ein bunter Regenbogen breitete sich im Morgengrauen über der Zitadelle aus, als wolle er den Menschen Hoffnung schenken. Er schien irgendwo an der Küste im Meer zu enden. Leda hatte kaum geschlafen, obwohl sie in der Nacht einen Trunk aus heißer Milch, Honig, Baldrian und Mohn zu sich genommen hatte. Nun, als der Himmel am Horizont mit einem zarten Violett den Beginn des neuen Tages ankündigte, stieg sie in den Turm, den Caduceus bewohnt hatte. Sie lugte aus dem Fenster in der Kammer des Sehers und fröstelte.

Der nächtliche Guss hatte die Luft deutlich gekühlt. Leda trug über ihr Brokatkleid einen kurzen Überwurf aus Fuchsfell und zitterte trotzdem noch. Sie sah weit über das Land hinaus in die Ferne und seufzte. Aber sie spürte auch, wie in ihrem Herzen ein zartes Pflänzchen aus Hoffnung auf eine goldene Zukunft erblühte. Zunächst waberte die inzwischen purpurne Morgenröte am Horizont, dann blitzten die ersten Sonnenstrahlen durch eine zerstobene Wolkendecke goldgelb in der Ferne auf und verscheuchten die Trübe der Nacht. Die Königin strich liebevoll über eine kleine Kiste auf der Fensterbank, in der Caduceus seine Kräutersammlungen aufbewahrte. Davon erhielt Abas auch einen Absud, der ihn genesen ließ. Ledas Finger glitten über eine winzige Figur, die der Seher kunstfertig aus Ulmenholz geschnitzt hatte und einen Leviathan aus den alten Legenden darstellte.

Von irgendwoher hörte sie eine Schalmei spielen. Sodann stieg Leda behände, angesteckt von der fröhlichen Melodie des fahrenden Musikers und fast ungestüm die Wendeltreppe wieder hinab, um mit ihrem Gemahl zu frühstücken. Sie freute sich schon auf das dampfende und duftende, frischgebackene Brot mit Butter und Ahornsirup. Gemeinsam würden sie die Zukunft klug und kühn meistern. Das wusste Leda auch ohne Weissager. Der wühlende Kummer in ihrer Brust war besiegt.

Als sie über den Burghof lief, um in den Saal zu gelangen, wo ein sommersprossiger Bäckerjunge bereits mehrere Tabletts und Bastkörbe mit Leckereien abgestellt hatte, wurde sie von einem Habicht beobachtet, der mit seinem prächtigen Gefieder auf der Dachgaube eines Turmes thronte. Mit messerscharfem Blick nahm er die Königin aus luftiger Höhe wahr. Dabei war sein Augenmerk ursprünglich auf eine graue Maus im Hof gerichtet, die ihr nahes Todesurteil noch nicht erkannt hatte. Doch durch Ledas Schritte aufgeschreckt, flitzte der kleine Nager zu einer Spalte im Mauerwerk und verschwand vor den Augen des Raubvogels.

Der Habicht blieb gelassen und schwang sich gickernd in die Lüfte, kreiste ein Mal über der Zitadelle und glitt, von einer Windschicht getragen, segelnd über eine Wiese. Schon entdeckte der Herr der Lüfte in einem nahen Weiher einen Fisch, dessen Sch****zflosse für einen Wimpernschlag die Wasseroberfläche durchschnitten hatte und einen leisen glucksenden Laut erzeugte. Für diese unbedachte Bewegung würde die Schleie vielleicht einen hohen Tribut zahlen. Im nächsten Moment war der Habicht vom Himmel verschwunden. Nichts störte die Idylle über dem Teich, über dem zwei Libellen leise surrend schwebten. Ein friedliches Froschquaken war aus der Nähe zu vernehmen. Doch plötzlich schoss der Raubvogel wie aus dem Nichts flatternd zwischen dem Uferschilf hervor und schlug seine klingenscharfen Krallen durch die Wasseroberfläche, um seine Beute zu durchbohren.


Eine brandgefährliche Zeit sollte anbrechen. Im Osten tobte die Schlacht um die Metropole. Cassandria hatte zum großen Angriff geblasen. Die Duxas der Vesta hatten bereits nach wenigen Tagen davon gesprochen, dass die Stadtmauer nicht lange zu halten sei. Dazu sei die Streitmacht der Cassandra einfach zu gewaltig. Und dann noch zwölf Trolle! „Wo die hinschlagen, da wächst kein Gras mehr“, hatte eine Offizierin ihrer Königin kummervoll berichtet. Vor ihrem inneren Auge sah sie den übermächtigen Kriegshammer, der das Gemäuer unter ihm zerbröseln ließ wie einen Lehmklumpen. Vesta hatte Wutausbrüche bekommen und gezetert. Aber alles half nichts. „Niemals werde ich kapitulieren! Niemals!“ Sie wischte sich den Geifer vom Kinn, spuckte undamenhaft aus und fauchte wie eine Katze unter einem geilen Kater.

Sie ließ Aurora aus dem Karzer holen und in einem verzweifelten Versuch, Cassandra zu beeindrucken, in die feindlichen Reihen jagen. Allein, nackt, nur mit einem Schild um den Hals, auf dem ihre Herkunft geschrieben stand. Aurora wusste, dass sie ihr Leben in der Hand der Kriegstreiberin verwirkt haben würde und schrie ihrer Schwester hysterisch hinterher: „Du eitrige Pestbeule! Dir ist die Krone zu Kopf gestiegen! Je höher der Affe steigt, desto mehr Arsch zeigt er! Verflucht seist du, Vesta! Brennen sollst du in der Unterwelt!“ Sie spuckte um sich und versuchte die Flagge ihrer Schwester zu besudeln, doch schon stießen groben Arme sie vorwärts, dem Widersacher entgegen. Vesta lächelte heiter. „Gehab dich wohl, Schwesterlein.“

Nackt bis auf ihren Keuschheitsgürtel stolperte und rannte die Prinzessin über Stock und Stein in die Linie der gegnerischen Kampfsklaven. Ihr Gesicht war puterrot vor Scham und Wut. Vesta beobachtete gebannt von den hohen Zinnen der Metropole das Geschehen. Der schwarzsilberne Turm der Festung glich einem übergroßen Obelisken, auf dessen Spitze ein scharfer Dorn die Wehrhaftigkeit der Anlage symbolisierte. Hierher war Vesta in diesen Tagen oftmals hinaufgestiegen, um die feindlichen Truppenbewegungen zu sichten. Längst waren die Landstriche um die Stadt in den Händen der cassandrianischen Truppen. Statt dem Duft von Jasmin, dominierte der Gestank von Pech und Schwefel. Rauchsäulen und verheerte Felder zeugten von der verwüstenden Übermacht der Cassandra.

Aurora wurde unterdessen durch die unzähligen Arme der feindlichen Krieger gereicht und tausendfach unsittlich berührt. Sie fühlte sich wie ein mit Honig eingeriebenes Stück Fleisch, das von Bienen und Termiten gefunden worden war. Ihre Schwester sah aus der Ferne, wie Aurora über den Köpfen der Hundertschaften Kampfsklaven nach hinten getragen, betatscht, begrapscht und besudelt wurde. Schließlich erschien das unfreiwillige Präsent vor einer hohen Duxa. Aurora wurde von zwei Sklaven auf die Knie in den Dreck gedrückt, dass der Morast hoch spritzte. Die Führerin erkannte die Prinzessin auch ohne Schild sofort. „Sieh an! Die ehrwürdige Prinzessin, die uns so eilig verlassen hat! Welch aparte Beute!“ Aurora wimmerte und senkte devot ihr Haupt. „Gnade! Habt Gnade mit mir! Ich will Cassandra dienen. Glaubt mir. Ich hasse meine Schwester, dieses Miststück! Ich will nur ihr Verderben. Ich weiß, wie Ihr die Stadtmauer überwinden könnt. Lasset mich Euch helfen.“

Die Duxa lehnte Auroras Ansinnen brüsk ab. „Schwätzerin! Schweiget mit Eurem törichten Geseier! Ihr könnt gar nichts! Aber ich werde Euch nicht töten. Obschon Ihr in meinen Augen nur Abschaum seid wie eine ordinäre Gassenjungfer. Unsere hoch geehrte Majestät soll über Euer jammervolles Leben entscheiden. Vielleicht gibt sie Euch ja in die Hände der Malus-Priesterinnen, die Euch von Euren Sünden reinigen. Und nun packet Euch fort!“ Mit einem knappen Wink ließ sie Aurora abführen. Die Malus-Priesterinnen? Die junge Witwe ahnte, dass die Heiligen Frauen sie nicht als Mündel aufnehmen würden. Eher sollte sie wohl als Opferfleisch dienen. Ihre nackten Fersen gruben Furchen in den Boden, als sie sich gegen die Soldaten zu wehren versuchte. Aurora greinte und rollte wild mit dem Kopf. „So gebt mir doch wenigstens ein Gewand, meine Blöße zu bedecken!“ Aber ihre verzweifelten Worte wurden nur von schadenfrohen und bissigen Bemerkungen der Soldaten begleitet. Die Duxa hatte sich mit gewichtiger Miene längst abgewandt.

Bald darauf war Aurora auf dem holprigen Weg unterwegs in die cassandrianische Hauptstadt: auf einem Eselskarren in einem Käfig, dessen Decke über eine runde Aussparung für den zarten Hals der Prinzessin verfügte. Sie saß hinter ihren Gitterstäben auf einem gefetteten Holzzapfen, der sich bei jedem Schlagloch, jeder Bodenwelle und jeder Wurzel, die den Weg kreuzte, in ihrem Leib vergnügte. Nach einigen Meilen kamen aus Auroras trockener und rauer Kehle nur noch heisere Krächzlaute. Schaumblasen bildeten sich vor ihrem Mund und waren ihr einzig Gezier. Lüstern gafften Kampfsklaven auf die entblößte und früher makellose Schönheit in ihrem Keuschheitsgürtel: manche mit grimmigen, unrasierten Gesichtern, manche mit geiferndem Glotzen, andere mit schmierigem und faunischem Grinsen. Und entblößt war selbst das Haupt der Gefangenen, denn die Duxa hatte Auroras langes, seidiges Haar bis auf den blanken Schädel kahl scheren lassen, auf dem jetzt nur hässliche Stoppel sprießten. Doch egal, wie sehr ihre Welt zerbarst, spürte sie weder Reue noch Buße für ihre Sünden.

Ein zufälliger Betrachter am Wegesrand hätte nicht sagen können, ob die Eichhörnchen und Rehe vor der scheppernden, mächtigen Kolonne oder dem schrecklichen Anblick der entwürdigten Prinzessin entfleuchten. Die Offizierin und Feldherrin vor der Metropole war sich sicher: Bald würde das Reich der Vesta endgültig zu Staub zerfallen. Cassandria würde zu einer unbesiegbaren Macht werden. Stark wie nie zuvor. Im Anschluss könnte der Heereszug in den Westen beginnen und vollenden, was die Herrscherin hier begonnen hatte. Kein Bollwerk wird uns aufhalten, ahnte die Duxa. Keine Mauer. Keine Armee. Keine Gottheit. Kein Hexenwerk. „Die nächste Angriffswelle bereitmachen!“, kommandierte sie laut mit harter Stimme. Sofort setzten sich Gerüsteten in Bewegung und riefen Schlachtrufe im Chor, krachten mit ihren gepanzerten Handschuhen lärmend gegen ihre brünierten Brustharnische und reckten ihre angsteinflößenden Waffen in die Höhe.

Auf ein weiteres Zeichen stürmten die wacker vorpreschenden Sklaven brüllend und fieberwild auf die Stadtmauern der Metropole zu in den wogenden Kampf. Auf den Schulterplatten ihrer Panzer reckten sich scharfe Dornen in den Himmel, die schaurigen Klingen waren schartig und doch scharf gewetzt. Ihre derben Stiefel trampelten die Gräser platt. Und im nächsten Moment brandete der Teppich aus tummelnden Soldaten gegen die Wehranlage der Metropole, um Ruhm und Ehre werbend. An vielen Stellen brannte das Mauerwerk bereits oder war von den vielen Angriffen zerrieben und brüchig und bröselte wie Haferkeks. Spuren der Verwüstungen zeigten sich überall, verwaiste Waffen lagen in Pfützen oder steckten fest in ausgelöschtem Leben; stille Zeugen der finster brütenden Gier nach Ruhm und Sieg.

Vesta starrte entsetzt mit mit schwer gewordenem Herzen aus dem Spitzbogenfenster eines hohen Turms ihres Palastes. Ihre geflochtene Turmfrisur wurde von einem schwarzen Netz gehalten, das an das Heim einer Giftspinne erinnerte. Ihr Antlitz war bleich wie Elfenbein, ihre Wangen eingefallen. Sie konnte nicht fassen, was sie da sah: Die Horden der cassandrianischen Armee nahmen kein Ende. Ein Teppich aus Getier, wimmelndem Vieh. Die Ebenen waren bedeckt von einer überflutenden und nicht enden wollenden Masse aus Kampfsklaven, Welle für Welle. Und auch die zwölf gigantischen Trolle näherten sich mit monströsen Keulen, die mit ellenlangen Stacheln gespickt waren, erneut der Wehrmauer. Die junge Königin klagte vorwurfsvoll: „Mutter, was hast du mir für ein schweres Erbe hinterlassen!“ Waren die Geschicke des Kontinents noch zu wenden? War dies ihr Erdenlos? Sie sah den Zierdolch auf ihrer Kommode liegen. Sie streckte eine Hand nach der Klinge aus. Unbezähmt griffen ihre Fingerlein nach dem letzten Trost. Der Feind sollte sie nicht in seine dreckigen Fänge bekommen.

Hoch am Himmel kreisten bereits krächzende Aasgeier, mit den langen, kahlen Hälsen gereckt nach einem Festschmaus Ausschau haltend und wissend, dass bald durch den Tanz des Todes allda ein reiches Mahl serviert würde. Es waren dunkle Wolken aufgezogen, die die Sonne aussperrten, als wollten sie der verwelkten Lande ein Zeichen geben, dass sich hier das Böse erhoben hatte. Das Böse, das sich suhlte im Leid der Menschenkinder. Die Saat war aufgegangen. Nun folgte die blutige Ernte. Bald würde der Sieger seine Fahnen im Trug des Hasses aufziehen und sich an den Besiegten ergötzen. Die Götter hatten diesen Tag auserwählt, um das weitere Schicksal der Erde zu gestalten. Egal, welche Tyrannin den Sieg letztlich heimfuhr – ein gewaltiges Ostreich würde entstehen und den Westen mit seiner Niedertracht und neuen Ränken bedrohen. Niemand durfte sich sicher fühlen vor der dunklen Bedrohung. Denn dies war erst der Anfang.
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  RE: Literarisches Meisterwerk! Datum:07.09.22 08:48 IP: gespeichert Moderator melden


"Zunächst waberte die inzwischen purpurne Morgenröte am Horizont, dann blitzten die ersten Sonnenstrahlen durch eine zerstobene Wolkendecke goldgelb in der Ferne auf und verscheuchten die Trübe der Nacht."

Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen; der schwer beeindruckte Leser erstarrt in ehrfürchtiger Anerkennung, welche sprachlos macht!

Mit Schaudern gewahren wir in der Erzählung die Parallelen zu den Geschehnissen unserer Tage, wie das Ostreich erstarkt durch einen stählernen Herrscher, dem es gelang, vom demokratisch gewählten Politiker zum Diktator zu werden, so wie es neunzig Jahre zuvor beispielgebend in einem der jetzt noch freien Ländern geschehen war und schließlich der Welt Trümmerlandschaften eines unermeßlich grausamen Krieges beschert hatte mit Abermillionen von Opfern - die Grausamkeit des aus menschlichem Geist entspringenden Wahnsinns übertrifft mit ihrer Gegenwärtigkeit die Phantasie jeglicher blutrünstigen Geschichte.

Der letzte Seher des Ostreichs wurde im greisen Alter zu Grabe getragen, so stark und mutig es ihm vor über 30 Jahren gelungen war, den unterjochten Völkern des Ostreichs die Freiheit zu geben, gelang es ihm nicht mehr, den Kristall des Friedens am Leuchten zu halten und im Gegensatz zu der Erzählung der Alten Welt halten die Herrscher unserer Tage die Urgewalt der Materie in Händen, kraft derer sie gesamte Kontinente nicht nur vernichten, sondern aufgrund entsetzlicher Strahlungskräfte auf Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte unbewohnbar zu machen...


"ein gewaltiges Ostreich würde entstehen und den Westen mit seiner Niedertracht und neuen Ränken bedrohen. Niemand durfte sich sicher fühlen vor der dunklen Bedrohung. Denn dies war erst der Anfang."

[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von M A G N U S am 07.09.22 um 08:49 geändert
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:24.09.22 19:23 IP: gespeichert Moderator melden


V.



Die Sonne brannte gnadenlos vom wolkenlosen Himmel herab auf die Ebene. Nur kleine Büsche trockneten hier und da vor sich hin, ein paar Insekten brummten durch die Luft. Ansonsten war es still. Doch aus weiter Ferne konnte die Schlange, die am Wegesrand im Schatten eines Felsens eingerollt lag, bereits die Erschütterungen spüren, die ein Pferd mit seinen Hufen auf dem staubigen Pfad verursachte. Das Reittier kam näher und näher und hinterließ eine Staubwolke, die sich nur langsam wieder auf dem Boden absetzte.

Die Soldatin ritt einen braunen Wallach. Ihre Lederuniform war mit runden Nieten besetzt und an Nacken und dem Übergang zu den Armen mit verstärkten Lederstücken gerüstet, so dass ihre Schultern viel breiter aussahen, als sie in Wirklichkeit waren. Hinter ihr wehte ein scharlachroter Umhang. Auf dem Rücken des Vierbeiners war eine Satteltasche mit einem punzierten Knotenmuster festgeschnallt, in der die Reiterin ihr spartanisches Reisegepäck aufbewahrte. Ihr Weg führte sie im Osten des Alten Kontinents durch das Reich der Cassandra und seine weiten Ebenen.

Im Feldzug gegen das westliche Bündnis aus Ledanien und Helenas Stadtstaat sowie weiterer Fürstentümer und Königreiche hatte sie so manche Angriffsformation geleitet. Der Krieg hat ihre Narben hinterlassen. Die Centuria wachte fast jede Nacht Schweiß überströmt am Lagerfeuer auf, aus ihren Nachtmahren herausgerissen. Die Kriegswirren hatten unauslöschlich Bilder und Schreie in ihren Kopf gebrannt, die sie des Nachts besuchten. Manches Mal meinte sie, noch den Gestank des Todes zu riechen, der sie heimlich umschmeichelte.

Als endlich der Große Waffenstillstand zwischen der Ostmacht und dem Westbündnis unterzeichnet wurde, hatte die Centuria einen Mond lang Zeit, sich von ihrer Truppe zu lösen und ihrem Vergnügen nachzugehen. Der erste Weg führte sie zu Hydra, der Besitzerin eines großen Liebeshauses. Die wohlgeformtesten und schönsten Jünglinge sollten dort als hervorragend ausgebildete Lustsklaven dienen, so die verbreitete Kunde. Angeblich gab es immer wieder frische Ware: Unbefleckte, die darauf warteten, ihr Fleisch für die Begierde der ausschließlich weiblichen Gäste herzugeben.

Als sich die Soldatin dem Gehöft näherte, bemerkte sie einen Feldsklaven, wie der mit einem Holzeimer Wasser aus einem Brunnen schöpfte. Ein zweiter Mann stand einen Pfeilschuss entfernt und mähte mit einer langen Sense ein kleines Weizenfeld ab, das goldgelb in der Sonne leuchtete. Bei ihm stand ein Heukarren, in dessen Geschirr sich ein Esel langweilte. Die Reiterin trabte bis an einen waagerechten Holzbalken, der von der Sonne bereits porös und ausgeblichen war, sprang von ihrem Pferd und band den Lederzügel um das Holz. Ihre Lederuniform knarrte bei jedem Schritt. Mit hastigen Bewegungen strich sie sich den schmutzigen Staub der Reise von den Schultern und der Brust, auf der ein karmesinroter Drache gestickt war – das Zeichen ihrer Kolonne.

Schon Meilen entfernt hatte die Reiterin den hohen vergoldeten pagodenartigen Dachturm gesehen. Jetzt ragte er genau vor ihr in den Himmel wie ein riesiger Phallus. Sie betrat das Gebäude, das mit seinem Fachwerk und dem Schindeldach einsam und verlassen in der Landschaft stand. Über der Tür war ein großes Schild angebracht, auf dem in roten Buchstaben stand: „Hydras Paradies“. Die Soldatin freute sich auf einen großen Zuber mit heißem nach Rosenöl und anderen Ingredienzien duftendem Wasser, nach geschickten Händen von Jünglingen, die mit Schwämmen den Dreck ihrer Reise von ihr abwischten und ihre gemarterten Muskeln verwöhnten. Und natürlich verspürte die Soldatin nach der langen Zeit in kriegerischen Scharmützeln und endlosen exerzierenden Manöver zu Gefechtsübungen und Kampftechniken eine Sehnsucht nach Entspannung. Die Frau hatte es satt, die Klinge zu schwingen und Kriegssklaven anzutreiben. In Hydras Paradies wollte sie sich ganz im Strudel der Erfüllung verlieren, sich fallen lassen, sich den Wogen der Lust hingeben…

Hydra begrüßte ihren Gast mit einer vornehmen Verbeugung. „Tretet ein, edle Centuria unserer hoch verehrten Majestät Cassandra. Was ist Euer Begehr?“ Als ob jemand käme, um hier ein Brot zu kaufen oder sein Ross beschlagen zu lassen!, dachte die Soldatin. „Ich möchte ein weiches Lager, ein heißes Bad und ein wenig Kurzweil für die Nachtstunden. Und vorher habe ich Hunger und Durst.“ Hydra lächelte. Sie gab hinter ihrem Rücken einem Bediensteten ein flinkes Zeichen, worauf der junge Mann sofort davoneilte. „Setzt Euch an diesen gemütlichen Tisch. Ich habe eine deftige und gar köstliche Fleischsuppe, die Eurem Gaumen sehr munden wird“, versprach sie, „und einen guten Tropfen, der Euch begeistern wird.“ Die Gerüstete nahm auf einer rustikalen Holzbank Platz und sah zu, wie Hydra eine Stumpenkerze, die auf dem Tisch stand, entzündete. Dann schlurfte die Wirtin durch einen kleinen Türbogen in einen Hinterraum.

Irgendwo knarrten Dielenbretter. Die Soldatin blickte in den hellen Schein der Kerze und erkannte an der Wand tanzende Schatten, die sie an erlebte Schlachtengetümmel erinnerten. Noch vor wenigen Monden hatte die Centuria eine Abteilung Kampfsklaven in cassandrischer Uniform vor die Mauern des Westbündnisses geführt. Hunderte gepanzerte Schlachtrösser wieherten, schnaubten und donnerten mit den Hufen durch den Dreck. Signalhörner ertönten, riefen zum Sturm auf die feindlichen Mauern; das cassandrische Banner wehte an den Lanzen und Piken und flatterte knatternd im Wind, während sie auf ihrem Rappen auf die Verteidigungsanlagen zustürmte. Gebrüll, Schreie, Rufe, Befehle… Sie trieb die Truppen Sklaven an, die die Belagerungstürme in Stellung bringen sollten, jagte die Fußsoldaten vorwärts.

Die Centuria rieb sich erschöpft über die Augen. Noch immer sah sie die plötzlich aufziehenden schwarzen Wolken, die den Himmel verdunkelten und sich als Pfeilhagel entpuppten. Der gefiederte Tod – hinterlistige Salven prasselten zu Boden, Sklaven kippten in den Staub oder entkamen, wenn sie rechtzeitig ihren Schild erhoben hatten. Kurz darauf war die Centuria einem scharfen Speer ausgewichen und hatte ihr Pferd ruckartig zur Seite gelenkt, die Hufen hatten den Dreck mehrere Mann hoch aufgespritzt, die Reiterin war aus dem Sattel gestürzt und fand sich in einem Schlachtengetümmel zwischen Cassandrier-Einheiten und einem Ausfalltrupp ledanischer Ritter wieder, während am Boden längst verlorene Leiber lagen, verreckten oder bereits steif.

Krummsäbel, Kurz- und Langschwerter, Morgensterne und Streitkolben, Kriegshämmer und Doppeläxte trafen schrillend und krachend aufeinander, schnitten, zermalmten, stachen, zerquetschten und zerstörten. Langschilde, Rundschilde, Harnische und andere Rüstungsteile zerbeulten unter den Schlagwaffen. Funken sprühten, wo Stahl auf Stahl traf. Im letzten Augenblick wich sie einer Hellebarde aus, die ein gedungener Söldner mit Augenklappe und Bart in silberfarbener Rüstung schwang; im nächsten Moment schützte ihr eisenbeschlagenes Rundschild mit dem Dorn in der Mitte sie vor einer singenden, schweren Klinge eines Soldaten mit vernarbtem Gesicht und wilden Augen, in denen die pure Tollwut innewohnte. Um ein Haar hätte sie der Bihänder mit ihrem Lebenssaft besudelt und ins Reich der Toten geführt. Voll Grimm kämpfte sie wacker weiter und weiter.

Doch die furchtbarste Erinnerung, die sich ihr ins Gedächtnis gebrannt hatte und nimmermehr verlor, war der Topfhelm, den sie auf dem Schlachtfeld in einer Lache schmutzigen Wassers fand und aufhob – und der nicht leer war… Die Centuria spürte, wie sie bei der lebendigen Erinnerung an das Geschehen hektisch atmete und ihre alte Wunde in der linken Schulter schmerzte, in die die Klinge des Soldaten trotz Abwehr mit dem Schild eingedrungen war. Eine Medica im Lazarett des Feldlagers hatte damals den Wundbrand verhindert. Die Heilerin war kundig genug, einen Umschlag mit einem Kräutersud zuzubereiten. Die Centuria hatte noch heute den scharfen Geruch in der Nase, der aus dem Kupferkessel geströmt war. Knisternd hatten die Flammen an dem Topf geleckt und die siedende Mixtur köcheln lassen. Die heiße Bandage mit dem Extrakt hatte ihr sehr wohl getan und auch die Pein gedämpft. Noch jetzt trug sie eine kleine Phiole bei sich, die mit einem Korken fest verschlossen war. Würde ihre Schulter sie erneut martern, so sollte sie die Kräuter darin in Wasser aufkochen und in kleinen Schlucken trinken. Bisher hatte sie davon keinen Gebrauch machen müssen.

Sie fasste sich unbewusst an die Brust, wo ihr Schutzamulett hing, dass sie vor bösartigen Nachtgeistern bewahrte. Sie rieb über die bronzene Scheibe mit den magischen Runen, die sie vor einigen Monden einer Werwolf-Schnitterin abgekauft hatte, und wisperte eine Litanei aus Schutzformeln herunter. Als sie noch sann und in dunkle Gedanken versunken dasaß, wachte sie von der duftenden Mahlzeit auf, die bereits aus der Küche in den Schankraum herüber waberte. Hydra brachte einen tiefen Zinnteller mit einem deftigen Fleischtopf, einen Krug mit dunklem Rotwein und einen kleinen Laib geröstetes Brot, dass sie auf Schamottstein erhitzt hatte. „Möchtet Ihr aus Eurem Stiefeln schlüpfen? Mein Famulus könnte sie putzen“, schlug Hydra vor und stützte sich die Hände in die Taille, über die ihre Schürze hing. Die Soldatin nickte, und auf ein Zeichen der Wirtin eilte ein junger Mann in Lumpen herbei und half dem Gast aus dem Schuhwerk. Die Soldatin stützte sich am Arsch des Jünglings ab, während er an dem anderen Stiefel zog. Als beide Exemplare von den Füßen geglitten waren, verschwand der Diener mit ihnen, um sie eifrig mit Bürste, Lappen und Wichse zu bearbeiten.

Hydra räusperte sich und fragte neugierig nach dem Stand des Krieges. Die Centuria seufzte. „Es ist endlich ein Waffenstillstand unterzeichnet worden. Die Grenzwälle und Verteidigungslinien des Westbündnisses sind nicht zu überwinden. Der Traum, den Westen zu unterwerfen, bleibt ein Traum. Das haben selbst Cassandra und Vesta eingesehen.“ Hydras Augen wurden groß, als sie die Soldatin so respektlos über die Königinnen sprechen hörte. „Aber Cassandria verfügt über das mächtigste Heer des Alten Kontinents!“ Die Centuria schnaubte verächtlich. „Was wisset Ihr vom Kampf? Ein Heer alleine bringt noch keinen Sieg. Ihr habt nicht die brennenden Gräben erlebt, die teuflischen Fallgruben, die mit Piken gespickt waren, die hohen, massiven Mauern, von deren Zinnen wir mit siedendem Öl übergossen wurden, die Wehrgänge der Gegner, die mit Bogenschützen besetzt waren. Ich habe Armbrustmaschinen gesehen, so groß wie Katapulte, die Pfeile verschossen, so groß wie Rammböcke. Ich sah einen Troll, der mit einem einzigen Treffer gefällt wurde wie eine junge Birke. Glaubet mir, ich habe Angriffsformationen in allen Varianten angeführt, habe hunderte Kriegssklaven gegen den Feind geschickt, aber allem hat der Verteidigungsring widerstanden. Einfach allem…“ Es währte nicht lang, da hatte sich die Centuria in Rage geredet.

Hydra wechselte lieber das Thema. „Stimmt es denn, was manche berichten, dass in Ledanien die Mannsbilder gleiche Rechte wie Frauen haben?“ Die Soldatin nickte nachdenklich. „Ja, das ist wohl wahr.“ Hydra lachte schrill. „So ein Unfug! Wer hat sich denn eine solche Narretei ausgedacht? Wer würde der Damenschaft solch Tollheit aufbürden?“ Die Soldatin zuckte nur mit den Schultern und biss lustlos von ihrem Brotlaib ab. Nach dem Mahl zeigte die Wirtin der Soldatin ihr Nachtlager. In einem Nebenraum stand ein großer Holzzuber mit heißem Wasser. Duftende Aromen erinnerten an Honig und Lavendel. „Entkleidet Euch und gebt Eure Gewandung meinem Lakai. Er wird sie säubern. Wollet Ihr für die Nacht ein wenig Kurzweil? Ich habe noch ganz unverbrauchte Jünglinge, die von mir persönlich ausgebildet wurden. Ihr werdet zufrieden sein, so verspreche ich Euch…“ Sie winkte demonstrativ mit dem Schlüssel für einen Keuschheitsgürtel und bot so den Lustjungen feil.

Die Soldatin fragte nach dem Preis und fand diesen passabel. Daher begab sie sich in das Badehaus, öffnete ihre große Metallschließe am Ledergürtel ihrer Hose und stieg aus den Beinkleidern. Die restlichen Stoffe fielen ebenso zu Boden. So genoss sie zunächst das dampfende Bad und legte sich anschließend in Tücher gehüllt auf ein bequemes Polsterbett. Kurz darauf erschien ein Sklave der Hydra, dem Knabenalter nur wenige Jahre entwachsen, und verbeugte sich tief vor dem Gast. Die Soldatin winkte den jungen Kerl lächelnd näher. Das Bad hatte ihre Muskeln entspannt, aber noch besser wäre eine Massage durch geschickte Hände. Und im Anschluss lechzte sie nach einem besonderen Vergnügen. Für den genannten Preis war das inbegriffen.

Hydra brachte sogar noch zwei weitere Jünglinge herbei, damit die Soldatin auswähle. Die drei jungen Lustsklaven waren nur mit einem knappen Lendenschurz bekleidet. Um den Hals trugen sie ein Stachelhalsband mit einer Kette. Die Soldatin zeigte auf den mittleren Burschen, einen blond gelockten Spund mit himmelblauen Augen. Hydra verneigte sich und schob den Sklaven vor. Mit leicht servilem Unterton bat sie: „Verratet mir bitte morgen, wie zufrieden Ihr mit ihm gewesen seid.“ Sie schloss leise die Tür zur Kammer und zerrte die beiden anderen Männer mit sich. Just war alle Freundlichkeit aus ihrer Stimme verbannt. „Tausend Schwerenot! Wenn ihr nicht bald einmal zum Einsatz kommet, werde ich euch an eine Plantage verkaufen!“ Die beiden Jünglinge schluckten hart und unterdrückten ein Schlottern. Vom Leid der Plantagensklaven hatten sie schon so manche Geschichte gehört.

Der auserwählte Lustsklave war erfreut. Nicht alle Gäste seiner Herrin waren so hübsch gebaut wie die Soldatin. Was sie von ihm verlangen werde, das musste sich allerdings noch zeigen. Manche Dame, die vornehm und fast schüchtern gewirkt hatte, entpuppte sich beim Liebesspiel als grob, erbarmungslos und unanständig. Manche weideten sich gar im Ungemach des Jünglings und lernten ihn Perversionen. Und nicht immer waren die Gäste darauf erpicht, dass er selbst auch seinen Samen ergoss. In diesen Fällen blieb ihm nichts anderes übrig, als sein hartes, scharfes „Schwert“ unbeglückt wieder verschließen zu lassen. Möge es bei dieser bezaubernden Soldatin anders sein!

Doch da täuschte sich der junge Mann: Die sitzende Soldatin zog ihn an der Kette fordernd – immer der Nase nach - zwischen ihre gespreizten Schenkel und verlangte nach seiner Zunge. Der Sklave wagte es nicht, um einen Aufschluss zu betteln. Er musste sich wieder einmal gedulden, bereitete seiner Kundschaft wie geheißen höchstes Frohlocken als er im fremden Schoße versank und neigte demütig den Kopf, als die Soldatin schließlich stöhnend, brünstig und seufzend auf den Rücken sank und glückselig lächelte. Das enttäuschte Gesicht des Jünglings war ihr einerlei.

