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Haus Waldstetten
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Datum:11.12.24 16:22 IP: gespeichert
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„Haus Waldstetten“ ist die Fortsetzung meiner Geschichte „Sechs Monate“. Die Hauptperson ist wieder Katrin Ferner, die sich aufgrund einer persönlichen Krise dazu entschließt, in die psychiatrische Einrichtung nach Bodenhain zurückzukehren. Bodenhain arbeitet weiterhin vorzugsmäßig mit verhaltenstherapeutischen Ansätzen und legt Wert auf Formen der Reizreduzierung bis hin zur sensorischen Deprivation, damit die Patientinnen zur Ruhe kommen und ihr Nervensystem keine Überforderung durch Sinneseindrücke ausgesetzt sind, die sie nicht verarbeiten können.
Teilweise treten Personen in der neuen Geschichte auf, die auch schon in „Sechs Monate“ vorgekommen sind.
Prolog
Gurte überall – ein Bauchgurt, ein Schrittgurt, die Schulterhalterung, je zwei Gurte an den Armen und an den Beinen, die Fuß- und Handgelenke sind gesichert und als Krönung eine Kopffixierung. Außer meinen Fingern, die in dicken Patientenhandschuhen stecken, und meinen Zehen kann ich überhaupt nichts mehr bewegen. Vollfixierung im Netzbett.
Ein sabberndes, lallendes Etwas hat mich die Schwester genannt. Kein Mensch, erst recht keine Frau. Ein Ding, das zwar noch einigermaßen klar denken, sich aber nicht mehr artikulieren kann und rundum auf Hilfe angewiesen ist. Ein Lätzchen mit einer Auffangtasche wurde mir umgebunden, um den dauernd laufenden Speichel aufzufangen. So heftig sediert zu sein ist schon unangenehm, ich fühle mich ziemlich Matsche im Kopf.
Was habe ich mir eigentlich dabei gedacht, als ich unbedingt wieder nach Bodenhain zurückwollte?
Abgeholt
Noch eine Viertelstunde, dann sind sie da. Ich schaue auf meine zerbissenen Finger, spüre das Jucken der Wunden auf meinen Unterarmen und bin mir sicher, der Schritt ist richtig. Ich gehe noch mal ins Bad, setze meine Brille auf und sehe mich lange im Spiegel an. Bin ich verrückt oder bin ich es nicht? Warum zieht es mich zurück nach Bodenhain?
Ja, nach der Trennung von Sven geht es mir sehr schlecht. Ich war es selbst, die die Nähe nicht mehr aushalten konnte, aber jetzt fehlt er mir unsäglich. Vielleicht habe ich unter der Trennung mehr gelitten als er, ich weiß es nicht. Aber es kam bei mir wieder dieser Selbsthass hoch und der Wunsch, mich zu bestrafen. Beißen, kratzen, ritzen – das volle Programm. Meine Arme, meine Hände, mein Bauch sehen fürchterlich aus.
Ja, ich möchte mich bestrafen. Und vielleicht auch deswegen nach einem Jahr zurück in die Klinik. Einfach nicht mehr selbst entscheiden müssen, andere machen lassen. Ich bin so müde, so kraftlos.
Ich hatte einige Besuche bei meinem Psychiater, geholfen hat es nicht. Wollte mich dann in Bodenhain selbst einweisen, nichts zu machen. Dann hat mein Arzt das in die Hand genommen und siehe da, es ging dann ganz schnell.
Ich gehe zurück in den Flur, nehme meine Reisetasche und dann herunter zur Haustür. Da höre ich schon ein Motorengeräusch und ein Kleinbus setzt rückwärts in unsere Auffahrt. Zwei Männer steigen aus und kommen auf mich zu. „Guten Morgen. Sind Sie Frau Ferner?“ fragt einer der beiden. Ich nicke. „Wir sind von der Klinik Bodenhain und möchten Sie abholen. Sind Sie bereit?“ Ich nicke noch mal, schließ die Haustür und gehe auf die beiden zu. „Nach Absprache mit der Ärztin sollen wir Sie in einem Rollstuhl transportieren,“ sagt der andere, „kommen Sie bitte mit.“ Er macht die Seitentür des Fahrzeugs auf und ich blicke auf einen großen Patientenrollstuhl, der im Fahrzeuginnern festgemacht ist. Wie oft habe ich bei meinem ersten Klinikaufenthalt in so etwas gesessen. Bequem sitzend, aber festgeschnallt, manchmal bis zur Bewegungsunfähigkeit. Es kribbelt in mir drin, ja, ich möchte es, möchte mich fallen lassen. Ich steige ein und setze mich vorsichtig in den Rollstuhl. „Wir schnallen Sie jetzt an,“ sagt der einer der beiden Männer und legt vorsichtig einen Brustgurt um meinen Oberkörper. Dann zwei Schnallen links und rechts an meinen Hüften festgemacht, zwei breite gepolsterte Gurte über meine Schultern gezogen und dahinter festgeschnallt – schon bin ich transportfertig. Die Männer steigen ein, der Fahrer lässt den Motor an und fährt los. Auf nach Bodenhain.
Die Fahrt
Man braucht ungefähr eine Dreiviertelstunde über Land nach Bodenhain. Ich schaue aus dem Fenster und lasse meine Gedanken schweifen. Der Rollstuhl vermittelt mir ein Gefühl der Geborgenheit. Wenn nur das Jucken der Wunden auf meinen Armen nicht wäre, könnte es eine entspannte Fahrt sein. Ich beginne mich wieder zu kratzen, da läutet ein Handy. Der Beifahrer nimmt ab. Ich verstehe nicht wirklich, um was es geht. Er legt auf und wendet sich dann an den Fahrer: „Planänderung. Wir sollen sie nach Waldstetten bringen. Alles belegt im Haupthaus.“ Und dann dreht er sich zu mir um: „Die Firma brummt. Alles voll in Bodenhain. Sie hatten heute früh gleich drei Einweisungen. Wir sollen Sie jetzt nach Waldstetten bringen, in unsere Dependance.“ „Und ist das noch weit?“ frage ich. „Ein kleiner Umweg nur“, ist die Antwort. „Wissen Sie,“ fährt er fort, „Bodenhain platzt aus allen Nähten. Da hat die Geschäftsführung Haus Waldstetten dazu gekauft. Ich muss Ihnen sagen, es ist dort nicht so modern wie in Bodenhain, aber man arbeitet dran. Ist ein Haus mitten im Wald, aus den Dreißigern. War unter den Nazis als Freizeitheim für die HJ gebaut worden. Später hat es irgendwann die Lebenshilfe übernommen, aber es dann wegen seiner abgelegenen Lage wieder verkauft. Nun gehört es zu Bodenhain, eine ganze Abteilung ist dort eingezogen.“
Ich nicke. Warum nicht. Sehe ich mal was Neues.
