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RE: Mädchenpensionat
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Datum:20.06.24 20:13 IP: gespeichert
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Zitat | Aus der Sicht der Eltern? Da bin ich ja mal gespannt, was die sich zusammenreimen, von wegen \"Wir haben doch nur das Beste gewollt\" und \"undankbar\" etc. |
Lass Dich einfach überraschen. Ich habe mir viel Mühe gegeben, die Geschichte möglichst realistisch zu erzählen. Allerdings kommt die Aussöhnung mit den Eltern erst in Kapitel 26 und 27.
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:21.06.24 23:49 IP: gespeichert
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Kapitel 23: Im Krankenhaus (Teil 2)
In den nächsten Wochen taten die beiden Ärzte alles, um mich körperlich und psychisch wieder herzustellen. Auch mein Vater hatte sich in seine Zuschauer-Rolle gefügt und überwies mir Unsummen an Geld. Erst später erfuhr ich, dass er Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatte, um den Gerichtsbeschluss anzufechten. Nur leider galt Prof. Dr. Brinkmann als absolute Koryphäe im Bereich der Psychiatrie von jungen Erwachsenen, sodass sich kein in der Schweiz zugelassener Gutachter fand, der seine Expertise in Zweifel gezogen hätte. Vielleicht beruhigte es meinen Vater aber auch, dass wohl alle von ihm angefragten Gutachter und Psychiater ihm versichert haben, dass ich bei Herrn Brinkmann in den besten Händen sei.
Den Großteil des Geldes meines Vaters tastete ich vorerst gar nicht an.
Nach der Zeit im Pensionat war es eine Wohltat wieder weite Trainingshosen, enge Leggings, Jeans-Hosen und einfache T-Shirts und vor allem keine Korsetts zu tragen. In der Schweiz ist das Gesundheitswesen besser als in Deutschland mit finanziellen Mitteln ausgestattet, sodass mir vom Krankenhaus eine Erstausstattung an Klamotten - ich meine natürlich Kleidungsstücken - zur Verfügung gestellt wurde. Als ich das Krankenhaus zunächst mit einem Rollstuhl, später auf Krücken und schließlich zu Fuß verlassen konnte, nutzte ich die Möglichkeit zum Einkaufen. So konnte ich meine geliebten Sommerkleider wieder tragen. Bei warmem Wetter trug ich teilweise sogar Shorts oder Hotpants sowie manchmal sogar ein Crop-Top, nachts einen Schlafanzug oder einfach nur ein Negligé. Vor meiner Zeit im Internat hatte ich ausschließlich 'normale' Unterwäsche, sprich Schlüpfer und BHs in weiß und aus Baumwolle getragen. Jetzt entdeckte ich auch eine Vorliebe für Dessous. So trug ich auch mal Spitzen- oder Seidenunterwäsche – auch in rot und schwarz, mal einen Body, String und Strümpfe mit Strapse. Nur die Lust auf Korsetts war mir ein für alle Mal vergangen. Wenn ich mich so im Spiegel betrachtete, musste ich öfters an die Damen Durcet und Niedermayer denken. Wenn diese mich in diesem Outfit gesehen hätten, wären sie sicherlich in Ohnmacht gefallen, dachte ich das eine oder andere Mal. Auch musste ich feststellen, dass ich der Zeit im Internat sich meine weiblichen Proportionen gut entwickelt hatten und ich inzwischen durch meinen Kleidungsstil mehr meine weiblichen Reize zur Geltung brachte.
Dass ich für Herrn Brinkmann und sein Team eine Herausforderung werden würde, bestätigte ich in den nächsten Wochen und Monaten. Im Nachhinein betrachtet, habe ich allen einiges abverlangt. In manchen Sitzungen habe ich nur geheult. Für die Geduld, die man mir hatte, bewundere ich sie noch heute. Die ein oder andere Beruhigungstablette habe ich gebraucht. Manchmal hatte ich die Befürchtung, dass es in der ganzen Schweiz bald kein Baldrian mehr geben wird, weil ich alles verbraucht hatte. Aber Herr Brinkmann bliebt seinen Prinzipien treu und stellte mich nicht mit Psychopharmaka ruhig.
Anders als meine Psyche regenerierte sich mein Körper recht schnell. Naja einige Monate dauerte es schon. Eines Tages kamen Frau Meyer und Herr Brinkmann zu mir. „Wir müssen mit Dir besprechen, wie es weitergeht“, begann Frau Meyer, mit der ich zwischenzeitlich beim 'Du' war. „Ich kann nichts mehr für Dich tun. Deine Brüche sind verheilt und durch entsprechende Physiotherapie haben wir Deine Muskulatur wieder aufgebaut.
Eine Sache muss ich Dir allerdings noch erzählen. Du gehst davon aus, dass wir uns am Tag nach Deinem Sprung in Deinem Krankenzimmer kennen gelernt haben. Tatsächlich liegen zwischen beiden Ereignissen knapp vier Wochen. "Was ist denn alles passiert?", stammelte ich.
Zunächst haben wir 18 Stunden lang um Dein Leben gekämpft. Alle Beteiligten werden Dich und Deine OP nie in ihrem Leben vergessen.
Zuerst ging es um die Frage, ob Du überhaupt eine realistische Überlebenschance hast. Ich habe dann entschieden, dass wir alles versuchen. Mir war allerdings auch klar, dass wir es eventuell nicht schaffen könnten. Ich wollte Dich als junges Mädel, welches sein ganzes Leben noch vor sich hat, nicht aufgeben.
Wir haben mehrfach das komplette Team ausgewechselt. Insgesamt waren 78 Ärzte, OP-Schwestern und weitere Pfleger beteiligt. Die meisten Kollegen sind im Krankenhaus geblieben, um dann später wieder eingesetzt zu werden. Manche sind kurz nach Hause gefahren, um sich im ihre Familien zu kümmern. Für die meisten Kollegen waren es unbezahlte Überstunden. Mehrfach sah es so aus, als ob wir den Kampf verlieren würden. Immer wieder traten Komplikationen - vor allem innere Blutungen - auf. Wir mussten Dich dreimal reanimieren. Als wir Dich nach 18 Stunden dann soweit stabilisiert hatten, dass wir Dich auf die Intensivstation verlegen konnten, lagen wir uns allen in den Armen. Viele Kollegen – einschließlich mir – hatten Tränen in den Augen.
Deine Kleidung lag übrigens die ganze Zeit bei mir zu Hause herum. Ich hatte sie nach der OP an mich genommen und als das Pensionat mich mehrfach kontaktierte, war mir klar, dass es wichtig war, dass Du diese bekommst. Im Übrigen konnte ich Dich dadurch im Glauben lassen, dass Dein Sprung erst gestern war.
Nach der OP hast Du gut drei Wochen im Koma auf der Intensivstation verbracht. Auch in dieser Zeit sind weitere Komplikationen aufgetreten. Wenn ich das alles betrachte, ist es schon ein großes Wunder, dass Du jetzt ohne körperliche Schäden das Krankenhaus verlassen kannst. Allerdings hat der Kollege noch ein großes Stück Arbeit vor sich hat“, sagte Frau Meyer.
Herr Brinkmann fuhrt fort: „Eine gute Freundin betreibt zusammen mit ihrem Freund ganz in der Nähe eine Stiftung, die traumatisierten jungen Erwachsenen Zimmer anbietet. Diese leben in einer Art Wohngemeinschaft zusammen und gehen ganz normal auf die örtlichen Schulen, machen ihre Ausbildungen oder gehen arbeiten. Es ist gerade ein Platz in einer WG frei geworden. Es ist ganz in der Nähe, sodass ich Sie weiter betreuen kann. Wir können uns diese heute ansehen. Wenn es Ihnen nicht zusagt, können Sie selbstverständlich 'nein' sagen.“
Ich hatte eigentlich weder Lust, das Krankenhaus, in dem ich in den letzten Monaten wenigstens etwas Halt gefunden hatte, zu verlassen, noch mir irgendwelche WGs in der Schweiz anzusehen. Aber auf der anderen Seite wollte ich die beiden Ärzte, die so viel für mich getan hatte, nicht vor den Kopf stoßen. So sagte ich zu.
Bei Frau Meyer bedankte ich mich noch persönlich und bat sie, mich, wenn ich das nächste mal auf ihrem OP-Tisch liege, doch nicht sterben zu lassen. Sie entgegnete, dass dies die ohnehin nicht getan hätte.
Die Krankenhäuser in der Schweiz sind zwar – verglichen mit Deutschland – finanziell verhältnismäßig gut aufgestellt. Jedoch kennen auch sie das Wort „Sparzwang“. Ich hatte in den letzten Wochen erfahren, dass das allseits sehr beliebte Mitarbeiterfest in diesem Jahr leider ausfallen muss. Nachdem mir Frau Meyer die meine komplette Geschichte erzählt hatte, fühlte ich, dass es jetzt an der Zeit ist, sich hierfür beim Krankenhaus und dessen Mitarbeitern zu bedanken. So bat ich Frau Meyer um ihr Smartphone. Ich suchte mir einen Catering-Service, einen DJ sowie weitere Unternehmen, die Dienstleistungen im Zusammenhang mit Festlichkeiten anbieten, heraus und beauftragte diese, mit der Durchführung des Mitarbeiterfestes. Mir war klar, dass mein Vater als sparsamer Schwabe, wie er im Buche steht, hiervon alles andere als begeistert sein wird. Aber das war mir in diesem Augenblick vollkommen egal.
Nach dem Mitarbeiterfest wurde ich im Krankenhaus nicht nur mit der längsten und dramatischsten Operation sondern auch mit der ausgelassensten und besten Feier aller Zeiten in Verbindung gebracht. Als ich Jahre später mit Blinddarmbeschwerden mich wieder im Krankenhaus behandeln ließ, wurde ich noch ständig sowohl auf meine OP als auch auf die Feier angesprochen.
[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von ZdBdLa am 10.09.24 um 07:51 geändert
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:22.06.24 05:50 IP: gespeichert
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Das geht ans Herz. So ist das Geld ihres "Vaters" gut angelegt.