Im verbündeten Cassandria hatte der Priesterinnenbund des Maluskultes weiter an Macht gewonnen. Die in schwarzer Robe gewandeten Hohepriesterinnen wagten sogar einen Putsch gegen Cassandra in persona. Mit Hilfe der Palastwachen und den obersten Duxas des Heeres waren die Karten des Schicksals neu gemischt worden. Wie raubende Falken auf ein Kaninchen waren die Herrinnen des Maluskultes auf die Regentschaft gestürzt und krallten sich mit aller Kraft an der Eroberung fest. Zwar verfügte die Majestät Cassandra noch über genügend Anhängerinnen und damit Einfluss, um sich als Regentin zu bestätigen, doch musste sie die Majorität ihrer Macht aus den mit Juwelen besetzten Händen geben und fungierte beinahe nur noch als Repräsentantin des Landes. Den Löwenanteil der Entscheidungen traf nun ein Gremium aus Hohepriesterinnen – angeblich der Königin zur Gunst und Ehre, aber faktisch war die Regentin entmachtet. Cassandra konnte nichts dagegen tun, doch lieber hätte sie ein schwärendes Geschwür am Arsch gehabt, als diese Drecksweiber um sich. Zu ihrem endlosen Missmut war ihre Macht nur noch so stark wie ein zierlicher Mistelzweig.

Gemeinsam mit dem verbündeten Land der Metropole, das die junge Vesta regierte, war ein gewaltiger Kriegszug nach Westen aufgrund des großen Widerstands und geschickter Abwehr des Feindes missglückt. Tausende Kriegssklaven und acht der zwölf Kampftrolle waren auf den „Feldern der Ehre“ zurückgeblieben, um die Geier und Krähen zu laben. Die Wehrgräben und gemauerten Verteidigungsanlagen des Westbündnisses waren unüberwindbar gewesen, obwohl das Ostreich mit Sappen, Angriffsformationen aus Trollen, Belagerungstürmen, Regen von Brandpfeilen und gewaltigen Kriegsmaschinen alles versuchte, um sie zu bezwingen. Sogar ein Fluss war umgeleitet worden, um die Mauern zu unterhöhlen – nichts brachte den Gegner zu Fall. So blieb den Beteiligten letztlich keine andere Wahl, als einen temporären Waffenstillstand zu unterzeichnen.

An einem Torbogen der Stadtmauer der Metropole hing eine schwere Glocke aus Bronze, die von einem Sklaven geschlagen wurde. Sofort eilten etwa 20 Leibeigene in ihren Lendenschürzen herbei und marschierten in Reih und Glied vor die Tore der Stadt, um dort Mehlsäcke aus einem Treidelkahn abzuholen und der Bäckerin zu bringen. Als die Ladung am Ufer des Flusses aufgehäuft worden war, trieben zwei Frauen mit langen Peitschen die Treidelsklaven an, um den Kahn weiter stromaufwärts zu ziehen, denn im Rumpf des Schiffes warteten noch Kisten mit ungemahlenem Korn darauf, zu einer Mühle außerhalb der Stadt gebracht zu werden. Die Träger, die im Laufschritt die schweren Mehlsäcke in die Metropole schleppen mussten, wollten jedoch nicht mit dem Schicksal der Treidelsklaven tauschen. Die Fluss-Männer, die an die Geschirre gekettet waren, wurden erbarmungslos angetrieben, denn je schneller der Treidelkahn erneut Ladung transportieren konnte, umso erfreuter und praller war die Schatulle der Eignerin.

Eine Dame in wallender Kaufmannskluft stand auf dem Deck des Kahns. Sie trug ein Stirnband aus Leder, das mit einem großen ovalen Granatstein verziert war, und zahlreiche Goldreife an den Armen. Ihre feinen Stulpen-Stiefel reichten bis über die Knie ihrer edlen Beinkleider. Ihr gehörten der Kahn und das Sklavenmaterial. Einen Fuß hatte sie auf die niedrige Reling gestellt und beobachtete die Antreiberinnen und die Leibeigenen im Zuggeschirr. Einige der hageren Kreaturen an Land waren einfach ungeeignet als Zieher, stellte sie kopfschüttelnd fest. In der nächsten Stadt würde sie versuchen, diese Nichtsnutze gegen hochwertigere Mannsbilder einzutauschen. Vielleicht fand sie ein leichtgläubiges Fräulein, der sie von angeblich fast magischen Liebesfähigkeiten der Männer vorschwärmen konnte. Wenn die Käuferin dann schließlich merkte, welchem Pfusch sie aufgesessen war, war sie über alle Berge – oder besser gesagt: alle Flüsse.

Andere der Leibeigenen, die nicht ihr zugegeben beschwerliches Tagewerk leisteten, würde sie zur Räson bringen können. Dafür hatte sie ein gar umfangreiches Repertoire an Mitteln und Wegen: Am Heck des großen Transportbootes waren vier Käfige angebracht, die nur wenige Handbreit über die Wasseroberfläche hinausragten. Hinter den Gittern hockten gerade vier Treidelsklaven, deren Köpfe hin und wieder von den Wellen überspült wurden. Diese passende Bestrafung, bei der Leibeigene von ihrer Faulheit wortwörtlich rein gewaschen wurden, motivierte die anderen zu umso fleißigeren Einsatz im Zuggeschirr. Wohl dem, der nicht schwächelte und auf dessen Betragen kein Schatten fiel.



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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:24.09.22 23:03 IP: gespeichert Moderator melden


Mmmhhhh....Treidelsklaven......davon liest man ganz selten....Prima!!!.....
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:26.09.22 17:53 IP: gespeichert Moderator melden


Neben dem literarisch auf höchstem Niveau angesiedelten Schreibstil reizt in der Tat die äußerst abwechslungsreiche Phantasie der vielfältigen Handlungen; im Gegensatz zu etlichen anderen Geschichten hier auf dem Forum wiederholen sich die Begebenheiten nur selten, vielmehr kommen immer wieder neue Strukturen zum Vorschein, welche den Gegensatz von Macht und Schwäche in unverblümter Erbarmungslosigkeit vor Augen führen, häufig nur in einem banalen Satz zusammengefaßt:
"Ihr gehörten der Kahn und das Sklavenmaterial".

Herzlichen Dank!

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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:01.10.22 16:17 IP: gespeichert Moderator melden


Einige der Sklaven wurden nach einer gewissen Zeit auch wieder verkauft und zum Beispiel in die Minen geschickt, um Gold, Silber und Edelsteine für das Geschmeide der Damen zu schürfen. Dort erging es ihnen, da biss die Maus keinen Faden ab, weniger prächtig. Andere Leibeigene kamen von den Zuckerrohrplantagen oder wurden dorthin verscherbelt. Wie viele Vorbesitzerinnen ein Sklave hatte, erkannte man an den Brandzeichen auf dem Rücken oder Gesäß. Einige Exemplare verfügten über eine entzückende Sammlung von Symbolen oder Initialen. Um sie zusätzlich besser auseinander halten zu können, waren die Treidelsklaven mit Halseisen gewandet, auf der eine Nummer eingestanzt war.

Weniger aus praktischen Gründen, sondern aufgrund des Schönheitssinns der Skipperin des Kahns, trugen einige Exemplare der Herde Glöckchen an ihren Brustwarzen, andere schleppten an ihrer Männlichkeit schwere Eisenringe, die bei jedem Schritt hin und her schwangen und an ihnen zogen und zerrten. Eine Augenweide für die Damenwelt. Seit Jahren war es bei Sklaven besonders beliebt, tief liegende Gehänge zu präsentieren – zumindest bei ihren Eigentümerinnen en vogue, die dies als schick empfanden. Ein Treidelzieher in der letzten Reihe des Geschirrs trug als einziger Schuhe. Doch dies deutete nicht auf eine prädestinierte Stellung des Mannes hin; im Gegenteil: Die Innensohlen der Sandalen waren mit zahlreichen kleinen Spitzen versehen und stellten eine Strafe aus dem schier endlosen Katalog von Züchtigungen dar, über die die Damen verfügten,um den Kreaturen Ungehorsam, Trägheit und Schwäche auszutreiben. Niemand brauchte einen Schmarotzer, der Kost und Logis genoss, aber nicht tüchtig arbeitete.

Eine andere Erziehungsform war auf den ersten Blick ersichtlich: Der Leibeigene trug eine Art Gitterhelm, der ihm am Eisen-Halsband festgeschraubt worden war. Der Helm umspannte das ganze Haupt und war einem Schweinekopf nachempfunden. Neben dem Gewicht sorgte er für eine behinderte Sicht und eingeschränkte Möglichkeit, zu essen und zu trinken. Es gab Fälle, in denen ein arbeitsscheuer Sklave solch eine Schandmaske viele Monate lang zierte, um aus einer Missetat zu lernen. Der Nachteil des eisernen Kopfschmucks war, dass die Träger mager und damit schwächer wurden. Manche Herrin ließ die Betroffenen daher am Anschluss nudeln, um ihnen ihr altes Gewicht und neue Kraft zu schenken. Dazu gab es große Trichter mit langem Rohr, in das Brei gefüllt wurde. Drei bis vier Mal am Tag gestopft, konnten die Geschöpfe nach wenigen Wochen bereits wieder erfreulich beflügelt und angespornt ihrer Bestimmung nachkommen.

Eine Antreiberin mit einer langen, zinnoberroten Peitsche holte locker aus dem Handgelenk aus und versetzte einem Versager, der ein wenig aus dem Takt geraten war, routiniert einen knallenden Strich über sein ansehnliches Gesäß. Mit einem infamen Lächeln begutachtete die Frau den knackigen Po, die straffen, muskulösen Schenkel und ausgeprägten Waden. Als Kostverächterin war sie noch nie beschuldigt worden. Doch wer nicht nach ihrem gewünschten Rhythmus zog, den würde sie in einen der Wasserkäfige stecken. Sklaven ihren Schneckengang und die Verstocktheit auszutreiben war eines ihrer liebsten Tätigkeiten, der sie nimmer müde wurde. Die Macht über die niederen Kreaturen berauschte sie geradezu und fesselte ihre Sinne in euphorischer Weise.

Die Treidelsklaven wussten genau, welche Antreiberin sie gerade von hinten vorwärts scheuchte: Eine hochgewachsene Frau, fast so muskulös wie ein Mannsbild, und doch mit femininen Zügen und langem seidigen Haar, schwang eine Riemenpeitsche, die aus einem kurzen, aber dafür umso dicker geflochtenen Ledertampen bestand. Ihre Hiebe waren kräftig und verursachten einen dumpfen Schmerz, der dem Schlag eines dünnen Knüppels ähnelte. Ein Treffer sorgte sofort für breite rote Stellen und später unter Umständen für violette Farbe, die sich auch in blasses Grün und Gelb verwandeln konnte. Ein kleines, zierliches Weib, die zweite Antreiberin, liebte die lange, dünne Peitsche, die weniger Durchschlagskraft besaß, dafür aber umso brennender ins Fleisch biss und Furcht erregend zischte und knallte. Ihre Berührung ähnelte eher vielen Nadelstichen. Doch eine Wahl zu treffen, welcher „Kuss“ ihnen lieber wäre, war den Sklaven nicht vergönnt. Der Kelch eines Sklavenlebens war kein Füllhorn, sondern er enthielt Tränen, Schmerz und Erniedrigung. Die Hoffnung, ihrer Herrin zu gefallen, war ihr einzig Antrieb und die Triebfeder ihres Daseins.

In Cassandria waren solche Schleppkähne oder manchmal auch Flöße auf allen Flüssen üblich. Es war die günstigste Art und Weise, größere Transporte zu bewegen. Während die Sklaven des Treidelkahns wieder alle Kraft in den Zug gegen die Wasserkraft legten, die dicken Hanftrosse unter der Spannung knarrten und die Lederpeitsche erquickend auf ihren Rücken und Hintern knallte, erreichten andere Arbeiter die Bäckerei in der Metropole. Erschöpft legten sie die schweren Säcke vor der Fassade aus weiß getünchtem Stein und Fachwerk ab. Hier duftete es bereits nach leckerem, frischem Brot und Gebäck. Doch den deliziösen Geschmack kannten sie kaum noch. Arbeitssklaven erhielten in Cassandria einen schalen Brei, der sie bei Kräften hielt und schnödes Wasser zu trinken. Alles andere war Schlemmerei, die für Damen reserviert war.

Eine andere Kolonne Sklaven packte sich nun die Mehlsäcke auf die Schultern und trug sie zu den Öfen in der Backstube. Die erschöpften Leibeigenen, die die Fracht bis hierher geschleppt hatten, wurden von einer Aufpasserin in schmalen Reithosen und hohen Stiefeln begutachtet. Die Männer knieten sofort in eine vorgeschriebene Position, die Hände hinter den Nacken haltend, den Blick devot zu Boden gerichtet. Die Frau schritt vor der Linie Leibeigener auf und ab und prüfte, ob ein Träger Schwäche zeigte. Diese Memme würde aussortiert und entweder in die Stollen geschickt oder Beinübungen unterzogen, um den Schlendrian auszumerzen. Keiner der Männer wollte solch grausig Schicksal ereilen. Noch vor zwei Wochen war einer ihrer Kameraden mit zitternden Schenkeln aufgefallen. Diesen hatte die Hüterin in ein Kettengeschirr gespannt, das ihn permanent in eine hockende Position zwang. So scheuchte und schindete ihn die Aufseherin endlose Wege hin und her und peitschte ihn grimmig wieder in Stellung, wenn er vor Erschöpfung umkippte. Was aus ihm geworden war, würden die Sklaven nimmer erfahren. Man munkelte, er trüge sein Hocke-Geschirr immer noch…

In einem der zahlreichen Kerker des Malus-Tempels saß ein kahl geschorenes Weib, nur in schmutzige Stofffetzen gekleidet, die gerade ihre Scham und Brust bedeckten, auf einem wackeligen Schemel. Sogar die Augenbrauen hatten sie ihr rasiert. Alle drei Tage wiederholten Wärterinnen das erniedrigende Ritual und schabten ihren Leib spiegelglatt. Das einzige Weib unter ansonsten nur männlichen Gefangenen verfügte gnädigerweise über ein eigenes Verlies. Vor einiger Zeit hatte eine Wächterin ihr eine lederne Gugel gegeben, der ihre beschämende Kahlheit verdeckte, doch eine Priesterin hatte sie ihr wieder entrissen. Aurora rieb sich mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht das linke Fußgelenk, um das ein Eisenband mit einer Kette geschmiedet worden war. Die Kette führte zu einem Eisenring im groben Mauerwerk. Da hörte sie Schritte durch den Gewölbekeller hallen. Zeit für das tägliche Mahl.

Aurora erwartete nichts Schmackhaftes. Aber ihr Magen knurrte schon seit Stunden, denn die Portionen waren klein. Am Gitter tauchte eine Fackel auf, die eine Schergin in ihrer Uniform erkennen ließ. „Hier! Friss!“, rief sie höhnisch und schob eine Holzschüssel mit gräulichem Brei mit dem Stiefel unter dem Gitter durch in die Zelle, dass ein Teil über den Rand kleckste. Aurora wartete, bis die Wache weg war. Dann kroch sie auf allen Vieren im Dämmerlicht, das ihr Gefängnis durch einen schmalen Schacht hoch an der Wand wenigstens ein wenig erhellte, und streckte sich schließlich auf dem Boden aus, um die Schüssel trotz ihrer Fußkette zu erreichen. Es war jeden Tag das Gleiche: Nur mit äußersten Verrenkungen konnte Aurora sich genügend strecken, um das Gefäß zu ergreifen. Dazu musste sie flach auf dem kalten Steinboden liegen und ihre Arme und Beine durchstrecken. Ihr Keuschheitsgürtel, den ihre böse Schwester Vesta ihr umgelegt hatte, bevor sie sie in die Verbannung gejagt hatte, schabte unter dem Stofffetzen über den Stein.

Mit größter Mühe erreichten Auroras Fingerspitzen die Schale und zogen sie unter mehreren Versuchen zu sich. Gierig schaufelte sie mit der Hand den pappigen Inhalt in sich hinein. Sie hatte keine Ahnung, was das war. Sie wusste nur, dass es durstig machte. Aber den Eimer mit dem fauligen Wasser verschmähte sie. Stattdessen leckte sie an einer Stelle der Wand die Tropfen ab, die aus dem Riss an der Decke hervorquollen. Womöglich hatte ihr Bauchgefühl sie getrogen, aber die Brühe im Zuber atmete den Odem des Todes. Die verstoßene Prinzessin war ahnungslos, wie lange sie bereits in diesem wenig heimeligen Kerker darbte. Cassandra hatte offenbar kein Interesse an ihr. Sonst wäre sie längst von den Priesterinnen verhört oder auf dem Holzblock gerichtet worden. Sie sollte ihre restlichen Tage in Gefangenschaft verbringen. Und damit nicht genug: Nicht nur ihre Freiheit war ihr fortgerissen, auch ihre Weiblichkeit war weggesperrt. Sie musste dieses finstere Schicksal erdulden, während ihr Schwesterherz Vesta, dem sie all das zu verdanken wusste, in ihrem Palast lustwandelte und sich an schier grenzenlosem Luxus und dekadenten Vergnügungen labte – an all dem, was ihr selbst versagt blieb. Jeder Gedanke daran schürte das Feuer des Hasses in ihr. Dabei war nicht nur ihr Leib, sondern auch ihre Würde entblößt.

Aurora leckte wie eine Hündin das perlende Wasser von der Wand, um sich die verdorrte Gurgel zu baden, und stopfte sich den Brei in den Mund, als wäre es ein Festschmaus. Die Gefangene lauschte den Stimmen, die aus der Lichtscharte dumpf zu ihr hinab in den Kerker hallten: Mehrere sadistische Wachfrauen schienen sich mit einem Sklaven zu vergnügen. Aurora entnahm den Rufen und den Geräuschen, dass sie einen Leibeigenen zwischen sich hin und her jagten. „Pass auf meinen Spieß auf! Er ist spitz und heiß!“, rief eine der Wächterinnen lachend. „Meiner auch!“, antwortete eine zweite, und ein hohes Quieken ertönte, dass wohl der Sklave abgegeben hatte. Aurora ballte ihre Fäuste, als ihr ihre absurde Situation bewusst wurde. In einem Land, in dem fast jedes Weib einen oder mehrere Sklaven für Arbeit, Schutz und Unterhaltung besaß, war sie die einzige Sklavin. Und nun dämmerte es ihr, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis eine reiche Dame auf den frivolen Gedanken kam, eine neue Art des Liebesspiels auszuprobieren. Etwas Extravagantes. Etwas bisher nie Dagewesenes. Sich nämlich mit einer weiblichen Leibeigenen zu vergnügen. Und hätte sich diese Neuigkeit erst herumgesprochen, würde Aurora vor Beliebtheit nicht mehr wissen, wo vorne und wo hinten war und sich jedem Wunsche beugen müssen.

Sie trachtete ihrer Schwester Pest und Fäulnis und alle Nachtdämonen an den Hals und trommelte zornig mit den Fäusten auf den Steinboden, bis sie schmerzten, und zeterte ungehört bis ihre Kehle rau und trocken war. Wehe der Verräterin, wenn sich das Schicksal wenden würde! Doch ganz so glücklich, wie Aurora dachte, war es um Vesta nicht bestellt. Cassandria hatte die Metropole mehr und mehr eingeengt, Ländereien befriedet und die Armee weiter und weiter zurückgedrängt. Mit Hilfe der zwölf Kampftrolle und einer gewaltigen Übermacht konnten die cassandrischen Truppen schließlich die Metropole belagern und aushungern, bis nur noch mit Haut überzogene Knochengerüste in ihr hausten. Die Majestät Vesta sah keine Alternative und musste den Thron räumen und sich Cassandra und den Hohepriesterinnen unterwerfen.

Undank war der Welten Lohn. Das Volk verhielt sich still. Niemand protestierte. Wo war sie hin, die ewig währende Liebe der trivialen Untertanen zu ihrer Hoheit? Unter Aufbietung aller Selbstbeherrschung verneigte sich Vesta mit einem Knicks vor der Potentatin, die die Metropole als annektiert betrachtete. Stolz und erhobenen Hauptes – andere würden sagen, Cassandras Hochmut sei unerreicht – ließ sie Vesta die Übereignungsurkunde auf braunem Pergament unterzeichnen und mit rotem Lack siegeln. Cassandra lächelte hämisch und ließ sich von Vesta, deren filigrane Nasenflügel vor unterdrückter Wut bebten, den dicken Juwelenring an ihrer Hand küssen. Besonders das zerknirschte Gesicht der jungen Frau, das aussah, als habe sie in eine faule Zitrone gebissen, erfreute Cassandra zutiefst. Wie umgänglich dieses junge Gemüse jäh sein konnte! Befriedigt streichelte sie über den Kragen ihres Umhangs, der mit Hermelin besetzt war und ihren reich geschmückten Fingern mit seiner Weichheit schmeichelte.

Das Volk hatte die Fronten so schnell gewechselt, wie sich eine Magd in ihrer Schürze einmal im Kreise drehte. Ob ihre Hochwohlgeborene Majestät nun Vesta oder Cassandra hieß, war ihnen völlig gleichgültig, solange die neue Regentschaft nicht etwa Sklavenrechte einführte oder andere Torheiten, wie sie im Westreich wucherten. So manches edle Fräulein konnte nur seinen hübschen Kopf darüber schütteln: Plumpe Mannsbilder hatten in Ledanien die gleichen Rechte wie Damen! Welch Absurdität! Wozu gab es ein Geburtsrecht gegenüber minderwertigen Kreaturen, die des Denkens und Fühlens nur wenig fähig waren? Würden sich bald schon Hofdamen vor Hausschweinen verneigen müssen? Solche und ähnliche Possen sorgten dieser Tage bei den Edelfräuleins des Reiches für viel Heiterkeit.

Eine junge Lady in einem bauschigen und prächtigen Kleid, deren langes Haar über ihre weiße Schultern floss, hielt sich in ihrem prunkvoll eingerichteten Gemach das Bäuchlein. Sie hatte opulent gespeist. Vielleicht ein Canapé mit Lachs zu viel. Aber es war so köstlich. Und trotz des Völlegefühls griff sie nach der verführerischen Obstschale mit allerlei frischen Früchten, kandierten Kirschen, Datteln in Honig oder Kokosstückchen. Sie entschied sich für einen kleinen, roten Apfel und biss hinein, kaute gelangweilt und spuckte den Bissen auf den Marmorboden, den reliefartige Festons schmückten. Die bezaubernde Lady stand auf und öffnete das Fenster mit den vielen Butzenscheiben. Mit einem lockeren Schwung aus dem Handgelenk schleuderte sie den angebissenen Apfel hinaus auf die breite Prachtstraße. Die Frucht landete auf den Pflastersteinen und rollte durch den Staub.

Sofort hetzten gleich drei Mannsbilder in lumpigen Fetzen herbei und stritten um den Fund. Der Apfel wechselte von einem zum anderen, flog durch die Luft, wurde von einer Pranke zur nächsten gereicht. Bald schon war eine baumstarke Prügelei um die Mahlzeit entstanden. Die Lady sah mit interessiertem Blicke zu und schüttelte den Kopf, dass ihre gelockten Haarsträhnen kess hin und her schwangen. Solch ein schnödes Getier! Wie konnte man sich nur um eine angebissene Frucht streiten!? Angeblich darbten freie Sklaven ohne Besitzerin aufgrund zu karger Speisen. Die Lady runzelte die Stirn. Sapperment! Wenn sie zu wenig Brot und Fleisch hatten, sollten sie doch Kuchen essen!

Vielleicht sollte sie mit ihrer Freundin morgen in den Cassandra-Park spazieren, wo diese einige Obdachlosen fütterte, wie diese erzählt hatte. „Für einige Brosamen führen die alle Kunststückchen auf, die du ihnen befiehlst“, hatte sie voller Begeisterung berichtet. Das musste ein spaßiger Zeitvertreib sein. Ja, morgen würde sie mitgehen. Vielleicht könnte sie ihnen beibringen, die Brotkrumen mit dem Mund aufzufangen. Und was würden die niederen Wesen erst alles dafür tun, die Spitze ihres Sonnenschirmchens abzulecken, wenn sie ihn zuvor in den Topf mit Griebenschmalz oder Honig steckte. Dann durften sie ihre Schlünde damit stopfen. Von der Wonne dieses Anblicks zu trinken war Ergötzlichkeit. Das wäre mal ein anderes Gaudium, als ungehorsame Sklaven in den Hängekäfigen auf dem Markt zu begaffen und mit spitzen Spießchen zu necken und so der Langeweile trotzen.

Die glorreiche Despotin Cassandra bot der Besiegten Vesta großzügig den Posten der Gouverneurin der Metropole an. Damit sicherte sie sich die Loyalität von Vestas Anhängerschaft, die zweifelsohne zum Teil in den Reihen der Duxas vorhanden war, und erniedrigte die ehemalige Königin mehr, als hätte sie diese in einen stinkenden Kerker oder ins Exil geschickt, denn jetzt war sie Tag für Tag ihren Befehlen untergeordnet, die die verhasste Rivalin verkündete. Das war nicht das, was sie begehrte, doch das Höchste, was sie erhoffen durfte. Offiziell mit Ehren geputzt, so durchströmte sie eine tiefe Demütigung in ihrer neuen Stellung, die zugleich eine brausende Wut in ihr weckte, wie ihre Schläfenadern schwollen ließen und ihre Geduld geradezu mit einer Agonie durchflammte.

Und schon alsbald sollte eine Delegation von Malus-Priesterinnen eintreffen, die der Gouverneurin auf die Finger schauten – sozusagen die Gouvernanten der Gouverneurin, schmunzelte Cassandra in sich hinein. Einziger Wehrmutstropfen war, dass sie selbst ihre Macht mit den Priesterinnen teilen musste. Selbst sie würde als Ketzerin sterben, falls sie ihre Zunge gegen den Maluskult erheben wollte. Aber sie hatte nicht vor mit dem Feuer zu spielen und sich zu verbrennen. Und vor dem Volk war sie noch die strahlende Königin von Cassandria in ihrem mit arabesken Mustern verziertem Gewand aus erlesenem Zwirn. Ein schöner Schein. Ein Günstling des Glückes war sie jedoch lange nicht mehr. Ihr Antlitz strahlte stolz und würdig wie ein Diamant, der sich bei näherer Betrachtung ihres Charakters allerdings in eine ordinäre Glasscherbe verwandeln würde.

Im goldenen Altarraum des Tempels standen sich zwei Priesterinnen nah gegenüber. Sie hielten ihre Handflächen in Kopfhöhe gegeneinander gedrückt, so dass die Fingerspitzen senkrecht zum großen, prachtvollen Kuppeldach zeigten, und hielten ihre Augen beim Gebet geschlossen. Leise murmelten sie die rituellen Worte. Dann verneigten sie sich voreinander und anschließend vor dem goldenen Prachtbild des Malus. Die Messe war beendet. Sie verließen den heiligen Raum, der mit Weihrauch geschwängert war, und schlenderten in ihren langen schwarzen Roben einen Gang aus Marmor entlang. Deutlich war der Altersunterschied zu erkennen: eine junge Priesterin, gerade dem Rang einer Novizin entstiegen, und eine Hohepriesterin, deren zinnoberroter Saum an der Kapuze und den weiten Ärmelschößen von ihrer führenden Position in der Tempelhierarchie verkündete.

Alle sieben Schritt fand sich eine Nische, mal auf der einen, mal auf der anderen Seite des Ganges. In den kleinen Ausbuchtungen, die mit Mosaiken verschönert waren, standen „Dämonenreiter“: Dachartige Konstruktionen, auf denen jeweils ein Leibeigener „ritt“, bis alle schlechten Geistwesen vor der Pein aus seinem Körper geflüchtet waren. Die Priesterinnen hatten den nackten Mannsbildern mit schwarzen Samtbändern Mund und Augen verbunden. Schreie sollten keine weiteren Dämonen anlocken, und in Dunkelheit konnten sich die Betroffenen leichter auf ihre Aufgabe konzentrieren: Die Geister aus ihrem Leib zu treiben.




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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:07.10.22 12:55 IP: gespeichert Moderator melden


Manch armer Tropf saß wehklagend mehrere Tage auf dem Dämonenreiter, bis er gereinigt war. Einigen Geschöpfen mussten die Priesterinnen sogar Gewichte an die Füße hängen, um die Dämonen aus ihnen zu locken. Und bekanntlich machte jede Reinigung nur stärker, die einen besessenen Mann nicht in die Unterwelt stieß. Doch das Böse war Frucht ihrer Sünden und verließ nur zögerlich die befallenen Leiber, die trotz ihrer Knebel für ein durchdringendes Gewimmer und Gemurmel in der göttlichen Halle sorgten. Sabbern, Zappeln, Stöhnen, Jammern, Tränenstrom und anderes schnödes Gebaren in seiner schamlosesten Form. Was armselige Kreaturen diese unreinen und minderwertigen Gestalten doch waren! Die wahre Absolution, nach der sie trachteten, würden sie niemals erreichen.

Die Hohepriesterin nahm die Hand der jungen Frau, hart im Herze, aber weich im Händedruck. „Es freut mich, Euch in den Inneren Kreis aufnehmen zu dürfen. Auch ich habe mir einst nichts mehr ersehnt“, erinnerte sie sich an längst vergangene Jahre, als sie vor ihrer Weihe als mittellose Wanderarbeiterin in den Osten des Kontinents gezogen war. Sie verabschiedete die junge Priesterin, die heute ihren ersten Sklaveninitiationsritus leitete: Sieben Prüfungen mussten die Leibeigenen bestehen und enthüllen, ob sie würdig der Läuterung wären. Wehe ihnen, sollten sie nicht bereit sein. Die junge Ordensfrau verschwand durch einen Torbogen und hinter einer mit aufwändigen Schnitzintarsien verzierten Tür, auf der Symbole des Maluskults und komplizierte Knotenmuster verewigt waren. Einige Einlegearbeiten waren aus Schildpatt, an einigen Stellen hatte die Künstlerin Opale und Onyx verwendet. Pretiosen, wie diese hatte die Novizin nie zuvor gesehen.

Ihre Mentorin betrat ihr Privatgemach im Großen Tempel. Unter der hohen Decke waren dicke Bohlen angebracht, deren dunkles Ebenholz sich von der weiß getünchten Decke deutlich abhob. Eine bequeme Liege mit Kissen stand links von ihr. Dort setzte sie sich hin, schloss für einen langen Atemzug die Augen und hüllte sich in Ruhe. Eine Hand griff unter ihre Robe und holte die lange goldene Kette hervor, an der ein ebenfalls goldener Anhänger baumelte. Ein großer Rubin veredelte das alte Schmuckstück, das eine mystische Wärme abstrahlte, als sie es mit der Hand umfasste. Die Priesterin öffnete das Kleinod durch einen versteckten Mechanismus, so dass es sich wie ein Medaillon aufklappen ließ. Im Innern verbargen sich in Elfenbein geschnitzt die naturgetreuen Nachbildungen zweier junger Mädchengesichter – das ihre und das ihrer vermissten Stiefschwester.

In jungen Jahren waren die beiden zu Waisen geworden und eines Tages aus dem Findelhaus vor den Prügel der Erzieherinnen geflüchtet. Dabei hatten sie sich aus den Augen verloren. Wie oft hatte Tagara betrübt in Erinnerungen geschwelgt, die besonders nachts zu ihr krochen, wenn der Mond am Firmament sein fahles Licht über sie goss. Lebte ihre Schwester noch? Was war aus ihr geworden? War sie ihrem Joche entronnen? Ein Schatten huschte über die feinen Züge der Meisterin des Maluskultes, als sie gedankenverloren auf das Fenster der gegenüberliegenden Seite starrte, das mit gelbem, grünem und rotem Glas eingefasst war, ohne etwas von dem prächtigen Garten wahrzunehmen, der dahinter gedieh und zu der Tempelanlage gehörte. Erst, als das Feuer im Kamin laut knackte, fuhr sie zusammen und betrat wieder die Gegenwart, ihrem Trübsinn überdrüssig. Sie näherte sich der Feuerstelle und griff nach einem Schürhaken, mit dem sie die Holzstücke zurechtrückte. Funken sprühten und stoben nach oben in den schmiedeeisernen Abzug. Die abstrahlende Wärme auf ihrem Gesicht scheute sie nicht, denn die dunklen Gedanken an die Vergangenheit hatten das Zimmer scheinbar abkühlen lassen.

Im entfernten Westen hatte sich der Stadtstaat der Helena hinter gewaltigen Verteidigungsanlagen verschanzt. Gemeinsam mit Ledanien hatten die Bewohner eine geradezu monströse Invasion der Ostarmee abgeschmettert. Unter größten Verlusten waren die Cassandrier wieder abgezogen. Aber leider hatte es auch auf Seiten der Verteidiger gar schmerzliche Opfer gegeben. Auf dem Marktplatz vor dem großen Palast war eine imposante Granitplatte mit den Namen der Gefallenen aufgestellt worden – zum Gedenken und zur Ehre derjenigen, die zu den Alten Göttern gegangen waren, wie es sich schickte. Darunter war zum Beispiel der Name Arcanum zu finden, einst Jäger und sogar Reisegefährte der Leda, als diese noch im Exil weilte. Für Ledaniens Freiheit kämpfte er bis zu seinem Ende. Mutig hatte er sich einem gewaltigen Kriegssklaven des Ostreiches entgegengestellt. Doch der Gegner, mit einer Rüstung gewappnet, die mit Dornen gespickt war, preschte auf ihn zu und vergrub ihn unter sich. Arcanums Lederpanzer lag darauf zerfetzt im Staub, abgerissen von seiner Toga, die er stolz darüber getragen hatte. Das darauf gestickte Wappen von Ledanien war mit Dreck bespritzt und getunkt mit dem Lebenssaft des Trägers. Arcanums Leib lag leblos mit verrenkten Gliedern da. Für ihn hatte die Verteidigung seines Landes den Tod gebracht.