Irgendwann biegt der Bus von der Landstraße ab und fährt über eine einsame, nur geradeaus führende Straße durch einen Kiefernwald. Ein bisschen trist hier, denke ich, der graue Himmel passt dazu. Dann hält der Wagen vor einem umzäunten Gelände mit einem großen Metalltor. Der Beifahrer ruft an: „Behrends hier, wir kommen mit Frau Ferner. Macht ihr bitte das Tor auf? Danke!“. Das Tor schiebt sich langsam auf, wir fahren durch, halten dann kurz an und der Beifahrer schließt das Tor wieder.
Der Zaun, das Tor – alles gut gesichert. Einfach das Gelände verlassen, wie das in Bodenhain zumindest theoretisch möglich war, ist hier nicht drin, schießt es mir durch den Kopf. „Welche Abteilung ist eigentlich hierhin ausquartiert?“ frage ich. „Station D“, ist die Antwort.
Zwangseingewiesen
Station D. D wie dauerhaft. Wie ein Flashback überkommt es mich. Station D. Dreimal war ich dort kurzzeitig. Die Nächte angeschnallt im Netzbett. Die Käfige. Das willkürliche Ausgeliefertsein. Die Ungewissheit, wann ich wieder auf die Normalstation komme.
Und nun bin ich wieder auf Station D. Von Anfang an. Scheiße.
„Bitte, nein“, rufe ich, „drehen Sie um, ich will da nicht hin, ich will nicht auf Station D.“ „Aber Frau Ferner,“ beruhigt einer der Männer, „nun keine Panik. Es ist doch zu Ihrem Besten.“ „Nein, nein,“ schreie ich und fange an, mir in die Hände zu beißen. Der Beifahrer zückt sein Handy und ich höre gerade noch, wie er von „mit Frau Ferner ist es gerade nicht so einfach“ spricht. Dann hält der Bus vor einem flachen lang gestrecktem Gebäude. „Sie sind jetzt besser ruhig,“ sagt einer der beiden. Dann machen sie den Rollstuhl los, ziehen
mich über die Rampe nach draußen und schieben mich dann ins Haupthaus herein. Da ist er wieder: der vertraute warme Geruch nach abgestandener Luft, Essen und Urin. Ich werde still und blicke mich angstvoll um, kaue dabei auf meinen Fingern. Zwei Pfleger kommen auf mich zu. „Guten Tag, Frau Ferner, willkommen in Haus Waldstetten! Wir bringen Sie gleich zur zuständigen Ärztin für das Aufnahmegespräch.“
Sie schieben meinen Rollstuhl einen langen Gang entlang und halten bei einer Tür. Es wird angeklopft und auf ein „Herein!“ werde ich in das Arztzimmer gerollt. Ich erschrecke, als ich die Ärztin sehe. Ich kenne sie und ich habe sie gehasst. Es ist Frau Dr. Hahn, die mir schon bei meinem ersten Aufenthalt in Bodenhain das Leben schwer machte. Auch das noch!
„Hallo, Frau Ferner,“ begrüßt mich die Ärztin, „willkommen bei uns in Waldstetten. Ich glaube, wir kennen uns.“ „Ja“, murmele ich, „ich war vor einem Jahr in Bodenhain.“ „Genau,“ antwortet sie, „und wenn es nach mir gegangen wäre, hätte man sie gar nicht erst entlassen dürfen. Ich habe mir noch mal gründlich Ihre Akte angesehen. Es wundert mich nicht, dass Sie nun wieder hier sind.“ „Frau Dr. Hahn,“ traue ich mich zu sagen, „ich will hier nicht sein. Ich wollte nach Bodenhain, aber auch das möchte ich jetzt nicht mehr. Ich möchte wieder nach Hause und in ambulanter Behandlung sein.“ „Gute Frau Ferner,“ kommt die liebenswürdige Antwort. „Ich fürchte, das ist unmöglich. Ihr Psychiater hat Sie zwangseinweisen lassen. Wussten Sie das nicht? Wegen schwerem selbstverletzendem Verhalten. Ein richterlicher Beschluss nach Aktenlage liegt mir bereits vor. Das heißt, Sie sind jetzt hier in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie. Unser Ziel ist es, Sie durch die Behandlung zu stabilisieren und deeskalierend zu wirken.“ Zwangseinweisung – bei diesem Wort läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Deshalb habe ich also so schnell den Platz in Bodenhain bekommen. Aber das heißt auch, ich kann hier nicht mehr weg oder erst dann, wenn meine Prognose günstig ist.
„Frau Ferner, hören Sie mich?“ fährt Frau Dr. Hahn fort. Ich schaue Sie wieder an. „Wichtig ist, dass Sie kooperieren und wirklich an sich arbeiten wollen. Und diesmal ohne Aufstände gegen unser System. Die Behandlung sieht wie auch bei Ihrem ersten Aufenthalt eine Reizreduzierung vor sowie verhaltenstherapeutische Maßnahmen mit dem Zwecke der Selbstregulierung. Diese müssen in Ihrem Fall auch Zwangsmaßnahmen beinhalten. Aber das kennen Sie ja schon. Bei besonders akuten Fällen, und dazu zähle ich auch Ihren Fall, ist zusätzlich eine Zwangsmedikamention angesagt. Haben Sie mich soweit verstanden?“ Ich nicke erschöpft, traue mich aber doch nachzufragen: „Was meinen Sie genauer?“
„Reizreduzierung heißt, dass Sie eine Zeitlang von Außenreizen akustischer, visueller und taktiler Art etwas abgeschirmt sind. Sie werden einen Helm mit Gehörschutz tragen sowie eine Brille mit starken Gläsern. Zum Schutz Ihrer Hände eine Schutzjacke oder Patientenhandschuhe. Wenn alles gut läuft, werden diese Maßnahmen nach und nach zurückgefahren. Zum Zwecke der Selbstregulierung gibt es am Ende jeder Woche ein Feedback-Gespräch, wonach entschieden wird, ob die Maßnahmen verstärkt oder abgeschwächt werden oder ob sie auf diesem Level so bleiben. Haben Sie noch weitere Fragen?“ Ich verneine. An die starke Brille kann ich mich natürlich noch gut erinnern, habe sie ja einige Wochen getragen. Sie half mir am Anfang wirklich dabei abzuschalten. Jetzt also erneut, nun gut, werde ich überleben.