Und in der WG kann sie liebe Freunde finden.
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:25.06.24 07:59 IP: gespeichert
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Kapitel 24: Die WG im Seiberhof (Teil 1)
Ich hatte Herrn Brinkmann zugesagt, mir die Wohngemeinschaft von traumatisierten jungen Erwachsenen anzusehen. So fuhr ich mit ihm dorthin. Es war ein ehemaliger Bauernhof, der weit abseits über dem Rhonetal lag. Wir parken unser Auto unten im Tal und weiter ging es mit einer kleinen Seilbahn, die sicherlich schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hatte. Oben empfing uns ein junges Pärchen, beide so Mitte / Ende Zwanzig. „Du musst Natalie sein und willst eventuell bei uns einziehen“, begrüßte mich die Frau, nachdem sich die beiden als Felix und Louisa vorgestellt hatten.
Wir haben hier insgesamt 20 Plätze, verteilt auf 3 Gebäude. Aktuell haben wir in Haus 3, den Seiberthof aus dem 17. Jahrhundert ein Zimmer frei. Es sind ca. 10 Minuten zu Fuß. Dort haben wir acht Plätze und ein wirklich schönes Einzelzimmer für Dich. Vom Alter würdest Du in Gruppe, übrigens alles Mädels im Alter von 18 bis 22 Jahren, gut reinpassen. Wie im Mädchenpensionat fühlte ich mich unwohl und meine Zweifel stiegen. Anders als im Pensionat wusste ich nicht, was der Grund war. „Welche Probleme haben meine eventuell zukünftigen Mitbewohnerinnen?“ fragte ich. „Das kann ich Dir nicht sagen. Wir stellen lediglich die Unterkunft in der Abgeschiedenheit zur Verfügung. Für Deine Therapie bleibt weiter Dein Arzt zuständig. Da halten wir uns raus.“
„Wie gesagt, wenn es Ihnen nicht gefällt, können Sie jederzeit 'nein' sagen. Dies gilt selbstverständlich auch, wenn Sie bereits eingezogen sind“, sagte Herr Brinkmann, dem meine Skepsis als guter Psychologe nicht verborgen geblieben war.
Dann zeigen wir Dir einmal unsere Einrichtung, sagte Louisa. Hier ist das Haupthaus, ein ehemaliger Bauernhof, in dem auch Felix und ich sowie unsere drei Helfer wohnen. Wir haben einen angestellten Hausmeister und zwei Jugendliche machen bei uns eine Art freiwilliges soziales Jahr. Auch das Nebengebäude - früher mal eine Scheune - haben wir ausgebaut. Nun lass uns zum Seiberhof gehen. Wir gingen durch ein kleines Wäldchen und erreichten nach ca. 800 Metern und 50 Höhenmetern den Hof. Er sah genau so aus, wie ich mir einen Bergbauernhof in den schweizerischen Alpen immer vorgestellt habe. Das Haus lag auf einer Lichtung mit einem wunderschönen Blick über das Tal. Vor dem Gebäude stand eine majestätische Eiche, die im Sommer sicherlich viel Schatten spendet. Das Gebäude selbst hatte ein gemauertes Sockelgeschoss und darüber 1,5 Geschosse aus Holz. Prägend waren die schön bepflanzten Blumenkästen vor den Fenstern und die grünen Fensterläden.
Ich dachte mir, dass Heidi in jedem Augenblick um die Ecke kommen kann. In meiner Kindheit gehörten die Geschichten von Heidi, die frei und unbeschwert durch die schweizerische Bergwelt streifen konnten, zu meinen Lieblingsbücher. Ich hatte mir öfters ausgemalt, wie es sein wird, wenn ich eines Tages wie Heidi die Bergwelt genießen kann. Allerdings hatte ich mit meinen 19 Jahren nicht viel gemein mit der Heidi aus dem Roman.
Wir betraten das Haus und standen in einer großen Küche mit einem Tisch mit Eckbank für mindestens 15 Personen. In der einen Ecke stand ein großer Kachelofen. Die Kücheneinrichtung schien alt und abgenutzt zu sein. Sofort sah ich den Fernseher und die Stereoanlage. Wenigstens das ist vorhanden, dachte ich bei mir und erinnerte mich, dass es derartige Selbstverständlichkeiten seinerzeit im Pensionat nicht gegeben hatte, da Frau Durcet der Auffassung war, dass diese schlecht für unsere Entwicklung seien.
„Wir wollen, dass Ihr Euer Leben weitgehend selber organisiert. Dies ist ein wesentlicher Teil unseres Konzeptes. Selbstverständlich lassen wir Euch nicht allein und unterstützen Euch, wenn Ihr es braucht. So müsst Ihr selber kochen und auch das Haus selbst sauber halten, sprich putzen. Auch die notwendigen Lebensmittel müsst Ihr unten im Tal selber einkaufen. Wir stellen Euch dafür ein Budget zur Verfügung, welches ausreichend ist. Rechnen müsst Ihr allerdings schon.
Wir haben hier im Haus drei Duschen und drei Toiletten. Auf jedem Zimmer ist zudem eine Waschgelegenheit.“ In diesem Moment betrat ein Mädchen in meinem Alter den Raum und fragte, ob ich die neue Mitbewohnerin sei. „Ich weiß noch nicht“, antwortete ich, worauf das Mädchen sagte, „ich glaube schon, dass Du hier einziehen wirst.“ Sofort musste ich an den ersten Tag im Pensionat und die Begegnung mit der Mutter Oberin denken und bekam einen fürchterlichen Heulkrampf. „Oh Dich hat es psychisch aber ziemlich stark verwischt“, entgegnete meine potenzielle zukünftige Mitbewohnerin und riet mir dringend, das Angebot, hier einzuziehen, anzunehmen.
Mit vereinten Kräften schafften es Herr Brinkmann und Louisa, dass ich mich beruhige. Nun zeige ich Dir, das freie Zimmer. Wir gingen in den ersten Stock. Es war wirklich ein schönes und großes Zimmer. Die Möbel waren teilweise fast so alt, alt, wie das Gebäude selber. So hätte man das Bett, den Schrank sowie den kleinen Tisch mit der Eckbank und den zwei Stühlen problemlos in ein Museum transportieren können. Als Fremdkörper wirkten hingegen der moderne Schreibtisch mit dem Schreibtischstuhl, der Sessel sowie das Bücherregal. Als ich den Ofen mit dem Topf und die Waschschüssel mit zwei Kannen sah, fragte ich, ob es auf den Zimmern kein fließendes warmes Wassere geben würde. „Leider nein“, antwortete Louisa, „wir planen schon lange, den Einbau einer Zentralheizung mit Warmwasseraufbereitung und übrigens auch die Erneuerung der Küche. Die Gelder, die wir für Euch erhalten, reichen gerade für die laufenden Kosten und von irgendetwas müssen unsere Helfer und wir ja auch noch leben. Daher sind wir für größere Investitionen auf Spenden angewiesen.“
Als mich Louisa fragte, was ich über das Zimmer denke, antwortete ich, dass ich mir noch unsicher bin. „Das Zimmer ist sehr schön, aber ich habe doch Zweifel, ob ich es schaffe, hier mein Leben auf die Reihe zu bekommen.“ Herr Brinkmann ergriff das Wort. „Natalie, wie wäre es, wenn Sie probeweise für eine Woche hier einziehen und es erst einmal versuchen?“
„Trauen Sie mir dies zu?“, fragte ich Herrn Brinkmann und sah ihn mit großen Augen an. „Wenn ich nicht überzeugt wäre, dass Sie es schaffen, hätte ich Ihnen die WG nicht vorgeschlagen und Sie auch nicht hingefahren. Sie haben mir erzählt, dass Ihre Eltern schon immer wenig Zeit für Sie hatte. Folglich mussten Sie schnell früh Ihr Leben selber organisieren. Das Problem ist nur, dass man im Internat versucht hat, Sie zu brechen und zur absoluten Unterwürfigkeit zu erziehen.
Selbstverständlich brauchen Sie noch Unterstützung, aber die bekommen Sie hier. In erster Linie von Felix und Louisa und mein Team und ich sind auch noch da.“ Ich willigte ein. Anders als bei meinen Eltern hatte ich zu Herrn Brinkmann das Vertrauen, dass er seine Versprechen einhält und ich die Einrichtung wieder verlasen kann, wenn es mir dort nicht gefällt.
Herr Brinkmann verabschiedete sich und auch Louisa ging wieder in Richtung Haupthaus. Ich blieb allein zurück. Ich sah mich nochmals um, ging zur Stereoanlage und schaltete sie ein. Es lief gerade ein Lied von den Toten Hosen aus Düsseldorf. Zuerst hörte ich nur zu, um dann mitzusingen. Zuerst ganz leise und dann schließlich aus voller Brust: „Steh auf, wenn Du am Boden bist, steht auf.“ Ich bemerkte das Mädchen, welches gerade Zeugin meines emotionalen Zusammenbruchs geworden war. Sie kam auf mich zu und sagte: „Du hast Dich also entschieden, hier einzuziehen. Gute Entscheidung.“ „Nur probeweise“, antwortete ich. Sie sagte noch, dass ich ihr so deutlich besser gefallen würde.
Herr Brinkmann ließ noch am gleichen Tag meine paar Habseligkeiten vorbeibringen. Ich räumte diese in meinen Kleiderschrank ein. Zunächst so akkurat, wie es im Internat erwartet wurde, dann ordentlich, wie ich es immer getan hatte und schließlich stopfte ich den Rest einfach nur noch in den Schrank.
Als etwas kompliziert gestaltete sich dann das Waschen am Abend. Ich hatte mir nie Gedanken über das warme Wasser gemacht. Es kam einfach aus dem Wasserhahn. Dies war daheim in Süddeutschland und selbst im Pensionat so. Jetzt musste ich erst einmal mit dem Topf zum Brunnen vor dem Haus gehen. Da es draußen noch angenehm warm war, war der Ofen in meinem Zimmer noch kalt. Daher musste ich den Topf auf den Herd in der Küche stellen. Während sich das Wasser erwärmte, ging ich mit den beiden Kannen ebenfalls zum Brunnen, füllte diese auf und brachte sie zurück in mein Zimmer. Zwischenzeitlich kochte das Wasser, sodass ich dieses dann auch holen konnte. Nach verrichteter Arbeit musste ich dann die Schüssel in der Küche entleeren. Etwas viel Aufwand für einmal kurz waschen, dachte ich so bei mir.