Oder Cain, einst Liebesdiener der Senatorin Kerbera, dann als freier Fischer an der Westküste und schließlich als Verteidiger des Bündnisses auf dem Wehrgang der äußeren Verteidigungsmauer von einem cassandrischen Bogenschützen ins Herz getroffen. Entsetzt hatte er beide Hände um den gefiederten Schaft gelegt, um ihn aus der Wunde zu ziehen, aber dann war er zusammengebrochen und stumm von der hohen Mauer gestürzt um in seinem eigenen Blut zu baden.

Oder Catulus, der einst aus dem Osten vor den grausamen Edelfräuleins geflohen war und dank des umtriebigen Anonymos, alias Zelos, in den Kerker geworfen wurde. Als freiwilliger Verteidiger, ein so genannter Defender, erhielt er seine Freiheit zurück – wenn ihm auch die Freiheit seiner Männlichkeit wegen des Keuschheitsgürtels weiterhin versagt blieb – und verlor bei dem Angriff der feindlichen Armee durch einen zwei Zentner schweren Gesteinsbrocken sein Leben, den ein Troll bis gegen die Zinnen der Mauern geschleudert hatte. Der Unglückliche erfuhr nicht mehr, dass dem Koloss von Widersacher im nächsten Moment ein monströser Speer mit einem Dutzend Widerhaken und der Dicke eines Rammbocks durch eine riesige Armbrustkonstruktion das Lebensband durchbohrt wurde.

Ehrfürchtig stand eine Traube Bürger des Stadtstaates vor den drei Schritt hohen Granittafeln und suchte nach bekannten Namen. Die Steine waren von Rosenbüschen eingerahmt, die die Pracht, aber auch die Vergänglichkeit des Lebens symbolisieren sollten. Im nahen Prunkbau, den einst Imperatorin Megara bewohnt hatte, regierte Senatorin Prodita derweil willkürlich. Sie fühlte sich als rechtmäßige Nachfolgerin von Königin Helena und ließ diese Kunde auch überall durch Herolde und Anschläge von Urkunden verlautbaren. Helenas Abbilder und Statuen wurden auf ihr Geheiß entfernt, auf dass sie nicht länger in den Augen des Volkes verweilten, und gegen Büsten ihrer eigenen majestätischen Schönheit ausgetauscht, Gemälde verbrannt. Nur Proditas Aura sollte sich ausbreiten wie mächtige Schwingen, denen zu huldigen war. Ihr schauriges Wesen sollte vor dem gefoppten Fußvolk glänzen wie ein polierter, saftiger Apfel – nur, dass diese Frucht innen faul war.

Es herrschte ein strenges Regime, besonders in den feinen Straßen und Plätzen des Stadtstaates. In diesen Bezirken entschieden die Centurias mit ihren Truppen, die allenthalben durch die Bezirke patrouillierten, nach Gutdünken, wer bleiben und wer als Pöbel und Plebs in weniger vornehme Gebiete schroff hinausgejagt wurde – selten mit den Worten „Gehabt Euch wohl“, als mehr durch herzhafte Stiefeltritte und Schläge mit der Lanze. Schließlich galt, wo Gesindel und Gelumpe mit trank, waren die Brunnen vergiftet. Die Elite blieb gerne unter ihresgleichen und versagte sich das niedere Volk. Die kühne Tyrannin erklärte Helena in einem lapidaren Dekret für tot. Die Herrscherin sei im Höhlenlabyrinth verschollen; der langen Suche sei man überdrüssig und nun der Auffassung, dass es keine Überlebenschance für die Verwirrte mehr gab. Nachdem die Regierung von einigen Senatorinnen in Windeseile umgebildet worden war, rief sich Prodita kurzerhand als neue Königin des Stadtstaates aus.

Das Bündnis mit Ledanien blieb aufrecht erhalten. Das inzwischen gewachsene Wirtschaftsgeflecht sollte weiter ausgebaut werden. Nur so, dünkte Prodita, konnte man gegen die Feinde aus dem Osten fürderhin bestehen – welche Konstellation von liebreichen Tyranninnen auch immer dort gerade herrschte. Zur pompösen Krönung waren auch Edelleute von weit her angereist und hatten der autokratisch regierenden Prodita gehuldigt, die in einem kostbaren und prachtvollen Gewand dünkelhaft den Thron bestieg, als wäre sie von den Alten Göttern selbst dazu auserkoren. Die Edelleute und reichen Kaufmänner und -frauen beugten ihr Haupt und gewiss auch ihre Ehre und Würde, denn niemand mochte die ehemalige selbstherrliche Senatorin in Wahrheit. Nur ihre Macht ließ ihre Untertanen um sie herum kriechen wie würdelose Würmer im Dreck. Doch dies war vielen gefälliger, als über ihren Stolz zu stolpern und zerschmettert am Galgenbaum zu hängen, ihr Leben verwirkt und ihrer Dignität beraubt.

Die Inflation von süßlichen Schmeicheleien triefte wie gespuckte schleimige Galle über die neue Herrscherin, die die Besudelung nicht zu bemerken schien und sich an dem Strom entzückender und untertänigster Wünsche, herzlichster Gratulationen und werbender sowie huldigender Komplimente, unter endlosen Verbeugungen vorgebracht, beschwingte und nimmer satt an ihnen wurde. Selbst bei Famas Krönung hatte es nicht so viel Auswuchs an Lobhudelei und falsche Gewogenheit auf einem Haufen gegeben; doch entweder war Prodita für die Wahrheit blind und taub, oder sie überging die anbiedernde Heuchelei der Speichellecker geflissentlich, die ihr Umfeld schwängerte.

Königin Leda war mit einer kleinen Abordnung Gardisten und Beratern zum Geleit erschienen und hatte der hochmütigen Prodita gelinde gesagt halbherzig und mit verkniffenem Gesicht gratuliert. Beide Damen waren sich kalt wie Eis gesinnt, und doch versteckte die Etikette den Frost unter der Maske der Diplomatie. Neun Signalhörner hatten ihre Ankunft auf den Stadtmauern angekündigt. Mit wehenden Bannern, gepanzerten Rössern, deren Schmuckdecken das ledanische Wappen präsentierten, und blitzenden Rüstungen waren die Ledanier nach der Krönungszeremonie so schnell wieder abgereist, wie sie erschienen waren – fast einem Affront gleich. Aber auch Ledas Quell der Geduld war nicht endlos. Ehre, wem Ehre gebührte, war sich Leda gewiss und schnaubte verächtlich über die Senatorin, die sich zu Höherem berufen fühlte. Die Eskorte ritt zurück in die heimatliche Burg, wo sie durch einen „Salut“ von Fanfarenbläsern willkommen geheißen wurde, die zwischen den Zinnen der Türme postiert waren. Die Hufe der Rösser polterten über die hölzerne Zugbrücke, die im Anschluss rasselnd hochgezogen wurde. Audienzen für das Volk waren für heute abgesagt, denn Leda tafelte mit ihren Beratern und Gladius, dem Schultheiß, um neue Kontrakte mit dem Stadtstaat auszuarbeiten. Niemand konnte sicher sein, dass Prodita keinen anderen politischen Weg einschlagen würde. Man wollte für alle Eventualitäten vorbereitet sein.

Leda nahm am schmalen Tischende der langen Tafel Platz. Hinter und über ihr hing ein großes Blason, ein bemaltes Wappenschild, auf dem eine aufrecht stehende Löwin zu sehen war, die in ihrer Pranke ein Schwert hielt. Zwölf Schwerter prangten so an der Wand, dass die Griffe der Waffen zum Wappen zeigten und die Klingen wie Strahlen von ihm weg deuteten. Die seitlichen Wände waren mit diversen Familienwappen geschmückt, mit überkreuz angebrachten Äxten, die auf der einen Seite ein scharfes Blatt, auf der anderen einen spitzen Dorn aufwiesen; ein Wandteppich stellte die Westküste mit einem Fischerdorf dar und schaute auf die Anwesenden hernieder; Hellebarden und Schilde vervollständigten das Bild. Sechs Personen saßen am Tisch und warteten darauf, dass die Königin das Wort ergriff, wie es sich geziemte. Der Königsgemahl Abas war nicht dabei. Ein Dienstbote brachte mehrere Karaffen Wein und dazu Kelche. Leda spielte nervös mit ihrem Ring, an dem ein grüner Turmalin glänzte. Sie sammelte ihre Gedanken, und alsbald konnte die Zusammenkunft beginnen. Alle waren mucksmäuschenstill, als die Regentin sprach. Es ging um nichts weniger, als um die Zukunft des Landes.

Aphron, Student der Heilkunst, mischte kurz zuvor eine Tinktur zusammen, die gegen Magengrimmen half, als er die Pferde der königlichen Abteilung zurückkehren hörte. Nicht mehr allzu lange, so freute er sich, und er würde genug Münzen zusammen gespart haben, um endlich einen Schmied bezahlen zu können, der ihm aus seinem Keuschheitsgürtel half. Was war er froh, dass er die Flucht aus Helenas Harem gewagt hatte! Dort wäre seine Männlichkeit auf ewig verschlossen geblieben. Und je näher sein Aufschluss rückte, desto unbändiger wurden die Verlockungen des Fleisches, der beißende Hunger der Lust, der sich mehr und mehr entzündete. Schnell beschriftete er mit Feder und Tinte den Tiegel mit der komponierten Essenz und begab sich auf die Galerie, von der aus er die herein eilenden hohen Gerüsteten und seine Majestät erblickte, wie sie in ihren karmesinroten Umhängen in den Wappensaal schritten. Gern hätte er Mäuschen gespielt und gelauscht, was die hohen Damen und Herren an Neuigkeiten aus dem Stadtstaat mitgebracht hatten.

Königin Leda hatte der Thronbesteigung durch Prodita mit gemischten Gefühlen beäugt und die Einladung nur angenommen, um die wirtschaftlichen Handelsbeziehungen nicht zu gefährden. Die einstige Senatorin galt als von Macht besessen und narzisstisch. Gladius sprach von einer „Kehrtwende in dunkle Zeiten“. Leda nickte zustimmend, getrübt zeigte sich ihre Stirn. „Es ist eine Schande! Der Stadtstaat war auf dem besten Wege zu freien Rechten für die Bürger. Und nunmehro? Mir deucht, Männer müssen bald Repressalien erdulden.“ Der Schultheiß räusperte sich. „Mir ist beim Festbankett fast schlecht geworden, als mein Auge diese rückgratlosen und kümmerlichen Bücklinge, von jeder Selbstachtung beraubt, erblickt hat.“ Eines konnte niemand der Anwesenden der berüchtigten Prodita nachsagen: hehre Ziele, die den Menschen zu gute kamen.

Und Ledas Besorgnis sollte ihre Berechtigung haben. Kaum waren die ersten Hochzeitsgäste abgereist, wies Prodita einem Teil ihrer Leibgarde ein Geheimkommando zu: Eine Gruppe aus fünf besonders zuverlässigen und verschwiegenen Frauen und Männern sollte auf Geheiß ihrer Gebieterin inkognito nach Ledanien reisen und dort die Ausgänge des Höhlensystems zum Einsturz bringen. Nichts wäre nämlich fataler, als wenn Helena eines Tages lebendig auftauchte! Die raffinierte Intrige würde publik und die mondäne Prodita vom Thron stoßen. Ja, ihr Leben würde sie wohl auch verwirkt haben. Aber vom Tode wollte sie lange noch nicht kosten. Die frisch Gekrönte stieg behände aus einem figurbetonten Musselinkleid mit einer aufwändigen Schleppe und ließ sich beim Ankleiden von zwei Zofen helfen: Über ihre seidene Leibwäsche mit den vielen Rüschen folgte ein Reifrock mit einer prunkvollen Brokatrobe, die mit Perlen und Goldfäden veredelt war. Nur das prächtigste Kleid war einer Königin angemessen. Im Ostreich hätte das Kleidungsstück sicherlich einen Wert von über hundert Sklaveneinheiten, rechnete Prodita.

Sie schnippte mit den beringten Fingern, an denen Brillanten und Saphire funkelten, und sofort eilte ein Lakai herbei, um ihr aus einer filigranen Kristallkaraffe gezuckerten Zitronensaft in einen kleinen Kelch zu gießen. Seiner Nervosität trotzend, stellte er zitternd die Kanne zurück auf das Tischchen. Schweiß funkelte auf seiner Stirn. Wäre ein Tropfen auf die Filzdecke mit der Goldborte gespritzt, hätte er Proditas harte Hand zu spüren bekommen. Es wäre nicht das erste Mal gewesen. Die Autokratin nippte an der Erfrischung und verzog den Mund. Der Lakai atmete auf. Den königlichen Zorn würde der Koch zu spüren bekommen, der den Trunk gemischt hatte. Auf dem Antlitz des Lakais spielte ein spitzbübisches Lächeln. Prodita verschwendete jedoch keinen Gedanken an die verpfuschte Rezeptur des aromatisierten Wassers. Sie war versunken in die Vorstellung, wie ihr Trupp dafür sorgte, dass Helena endgültig Geschichte war.

Und so machte sich das wackere Quintett von dannen, um die vertrauliche Spezialaufgabe zu erfüllen und erreichte bald schon die offene Grenze, die es als „handelnde Reisende“ passierte. Ihre silberfarbenen Harnische mit den Insignien des Stadtstaates hatten die Fünf unter dunklen Stoffumhängen verborgen. Auch die hochwertigen Blankwaffen waren in langen Ledertaschen neben dem Sattel des Pferdes untergebracht. Die Wachleute nahmen keine große Notiz von der kleinen Schar Fremdlinge und harrten offenbar ihrer Ablösung. Schließlich befanden sie sich innerhalb der Bündnisgrenze und erwarteten keine feindlichen Cassandrier. Ein Grenzler mit Helm und Brustharnisch winkte sie gelangweilt durch. Und die Garde der Prodita konnte Ledanien so unauffällig betreten, wie sich ein lauer Wind durch den Helmbusch aus gefärbten Federn schlich, den der Grenzmann auf dem Kopf trug. Die Reiterriege war kaum einen Pfeilschuss weit entfernt, da widmete sich der Ledanier bereits seinem Weinschlauch und wischte sich nach einem tiefen Schluck den besudelten Mund mit dem Handrücken ab, bevor er einen herzhaften Rülpser von sich gab.

Kurz vor dem Ziel ihrer Reise besprachen die Eingeweihten den Geheimauftrag, zu dem sie ausgesandt worden waren. Die beiden Männer nahmen ihre Flintsteine zur Hand, um ein prasselndes Lagerfeuer zu errichten. Die fünfköpfige Einheit bestand aus drei Gardeoffizierinnen und zwei Soldaten der Leibgarde. Die Männer waren früher Kampfsklaven gewesen, doch seit der Großen Reform durch die Regentin Helena und das verbündete Ledanien waren Mannsbildern viele Rechte eingeräumt, die sie großteils zu „Freien“ machte. Um zügellose Streitigkeiten zu vermeiden, war eine der Offizierinnen zur kommandierenden Führerin ernannt worden.

Eine der Soldatinnen, die sich gerade ihre ledernen Unterarmschienen abschnallte, befand: „Helena war völlig verwirrt. Und selbst ein gesunder, kräftiger Krieger wäre gewisslich nicht durch das Höhlenlabyrinth bis zu den Ausgängen gelangt. Längst werden die Gebeine unserer Majestät irgendwo neben denen der alten Göttin Megara liegen.“ Sofort wandte die zweite Offizierin ein: „Megara war keine Göttin! Sie war nur eine alte Vettel, die an Grausamkeit nicht zu überbieten war! Sie hat ihr verdientes Ende in den Höhlen gefunden. Die Alten Götter haben es ihr für ihre Lästerung geschenkt.“ Einer der Männer bestätigte das nickend. „Ja, sie war kein Deut besser als Cassandra oder Fama! Diese weiblichen Tyrannen, die nur die Rechte der Weiber gelten lassen und…“ Innerhalb eines Herzschlages zog die erste Offizierin ihre degenartige Klinge und drückte die Spitze in den Schritt des Mannes. „Jetzt wünscht du dir wohl doch gerade deinen eisernen Keuschheitsgürtel zurück, was?“

Sie drückte etwas stärker zu, und der Soldat verharrte verkrampft. „Nehmt Eure Waffe weg! Habe ich etwas Falsches gesagt?“ Die Gardistin grinste mürrisch und zog den Degen zischend durch die Luft und schob ihn in seine Scheide. „Du solltest nicht zu vorlaut werden, Kerl! Eine zu flinke Zunge kann bittere Früchte treiben.“ Mit vor Wut gerötetem Gesicht grunzte sie abfällig. Früher machte die Peitsche, die aus Zuneigung geschwungen, das Rückgrat des Mannes. Da standen sie stramm. Doch heute? „Hört auf! Tragt euren Händel später aus!“, murrte die kommandierende Anführerin. „Ruht jetzt. Morgen werden wir die Zugänge suchen.“ Sie warf den Rest ihrer Wildbretkeule neben das Feuer und entnahm der Satteltasche eine Wolldecke.

Die streitsüchtige Gardistin begab sich zu einer vom Feuer mehrere Schritt entfernten Stelle, um sich dort niederzulegen. Ihre Kameradin stand ebenfalls auf und wies die beiden männlichen Gerüsteten an: „Sorgt dafür, dass das Feuer erlischt, bevor ihr dem Schlummer heimfallt.“ Die Kumpane sahen ihr nach. Auf dem Rücken trug die Frau über Kreuz ein langes, dünnes, aber umso scharfes Schwert mit Blutrinne und einen Kurzbogen mit geringer Reichweite aber starker Durchschlagskraft. Einer der Männer kratzte sich seine Knollennase und murmelte: „Glaubt wohl, sie sei was Besseres. Nur, weil sie ein Weib ist! Die Zeiten sind vorbei! Die feinen Damen herrschen nicht mehr, weil wir Recken nicht mehr kriechen. An meinem tugendhaften Arsche lecken können sie mich.“ Der andere gab zu bedenken: „Passt auf Eure Nüsse auf, wenn Ihr einen Strauß mit ihr ausfechten wollt!“ Dabei tippte er mit einer Hand auf den Griff seines kurzen Breitschwertes.


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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:15.10.22 11:38 IP: gespeichert Moderator melden


Der Kamerad nickte nur brummend. „Erzähle mir lieber, wie wir die Gänge schließen sollen? Wenn die Weiber sich zurücklehnen und nur uns schaufeln lassen…“ Sein Gefährte winkte ab. „Ach was, vielleicht hat unsere Kommandantin ja einen neuen Einfall. Schade, dass wir keine Trolle haben, wie die Cassandrier. Die würden die Gänge mit Leichtigkeit zum Einsturz bringen.“ Also würden sie sich wohl an die schweißtreibende Arbeit machen müssen. Doch zunächst gönnte man sich einige Stunden des Schlafes.

In der Nacht wachte der eine Soldat auf und merkte, wie sich unter seiner Wolldecke seine Männlichkeit erhoben hatte. Er erinnerte sich vage an einen Traum, in dem er bei der Anführerin gelegen hatte. Wie sie ihm ihre warmen Brüste dargeboten hatte. Wie sie ihre Glieder gespreizt hatte, um ihn zu empfangen. Aber es war zu seinem Ungemach nur Fantasie gewesen. Der Soldat tastete nach seinem Liebesschwert und merkte, wie ihm das Verlangen den Schlaf aus den Augen trieb. Er musste seiner Begierde nachgehen und unterdrückte ein wollüstiges Stöhnen, das in ihm reifte. Der Recke trieb es immer weiter, die Faust fest um sein Fleisch ballend, bis er schließlich seinen fetten Samen über seinem Handrücken vergoss. Endlich fand er erquickenden Schlummer.

Am nächsten Morgen besichtigte die Truppe die Höhleneingänge. Der Soldat dachte bei ihrem Anblick: „Sie sind offen wie ein nacktes Weib mit geöffneten Schenkeln…“ Er hatte noch die willige Offizierin aus seinem Nachtmahr vor seinem geistigen Auge, die ihm nun voll der Ungunst barsch Befehle entgegen bellte. „Vorwärts! Sputet euch! Sucht die Gänge nach losem Gestein ab. Vermutlich gibt es Stellen, die wir einbrechen lassen können.“ Der Soldat betrat mit einer Fackel die Dunkelheit. Ihm war gar nicht wohl bei Erkundung, aber nicht geneigt, als Feigling zu gelten. Megaras Geist sollte hier hausen, so munkelte man am Lagerfeuer. Sie würde jeden Besucher als Sklaven in ihr Geisterreich holen, ihn in die Tiefen der Höhlen zu Dämonen und Nebelgestalten zerren, um sich mit geschwellter Brust der Wonne der Rachsucht hinzugeben. Grausam. Erbarmungslos. Barbarisch. Irgendwo hörte er ein tropfendes Geräusch. Erschrocken schwang er die Fackel hin und her und suchte die Quelle des Schalls. Aber Echos von den Wänden ließen ihn orientierungslos werden.

Plötzlich jagte etwas durch die Luft, eine Handbreit von seinem Gesicht entfernt. Der Soldat schrie zusammenfahrend auf. Was war das? Dann beruhigte er sich. „Fledermäuse“, murmelte er und musste schmunzeln über seine Schreckhaftigkeit. Er drehte sich wieder Richtung Höhlengang, um tiefer ins Dunkle vorzudringen, da gleißten vor ihm zwei rote Augen in der Finsternis auf. Augen, wie die einer Teufelsfratze, die den Schwarzen Tod brachte. Der Recke riss sein Breitschwert aus der Lederscheide und stach nach dem unbekannten Wesen. Doch die Augen waren verschwunden. Verwirrt und verängstigt schwang er die Fackel hin und her, in der anderen Hand noch krampfhaft sein Schwertgriff umklammert. Er leuchtete alle Winkel aus, aber nirgends war eine Spur einer Kreatur zu finden. Sein Herz schlug ihm galoppierend gegen die Rippen. Er merkte, wie sich sein Gemächt zusammenzog und am liebsten im Unterleib verschwunden wäre, um Schutz zu suchen. Sollte er sich weiter vorwagen? Nein, entschied er. Er drehte um und kehrte eilenden Schrittes zurück zum Ausgang. Und mit jedem Schritt hastete er schneller. Im Nacken spürte er eine Eiseskälte, als hätte ihn der Schnitter mit seinen Klauen bereits gepackt.

Die Offizierin war nicht gerade erfreut, dass der Mann kein Geröll, keine Spalten entdeckt hatte, die den Gang zum Einstürzen bringen könnten. Sie warteten auf den anderen Soldaten, der in dem zweiten Eingang entschwunden war. Die Schar geduldete sich noch eine ganze Weile, aber der Gerüstete kehrte nicht zurück. Als die Sonne unter dem freien Himmel bereits gen Westen wanderte, fasste die Kommandantin einen Entschluss. „Wir schütten den anderen Gang mit Erde zu. Jeder nimmt flink seine Schaufel. Los geht´s!“ Die Gerüsteten waren alles andere als begeistert. Die Erde war hart und mit dicken Kieseln versetzt. Trotzdem machten sich alle Vier emsig an die Arbeit. Die beiden Soldatinnen packten kräftig mit an, obwohl eine von ihnen leise raunzte: „Früher hätte das das Sklavenpack verrichtet!“ Es dämmerte bereits, als der erste Höhlenzugang verschüttet war. Noch immer war der fehlende Soldat nicht aufgetaucht. Die Anführerin hatte eine weitere Entscheidung getroffen. „Wir werden gemeinsam in die Höhle gehen und ihn suchen. Vielleicht ist er in ein Loch gefallen oder hat sich in einem Labyrinth verirrt. Wir binden uns mit einem Seil zusammen. Außerdem markieren wir den Weg mit Kreide.“ Alle rüsteten sich mit genügend geteerten Fackeln aus und wagten sich in den zweiten Felseingang.

Bald schon war das Sonnenlicht ausgesperrt, und nur noch das flackernde Feuer der Fackeln zeigte ihnen den Weg. Tatsächlich verzweigte der Gang schon kurz darauf. Die Anführerin markierte die Stelle mit Kreide und erwog den linken Weg zu nehmen. Einige Stalaktiten hingen so weit von der Decke hinab, dass sich die Gefährten ducken mussten, um sich an dem scharfen Fels nicht zu verletzten. An einigen Stellen war der Gang so schmal, dass die Rüstteile ihrer Uniform an den Wänden schrill schabten. „Erro!“, rief die Offizierin den Namen des Vermissten laut. Aber nur das Echo von den Wänden antwortete ihr. Dann zuckte sie abrupt zurück, als sie mehrere kahle Schädel angrinsten, die auf dem Boden lagen. Der eine Soldat flüsterte andächtig: „Hier haben sich schon Wandersleute vor uns verirrt.“ Die Befehlshaberin kniff ein Auge zusammen und überlegte still für sich: „Oder Helena hat es bis hier… Aber kann sie so schnell zu einem Skelett geworden sein? Und wo war dann der Rest der Knochen? Und wem gehörten die anderen Gebeine?“ Laut sprach sie aus: „Wir gehen zurück. Und dann suchen wir einen Weg, um auch diese vermaledeite Höhle zuzuschütten.“ „Und Erro?“, wollte der Soldat wissen. Die Kommandantin sah ihn streng an und erstickte jede Gegenrede. „Befolge meinen Befehl!“ Der Mann seufzte verzagt und gehorchte. Eine rothaarige und sommersprossige Soldatinnen hob die Achseln und murmelte: „Dann ist das Schicksal des törichten Erros eben besiegelt. Was muss er auch alleine in diesen verzweigten Gängen herumlaufen?“

Die kleine Schar machte sich auf den Rückmarsch durch die engen Stollen und suchte nach den Kreidezeichen. Doch ein Nebel waberte über dem Boden und klomm bald so hoch, dass die Markierungen nicht mehr zu erkennen waren. „Links oder rechts?“, frug eine Soldatin ratlos an einer Gabelung. „Das ist wie verhext“, schalt die Führerin. Sie wählte aus dem Bauch heraus den rechten Weg. Bald schon wurde der Schleier so dicht, dass sie sich fast aus den Augen verloren. Gerade noch brach die Fackel des Vordermannes durch die weiße Schicht und bildete einen schwachen Lichtpunkt. „Bleibt näher beisammen!“, befahl die Leiterin der Truppe. Doch kurz darauf mussten sie feststellen, dass sie sich hoffnungslos verlaufen hatten. Tief im Inneren des Höhlenlabyrinths irrten sie orientierungslos umher. Und dann fehlte plötzlich eine der Soldatinnen. Sie riefen nach ihr in alles Richtungen, doch blieb die Vermisste eine Antwort schuldig. Der Nebel war so dick, dass weder die Wände der Gänge, noch der Boden mehr zu sehen waren. Das trübe Licht der Fackeln konnte die zähen Nebelschichten nicht durchdringen.

Prodita kümmerte sich derweil in dem gewaltigen Palast des Stadtstaates um ihre Schönheit und ihr königliches Wohlbefinden und aalte sich in eitlem Müßiggang. Sie badete in Eselsmilch in einer vergoldeten Wanne und ließ sich die Haare mit einem Balsam aus Honig und einem Kräuterextrakt behandeln. Während die eine Zofe ihr die Masse auf den Schopf massierte, feilte eine weitere Bedienstete an den langen Fingernägeln der herrschaftlichen Dame. „Vorsichtig, du ungeschicktes Ding“, monierte sie cholerisch, als die Zofe ihre Fingerknöchel packte. „Willst du mir die Hand brechen? Bald erlahmt meine Geduld mit dir, du Grobklotz!“ Die Bedienstete erstarrte vor Schreck. Prodita galt aus äußerst aufbrausend und verargte Plumpheit und Tollpatschigkeit gleich einer schändlichen Bluttat. So mancher Angestellte war schon wegen ähnlicher Bagatellen mit Schimpf und Schande aus dem Palast gejagt worden – wenn ihnen das Glück hold war. Und die Zofe wollte nicht als Bettlerin in den Gassen enden oder sich an wohlhabende Edelleute verkaufen müssen. Almosenbittsteller und Vagabunden streiften schon leidlich zur Genüge durch die Straßen.

Ganze Heerscharen von hauptsächlich männlichen Bettlern streiften durch die Gassen und über die Plätze. Einige der schmutzigen und zerlumpten Gestalten kauerten am Rand des Weges an einem Mauerwerk oder auf dem Rinnstein, vor ihnen ihre Kappe, in der einige wenige Münzen landeten. Es dämmerte bereits, als eine Gestalt mit dunklem Umhang aus den Schatten eines Torbogens trat. Der Mann näherte sich mit leisen Schritten einem Bettler, der gerade seine kargen Tageseinnahmen zählte. „Oh, Ihr seid es“, erkannte der Rechtlose, der auf dem Boden hockte. Er reichte dem geheimnisvollen Mann die zerfranste Filzkappe mit den wenigen Kupfermünzen. „Mehr nicht? Das nennst du Tagewerk, Stümper?“, frug der Recke hoch aufragend mit unzufriedenem Tonfall. „Es tut mir Leid, Euer Gnaden“, entgegnete der Bettler unterwürfig, fast winselnd, „aber die Damen der Gesellschaft und die edlen Herren haben kein Herz für einen Bedürftigen wie mich in meiner Not.“ Die Gestalt in dem Umhang rümpfte die Nase, leerte die Filzkappe und ließ die Münzen in einer weiten Innentasche seines teuer aussehenden Gehrocks aus schwarzem Samt verschwinden. „Lasst mir eine einzige Münze, damit ich nicht hungern muss, edler Herr“, bettelte der Mann. Statt einer Antwort wischte der Gewandete sich mit der Kopfbedeckung des Bettlers über die schwarzen Stiefel und warf sie danach in den Dreck der Gasse. „Du willst Gefälligkeit? Morgen will ich das Doppelte sehen. Oder du wirst deinen Keuschheitsgürtel nie wieder los!“

Diese Drohung ließ den Bettelbruder am ganzen Leibe zittern wie Espenlaub. „Aber ehrenwerter Herr! Wie soll ich…“ Doch die Gestalt war schon weiter geschritten. Der Hungerleider verfiel in Schwermut und grämische Laune. Wie sollte er die Forderung seines Meisters erfüllen? Er kratzte sich am Kopf. Ihm blieb wohl nur, sich als Beutelschneider zu verdingen. Der unheimliche Mann hatte noch sieben andere Vagabunden aufzusuchen. Hoffentlich brachten die mehr ein, dachte Zelos, der in der Stadt nur als Anonymos bekannt war. Oder er musste die Ansammlung seiner „Untergebenen“ weiter erhöhen. Seine Gefährtin und Komplizin Insidia könnte ihm weitere Opfer in die Falle locken. Zelos besaß noch einige Keuschheitsgürtel in petto, die er in einer Schmiede der Stadt in Auftrag gegeben hatte. Und diese eisernen Hosen warteten nur noch auf ihre neuen Träger oder besser gesprochen Leidtragende. Der Schurke spazierte in seine Bleibe und legte sich auf das mit Seide bezogene Bett. Neben ihm spendete eine Laterne ein angenehmes Licht. Aus der Küche waberte ein Aroma durch die Luft, das ihm einen deftigen Braten versprach. Er rieb sich in Vorfreude den Wanst.

Zelos und Insidia hatten es mit ihrer Bauernfängerei zu einigem Wohlstand gebracht. Und während die beiden von einer jungen Magd bedient wurden, die eine deftige Speise auf dem Holztisch servierte, bewarfen sich zwei Bettler einige Gassen entfernt mit Bällen aus Lehm und Dreck, um sich gegenseitig zu vertreiben. Beide steckten sie in Keuschheitsgürteln des Anonymos und wollten diese wieder loswerden. Doch nur einer von beiden konnte sich den begehrten Platz direkt am Brunnen des Marktes erkämpfen, wo auffallend viele Edelleute vorbeikamen und eventuell ein paar Münzen in die Kappe eines armen Bittstellers warfen. Der rotbackige Verlierer der Lehmschlacht verzog sich in eine dunkle Gasse, in der es nach ausgekippten Nachttöpfen stank. Trotzdem knurrte sein Magen und quälte ihn in dieser Nacht. Doch ein altes Stück Brot sollte er erst am nächsten Tag ergattern, als ein junges Fräulein das angebissene Backwerk achtlos in die Gosse warf. Wann hatte er endlich seinen Aufschluss abbezahlt? Wäre er doch nie auf die trügerischen Verlockungen dieses Weibes voller Falsch hereingefallen! Wenn er gewusst hätte, dass er Opfer eines perfiden Plans gewesen war, so hätte er einen weiten Bogen um diese reizvolle Dame gemacht, die ihm süße Avancen versprochen und ihn so verführerisch mit ihrem glutäugigen Blick in ihren Bann gezogen hatte.

Er war mit dieser fein ersonnenen List dieses Gaunerpärchens hereingelegt worden wie ein törichter Narrenkönig. Was konnte es Schlimmeres geben, als in einem Keuschheitsgürtel aufzuwachen? Lieber wäre er bis aufs Leibhemdchen ausgeraubt worden! Nun ja, überlegte der Bettler, einen krummen Rücken hätte sich der Dieb bei ihm wohl nicht geholt, die Beute wegzuschleppen… Aber den einzigen Besitz, den er noch hatte – seine Männlichkeit – zu stehlen! Das war ein so abscheulicher Schindluder, den die beiden mit ihm getrieben hatten! Niederträchtig! Eine diabolische Schurkerei! Fein war der Trug, doch keineswegs ihr Gewissen. Er grübelte darüber nach, wie er an mehr Münzen kommen könnte, als es bei der Bettelei zu verdienen galt. Sollte er selbst gar zum Straßenräuber oder Beutelschneider werden? Niemals zuvor in seinem Leben hatte er sich solcher Frevel erdreistet. Aber was blieb ihm übrig? Bei seinem „Tageslohn“ würde es noch Jahre dauern, bis er das geforderte Säckchen Silber beisammen hatte. Seine müden Knochen taugten ihm nicht mehr für schwere Arbeit. Verzweifelt kämpfte er gegen sein Gewissen an, das in ihm aufwallte. Sollte er in die Schatten treten und zum Schurken werden? Ihm grämte das Herz bei dem Gedanken.