„Gut. Die Herren bringen Sie gleich auf Station 2. Dort habe ich bereits meine Anweisungen gegeben und alles ist für Sie vorbereitet. Und denken Sie daran: Sie bestimmen durch Ihre Kooperation mit, wie lange Sie in der Geschlossenen bleiben. Vorher muss ich Ihnen jedoch noch ein Neuroleptikum verabreichen. Mir wurde mitgeteilt, Sie haben sich gerade wieder gebissen, und da müssen wir jetzt einfach gegensteuern.“
Bei diesen Worten treten die beiden Pfleger vor und befestigen meine Handgelenke mit zwei Ledergurten an den Seitenlehnen des Rollstuhls. Ich bin so überrascht, dass ich den Mund kaum aufbekomme. „So“, sagt die Ärztin, „ich spritze Ihnen jetzt etwas. Das hat Depotwirkung, wir müssen die nächste Spritze also erst in zwei Wochen setzen.“ Dann schiebt sie meinen rechten Ärmel nach oben, murmelt etwas von „das sieht ja wirklich schlimm aus“ desinfiziert meine Haut und spritzt das Medikament in meine Vene. „So, fertig. Das ist etwas sedierend, es wird Ihnen helfen. Sie werden auf der Station zunächst im Beobachtungszimmer sein. Das ist ein Einzelzimmer, die Ruhe wird Ihnen guttun. Dort wird Ihnen dann zunächst das Mittagessen gereicht, dann ist Mittagsruhe. Nach der Mittagsruhe beginnen die therapeutischen Maßnahmen. Haben Sie jetzt noch Fragen?“ Ich schüttele den Kopf. „Nun, und damit Frau Ferner nicht in Versuchung gerät, die ganze Station zusammenzuschreien, legen wir ihr jetzt einen Ballknebel an. Das kennt sie ja schon von früher.“ Frau Dr. Hahn kramt in einer Schublade und dann kommt sie mit dem Knebel in der Hand auf mich zu. „So, schön einmal den Mund aufmachen.“ Ich öffne brav den Mund und schon spüre ich den harten Ball zwischen den Schneidezähnen. Flinke Finge befestigen den Ledergurt an meinem Hinterkopf. „Der bleibt drin, bis zum Beginn der therapeutischen Maßnahmen, also auch während der Mittagsruhe,“ befiehlt sie. „Einen schönen Tag noch, Frau Ferner. Bis morgen.“ Und dann schieben mich die Pfleger auf den Flur.
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RE: Haus Waldstetten
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Datum:18.12.24 20:16 IP: gespeichert
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Die Gurte
„Zwangseingewiesen, zwangseingewiesen“ hämmert es in meinem Kopf, während ich durch die langen Flure geschoben werde. Mantraartig wiederhole ich es still vor mich hin. „Zwangsmaßnahmen, Zwangsmedikamention, richterlicher Beschluss“ - die Worte der Ärztin hallen in meinem Hirn wieder. Was habe ich mir eigentlich dabei gedacht, mich wieder in Bodenhain einweisen zu lassen? Hatte ich das alles vergessen? Und jetzt hier in diesem Haus ist alles noch viel schlimmer.
Allmählich beginnt das Neuroleptikum zu wirken. Der Gang, durch den ich geschoben werde, wirkt wie ein Tunnel. Die Wände fangen an unscharf zu werden und ganz klar kann ich nur das sehen, was gerade aus vor mir ist. Ich merke, wie mir der Speichel aus den Mundwinkeln tropft, und mache durch ein Grunzen darauf aufmerksam. Tatsächlich reagiert der Pfleger darauf und putzt mir vorsichtig das Kinn trocken.
Dann geht es durch um eine Ecke und durch eine Glastür. „Gleich sind wir in Ihrem Zimmer“, kündigt der Pfleger an und dann werde ich in einem hellen Raum geparkt, wo nur ein Pflegebett drinsteht.
„So, ich kümmere mich jetzt mal um Ihr Essen und hole eben eine Platte für Ihrem Rollstuhl“, sagt der Pfleger. Er verschwindet kurz, kommt dann wieder und befestigt eine Tischplatte für das Essen am Rollstuhl. Dann nimmt er mir den Ballknebel ab. „Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Dominik.“ Ich blicke in ein hübsches, freundliches Gesicht. Dominik hat kurze schwarze Haare, markante Züge, ist schlank und scheint gepflegte Hände zu haben. Ich finde ihn sofort attraktiv. „Ich heiße Katrin“, bringe ich hervor, „Katrin Ferner.“ Wie schwer mir das Sprechen fällt, wie als wenn ich betrunken wäre. Meine Zunge fühlt sich pelzig an und mir fällt es schwer, mich zu konzentrieren.
„Das Mittagessen werde ich Ihnen anreichen und dann geht es zum Mittagsschlaf ins Bett“, kündigt Dominik an. Ich blicke auf das Bett und entdecke ein komplettes S-Fix-Set darauf. Was habe ich das vermisst!