Auf das Abendessen verzichtete ich dann. Als ich am Abend einen kleinen Sparziergang unternahm, um ein wenig die Umgebung zu erkunden, fiel mir ein Mädchen auf, welches wie ein Häufchen Elend auf einer Bank unter der großen Eiche, die vorm Haus stand, saß. Ich ging zu ihr hin und fragte sie, ob sie auch im Haus wohnen würde, was sie bejahte und sich als Melanie bzw. Mel vorstellte. Als ich sie fragte, was ihr zugestoßen sei, antwortete sie mir: „Das glaubst Du mir sowieso nicht.“ Worauf ich entgegnete: „Schauen wir mal, erzähle erst einmal.“ Sie erzählte, dass ihre Eltern sie kurz nach ihrem 18. Geburtstag als Belohnung für ihre sehr guten schulischen Leistungen auf einem privaten, sehr luxuriösen Mädchenpensionat angemeldet haben. „Zuerst war ich sehr stolz, aber ich merkte ziemlich schnell, dass das Pensionat die Hölle ist.“ Ich fragte sie, ob dieses Pensionat zufällig in Montreux am Genfer See sei, worauf sie mich großen Augen ansah und fragte, woher ich dies wisse. Ich erwiderte, dass ich auch in den 'Genuss dieser Anstalt' gekommen bin. „Wie hast Du die Hölle ausgehalten“, wollte Melanie wissen. „Gar nicht“, antwortete ich. „Als im vierten Stock ein Fenster offen stand, bin ich einfach runter gesprungen, um meinem Leben ein Ende zu bereiten.“
Mich haben meine Eltern vom Internat genommen, als sie merkten, dass es mir nicht gut tut. Nur leider war es da schon zu spät. Ich hatte meinen psychischen Knacks bereits bekommen und wurde danach von Einrichtung zu Einrichtung weitergereicht, bis ich letztendlich hier gelandet bin. Auch die Ehe meiner Eltern ist an den gegenseitigen Schuldzuweisungen zerbrochen.
Wir unterhielten uns fast die ganze Nacht. Mehrfach kam Felix vorbei und bat uns, endlich schlafen zu gehen, was ihn ihm versprachen – dann aber doch nicht taten.
Am nächsten Morgen kamen wir beide ziemlich schlaftrunken zum gemeinsamen Frühstück aller Bewohner des Hauses. Ein Mädchen fragte mich, ob Mel mir ihr Horror-Märchen vom Mädchenpensionat erzählt habe. Sofort fielen mir die Worte von Frau Dr. Meyer wieder ein und ich sagte: „Kommt bitte alle mit auf mein Zimmer. Ich will Euch etwas zeigen und dann reden wir weiter.“ Meinen Mitbewohnerinnen war die Mischung aus Unbehagen und Neugierde sichtlich anzumerken. Anschreiend hat dann schließlich doch bei allen die Neugierde gesiegt. In meinem Zimmer angekommen ergriff ich das Wort: „Auch ich war Insassin in diesem Mädchenpensionat. Glaubt mir, die Ausführungen von Mel sind zutreffend. Und wenn Ihr uns nicht glaubt, hier sind die Sachen, die ich mehrfach unter anderem als Strafe unter anderem für schlechte Schulnoten – es war übrigens eine drei in Mathe – oder wegen des angeblichen Verbreitens von Lügen über das Pensionat – dann für vier Wochen - tragen musste. Die Ärzte im Krankenhaus mussten die Sachen vom Leib schneiden, um mich operieren zu können, aber Ihr seht sicherlich, dass sie alles andere als bequem sind. Und dies ist nur die leicht verschärfte Version. Wie die deutlich verschärfte Version aussieht, wollt Ihr gar nicht wissen. Das Wort „Horror“ könnt Ihr gerne verwenden, aber bitte verwendet nie mehr das Wort „Märchen“ im Zusammenhang mit dem Pensionat.“ Alle waren beim Anblick der Kleidung, insbesondere dem Korsett sichtlich geschockt.
Schließlich ergriff das Mädchen, welches sich eben noch über Mel lustig gemacht hatte, die Initiative und ging auf Mel zu und bat sie um Verzeihung. „Aber warum habt Ihr Euch nicht gegen die Schikanen gewehrt“, wollte sie wissen. „Die schöne Fassade wird gewahrt und wenn Du nicht bedingungslos gehorchst, bekommst Du drakonische Strafen und außerhalb des Internats glaubt Dir sowieso niemand. Ihr nicht und noch nicht einmal meine Eltern“, sagte ich. „Und meine Therapeuten auch nicht“, ergänzte Mel. „Ich habe nur noch die Chance gesehen, auf dem vierten Stock zu springen, als ein Fenster offen stand. Wisst Ihr, was das für ein Gefühl ist, wenn Du im vierten Stock am Fenster sitzt und überlegst, ob es nicht einfacher ist, einfach zu springen, weil dann alles vorbei ist?“ Ich bekam – wie sollte es auch anderes sein – einen Weinkrampf. Mel ging auf mich zu und tröstete mich, sodass ich mich wieder beruhigte. Wir gingen wieder in den Frühstücksraum und ich bemerkte, dass die Stimmung sehr bedrückt war. So ergriff ich abermals das Wort: „Ich wollte die Stimmung nicht verderben. Wir alle haben schreckliches erlebt. Ich weiß, die meisten Menschen unten im Tal möchten nicht mit uns tauschen. Aber wir sind jung und haben den Großteil unseres Lebens noch vor uns. Also lasst uns gemeinsam nach vorne sehen.“
Wir versprachen uns gegenseitig für einander einzustehen, was auch kommen möge. Anschließend strecken wir alle unseren rechten Arm nach vorne und schworen uns: „Eine für alle – alle für eine.“
Das Mädchen, welches ich bereits am Vortag kennengelernt hatte, sagte dann noch: "Hier ist Dein Lied, Natalie." Sie griff zu Ihrem Mobiltelefon und es erschallte "Steh aus, wenn Du am Boden bist" durch den Raum. Am Ende sangen wir alle lautstark mit.
Wenig später schaute dann Felix bei uns vorbei. Er erkundigte sich, wie es uns geht, als das Telefon klingelte. Er nahm der Hörer ab. Offensichtlich ging es um mich. Felix erzählte, dass ich mich die ganze Nacht mit einer anderen Bewohnerin mich unterhalten hätte. Er teilte dann noch Melanies Nachnamen und ihren Therapeuten mit.
„Prof. Dr. Brinkmann scheint sehr besorgt um Dich zu sein, Natalie“ sagte er zu mir und verschwand. Wenig später gingen dann meine Mitbewohnerinnen zur Schule bzw. die Arbeit und ich blieb alleine zurück. Plötzlich kamen Felix, Louisa und Dr. Brinkmann hereingestürmt. „Deine Freundin Melanie ist auch eine ehemalige Schülerin des Mädchenpensionats.“ „Ich weiß“, entgegnete ich, „es ist alles in bester Ordnung“, füge ich noch hinzu und lächelte ihn an. „Ich habe Bedenken. Wenn Sie mit einer ehemaligen Schülerin zusammenleben, birgt dies Risiken, für Ihre weitere Entwicklung.
„Aber es kann auch eine Chance sein und was ist mit Ihren Grundsätzen: 'Der Patient bzw. in diesem Fall die Patientin entscheidet?' antwortete ich und lächelte ihn ein zweites Mal an.
Nach einer kurzen Diskussion willigte Prof. Brinkmann ein und fügte hinzu: „Wissen Sie, Natalie, dass Sie das erste Mal gesagt haben, dass etwas in Ordnung ist und das erste Mal sogar gelächelt haben, seit wir uns kennen. Ich gebe zu, dass ich in den letzten Wochen an mir bzw. Ihnen das ein oder andere Mal verzweifelt bin.“
„Glauben Sie mir, dass es sehr gut getan hat, sich mit jemanden zu unterhalten, der die Hölle selbst durchgemacht hat und daher nachvollziehen kann, was das Pensionat bedeutet. Die Probewoche ist zwar noch nicht vorbei, aber ich habe mich übrigens bereits jetzt entschieden, hier zu bleiben.“, antwortete ich und ergänzte in Richtung Felix und Louisa: „Wie viel Geld braucht Ihr für den Einbau der Zentralheizung und die Renovierung der Küche?“
Als die beiden mir entgegneten, dass sie das Geschenk bzw. die Spende nicht annehmen können, antwortete ich ihnen, dass meine Eltern mir mehr Geld überweisen, als ich jemals ausgeben kann. Im Übrigen, geht mit das Wasser holen und kochen schon jetzt auf die Nerven. Ich bat die beiden nur, meinen Mitbewohnerinnen nicht zu sagen, von wem das Geld stammt.
[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von ZdBdLa am 10.09.24 um 07:59 geändert
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Einsteiger
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:26.06.24 20:16 IP: gespeichert
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Danke für die Fortsetzung.
Jetzt sind es bereits schon zwei Opfer, die über die Zustände und Machenschaften dieses Internats berichten können. Wäre bestimmt Interessant, wenn es dort eine Razzia geben würde.
Bin sehr gespannt wie die Geschichte weitergeht.
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KG-Träger
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:26.06.24 21:01 IP: gespeichert
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Zitat | Danke für die Fortsetzung.
Jetzt sind es bereits schon zwei Opfer, die über die Zustände und Machenschaften dieses Internats berichten können. Wäre bestimmt Interessant, wenn es dort eine Razzia geben würde.
Bin sehr gespannt wie die Geschichte weitergeht. |
Eine Razzia wird es garantiert nicht geben. Weiter oben steht doch, dass der Internatsdrachen Ducret sämtliche Behörden geschmiert hat.