Als er am nächsten Tag durch die Gassen schlich und einem Kaufmann den Münzbeutel stehlen wollte, ging der Versuch mächtig schief: Der Mann spürte die diebischen Finger des Bettlers und packte nach dem Handgelenk. Ein befreundeter Böttcher half ihm dabei, den Tunichtgut zu überwältigen. Schnell war die Stadtwache herbeigerufen. Und keine Stunde später fand er sich in den tiefen Kerkern des Palastes wieder. Was hatte er nur getan!? Und dann auch noch so stümperhaft! Er umfasste die rostigen, eckigen Gitterstäbe seiner Zelle, deren Vorderseite aus einem Eisengeflecht bestand. Der kleine Raum, in den ihn zwei Wärter geworfen hatten, war vollkommen kahl. Große, raue Steinquader bildeten Boden und Wände. Die Decke war etwas gewölbt und bestand aus alten Ziegeln, an denen bereits Moos und Flechten wuchsen. Ein schwaches, fahles Licht drang diffus durch ein kleines Loch außerhalb seiner Reichweite hinein. Vor der Zelle brannte zusätzlich eine Fackel in einer eisernen Wandhalterung.

Es gab keinen Eimer oder Bottich für seine Notdurft, nicht einmal ein wenig altes Stroh. Die einzige Einrichtung seiner neuen Bleibe war ein Paar Eisenfesseln an einer Kette, die mit einem Ring in der Wand angebracht waren – an die er den Alten Göttern sei Dank nicht angebunden worden war. Was würde ihn nun erwarten? Würde ein Richter ihn verhören? Aufgehängt an den Füßen? Oder gab es gar keine Verhandlung? Sollte er hier schmoren für… wie lange? Einige Wochen, Monde oder gar Jahre? Einfach vergessen... Die Ungewissheit trieb ihn schier in den Wahnsinn. Doch nach einigen Stunden erschienen zwei Personen, von denen einer eine bräunliche Pergamentrolle lispelnd verlas: „Er ist des versuchten Diebstahls an einem Edelmann für schuldig befunden und wird zur Sühne ein Jahr Kerkerhaft verbringen.“ Der Habenichts stöhnte auf. Als wäre das nicht arg genug… So musste er auch noch seinen Keuschheitsgürtel tragen. Und der Mann setzte seine Verkündung nach einer vollmundigen Pause noch fort: „Und zur Strafverschärfung soll er jeden dritten Tag im Eisen krumm geschlossen sein.“

Er rollte das Pergament zusammen, dass zweifellos die Unterschrift einer Senatorin enthielt, und winkte seinem Begleiter zu. Der brachte eine schwere Eisenstange, an dem vier Schellen befestigt waren. Der Bettelbruder wurde vorgebeugt und mit gespreizten Beinen an die Stange geschlossen, dann ließen die Uniformierten ihn zurück. Quietschend und scheppernd fiel die Gittertür ins Schloss. Wut und Verzweiflung lockten Tränen in seine Augen, die auf den Wangen des Lumpenträgers herab rannen und schmutzige Spuren auf der Haut hinterließen wie eine mäandernde Kloake. Jeder dritte Tag im Eisen! Vier Jahreszeiten lang! Wie sollte er das durchstehen? Wie lange konnte er das ertragen? Er betete verzweifelt um Kraft. Doch die Zeit bis zum Morgengrauen sollte scheinbar ewig dauern.

Als er am nächsten Tag endlich aufgeschlossen wurde, ächzte und stöhnte er vor Schmerz. Die erzwungene Haltung war von Stunde zu Stunde qualvoller geworden, während sein Wehgeschrei das Gewölbe gefüllt hatte. Und auch jetzt konnte er seine steifen und zwickenden Glieder kaum bewegen, ohne dass sie ihn peinigten. Diese Marter musste er noch viele Male über sich ergehen lassen? Kaum vorstellbar! Einige Zeit später, es mochten vielleicht zwei oder drei Stunden vergangen sein, hörte er wieder schwere Türriegel kreischen und Schritte sowie das Scheppern der Harnische und Waffen. Die zwei Wärter, die ihn selbst in die Zelle geworfen hatten, brachten nun einen neuen Gefangenen und stießen ihn grob in die Zelle gegenüber. „Wie heißt du?“, frug der Bettler den Fremden, als die Uniformierten verschwunden waren. „Mein Name ist Ikaros. Und ich bin fahrender Kaufmann.“ Der Bettler schluckte. Ein Kaufmann also. Er frug höflich weiter: „Und weshalb seid Ihr hier?“ Der Mann sah den in Lumpen gehüllten Gefangenen an. „Mit wem habe ich denn überhaupt die Ehre?“ Der Habenichts stellte sich vor. „Man nennt mich Viavir. Und man hat mich des versuchten Diebstahls überführt. Doch war ich in einer Notlage…“ Ikaros lachte. „Das sehe ich! Mann, Er ist ein Taugenichts! Ein Tunichtgut! Ein Vagabund, der Tugend meidet.“ Viavir seufzte tief. Dann schilderte er die ganze Geschichte. Ikaros hörte mit wachsendem Interesse zu. „Und Er trägt diesen Keuschheitsgürtel noch immer?“ Viavir nickte. „Natürlich. Wer sollte ihn mir abgenommen haben!?“ Ikaros: „Zeigt Er ihn mir?“ Viavir zögerte. Schamesröte zeichnete sich unter dem Dreck in seinem Gesicht ab. „Also gut“, meinte er und löste die schmutzigen Lumpen, so dass er die eiserne Hose entblößte.

Ikaros meinte empört über die Grausamkeit: „Dieser Anonymos muss eine wahrhaft abscheuliche Gossenratte sein! Und sein Weib eine von den Alten Göttern verdammte Hexe!“ Dann wagte Ikaros es, seine eigene Geschichte zu berichten. „Ein Nebenbuhler, der meine Versprochene begehrt, hat mich denunziert. Er hat die Stadtwache bestochen, dass sie mir einen Betrug an einem Weinhändler andichten.“ Viavir war empört im Herzen. In seiner Aufregung sprach er den Kaufmann wie einen Niederen an: „So ein Hurenbock! Wirst du jemals aus diesen Mauern entkommen, um dem Kontrahenten den Fehdehandschuh ins Antlitz zu schleudern?“ Ikaros grinste. „Oh, ja! Und zwar sehr bald. Ich habe den Wachen einen Beutel mit Münzen bringen lassen. Man hat mir versprochen, dass ich schon morgen Nacht die Freiheit ergattere. Dann werde ich meine Amouren fortsetzen können.“ Viavir seufzte. „Hätte ich doch auch nur etwas, das ich den Wächtern geben könnt.“

Ikaros fiel in Grübelei und sah dann auf. „Wenn Er mir den Rivalen vom Hals schaffte, könnte ich Ihm diesen Anhänger vermachen…“ Er holte aus seinem Leinenhemd einen dünnen Lederriemen hervor, den er um den Hals trug. Daran hing ein kunstvoll gefertigtes Goldstück, das einer strahlenden Sonne nachempfunden war. Aufwändige Muster waren in die Scheibe hinein graviert. Damit konnte sich der Obdachlose freikaufen; doch zu was würde er dann verdingt sein? Sollte er etwa zum Meuchelmörder für seinen Kumpanen werden? Er zögerte. Ikaros lächelte. „Überlege Er es sich. Bis zum Sonnenaufgang bin ich noch da. Aber warte Er nicht zu lange mit der Entscheidung. Wenn die Wärter mich holen, wird Seine Chance vergangen sein. Dann mache ich mich hinfort.“







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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:20.10.22 12:07 IP: gespeichert Moderator melden


Die Hohepriesterin Tagara wachte in der pechschwarzen Nacht des Ostreiches schweißgebadet auf. Es war Neumond, der sich hinter einer dicken Wolke verbarg. Die Malus-Priesterin hatte einen fürchterlichen Nachtmahr erlebt. Sie war im Tempel von einem gehörnten Dämon, einem Satyr gleich, verfolgt worden, der von hinten ihre Robe hochgeworfen und seinen harten Phallus zwischen ihre Pobacken gerammt hatte, taub für ihr Flehen. Stattdessen lachte er animalisch und tanzte klackernd mit seinen Pferdehufen auf dem Boden, während er ihre Venus pflügte. Doch was war das? Sie war doch wach! Auch im Hier waberte um ihr Bett ein geheimnisvoller Nebel. Tagara griff instinktiv an ihr Schutzamulett und murmelte Beschwörungsformeln. Wollte das Totenreich sie umwerben? Hatte sie mit der Machtergreifung gegen den Willen der Alten Götter gehandelt? Hatten sie sich gegen sie verschworen? Hatte sie unbotmäßig oder anmaßend gehandelt?

Sie war auf direktem Wege, Cassandra und Vesta zu beherrschen. Sie war die eigentliche, die tatsächliche Machthaberin des mächtigen Ostreiches. Das war ihre Bestimmung. Cassandra fungierte als ihre Marionettenkönigin; Vesta war zur Statthalterin der Metropole degradiert worden. Wollte ein Geistwesen ihr deshalb etwas antun? Oder gab es einen anderen Grund? Der Nebel stieg und schmiegte sich bedrohlich um Tagaras Bett. Der Protektions-Zauber nutzte nichts gegen das lebendige Grauen, das sie förmlich umgab. „Wer… Wer seid Ihr?“, frug sie mit rauer Stimme, in der ein nicht zu unterdrückendes Zittern vibrierte. Der schimmernde Nebel formte sich langsam zu einer undeutlichen Gestalt, die sich über Tagara beugte und sie umgab, fast wie eine Decke – oder wie ein Kissen, dass sie ersticken wollte...

Unscharfe Schemen bildeten sich zu einer Fratze des Grauen mit herabgesunkenen Mundwinkeln, die ein Maul umgaben, das sich zahnlos und schwarz wie Pech öffnete. Eine Stimme ertönte, die Tagara einen weiteren Schauder über den Rücken laufen ließ. Gleichzeitig blitzten Augen in der Kreatur auf, die nach einem kurzen Glühen zu schwarzen Löchern wurden. Sie schienen auf ihrem Gegenüber zu wurzeln. Das Dämonenwesen sprach: „Endlich habe ich dich gefunden, Tagara! Endlich entkomme ich meinem Gefängnis! Endlich werde ich mich an diesen untreuen Verrätern rächen!“ Tagara zitterte. Auch ihre Stimme vibrierte vor Furcht. „Wer seid Ihr? Warum habt Ihr mich gesucht? Und was wollt Ihr von mir?“ Die Hohepriesterin des Maluskultes rieb verzweifelt über ihr Schutzamulett. Ein boshaftes Lachen erscholl und echote von den Wänden wider.

Wieder und wieder drang die Antwort an Tagaras Ohr: „Ich bin die verratene Göttin von Megaria! Mein Name lautet Megara. Doch mich kennst du als Crudelita.“ Sie ließ den Satz wirken und ergänzte: „Schwesterherz!“ Tagaras Herz blieb fast stehen vor Schreck. Sie spürte, wie sich eine eiskalte Faust um ihr Herz zu spannen schien. Crudelita, die verlorene Stiefschwester, die sie all die Jahre im Medallion an ihrem Busen trug. „Schwester…“, begann sie, „du bist Megara gewesen? Die Königin?“ Was für grässliches Erwachen!

Der Geist schob sich noch näher, und Tagara spürte den Atem über ihr Gesicht streichen. „So wahr. Ja, liebste Tagara. Ich wurde von einem Bauern aufgenommen, als wir uns verloren hatten. Zuvor war ich viele Monde lang durch die Weiten des Alten Kontinents geirrt, habe gehungert und gedürstet, wurde überfallen und geschändet. Ich glaubte, ich stürbe. So war ich froh, als mich der Bauer als Magd aufnahm. Doch schon bald musste ich feststellen, dass der Kerl auch andere Dienste von mir forderte und er immer öfter meine Schürze hob, um sich an mir gut zu tun. Schließlich lief ich weg und schwor mir, niemals wieder werde mich ein Mannsbild berühren, wenn ich dies nicht wünsche. Ich kam in die damalige Hauptstadt und lernte, wie ich Kerle dazu brachte, alles für mich zu tun. Ich setzte alles daran, um begehrenswert zu sein und außerordentliche Schönheit zu erlangen. Dann suchte ich die Nähe zum Königshofe. Damals war die Königin von Talos III. gestorben, und er suchte eine neue Gemahlin. Ich umgarnte ihn. So gelang es mir in der Folge, den Platz neben ihm einzunehmen. Wir feierten eine prunkvolle Hochzeit. Doch in den Folgejahren blieb ein Thronfolger aus. Sein Samen war schwach. Glücklicherweise hatte ich Gefallen an einem feschen Bediensteten gefunden, der mir seine Saat in den Bauch pflanzte. Talos III. glaubte bis zu seinem Tode, dass der dicke, hässliche Nachkomme - Talos IV. – sein eigenes Blut war. Dieser törichte Dummkopf! Aber ich wusste es besser.“

Tagara hörte gebannt zu, wie ihre Stiefschwester von ihrem Leben berichtete. Crudelita, die ihren Namen bereits als junge Maid abgelegt hatte, erzählte weiter. „Wenn du es genau wissen willst, Schwesterherz, Talos III. hat seinen Frieden in der Umarmung des Todes nicht ganz natürlich gemacht“, und Megara ließ ein verträumtes Schmunzeln erkennen. Nach und nach formte der Nebel sich zu einer Menschengestalt, die aus Fleisch und Blut bestand und welke, menschliche Züge aufwies. In Tagaras Augen, die weit aufgerissen waren, zeigte sich mehr und mehr ein Erkennen. Diese Frau vor ihr… Sie war tatsächlich Crudelita. Und gleichzeitig war sie die berühmte Megara. Aber wie war das möglich? Megara war vor Jahren gestorben! Doch der Geist, der sich inzwischen mehr zu einer menschlichen Gestalt geformt hatte, schwebte jetzt über Tagara, die vor Angst weit zurückgelehnt hing und in das Gesicht der verlorenen Schwester starrte. „Durch eine dumme Schar Soldaten des Stadtstaates bin ich aus den Höhlen, wo mich die Verdammnis gefangen hielt, entkommen. Und nun habe ich auch dich gefunden. Jetzt fehlt nur noch der letzte Schritt. Ich werde mich deines Körpers ermächtigen…“ Mit diesen Worten näherte sie sich weiter. Die Gesichter der Frauen waren nur noch eine Handbreit voneinander entfernt. Tagara war unfähig sich zu rühren. Megara näherte sich weiter und weiter und…

…verschmolz mit ihrer Stiefschwester, die gequält aufschrie, als sie fühlte, wie ihre Seele aus ihrem Leib gerissen wurde, wie sie als hüllenloser Geist im Raum schwebte, getrennt von ihrem Körper. Ihr Kreischen wurde immer leiser, bis es nicht mehr zu vernehmen war. Megara und die Hohepriesterin waren nun vereint. Tagaras Seele dagegen schwebte hilflos wabernd durch die Luft. Ihre Gestalt löste sich auf und verschwand gänzlich. Megara nahm eine Phiole vom Nachttisch und hielt sie dem dämonischen Nebel entgegen. Wie unter einem unbändigen Zwang strömte der Nebel in das kleine Gefäß. Megara grinste maliziös und stopfte einen Korken auf die Phiole und legte sie unachtsam zur Seite. Die Auferstandene kleidete sich mit anmutigen Bewegungen an, wie es sich einer Hohepriesterin des Maluskultes geziemte. Die Zeit ihrer ersehnten Rache war gekommen! Unter ihrer regiden Führung würde das Ostreich die westliche Allianz niederbrennen, zerschmettern, zermalmen, vernichten, unterwerfen, bis ihr Hass gesättigt war! Niemand außer ihr selbst hatte das Recht den Alten Kontinent zu regieren. Dann würden die Klingen und Herzen ihres Volkes nur ihr gehören. Alle anderen sollten auf dem Schlachtfeld bleiben.

Nur wenige Räume entfernt waren zu diesen Stunde noch zwei Maluspriesterinnen wach und standen vor einem Eisenstuhl, dessen Beine am Boden angeschraubt waren. Sie hatten ihre schweren Roben abgelegt und trugen ein schwarzes, enges Wams aus Seide, das den Hals hoch verschloss, jedoch eine unzüchtige Stelle unbedeckt ließ, die fast mehr verriet, als ein weites Dekolleté eines Ballkleides. Die Gewandung der Priesterinnen zeigte unter der weiten Robe einen eher schlichten und militärischen Stil aus hohen Stiefeln und enger Reithose. Nur wenige Mannsbilder sahen jemals eine der Tempelfrauen in solchem Aufzug. Heute Nacht saß ein Jüngling, gerade zum Manne gereift und mit weichem Bartflaum, splitternackt auf dem Eisenstuhl. Dicke Ledergurte hielten seine Hand- und Fußgelenke. Ein weiterer Lederriemen umspannte seinen flachen Bauch. Seine großen Augen scheuchten angstvoll durch den Raum hin und her. Er wusste nicht, warum er hier an diesen Ort verschleppt worden war. Er war erst jüngst einer jungen Edlen als Prügelsklave versprochen worden. Doch kurz, nachdem er seine Herrin kennen gelernt hatte, war er von kräftigen Soldatensklaven in klappernden Uniformen auf die Tempelanlage gebracht worden und seit mindestens drei Tagen – so genau wusste er es nicht, weil sein Verlies kein Fenster hatte – gefangen gehalten worden. Niemand hatte bisher mit ihm gesprochen.

Und nun hatten sie ihn auf diesen Stuhl in diesen furchterregenden Gewölberaum gebracht. Weit über ihm hing eine große Blendlaterne, die ihn in ein fast schon grelles Licht tauchte. An den Wänden aus Granitblöcken hingen Ketten, Haken, Eisenbänder, Schlingen, Zangen und Spieße. Ein Gerüst aus Eisengeflecht war im Dunkel der gegenüberliegenden Wand nur schemenhaft zu erkennen. Und eine Streckbank verschwand ebenfalls in den Schatten, doch blieb ihre abscheuliche Silhouette zu erahnen. Einen fröhlichen Reigen wollte man hier gewiss nicht tanzen. Eine angenehme Wärme kam von rechts, doch als der Jüngling einen raschen Blick in diese Richtung warf, sah er das Kohlebecken mit den orangefarbenen Stücken darin. Vor seinem geistigen Auge näherten sich glühende Zangen, die ihn foltern und martern würden. Hechelnd und nach Luft schnappend spannte er seine Arme und Beine an, aber die Ledergurte würden ihn selbst in Todesangst fest auf dem Eisenstuhl halten. Sein Leib war glänzend vom Angstschweiß. Am liebsten hätte er um Erbarmen geschrien und nach dem Grund gefragt, warum er hier sei, doch die aufgeschraubte Mundbirne aus Eichenholz ließ außer einigen unverständlichen Lauten nur Speichel an ihm hinab rinnen und besudelte sein Kinn, seine Brust und tröpfelte bis auf seine Männlichkeit, die klein zwischen seinen Schenkeln lag.

Eine der jungen Priesterinnen hielt eine dünne Stange in der Hand und schwenkte sie vor. War es etwa ein Schürhaken?, frug sich der Nackte voller Furcht. Die Gewandete tippte den Liebesstab des Jünglings damit an, der durch die Berührung wuchs und sich neugierig den Frauen entgegenstreckte. Entsetzt stellte der Sklave fest, dass nicht nur sein Leib nackt, sondern nun auch sein fleischliches Verlangen entblößt war. Der Jüngling war verwirrt. Wie konnte das geschehen? Sein Körper zitterte vor Grausen, und sein Gemächt pochte zugleich vor Lust! Welch Ironie des Schicksals! Er hörte, wie die beiden Gewandeten lachten. Ein lautes, ordinäres, anzügliches Lachen, wie er es niemals von einer Priesterin erwartet hätte. Im nächsten Moment kam das zweite Weib näher und stülpte ihm etwas über den Kopf. Der Jüngling sah nichts mehr. Kein noch so schwacher Schein fand durch den dicht gewebten Stoff. Sein Herz schlug ihm gegen die Rippen. Und im folgenden Augenblick spürte er, wie sich ein Seil oder ein Band an seinem Hals zuzog. Sollte er erdrosselt werden wie ein Pferdedieb? Doch die Kordel war nur dazu da, die Kapuze sicher an Ort und Stelle zu halten. Auf der hellen Haut des Jünglings bildete sich ein neuer Schweißfilm. Dann schrie er abrupt auf: Etwas biss in seine linke Brustwarze und brannte wie Feuer. Dann folgte der gleiche Schmerz in seiner rechten Seite. Die Priesterinnen „reinigten“ den Leibeigenen im Auftrage der jungen Herrin, die ihn geschenkt bekommen hatte. Doch hier waren nicht die „Sieben Prüfungen“ geeignet, die Mannsbilder von „Boshaftigkeit“ befreiten, sondern eine Reinigung der Männlichkeit. Die Herrin wollte sicher gehen, dass ihr Prügelsklave völlig rein war. Sollte der Jüngling bereits in seinem Leben bei einem Weibe gelegen haben, so würde diese Zeremonie seine „Jungfräulichkeit“ wieder bewirken.

Dazu las die eine Priesterin aus einem dicken Folianten alte Magiesprüche vor, während die andere eine Schüssel voll Wachs über dem Kohlebecken erwärmte. Als das Wachs flüssig war, nahm die Robenträgerin die Schüssel und schob sie zwischen die gebundenen Schenkel des Sklaven. Der Stuhl war so konstruiert, dass die Tempelfrau das Gefäß befestigen und auf Schienen vorwärts schieben konnte, bis die gesamte Männlichkeit des jungen Recken im Wachs tauchte. Spitze Schreie erschallten in dem Gewölberaum. Zugleich schämte sich der junge Mann für sein weibisches Gekeife. Anschließend musste das Wachs härten. Die Priesterinnen verließen den Keller und betraten den nächsten Raum. An der gegenüberliegenden Seite hingen vier nackte Prügelsklaven über einem langen Holzbalken. Ihre gespreizten Beine waren mit Eisenbändern am Boden befestigt, die Hände ebenfalls auf der anderen Seite des Balkens, über den sie lehnten. Zusätzlich führte eine dünne Kette unter ihnen gespannt zu ihrem Gemächt, das in einem Eisenband fixiert war. An einer kleinen Kurbel konnten die Damen mit den Roben den Zug bestimmen. Eine Robenträgerin verlas kurz die Verfehlungen ihrer Besitzerinnen und entschied, auf den linken Sklaven zeigend: „25 Schläge mit der Reitgerte. Danach erhält er ein neues Brandzeichen auf das Gesäß.“ Irgendwie mochten die Priesterinnen die nächtlichen Dienste. Nur noch drei weitere Gewölbe mit Sklaven erwarteten sie. Später durften sie sich im Harem des Tempels verwöhnen lassen. Die viele Prügel ließen ihre Muskeln verspannen. Aber es waren Verrichtungen, die sie trotz der Mühe gern taten. Es hatte schon einen gewissen Liebreiz. Die Sklaven durften sich glücklich schätzen, unter ihrer Anmut, Grazie und Freigebigkeit zu besseren Leibeigenen zu werden.

Am nächsten Morgen begrüßten Priesterinnen scheinbar die ehrwürdige Tagara. Megara nickte als Erwiderung kaum merklich mit dem Kopf, wie Tagara es getan hätte. Nur eine der älteren Malusfrauen glaubte, im Antlitz von Tagara fremde Augen aufblitzen zu sehen. Nein, aufblitzen war die falsche Beschreibung: Sie wirkten geradezu maustot. Oder zumindest kalt und gefühllos wie die eines Karpfens. Die vermeintliche Tagara schritt in den großen Altarraum des Tempels. An einer vertäfelten Holzwand, an der ein mannsgroßer Kupferstich und zwei prunkvolle Gobelins hingen, zog sie an einem verborgenen Mechanismus. Gut, dass sie in Tagaras Kopf schauen konnte, um ihr Wissen in sich aufzunehmen. Der Preis, den die Schwester dafür zahlen musste, war nicht nur die Gefangenschaft im Geistzustand in der Phiole, sondern auch grauenhafte Angst, die sich durch Megaras ungebetenen Eintritt in ihr Haupt ausgebreitet hatte, die die arme Tagara fortan als Erbe der Megara bis in alle Ewigkeit erdulden und erleiden musste. Ewige Agonie.

Megara öffnete den geheimen Durchgang in der Wand und schritt durch einen kurzen Gang auf eine Wendeltreppe aus Granit zu, die in die Untergeschosse der Tempelanlage führte. Ein großer Harem erwartete sie. Die Priesterinnen des Maluskultes waren alles andere als abstinent. Die bei ihnen besonders ausgebildete Libido befriedigten sie an Sklaven, die die „Sieben Prüfungen der Austreibung“ nicht bestanden hatten. Die Männer verblieben für den Gebrauch der in Roben gewandeten Malusfrauen in den Kellerverliesen und Harems, wurden dort weiter zu außergewöhnlichen Liebesdienern ausgebildet. Laster, Zügellosigkeit und Sünde waren nun ihr verdorben täglich Brot. Megara betrat den großen Raum, der reichlich geschmückt und mit Diwanen ausgestattet war, beachtete aber die vielen nur leicht bekleideten und wunderschönen Leibeigenen nicht, sondern sie schritt auf eine weitere Tür zu, vor der zwei Sklavenwächter standen. Die Männer waren mit Lanzen und Kurzschwertern bewaffnet und öffneten die zweiflügelige Pforte, als sie ihre Herrin herbei schreiten sahen. Megara sah sich in der Örtlichkeit beindruckt um. Trotz Tagaras Erinnerungen, die sie gestohlen hatte, überstrahlte die Wirklichkeit diese noch deutlich: Vergoldete Flächen, edelste Polster und Kissen, Möbel aus kostbaren Hölzern und Silber, kunstfertige Teppiche aus den besten Fasern, Lampen aus Kristall, Mosaike aus Halbedelsteinen funkelten an den Wänden und am Boden, feinste Marmorsäulen mit kunstvollen Metzarbeiten, ein einem Festbankett gleichenden Büfett, Pelze und aufwändig gefertigte Decken, ein Harfenspieler, der sich sofort hinhockte und eine leise Melodie erklingen ließ, zwei weitere Sklaven, die mit großen Palmblättern bereit standen, um frische Luft zu fächern, und schließlich fünf Liebesdiener, wie selbst Megara sie in ihrem perfekten Körperbau noch nie gesehen hatte, und die um die Herrin scharwenzelten um für Pläsier zu sorgen.

Wie aus dem Traum einer Bildhauerin geschaffen erstrahlten sie. Megara stellte zu ihrer Zufriedenheit fest, dass auch die Männlichkeit der Sklaven keine Wünsche übrig ließ. Sie staunte, dass hier keine Keuschheitsgürtel verwendet wurden, doch die Loyalität, Unterwürfigkeit und Ehrerbietung, die ihr diese gelungenen Exemplare entgegenbrachten, ließen sie erahnen, dass diese es niemals wagen würden, ohne ihre gnädige Erlaubnis Hand an sich zu legen. Der Kriegszug konnte warten. Heute verlangte es Megara nur noch nach diesen wunderbaren Geschöpfen, die sie gewiss in ein Paradies der Freuden entführen würden. So lange Zeit war vergangen, seit sie diese intensive Befriedigung erlebt hatte. Und nach den schändenden Sklaven in den Höhlen hatte ihr lange nicht der Sinn nach lieblicher Erfüllung gestanden. Doch das Tal des Jammers war durchwandert. Die Leibeslust war zurückgekehrt. Sie würde sich zunächst an diesen wertvollen Liebesdienern laben, wie Kolibris am süßen Nektar, und danach ihre Rache kalt servieren, schwärmte sie voller Vorfreude über das sinkende Glück ihrer Rivalinnen. Der Tag der Abrechnung würde kommen, war sie gewiss, und betete dafür täglich zu den Alten Göttern.

In Ledanien residierte Königin Leda. Sie und ihre Berater und Beraterinnen waren zu dem Schluss gekommen, dass eine Abspaltung vom Stadtstaat der Prodita nicht in Frage kam, solange ein gewaltiges Ostreich seine aggressive Expansionspolitik nicht ad acta gelegt hatte. Man musste mit dieser dubiosen Prodita Vorlieb nehmen. Falls allerdings Übergriffe und Entrechtungen von Männern im Stadtstaat bekannt würden, so musste Leda regulierend eingreifen. Sie betete zu den Alten Göttern, dass es nicht dazu kommen möge. Die Regentin schritt in ihrer uniformierten Gewandung mit dem purpurroten Umhang durch die Wappenhalle. Es war Zeit für das Mittagsmahl mit ihrem Gatten Abas, aber sie wollte alleine sein. Sie lief durch die Gänge ihrer Burg und betrat den Pferdestall. „Richtet mein Ross! Ich reite aus“, befahl sie dem Stallknecht, der vor Schreck die Mistgabel fallen ließ, weil er die Majestät so spät bemerkt hatte. Noch nie zuvor hatte sie persönlich mit ihm gesprochen. Ehrfürchtig beeilte er sich, dem Befehl folge zu leisten. Er legte Zaumzeug und Sattel auf. Noch bevor er sich Gedanken darüber machen konnte, was einer Königin noch geziemte an Schmuck oder Ausrüstung, erschien Leda erneut und nahm von ihm das Pferd ganz unzeremoniell entgegen. Der junge Mann starrte verblüfft der Reiterin hinterher. Wenige Augenblicke später galoppierte Leda mit flatterndem Umhang durch den Innenhof. Die Wachen zogen das schwere Fallgitter rasselnd und klirrend nach oben, gerade noch rechtzeitig, dass die Königin das Reittier nicht zügeln musste. Die Hufe schlugen klackernd und polternd über die hölzerne Zugbrücke und schleuderten am anderen Ufer Dreck und Grasnaben in die Luft.

Die Oberste Gardistin Nike eilte eine Leiter von einem Beobachtungsposten an der Innenmauer hinab und eilte über den Hof zu den Wächtern am Fallgitter. „Die Königin ist alleine ausgeritten?“ Welch wirrer Gedanke hatte sie nur heimgesucht? Die Wärter standen unter den vorwurfsvollen Blicken der Uniformierten stramm und schluckten. Sie bestätigten Nikes Befürchtung. Die Oberste lief, gefüllt mit Sorge, zum Stall, um eilig ihren Rappen zu satteln und Leda zu folgen. Ledanien war zwar befriedet, doch konnte man nicht vorsichtig genug sein. Wer wusste schon, ob in den Wäldern außer Wildschweinen und Kaninchen nicht doch noch der eine oder andere Räuber und Spießgeselle auf ein Opfer wartete? Oder gar ein Troll? Außerdem ritt eine Hoheit generell nicht ohne Gefolge aus. Nike musste schon bald den Spuren der Hufe folgen, denn die Majestät war so schnell davon geprescht, dass die Gardistin sie aus den Augen verlor. Die Oberste tadelte vor sich hin. „Es schickt sich für eine Königin nicht, alleine auszureiten.“ Angestrengt las sie die Abdrucke, die sich auf dem teilweise harten, felsigen Boden nur schwach abzeichneten, aber die Uniformierte war eine gute Spurenleserin, und so konnte sie ihrer Königin folgen. Sie hoffte, dass sie ihre Hoheit nicht zu spät erreichte.












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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:23.10.22 12:04 IP: gespeichert Moderator melden




Doch Nikes Sorgen waren unbegründet. Die letzten marodierenden Schurken waren vor langer Zeit im Kerker unter der Burg festgesetzt worden. Zu jener Zeit hatten sie sich selbst ausgeliefert, als sie auf der Flucht vor einem Troll um Aufnahme baten. Nichts schien ein argeres Schicksal, als von solch einer Bestie zerrissen und gefressen zu werden. Inzwischen waren die Schrecken über den gefährlichen Riesen verblasst, und das Quartett reute die Entscheidung und daher noch im Kerker zu schmoren. Allerdings hatten die Insassen davon munkeln hören, dass die Haft in den Verliesen des Stadtstaates noch viel abträglicher sei – ganz zu schweigen natürlich vom Ostreich, wo ein Mannsbild nur als besitz- und rechtlose Kreatur galt, und sich glücklich schätzen musste, wenn es nicht zu arg geprügelt wurde. Ja, sie hätten dem Schicksal sogar dankbar sein können, wenn da nicht dieser sadistische Wachmann Winand gewesen wäre!

Eines Tages hatte ihn der damals Oberste, Zelos, bei einem Liebesspiel mit der Magd erwischt, und ihn vor den Augen der Gefangenen in den Standpranger gesperrt. Als Zelos dann des versuchten Königsgemahlmordes überführt worden war, erhielt er von Winand eine demütigende Abreibung. Doch die brennende Schmach, die Winand zuvor erlitten hatte, konnte er nicht vergessen und bildete sich stets ein, dass die Gefangenen über ihn Hohn, Häme und Spott ausschütteten, wie eine Magd den Nachttopf der Herrschaft in den Rinnstein. Dafür bestrafte Winand die unter seiner Aufsicht Einkerkerten Tag für Tag. Am liebsten hätte er sie geblendet, denn die Blicke schmerzten ihn am meisten, und er schämte sich noch immer in Grund und Boden. Doch solch drakonische Maßregelung erlaubte Nike, die neue Oberste, nicht. Stattdessen schikanierte Winand die vier Gefangenen „Freien“, wo er nur konnte, so dass ihn sein Wachkamerad Bertram hin und wieder zügeln musste, damit er nicht über die Strenge schlug und seine Boshaftigkeit nicht zu sehr aufblühte.