Dominik stellt nun das Essen auf den Tisch, es gibt Kartoffelpüree, Sauerkraut und Würstchen. Esse ich eigentlich ganz gerne, aber mir fehlt der Appetit. Ich kann mich noch nicht darauf einlassen: vor drei Stunden war ich noch ein freier Mensch und nun sitze ich festgeschnallt in einem Rollstuhl, werde gefüttert und sabbere vor mich hin. Ja, sabbere, denn mir fällt es schwer, das Essen im Mund zu behalten. Dominik wischt mir immer vorsichtig und sorgsam das Kinn ab. „Ist nicht so schlimm, Frau Ferner, ich fürchte, Sie können das Neuroleptikum nicht so gut vertragen. Frau Dr. Hahn wird Ihnen beim nächsten Mal weniger verabreichen. Wie das Zeug so wirkt, ist ja bei jedem Menschen anders.“
Nach dem Essen bitte ich Dominik, zur Toilette gehen zu dürfen. Er schnallt mich los und hilft mir aus dem Rollstuhl. Meine Beine fühlen sich an wie aus Pudding und Dominik führt mich zur Toilette. „Ich lass Sie dann mal allein“, sagt er, „und lehne die Tür nur an. Wenn Sie Hilfe benötigen, rufen Sie bitte.“
Ich erleichtere mich, gehe dann vorsichtig ins Zimmer zurück und setze mich aufs Bett. „Es ist Order, Ihnen den Ballknebel über Mittag anzulegen. Darf ich bitten?“, fragt der Pfleger und hält mir den roten Ball vor den Mund. Ich öffne ihn bereitwillig und schon spüren meine Zähne den Ball zwischen sich. Dominik befestigt die Schnallen an meinem Hinterkopf und fügt hinzu: „Wie Sie sich sicher schon denken können, muss ich Sie fixieren. Ziemlich sogar. Legen Sie sich einfach bitte bequem hin.“ Ich lege mich auf den Rücken und Dominik fängt mit dem breiten Bauchgurt an und verschließt ihn sorgfältig, ohne ihn allzu stramm zu ziehen. Dann legt er meine Hände in Position, zieht die gepolsterten Gurte um meine Handgelenke immer enger und sichert sie schließlich mit kleinen Magnetschlössern. Ich mag es, wie er an mir herumhantiert. Sehe seine feingliedrigen Hände und wünsche mir, er möge mich berühren. Und als Dominik mir den Schrittgurt anlegt, werde ich trotz der Sedierung horny. Er verbindet ihn mit dem Bauchgurt und zieht dann eine Schulterhalterung bis neben meinem Kopf fest. Nun kann ich nur noch liegen, mich noch niemals aufrichten. „Jetzt noch die Füße“, murmelt Dominik, spreizt meine Beine etwas auseinander und legt die gepolsterten Gurte um meine Fesseln. Dann streicht er an meinen Oberschenkeln die Hose glatt und legt die Halterung an. Ich stöhne vor Wollust, auch wenn es sich mit dem Knebel anders anhört.
„So, wir sind fertig. Legen Sie bequem oder soll das Kopfteil noch höher?“ Ich nicke und Dominik richtet es etwas auf. „Soll ich Ihnen noch die Brille abnehmen?“ Ich schüttele meinen Kopf. „Dann wünsche ich einen guten Mittagsschlaf,“ sagt der Pfleger, zieht die Seitengitter hoch und lässt mich allein.
Allein mit meiner Lust, aber ich werde plötzlich immer müder. Einmal geht die Tür noch auf. Dominik kommt zu mir und hat eine Art Messschieber in der Hand. „Ich muss noch schnell was erledigen,“ sagt er und nimmt mit dem Werkzeug zunächst an meinen Wangen Maß, dann an meinem Gesicht. „Es ist wegen der Maske,“ erklärt er und geht. Welche Maske? denke ich und dann schlafe ich wohlig ein.
Eingekleidet
„Hallo, Frau Ferner, hören Sie mich?“ Eine Frauenstimme dringt in meinen Schlaf und widerwillig öffne ich die Augen. „Na, Sie haben ja gut geschlafen. Nun ist es Zeit, aufzuwachen und mit der Therapie anzufangen. Ich bin Schwester Margot, die Stationsschwester hier auf der 2. Ich werde Sie jetzt mal losmachen.“ Ich schaue in ein Gesicht von undefinierbarem Alter, irgendwas um die 50, und die Frau löst nach und nach sämtliche Fixierungen des S-Fix-Systems. Ich murmele irgendwas Sinnloses in meinen Knebel und lasse mir dann von der Schwester aufhelfen. „So, zuerst geht es jetzt mal in den Hygieneraum,“ kündigt sie an, „die zwei Kolleginnen werden Sie begleiten.“ Zwei andere, ungefähr gleichaltrige Schwestern stehen rechts und links neben mir und führen mich aus den Zimmer, quer über den Flur in einen anderen gefliesten Raum. Dort sehe ich eine Liege und einen Gynokologiestuhl. „So, Frau Ferner, Sie werden jetzt Ihre Klinikwäsche anziehen. Und gerade am Anfang Ihres Aufenthaltes hier müssen Sie eine Windel tragen. Also, bitte ziehen Sie sich jetzt aus,“ sagt eine der beiden Frauen. Ich fühle mich immer noch total schlapp und gehorche bereitwillig. Ich gebe meine Kleidung den Frauen. „Bitte auch Ihre Brille. Sie werden dann eine von unseren bekommen.“ Ich nehme meine Brille ab, die samt meiner Kleidung in einer großen Plastikkiste verstaut wird.
Ich stehe nur noch im Höschen da und dann werde ich zum Gynostuhl geführt, auf dem ich Platz nehme. Ein breiter Gurt wird über meinen Bauch gespannt und ein weiterer Gurt um meinen Kopf. „Wir werden Sie jetzt unten herum rasieren und Ihnen dann einen Windel anlegen.“ Mein Busch wird abrasiert und eine warme, dicke Windel schließt sich um meinen Unterleib. „Fertig. Wir machen Sie dann mal los.“ Die beiden helfen mir auf und ziehen mir dann eine gelbe Plastikhose über die Windel. „Wenn mal was ausläuft…“ und dann schlüpfe ich einen wunderschönen hellgelben Pflegeoverall, der mit Reißverschlüssen an den Beinen verschlossen wird. „Für das schnelle Saubermachen“, wie mir erklärt wird.