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Freak
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:27.06.24 07:36 IP: gespeichert
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Zitat | Zitat |
Danke für die Fortsetzung.
Jetzt sind es bereits schon zwei Opfer, die über die Zustände und Machenschaften dieses Internats berichten können. Wäre bestimmt Interessant, wenn es dort eine Razzia geben würde.
Bin sehr gespannt wie die Geschichte weitergeht. |
Eine Razzia wird es garantiert nicht geben. Weiter oben steht doch, dass der Internatsdrachen Ducret sämtliche Behörden geschmiert hat. |
Ich wäre mir da nicht so sicher. Schließlich wäre die Polizei in Montreux zuständig. Dort gibt es zwei Polizisten, die Natalies Geschichte kennen und ihr wohlgesonnen sind. (Kapitel 14 bis 16) Auch wissen die übrigen Internatsschülerinnen, deren Namen und dass sie ihnen vertrauen können. (Kapitel 17) Es muss sich nur jemand finden, der bzw. die die Razzia anordnet.
Vielleicht hilft es Natalie ja auch, dass sie mit der Internatsuniform den Beweis für die Ungerechtigkeiten, die ihr während ihres Aufenthaltes im Internat widerfahren sind, in den Händen hält. Frau Durcet geht allerdings davon aus, dass diese aus hygienischen Gründen verbrannt werden musste. (Kapitel 22)
Als erstes muss Natalie erst einmal ihr eigenes Leben wieder in Ordnung bringen. Hierzu hat sie mit dem Umzug zum Seiberhof einen großen Schritt getan und die Aussprache mit ihren Eltern steht auch noch aus.
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:28.06.24 07:23 IP: gespeichert
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Kapitel 25: In der Dorfschule (Teil 1)
Als ich noch in Süddeutschland lebte, hatte ein Dirndl in meinem Schrank, welches ich regelmäßig auf dem Volksfest in Stuttgart, welches zweimal im Jahr auf dem Cannstatter Wasen stattfindet, anzog. Jetzt, da ich in den Schweizer Alpen lebte, war ich der Auffassung, dass das regelmäßige Tragen eines Dirndls angebracht war. So legte ich mir mehrere Dirndl zu. Dabei war es mir wichtig, dass ich die gleiche Tracht, wie die Einheimischen und nicht den Schund, der für die Touristinnen produziert wird, trug. Meine Mitbewohnerinnen meinten, dass ich es so aussehen würde, als wäre ich hier aufgewachsen und noch nie etwas anderes getragen hätte.
Dann beschloss ich eines Tage Mel zur Schule zu begleiten. Ich ging direkt ins Zimmer der Direktorin. Diese fragte mich, wie sie mir helfen könnte. Worauf ich ihr antwortete, dass ich gerne ihre Schule besuchen möchte und nächstes Jahr gerne hier mein Abitur machen will. Der Direktorin war die Verwunderung deutlich anzusehen. Schließlich kommen nicht jeden Tag Schülerinnen zu ihr mit der Bitte, zukünftig ihre Schule besuchen zu wollen. Ich erzählte ihr noch, dass ich im Seiberhof wohnen würde und mein Vormund Prof. Dr. Brinkmann sei.
Ich weiß, dass man den Schweizern immer nachsagt, besonders schwerfällig zu sein. Auf die Direktorin traf dieses Vorurteil sicher nicht zu. Sie begrüßte mich als neue Schülerin und erklärte, dass sie mich erst einmal in meine neue Klasse bringen und sich dann um die Formalitäten kümmern würde. So begleitete sie mich zur Klasse und erklärte der ebenfalls verwunderten Lehrerin, dass sie jetzt eine neue Schülerin habe. Es war zum Glück die Klasse von Mel und der Platz neben ihr war auch noch frei. Wenig später kam die Direktorin vorbei erklärte, dass der gesamte 'Formalkram' erledigt sei und ich jetzt auch ganz offiziell Schülerin dieser Schule sei. Sie ergänzte noch, dass sie Herr Brinkmann vorgewarnt hatte, dass ich immer für eine Überraschung gut bin. „Er sagte aber auch, dass Du ein gutes Mädchen bist, Natalie.“
Ich war zwar erst kurze Zeit im Seiberhof, jedoch fühlte ich irgendwie, dass ich dort endgültig angekommen war. Ich hatte dort neue Freundinnen gefunden, Betreuer, die sich vorbildlich um mich kümmerten und schließlich mit dem Besuch der örtlichen Schule und mit dem im nächsten Jahr anstehenden Abitur auch wieder ein festes Ziel vor Augen. Im Internat war das einzige Ziel, den Tag ohne negativ aufzufallen, zu überstehen.
Und Herr Brinkmann und sein Team waren auch noch da. Er war mit meiner Entwicklung zufrieden. Zeigte sie ihm doch, dass ich wieder meine Ziele verfolge und mein Leben wieder in die eigene Hand nahm.
Der Drill in Pensionat hatte im Nachhinein betrachtet auch sein Gutes. So fiel es Mel und mir sehr leicht, dem Unterricht zu folgen und unsere schulischen Leistungen waren durchweg sehr gut.
Einmal als wir von der Lehrerin gebeten wurden, unsere private Unterhaltung zu beenden, sprangen wir beide, wie von der Tarantel gestochen auf uns riefen „Jawohl Frau Lehrerin, es tut uns leid, den Unterricht nicht mit der erforderlichen Aufmerksamkeit gefolgt zu haben. Es wird nicht wieder vorkommen.“ Wir beide sahen uns an und konnten uns anschließend nicht mehr vor Lachen halten, während die Lehrerin und unsere Mitschüler uns nur entgeistert ansahen. Auf die Frage unserer Lehrerin, was das zu bedeuten habe, antwortete ich: „Das wollen Sie gar nicht wissen. Aber glauben Sie, es gab Zeiten, wo wir beide so hätten reagieren müssen, um drakonische Strafen zu verhindern.“ Da unserer Klassenlehrerin nicht locker ließ, versprachen wir ihr, am nächsten Tag über die Verhältnisse im Internat zu berichten.
Ich packte also am nächsten Morgen die Kleidung zusammen, die ich bei der Einlieferung ins Krankenhaus getragen hatte. Mel und ich gingen in unseren Klassenraum und stellten uns mit auf dem Rücken verschränkten Armen und leicht gesenkten Blick hinter unsere Stühle. Unsere Lehrerin betrat den Raum und wir begrüßten sie, wie es die Regeln des Internats vorsahen mit einem „Guten Morgen, Frau Lehrerin“ und knicksten. Wir bleiben hinter unseren Stühlen stehen. „Wir dürfen uns erst setzen, wenn Sie uns die entsprechende Genehmigung erteilt haben.“, sagte ich schließlich. Unsere Lehrerin wollte wissen, was wir mit diesem Schauspiel bezwecken würden. „Sie wollten von uns wissen, was wir durchlebt haben und wir haben nur versucht, es Ihnen so anschaulich wie möglich, vorzuführen.“, entgegnete ich.
„Mel und ich waren im gleichen Internat in Montreux. Dort herrschen sehr strenge Regeln und jegliche auch noch so kleine Erleichterung musst Du Dir durch gute schulische Leistungen und vorbildliches Benehmen verdienen.“, begann ich meine Ausführungen. „Vorbildliches Benehmen ist dabei nur eine Umschreibung für totale Unterwürfigkeit. Und auf der anderen Seite werden dort Verfehlungen in der Regel streng bestraft. Für kleine Verfehlungen musst Du mal im Stehen essen oder Du musst hungrig zu Bett gehen. Es kann Dir aber auch passieren, dass Du kein Essen bekommst, damit Du dieses zu schätzen lernst. Allein die Bezeichnung als „Internatszöglingen“ beschreibt schon deutlich Deinen Stellenwert und welche Strafen für wirklich große Verfehlungen verhängt werden, möchtet Ihr gar nicht wissen.
Das Internat fordert von Dir sehr gute Noten. In einigen Fächern wird Dir ein gut zugestanden. Wenn Du diese Leistungen nicht erbringst, werden zusätzliche Lerneinheiten für Dich angeordnet. Dies bedeutet, dass Du stundenlang auf Deinem Zimmer sitzt und den Lernstoff in Dich hinein paukst, bis zu nicht mehr kannst. Bessern sich Deine Leistungen dann immer noch nicht, kann es Dir passieren, dass Du die 'leicht' verschärfte Internatsuniform tragen musst, um Dich zu besseren Leistungen zu motivieren.“
Ich breitete die Internatsuniform auf den Tischen vor mir aus. „Die leicht verschärfte Internatsuniform seht Ihr gerade hier ausgebreitet. Bitte bedenkt, dass ich diese im Hochsommer tragen musste. Beispielweise zwei Wochen für eine drei in Mathe.“
Unsere Mitschülerinnen und auch die Lehrerin waren vom Anblick der Internatsuniform sichtlich geschockt.
„Es hat einen Grund, dass wir beide in einer Einrichtung für junge Erwachsene mit psychischen Problemen sind.“, ergänzte Mel.
Es kam die übliche Frage, wie wir dies alles aushalten konnten. „Du funktionierst, lebst von Tag zu Tag und bist über jeden Tag, den Du ohne einen Verstoß gegen die Internatsregeln überstanden hast, dankbar.“, antwortete ich und Mel bestätigte dies.
„Ich konnte irgendwann nicht mehr. Als dann in vierten Stock ein Fenster offen stand, fragte ich mich, ob dies ein Zeichen ist. Ich bin jetzt schon seit ein paar Wochen bei Euch und Ihr habt mich, hoffe ich, als fröhliches, aufgeschlossenes Mädel erlebt. Ich war früher nicht anders. Könnt Ihr Euch vorstellen, wie es ist, wenn Du an einem Fenster sitzt und überlegst, ob es nicht besser ist einfach zu springen, weil dann im nächsten Augenblick alles vorbei ist.“ Ich konnte nicht mehr und bekam einen fürchterlichen Heulkrampf und Mel tröstete mich, so gut wie sie konnte.