Jetzo trieb es Winand jedoch zu bunt: Er warf den Gefangenen einige alte, schimmlige und ungenießbare Brotkrumen zu. Danach zeigte er ihnen einen halben Brotlaib, frisch duftend. Sie sollten um die Mahlzeit kämpfen. „Wenn ihr euch weigert, wiederholen wir das Spiel morgen eben. Und Übermorgen. Und Überübermorgen. Bis euer Magen euch überzeugt. Hahaha!“ Das raue Lachen dröhnte durch den Gewölbekeller. Einer der „Freien“ versetzte seinem Kameraden unvermittelt einen Faustschlag. Wenige Herzschläge vergingen, da hatte sich eine wilde Rauferei in der Kerkerzelle entwickelt. Winand stand auf der anderen Seite des Eisengitters und gaffte amüsiert auf das prügelnde Knäuel aus schmutzigen Leibern am Boden. Das perfide Spektakel war ganz nach seinem Geschmack. „Nur der Sieger erhält das Brot!“, betonte er grinsend und biss ein Stück ab, kaute mit seinen krummen Zähnen das Backwerk schmatzend, schluckte und nahm einen tiefen Schluck von seinem Weinschlauch, während er sich an den Kämpfen ergötzte.

Derweil war Nike unterwegs und prüfte den weichen Boden eines Eichenhains nach Spuren der Majestät. Der Weg führte sie zu der Kate des Jägers Arcanum, der bei der großen Invasion des Ostreiches an der Wehrmauer mutig und tapfer gefallen war. Eine Magd hackte vor einer Stallung mit einem Beil Holzscheite, um für die Witwe den Kamin in der guten Stube befeuern zu können. Es sollte Teewasser aufgesetzt werden, denn hoher Besuch war unangekündigt erschienen. Leda wollte mit ihrer Anwesenheit ihre Anteilnahme und ihren Respekt gegenüber Arcanum zeigen. Der alte Gefährte hatte sie in einer wichtigen Zeit ihres Lebens begleitet. Die Magd, wischte sich die Hände an ihrer fleckigen Schürze ab und führte Nike zum Haupthaus, einem Backsteingebäude, an dem wilder Wein wuchs, dessen Rankenblätter sich teilweise blutrot verfärbt hatten. Die Mauern waren an der Nordseite mit Moos bewachsen und vom Wetter gegerbt. Die Fassade der Südseite hingegen war weiß getüncht und sauber. Dicke Holzbohlen wechselten mit ovalen großen Steinen ab, die in das Mauerwerk eingebaut waren. Ein Wasserspeier am First des mit Schindeln bedeckten Daches stellte einen hockenden Drachen dar und war aus Sandstein gefertigt. Nike fand die Majestät an einem grob behauenen Tisch in reger Unterhaltung mit der Hausherrin. Die Witwe bat die Oberste hinzu und schenkte ihr einen Zinnbecher mit Rotwein ein. Im Hintergrund befeuerte eine Magd den Kamin, vor dem ein Wolfspelz lag. Nike erfuhr, dass Leda die Witwe zu einer königlichen Fuchsjagd eingeladen hatte. Die Soldatin war froh, dass ihrer Herrschaft auf ihrem Ausritt nichts geschehen war.

Abas beobachtete eine Stunde später von den Zinnen der Burg, wie seine Gemahlin gemeinsam mit der Obersten Nike heimkehrte. Bald schon klapperten die Hufe der Pferde auf der Zugbrücke. Abas stieg die lange Wendeltreppe hinab zum Innenhof der Festungsanlage. Nur langsam konnte er die steilen Steinstufen bewältigen. Seine Hüfte und Knie schmerzten. Er hinkte leicht und ging vorgebeugt. Aber das war kein Wunder nach der harten und entbehrungsreichen Kerkerzeit bei Megara und dann dem bösen Sturz von der Mauer durch Zelos. Endlich erreichte er unten den Hof, doch die Rösser waren bereits von zwei Stallburschen weggeführt und abgezäumt worden. Die scharlachroten Schabracken lagen über einem groben Holzgeländer neben den Sätteln. Nike überreichte gerade ihren verschwitzten Hengst dem Stallknecht und eilte davon. Leda war schon in den königlichen Gemächern entschwunden, und eine Gruppe Wachhabender salutierte vor der Obersten, die darauf mit ausgreifenden Schritten in die Rüstkammer trat.

Der Königliche Gemahl humpelte angestrengt über den Hof und folgte Leda so eilig er konnte. Zwei Wachen mit bronzenen Brustharnischen und Federbusch auf ihren Helmen nahmen Habachtstellung ein, als er zwischen sie hindurch trat. Auf dem Gang kam ihm der Alchemist und Medikus entgegen: Aphron war als Flüchtling aus dem Stadtstaat nach Ledanien gekommen und auf der Zitadelle der Regentin die Heilkunst gelehrt worden. Abas sprach ihn mit müder Stimme an, die zu den tiefschwarzen Schatten unter seinen Augen passte. „Aphron, bringt mir gleich noch eine Phiole mit eurem Laudanum. Meine Knochen geben mir keine Ruhe.“ Aphron verneigte sich höflich und eilte in seine Kammer, wo er die vielen Tiegel und Ton- und Glasgefäße aufbewahrte, in denen zahlreiche Heilmittel, die meisten waren Tinkturen, gelagert waren. Darunter befand sich auch die Zubereitung aus Schlafmohn und Alkohol, die die sehr wirksam Schmerzen lindern konnte.

Abas machte sich geschwind auf den Weg in das Privatgemach der Königin. Zwei Gardisten standen in ihren schwarz brünierten Rüstungen stramm, als Abas vor der dicken mit Leder gepolsterten Eichentür erschien. Der Königsgemahl zog seinen edlen Dolch, griff die Schneide und klopfte mit dem dicken Knauf, der mit Rosenquarzsteinen verziert war, drei Male gegen die Tür. Dann trat er ungebeten ein. Leda sah überrascht auf. Sie saß an ihrem großen Tisch aus Eiche, einige Pergamentrollen vor ihr ausgebreitet, und brütete über den Verträgen mit dem Stadtstaat. Sie war nicht allein. Schultheiß Gladius war bei ihr und setzte sich vehement für eine Beendigung des Bündnisses ein. Leda seufzte. „Kommt doch zu uns, mein liebster Gemahl“, lud sie Abas an ihre Seite ein. „Was glaubt Ihr? Sollten wir Prodita die kalte Schulter zeigen? Auf die Gefahr, dass Cassandria uns überrollt?“ Gladius schüttelte den Kopf: „Zunächst wird der Stadtstaat überrollt. Und Ledaniens Grenzen sind unüberwindbar, hochwürdige Königin. Wir werden standhalten.“

Abas frug: „Warum sollten wir die Allianz mit Prodita beenden?“ Leda betrachtete das aschfahle Gesicht ihres Gemahls, tastete nachdenklich nach ihrem goldfarbenen Haarnetz und erklärte ihm: „Weil sie sich nicht an die Abmachungen hält. Was unter Helena so zart wie ein Jasminblütchen begann, wurde teilweise rückgängig gemacht, zerstört, niedergewalzt von dieser eigennützigen Imperatorin. Die Freiheiten für Mannsbilder werden mehr und mehr eingeschränkt. Es grassiert immer noch Sklaverei. Prodita predigt Wasser, säuft aber Wein. Offiziell forciert sie eine liberale Politik, aber hinter vorgehaltener Hand gibt es weiterhin Männerlusthäuser, Leibeigenschaft und Unterdrückung. Außerdem gefällt mir nicht, wie die Senatorin sich zur Herrscherin geputscht hat. Ich vermute, dass es ein Komplott gegen Helena gegeben hat. Sie wurde hinterrücks gemeuchelt! Blut klebt an Proditas Händen! Sie ist kein Deut besser als die schwärende Eiterbeule Cassandra oder dieser Abschaum von Maluskult, der sich jüngst zum Machtzentrum erhoben hat.“

Abas meinte mit müder Stimme: „Und unser Heiler Aphron, würdiger Nachfolger von Caduceus, hat auch kein gutes Haar am Palast im Stadtstaat gelassen. Helena soll einen geheimen Harem unterhalten haben.“ Leda seufzte. „Das kommt noch dazu. Gladius: Schickt Werber an die Westküste, in die Fischerdörfer, aber auch in die Siedlungen der Hügel und Wälder. Meine Streitkraft muss verstärkt werden. Ledanien muss autonom sein. Wir werden uns vom Stadtstaat abspalten.“ Gladius gab zu bedenken: „Damit treibt Ihr Prodita geradezu in die Arme des Ostreiches. Dem Stadtstaat wird dann nichts anderes mehr übrig bleiben, als unter ausgehandelten Bedingungen zu kapitulieren. Wir werden den Feind direkt vor den Toren haben.“ Leda atmete tief ein und spürte die Verantwortung für ihr Volk wie einen tonnenschweren Findling auf ihrer Brust. „Dann sei es so. Schultheiß, waltet Eures Amtes“, befahl sie. Gladius stand entschlossen auf, verbeugte sich und schritt mit klackenden Schritten und wehendem Mantel aus dem Raum.

Leda griff nach Abas Hand. „Oh, mein Geliebter. Beten wir zu den Alten Göttern, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.“ Abas nahm Ledas blasse Hand in die seinigen und drückte sie sanft. „Wir haben Megara überstanden. Wir haben Fama überstanden. Wir werden auch Cassandra und den Maluskult überstehen.“ Er roch ihre nach Rosenwasser duftende Haut, sah ihr liebliches Gesicht. Doch er bemerkte auch die Sorgenfalten, die sich auf ihrer Stirn steil und tief eingegraben hatten. Abas strich seiner Königin über die Wange. „Das Leben war mir oft eine Qual. Doch mit dir soll es mir zur Freude gereichen.“ Leda knirschte mit den Zähnen: „Hätte ich magische Kräfte, so wäre Prodita ihre falsche Zunge in ihrem Schlangenmaul angeschwollen, dass sie daran erstickte, noch bevor die Krone ihren verdorbenen Schädel hätte berühren können!“ Aber dann kühlte sich Ledas Zorn ab, als sie die zärtlichen Berührungen ihres Gemahls wahrnahm.

Die beiden zogen sich in das Schlafgemach zurück, in dem ein großes Himmelbett mit seidenem Baldachin auf sie wartete. Abas öffnete Ledas Kleid; mit jedem Haken, mit jedem Knopf, den er löste, versprach ihm die nackte, samtige Haut verlockend die Freuden zwischen Mann und Weibe. Finger glitten unter die Wäsche und erforschten den Körper des Gegenübers. Jede Berührung erhitzte seine Männlichkeit mehr, jeder Kuss wallte in ihm, verlangte nach der sündigen Lust. Und bald schon lagen sie unter dem seidigen Laken und gaben sich dem Mahlstrom der Passion hin, ihre Herzen waren in Brand gesteckt und in einem süßen Sinnestaumel gefangen. Der Reckendolch machte der königlichen Pforte seine Aufwartung, schmeichelte sich hoch und empfing eine enge Umarmung voll lieblicher Wonne. Doch Abas ergoss sich sehr früh und ließ Leda frustriert aufstöhnen. Abas rutschte tief zwischen die Schenkel der Königin und sorgte auch bei Leda für einen Rausch der Sinne, obwohl ihn sein salziger Samen ekelte. Seine Gemahlin genoss die spasmisch durch ihren Leib jagende Lust. Und doch war Zelos in Ledas Kopf, als Abas Zunge sie verwöhnte. Die Königin richtete ihr derangiertes Haar und seufzte leise. Der Königsmörder war ein Teufel und doch ein so süßer Bettgefährte gewesen! Abas hingegen… Ihr schlechtes Gewissen klopfte bei ihr an, doch sie ließ die Tür zu ihrem Herzen verriegelt.

Anonymos, der ehemalige Oberste Zelos in Ledanien, trieb seit geraumer Zeit mit seiner Komplizin und seinem Weibe Insidia dubiose Geschäfte im Stadtstaat der Prodita. Schon unter Helena war er in dem Häuser- und Gassenlabyrinth untergetaucht. Doch seit Prodita sich zur Alleinherrscherin ausgerufen hatte, wurden einige Gesetze mehr und mehr abgeändert. Mannsbilder durften sich alsbald schon nicht mehr alleine auf die Straße trauen. Selbst so genannte „Freie“ waren praktisch vogelfrei. Alle Freiheiten, die Helena eingeführt hatte, machte Prodita rückgängig und unterjochte das grobe Geschlecht. Ja, ihr rigider Herrscherstil setzte weitere Verschärfungen in Kraft. Sie näherte sich den Traditionen und Verhältnissen der östlichen Kultur der Despotin Cassandria an. Proditas Wahlspruch war: Abgefeimte Frauen verachteten Sklavenhaltung, einfache Gemüter bewunderten sie, aber weise Damen benutzten sie, um ihr Leben zu versüßen.

Schon wenige Monde später war das Bündnis mit Ledanien zerschnitten. Prodita setzte alles auf eine Karte und schickte eine Delegation in die Metropole, um Friedensverhandlungen in Gang zu bringen. Die Statthalterin Vesta empfing die Unterhändlerinnen recht hochnäsig und arrogant. Doch letztendlich machte sie sich mit einem großen, pompösen Gefolge und der kleinen Abordnung aus dem Stadtstaat auf den Weg in die Hauptstadt von Cassandria, wo die tyrannische Königin Cassandra unterrichtet werden sollte. Verwundert mussten die Unterhändlerinnen der Prodita feststellen, dass selbst die Königin voll Herrlichkeit nicht das letzte Wort hatte. Schlussendlich entscheiden würde die Hohepriesterin des Malus-Kultes. Diese hatte die wahre Macht im Ostreich inne. So erschien Tagara ebenfalls zu der Friedenskonferenz und hörte sich das Angebot der Prodita jovial an. Doch viel fordern war dem Stadtstaat nicht möglich. Prodita, vor erst wenigen Monden zur Königin gekrönt, würde zu einer Statthalterin degradiert werden. Vesta nahm mit einer gewissen Schadenfreude auf, dass sie nicht die Einzige war, die dieses Schicksal erleiden musste.

Die Delegation hatte weitreichende Befugnisse und unterschrieb den Friedensvertrag, der eher einer Annektierung glich. Zumindest, so waren sich die Damen aus dem Stadtstaat einig, sollten sie in Amt und Würden bleiben, statt in einem Kriegszug von Pfeilen oder Klingen durchbohrt zu werden oder in einem Kerker Cassandrias zu verfaulen. Von Osten würden nun genügend Importe in den Stadtstaat gelangen, so dass niemand mehr auf Ledaniens Fleisch, Fisch, Getreide und Obst angewiesen war. Trotzdem würde Prodita einen fürchterlichen Wutanfall bekommen, wenn sie erfuhr, dass ihre Zeit auf dem Thron bereits wieder vorbei war. Und so sollte es auch kommen: Prodita spielte bei Rückkehr der Abordnung mit dem Gedanken, den Unterhändlerinnen die Galgenpfosten im Innenhof des Palastkerkers zu präsentieren und vorzuführen, welche Knüpfkunst der Henkerin eigen war. Aber dann tröstete sich Prodita damit, dass sie nun die untreue Leda bald schon zu ihren Füßen kriechen sehen würde – in Ketten und im Büßergewand oder gleich ganz nackt wie ein geschorenes Schaf. Mit der gewaltigen Ostarmee und den tausenden Kriegssklaven sowie den Furcht einflößenden Trollen, den Angriffsmaschinen und anderen perfiden, aber genialen Erfindungen der cassandrischen Armee würde selbst der ledanische Grenzwall überrannt werden können, der bisher als unüberwindbar galt. Prodita würde sich von Cassandra die Erlaubnis erbeten, die besiegte Leda zu nehmen und deren fetten Arsch auf eine Pike zu setzen. Ach, wie süß würden ihre Schreie in Proditas Ohren klingen!

Obwohl in den nächsten Monden Ledanien alles daran setzte, die Grenzbefestigungen durch dicke Mauern, hohe Wälle, spitze Palisadenzäune, tiefe Dornen-Gräben, mächtige Wachtürme und sogar mehrere kleine Kastelle zu verstärken, blieb bei Königin Leda und ihren Beratern ein mulmiges Gefühl. Die gewaltige Ostarmee konnte nun ungestört bis hinter den Stadtstaat vorrücken. Wichtige strategische Posten wie ein Fluss und eine Klamm, die sehr gut zu verteidigen gewesen waren, waren nun fest in Feindeshand gefallen. „Ich wusste, dass diese falsche Schlange Prodita bei nächster Gelegenheit den Verbündeten wechselt. Wie ein Fähnchen im Wind!“ Leda spuckte die Worte voller Verachtung aus. Gladius hob sein Kinn. „Dafür hat sie einen hohen Preis bezahlt. Von Bündnis kann wohl keine Rede sein. Cassandria hat sich den Stadtstaat einverleibt. Die bösen Mächte breiten sich aus wie eine Kakerlakenplage.“ Leda seufzte. „Jeder kampfbereite Jüngling aus den Bergen, von den Anhöhen, der Küste, aus allen Regionen Ledaniens steht gerüstet und armiert bereit, um unser Land zu verteidigen. Opferbereit. Aber wird das ausreichen?“ Der Schultheiß nahm seine Majestät unbotmäßig in die Arme. Die beiden waren allein und ungestört von Zeugen, ansonsten hätte er dies nicht gewagt. Doch Gladius und Leda waren alte Weggefährten und verband so vieles – wohl mehr, als sich geziemte.

Die Nähe zu dem Kämpen ließ Ledas Gemüt erwärmen. Ihre Gefühle drehten Pirouetten. Ihre Weiblichkeit sehnte sich so sehr nach einer tapferen Männlichkeit. Abas war ihr geliebter Gemahl; doch er war für alle Zeiten von Megaras Schandtaten gezeichnet. Leda kämpfte gegen ihr sündiges Verlangen an, doch Gladius Berührungen ließ sie wohlig erschauern. Und als sie bemerkte, dass der Schultheiß ihre Gefühle erwiderte, da war es um sie geschehen. Ihre Münder näherten sich zum Kuss. Gladius spürte, wie sein Blut in seine Lenden floss. Seine Begierde streifte die Zügel ab und eroberte das ersehnte Weib, deren Herz er entflammt hatte. „Lasst uns in die Turmkammer gehen“, schlug Leda vor und legte das filigrane Diadem auf den Tisch vor ihr, das sie als Zeichen der Regentschaft trug. Als würde sie damit ihre Verantwortung ablegen. Als Majestät. Als Gemahlin. Ihr Gewissen…

Am liebsten hätte Gladius „sein Burgfräulein“ die Wendeltreppe bis in die hohe Turmkammer getragen wie ihn sein Verlangen nach ihr trug, doch wenn eine Zofe, ein Dienstbote oder Wächter sie gesehen hätte – nicht auszudenken! Doch auf dem Wege trafen sie niemanden. Leda legte den schweren Riegel an der Eichenbohlentür vor. Und endlich durften sich die zwei in die Arme fallen. Gierig knöpften sie sich gegenseitig die edel gewirkte Gewandung auf und erforschten den Leib des Gegenübers, von ihren unbändigen Wallungen überfallen. Bald schon lagen die feinen Stoffe, das königliche Korsett, der Wams, der ritterliche Umhang und vieles mehr auf einem großen, unordentlichen Haufen auf dem Dielenboden aus Zedernholz. In der Turmkammer wartete kein königliches Himmelbett aus Gänsedaunen, Samt und Seide, sondern nur ein Haufen Stroh, aber dafür tummelten sich zwei heiße Liebende darin, denen die Unterlage bald egal wurde, als das Verlangen, die Verlockung so groß und unbändig wurde, dass sich der ganze Alte Kontinent nur noch um sie drehte, und sie in einen Strudel der Leidenschaft zog. Die Königin hieß ihren Schultheiß willkommen und stöhnte mit heißem Atem gegen seine Brust. Wogen der sündigen Lust jagten durch die verschmolzenen Leiber.

Das Liebesnest blieb unentdeckt von den Wachen, die in ihren klappernden Rüstungen auf dem Burghof exerzierten, von den Kammerdienern, die durch die Gänge der Zitadelle eilten, den Zofen, die Berge aus Wäsche in die Gemächer brachten und sie in den Schränken und Truhen verstauten, dem Küchenjungen, der mit einer Schüssel gerupfter Wachteln aus dem Stall geeilt kam, um sie dem Koch zu bringen. „Da bist du ja endlich“, schimpfte der dicke Koch und nahm dem Jüngling die Schüssel ab. Er stellte sie auf einen groben Tisch. Dann zog er ein ausgeweidetes Reh von der Platte und hievte sie angestrengt an einen Haken an einem dicken Deckenbalken neben einen schweren Schinken, um im Anschluss zum Spezereiregal zu eilen. „Schick Luna zu mir. Sie soll die Zwiebeln kochen“, wies der Koch den jungen Mann an, der sich im Laufschritt auf die Suche nach der Magd machte. Der sommersprossige Küchengehilfe vermutete Luna in der obersten Kammer des Nordturms. Daselbst hatte er schon einmal gelauscht und durch ein Astloch beobachtet, wie Luna mit ihrem Stallburschen Liebe machte. Eine fleckige Röte schoss ihm ins Gesicht, als er sich daran erinnerte, wie nass seine Hose damals gewesen war; welch seltsames Gefühl er erlebt hatte. Erst später hatte ihn ein Dienstbote über die geheimen Dinge zwischen Mann und Weib aufgeklärt, wenn sie den Kranz der Liebe flochten.

Ein Gerücht, das sich in der Burg seit langer Zeit hartnäckig hielt, besagte, dass der Gefährte der Luna von einem Sommer bis zum nächsten in einen Keuschheitsgürtel gesperrt gewesen war, während sie seinen Schlüssel verwaltete. Diese Strafe hatte der Knecht angeblich wegen Unzucht von der Herrschaft erhalten. Und daran rankten sich allerlei Ausschmückungen, an die der Küchengehilfe nicht so recht glauben mochte. Aber immerhin: Er hatte mit eigenen Augen gesehen, dass die beiden im Turm beieinander gelegen hatten. Genauer gesagt: Luna hatte ihre Röcke und ihre Schürze gehoben und war auf den Knecht gestiegen. Der Küchenbursche war gar nicht mehr aus dem Staunen herausgekommen. Bisher hatte sich noch keine Maid zu ihm gelegt oder gar auf ihn gesetzt. Er eilte die Wendeltreppe des Nordturms empor und wollte die schwere Eichentür öffnen, als er feststellen musste, dass sie verriegelt war. Er pochte mit der Faust gegen die Tür: „Luna! Der Koch schickt nach dir!“ Doch es antwortete ihm niemand. Allerdings war der Eingang von innen verriegelt, also musste jemand drinnen sein. Die „rechte Hand“ des Kochs schritt absichtlich laut vernehmlich die Treppe wieder hinab, wenige Stufen zumindest, um dann auf leisen Sohlen zurückzukehren. Er schlich sich an den Rand der Tür, beugte sich tief hinab, bis er das Astloch fand, und lugte hindurch.

Von ihm fast unbemerkt rutschte seine Hand in seinen Schritt und rieb über den groben Wollstoff seiner beigefarbenen Beinkleider. Was sah er da? Schenkel. Nackt. Ineinander geschlungen. Leises Stöhnen war zu vernehmen. Rutschende Laute auf dem Stroh. Der Küchengehilfe stellte fest, wie hart seine Männlichkeit geworden war. Er würde Ärger bekommen, wenn er nicht bald die Magd zum Koch brachte. Aber er konnte sich nicht von dem Schauspiel vor ihm lösen. Und die Berührungen seines Luststabes taten so gut. So prickelnd gut! Es dauerte nur wenige Augenblicke, da spürte der Jüngling, wie sein Samen verströmte. Es war ein wundervolles Gefühl. Famos. Unbeschreiblich. Er schloss genießerisch die Augen. Doch da hörte er im Innern der Kammer hastige Bewegungen. Aha, dachte der Gehilfe. Lunas Knecht hatte sich wohl auch ergossen. Er wartete, bis an sein Ohr drang, wie der Riegel schabend zur Seite geschoben wurde und sich die Tür mit einem lauten Knarren öffnete. Grinsend rief er an dem Mann vorbei: „Luna! Du sollst zum Koch kommen! Sofort!“ Er hatte seine Worte gerade ausgesprochen, da verkümmerte sein Grinsen zu einem schiefen, verkrampften Irgendwas. Entsetzen zeigte sich in seinen haselnussbraunen Augen. Er schluckte trocken. Der „Knecht“ trug ein brüniertes Kettenhemd und eine Silberbrosche mit einem großen Lapislazuli und einen taubengrauen Umhang? Der Schultheiß!





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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:29.10.22 15:16 IP: gespeichert Moderator melden


Er hatte den Schultheiß beobachtet. „Verzeihet, Hoher Herr“, entschuldigte sich der Jüngling stammelnd und beugte sein Haupt, dass ihm die ungekämmten Strähnen ins Gesicht fielen. „Was oder wen suchst du hier, Bengel? Hast du Flausen im Kopfe?“, wollte Gladius mit strenger Stimme wissen. Der Gehilfe stotterte: „Lu…lu…lu… Luna. Die Magd… Luna. Sie soll…“ Gladius wischte seine Worte mit einer herrischen Handbewegung weg: „Hier ist keine Luna. Verschwinde. Oder ich mache dir Beine!“ Der Bursche drehte sich schnurstracks um und eilte zur Treppe. Ein harter Lederstiefel erwischte sein Gesäß, als Gladius nach ihm trat. Hastig und atemlos erreichte der Jüngling den Burghof. Der Schultheiß würde seine Eskapaden wohl nicht mit einer einfachen Magd treiben, oder? Aber wo war sie dann? Wo sollte er sie suchen?

Da kam ihm der Zufall zugute. Er erblickte Luna bei der Stallung mit einer Milchkanne stehen und mit ihrem Knecht anbändeln. Jetzt konnte er endlich den Auftrag des Kochs ausführen. Was für ein schwarzer Tag! Vielleicht hatte er die Gunst von gleich zwei Personen verloren. Der Koch würde ihm die unbeliebtesten Arbeiten aufdrücken, und der Schultheiß konnte ihn… Der Jüngling schlotterte vor Angst. Ein so hoher Herr! Der konnte alles mit ihm tun, was ihm beliebte: ihn in den Kerker werfen oder gleich aus der Burg jagen. Und ohne Arbeit gab es kein Brot. Er würde als Vagabund durch Ledanien ziehen und betteln müssen. Was war, wenn er an Schnapphähne, an Galgenvögel oder gar Straßenräuber geriet? Gesindel, dem er auf Gedeih und Verderben ausgeliefert wäre? Man erzählte, dass einige dunkle Gestalten sogar obszöne Freude an einem Jüngling hätten! Das waren Nester der Bosheit. Allein die Gedanken ließen sein Gesicht puterrot aufblühen. Aber die Wege waren sicher, wo Patrouillen ritten. Ja, da könnte er gefahrlos um eine bescheidene Mahlzeit eines milden Wohltäters bitten. Oder er würde Kunststücke aufführen, überlegte er sich, schon etwas beruhigter. Er war geübt, mit vier Äpfeln zu jonglieren. Und er war ein recht passabler Schütze mit der Steinschleuder. - Aber wo war das Publikum, das ihm dafür Brot oder Münzen reichte?

Seufzend eilte er zurück in die Küche, wo Luna schon vor einem Kaminfeuer stand und einen Sack mit geschälten Zwiebeln in brühendes Wasser leerte. Der Koch sah ein wenig brummig drein, aber das tat er grundsätzlich. „Komm her, Bursche“, rief er mit seinem dröhnenden Bass polternd. Den Jüngling beschlich ein ungutes Gefühl. Aber jäh zauberte der Koch ein Stück geräucherten Speck hervor und reichte ihn ihm: „Hier! Du warst in den vergangenen Tagen wohl fleißig und hast dich geschickt angestellt. Vielleicht mache ich eines Tages doch noch einen bescheidenen Koch aus dir.“ Mit diesen Worten widmete er sich wieder einem großen Kessel und rührte darin mit einem riesigen Holzlöffel. Heute war doch nicht so ein pechschwarzer Tag, dachte der Gehilfe, der geglaubt hatte, übel würde ihm geschehen, und lächelte erfüllt von Wonne. Jetzt musste nur der Schultheiß den kleinen Zwischenfall vergessen. Dann war wieder alles gut und im Lot.

Aurora wandte sich unter den groben Griffen der Kerkerwächterinnen, aber sie wurde unbarmherzig auf dem Tisch aus Eisen festgeschnallt. Dann erschien eine Uniformierte, in deren Gesicht sadistische Züge eingegraben waren, die von viel Grausamkeit zeugten, und jene zückte ein langes, schmales Rasiermesser und grinste hinterhältig, wie es ihre Gemütsart versprach. Aurora ruckte an den Fesseln und stemmte sich gegen die Gurte, aber unseligerweise es half nichts. Wieder also sollte sie diese demütigende Prozedur über sich ergehen lassen müssen. Wieder wurden ihr die Haarstoppel entfernt, ihr seidiges Haar, das sie schon so lange Zeit nicht mehr gefühlt und gesehen hatte, das so mühsam versuchte nachzuwachsen.

Kurz darauf ward ihr Schädel spiegelglatt geschoren. Sogar ihre Augenbrauen hatte die Wärterin wieder entfernt. Und das Schlimmste würde ihr jetzt bevorstehen: Selbst vor ihrem intimen Dreieck ihres Venushügels machten diese verderbten Hexen nicht Halt. Zunächst waren die Achseln dran, doch Aurora war in Gedanken schon bei ihren Lenden. „Eines Tages werde ich mich an meiner Schwester und an Cassandra gar schrecklich rächen“, schwor sie kreischend. Aber nur schallendes Gelächter entgegnete ihr in dem alten Gemäuer. Dann trat eine Wärterin näher und zwickte ihr in die Brustwarzen: „Still, Weib!“ Sie merkte zunächst vor lauter Gegenwehr gar nicht, dass die cassandrische Centuria mit dem Rasiermesser nun einen Schlüssel hervorholte. Damit schloss diese den Keuschheitsgürtel Auroras auf und stellte fest: „Schon wieder Stoppel! Tut das Not?“ Sie schüttelte langsam und vorwurfsvoll den Kopf, als habe die Prinzessin etwas Schuldhaftes getan. Aurora fühlte jetzt die kühle Luft an ihrer Weiblichkeit und wusste, was nun voll von Niedertracht kommen sollte.

Eine Wächterin spannte und zog die Haut in verschiedene Richtungen, damit die Centuria das gewetzte Messer ansetzen konnte. Eine Schüssel mit heißem Wasser stand ebenfalls auf dem Tisch, mit dem sie die Haut benetzte und die Klinge von Härchen säuberte. „Wascht dieses stinkende Stück Fleisch und...“, begann die Centuria und brach ab, weil ihr nichts Passendes einfiel. Die Kerkerwächterinnen begannen mit Bürsten, Putzstock und Feudel, dem heißen Wasser und einer seifenartigen Paste die Liegende abzuschrubben und zu wischen. Sie frönten mit Putzeifer ihrer Tätigkeit und aalten sich am Leid der Gefangenen. Aurora schrie wie am Spieß - weniger wegen der rot geriebenen einst edlen Haut, sondern aus Protest gegen das erniedrigende Verfahren. „Ihr seid Abschaum!“, keifte sie. Noch demütigender wurde es, als eine der Frauen sich ausgiebig der hilflos ausgelieferten Weiblichkeit widmete, sie rieb und wusch, einseifte und abspülte.

Nach und nach verlor sich die Gegenwehr der Gefangenen. Stattdessen stöhnte sie und drückte der Wärterin beinahe fordernd den Schoß entgegen. Die Kerkermeisterin ahnte, was sich da anbahnte. Augenblicklich unterband sie die Waschung und kommandierte: „Genug! Sie ist sauber.“ Daraufhin zogen die Wachfrauen der Nackten ihren Keuschheitsgürtel wieder an. Nun zeterte Aurora drauf los, wie nie zuvor, schluchzte und wetterte, bettelte und jammerte, brüllte und schimpfte, flehte und winselte. Aber es antworteten ihr nur zwei grinsende, aber hartherzige Fratzen. Die Wächterinnen befreiten Aurora von dem Eisentisch und brachten sie zurück in ihre karge Kerkerzelle. Splitternackt. Wenigstens hatte man ihr die Eisenfesseln erspart. Doch lange durfte sich die Prinzessin nicht darüber erbauen. Schon stiefelte eine der Wärterinnen herbei und brachte rasselnd Ketten und Schließen. Aurora musste sich auf den steinigen Boden setzen und wurde mit einem breiten Eisenband um ihren Hals an der Wand fixiert. Sie biss die Zähne zusammen und atmete laut durch die Nase.

Die Schnalle war so hoch, dass Aurora mit erhobenem Kinn zur Decke schauen musste. Die Kerkerwache stand nun genau vor ihr und sah ihr in die Augen. Aurora wollte gerade etwas sagen, da merkte sie, wie aus dem leicht geöffneten Schlund der Uniformierten Speichel löste und in einem Klumpen, der einen Faden nach sich zog, in ihr Gesicht klatschte. Er schlich langsam von ihrer Wange über ihre Oberlippe in ihren eigenen Mund. Aurora presste die Lippen zusammen. Dann wurde sie wieder alleine gelassen. Hinter einer schweren Gittertür leuchtete eine Fackel. Doch was nützte Aurora das schummrige Licht, wenn ihr Blick auf die Decke gezwungen war? Das kleinste Rascheln würde sie in Todesangst versetzen. Sie würde mit Armen und Beinen zappeln und um sich schlagen und treten. Und schreien. Hoffentlich blieb sie in dieser Nacht allein. Die Zeit floss langsam und zäh dahin. Bald schon schmerzte ihr Nacken. Und Aurora hatte das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen und würgte. Ihr dicker Metallkragen war eng und unnachgiebig. Längst hatte sie die Versuche aufgegeben, mit ihren Fingerchen das Eisen um ihren Hals zu lockern. Und dann spürte sie noch ein weiteres Bedürfnis. Sie musste sich entleeren. Aber wie sollte sie in diesen Fesseln zu ihrem Kübel gelangen? Der stand weit weg.