Wie in Trance lasse ich alles mit mir geschehen, ich finde die ganze Prozedur noch nicht einmal erniedrigend, sondern lasse sie einfach machen.
„Und jetzt bitte einmal die Arme nach vorne“ und schon werden die Ärmel einer weißen Jacke über meine Hände und Arme gestreift. Meine Hände finden vorne keinen Ausgang, Die Jacke wird rasch über meine Schultern gestreift und mit mehreren Schnallen fest hinter meinem Rücken und an meinem Hals verschlossen. „Wir wussten von Ihrem letzten Aufenthalt hier her noch Ihre Größe. Ha, sie passt wie angegossen,“ kommt als Kommentar. Die Schwestern verschränken meine Arme und befestigen die losen Enden ebenfalls an meinem Rücken. Der feste Segeltuchstoff spannt sich um meine Schultern und den Oberkörper, mir wird ganz warm darin und ich spüre trotz Sedierung ein eigenartiges Kribbeln tief in mir drin. Meine Zwangsjacke, ich darf sie wieder tragen. Dann wird noch der Schrittgurt stramm gezogen und ich bin diesem Teil unerbittlich ausgeliefert.
Die Stationsschwester meldet sich nun zu Wort: „Wir haben den richterlichen Beschluss für sämtliche Fixierungsmaßnahmen bei Ihnen aufgrund des hohen Grades an Selbstgefährdung. Sie sollten sich darauf einstellen, dass bei Ihnen, wie bei fast allen Zwangseingewiesenen die Maßnahmen in den ersten Wochen bestehen bleiben, bis eine Gefährdung ausgeschlossen werden kann. Nun nehme ich Ihnen aber erst mal den Knebel ab.“
Sie stellt sich hinter mich und befreit mich von dem Teil. Ich lecke mir die ausgetrockneten Lippen und möchte etwas sagen, aber meine Aussprache ist lallend und schleppend. „Immer die Zwangsjacke?“ bekomme ich noch hin. „Am Anfang ja,“ ist die Antwort, „bessert sich Ihr Verhalten, können Sie darauf verzichten. Das entscheidet dann Frau Dr. Hahn im wöchentlichen Feedback-Gespräch.“
Einigermaßen kann ich mich auch ohne Brille im Spiegel erkennen. Die dicke weiße Jacke, die gelben Beine des Overalls, hübsch sehe ich aus.
„Frau Ferner, Sie sind hier wegen selbstverletzendem Verhalten und wir halten nun in verhaltenstherapeutischer Hinsicht dagegen,“ erklärt Schwester Margot. „Sie werden nun bis auf weiteres eine Gesichtsmaske tragen, die das Beißen verhindert, sowie eine unserer reizreduzierenden Brillen. Dazu, damit Sie bei einem möglichen Fallen, nicht zu Schaden kommen, einen Schutzhelm. Das mag für Sie vielleicht ein bisschen viel auf einmal sein, aber denken Sie daran, es nützt Ihnen sich selbst zu regulieren.“ Und dann schiebt eine der Schwestern ein Schränkchen auf Rädern in den Raum und ich muss mich auf die Liege setzen. „Sie kennen den Film „Das Schweigen der Lämmer“? fragt Schwester Margot. „Solche Beißschutzmasken wie in diesem Film haben sich auch in unseren Einrichtungen als sinnvoll herausgestellt. Keine Angst, Sie werden damit sprechen können und die Atmung ist auch nicht behindert. Und an das Fremdgefühl im Gesicht gewöhnt man sich schnell.“ Und dann holt sie tatsächlich solch eine Horrormaske aus dem Schränkchen. „Sehen Sie hier“, sagt Margot, “durch das Mundgitter werden Sie gut atmen können. Die Maske müssen Sie zunächst immer tragen, nur zum Essen wird sie Ihnen abgenommen.“ Und dann wird sie mir angepasst und die Gummigurte um den Kopf gezogen. Ich sehe mich im Spiegel, mein halbes Gesicht samt Nase von der braunen Maske verdeckt. Vor dem Mund die Gitterstäbe. Ich schüttele mich. Bin ich das, Katrin, in Zwangsjacke und Beißschutzmaske? Ich versuche etwas zu sagen, aber nur schwer kommen die Worte aus meinem Mund: „Ich möchte das nicht. Ich beiße auch nicht mehr, ganz bestimmt nicht.“ „Das sind medizinisch-therapeutische Maßnahmen, die in Ihrem Fall absolut sinnvoll sind,“ ist die dürftige Antwort, „Sie wollen doch irgendwann einmal Haus Waldstetten wieder verlassen, oder?“
Ich schaue mich im Spiegel an. Und fasse es nicht. Und bin gleichzeitig fasziniert von meinem Aussehen. „Gibt es hier noch andere, die, die so aussehen wie ich?“ „Natürlich nicht alle, aber in Einzelfällen schon. Waldstetten ist ja spezialisiert für die schwereren Fälle. Aber wir sind noch nicht fertig.“
Schwester Margot holt nun einen braunen Lederhelm und eine dickrandige Brille mit großen Gläsern hervor, an deren Bügeln zusätzlich ein Gummigurt angebracht ist. „Das kennen Sie ja schon“, kündigt sie an, “Sie werden mit der Brille nur das klar sehen können, was in Ihrem Nahbereich ist. Alle anderen Reize können Sie damit ausblenden. Laut Frau Dr. Hahn fangen Sie mit einer hohen Stärke an, plus zehn auf beiden Gläsern. Sollten sie vom Tragen Kopfschmerzen bekommen, dann melden Sie sich bitte. Dagegen kann man ja was tun.“ Und dann zieht sie mir die Brille an. Wie bei einer Schwimmbrille ist der Mittelsteg flexibel, so dass sich die Brillenränder der beiden Gläser perfekt an mein Gesicht schmiegen. Die Bügel finden an meinen Ohren Halt, der Gurt an meinem Hinterkopf sorgt dafür, dass die Brille perfekt sitzt. Augenblicklich versinkt die Welt in Unschärfe. Ich sehe nur noch die Schwester deutlich, die direkt vor mir steht. Von allem anderen sehe ich nur unscharfe Farben.