Eine Schülerin sagte, dass sie uns um das Erlebte nicht beneiden und dass sie nun das ihrer Meinung nach sonderbare Verhalten von Mel in einem anderen Licht sehen würde. „Aber warum hast uns nicht einfach erzählt, was Dir widerfahren ist?“ „Hättet Ihr mir ohne die Internatsuniform die Geschichte geglaubt?“, entgegnete Mel. „Ehrlich gesagt, wahrscheinlich nicht“, war die Antwort.
„Und vergesst nicht, dass unsere Eltern horrende Summen bezahlt haben, dafür dass wir auf diesem Internat sein 'durften' und daher eine entsprechende Dankbarkeit erwartet haben.“, fügte ich an.
„Meine Eltern haben dann erkannt, dass mir das Internat nicht gut. Nicht wegen der Grausamkeiten, sondern weil ich mich so verändert habe, dass sie mich nicht wiedererkannt haben. Vorher war ich fröhliches, aufgeschlossen und unternehmenslustiges Mädel. Im Internat haben sie mich als regelrecht kalt und reserviert, quasi wie ein Roboter erlebt.
Zuerst versuchten sie, mich in mein altes Leben zu integrieren. Aber keiner hat mir die Geschichten geglaubt. Mir wurden schließlich Warnvorstellungen diagnostiziert. Ich wurde von Einrichtung zu Einrichtung weiter gereicht. Stellt Euch vor, wie das ist: Du hast die Hölle auf Erden durchlebt und keiner glaubt Dir.“ Jetzt erlitt auch Mel einen Weinanfall, sodass ich sie trösten musste.
„Natalie hat Dir gut getan“, sagte unsere Lehrerin. „Seitdem sie da ist, bist Du regelrecht aufgetaut“. „Sie wusste selber, welche Hölle man im Internat durchleben muss und hat mit der Internatsuniform zudem den Beweis geliefert, dass ich mir die Geschichten nicht ausgedacht habe.“, antwortete Mel.
Auch ich erläuterte, wie sehr mir Mel geholfen hat. „Als ich zum Seiberhof kam, war ich zwar körperlich wieder hergestellt, aber hatte noch starke psychische Probleme. Ich habe meinen Psychologen und sein Team das eine oder andere Mal zur Verzweiflung gebracht. Auch mir hat es gut getan, dass ich mich mit Mel über das Erlebte austauschen konnte. Und auch unsere Mitbewohnerinnen sind auch in Ordnung. Es ist schon komisch. Eigentlich wollte ich dort erst gar nicht einziehen. Ich bin nur mitgekommen, da ich meinem Arzt, der so viel für mich getan hat, nicht vor den Kopf stoßen wollte. Dann hatte mein Arzt Bedenken, dass ich Mel zusammen lebe, aber ich wollte nicht mehr weg.“
„Und Dein Psychologe hat es einfach so akzeptiert?“, wollte meine Lehrerin wissen. Ich antwortete, dass ich einen der besten Psychologen der Welt hätte. „Er stellt mich und meine Wünsche in dem Mittelpunkt seine Therapie. Dies bedeutet auch, dass er keine Entscheidungen gegen meinen Willen durchsetzt.“
Unsere Mitschüler hatten noch eine Reihe an Fragen. Ich bat aber darum, die Diskussion zu beenden und später fortzusetzen.
Als ich später Herrn Brinkmann von den Ereignissen erzählte, antwortete dieser, dass ich mittlerweile auf einem guten Weg sei. Die Tatsache, dass wir Witze über unsere Zeit im Internat machen können, zeigt deutlich, dass wir die traumatischen Erlebnisse - zumindest teilweise – verarbeitet hätten. Allerdings zeigen unsere emotionalen Zusammenbrüche, dass auch noch einer weiter Weg vor uns liegt.
Herr Brinkmann übernahm auch die Betreuung von Mel und was anfangs niemand für möglich gehalten hatte, trat ein. Wir machten große Fortschritte. So konnte ich immer mehr das sein, was ich immer wollte: ein ganz normales Mädchen im Alter von inzwischen 19 Jahren.
Ich habe dann auch die Kraft gefunden, mich mit meinen Eltern auszusöhnen, nachdem diese eingesehen hatten, dass sie sich mir gegenüber sehr unfair und schädlich verhalten hatten.
[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von ZdBdLa am 10.09.24 um 08:03 geändert
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Sklavenhalter
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Versklavung einer Frau geht nur freiwillig.
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:28.06.24 10:39 IP: gespeichert
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Es bleibt interessant!
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Einsteiger
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:28.06.24 23:17 IP: gespeichert
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Tolle Fortsetzung, schön das es den beiden Mädchen immer besser geht.
Bin sehr gespannt was bald im Mädcheninternat passieren wird.
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Freak
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:29.06.24 00:24 IP: gespeichert
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Zitat | Tolle Fortsetzung, schön das es den beiden Mädchen immer besser geht. |
Das freut mich sehr. Zumal ich auch den Folgen der Misshandlungen sehr großen Raum einräume. Zitat |
Bin sehr gespannt was bald im Mädcheninternat passieren wird. |
Da musst Du Dich noch etwas gedulden. Der letzte Satz gibt einen Hinweis, was in den nächsten beiden Kapiteln passiert.
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Freak
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:30.06.24 19:11 IP: gespeichert
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:Zitat | Aus der Sicht der Eltern? Da bin ich ja mal gespannt, was die sich zusammenreimen, von wegen \"Wir haben doch nur das Beste gewollt\" und \"undankbar\" etc. |
@ChassHH: Ich werde morgen oder übermorgen die Antwort - Teil 1 - auf Deine Frage veröffentlichen.
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Siervo |
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Erfahrener
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:01.07.24 08:22 IP: gespeichert
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Ja, den Teil mit der Aussöhnung der Eltern... Da bin ich auch gespannt.
Gerade was den Vater angeht. Der hatte ja noch so massiv interveniert, als sie im KH war. Da wollte er sie ja schnell wieder im Internat sehen.
Ob das was mit der Bekanntschaft zu tun hat, deren Tochter da auch im Internat ist?
Auch bin ich gespannt in wie weit die Familie ihr Glauben schenkt. Wenn sie dies tun, dann müsste da ja auch eine Reaktion der Eltern gegenüber dem Internat kommen.
Es bleibt spannend. denken hilft!!
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:01.07.24 19:31 IP: gespeichert
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Kapitel 26: Aussöhnung mit meinen Eltern (lange Variante) – Teil 1
oder: Wie Prof. Dr. Brinkmann auch meine Eltern 'therapierte'
Noch während ich im Krankenhaus war, haben meine Eltern das Gespräch mit Prof. Dr. Brinkmann gesucht. Das erste Gespräch fand dann statt, kurz nachdem ich im Seiberhof eingezogen war. Meine Eltern und Herr Brinkmann haben mir später übereinstimmend von diesem Gespräch berichtet.
Mein Vater ergriff das Wort und führte aus: „Wir haben um dieses Gespräch gebeten, da wir Ihnen unsere Situation erläutern möchten und um möglicherweise für alle Beteiligten eine tragfähige Lösung zu finden. Meine Frau und ich führen ein mittleres Unternehmen und haben daher nur wenig Zeit, uns um Natalie zu kümmern. Glauben Sie mir, wir wollten und wollen nur das Beste für sie. Ich glaube, dass Natalie etwas überreagiert. Gut wir haben ihr den Vertrag unterschoben und sie dann unter einem Vorwand zum Internat gelockt. Ich weiß, dass dort eine gewisse Strenge und Disziplin herrschen. Ich habe nochmals mit der Internatsleitung telefoniert. Natalie hat schon große Fortschritte gemacht. Sie wird es schaffen und uns später dankbar sein.
Und ihr Verhalten zeigt deutlich, dass sie noch Führung dringend benötigt. Wir haben ihr Geld überwiesen, damit sie ihre Ausgaben bestreiten kann. Sie hat nichts B,esseres zu tun, als mit dem Geld eine Party zu veranstalten.“ „Sie wissen aber, aus welchen Anlass die Feier veranstaltet wurde?“, fragte Herr Brinkmann. „Aus finanziellen Gründen musste dieses Jahr leider das Mitarbeiterfest ausfallen. Ihre Tochter wollte sich mit der Feier beim Personal des Krankenhauses dafür bedanken, dass dieses so aufopferungsvoll für sie gekämpft und ihr somit das Leben gerettet hat.“ „Siehst Du, Natalie ist verantwortungsvoll und Du kannst Ihr ruhig ein wenig vertrauen“, antwortete meine Mutter und dann in Richtung von Herrn Brinkmann: „Bitte teilen Sie der Leitung des Krankenhauses mit, dass wir bis auf weiteres für die Kosten des jährlichen Mitarbeiterfestes aufkommen.“ Als „Muster-Schwabe“ musste mein Vater tief schlucken. Er wagte es aber nicht, meiner Mutter zu widersprechen. Herr Brinkmann führte dann weiter aus, dass die Spenden an Louisa und Felix für dringend notwendige Renovierungen bei der Einrichtung, in der ich gerade leben würde, seien. Mein Vater entgegnet, dass ich nicht lange in diesem „Sailerhof“ - oder wie der auch immer heißen mag - bleiben würde, schließlich würde ich bald ins Internat zurück kehren. Dann führte er aus, wie wichtig es für meine Entwicklung sei, dass ich meine Ausbildung im Internat beenden würde, bis er von meiner Mutter unterbrochen wurde.