„Holla!“, rief sie laut. Wieder und wieder. Bis schließlich, ihre Stimme war schon rau und schmerzte, eine der Wärterinnen die schwere mit Eisen beschlagene Tür zu dem Vorraum des Gewölbes öffnete und sie anraunzte: „Was begehrst du, dummes Weib?“ Aurora berichtete von ihrem mittlerweile sehr dringenden Begehren. Die Wärterin grinste. Ihre Stimme war plötzlich nicht mehr grob und unwirsch, sondern freundlich und süß: „Die edle Dame begehrt sich zu erleichtern? Die berühmte kahle Prinzessin!“ Der zweite Satz troff vor Spott. Aurora biss sich auf die Lippen. Sie wollte diese letzte Demütigung nicht erleiden. Nein, diese Genugtuung würde sie diesem Weibe nicht geben. Sie würde nicht in ihrer Pisse sitzen! Die Uniformierte überlegte eine Weile. „Also gut. Aber schreie hier nie wieder so herum! Hörst du? Ich habe gerade ein Nickerchen gemacht. Das nächste Mal wirst du nur ein einziges Mal rufen. Und wenn ich keine Lust habe, dann hast du Pech gehabt, Kahlkopf!“ Die Kerkerfrau betrat die Zelle und schob den alten Kübel mit dem Stiefel zu Aurora, die versuchte, ihr Becken so weit aufzuraffen, dass der Zuber darunter passte.

Glücklicherweise war der Bottich eher breit als hoch. Aurora quetschte sich darüber und verzog das Gesicht, weil ihre Eisenmanschette schmerzte. In dieser verbogenen Stellung versuchte sie sich zu entspannen. Die wartende Wärterin machte diese Aufgabe schier unmöglich. Aber dann zwang sie sich dazu. Die Wachfrau drückte den Kübel ein Stück zur Seite, so dass Aurora wieder auf dem Steinboden sitzen konnte. „So kommt Ihr selbst dran, edles Prinzessin von und zu Kahlköpfchen.“ Vorhin hatte die Gefangene kaum Luft bekommen und sich den Rücken fast verrenkt. Dagegen fand sie es in der früheren Position nun fast schon bequem. Die Schergin verließ die Zelle ohne weiteres Wort. Bevor sie auch den Vorraum von außen verschloss, rief Aurora noch hoffnungsvoll: „Und was ist mit meiner Kleidung?“ Aber sie hätte auch mit der Mauer sprechen können. „Und ein paar Schluck Wasser…“, brabbelte sie vor sich hin. Ihr stieg der Gestank ihrer eigenen Hinterlassenschaft in die Nase wie verfaulter Kohl. Sie konnte nur zu den Alten Göttern beten, dass sie nicht verdursten sollte. Bevor das geschah, würde sie… Aurora würgte bei dem Gedanken voll Abscheu, als sie den Eimer betrachtete. Nein, niemals, schwor sie sich, würde sie so tief sinken. Doch dann wurde ihr bewusst, dass sie längst aller Würde beraubt war.

Einige Stunden später, ihr Nacken war schon in Gänze steif geworden, erschien die Wärterin erneut und tauschte die gemeine Halskrause gegen einen dünneren Ring aus. Zwar musste Aurora weiterhin auf dem Boden sitzen, doch konnte sie den Kopf wieder bewegen, was anfangs fürchterlich schmerzte. Die Wachhabende brachte eine verbeulte Blechkanne mit abgestandenem Wasser und eine Holzschüssel mit einem Brei aus Hafer und wurmstichigem Obst. Triumphierend grinste sie, als sie hineinspuckte und der Prinzessin das Mahl servierte. Die Prinzessin hob trotzig ihr schmutziges Kinn, doch ahnte, dass der Hunger sie zwingen würde, früher oder später, über ihren Schatten zu springen. Eine Eisenpforte knarrte und sperrte alles Leben aus, als sie krachend zufiel und sich von außen kreischend verriegelte.

Just zur gleichen Zeit fuhr eine prunkvolle Droschke, gezogen von acht Sklaven, am nicht weit vom Malus-Tempel gelegenen königlichen Palast der Cassandra vor. Statthalterin Vesta war von der Königin bestellt worden, um mit ihr und der Hohepriesterin Tagara den finalen Kriegszug gegen Ledanien zu besprechen. Jetzt, da Prodita sich und den Stadtstaat verkauft hatte, war das Westreich der Leda dem Untergang geweiht. Cassandra und Vesta lauschten den Plänen der Tagara. Mit einem zufriedenen Grinsen vernahm die Hohepriesterin, dass die cassandrische Sklavenjägerflotte nicht nur weitere hunderte Leibeigenen vom Ostkontinent gebracht hatten, sondern zu ihrer wertvollen Fracht gehörten auch zwölf gefangene Trolle, die „allerdings noch abgerichtet werden müssen“, schilderte Vesta stolz, „aber dafür haben wir sehr gut ausgebildete Erzieherinnen außerhalb der Metropole.“

Die Königin Cassandra nickte vornehm ob der guten Nachrichten. „Also verfügt meine Streitmacht nun über insgesamt 16 dieser Kreaturen?“ Vesta bejahte. „Jawohl, erhabene Majestät.“ Die Statthalterin sann auf eine Belobigung, vielleicht weiter reichende Machtbefugnisse. Aber bevor Cassandra antworten konnte, mischte sich die dünkelhafte Hohepriesterin ein. „Dressiert die Riesen. Und rüstet sie mit Harnischen, Helmen und Mordkeulen aus. Sie werden unser Garant dafür sein, dass Ledaniens Grenze endgültig fällt.“ Die Giganten würden ihnen des Lebens Mühsal versüßen und das Unheil über den Feind bitter machen.

Die hohen Damen beratschlagten noch eine volle Stunde, dann begaben sie sich, beseelt und wonnetrunken vom nahenden Sieg, an ein wahrlich königliches Festbankett und labten sich an allerlei fein Schlemmereien wie gepfefferte Kanapees mit Lachs und Brioche mit Gänseleberpastete. Dazu gab es diverse Obst- und Beerenweine zu verkosten. Küchlein und in Honig getunkte Mandeln verwöhnten den Gaumen. An ihre Schwester Aurora, Haut wie der getünchte Tod, verschwendete Vesta keinen einzigen Lidschlag. Gesättigt und durch den süßen Apfelwein angeheitert, taumelte sie zufrieden in die bereitgestellten Kissenberge, wo zwei geübte Liebessklaven auf sie warteten, um ihr höchste Freude zu bereiten, wie sie sie sich verdient hatte. Sie entzückte das frische Fleisch in aller Pracht, dass sie sah und ließ sich in den weichen Samt fallen. Bald schon schallte ihr Juchzen durch das Refugium und bis auf den Marmorflur des Palastes, auf dem die Wachen mit starrer Miene vorgaben, nichts davon zu hören.

Die Droschkensklaven waren derweil in einem Stall untergestellt worden. Sie trugen schweres Schuhwerk mit dicker Sohle. Ihre Keuschheitsgürtel dienten gleichzeitig als Lendenschurz. Schultern, Brust und oberer Rücken waren mit einem engen, schwarzen Seidenstoff bespannt. Um den Hals trugen sie ein hohes Lederband, durch das sie stolz und erhobenen Hauptes liefen. Ein Nasenring und ein Stirnband mit einem Federbusch an der Vorderseite verzierten die Träger ganz nach dem Geschmack ihrer Besitzerin. Des Weiteren schaute jedem Droschkensklaven ein Schweif aus Rosshaar aus dem Gesäß. Damit diese den hübschen Schmuck während des Laufens nicht verloren, war er durch einen dicken mit Schmalz eingeriebenen Kolben im Anus der Sklaven fixiert. Rücken und vor allem die Hinterbacken waren von unzähligen Striemen geziert. Sie waren die Zinsen, die Müßiggang einforderte. Eine Palastwächterin, die das leere Vehikel zum Stall gewiesen hatte, sah ihm nach und grübelte. Einige Schweife waren schwarz, andere weiß gewesen. Ob dies eine besondere Bedeutung hatte? Vielleicht waren die Kolben unterschiedlich groß? Doch welcher Träger hatte welche Art und warum? Die Palastwache würde bei der Ablösung ihre Kameradin fragen. Vielleicht verfügte sie über Kenntnis dazu.

Als Tagara, die Hohepriesterin, zurück zum Tempel fuhr, begab sie sich in den großen Altarraum unter der riesigen mit Blattgold ausgekleideten Kuppel. Sie öffnete eine hohe Vitrine und nahm einen ebenfalls mit Blattgold überzogenen Schädel heraus und hielt ihn mit beiden Händen. Ein leichter Schwefelgeruch waberte ihr entgegen. Die Robenträgerin murmelte einige magische Formeln vor sich hin. Im glänzenden Schädel spiegelte sich ihr Antlitz, das sich mehr und mehr verwandelte. Bald schon ähnelte das Spiegelbild der alten Tyrannin des Alten Kontinents Megara und glich ihr wenige Herzschläge später wie ein Zwilling. Die einstige Despotin zitterte, und jäh platzte der Schädel zwischen ihren Fingern wie ein Tonkrug, der auf einen Steinboden fällt und in winzige Splitter zerstiebt, und die Hohepriesterin schrie schrill und gellend: „Verdammnis über Ledanien! Verdammnis über Leda!“ Ihre hasserfüllte Stimme hallte durch den weiten Tempel wie eine Offenbarung der Unterwelt, aber sie wurde von niemandem gehört. Nur die kleinen Flammen der Girandolen schienen ängstlich zu zittern.

Anonymos eilte über den Platz. Seit Prodita neue Mannsbestimmungen erlassen hatte, war er auf der Straße als Mannsbild nicht mehr sicher. Seine Gefährtin Insidia war nun in der Pflicht, bei den Bettelbrüdern abzukassieren. Doch die Bettler waren aus vielen Passagen und Regionen der Stadt vertrieben worden, so dass sie kaum noch Münzen erhielten. Einige hatten sich trotz Keuschheitsgürtel von Dannen gemacht, vielleicht, um im Westen ihr Glück zu finden und eines Tages einen Schmied bezahlen zu können, der ihnen die Freiheit vermachte. Vor den Büttelfrauen und Schergen der Prodita hatten sie zu große Angst. Würde man sie in den feinen Gassen und Plätzen der Stadt treffen, so verschwänden sie in finsteren Kerkerlöchern. Einer, der es wissen musste, weil er schon darin gesteckt hatte, war Viavir, der ebenfalls zu der Kolonne des Anonymos gehörte. Doch er war mithilfe eines Mithäftlings wieder frei geworden. Und daraufhin hatte er sich zum Meuchelmörder verdingt: Er sollte für Ikaros, so der Name seines Retters, den Kontrahenten um seine Buhle töten. Aber im letzten Moment jagte ihn sein schlechtes Gewissen und er lief Ikaros davon. Nun wanderte er in seinem Keuschheitsgürtel Richtung Ledanien, wacker zu Fuß, stets darauf bedacht, in die Büsche zu springen, wenn Uniformierte vorbei ritten.

Einige Tage später lugte er hinter dichtem Buschwerk hervor und sah, wie eine kleine Kolonne Sklaven vorbeimarschierte: Etwa ein halbes Dutzend Leibeigener in Ketten wurde von zwei Reiterinnen brutal angetrieben. Die Sklaven waren mit großen Tragegerüsten schwer beladen. Jeder Mann schleppte mindestens einen Zentner Holzscheite, die sich auf den Rückengestellen auftürmten. Zwischen den Beinen der armen Kreaturen verlief eine Kette, die die Gemächte der Männer miteinander verband – eine trefflich Vorrichtung, um die Geschöpfe zum Laufen zu ermuntern. Obwohl die Leibeigenen schon entkräftet wankten und taumelten, versuchten sie doch, in einer Reihe zu bleiben, geschweige denn nicht zu stolpern. Eine Reiterin führte den Anfang der Kette an ihrem Sattelknopf und ritt im Schritt voraus. Die Kameradin, ihr Gesicht wurde von einer fuchsroten Mähne umschlossen, blieb beobachtend mit ihrem Gaul hinter dem Trupp. Die Frauen trugen kein cassandrischen Uniformen, sondern zivile Gewandung mit engen Beinkleidern aus feinem Lederstoff und ebenso lederne Oberteile, die ihre weiblichen Formen und Kurven betonten.

Jäh verspürte Viavir das dringende Bedürfnis zu niesen. Blütenstaub kitzelt ihm in der Nase, er verkrampfte sein Gesicht ob des Ungemachs, hielt sich Mund und Riechorgan zu, aber es nutzte nichts: Lauthals musste er prusten. Besorgt schaute er durch das Blattwerk, ob die Truppe etwas gehört hatte. Sein Herz pochte ihm laut bis zum Hals. Er sah, wie die Sklavenkarawane stehen geblieben war. Und er musste feststellen, wie die hintere Reiterin genau auf ihn zu ritt. Viavir duckte sich so tief wie möglich, machte sich klein und kleiner und hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst. Es half nicht, denn kurz darauf teilte eine scharfe, lange Klinge die Zweige, hinter denen er verzweifelt Deckung gesucht hatte. „Sieh an! Wen haben wir denn hier?“, frug die Unbekannte. Viavir ächzte. „Verzeiht, Euere Gnädigste. Ich bin ein armer Wandersmann…“ Die Reiterin lachte und sprang vom Ross. „Er ist ein Wandersmann? So, so!“ Sie stieß die Spitze ihre Schneide in den Schoß des Mannes. Ein metallenes Geräusch war zu vernehmen. „Und der Wandersmann trägt einen Keuschheitsgürtel? Er ist wohl eher seiner Herrin entlaufen, der unartige Bursche!“




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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:20.11.22 16:25 IP: gespeichert Moderator melden


Viavir tat entsetzt. Wohl war er es auch. „Aber Eure Gnädigste. Die neuen Gesetze unserer hoch geehrten und geschätzten Königin besagen doch, dass kein Manne ohne…“
Die Rothaarige unterbrach ihn barsch mit geschwellter Brust. „Schweig stille, Wurm! Bedingungsloser Gehorsam sei die einzig Tugend, die einem Sklaven genüge!“ Sie packte ihn an der Schulter fest wie ein Recke und zerrte ihn so grob aus dem Gebüsch, dass sein Wams zerriss. Weglaufen war zwecklos, solange zwei Reiterinnen ihn problemlos einfangen konnten. „Ausziehen! Runter mit den lausigen Lumpen!“, befahl sie. Jetzt kam auch die andere Frau herbei und wendete die Sklavenrotte. Sie stützte sich bequem auf ihren Sattelknauf und betrachtete amüsiert, wie sich Viavir entblätterte. „Alles!“, forderte die erste Frau grinsend und zeigte auf Viavirs Leibwäsche. Der Mann spürte Hitze in sich aufflammen. Aber er musste wohl gehorchen. Also ließ er auch die letzte Hülle fallen und stand nur noch in seinem Keuschheitsgürtel da. „Dreh dich!“, befahl die Frau vor ihm. Viavir folgte der Anweisung. Das Weib im Sattel stellte fest: „Er hat kein einziges Brandzeichen.“ Die Kameradin frug: „Aber warum trägt er einen Keuschheitsgürtel?“ Sie wandte sich wieder dem Mann zu. „Sklave! Antworte! Wieso bist du verschlossen? Hast du den Schlüssel?“ Viavir seufzte. Würden sie ihm die Geschichte glauben? Er musste es versuchen. Eine andere Wahl hatte er nicht.

Er berichtete von der glutäugigen Schönheit namens Insidia, die ihn so hintergangen hatte; er erzählte von dem Gauner Anonymos, der ihn erpresste; er erwähnte auch seinen Kerkereinschluss nach seinem missglückten Diebstahl und schließlich von Ikaros, der ihn frei kaufte. Dass er für ihn einen dunklen Dienst erledigen sollte, den er unterschlagen hatte, ließ er in seinem Berichte freizügig weg. „Und dann habe ich den Stadtstaat verlassen und wollte Richtung Westen wandern“, beendete er seine Schilderung. Die Frau auf dem Ross nickte mit spitzen Lippen. „Ich glaube ihm. Er gehört also niemandem. Vortrefflich! Lass ihn uns mitnehmen, bevor er Jugend und Kraft verliert. Er sieht brauchbar aus.“

Viavir sah sie mit großen Augen an: „Ihr nehmt mich mit? Wohin?“ Die Rothaarige vor ihm zischte ihre dünne, lange Schneide durch die Luft und auf das nackte Gesäß. „Stell er sich hinter den letzten Unfreien! Werde es bald!?“ Viavir rieb sich den schmerzenden Hintern. Er bewegte sich vorwärts, sah aber bestürzt zu seiner Kleidung und monierte: „Aber was ist mit meiner Gewandung?“ Die Weiber lachten amüsiert und schlugen sich mit den Händen auf die ledernden Schenkel. Die Bewaffnete, die ihn gerade mit der Spitze ihres Degens vorwärts trieb, schlug mit höflicher Stimme vor: „Oh, wenn es dem feinen Herrn nicht zur Last fällt, so wäre es mir eine ausgesprochen Ehr, wenn er nun seinen Arsch in Bewegung setzte.“ Der Nackte jaulte hell auf, als er einen weiteren Stich in seinem Allerwertesten verspürte, dieses Mal mit mehr Nachdruck, und dieser verjüngte seine Beine augenblicklich.

Es dauerte nicht lange, da war Viavir ein Teil der Reihe. Der siebte Mann in einer Sklavenherde. Und auch sein „Gekröse“ war mit einem Eisenverschluss gesichert und mit der Kette verbunden, denn nur sein Luststab war unerreichbar in dem Keuschheitsgürtel verpackt. Dazu hatte die Frau auf dem Ross eine Kettenverlängerung mit einer Schließe hervorgeholt. Die Kolonne machte sich auf den beschwerlichen Weiterweg. Die hintere Reiterin betrachtete schmunzelnd den roten Striemen, den ihr Streich auf dem Sitzfleisch des Unfreien hinterlassen hatte. „Gehorsamkeit ist des Sklavens Labung“, rezitierte sie eine alte Weisheit. Nach einigen Meilen stoppten die Reiterinnen und befreiten den führenden Leibeigenen von seinem bleischweren Tragegestell. Viavir durfte ihn ablösen. Im ersten Moment glaubte er, unter der drückenden Last zu zerbrechen, aber die Gerte der Antreiberin und ein scharfes Ziehen in seinen Leisten ließen seine Engbrüstigkeit bald vergehen und brachten seine Schritte in den richtigen Takt.

Der Traum von einem freien Leben in Ledanien war offenbar ausgeträumt. Ausgerechnet Sklavenhändlerinnen musste er in die Fänge laufen! Jeder Schritt wurde zur Tortur. Bald schon schmerzten Rücken, Beine und Füße gar sehr. Und auch das häufige Rucken und Zerren an der Kette, wenn er nicht exakt im Gleichschritt marschierte, spürte er peinigend in seinem Unterleib. Die Stimme der völligen Erschöpfung wurde immer lauter und dräute ihn taumeln zu lassen. Als endlich eine Pause am Wegesrand gemacht wurde, durften die Träger ihre schweren Gestelle ablegen und sich vorsichtig hinsetzen. Sie mussten wegen der Kette eng beieinander bleiben, aber mit gequälten und gleichzeitig beglückten Gesichtern ob der Rast rieben sie sich die wunden Füße und streckten ihre erschöpften Rücken und Beine.

Die Rothaarige ritt in den nahen Wald und erschien schon bald mit einem erlegten Dachs, zwei Kaninchen und einem Rebhuhn. Das Wild bereiteten die Frauen über einem Feuer zu. Dazu garten sie mehrere Auberginen und Pilze, die sie aus einem Beutel am Sattel holten. Wenig später schon strömte den Sklaven delikater Bratenduft in die Nasen, das ihnen der Saft im Mund zusammenlief. Aber die Weiber dachten gar nicht daran, ihnen etwas davon abzugeben. Das Fleisch, das übrig blieb, wurde in kleine Stücke geschnitten und als Reiseproviant gut verpackt. Nur Wasser aus einem nahen mäandernden Bach erhielten die Männer aus einem abgewetzten Lederschlauch. Allein der Sonne Glut zu trinken löschte den Durst nicht.

Doch einen Schabernack machten sich die Jägerinnen doch noch, bevor es weiterging: Sie warfen einen gebratenen Kaninchenschenkel einige Schritt von den Leibeigenen entfernt zu Boden. Die Rothaarige munterte sie auf: „Schnappt euch den Leckerbissen!“ Hektisch und ringend versuchten die Sklaven nun, an das begehrte Stück Fleisch zu gelangen, zerrten sich dabei gegenseitig ihre Männlichkeit, rangen, schlugen um sich, boxten und stießen mit den Ellenbogen dem Nachbarn in die Rippen, um die ersehnte Köstlichkeit wetteifernd. Die Zuschauerinnen machten ihre Scherze über das Wirrsal am Boden. Ein Weib gab einen alten Spruch zum Besten: „Gierig sind Sklaven, dass ihr es wisst – doch kaum einer vor Hunger verreckt ist.“ Die Runde ließ den Weinschlauch kreisen und feuerte die Kreaturen an. Und lange, nachdem der leckere Fleischgeschmack versiegt sein würde, würde das konkurrierende Verhalten, dass für zahlreiche blaue Flecken gesorgt hatte, noch die eine oder andere schwärende Missgunst zur Folge haben, die sich in hinterhältiger Weise an zerrenden Ketten in verschiedene Richtungen Bahn brechen würde.

Nicht weit von ihnen entfernt, verlief die ledanische Grenze. Eine uniformierte Soldatin wachte hinter den Zinnen ihres Turmes und beschattete die Augen mit ihrer Hand, um besser gegen die tief stehende Sonne die flachen Hügel am Horizont mustern zu können. Die Frau trug eine harte Lederrüstung, einen Überwurf aus Stoff mit dem ledanischen Wappen, einen Waffengurt mit spitzem Schwert sowie einen Dolch im breiten Gürtel und lederne Armschienen. Ihr Torso war mit dünnen Metallscheiben verstärkt. In Griffweite standen gleich vier Armbrüste und dazu gehörige Bolzen. Um ihren Hals hing ein Horn, mit dem sie Alarm geben konnte, falls cassandrische Späher oder gar ein feindlicher Verband auftauchen sollte. Aber nur eine kleine Kolonne aus einigen wenigen Fußgängern und zwei Reiterinnen war in der Ferne zu erahnen. Vermutlich eine zivile Sklavenabordnung, wie sie häufiger in Grenznähe unter dem azurfarbenen Himmel vorbeimarschierte, vermutete die Uniformierte. Vielleicht schleppten die Leibeigenen Brennholz in die Hügel, wo Arbeiter an großen Essen eiserne Angriffsmaschinen für den Feind fertigten. Oder die Träger brachten Lebensmittel für die Schaffenden. Die Beobachteten hielten sich wohlweislich außerhalb der Schussweite.

Hohe Rauchsäulen zogen verräterisch gen Himmel, wo emsig geschmiedet und gegossen wurde. Hin und wieder hatte die Soldatin von ihrem Wachposten aus auch beobachtet, dass Kampfsklaven am Horizont marschierten. Dieses „Säbelrasseln“ sollte die Ledanier wohl einschüchtern. Aber so schnell würde sich auch eine gewaltige Armee nicht an die verstärkten Grenzanlagen trauen. Der Soldatin lief selbst ein kalter Schauder den Rücken hinab, wenn sie an die Gräben mit den spitzen Speeren und eisernen Dornenhaufen dachte, die Fallgruben, die sogar ganze Trolle verschlingen würden, die Katapulte mit den Brennballen und Findlingen, die ledanischen Soldaten und Soldatinnen mit ihren Langbögen, Armbrüsten und der riesigen Arbalest, die bereits im jüngsten Krieg einen Troll zerschmettert hatte. Trotz aller Verteidigungsmaßnahmen aber war der Soldatin nicht so ganz geheuer. Damals war der vorgelagerte Stadtstaat eine gute Pufferzone und sorgte mit den gigantischen Stadtmauern für einen Schutz einem Bollwerk gleich. Die Heimat war geschützt wie der Honigtopf einer Jungfrau; doch nun stand der Feind direkt vor der Türe. Sie ballte die Faust, machte sich Mut und grummelte verbittert: „Packt euch nur her, ihr Geschmeiß, und wir werden euch niedermachen!“

Auf der Innenseite der Grenze marschierte eine Abordnung ledanischer Soldaten im Gleichschritt entlang. Ihre silbernen Rüstungen klapperten laut und glitzerten in der heißen Sonne. Senkrecht in die Luft hielten sie ihre langen Lanzen. Mit Spangenhelm und Schildbuckel sowie den Harnischen geschützt, marschierten sie zu einem Übungsplatz in der Nähe, in der auch ein Feldlager aufgestellt worden war. Etwa jeder vierte Soldat war ein Weib, bei den Befehlshabern sogar jeder zweite. Es herrschte grundsätzlich Gleichberechtigung zwischen Mann und Weib. Leda ließ weder patriarchalische noch matriarchalische Auswüchse zu und verbannte solch Launen. Eine Offizierin erwartete die Abordnung bereits auf ihrem Grauschimmel, dessen Nasen- und Stirnriemen mit Metalldornen verziert waren. Die Reiterin trug schenkelhohe Stiefel, lederne Beinkleider und eine Bluse unter einem ärmellosen Samtwams mit dicken Bronzeknöpfen. Am sich hellblau und rein wölbenden Himmel schrien drei Krähen flatternd umher, als wollten sie die blechernen Menschen am Boden zur Eile drängen. Die neuen Soldaten hatten noch einige schweißtreibende Trainingsstunden mit den Holzschwertern und Stäben vor sich, bevor sie mit scharfen Waffen kämpfen durften.

Aus ganz Ledanien hatten sich hunderte Freiwillige gemeldet, um ihre Heimat zu verteidigen. Trotzdem war die ledanische Armee hoffnungslos in der Unterzahl gegenüber den Unmengen von Kampfsklaven der cassandrischen Aggressoren, die wie eine Heuschreckenplage über den Alten Kontinent herfielen. Ledas einzige Zuversicht galt den ausgefeilten Verteidigungswällen und Schanzen. Als die neuen Rekruten unter den Kommandos der Offizierin neben den sechseckigen Zelten auf einer Wiese schwitzten, exerzierte eine Brigade auf dem großen Lehmplatz des Lagers unter den exakten Anweisungen einer weiteren Reiterin. Die Frau trug karmesinrote Stoffgewandung und darüber ein kurzes brüniertes Kettenhemd, obendrein einen dunkelblauen Umhang, der mit einer Silberbrosche gehalten wurde, die zwei miteinander verschlungene Drachen darstellte. Auf dem Umhang prangte groß und in goldgelb das ledanische Wappen. Die hohen schwarzen Stulpenstiefel steckten in den silberfarbenen Reitbügeln und glänzten wie frisch gewichst.

Das hohe schwarze Ross, auf dem sie saß, war mit einem weißen Mantel umgeben, aus dem die Ohren aus zwei Löchern hervorschauten. Das Zaumzeug war aus schwarz gegerbtem Leder und mit funkelnden Nieten verziert. Das Weib trug sein mittellanges Haar zu einem strengen Pferdesch****z nach hinten gebunden. Um die Hüfte war ein Waffengurt mit einem Schwert geschlungen. Die Reiterin wollte sich nach den Fortschritten der debütierenden Rekruten erkundigen. Angeblich waren darunter zwei Mann, die mit dem Schwert umgingen wie erfahrene Kämpen. Sie näherte sich den zwei Handvoll Neulingen. Dem Vollblut unter ihrem Sitz war das heiße Temperament anzumerken. Das Pferd war nicht etwa nervös; seine unbändige Energie ließ es beben und schnaufen. Aber die Gardistin und Oberste der ledanischen Streitkräfte beherrschte das Tier perfekt.

Nike sprang aus dem Sattel und wurde von der Offizierin begrüßt. Diese ließ zwei der Soldaten vortreten. Die Gerüsteten kamen im Eilschritt herbei und verbeugten sich zackig und in ledanischer Art und Weise nur knapp vor der Obersten. Nike nickte anerkennend. Die Männer sahen groß, kräftig und gewandt aus. Und mit dem Schwert waren sie offensichtlich wahre Künstler. Vielleicht würde sie das Duo in die Leibgarde aufnehmen. Solch Talente waren stets willkommen. „Könnt ihr auch mit der Pike kämpfen?“, erkundigte sie sich interessiert. Auf einen schnellen Wink liefen zwei andere Soldaten herbei, eine davon ein Weib, und brachten zwei Piken herbei. Die Neulinge packten jeder einen der Stäbe und stellten sich fünf Schritt voreinander auf. Auf ein Zeichen Nikes begannen sie aufeinander einzustürmen. Die Piken stießen nicht nur oder schlugen aufeinander, sondern wirbelten wie Windmühlen im Sturm. Gleichzeitig nutzten die Männer auch ihre Füße und Knie, die Arme, drehten agil ihre Körper, sprangen vor Schlägen hoch, zur Seite oder duckten sich.

So eine Kampfart hatte Nike noch nie zuvor gesehen. Als nach längerer Zeit noch keiner der beiden Rekruten unterlegen war, beendete die Oberste das Duell mit einem Pfiff und Handzeichen und rief nach zwei weiteren Soldaten. Die erfahrenen Männer würden nun, ebenfalls mit Piken, gegen nur einen der Debütanten antreten – zugleich. Und Nikes Hoffnung wurde wahr: Nach wenigen Augenblicken lagen beide Soldaten stöhnend am Boden. Die Probe wiederholte Nike mit dem anderen Neuling. Und auch dieser bestand die Prüfung mit Bravour, obwohl der zweite Soldat, nachdem der erste bereits hilflos im Staub ächzte, den Gegner mit einem unehrenhaften Tritt zwischen die Beine kampfuntauglich hatte machen wollen; aber dieser wirbelte in Windeseile um die eigene Achse und knallte dem Angreifer von unten das stumpfe Ende der Pike gegen dessen eigene Männlichkeit.

Jaulend ging der Kontrahent mit scheelem Blicke zu Boden. Nikes Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie hatte den feigen Trick erkannt und fühlte nun Schadenfreude, dass es den Kerl auf gleiche Weise niedergestreckt hatte. „Die zwei kommen mit zur Bastion. Bringt ihnen Rösser!“ Die anderen Anfänger sahen den beiden neidisch hinterher. Was die wohl in der Bastion erwartete? Feiner Zwirn, glänzende Uniform und edelste Waffen. Dazu bestes Essen, Met und ein warmes Bett bei den Gardisten. Die Zurückbleibenden stellten allerlei Mutmaßungen an.

Der Königsgemahl Abas goss sich gerade aus einem Zinnkrug frisches, schäumendes Honigbier in einen Becher, da erschien eine Zofe in Kleid und Schürze. Die Haare waren nach ledanischer Tradition für weibliche Dienstboten zu einem aufgedrehten Zopf unter einem weißen Häubchen verdeckt. „Verzeiht mir, Königsgemahl, dass ich störe. Aber mich schickt Majestät nach einem Handspiegel.“ Abas zeigte der Zofe mit einer gütigen Handbewegung an, dass sie eintreten und das Gewünschte holen dürfe. Immerhin saß er in Ledas privatem Gemach, in dem sie sich gern zur Lektüre von Pergamenten und Folianten zurückzog.

Durch das große, mehr als mannshohe Bleiglasfenster tauchte die Sonne den Raum in einen warmen, hellen Ton. Abas beobachtete von seinem purpurrot gepolsterten Scherenstuhl, wie die Zofe über die schweren Teppiche, die über den dicken Holzdielen lagen, schritt und sich zu einer Truhe bückte, sie öffnete und darin wohl den Spiegel suchte, nach dem Leda verlangte. Zunächst holte sie ein Linnentuch hervor und legte es beiseite. Abas merkte, wie das pralle Hinterteil der Zofe seinen Blick anzog. Ein wahrer Lichtblick, diese runden Backen einem saftigen Apfel gleich. Wäre er ein einfacher Bursche, so würde er um dies unschuldig Herz Tag und Nacht freien. Da spürte er, wie sich sein Luststab rührte. Wenn er es geheim hielte… Eine Zofe würde dem Königsgemahl nichts ausschlagen… Eine Zofe würde niemandem davon erzählen und sich gewisse Vorteile davon versprechen…

Abas leckte sich nervös über die Lippen. Sollte er Leda hintergehen? Als die Zofe sich mit dem Spiegel zurückziehen wollte und zum Abschied vor Abas schüchtern knickste, befahl der Königsgemahl scheltend: „Wartet! Nehmt den Feudel dort und wischt den Fleck auf dem Boden weg.“ Die junge Zofe sah sich verwirrt und roten Bäckchen um. Die Teppiche waren sauber. Wo hatte der Königsgemahl einen Fleck gesehen? Sie kniete nieder und suchte angestrengt, fand aber keine Verschmutzung. Abas kam näher und zeigte auf eine Stelle, die einen Falkner bei der Beiz darstellte, mehrere Jäger und eine Hundemeute. Ein Rankenmuster umrahmte die Darstellung auf dem geknüpften Kunstwerk. Die Zofe erkannte immer noch keine Verfärbung, aber sie begann mit dem Feudel zu wischen und zu reiben. Abas schmunzelte, als er hinter dem jungen Weibe stand und ihr Hinterteil beobachtete, wie es in der Wischbewegung hin und her schwankte. So verführerisch, so einladend.
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:02.12.22 18:41 IP: gespeichert Moderator melden


Zur gleichen Zeit erhielt der Medikus und Alchemist Aphron seinen Wochenlohn vom Zahlmeister der Königinnengarde ausgehändigt. Ein breites Grinsen verzauberte sein Gesicht. Nun war sein Münzbeutel endlich voll genug, um einen Schmied zu beauftragen, diesen eisernen Fluch von ihm zu nehmen. Was würde er sich mit Mägden und Weibsbildern aller Art vergnügen! Endlich frei! Der schönste Tag seines Lebens! Er ging in den Kräuterraum, wo Dutzende Tiegel und Töpfe, Phiolen und tönerne Amphoren, Fläschchen und Ampullen in Regalen dicht an dicht aufgereiht waren. Für fast alle Zipperlein hatte Aphron hier nach den alten Rezepten des Caduceus Salben, Tinkturen, Abgüsse und Essenzen gemischt und gebraut. Doch hinter einer kleinen Truhe versteckt, ganz hinten im untersten Fach des linken Regals, streckte er seinen Arm nun nach einer Flasche aus, die in einem Weidenkorbgeflecht eingebunden war.