„Wir werden Sie gleich für den Rest des Nachmittages in die Weichzelle bringen. Dort können Sie sich erst einmal an die neuen Eindrücke gewöhnen und völlig zur Ruhe kommen. Aber vorher müssen wir Ihnen diesen Helm aufsetzen. Auch ihn werden Sie jetzt nahezu permanent tragen. Er schützt Sie nicht nur, falls Sie mal fallen sollten, sondern hat auch noch einen integrierten Gehörschutz, damit Sie auch auf akustische Reize nicht mehr so reagieren können.“
Dann wird mir auch schon der braune Helm übergestülpt, schön farblich mit meiner Maske abgestimmt, und schon wird die Welt leiser. Die Schwester befestigt den Kinngurt und dann helfen mir zwei starke Arme auf und stellen mich vor den Spiegel.
Die starken Gläser der Brille vergrößern meine Augen enorm. Aber sonst ist von meinem Gesicht nichts mehr zu sehen. Die abscheuliche Maske nimmt die untere Hälfte ein, die Brille und der Helm den Rest. Das bin ich nicht mehr, das ist jemand Fremdes, der mich da ansieht.
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Luzern
Bevor ich ins Gras beisse, rauche ich es zuerst weg!
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RE: Haus Waldstetten
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Datum:18.12.24 21:23 IP: gespeichert
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Super Geschichte. Genau nach meinem Geschmack. Bitte weiter so.
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RE: Haus Waldstetten
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Datum:19.12.24 22:34 IP: gespeichert
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Ein toller Bericht. Die Völlige Hilflosigkeit gefällt mir auch sehr gut. Bitte weiter berichten.
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Erfahrener
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RE: Haus Waldstetten
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Datum:20.12.24 16:20 IP: gespeichert
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Vielen Dank für euer tolles Feedback. Nun geht es schon weiter.
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Erfahrener
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RE: Haus Waldstetten
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Datum:20.12.24 16:25 IP: gespeichert
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Wie in Watte
Ich werde vorsichtig in die Mitte genommen und dann geht es über den Flur in Richtung Weichzelle, oder besser gesagt Gummizelle. Die beiden Schwestern stützen mich, denn meine Beine fühlen sich noch immer ganz schwach an. Sehen kann ich kaum etwas, hören auch nur gedämpft, ich fühle mich wie in Watte. Sie führen mich über den Flur, eine Tür geht auf und ich befinde mich in einem hellen Raum. Die Schwestern setzen mich vorsichtig auf eine gepolsterte Liege und lassen mich dann allein. Ich bleibe erst einmal wie benommen sitzen, stehe dann auf und versuche einige Schritte zu gehen. Mir ist etwas schwindelig und der weiche Boden gibt mir nicht unbedingt Sicherheit. Schließlich falle ich auf die Knie und dann lege ich mich auf den Boden. Das wird mir allerdings bald zu unbequem und irgendwie gelange ich zu der Liege. Rückwärts an die Wand gelehnt drücke ich mich hoch und dann mache ich es mir auf der Liege möglichst bequem. Langsam döse ich wieder weg, ich kann meine Gedanken nicht klar halten.
Irgendwann bemerke ich, dass jemand vor mir steht und mich beobachtet. Ich kann nicht erkennen, wer es ist, sehe nur etwas Weißes. Wahrscheinlich Frau Dr. Hahn, denke ich. Die weiße Gestalt entfernt sich dann wieder.
Draußen wird es langsam dunkler und das Licht in der Gummizelle geht an. Ich bleibe liegen und lasse meine Gedanken treiben. Aber ich kann sie nicht festhalten, alles nur Fetzen.
Dann sind plötzlich wieder die beiden Schwestern da, helfen mir auf und führen mich aus der Zelle. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist und wo es hingeht, bis ich mich wieder in meinem Zimmer, dem Beobachtungszimmer, wiederfinde. Ich werde auf einen Stuhl gesetzt und dort sofort mit einem breiten Brustgurt festgeschnallt. Dann wird ein Tisch herangeschoben, ich rieche Wurst und Käse. Also Abendessenzeit. Zwei Hände lösen die Maske von den Gurten und dann beginnt ein erlesenes Essen. Ich werde wieder gefüttert und trinke aus der Schnabeltasse. „Eigentlich mag ich keine Wurst auf Brot, nur Käse“, wage ich zu sagen und bekomme tatsächlich eine vernünftige Antwort: „Gut, dass Sie`s sagen. Dann gibt es morgen Abend nur Käse.“
Nach dem Essen wird mir die Maske wieder angelegt. Hannibal Katrin ist bereit. Dann wird meine Windel kontrolliert, sie ist noch schön trocken. „Darf ich zur Toilette?“ bitte ich und auch diese Bitte wird mir erfüllt. Toilette ja, aber mit Aufsicht. Und dann natürlich einer frischen Windel. Danach werde ich zum Bett geführt und dann zieht man mir endlich die Zwangsjacke aus. Ich recke und strecke mich ausgiebig, bevor mich die S-Fix-Gurte wieder empfangen.
Kein Waschen, kein Zähneputzen, ich bekomme nur einen dünneren Overall an, dicke Patientenfäustlinge werde über meine Hände gestreift und dann werde ich wie heute Mittag wieder rundum fixiert. Ich bin so fertig, dass ich alles mit mir geschehen lasse und bald schlafe ich ein.
In der Nacht werde ich ein paar Mal wach. Die Fixierung ist ungewohnt und anstrengend und durch kleinere Bewegungen versuche ich, mir etwas Erleichterung zu verschaffen.
Ich bin froh, als ich morgens geweckt werde. Nach der Befreiung von den Gurten führen mich zwei Schwestern ins Bad. Dort ziehen sie mich aus und führen mich zu einem seltsamen Gestell, eine Art Türrahmen. Mir wird eine Fessel aus Plastik um meinen Hals gelegt, links und rechts gehen Plastikgurte davon ab, die an den Seiten des Rahmens befestigt werden. Dann bekomme ich Fuß- und Handfesseln aus dem gleichen Material angelegt, die ebenfalls stramm am Rahmen befestigt werden. Ich stehe nun mit gespreizten Beinen nahezu bewegungsunfähig in diesem Rahmen und eine Schwester beginnt, mich nun ausgiebig einzuseifen und abzuduschen.