„Wach endlich auf“, schrie meine Mutter ihn an. „Natalie hat bereits einen Selbstmordversuch unternommen. Das schlimme ist, dass sie es uns angekündigt hat und wir haben es nicht registriert. Was muss noch passieren? Selbst die Studentin hat die Lage von Natalie erkannt. Ich will eine lebendige Tochter und nicht ein Grab, an welches ich wöchentlich neue Blumen bringen kann“, sagte meine Mutter unter Tränen. Und warum glaubst Du immer noch Frau Durcet mehr als Deiner eigenen Tochter?“ Zu meinem Vater sagte sie dann, „Ich will die Scheidung.“ „Aber liebst Du mich nicht mehr?“ „Ich liebe Dich sogar sehr. Aber wenn Natalie sich jetzt noch etwas antun wird, wird unsere Ehe das nicht überleben und ich mir dies nie verzeihen.“ „Aber dann müssen wir die Firma verkaufen. Ich kann Dich unmöglich auszahlen.“ „Ganz einfach – kein Problem“, entgegnete meine Mutter: „Du bekommst die Firma und ich bekomme Natalie.“ „Die Firma ist mindestens 200 Mio. EUR wert“, entgegnete mein Vater. „Vergiss die blöde Firma, wir haben nur eine Tochter und sind gerade dabei, diese für immer zu verlieren. Natalie ist mir das auf jeden Fall wert und noch viel mehr.“
„Frau von Sternenberg, Sie greifen ja zu dramatischen Mitteln“, entgegnete Herr Brinkmann. „Was würden Sie tun, wenn ich Ihr Mann auf den 'Deal' einlassen würde.“ Meine Mutter antwortete: „Als erstes würde ich diesen verdammten Knebelvertrag zerreißen. Dann würde ich Natalie um Verzeihung bitten und ihr anbieten, noch einmal von vorne zu beginnen und vor allem würde ich das tun, was ich im letzten Jahr hätte tun sollen: Für Natalie da zu sein. Ich hoffe nur, dass sie dies zu lässt.“
Danach wollte Herr Brinkmann wissen, was meine Mutter von meinem Vater erwarten würde, damit sie sich nicht scheiden lässt. „Ganz einfach, wir ersetzen das 'ich“ durch ein 'wir'.
Dann wandte sich Herr Brinkmann meinem Vater zu: „Herr von Sternenberg, ich weiß, dass Sie meine Expertise in Frage gestellt haben und versucht haben, den Gerichtsbeschluss anzufechten. Überlegen Sie bitte, was die Kollegen Ihnen über mich gesagt haben.“ Herr Brinkmann schlug vor, mit meinen Eltern ein kleines 'Experiment' zu machen. Beide willigten ein.
„Wir werden die Situation analysieren. Ich werden Ihr Verhalten nicht bewerten, das heißt ich werde Ihnen auch keine Vorwürfe machen. Ob Ihre Entscheidungen und Ihr Verhalten richtig oder falsch waren, müssen letztendlich Sie für sich selbst entscheiden. Im Übrigen nehme ich ohnehin keine Therapien von Erwachsenen ab 25 vor.
Ich habe hier zwei identische systematische Fragebögen – zum Ankreuzen - und ich bitte Sie, den Charakter Ihrer Tochter und das Verhältnis zwischen Ihrer Tochter und Ihnen an Hand dieser Fragebögen zu beurteilen und zwar zum Zeitpunkt bevor Sie sie am Pensionat angemeldet haben.“ Mein Vater und meine Mutter füllten jeweils einen der Fragebögen unabhängig voneinander aus.
Anschließend hielt Herr Brinkmann die beiden Bögen nebeneinander und stellte fest, dass diese in nahezu identisch waren. „Sie schätzen Ihre Tochter als für ihr Alter vernünftig ein und geben an, dass sie die schulischen Belange sehr ernst nimmt und Ihnen gegenüber immer ehrlich ist. Ihr Verhältnis beschreiben Sie als offen, vom gegenseitigen Respekt geprägt und geben weiter an, dass Sie auch problematische Dinge ansprechen können und immer eine Lösung finden. Sie schreiben beide, dass Sie sich voll und ganz auf Natalie verlassen konnten. Wenn ich mir dies so ansehe, hatten sie eine Tochter, wie sie sich alle Eltern wünschen und ein absolut vertrauensvolles und gutes Verhältnis zueinander.“
Meine Eltern bestätigten diese Einschätzung. Dann legte Herr Brinkmann einen dritten Bogen daneben. „Dies ist der Bogen, den Natalie ausgefüllt hat“, erläuterte er. „Und auch sie bestätigt Ihre Einschätzung nahezu deckungsgleich.
Was hat Frau Durcet hinsichtlich von Strafmaßnahmen erzählt, die gegen Natalie verhängt wurde, weil sie sich Ihrer anvertraut hat?“, wollte Herr Brinkmann wissen. Mein Vater sagte, dass Frau Durcet ihm versichert hat, dass gegen mich keine Strafmaßnahmen verhängt wurden. „Als Natalie ins Krankenhaus eingeliefert wurde, trug sie ein Korsett. Dieses war aus einem sehr festen Material und so eng geschnürt, dass Ihre Tochter mit Sicherheit große Schwierigkeiten hatte, zu atmen. Es war mit Metallstäben verstärkt, sodass sie ihren Oberkörper nicht bewegen konnte. Das Korsett schränkte zudem auch die Bewegungsfreiheit von Kopf und Armen merklich ein. Im Schritt war eine Art Keuschheitsgürtel, der mit Schlössern gesichert war. So konnte sie nur auf Toilette gehen, wenn einer der Erzieherinnen vorher die Schlösser aufgesperrt hat.
Frau Durcet hat somit in einem Punkt nachweislich die Unwahrheit gesagt. Sie hingegen beschreiben Ihre Tochter als absolut ehrlich Ihnen gegenüber. Nehmen wir an, auch die restlichen Aussagen Ihrer Tochter über das, was sie im Pensionat erlebt hat, sind zutreffend. Bitte überlegen Sie, wie Sie sich fühlen würden, wenn sie anstelle Ihrer Tochter wären.“
Meine Eltern waren sichtlich geschockt. „Mein Team und ich haben sehr viel Zeit mit Natalie verbracht. Es fiel ihr sichtbar nicht leicht, über das Erlebte zu sprechen. In den Augen Ihrer Tochter stellt das Institut eine Strafmaßnahme von Ihnen dar. Aus ihrer Sicht hat sie jedoch nichts falsch gemacht. Sie hat akzeptiert, dass Sie nicht allzu viel Zeit für sie haben und die Freiheiten, die sie dadurch hatte, nicht übermäßig ausgenutzt. Ihre schulischen Leistungen waren gut und sie hatte ein offenes Verhältnis zu Ihnen.
Auch lag es ihr fern, die Möglichkeiten, die sie mit ihrer Volljährigkeit bekommen hat, auszunutzen. Sie hat mir erzählt, dass sie früher mit Ihnen über alles reden konnten. Sie fühlt sich von Ihnen vertraten, da Sie ihr den Vertrag untergeschoben, sie zum Pensionat gelockt, ihr nicht geglaubt und dann noch mit der Internatsleitung über sie gesprochen haben, obwohl Sie etwas anderes versprochen hatten.
Wir haben Natalie auch gefragt, ob es sich sein könnte, dass Sie nur das Beste für ihre Entwicklung wollten. Ihre Tochter antwortet, "dann hätten meine Eltern doch einfach mit mir reden können. Wir hätten dann eine Lösung befunden, das war in der Vergangenheit immer so." Ihre Tochter gab an, dass sie jederzeit bereit gewesen wäre, auf ein 'normales' Internat zu wechseln und dies Ihnen auch angeboten hat, als sie bereits in Montreux war.
Die angehenden Psychologen, die mich im Krankenhaus begleitet haben, haben die Unterredung von Natalie und Ihnen protokolliert. Ich zitiere, was Natalie gesagt hat: 'Früher hatte ich einmal Eltern, auf die ich mich voll verlassen konnte, die fair mit mir umgegangen waren. Wenn es ein Problem gab, haben wir uns zusammen gesetzt und eine Lösung gefunden. Ich war ja bereit, auf jedes – wirklich jedes - andere Internat zu gehen. Für Euch hätte es keinen Unterschied gemacht. Ich hätte jedoch ein ganz normales Leben haben können, anstatt die Hölle auf Erden durchleben müssen. Die Eltern, die ich vorher einmal hatte, hätten mir nie einen Knebelvertrag untergeschoben und mich dadurch praktisch vollkommen entmündigt. Ich bin zwar volljährig, konnte aber als Minderjährige mehr entscheiden, als jetzt als Volljährige. Und die Eltern, die ich mal hatte, hätten mich nie zum Internat gelockt, mich nie dort hinter meinen Rücken angemeldet, mich nie voll vollendete Tatsachen gestellt und vor allem, hätten sie alles unternommen, um mir zu helfen, als ich diese Hilfe sehr, sehr dringend gebraucht und sie um diese gebeten, ja regelrecht angefleht habe. Es ist nur eine Kleinigkeit, aber die Eltern, die ich einmal hatte, hätten auch nie meinen Geburtstag vergessen. Und wisst Ihr, was das Schlimmste ist? Die Eltern, die ich vorher mal hatte, haben mich geliebt tatsächlich geliebt und dies nicht nur behauptet.'“
Herr Brinkmann bat meine Eltern die erhaltenen Informationen zu verarbeiten und verabredeten sich mit Ihnen zu einer weiteren Sitzung. Dann gab er meinen Eltern noch mit auf den Weg: „Auch wenn es Ihnen schwer fällt, geben Sie Natalie, die Zeit, die sie braucht. Ich habe Ihre Tochter in den letzten Monaten kennen gelernt und glauben Sie mir, sie ist ein gutes Mädchen.“
[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von ZdBdLa am 10.09.24 um 08:06 geändert
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:02.07.24 09:07 IP: gespeichert
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Moin. Guter Ansatz. Hoffentlich fruchtet das auch beim Vater.
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Joern |
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:02.07.24 11:12 IP: gespeichert
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Wenn der Vater es nicht glaubt, soll er doch einfach mal incognito für eine Woche zur Probe in das Internat einziehen.
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:02.07.24 11:20 IP: gespeichert
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Zitat | Wenn der Vater es nicht glaubt, soll er doch einfach mal incognito für eine Woche zur Probe in das Internat einziehen. |
Dafür muss er sich als Mädchen verkleiden, allein das dürfte ihn wurmen ×lol×
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Joern |
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Stamm-Gast
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:02.07.24 12:48 IP: gespeichert
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Wenn es darum geht seiner Frau und seiner Tochter zu beweisen, daß doch Alles garnicht so schlimm sei, wäre es den Aufwand wert.