Diese geheime „Medizin“ bestand aus Aprikosenbrandwein. Er entkorkte die Flasche und roch genüsslich daran. Dann setzte er sie an die Lippen. „Auf die Freiheit!“, prostete er sich selbst zu und nahm einige tüchtige Schlucke. Ein Lächeln huschte über seinen Mund. Noch heute wollte er zum Schmied im benachbarten Dorf reiten, denn in der Burg wusste nicht jeder von seiner eisernen Hose. Und dabei sollte es auch bleiben. Er legte sich seinen Umhang um, band ihn mit der bronzenen Brosche zu und beeilte sich, zum Stall zu laufen. „Bursche“, rief er den Knecht an, der daselbst gerade Mist mit einem Rechen harkte, „sattle mir meinen Klepper. Ich muss ins Dorf, nach den Siechen sehen.“

Ganz gelogen war dies nicht. Der königliche Medikus sorgte sich auch um Bedürftige des Umlandes. Wer seine Dienste nicht entlohnen konnte, wurde kostenlos behandelt – so lautete das Gesetz der Leda. Da war beispielsweise ein ehemaliger Grenzsoldat am berüchtigten „Antoniusfeuer“ erkrankt, und Aphron führte Waschungen und Alkoholkuren aus. Bei der Gelegenheit prüfte er dann die Qualität und Wirksamkeit des Schnapses, die der Mann im Hause selbst brannte, und nahm umfangreiche Proben mit, wie er stets betonte. Ein anderer Patient litt regelmäßig an starken Bauchkrämpfen. Aphron verordnete ihm Einläufe mit Kamillenextrakt und eine einmonatige Abstinenz jeglichen Beischlafs gegen das Grimmen.

Als er vernahm, dass der Mann, ein cholerischer Büttel, derb und ruppig zu seinem Weibe war, fügte er noch kleine Mengen Hahnenfuß und Wasserschierling hinzu. Außerdem sollte der Mann stündlich einen Aufguss aus einem Tee trinken, den Aphron mit Bittbohnen versetzt hatte. Der Medikus hatte mit seinem alten Abakus genau errechnet, welche Dosen ungefährlich waren und trotzdem zu fürchterlichem Durchfall und Erbrechen führen würden. Ein Schmunzeln stahl sich auf seine Lippen. Der Grobian hatte die Behandlung verdient!

Anschließend machte er sich auf den Weg zum Dorfschmied am Ende einer Gasse. Diskret flüsterte er ihm sein Begehr zu. Der Schmied war ein kräftiger Recke mit vernarbter, dicker Lederschürze, einer breiten Brust und einem dicken Bauch. Mit einem leicht spöttischen Grinsen hob der Schmied das mächtige Kinn und zeigte mit der kraftvollen Pranke an, Aphron möge seine Beinkleider hinab gleiten lassen. Der Kunde sah sich unwohl in dem Raum um. Nach Zuschauern dürstete ihn gewiss nicht. Aber niemand sonst war zu sehen. Aphron löste also notgedrungen seinen Gurt und zeigte dem Schmied den Keuschheitsgürtel, den er schon so lange Zeit trug, und der seit seiner Flucht aus Helenas Harem verschlossen war.

Der Meister des Eisens rieb sich über das vorstehende Kinn und hinterließ dort schwarze Spuren auf den Bartstoppeln. „Das kostet Euch aber eine Kleinigkeit. Habt Ihr genug Münzen dabei, Kerl? Zeigt sie her! Ich habe keine Lust, meine Zeit mit einem Herumlungerer zu vertändeln.“ Aphron zückte seinen Beutel. Seine Lippen zogen sich zu einem geraden Strich zusammen. Was für ein arrogantes Arschloch, dachte er. Der Medikus kippte einige Silbermünzen in seinen Handteller. „Genügt dir das?“, frug er hochnäsig. „Wenn du geschickt bist, sollst du noch eine Münze als Bonus erhalten.“ Der Schmied war wie ausgewechselt. Ein breites Grinsen zeigte seine schiefen Zähne. „Aber natürlich, mein werter Herr. Ihr werdet ausgesprochen zufrieden mit meiner Arbeit sein.“ Jetzt hatte Aphron Oberwasser und meinte blasiert: „Und halte deine Zunge im Zaum. Als Herumlungerer bin ich noch nicht ungestraft betitelt worden.“ Der Schmied machte ein entsetztes Gesicht: „Oh, mein Herr! Verzeiht diese Entgleisung! Doch gab es in den vergangenen Wochen leider oftmals dubiose Gestalten, die kostbare Schmiedearbeiten in Auftrag gaben und ihre Zeche dann schuldig blieben. Entschuldigt bitte mein unwissendes Geschwätz. Ich hätte sofort auf den ersten Blick erkennen müssen, welch edler Edelmann…“ Aphron unterbrach den Wortschwall: „Plaudere nicht! Schmiede! Heize deiner Esse ein und sorge für Funkenschlag! Hole Zange und Meißel, was auch immer, aber erlöse mich von diesem Fluch!“

Ganz so hurtig, wie Aphron es sich wünschte, wurde seine Befreiung dann doch nicht in die Tat umgesetzt. Der Schmied musste gebogene Holzstücke in den Keuschheitsgürtel schieben, um die Männlichkeit vor der Hitze zu schützen. Mit glühender Zange brach der Kraftmensch dann das Schloss auf, vorsichtig, denn eine falsche Bewegung, Berührung, ein Abrutschen oder Verbiegung hätte fatale Folgen gehabt. Aphron schwitzte vor Angst, kniff Mund und Augen zusammen, hielt den Atem an. Wann war der Schmied endlich fertig? Schlagartig krachte es. Und dann war ein Geräusch zu hören, als säge der Mann durch Knochen. Aphron ging es durch Mark und Bein, und er wollte schreien, aber dann sah er hinab und öffnete erstaunt den Mund: Der Keuschheitsgürtel war ab!

Ungläubig griff sich der Medikus zwischen die Schenkel und ertastete seine Männlichkeit. Oh, was für ein süßes Gefühl! Welch Herrlichkeit! „Oh!“, hörte er plötzlich eine weibliche Stimme, und sein Herz setzte für einen Schlag aus. Abrupt drehte sich Aphron zur Seite und bedeckte seine Blöße mit den Händen. Vor ihm stand eine nun ungeniert kichernde junge Magd, der Gewandung nach zu urteilen. Der Schmied schaute grimmig zu dem Weibe und brummte: „Geh die Gänse rupfen. Du weißt, dass wir jetzo Besuch bekommen!“ Die junge Frau verschwand so schnell, wie sie erschienen war. Ein verschmitztes Lächeln huschte über ihre süßen Lippen, und ihre Augen funkelten glitzernd auf. „Ja, Vater.“

Aphron atmete erleichtert aus. Die Tochter des Schmiedes hatte hoffentlich nichts von der Befreiungsaktion gesehen – oder gar sein Gemächt. Doch im nächsten Moment war der Schreck schon wieder hinfort. Ein anderes Gefühl ermächtigte sich seiner. Diese Schmiedetochter war ein gar hübsches Ding, schwärmte Aphron. Sie feuerte seine Lenden an. Und wenn er ihre Blicke richtig gedeutet hatte, war sie nicht abgeneigt… Nun, das würde er bald sehen. Nur der Schmied durfte nichts davon erfahren. So grimmig, wie er aussah, würde er einem Bewerber seiner Tochter dessen Männlichkeit in einen Keuschheitskäfig schmieden, der ganz ohne Schloss auskam...

Aphron dankte dem großen, kräftigen Mann mit seiner Lederschürze, verabschiedete sich und schlich um die Schmiede herum. Irgendwo musste doch diese süße Maid sein. Wo war sie wohl hin? Gab es einen Gänsestall? Leider sah er weder Stallung noch Wiese. Aphron wurde von der jungen Dame angezogen wie eine Biene vom Nektar. Aber wie konnte es auch anders sein? Nach so langer Zeit der Abstinenz? Und als ausgebildeter Liebesdiener noch dazu? Er würde sich und ihr die höchsten Genüsse bereiten. Aphron war wie verzaubert von dem Gedanken.

Derweil genoss Statthalterin Vesta in der fernen Metropole die Massage von zwei Sklaven. „Fester!“, forderte sie. „Nicht so lasch!“ Doch wenige Momente später schrie sie auf: „Au! Du Tollpatsch! Willst du mir das Fleisch von den Knochen reißen?“ Sie sprang auf und versetzte dem Sklaven, der ihren hinteren Oberschenkel gegriffen hatte, eine kräftige Ohrfeige. Der Leibeigene fiel augenblicklich schlotternd vor Angst auf die Knie und berührte mit seiner Stirn den Marmorboden. „Verzeiht mir, hohe Vesta! Bitte, habt Erbarmen mit meiner Ungeschicktheit! Ich bin es nicht würdig…“ Die Statthalterin unterbrach ihn unwirsch. „Allerdings bist du Wurm es nicht würdig!“ Erst jetzt merkte sie, dass ihr das schneeweiße Seidentuch beinahe entglitten war, das ihre Blöße bedeckte, und raffte es wieder vor ihren Leib. Dann stellte sie einen Fuß auf den Nacken des Sklaven. „Das wird dich teuer zu stehen bekommen!“

Der andere Leibeigene kniete abseits und wünschte sich, unsichtbar zu sein. Vesta rief nach einer Palastwächterin. „Bringt mir die Peitsche!“ Dann beugte sie sich zu dem unglücklichen Sklaven hinab und gab flüsternd mit wölfischem Lächeln kund: „Heute Abend wird dein scharlachroter Arsch und das fahle Silberlicht des Vollmonds um die Wette leuchten.“ Sie grinste den Armen an. Manche Kreaturen zogen die Geißel an, wie Pferdedung die Fliegen. Kurz darauf erschien eine Wächterin in feinster Lederuniform und brachte der Statthalterin eine Lederriemengeißel, in deren geflochtenem Griff Vestas kunstvoll gestaltetes Monogramm eingearbeitet war. Sie liebte diese Peitsche, die schon so viele Jünglinge zum Singen und Tanzen gebracht hatte.

Da eilte eine Duxa in einem Gambeson mit aufgestickten Wimpeln forschen Schrittes herbei. Vesta sah sie ungnädig an. Wenn die Offizierin es wagte, die Statthalterin in persona unangemeldet zu stören, musste es sich um eine gewichtige Botschaft handeln. Und fürwahr: Ein Briefrabe hatte eine königliche Urkunde von Cassandra gebracht. Die Königin war mit den höchsten Duxas und einer Delegation Maluspriesterinnen samt gewaltiger Streitmacht gen Westen gezogen, um gemeinsam mit den Truppenverbänden des ehemaligen Stadtstaates der Prodita einen finalen Kriegszug gegen Ledanien zu führen, wie ihn der Alte Kontinent noch nicht erlebt hatte. Tausende Kampfsklaven und 16 Trolle, die jedem Gegner größte Angst einflößten, sollten um die Grenzen Ledaniens postiert werden und marschierend singen und ihr huldigen: „Ob in Freude oder Not, wir gegen den Feind – bis in den Tod.“

Schon seit geraumer Zeit waren mächtige Essen in der Umgebung des Stadtstaates errichtet worden, um riesige Angriffsmaschinen zu bauen. Hunderte Arbeitssklaven schufteten allein Tag und Nacht für diese Konstruktionen. Gehämmer von dicken Nägeln, die sich in Holzbohlen bohrten, kreischende Metalle, die geschmiedet wurden, schwarze Rauchwolken, die sich in den Himmel drehten, voluminöse Gestelle, die unter großen Planen verdeckt blieben, damit sie nicht jedem Auge gewahr wurden – nur ausgesuchte Offizierinnen wussten über die Kampfgeräte genau Bescheid. Der Grund hinter einem Hügel, und damit vor neugierigen ledanischen Spähern sicher, breitete sich zur größten Rüstschmiede des Reiches aus. Leuchtende Florwiesen waren längst niedergetrampelt und zu einem matschigen Schlammfeld verkommen, auf dem die Kreaturen liefen und die schweren Gerätschaften rollten und schoben. Knallende Peitschen trieben sie in ihrem Tun an.

Endgültig sollte Leda vernichtet werden. Und dazu benötigte Cassandria Waffen, wie sie es zuvor nie gegeben hatte. Nach von Briefraben übermittelten Anweisungen der obersten Hohepriesterin Tagara entstanden daselbst Gerätschaften wie Ausgeburten der Hölle. Damit würden selbst die vermeintlich unüberwindbaren Grenzwälle Ledaniens überrollt werden können.

Vesta sollte aus der Hauptstadt der Cassandra nunmehro die politischen Geschäfte leiten und eine Stellvertreterin als Statthalterin für die Metropole ernennen. Vesta wählte eine Gefolgin, derer sie sich sicher sein konnte. Eine opportune Gans, die ihren Hals stets nach der höchsten Fahne verdrehte und ihr quasi hörig war. Vesta rief ihre Kammersklaven, um ihr Gepäck zusammenstellen zu lassen. Schmuck, Geschmeide, Gewänder, Kleider, Stiefel, Spiegel und viele andere Utensilien, ohne die sie nicht sein wollte. Am nächsten Tag brach Vesta zum Palast der Cassandra auf.

Eine pompöse Sänfte riesigen Ausmaßes, getragen von zwei Dutzend Sklaven, die alle zwei Stunden ausgewechselt wurden, bewegte sich in einem Tross aus berittenen Duxas und einem Trupp Centurias sowie einer Einheit Kampfsklaven über die Straße. Das Blattgold der Sänfte glänzte und blendete in der flirrenden Mittagssonne. Hinter den Gazetüchern ihres Seidendiwans lag Vesta auf einem Ellenbogen, das Haar gelöst. An ihrem Unterarm trug sie zahlreiche Goldreife; Goldringe mit Edelsteinen schmückten ihre grazilen Finger. Vesta nippte an einem Kristallkelch. Unmittelbar darauf verschluckte sie sich an dem Apfelwein und hustete. Ihr war gerade eingefallen, dass sie in aller Eile vergessen hatte, den ungeschickten Burschen, der sie so gequält hatte, zu bestrafen. Sofort griff sie nach dem Holzstiel, an dessen Ende ein Glöckchen geschraubt war und läutete.

Rasch erschien ihr Reisediener. „Edle Hoheit! Wie darf ich Euch zu Diensten sein?“, frug der Leibeigene unterwürfig und lauschte, was ihn wohl hinter dem Vorhang erwartete. Eintreten in die große Sänfte war ihm ohne ausdrückliche Erlaubnis nicht gestattet. Darob schritt er nun eilig neben ihr her und horchte auf Vestas Worte. Die Statthalterin reckte und streckte sich. Wie strapaziös solch Reise war! Warum mussten die tölpelhaften Träger so schaukeln!? Sie gab dem Mann die Anweisungen für eine Berittene, die einen Briefraben in die Metropole schicken solle, die versäumte Bestrafung des Sklaven nachzuholen. Vesta ordnete drei Dutzend Peitschenhiebe durch zwei im Wechsel zuschlagende Gerichtssklaven an. „Anschließend soll der Sünder im tiefsten Kerker auf meine Rückkehr warten“, sinnierte Vesta laut vor sich hin und hob ihr Näschen hoch in den Himmel. „Und die schwerste Büßergeige, die man findet, soll er tragen“, fiel ihr ergänzend ein. Ein drollig Bild entstand in ihrem Köpfchen.

Zufrieden mit sich und der Welt pflückte sie eine Weintraube von einem Bündel, das in einer Silberschale lag, und ließ sie in ihren kleinen Mund fallen. Schmatzend zerbiss sie die Frucht und genoss die Süße, die sich auf Gaumen und Zunge ergoss. Bald würden die Strapazen ein Ende haben. Dann würde sie erst einmal ein wunderbares Bad nehmen und den Staub der Reise von sich waschen. Der Palast der Cassandra! Dagegen war der Regierungssitz, den sie von ihrer Mutter Fama geerbt hatte, eine armselige Hütte. Und Aurora! „Schwesterherz“, lächelte sie. Sie würde ihre Schwester wiedersehen.

Die Sänftensklaven wurden von den berittenen Centurias geschunden. Vesta hatte den Befehl ausgegeben, das Reisetempo zu erhöhen. Die Rücken und Gesäße der Männer waren mit roten Striemen übersät. Nassgeschwitzt schleppten sie das monströse Tragegestell vorwärts. Die abgelösten Sklaven mussten laufend ihren Haferschleim essen. Alle Pausen waren gestrichen. Voller Entsetzen rechneten sich die Männer aus, wie oft sie noch die schweren Holzgriffe packen mussten, wie viele Meilen ihre mit Blasen geplagten Fußsohlen noch über staubige Straßen zu marschieren hatten, wie lange die brennende Sonne noch mit ihrer glühenden Hitze auf ihre fast nackten Körper stach.

Vesta formte einen Sehschlitz zwischen dem Vorhang ihrer Sänfte und lugte hinaus. Sie betrachtete die Träger, als seien diese widerwärtige Insekten, die sich in ihrer Nähe niederlassen wollten. Schmutzig, schwächlich, lustlos – diesem Abschaum sollte man Respekt vor der Statthalterin einbläuen! Vesta schnaubte arrogant und nahm sich vor, die Leibeigenen in der Hauptstadt austauschen zu lassen. Diese Sklaven hier gefielen ihr nicht. Zumindest hatte sie sich an ihnen satt gesehen. Sollten sie auf die Zuckerrohrplantagen oder in die Minen! Hoffentlich hatte Cassandra einen schönen Harem dagelassen. Sie konnte auf Kriegszug ja nicht alle ihre Liebesdiener mitnehmen!

Vesta grübelte und fasste sich an ihre Pelzstola, riss sie von ihrem Hals und schleuderte sie zu Boden. Es war hier viel zu heiß für Tand wie diesen Nerzkragen! Die Edeldame rief erneut nach ihrem Reisediener. „Verschaffe er mir Abkühlung! Luft! Ich brauche kühle Luft! Die drückende Schwüle ist ja unerträglich! Beeil er sich, Tölpel!“ Bald darauf stieg ein Sklave mit einem großen Palmwedel in die Sänfte. Der Leibeigene war auf die Schnelle gewaschen, parfümiert und instruiert worden, wie er sich als Leibdiener zu benehmen habe. Verunsichert und ängstlich hockte er nun vor dem Diwan auf dem Boden der geräumigen Sänfte und war erschlagen von dem Pomp und Prunk des Innenlebens des feinen Domizils, welches er sonst nur von außen kannte.

Die Statthalterin sah der Sklave zum ersten Mal aus solcher Nähe. Wie wunderschön sie war, schwärmte er und vergaß fast das Wedeln. Diese rubinroten Lippen bannten seinen Blick. Vesta beachtete den jungen Mann nicht, sondern griff nach einer Schale mit kleinen Honigküchlein und biss ein Stückchen ab. Aber eigentlich war sie satt und warf den Rest gelangweilt hinter sich zu Boden. Vernehmlich knurrte der Magen des Leibsklaven. Vesta horchte auf. „Was war das? Hat da jemand Hunger?“, frug sie in überraschtem Tonfall. Der Sklave wusste nicht, wie und ob er antworten durfte. „Nein, Hohe Majestät“, sagte er stammelnd und fühlte einen Schweißfilm auf seinem Gesicht.
Vesta kicherte. „Ich bin Statthalterin und keine Majestät, Dummkopf!“

Der Sklave zitterte und öffnete den Mund, aber es kam kein Laut heraus. Die Furcht hatte in seinen Magen geschlagen. Vesta befahl schnippisch: „Weg mit dem Wedel!“ Sie senkte ihre Stimme. „Weißt du, wie man ein überdrüssiges Weib glücklich macht?“ Sie grinste ihn auf eine Weise an, die ihm die Schamesröte ins Gesicht schießen ließ. Vesta seufzte laut auf. „Komm näher! Muss ich es dir etwa erst erklären, du Nichtsnutz?“ Der Sklave schluckte hart und näherte sich vorsichtig dem Diwan. Hätte er unaufgefordert solche Nähe zu der Statthalterin gesucht, wäre er ergriffen, gezüchtigt und vermutlich für den Rest seines Lebens in einen Kerker geworfen worden. Jetzt kniete er direkt vor Vesta, die ihre Schenkel in ihrem weiten Rüschenkleid spreizte. „Komm näher!“, wiederholte sie ihre Forderung und zeigte mehr Haut, als es jemals den meisten Personen vergönnt war.

Die schwere Sänfte war nur einen Bogenschuss vorwärts gekommen, da tauchte der Schopf des Sklaven bereits in dem Seidenkleid der Vesta nach der nassen Weiblichkeit. Der Leibeigene befolgte die Anweisungen der erfahrenen Liebhaberin, die vor Wonne maunzte. „Wie gefällt dir der Schmaus?“, wollte Vesta zwischen ihrem Luststöhnen erfahren. Der Sklave hatte nie zuvor auf diese Weise bei einem holden Weibe gelegen. Schlagartig riss Vesta ihr Kleid hoch und stieß den Kopf weg. „Warte! Ich will dich in mir spüren!“ Sie nestelte hastig an seinem Lendenschurz und pochte gegen Metall. Vesta sah einen Wimpernschlag lang verwirrt auf die eiserne Hose. Als sei ihr entfallen, dass alle Männer in Cassandria Keuschheitsgürtel tragen mussten. „Wer hat den Schlüssel?“, wollte sie fast atemlos wissen. Der Sklave sah sie mit großen Augen an. Er hatte keine Ahnung. Seit Monaten war er verschlossen. Vielleicht hatte die Sklavenhändlerin, die ihn damals an den Hof der Metropole verkauft hatte, den Schlüssel gar nicht abgegeben.








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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:02.12.22 23:23 IP: gespeichert Moderator melden


Sehr schön erzählt! Wieviel dir immer wieder einfällt,dazu ist das Ganze spannend wie ein Krimi!

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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:11.12.22 11:23 IP: gespeichert Moderator melden



Vestas hübsches zartes Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze. Sie schrie gellend nach einer Duxa. Sofort teilte sich der Vorhang und eine Uniformierte erschien mit gezogener Klinge. Die Statthalterin zeigte auf den Keuschheitsgürtel des Sklaven. „Macht ihn auf!“ Die Duxa steckte das Schwert ein. „Edle Vesta, ich fürchte, dass die Schlüssel für die Keuschheitshosen in der Metropole aufbewahrt werden.“ Vesta ächzte, als schnüre ihr jemand die Kehle zu. Dann quetschte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Wenn der Keuschheitsgürtel nicht innerhalb der nächsten Meile geöffnet ist, werde ich dich in einen sperren lassen und den Schlüssel in den tiefsten Brunnen werfen, den ich finden kann! Deinen Stand als Duxa kannst du dann ebenso suchen gehen.“ Die Duxa schluckte. Dann komplimentierte sie den Sklaven mit einer herrischen Bewegung aus der Sänfte. Während Vesta sich auf ihrem Diwan bequem zurücklehnte, blieben die Duxa, der Leibeigene und zwei Kampfsklaven zurück.

Kurz darauf echote eine schrille Männerstimme von der Bergwand zu ihrer Linken wider. Zwei kräftige Soldaten bogen und brachen mit Eisenstangen an dem Keuschheitsgürtel herum. Die Duxa versprach den Soldaten: „Öffnet ihr den Gürtel schnell, so sollt ihr eine Belohnung erhalten. Schafft ihr es nicht, so werde ich eure Schlüssel in den tiefsten Brunnen werfen, den ich finden kann! Und eure Männlichkeit werde ich…“ Aber weiter kam sie nicht, denn schlagartig gab das Metall nach und bog sich an einer Stelle durch, so dass die Männer es mit einem Hebel noch weiter verdrehen und schließlich von dem Sklaven entfernen konnten, der nur leichte Blessuren und einige Schrammen erlitten hatte, aber vor Angst um sein Gemächt fast gestorben wäre. „Sitz hinten auf, Sklave!“, befahl die Befehlshaberin dem nun splitternackten Jüngling. Er hüpfte mit einem kraftvollen Satz auf das Ross. Die Uniformierte preschten zurück zur Kolonne mit der Sänfte und brachte Vesta den Befreiten.

Die Herrin betrachtete die ausgeprägte Männlichkeit und spürte, wie der Anblick ihre Verärgerung hinweg küsste. „Duxa. Keine Störungen!“ Der Leibeigene sah erschrocken auf seinen ausgefahrenen Liebesstab. Angst, Unsicherheit und Erleichterung, ja sogar Wonne, vermischten sich. Was für ein wundervolles Gefühl, und doch war es so sonderbar! War die Befreiung schon unbeschreiblich schön gewesen, so war das Verlangen und dieses… Die aristokratische Dame unterbrach seine Gedanken: „Los! Komm schon her! Ich sehe, du hast gar tüchtig Gefallen an deiner Freiheit gefunden! Oder gar an mir, du ungezügelter Bengel?“ Ihre Augen waren Schlitze. Sie betrachtete den Leibeigenen wie eine Würgeschlange eine Maus fixieren würde, bevor sie blitzartig und erbarmungslos zuschlug.

In der Hinterkammer einer Schmiede war ein Mann war über ein junges Weib gebeugt, nahm es mit kraftvollen Stößen von hinten, während Schürze und Röcke weit auf den Rücken hochgeschlagen waren. Die Schmiedtochter stöhnte vor Begierde, und der Mann grunzte und stöhnte vor Lust, während er seinen Liebesdolch zwischen die blassen Schenkel rammte. Eine Hand packte nach der kleinen, festen Brust, die andere lag mal auf dem blanken Po, mal griff sie in das lange Haar der Frau. Doch fühlte das Weib dabei keine Pein, sondern sie empfand pure Gier nach einem Höhepunkt, genoss die harten Griffe und den Rammsporn, der sich in sie bohrte. Sie gierte nach dem heißen Samen, der ihr selbst ein vorzüglich Feuerwerk der Freuden entzünden würde…

Der Alchemist Aphron war so ausgehungert nach all der Zeit im Keuschheitsgürtel, dass ihn die süße Tochter des Schmiedes nur zu leicht betört hatte. Er spürte schon, wie er sich in ihr entladen wollte, da starb er fast eines Herzschlages, als die Tür zur Kammer aufgerissen wurde und der breitschultrige Schmied, bewaffnet mit einer Saufeder in seinen breiten, schwieligen Händen, hereingestürmt kam. Aphron stöhnte frustriert und entsetzt auf und hielt seine Hände schützend vor sich und seine Männlichkeit. Die Tochter des Schmiedes raffte hastig ihr Kleid zurecht und flehte: „Ich habe ihn verführt! Seid nicht erzürnt! Es ist alleine meine Schuld.“ Aber der Schmied sah nicht so aus, als würden ihn die Worte besänftigen. Im Gegenteil: Er holte mit seiner kurzen Lanze aus und verharrte, als Aphron seine Arme schützend um seinen Kopf legte und sein Todesurteil erwartete. „Ich sollte dir geilem Drecksbock dein Gekröse aus dem Leib… Aber ich sinne auf Verlockenderes.“

Er packte mit seiner Pranke den Alchemisten am Kragen dessen Wamses und hob ihn ohne Anstrengung in die Höhe, dass die Stiefel Aphrons in der Luft baumelten. So hilflos zappelnd - Aphrons Gemächt hing immer noch aus seinen Beinkleidern - trug der Schmied den erwischten Liebhaber aus der Kammer und bis in die Schmiede hinein. Mit einigen flinken Bewegungen hatte er Aphron ein Halseisen umgelegt, das an einer kurzen Kette in einem Wandring fixiert war. Aphron zerrte verzweifelt an der Kette und stammelte: „Bitte… Ich… Es ist nicht so, wie es aussah…“ Aber der drohende, finstere Blick des Schmieds ließ ihn verstummen. Endlich wurde Aphron bewusst, dass er seine Männlichkeit auf lächerliche Art und Weise präsentierte und nestelte diese schnell wieder in seine Hose. Der Schmied griff ein Schüreisen und ließ das vordere Ende in ein Eisenbecken mit glühenden Kohlen fallen, so dass Funken aufstoben. Das Knistern und Zischen ging Aphron durch Mark und Bein. Was hatte der Schmied mit ihm vor?

Wieder erschien seine Tochter, um ihn anzuflehen, Aphron kein Leid anzutun. Die finstere Miene des Mannes schien in der Tat ein wenig von seiner Düsternis zu verlieren. Auf seinen Zügen lag zwar noch Unzufriedenheit, aber diese begann, sich aufzulösen. Brummelnd betonte er: „Du weißt doch, dass Macritudo, der älteste Sohn des Gerbers, dir sein Herz zu Füßen legen würde, wenn du ihn endlich…“ Die Tochter fuhr ihm in die Parade: „Niemals! Dieser Flegel ist so mager wie dumm! Ein Lump! Und wenn er noch fünf Gerbereien erbt. Er wird mich niemals beflecken! Ich will einen Mann, der… der…“ Eine feine Röte zeigte sich auf dem zarten Antlitz des jungen Weibes. Der Schmied zog das nun orange glühende Eisenende aus dem Kohlebecken. „Am liebsten würde ich diesem…“ In bestimmtem Ton unterbrach die Tochter ihn. „Nein! Ich alleine entscheide, wer mein Nachtlager teilt! Und Aphron hat mein Herz bisher als einziger Mann entfacht.“ Sie setzte sich für ihn ein. War da mehr als nur ein kleines Abenteuer? Hatte sich die Süße in ihn vernarrt? Hoffnung keimte in dem Alchemisten auf. Konnte die junge Maid ihren Vater überzeugen?

Und wenn er in sich hineinhörte, bemerkte er da tatsächlich mehr als nur fleischliches Verlangen bei sich selbst. Es war seltsam. Er kannte immer noch nicht den Namen dieser Venus! Aphron fühlte in seinem Inneren mehr für das junge Weib, als ihm anfangs bewusst war. Seine aufgestaute Geilheit, durch die lange Zeit im Keuschheitsgürtel hatte ihn zu einem triebhaften Biest werden lassen. Jetzt fühlte er sich beschämt, das Maid so feste gepackt zu haben - zumal er als ausgebildeter Liebesdiener einem Weibe höchste Lust bescheren können sollte. Aber offenbar hatte er ihr Gefallen trotz seiner Grobheit erworben. Die Tochter sah ihren Vater fordernd an. Wenn Aphrons und ihre großen Augen sich trafen, dann waren da ein Glänzen und eine Kraft, die ihm ganz unbekannt war. War das etwa Liebe? Spielten ihre Herzen ein gemeinsames Lied von Zärtlichkeit, Zuneigung und Innigkeit?

Doch was nützte ihm das alles, wenn der Schmied ihn entmannte oder wegen Unzucht in einen Kerker werfen ließ? Was dräute ihm von dem Manne? Beim nächsten Satz des Schmieds fiel Aphron ein gewaltiger Stein vom Herzen: „Nun gut, du sollst nur glücklich sein, mein Liebes. Meinetwegen suche dir den liebreizendsten Burschen, den du finden kannst. Und ein Alchemist vom Königshofe ist solid und ja keine so schlechte Wahl…“ Aphron horchte auf: „Woher wisst Ihr…?“ Der Schmied grinste. „Meint Ihr, ich habe Euch nicht erkannt? Ihr tragt die Brosche der Alchemie. Außerdem ist das Geschirr eures Rosses mit königlichen Insignien geschmückt.“

Aphron schloss einen Augenblick die Augen. Wie hatte er so töricht sein können!? „Ihr habt Recht. Ich bin Alchemist und Medikus zu Hofe der Leda“, gab er zu. Vielleicht brachte ihm das einen Vorteil. Offenbar war der Schmied von seinem Stand angetan. Doch die nächsten Worte des Mannes ließen ihn frustriert aufstöhnen. „So soll es sein. Doch ich billige nicht, dass mein Schatz eine Brut aufzieht, dessen Vater sie verleugnet. Darob werde ich Euren so leicht entflammbaren Zipfel in einen Keuschheitsgürtel stecken und den Schlüssel meiner Forma geben.“ Aphron seufzte. Aber es hätte arger kommen können. Forma hieß die Schönheit also. Sie hatte sich in ihn verguckt. Da würde ein Aufschluss leichter sein als eine Daune im Wind. Er war sowieso regelmäßig als Medikus in der Umgebung. Da würde ein Besuch bei Forma eine freudige Abwechslung werden. Wie zur Versöhnung bot der Schmied ihm ein leckeres Mahl an, das nach Zimt und Vanille duftete. Der heiße Milchreis war auf Steinguttellern angerichtet. Eine feine Speise dieser Art hätte er in so einem bürgerlichen Hause gar nicht erwartet. Und sie mundete ihm die Beköstigung gar trefflich. „Labt Euch nur daran. Es ist genug da“, forderte der Schmied ihn auf, ordentlich zuzugreifen, und nickte ihm aufmunternd zu.

Schließlich kam der Schmied jedoch wieder auf das Thema Keuschheitsgürtel zu sprechen. Noch in der nächsten Stunde fertigte er eine ausbruchsichere Hose für Aphron, die ihn in erschreckender Weise an seine Zeit als Liebessklave der Helena erinnerte. Der Schmied überreichte seiner Tochter Forma den Schlüssel, den er ihr an eine versilberte Halskette gehängt hatte. Mit einem schalkhaften Schmunzeln sagte Forma zu Aphron: „So weiß ich, dass du mich bald wieder besuchst. Geh nun fort. Reite zurück zu deiner Königin.“ Aphron stöhnte leise. Ihr Versprechen hatte einen schalen Beigeschmack. Er hatte eigentlich gehofft, dass sich Forma noch heute mit ihm zurückziehen würde. Aber er nickte brav und stieg schweren Herzens auf sein Ross, um zur Burg der Leda zurückzutraben. Was für ein kurzer Ausflug in die Freiheit! Zum Glück standen die Zeichen nun anders. Aber noch bevor er die Zitadelle erreicht hatte, juckte es ihm zwischen den Beinen doch arg. Schon jetzt verfluchte er die Idee des Schmiedes. Vielleicht war der Preis, um Forma zu freien, doch höher als er sich es gedacht hatte.