Nach der Säuberungsaktion bekomme ich wieder Windel, Gummihose, Pflegeoverall an und dann natürlich wieder die Zwangsjacke. Ich fühle mich immer noch ziemlich Matsche und lasse alles an mir geschehen. Später dann die Raubtierfütterung, Zähneputzen (also doch!), Maske wieder an und dann ab in die Gummizelle. Ich liege dort wieder auf der Liege, bin immer noch leicht benommen und fühle mich weiterhin wie in Watte.
Nach dem Mittagessen erwartet mich wieder S-Fix. Heute Mittag ist Dominik leider nicht da, irgendeine Schwester macht sich an mir zu schaffen. Etwas ruppig, wie ich finde, und sehr stramm fixiert. Dann werden die Gitter hochgezogen und ich kann mich wieder meinen müden Gedanken hingeben.
Und nach dem Mittagschlaf dann tatsächlich etwas Abwechslung. Erst die Zwangsjacke an und dann darf ich in einem Pflegerollstuhl Platz nehmen. Sofort werde ich dort mit einer breiten Weste festgeschnallt. Dann kommen Gurte um meine Füße, damit ich damit ja kein Unheil anrichte. Gurte um meine Oberschenkel verhindern, dass ich auch nur den Gedanken hege, ich könne aufstehen. Und damit ich nicht mit dem Kopf schlage, wird mein Helm noch an der Kopfstütze befestigt.
Und dann werde ich nach draußen geschoben. Geräusche dringen gedämpft zu mir durch, ich sehe schemenhaft, aber obwohl alles bei mir so eingepackt ist, spüre ich die frische Luft. Der Rollstuhl wird irgendwo draußen geparkt und ich genieße den aufkommenden Wind. Für wie wenig man schon dankbar sein kann!
Ich fühle mich immer noch wie abgeschossen, kann nicht wirklich einen klaren Gedanken fassen. Menschen kommen auf mich zu, stellen sich um meinen Rollstuhl und gehen wieder weg. Es fühlt sich alles so irreal an. Gestern Morgen bin ich noch ganz normal aufgewacht und nun sitze ich voll fixiert in diesem Monstrum, fühle mich völlig benebelt und kann mich nicht rühren.
So langsam müsste ich mal auf die Toilette. Ich wage mehrmals eine fragendes „Hallo“, aber immer noch kommen die Worte wie Bröckchen aus meinem Mund. Dann setzt mich mein Rollstuhl plötzlich in Bewegung und ich werde in die Sonne geschoben. Ich versuche mich noch einmal zu melden, doch derjenige, der mich geschoben hat, geht einfach weg. Es wirkt alles so gespenstisch.
Und dann immer wieder dieses eine Wort, das mir durch den Kopf geht: Zwangseingewiesen. Wie ein Mantra taucht es in meinen Gedanken auf und ich kann es nicht wegscheuchen, so bedrohlich wirkt es auf mich. Während ich so in der Sonne sitze, muss ich es auch mehrfach ausgesprochen haben, denn plötzlich wird mein Ohrenschutz angehoben und eine Stimme fragt mich: „ Führen Sie Selbstgespräche?“ Mir ist das megapeinlich, jetzt sabbel ich auch schon vor mich hin. Sofort verstumme ich. „Ich werde es mal notieren,“ sagt die Stimme, „das kann ja auf eine Psychose hindeuten.“
Netzbetten im Schlafsaal
Am Abend und am nächsten Tag wieder das gleiche Programm, nur dass ich mich wesentlich besser fühle. Auch die Waschprozedur, festgeschnallt im Rahmen stehend, lasse ich über mir ergehen. Dann werde ich wieder in den Auszeitraum, natürlich weiterhin in Zwangsjacke, gefahren und nach der Mittagsruhe wieder voll fixiert im Rollstuhl nach draußen. Mittlerweile kann ich durch die starken Gläser ein wenig besser sehen, meine Augen haben sich wohl ein wenig daran gewöhnt.
In der Nacht schlafe ich zum ersten Mal, seit dem ich in Waldstetten bin, wenigstens einigermaßen gut. Ich habe aber auch den Eindruck, dass die Fixiergurte nicht mehr ganz so stramm angezogen werden.
Am nächsten Morgen dann eine Überraschung: Ich werde von einer Schwester geweckt und Frau Dr. Hahn steht plötzlich vor meinem Bett. Die Schwester löst die Gurte meines Helmes und nimmt ihn mir vorsichtig ab. „Guten Morgen, Frau Ferner,“ beginnt die Ärztin, „Sie haben sich bisher ja recht gut hier eingefügt, so dass wir an erste Lockerungen denken können. Heute Morgen dürfen Sie sich ganz alleine duschen. Ihre Brille nehme ich mit und lasse etwas schwächere Gläser einbauen. Sie bekommen auch einen neuen Helm, aber ohne Ohrenschutz. Sie sollen sich dann langsam wieder an die akustischen Reize gewöhnen. Nach dem Frühstück werden Sie das Beobachtungszimmer verlassen und sozusagen richtig auf Station kommen. Wir haben für Sie ein PIB vorgesehen, dann entfällt auch die Vollfixierung.“ Was ist ein PIB?“ frage ich. „Ein Psychiatrisches Intensivbett“, ist die Antwort. „Auf der Station finden in den meisten Patientenzimmern umfangreiche Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen statt. Da wir zudem mit Fachkräftemangel zu tun haben, müssen die Patientinnen sich am Tag, zumindest bei schlechteren Wetter wie heute in ihren PIBs aufhalten. Wegen des momentanen Raummangels stehen diese in einem Schlafsaal. Das geht leider im Moment nicht anders. Und jetzt macht die Schwester Sie los, bringt sie zur Dusche und dort dürfen Sie sich viel Zeit lassen. Einen schönen Tag noch.“ „Ach ja. Ihre Brille bitte noch.“ Und dann wird mir das Teil, das ich seit einigen Tagen und Nächten ununterbrochen trage, abgenommen. Meine neue Sicht ohne Brille ist ziemlich unscharf, zumal ich ja auch sonst eine, wenn auch schwächere, trage. Aber so verschwommen sehe ich sonst nicht.