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:02.07.24 14:06 IP: gespeichert
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Und dann unter der Fuchtel des Internatsdrachen. Stell ich mir gerade bildlich vor.
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RE: Mädchenpensionat
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Datum:03.07.24 15:20 IP: gespeichert
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Kapitel 27: Aussöhnung mit meinen Eltern – Teil 2
oder: Wie Prof. Dr. Brinkmann auch meine Eltern 'therapierte'
Zu Beginn der zweiten Sitzung erläuterte Herr Brinkmann noch einmal, dass er keine Erwachsenentherapie durchführen werde und fasste die Ergebnisse der ersten Sitzung – wie folgt – zusammen: „Wir haben uns das letzte Mal mit dem Charakter von Natalie, bevor Sie sie im Internat angemeldet haben und dem Verhältnis, welches Sie zu Ihrer Tochter hatten, beschäftigt.
Als erstes fragte Herr Brinkmann, wie meine Eltern meine Aussagen, bezüglich das, was ich im Internat erlebt habe, beurteilen würden. „Wir gehen mittlerweile davon aus, dass diese zutreffend sind.“, antwortete mein Vater und fügte ein "leider" hinzu. Herr Brinkmann nahm wohlwollend zur Kenntnis, dass zwischenzeitlich offensichtlich auch mein Vater mir mehr glaubt als Frau Durcet. Anschließend bat er meine Eltern, zu erläutern, wie es dazu kam, dass sie mich im Internat angemeldet haben.
Mein Vater antwortete: „Ein befreundetes Ehepaar hatte seine Tochter selbst im Internat angemeldet und dies in den höchsten Tönen gelobt und ich muss zugeben, dass ich von dem ehrwürdigen Anwesen auch sehr beeindruckt war. Wir hatten Bedenken, dass Natalie nicht zum Internat mitgekommen wäre, wenn wir ihr 'reinen Wein eingeschenkt hätten'. Frau Durcet machte auf uns einen zwar etwas altmodischen aber durchaus kompetenten Eindruck. Das Unbehagen unserer Tochter ist uns nicht verborgen geblieben, dennoch waren wir davon überzeugt, dass sie sich nach einer Eingewöhnungsphase im Internat wohlfühlen würde und die Zeit für ihre Entwicklung gut sein wird. Ich muss auch zugeben, dass Natalie in der Internatsuniform ein sehr erhabenes Erscheinungsbild war.
Das befreundete Ehepaar hat uns auch geraten, dass wir uns eine Vollmacht von Natalie geben lasse, ohne sie über den Inhalt aufzuklären.“ „Aber Sie haben mir doch gesagt, dass sie sich auf Natalie voll verlassen konnten und mit ihr über alles reden konnten. Da verstehe ich, dass Sie zu solchen Methoden greifen mussten“, entgegnete Herr Brinkmann. "Glauben Sie mir, ich verstehe es zwischenzeitlich auch nicht. Erst recht nicht, wenn ich bedenke, was wir unserer Tochter damit angetan haben.", antwortete meine Mutter.
„Ihre Tochter hat uns gegenüber angegeben, dass sie nicht nur ein Unbehagen sondern eine tief empfundene Abneigung gegen das Internat verspürt hat. Sie hat aber auch gesagt, dass sie sich nicht gegen ein normales Internat gewehrt hätte, wenn Sie sie es angesprochen hätten.
Dass Frau Durcet auch finanzielle Interessen daran gehabt hat, dass sie ihre Tochter im Internat anmelden, ist Ihnen nicht in den Sinn gekommen?“ „Wir sind beide Geschäftsleute und uns war dies durchaus klar. Das Internat war zugegebenermaßen nicht billig, aber dies war uns eine gute Ausbildung von Natalie wert.“
„Sie hatten versprochen Natalie nach zwei Wochen zu besuchen und ihr versprochen, dass Sie dann das Pensionat verlassen kann. Wieso ist es nicht dazu gekommen?“ „Wissen Sie, Besuche sind im Vorfeld beim Internat anzumelden und zu genehmigen. Wir haben jeweils nach 2, 3, und 4 Wochen eine Besuchserlaubnis beantragt. Uns wurde jeweils gesagt, dass die Eingewöhnung von Natalie noch nicht abgeschlossen sei und daher ein Besuch unsererseits kontraproduktiv für ihre Entwicklung sei.
Wir haben dann vereinbart, dass uns Frau Durcet sofort informiert, sobald ein Besuch möglich ist und haben dann auch die erste Möglichkeit gleich genutzt.
Wir hatten zuerst ein Gespräch mit Frau Durcet und sie hat uns gesagt, wie gut sich Natalie gut eingelebt hat und ihre Ausbildung gute Fortschritte machen würde. Wir waren dann sehr erleichtert und überrascht, als uns Natalie sagte, wie unwohl sie sich im Internat führen würde und dass wir sie sofort von der Schule nehmen sollten.“, erläuterte mein Vater.
„Wieso haben sie dem Wunsch Ihrer Tochter nicht entsprochen?“ Das Internat ist wie gesagt nicht billig und der Beitrag muss im Voraus bezahlt werden und wird dann auch nicht anteilig zurückerstattet. Auch ließen wir uns von der positiven Einschätzung von Frau Durcet täuschen und haben unserer Tochter einfach nicht geglaubt.“
„Warum haben Sie Ihrer Tochter nicht geglaubt?“ „Wissen Sie, wie oft ich mich das seit unserem letzten Gespräch gefragt habe.“, antwortete meine Mutter. „Ich hatte eine Tochter, der ich zumindest früher absolut vertrauen konnte. Und trotzdem habe ich Frau Durcet mehr geglaubt. Hätte ich gewusst, was meine Tochter im Internat durchleiden muss, hätte ich sie doch sofort herausgeholt. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass wir vollkommen vom Pensionat überzeugt waren und die Warnsignale, die es durchaus gab, vollkommen ausgeblendet haben.“ Mein Vater bestätigte die Einschätzung.
„Zwischenzeitlich wissen wir, dass Frau Durcet den Internatsschülerinnen gesagt hat, dass Natalie ihren Verletzungen erlegen sei und eine Trauerfeier abgehalten hat. Meinem Mann hingegen redet sie ständig ein, dass das Internat Natalie gut tut, sie sich gut eingelebt hat und dort ihre Schulausbildung beenden soll. Natalie hatte ihren Charakter bereits am ersten Tag erkannt und sie als 'falsche Schlange' bezeichnet.“
Herr Brinkmann erläuterte, dass ich aufgeschrieben habe, was ich im Internat erlebt habe. Die Tinte ist teilweise verlaufen, da ihre Tochter mehrere Weinkrämpfe hatte. Meine Eltern lasen sich meine Aufzeichnungen durch und waren sichtlich geschockt von dem, was sie da lesen mussten.
„Ihre Tochter hatte die erste Möglichkeit, die sich ihr geboten hat zur Flucht genutzt und die Polizei um Hilfe gebeten. Der Polizist soll Sie kontaktiert haben und sie haben ihm angewiesen, Natalie zurück zum Internat zu bringen. Hätte Ihnen nicht spätestens jetzt Zweifel kommen müssen?“ „Kurz vorher hatte uns Frau Durcet angerufen und uns berichtet, dass unsere Tochter verbotenerweise das Internat verlassen hat. Sie sagte, dass sie von der Polizei aufgegriffen wurde, sich im Polizeigewahrsam befindet und ins Internat zurück gebracht werde. Für uns klang es so, als ob Natalie etwas angestellt hatte. Daher hielten wir es für besser, dass sie im Internat als in Polizeigewahrsam befindet.“ „Natalie hat erzählt, dass für sie keineswegs von der Polizei aufgegriffen wurde, sondern selbst auf das Polizeirevier gegangen ist. Zudem gab sie an, dass der Polizeigewahrsam angenehmer war, als der Aufenthalt im Internat. Das Angebot der Polizei, sie unter einem Vorwand noch ein paar Tage dort zu behalten, hat sie übrigens abgelehnt, da sie die Polizisten nicht in Schwierigkeiten bringen wollte.“
Kommen wir nun zu Ihrem Besuch am Ende des Schuljahres. Wie habe Sie dort Ihre Tochter erlebt?“
Mein Vater führte aus: „Wir waren – wie immer zuerst bei Frau Durcet. Dieser erzählte uns, wie gut sich Natalie eingelebt hatte. Wir waren nach unserem letzten Besuch erleichtert und dann überrascht, als uns Natalie eine ganz andere Geschichte erzählte. Ich muss zugeben, dass wir mit der Situation auch ein wenig überfordert waren. Auf der einen Seite kamen uns dann doch Zweifel, ob das Internat das richtige für Natalie ist auf der anderen Seite wollten wir die Erfolge und die Aussicht auf eine gute Ausbildung nicht gefährden.
Wir haben uns dann entschlossen, entgegen unserem Versprechen, doch Frau Durcet anzusprechen.“
Herr Brinkmann fragte, wie sich meine Eltern fühlen, wenn Sie an meiner Stelle wären.
Mein Vater sagte: "Ich würde mich von meinen Eltern verraten fühlen und könnte ihnen nicht mehr vertrauen. Meine Mutter fügte hinzu, dass sie sich fragen würde, warum meine Eltern mir dies antun würden, ob sie mich noch lieben würden, warum sie mir nicht glauben und was ich falsch gemacht habe.
Herr Brinkmann holte einen Zettel heraus, auf welchen ich genau diese Punkte vermerkt hatte. „Im Ergebnis haben wir unsere Zusagen gegenüber Natalie ein paar Mal zu oft gebrochen.“, räumte mein Vater selbstkritisch ein.
Zum Ende wollte Herr Brinkmann noch wissen, wie mich meine Eltern im Krankenhaus wahrgenommen haben. Meine Mutter antwortete, dass sie mich nicht wieder erkannt habe. „So aufgelöst haben wir Natalie noch nie erlebt.“
„Im Ergebnis haben Sie Natalie durch Ihr Verhalten fast vollständig zerstört. Ihre Tochter war ein psychisches Zwack und das ist keine Übertreibung, sondern eine Tatsache. Sie hat die Kollegin, die Sie operiert und somit das Leben gerettet hat, gebeten, sie das nächste Mal sterben zu lassen. Sie hatte keine Kraft mehr und keinen Lebensmut mehr.“
„Wie geht es noch weiter.“, wollte meine Mutter wissen.