Abas war trotz all seiner Gewissensbisse recht angetan von dem süßen Hinterteil der Zofe. Bewegte sie es absichtlich aufreizend? Dieses Luder! Wollte sie ihn etwa verführen? Abas murrte: „Genug jetzt! Der Teppich ist rein. Steh gefälligst auf. Beeile dich! Deine Königin hat dir einen Auftrag gegeben. Verspäte dich nicht!“ Die Zofe sprang auf die Füße und machte einen hastigen Knicks vor dem Königsgemahl. Dann entschwand sie geschwind. Wie gerne hätte er sie genommen wie ein ganzer Recke. Aber er konnte und durfte Leda nicht betrügen. Sein Herz gehörte alleine der Königin. Abas nahm einen tiefen Schluck aus einem Silberpokal, in dem er dunklen Rotwein schwenkte, setzte ihn ab und versank in trübe Gedanken, die noch undurchdringlicher als der schwere Wein waren. Die wohlgewachsene Zofe hatte ihn in Versuchung verlocken wollen! Verzaubern wie eine Hexe!

Kurz entschlossen ließ er nach ihr rufen und befahl ihr, vor ihm Aufstellung nehmen. Schüchtern senkte die Zofe ihren Blick zu Boden. Der Königsgemahl wirkte aufgebracht. Hatte sie ihn verärgert? Abas frug: „Hast du mir etwas zu beichten?“ Die Zofe zitterte vor Angst. Sie biss sich nervös auf die linke Seite ihrer Unterlippe. Ihr Herzchen raste in ihrer Brust. „Mein Königsgemahl, ich wüsste nicht…“ Abas unterbrach sie: „Still! Sage es frei heraus und es soll dir vergeben werden.“ Die Zofe schluckte trocken. „Ich… Ich habe wahrlich nur eine einzige Traube vom Teller genascht…“ Abas hob für einen Lidschlag die Augenbrauen. Gestohlen hatte sie auch noch! „Komm zu mir!“ Die Zofe trippelte zu Abas, getraute sich kaum vorwärts. Doch Abas befahl sie immer näher. So nah, dass er ihren zarten Duft nach Lavendel wahrnahm. Dann packte er sie am Kragen ihres Zofenkleids und zog sie zu sich herab. „Beug dich über!“ Die Zofe gehorchte zitternd und bebend. Ihre kirschroten Wangen glühten leuchtender als gewöhnlich.

Abas schob die junge Frau seitlich und dann über seine Knie. „Dumme Gans, du trägst dein Haupt zu stolz!“ Er drückte sie weiter hinab, bis die Zofe sich mit ihren Händchen auf dem Boden abstützen musste. Ihr Po war nun genau vor Abas Augen. Er schob den Rock hinauf und sah die mit Rüschen besetzte, weiße Leibwäsche. Dann riss er diese mit einem Ruck ein Stück hinab in die Kniekehlen des Weibes. Ein unterdrückter Schrei piepste auf. Die Zofe biss sich vor Schreck in ihre Hand und hielt sich dann den Mund zu. Abas sah vor sich die zarten, weißen Hinterbacken. Nackt und schutzlos. Und da, wo sich die Wölbungen trafen, fand der Blick des Königsgemahls etwas tiefer zwischen den Schenkeln die süße Knospe der Weiblichkeit. Die königliche Hand streifte über das feste Fleisch. „Du Hundsfott!“, flüsterte er heiser. Dann hob er den Arm und knallte seine Hand auf das bare Gesäß. Die junge Zofe quiekte auf. Wieder und wieder ließ Abas seine Hand auf den Po schlagen, spürte die Wärme, die sich heiß und heißer ausbreitete wie ein Feuer und sparte nicht an Leidenschaft. Der weiße Hintern verfärbte sich rosa wie die Kirschblüte, dann rot wie der Mohn, als Abas erschöpft den Arm sinken ließ. Vor Scham war auch das Gesicht der Gezüchtigten rot erblüht.

Männliche Finger ruhten auf dem verfärbten Sitzfleisch. Es wirkte warm wie ein Stein, der im Feuer gelegen hatte, um ein Bett im Winter zu wärmen. Und die Haut war zart und weich und doch fest. Es fühlte sich gut an. Der Gemahl der Königin spürte eine gewisse Erleichterung. Endlich durfte die Zofe aufstehen. Ihr standen Zähren in den Augen, und der Rotz lief ihr schluchzend aus der Nase. Hastig zog sie sich verschämt die Leibwäsche hoch und richtete sich das Kleid. Sie hörte die strenge Stimme: „Stiehl nie wieder Trauben deiner erhabenen Königin! Sonst werde ich dich in den Kerker werfen lassen und dich dort vergessen wie…“. Abas suchte nach einem Vergleich. „Wie einen abgebrannten, nutzlos gewordenen Fidibus, den man achtlos im Nachttopf ertränkt oder in der Gosse entsorgt.“ Die Maid schluckte schwer, und ihr erschrockenes Gesicht bebte vor unterdrückten Schluchzern. „Ja, Euer Gnaden“, gab sie zitternd von sich.

Abas merkte, wie die Maid zitterte. Sein Tonfall nahm einen parlierenden Klang an.„Gräme dich nicht! Dir sei vergeben – für dieses Mal. Aber stöbere nie wieder umher. Denke daran: Neugier ist der Katze Tod.“ Der Herr entließ die junge Bedienstete mit einer gnädigen Handbewegung. Nach einem eiligen Knicks vor dem Königsgemahl eilte sie pochenden Herzens davon. Draußen hielt sie sich ihren Hintern, der heiß brannte. Und auch ihre Wangen glühten. Abas lächelte versonnen. Er hatte die Zofe von ihrer Sünde gereinigt. Gedankenverloren hob er seine Hand an die Nase und roch die duftende Weiblichkeit der Zofe an ihr. An seinem Daumen glänzte sogar ein wenig von ihrer Feuchte.

Nur wenige Gemächer weiter kämmte die Zofe derweil der Majestät Leda die seidigen Haare und ließ sich tapfer nichts von den schrecklichen Geschehnissen anmerken. Als sie fertig war, flocht sie der Königin einen kunstfertigen Zopf und knickste brav, dann verließ sie den Raum. Leda sah ihr verwundert hinterher: War ihr Gang anders als sonst? Ihre Schritte wirkten vorsichtiger, gleichzeitig unsicher und ungeschickt. Die feudale Leda runzelte die Stirn. Vielleicht hatte sie Schmerzen? An anderen Tagen hatte die Maid eine unschuldige Anmut an sich; nunmehro bewegte sie sich wie in dickes Waschweib. Doch bald schon ließ die Monarchin diesen Gedanken fahren und sinnierte über die politischen Gegebenheiten.

Als die Zofe die zweiflügelige Türe hinter sich geschlossen hatte, verzog sie das Gesicht und rieb sich über ihr Hinterteil erneut. Es war immer noch heiß wie der Ofen eines Ziegelbrenners. Jeden Schritt spürte sie auf ihrem Gesäß. Es war doch nur eine Traube gewesen, erinnerte sich das junge Weib kummervoll. So streng kannte sie den Königsgemahl gar nicht. Sie lief die Wendeltreppe hinab in die Wichsstube und kontrollierte, wie viele Stiefel der Bursche bereits auf Hochglanz gebracht hatte. Hier sorgte der Jüngling für sauberes Fußwerk für die Gardisten und das Regentenpaar. Es roch durchdringend nach Leder und Gänsefett. Eine stechende Substanz, vielleicht Reinigungsalkohol, gesellte sich dazu. „Du bist ja noch nicht fertig!“, schnauzte sie und versetzte ihm eine Backpfeife, die laut knallte. „Beug dich über deinen Schemel!“, befahl sie in einem Ton, als speie sie Gift und Galle.

Der Jüngling gehorchte entsetzt. Die Zofe stand hierarchisch über ihm und durfte ihm jedwede Anweisung erteilen. „Zieh deinen Hosenbund von deinem Arsch!“, sagte sie mit einem grimmigen Klang, der einen lüsternen Ton überdeckte. Röte schoss dem Jüngling in den Kopf. Zumindest konnte das Weib sein Gemächt nicht sehen, dass er gegen die Sitzfläche des Schemels drückte, war er erleichtert. Die Zofe nahm einen hölzernen Schuhlöffel, mit dem sich gewöhnlich die Gardisten behalfen, um die langen, engen Stiefel anzuziehen. Doch jetzt nutzte die Zofe ihn als Züchtigungsinstrument. Sie versetzte dem jungen Mann einige leichtere Hiebe, doch dann steigerte sie sich mehr und mehr und schlug mit voller Wucht auf das blanke Hinterteil des Stiefelburschen. Der Jüngling biss auf die Zähne, denn schreien wollte er vor der Zofe auf gar keinen Fall. Lieber würde er sich die Zunge abbeißen! Aber einige kullernde Tränen suchten ihn heim. Schamhaft wischte er sie weg.

„So!“ Die Zofe war zufrieden, als das Sitzfleisch rot wie eine reife Kirsche war. „Zieh dich wieder an! Und dann mach dich geschwind ans Werk! Wenn ich wiederkomme, blitzen alle Stiefel. Und die Uniformen, die du mit Garn und Nadel flicken solltest, sind dann ebenfalls gerichtet.“ Sie hob ihr Kinn vor. „Du Fürst der Faulheit wirst heute ohne dein Abendbrot ins Stroh müssen. Wage es nicht, dir etwas in der Küche geben zu lassen! Ich würde es erfahren und dich züchtigen, dass du sieben Wochen nicht mehr sitzen kannst.“ Der Bursche nahm die Bürste in die Hand und strich eilfertig über den Schaft eines Stiefels. Mit bangem Blicke sah er zu der Zofe, die einen bedrohlichen Schatten über ihn warf. Endlich ging diese fort. Draußen löste sich die strenge Miene des Weibes zu einem befriedigten, fast schon entzücktes Antlitz auf.







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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:11.12.22 18:00 IP: gespeichert Moderator melden


"...wie der Anblick ihre Verärgerung hinweg küsste."

Daß man eine Verärgerung hinwegküssen kann, ist für sich schon eine schriftstellerische Meisterleistung, doch daß zu solchem Handeln gar ein Anblick befähigt sei, darauf muß man erst einmal kommen!
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  RE: Das Reich der Megara (Neuauflage) Datum:16.12.22 20:21 IP: gespeichert Moderator melden




Später, als der Jüngling endlich fertig war mit seiner Arbeit, schlurfte er erschöpft, müde und hungrig über den Burghof zu seinem Lager im Stroh. Dabei kam er an einem kleinen Gitterfenster auf Bodenhöhe vorbei: ein Lichtschacht für die Kerker der Zitadelle. Da kam dem Burschen, der immer noch grimmig und voller Wut auf die Zofe war, ein Gedanke. Er holte sich seine Bürste und tauchte anschließend in die Schatten der Mauern, schlüpfte durch eine Tür am Nordturm und betrat einen kleinen Korridor, der an einer Tür endete, die zu den Kerkerverliesen führte. Ein Wappenschild hing darüber am Gemäuer. Links und rechts flackerte jeweils eine Fackel in einem eisernen Ständer. Ein pausbackiger Soldat mit Hellebarde stand vor dem Eingang Wache. Mit seiner gefährlich aussehenden langen Narbe, die ihm vom linken Mundwinkel bis zum rechten Auge reichte, flößte er dem jungen Mann Achtung ein. Er atmete einmal tief durch, dann trat er näher. Der Bursche log, seine Bürste vorzeigend. „Ich soll die Stiefel der Wächter wienern.“ Der Wachmann ließ ihn vorbei, ohne ein Wort zu sprechen.

Der Jüngling schritt eine Wendeltreppe mit ausgetretenen und moosigen Stufen hinab in die Kellergewölbe. Bald stand er erneut vor einer dicken Eisentür, die sperrangelweit geöffnet zum Eintritt einlud. Er betrat den Raum dahinter, in dem ein Wachmann mit fleckigem Wams an einem rustikalen Tisch saß und seinen Kopf gelangweilt mit Ellbogen und Hand abstützte; die andere Hand schüttelte einen kleinen Lederbecher und drehte diesen schwungvoll um. Fünf Würfel aus Horn zeigten ein Dreierpasch aus Sechsen. „Endlich des Glückes hold!“, rief der Wächter aus und bemerkte erst jetzt den jungen Besucher. „Was suchst du hier?“, wollte der Mann in seinem ledernen Wams grantig wissen. Der Bursche antwortete zeigte seine Bürste vor. „Man schickt mich, Eure Stiefel zu polieren. Wollt Ihr nicht so lange hoch in die Wachstube und ein Nickerchen machen oder Euch beim Koch eine Kleinigkeit zu essen holen? Ich könnte solange hier aufpassen.“

Der Mann schürzte unschlüssig die Lippen unter seinem dichten Schnauzbart. Eine gute Mahlzeit konnte er verputzen. „Gewiss doch. Aber dass meine Stiefel ja glänzen, wenn ich wieder komme! So, hilf mir da raus!“ Er streckte sein linkes Bein dem Wichsknecht entgegen. Der Bursche zog und zerrte an dem derben Schuhwerk, während der Kerkerwächter sich mit dem anderen Stiefel gegen die Kehrseite des Jünglings stemmte. Es folgte das zweite Exemplar. Danach stieg der Mann in einfache Holzschuhe und verließ das Kellergewölbe. Mit seinen pluderigen Kürbishosen sah er ohne hohe Stiefel recht eigenartig aus, und der Jüngling musste ein Kichern unterdrücken und täuschte einen Hustenanfall vor.

Der Stiefelbursche bürstete eilig die Stiefel und stellte sie dann auf einem Fuchsbalg am Boden ab. Nun konnte er sich dem wahren Grund seiner Anwesenheit widmen: Er schritt zu einem Fässchen und öffnete den Deckel. Eine Kelle steckte in dem Brei. Angewidert rümpfte der Jüngling seine Nase. Diesen Gefangenenfraß sollte er essen? Aber besser das, als gar nichts. Oder? Jetzt war er sich nicht mehr so sicher. Er schnüffelte noch mal dran und nahm dann einen vorsichtigen Schluck. „Igitt!“, würgte er. Und das wurde den Gefangenen jeden Tag kredenzt? Er ging neugierig zum Zellentrakt. In einem durch ein dickes, rostiges Gitter abgetrennten Raum saß eine Gestalt auf einem Haufen platt gedrücktem Stroh. An Händen und Füßen trug er rostige Eisenmanschetten. Eine schwere Kette verlief zwischen den Handgelenken, eine weitere zwischen den Fußknöcheln. Dem Bart nach war der Insasse schon sehr lange Bewohner dieser Behausung. Er trug schmutzige Lumpen aus brauner Jute, die kaum noch zusammenhielten und zahlreiche Löcher und Risse aufwiesen.

Als er den Jüngling bemerkte, sprang er linkisch, so flink wie es seine müden Knochen bewältigten, auf und stellte sich an das Gitter; die Hände umfassten die dicken, eckigen Stangen. „Bitte gebt mir eine Handvoll Brei. Wenn es mich nicht trügt, so habe ich seit drei Tagen nichts bekommen.“ Die Zeit spielte hier unten im Kerker keine Rolle. Er streckte nun die Hände durch die Stäbe und hielt dabei die Handflächen nach oben. Der Bursche runzelte die Stirn. „Aus triftigem Grunde?“ Der Mann reagierte trotzig. „Weil der Wächter ein niederträchtiges Furunkel reiches Arschloch ist!“ Der Jüngling wollte es genauer wissen. Zunächst zierte sich der Gefangene, aber schließlich berichtete der ihm davon, wie der schmähliche Wächter ihn festgebunden und von ihm „schmutzige Dinge“ verlangt hatte. Weiteres, wohl zu schwer Wiegendes, schaffte es nicht über seine Zunge; nur die Tränenfeuchte auf seinen Wangen erzählte mehr von den Abgründen der schändlichen Ausschweifungen, in die er gestürzt worden war.

Der Bursche konnte sich nicht ausmalen, was der Mann meinte. Aber es musste schändlich und abscheulich sein. Er nickte stumm und brachte dem Gefangenen eine Kelle mit geschöpftem Brei, die der Insasse gierig schluckte, als handele es sich um die köstlichste Delikatesse des Leibkochs der verehrten Königin. „Ich danke Euch“, sagte er überschwänglich, als er die Portion hinuntergeschlungen hatte. Wie gern er noch einen zweiten Schöpflöffel bekommen hätte, doch er horchte ängstlich auf. Jäh vernahm der Jüngling ebenfalls hallende Schritte. Schlagartig verließ er den Zellentrakt und warf die Kelle hastig zurück in das Fass, dass der Brei blubbernde Laute von sich gab. Nur einen Lidschlag später erschien der Wächter mit einem verkorkten Tongefäß in der Hand. „Und? Zeig mir meine Stiefel, Früchtchen!“

Der Angesprochene präsentierte das glänzende Paar. Kein Staubkorn schmückte es mehr. Der Wachmann nickte brummend, was wohl seine Anerkennung andeuten sollte, entkorkte die Flasche und nahm einen tiefen Schluck. Darauf wischte er sich mit dem schmutzigen Handrücken über den Mund und streckte dem Jüngling die Flasche hin. „Nimm davon! Das ist ein gar trefflicher Rum aus Zuckerrohr. Meisterhaft! Er möge dir munden.“ Der Knirps setzte das Gefäß an, nahm einen kleinen Schluck und musste von dem scharfen Schnaps fürchterlich husten. Das Gebräu brannte ihm schier die Kehle aus. Der Wächter lachte dröhnend. „Geh schon, du kleiner Bengel! Du bist ja noch feucht hinter den Ohren.“ Der Stiefelbursche drehte sich um und stieg die Wendeltreppe hoch, atmete tief ein und aus, um den Brand in seinem Schlund zu kühlen und half mit einigen Schlücken aus dem Brunnen im Hof nach.

Der Wachmann nahm noch zwei oder drei gute Züge aus dem Tonkrug und schritt in den Zellentrakt. Er stellte sich vor die Gitterwand mit dem bärtigen Gefangenen. „Und? Knurrt dein Magen mittlerweile?“ Der Aufseher lachte dreckig und nestelte an seiner Hose. Der Gefangene spuckte aus und meinte scharfzüngig: „Auch, wenn du Speichellecker es dir nicht vorstellen kannst, aber ich werde nicht vor dir katzbuckeln oder gar...“ Er verstummte. Der Kerkerwächter hob verblüfft die Augenbrauen. „Oho! Noch zu fein, der Herr! Solch Irrgeschwätz lieb ich. Nun denn! Wir haben Zeit! Viel Zeit!“ Er stellte sich noch näher vor das Gitter und erleichterte sich grinsend gülden in die Zelle und hinterließ eine stinkende Lache. Danach schloss er sein Beinkleid wieder und begab sich zurück in den Gewölberaum. Er nahm noch einige Mundvoll von dem bernsteinfarbenen Branntwein und spürte, wie er in der Kehle loderte. Aber es brannte auch Wut in ihm. Dieser dreckige Bastard hinter dem Gitter hatte ihn verhöhnt! Meinte, er habe keinen Gehorsam nötig. Aber früher oder später würde er ihm gewogen sein. Ein Magen ohne Labung war eine bedeutsame Triebfeder und führte zu Ziemlich- und Schicklichkeit.

Beim Wachwechsel nutzte er die Gelegenheit, um gemeinsam mit seiner Ablösung die Zelle zu betreten und den Insassen in ein Eisenbrett zu schließen, weil dieser „resistent und bösartig“ war. Füße und Hände schauten nun traurig aus den vier Löchern. Der Bärtige lag gezwungenermaßen auf dem Rücken, die Beine in gespreizter Stellung angezogen, die Arme dazwischen gestreckt, auf dem nasskalten Steinboden seines Verlieses. Leise ächzte der Gefangene vor sich hin, suchte eine erträglichere Liegeposition, aber viel Spielraum blieb ihm nicht, und er musste resignierend verharren, wie ihn der Wachmann hinterlassen hatte. Schmierig grinsend und die Hände wischend verließ der Aufseher die Zelle und zwinkerte der geschundenen Kreatur zu. Morgen würde der Kerl für seine Großkotzigkeit büßen! Er betrat die Wachstube im Hauptturm der Burg und ließ sich in einer dunklen Nische in sein Bett fallen. Die Stiefel zog er sich noch mühsam aus, dann war er aber schon eingeschlafen, bevor er noch seine schieferfarbene Wolldecke ausgebreitet hatte. Der Rum sorgte flugs dafür, dass er in einen festen Schlummer sank.

Einige Kammern weiter saß der Stiefelbursche noch wach auf seinem Bett und schnitzte mit seinem Messer an einem Holzstück, das einmal eine kleine Flöte werden sollte. Sein Bauch beschwerte sich lautstark darüber, kein Abendessen erhalten zu haben. Hoffentlich würde die Zofe morgen mit seiner Arbeit zufrieden sein, schwankte er zwischen Zuversicht und Sorge. Auf noch eine Mahlzeit wollte er nicht verzichten. Und sein Hintern brannte auch noch elendig. Sein sehrender Stolz tat ebenso weh. Dieses gemeine Weibstück! Wäre er nur älter und kräftiger und Knecht oder Stallmeister. Dann würde er diesem böswilligen Stubenmädchen die Bockigkeit mit seinen Lenden und hartem Griff austreiben. Nach einiger Zeit legte er Klinge und halbfertige Flöte weg und zog sich die Decke über den Leib, schloss die Augen und malte sich aus, als tapferer Recke von hübschen und reifen Jungfrauen angehimmelt zu werden, und dieses Gemälde verfolgte ihn in den süßen Schlaf.

Vor den Toren Ledaniens qualmten pechschwarze Rauchsäulen in den Himmel. Hunderte Arbeitssklaven schleppten Kriegsgerät von einer Esse zur nächsten. Einige hievten gewaltige Trägergerüste in die Luft, andere zogen und schoben metallene Schienen in ein riesiges Kohlenfeuer, von dem hohe Wolken aus Funkenregen empor spritzten, als würde ein mächtiger Dämon Feuer aus seinem Maul spucken. Überall erschallten klingende, scheppernde und schrille, laute und dröhnende Geräusche. Eine Kakophonie von Metall auf Metall - ohrenbetäubend schmiedeten Hämmer, brüllten lodernde Flammen, bewegten sich Kolosse von Presswerken, Hämmern und Stanzen. Schmelzöfen riesigen Ausmaßes verflüssigten Eisen und andere Metalle. Eine höllische Hitze schwoll durch die Luft wie eine dicke Wand.

Die fast nackten und mit Schweiß bedeckten Sklaven wurden von kurzen, geknoteten Riemenpeitschen der Hüterinnen angetrieben. Rustikale Fuhrwerke, die von Dutzenden Sklaven in ihren Geschirren gezogen wurden, quietschten und ächzten unter ihrer Last, die aus weiterem Kriegsgerät, Waffen und Baumaterial bestand. An den Seiten liefen mehrere Uniformierte, die mit langen, biegsamen Stöcken die Zugsklaven vorwärts trieben. Die vielen marschierenden und stampfenden Sklavenfüße sowie die schweren Holzräder, die teilweise mit Eisen verkleidet waren, hatten die Erde zu einer zähen Schlammdecke aufgewühlt, was das Vorwärtskommen noch erschwerte. Aber unter den immerwährenden klatschenden Hieben und dumpfen Schlägen der Antreiberinnen stemmten sich die gestriemten Sklaven mit aller Kraft in ihre Geschirre und zwangen die schweren Zuggefährte durch den schmatzenden Morast, der sich mit Asche und verbrannter Erde zu einem ekelhaft zähen Potpourri vermischte und Jammer und Schmerz willkommen hieß.

Die Hohepriesterin Tagara stand auf einer Anhöhe, auf der eine Bastion errichtet worden war, und betrachtete das eilfertige Sklavenmaterial. Zu Tagara hatten sich Cassandra und Prodita gesellt. Das Trio Infernale überflog mit ihrem Blick ebenfalls das große Feld aus Maschinen und Werkstätten. Die drei Damen, bewehrt durch ihre Göttlichkeit, bildeten eine Reihe an einem marmornen Geländer einer Plattform, die das Dach des höchsten Turmes der Bastei bildete. In dieser schwindelerregenden Höhe flatterten ihre Umhänge und Kleider und zerrten an ihren Leibern, als wollte der Wind sie im Auftrag der Alten Götter in die Tiefe stürzen. Unter das Rauschen der Böen mischte sich von Ferne eine dumpfe Trommel, die einen unheilvollen Takt schlug, der dem einen wilden Schmerz, dem anderen süßes Vergnügen versprach.

Tagara machte eine weit ausholende und besitzergreifende Geste über die Ebene. Dabei breiteten sich die großzügigen Ärmel ihres Gewandes aus, als wolle sie wie ein Raubvogel ihre Flügel ausbreiten. „Seht nur! Mit diesem Getier werden wir die letzte Exklave Ledanien auslöschen, des Feindes Scharen metzeln, und Cassandria wird über den gesamten Kontinent herrschen!“ Bei dem Wort „Cassandria“ verspürte Cassandra einen unbehaglichen Schauder, denn längst war sie nicht mehr die wahre Königin des Reiches. Die Hohepriesterin des Maluskultes hatte die Macht an sich gerissen. Das Volk huldigte ihr. Die langen Haare von Cassandra und Prodita wehten in den Windböen, die in dieser Höhe stets kalt und wild die Lüfte durchpflügten, wie gereizte Schlangen, die sich erhoben, um ihr Opfer zu töten; nur Megaras Turmfrisur, hart wie ihr Herz, beugte sich nicht der Naturgewalt. Und in diesem Moment hatte sie das Gefühl der absoluten Macht – nicht nur über alle Kreaturen, sondern auch über den Alten Kontinent, die Natur, die Alten Götter. Sie hörte bereits die Siegesfanfaren rufen, und ihr Busen schwoll vor Stolz über den ersprießlichen Kriegszug.

„Für wann ist die erste Angriffswelle geplant?“, frug Cassandra die Hohepriesterin in durstiger Erwartung. Tagara erwiderte: „Zunächst müssen die Belagerungstürme und Klettergerüste fertiggestellt sein. Die Trolle sollen zu den Schmelzöfen gebracht werden, sobald das Morgengrauen die Nacht vertreibt. Ihre Kräfte sind nötig, um die gewaltigen Trägerkonstruktionen aufzustellen. Wir bauen Sturmleitern aus Eisen. Und schaut dort unten“, zeigte sie mit ihrer ausgestreckten Arm nach links. „Da werden die Katapulte montiert. Eine Kolonne Arbeitssklaven bringt dort drüben eine ganze Ladung Hinkelsteine und Findlinge. Das Wurfgerät wird gewaltige Felsen gegen die Grenzwälle schleudern. Zusätzlich sollen sie mit ölgetränkten Laken gewickelt und entzündet werden.“ Sie sah das Feuerinferno schon in ihrer Vorstellung, die ihr Herz in Vorfreude ebenso erwärmte wie der fliegende Tod heiß den Feind auffressen würde.

Tagara zeigte nach rechts und verkündete: „Bald wird die Trollramme fertig gestellt sein. Das Monstrum wird von fünf Trollen getragen. Es wird jedes Tor öffnen!“ Dann zeigte sie etwas weiter zur Seite, wo ein beeindruckendes Regiment schwer gerüsteter Kampfsklaven unter der Leitung zahlreicher berittener Centurias in ihren ledernen Rüstungen aufmarschierte. „Und für die anderen elf Trolle werden massive Rüstungen mit Dornen und Klingen geschmiedet. Sie werden behelmt und mit mörderischen Streitkolben und Doppeläxten in den Kampf stürmen und wie eine Naturgewalt alles 1niederwalzen, was sich ihnen in den Weg stellt!“ Cassandra grinste. „Mich lüstet zur Feier des Tages eine kleine Sklavenhatz zu arrangieren.“ Tagara rümpfte die Nase. „Tut das, was Euch beliebt. Aber nehmt mir nicht die kräftigen Exemplare. Verwendet meinetwegen die Schwachen und Nutzlosen.“ Cassandra zuckte mit den Achseln. „So soll es sein.“ Sie sah vor ihrem inneren Auge bereits das nackte Rudel, wie es Haken schlagend flüchtete. Die Keiler, in die Enge getrieben, auf den Knien mit schwingendem Bürzel, um Gnade winselten.

Die Frauen verließen die von Wind umtoste Plattform. Cassandra rief nach einem Leibsklaven, der ihr das Haar richten sollte. Ihr brannten die Augen vom Rauch, der sogar bis in diese Höhe schraubte und respektlos über sie herfiel. Herrin über die Brisen war selbst Cassandra nicht, und so musste sie sich dem Wind beugen. Prodita band sich selbst einen Zopf und schnipste mit den Fingern nach ihrem mit Goldfäden durchwirkten Haarband. Zu Mittag würden die drei mächtigen Damen nebeneinander auf einer pompösen Estrade sitzen und ein opulentes Festbankett eröffnen. Nur die höchsten Duxas waren dazu eingeladen. Einfachere Soldatinnen wie Centurias oder niedere Befehlshaber- und Anpeitscherinnen mussten sich mit Braten und einem recht guten Tropfen an einem großen Feuer im Zeltlager der Streitkräfte begnügen, die großteils vor der Festung lagerten.

Auf dem benachbarten Übungsplatz rannte ein Dutzend Kampfsklaven brüllend wie Berserker gegen einen Troll mit einem gewaltigen Schild aus fast ellendickem Eichenholz an. Für den Koloss waren die muskulösen Krieger keine Herausforderung. Die Leibeigenen hätten auch gegen eine Felswand laufen können. Sie prallten gegen den Schild und flogen unkontrolliert auseinander durch die Luft, während der Troll nur abwertend die breite Nase rümpfte über solch zerbrechliche Knöchlein. Der Riese hob seinen Schild, das aus rund vier Zentnern Eiche bestand, und wollte es auf einige der liegenden Sklaven hinabschleudern, da erwischte ihn ein stechender Schmerz in seinem Gemächt, der sich Augenblick darauf dumpf in seinem Unterleib ausbreitete. Sein Gesicht verziehend, ließ er den Schild krachend vor seine Füße fallend. Erde spritzte auf, Staub waberte hoch.

Vorwurfsvoll schnaubend sah sich der Goliath nach der Centuria um, die ihn diszipliniert hatte. Er hatte gelernt, jeder Soldatin unbedingten Gehorsam zu leisten, ansonsten hätte er ihr vermutlich nun den Leib in Stücke gerissen oder sie zerquetscht wie einen faulen Kürbis. Die Centuria hatte ein spezielles Instrumentarium für Trolle entwickelt: In Cassandria hatte man erfahren, dass selbst die kräftigste und längste Bullenpeitsche einen Troll nicht ernsthaft beeindruckte. Um ihn aber nicht mit scharfen Blankwaffen zu verletzen, hatte eine Sklavenhändlerin die „Trollbola“ erfunden. Es war eine Art Schleuder, die aus einem Riemen und einer Metallkugel bestand. Die geübte Soldatin wirbelte den Riemen samt Geschoss über dem Kopf und ließ die Kugel dann gezielt dem Koloss in seine empfindliche Männlichkeit fliegen. Einige Centurias hatten auch eine Variante der Bola, die eigentlich eher eine Form von Morgenstern war, da die Kugel mit dem Riemen fest verwebt war und nur als Schlagwaffe verwendet werden konnte. Auf Spitzen wie beim Morgenstern hatten die Damen dabei verzichtet; schließlich sollte die Waffe nur zur Disziplinierung eingesetzt werden. Jedenfalls war eine meisterliche Treffsicherheit vonnöten und vorhanden.

„Nimm den Schild wieder an dich!“, rief die Centuria forsch und zeigte auf die schwere Holzkonstruktion. „Und ihr Schwächlinge erhebt euch sofort! Sonst helfe ich euch Geschmeiß mit der Geißel auf die Füße!“ Die zwölf Kampfsklaven rappelten sich hoch, einige mit Kopfweh, andere mit blauen Flecken, aber sie rannten erneut auf den Troll los. Und dieses Mal waren sie geschickter: Sie teilten sich in drei Gruppen und griffen auch von den Flanken des Giganten aus an. Etwas zeitversetzt sprangen vier Krieger seine linke Seite an oder prügelten mit ihren Übungsknüppeln auf ihn ein, während vorne vier Niedere erneut durch den Schild zu Boden geschleudert wurden. Einen Lidschlag später traten zwei Sklaven mit aller Kraft von hinten in die Kniekehlen des Trolls, während zwei weitere mit ihren Prügeln versuchten, das Gemächt zwischen den gewaltigen Schenkeln des Kolosses zu treffen. Einer der Krieger sprang sogar an die Bälle der Kreatur und klemmte sie wie in einem Schwitzkasten fest, während er daran baumelte. Der Troll brüllte verärgert auf und wollte schon den Klammerer packen und zerquetschen, da brüllte die Centuria, dass der Kampf augenblicklich abgebrochen werden solle.

Eine hochbusige Duxa hatte sich ihr genähert und patzig gerufen: „Was soll das für ein Handgemenge sein? Das geht hier ja zu wie in einem Tollhaus! Bringt den Kriegssoldaten lieber bei, wie sie effektiv und gemeinsam mit dem Troll kämpfen. In Ledanien erwarten uns keine dieser Kreaturen, sondern nur gewöhnliche Soldaten.“ Die so gemaßregelte Centuria ließ anschließend ihre verdrießliche Laune an der Truppe und dem Troll aus, indem sie sie bis zur völligen Entkräftung über den Platz jagte und Übungen absolvieren ließ, die ihrer grausamen Fantasie entsprossen. Und selbst ein Troll wurde irgendwann schlafbefangen, wenn er wieder und wieder schwere Steinbrocken durch die Luft schleuderte und fünf Kriegssoldaten auf einer Plattform in die Höhe stemmte, um sie über eine vermeintliche Mauer des Feindes zu heben.










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