Das Duschen ist dann eine Wohltat. Ich lasse mir wirklich viel Zeit dabei, wasche mir ausgiebig die Haare und mache mich dann in Ruhe fertig. Nachdem ich angezogen bin, wird mir wieder die Zwangsjacke übergestreift, aber diesmal deutlich lockerer als sonst zugemacht.
Nach dem Frühstück im Beobachtungszimmer wird mir angekündigt, dass gleich das PIB käme. Ich bin gespannt, was damit gemeint ist und staune nicht schlecht, als ein altertümliches Netzbett hereingerollt wird. „Bitte, Platz nehmen“, werde ich aufgefordert und dann wird mir geholfen, mich ins Bett zu setzen. Über mir und an der Seite sehe ich die festen Netze, die über Metallrahmen befestigt sind. Meine Beine und Füße werden schnell fixiert, der Rest meines Körpers zum Glück nicht. Ich bekomme meine Gesichtsmaske angezogen, das Seitennetz wird hochgefahren und mit dem Kommentar „das ist nun ihr neues kleines Zuhause“ werde ich samt Bett in Bewegung gesetzt. Ich werde über den Flur geschoben, dann öffnet sich eine Schiebetür und es verschlägt mir den Atem. Ein beißender Geruch strömt mir entgegen und ich kann gerade so ungefähr zehn Netzbetten mit Bewohnerinnen in einem Raum erkennen. An eine freie Stelle der Tür genau gegenüber wird mein Bett geparkt und die Bremsen werden angezogen. Eine mir unbekannte Schwester öffnet das Bett, setzt mir meine Brille auf und stülpt mir dann den neuen Helm über den Kopf. Augenblicklich ist mein einigermaßen klares Sehen auf wenig mehr als zwei Meter begrenzt. Mein Helm wird wieder schön festgeschnallt, dann das Netzgitter hochgezogen und mit einem launischen „ich wünsche einen ruhigen Vormittag“ werde ich verabschiedet.
Ich schaue nach links und rechts und kann so gerade in den beiden Netzbetten die anderen Patientinnen erkennen. Zu meiner linken sitzt eine älteren Frau, genau wie ich auch in eine Zwangsjacke gepackt, und schaukelt monoton hin und zurück. Dabei summt sie ununterbrochen die gleiche Melodiefolge. Im Bett auf der rechten Seite liegt eine jüngere Frau. Ein roter Ballknebel verschließt ihre Mund, hinter ihren dicken Brillengläsern hat sie ihre Augen geschlossen und auch sie hat eine Zwangsjacke an. Mein Gott, wo bin ich hier gelandet.
„Ah, unser Neuzugang,“ ertönt irgendwann eine kräftige Stimme, „ich bin Schwester Brigitte und Sie sind …. die Frau Ferner. Natürlich zwangseingewiesen, wie alle hier auf der Station. Ich soll Sie abholen, es wird ein EEG gemacht.“ Und schon löst sie die Bremsen des Bettes, zieht es hervor und schiebt mich dann über einen langen Flur in das Behandlungszimmer. Dort werde ich schon von Frau Dr. Hahn erwartet. Die Schwester öffnet das Netzbett, löst die S-Fix-Gurte und hilft mir aus dem Bett. Ich setze mich in eine Art Zahnarztstuhl und werde wieder schön festgeschnallt. Ich bekomme eine Haube aufgesetzt, mittels derer die Elektroden auf bestimmte festgelegte Punkte der Kopfhaut platziert werden. „Wir müssen doch herausbekommen, was zu Ihren Aussetzern führt,“ wird mir erklärt. Die ganze Prozedur dauert vielleicht eine halbe Stunde, mittlerweile fehlt mir jedes Zeitgefühl.
Irgendwann kommt Frau Dr. Hahn wieder herein. “So, wir sind fertig,“ kommentiert sie, „Herzlichen Glückwunsch! Es liegen keine Auffälligkeiten vor. Es finden sich keine Hinweise auf irgendwelche Funktionsstörungen. Das heißt, wir können weiterhin über verhaltenstherapeutische Maßnahmen auf Ihre Probleme eingehen und Ihnen weiterhelfen. Sie bleiben jetzt hier bitte noch etwas sitzen. Später gibt es dann Mittagessen.“
Schwester Brigitte befreit mich dann von der Haube und kündigt mir an, in etwa einer halben Stunde würde sie mich zum Essen abholen.
Und irgendwann kommt sie auch und schnallt mich los. An den Griffen meiner Zwangsjacke führt sie mich in den Speisesaal, wo es ganz schön laut her geht. Und – o Wunder – ich darf zum ersten Mal, seitdem ich hier bin selbständig essen! Die Schwester befreit mich von meiner Maske und von der Jacke und platziert mich an einen Vierer-Tisch. Damit ja nichts passieren kann, essen hier alle mit einem Plastiklöffel von einem Plastikteller und trinken aus einem Plastikbecher. Aber ich bin schon froh, diesmal nicht gefüttert zu werden.
Mit den die anderen Frauen am Tisch kann ich wenig anfangen. Sie stieren nur auf ihre Teller und schaufeln ihr Essen in sich hinein.
Nach diesem trostlosen Essen ist es dann aber auch schon wieder mit der relativen Freiheit vorbei. Ich bekomme meine Gesichtsmaske und die Zwangsjacke wieder angezogen und werde in den Schlafsaal geführt. Dort warte schon mein Netzbett auf mich, in das ich mich zur Mittagsruhe hinlegen muss, diesmal wieder schön mit dem S-Fix angeschnallt.
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Einsteiger
Luzern
Bevor ich ins Gras beisse, rauche ich es zuerst weg!
Beiträge: 8
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RE: Haus Waldstetten
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Datum:20.12.24 17:56 IP: gespeichert
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Danke für die rasche Fortsetzung. Ich wäre happy, wenn Frau Ferner wieder härter unter Medikamente gesetzt wird..ein medizinischer Ballknebel oder so. Nur als inspiration gedacht.
Danke nochmals für diese tolle Geschichte.
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