Herr Brinkmann erläuterte, dass er mich als Kämpferin kennen gelernt hätte. „Wir haben Ihre Tochter mit sehr viel Arbeit soweit stabilisiert, dass aktuell nicht mit einem weiteren Suizidversuch zu rechnen ist. Sollte sie jedoch zurück ins Internat müssen, garantiere ich für gar nichts.“
„Eine Rückkehr von Natalie ins Internat kommt für uns nicht in Frage“, versicherten meine Eltern wie aus einem Munde. Offensichtlich hatte jetzt auch mein Vater erkannt, dass er mich endgültig zerstören und somit verlieren würde, wenn er weiter darauf besteht, dass ich ins Internat zurück kehre. Auch würde er dadurch seine Ehe riskieren. Herr Brinkmann antwortete: „Das ist gut, aber es liegt trotzdem noch ein weiter Weg vor Natalie.“
Weiter erläuterter er, dass seitdem ich im Seiberhof leben würde, eine positive Entwicklung zu beobachten sei. „Ich will ehrlich sein. Ich hielt es zunächst aus therapeutischer Sicht für kontraproduktiv, wenn sie mit einer anderen ehemaligen Internatsschülerin zusammen lebt. Aber Natalie hat darauf bestanden und die beiden tun sich sichtbar gut. Wissen Sie, dass Natalie sich selbst bei der örtlichen Schule angemeldet hat?“, fragte Herr Brinkmann meine verdutzten Eltern. „Sie ist zur Direktorin gegangen und hat gesagt: 'Hier bin ich und ich möchte Ihre Schule besuchen.' Dies zeigt, dass Natalie ihr Leben wieder selbst in die Hand nimmt. Auch hat sie mit dem Abitur wieder ein festes Ziel vor Augen. Bemerkenswert ist zudem, dass sie ihrer eigenen Schulausbildung offensichtlich einen sehr hohen Stellenwert einräumt. Bei jungen Erwachsenen in Natalies Alter steht diese normalerweise nicht an erster Stelle.“
Meine Eltern und Herr Brinkmann verabschiedeten sich und vereinbarten, dass sie sich bei Bedarf wieder zusammen setzen. Meine Eltern baten um die Möglichkeit, mit mir zu sprechen und Herr Brinkmann sagte zu, dies zu ermöglichen.
Als gute Therapeut bereitete mich Herr Brinkmann optimal auf das Gespräch mit meinen Eltern vor. Bei der nächsten Therapiesitzung erzählte er mir detailliert über den Inhalt und den Verlauf der beiden Gespräche mit meinen Eltern. Nur den Konflikt meiner Eltern und die Tatsache, dass mein Vater mich ursprünglich ins Internat zurück schicken wollte, verschwieg er bewusst. Schließlich fragte er mich, was ich davon halten würde. Ich antwortete, dass es schon einmal ein Anfang sei, wenn meine Eltern ihre Fehler eingesehen haben. Dann erkundigte er sich nach meinen Vorstellungen und Wünschen. Ich erzählte, dass ich gerne im Seiberhof bleiben würde und keineswegs zu meinen Eltern 'nach Hause' ziehen wollte. „Meine Therapie würde ich gerne mit Ihnen weiterführen. Ich weiß, dass meine Eltern ein Studium und dann die Übernahme des Familienunternehmens vorgesehen haben. Eigentlich würde ich gerne meinen eigenen Weg gehen.“ Herr Brinkmann riet mir, dies einfach anzusprechen. „Zunächst ist es wichtig, dass Sie wieder mental auf die Beine kommen. Ihre Eltern müssen entscheiden, ob sie eine glückliche Tochter oder eine Tochter, die zwar ihre Wünsche erfüllt, dann aber unglücklich ist, haben wollen. Die gleiche Entscheidung müssen Sie übrigens auch treffen, Natalie. Sollten Ihre Eltern wider erwartend uneinsichtig sein, habe ich immer noch die gerichtlich angeordnete Vormundschaft über Sie. Sie wissen hoffentlich, dass ich die Rechte nur zu Ihrem Besten und keineswegs gegen Ihren erklärten Willen nutzen werde.“, fügte er an.
Ein paar Tage später, kamen meine Eltern tatsächlich zu mir in den Seiberhof. Mein Vater bat, beginnen zu dürfen. Er führte aus, dass es ihn leid tut, mich zum Pensionat gelockt, mir nicht geglaubt, seine Versprechen nicht eingehalten und mich nicht sofort vom Pensionat genommen zu haben, als ich darum gebeten hatte.
„Aber warum? Ich habe die Freiheiten, die ich hatte, nie übermäßig ausgenutzt und ansonsten nie über die Stränge geschlagen.“ „Wir haben uns von Frau Durcet einreden lassen, dass ihr Pensionat Dir sehr gut tut. Glaube mir, wir wollten nur Dein Bestes. Wir waren von dem Internat angetan und haben die Warnsignale, insbesondere das, was Du uns erzählst hast, einfach ignoriert. Wir wissen zwischenzeitlich, dass es falsch war. Wir können das Geschehene nicht rückgängig machen. Wir können Dich nur um Verzeihung bitten und Dir anbieten, neu anzufangen.“, antwortete mein Vater.
„Wie geht es jetzt weiter?“, wollte meine Mutter wissen.
„Ich weiß, dass ich mich am liebsten nach Hause holen würdet. Herr Brinkmann und sein Team haben wirklich gute Arbeit geleistet. Ich bin jetzt sowie stabilisiert, dass ich mein Leben weitgehend selber bestreiten kann. Auf weitere Hilfe bin ich aber noch angewiesen. Laut Einschätzung meiner Therapeuten wird dies auch noch einige Zeit so sein. Sei es die Hilfe von Herrn Brinkmann und seinem Team oder Felix und Louisa hier im Seiberhof. Ich würde die Therapie gerne mit Herrn Brinkmann weiterführen und erfolgreich beenden und keinen Wechsel des Therapeuten vornehmen.
Bedenkt, dass zwischenzeitlich meine Heimat hier ist. Hier lebe ich, hier habe ich meine Freunde und hier gehe ich zur Schule. Ich würde weiter gerne hier bleiben und weiter die Schule im Tal besuchen und dort nächstes Jahr mein Abitur machen. Ihr könnt mich jederzeit gerne besuchen und ich würde Euch gerne in den Ferien besuchen, wenn es bei Euch passt.“
Da ich keinen Widerspruch von meinen Eltern registrierte, beschloss ich, das heikle Thema vom Familienunternehmen gleich auch noch anzusprechen. „Ich weiß, dass Ihr Euch wünscht, dass ich nach dem Abitur studiere, dann in Eure Firma einsteige und diese dann von Euch eines Tages übernehmen soll. Ich will ehrlich sein. Ich weiß nicht, ob ich das noch kann. Eure Firma ist für mich der Grund, warum Ihr mich auf Internat abgeschoben habt und ich dort die schlimmste Zeit meines Lebens verbringen musste.“
Meine Mutter antwortete: „Wenn wir eines gelernt haben, dann dass wir auf Deine Wünsche eingehen müssen. Du brauchst die Firma nicht übernehmen, wenn Du es nicht willst.“ Mein Vater sah sie erschrocken an, worauf meine Mutter nur meinte: „Du die Firma und ich Natalie“. Seinerzeit wusste ich mit dieser Aussage nichts anzufangen, registrierte aber, dass mein Vater zähneknirschend dies akzeptierte. Meine Mutter gab mir ein paar zerrissene Papiere und sagte: „Dies ist der Knebelvertrag, den wir Dir untergeschoben haben. Lebe Dein Leben. Es wäre schön, wenn wir auch ein Teil davon sein können.“
„Ich liebe Euch, das hat sich nicht geändert und wird sich auch nie ändern. Ich habe Euch auch noch geliebt, als ich im Pensionat war. Ich hatte nur Zweifel, ob Ihr mich noch liebt und wenn ja, warum Ihr mir dies antut. Ich habe tage- und nächtelang darüber nachgedacht, was ich falsch gemacht haben könnte.“
„Du hast gar nichts falsch gemacht“, versicherte mein Vater „Die Fehler haben wir gemacht, indem wir Dich auf unfaire Weise im Internat angemeldet haben, unsere Versprechen nicht gehalten, Dir nicht geglaubt und vor allem Dich nicht von der Schule genommen haben, als Du uns darum gebeten hast.“
„Aber bitte bedenkt, dass es die Natalie, die Ihr einst im Pensionat angemeldet habt, nicht mehr gibt“, gab ich meinen Eltern mit auf den Weg. „Du bist und bleibst immer unsere Tochter, daran wird sich nichts ändern. Wir geben Dir die Zeit, die Du brauchst, um das Erlebte zu verarbeiten und Vertrauen wieder zu uns aufzubauen.“ Meine Eltern verabschiedeten sich und mein Vater bat mich, dass ich mir die Sache mit dem Familienunternehmen noch einmal in Ruhe überlegen sollte.
Als meine Eltern schon auf dem Weg zur Seilbahn waren, drehte sich meiner Mutter noch einmal um und rief mir zu. „Natalie, man sieht Dir deutlich an, dass Du hier glücklich bist. Mir ist eine glückliche Tochter in der Ferne lieber wäre als eine unglückliche daheim.“ Weiter meinte sie noch, dass mir das Dirndl, welches ich trug, sehr gut stehen würde und man sehen würde, dass ich hier meine neue Heimat gefunden hätte. Meine Mutter und ich liefen aufeinander zu und umarmten uns und ich winkte auch noch meinem Vater nochmal herzlich zu.
In der nächsten Zeit besuchten mich meine Eltern regelmäßig und auch ich verbrachte meine Ferien teilweise bei ihnen. Langsam baute sich das Vertrauen wieder auf.
[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von ZdBdLa am 10.09.24 um 08:15 geändert
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