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  Schuld (Fortsetzung von ´Agonie´)
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MarioImLooker Volljährigkeit geprüft
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  RE: Schuld (Fortsetzung von ´Agonie´) Datum:16.01.17 17:03 IP: gespeichert Moderator melden


Hammerfolge! Puzzles fügen sich zusammen! Längst vergessene Geschichten kommen wieder in den Vordergrund.
Gratulation, Du übertriffst Dich immer wieder selbst!
Ich bleib dabei, definitiv die beste Geschichte hier im Forum.
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bd8888
KG-Träger





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  RE: Schuld (Fortsetzung von ´Agonie´) Datum:16.01.17 17:26 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Daniela
Danke für deine wunderbare Geschichten.
Das wöchentliche Warten ist der totale Wahnsinn.
Die Spannung steigt und steigt.
Was wird wohl an der Brücke passieren?
Schöne Woche
bd8888
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Daniela 20
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  RE: Schuld (Fortsetzung von ´Agonie´) Datum:22.01.17 22:00 IP: gespeichert Moderator melden


Weiter geht´s! Heute mal eine etwas kürzere Fortsetzung, dafür wird dann der Schluss umso länger!
Ein herzliches Dankeschön meinen treuen Lesern; Ihr habt mich mit Euren netten Kommentaren aus einer leicht depressiven Stimmung herausgeholt! Der Winter mit einigen schönen Frost- und Schneetagen hat sich wieder verzogen, geblieben ist graue Langeweile....

Nun wünsche ich allen Lesern spannende Unterhaltung! Eure Daniela 20

-----------------

Klaus hatte sich seine Jacke geben lassen, eine der Frauen an der Garderobe gebeten, sich um Paula zu kümmern, die nun endgültig auf der Toilette zusammengebrochen war, dann rannte er hinaus. Die kalte, frische Luft tat ihm gut, aber der Schock, die Erkenntnis dessen, was genau hier vor einem Jahr passiert war, hielt ihn immer noch gefangen.
Er versuchte zu überlegen, welchen Vorsprung Ingeborg einerseits und Lisbeth andererseits vor ihm hatten? Zehn Minuten? Zwanzig Minuten? Er hatte ja selber einige Minuten über der Kloschüssel gehangen, danach dann einige Zeit gebraucht, Paula zu helfen und sie zu befragen. Ich kann schneller laufen als die Frauen, dachte er, knickte dann aber beinahe mit dem rechten Fuß um. Er hätte doch besser die Ballerinas nehmen sollen, aber er mochte keine Ballerinas, sie sehen an schönen Frauenbeinen einfach blöde aus, und als Transe konnte er es sich erst recht nicht leisten, blöde auszusehen. Trotzdem rannte er weiter, mit wehendem Rock, hinaus in die dunkle Nacht.

Auch sein Hirn arbeitete auf Hochdruck. Konnte es denn wahr sein, was das Mädchen ihm gerade erst auf der Toilette erzählt hatte? Der Vater...? Nein, nein, das konnte nicht sein. Nicht hier, in unserem Land. Nicht in unserer Zeit. Solch eine Räubergeschichte mochte in einem billigen Pornoblättchen zu lesen sein, aber so etwas macht doch kein Mensch! Mit den eigenen Töchtern.... Niemals...

Plötzlich sah er es wieder deutlich vor sich. Daniela, die an der Brückenbrüstung stand, vor sich dieses andere Mädchen - Lisbeth. Wie sie ihren Rock hochhob, wild herumgestikulierte, dann ihre Brust herausstreckte. Daniela dann, die ihre Jacke auszog, auf etwas deutete, scheinbar dem Mädchen Vorwürfe machte... schließlich dieser furchtbare Schlag. Was hatte Lisbeth Daniela gezeigt? Und er hörte wieder die Stimme in der Nacht: Du bist schuld.... bist schuld... schuld....

% % %

Ingeborg hatte sich etwas gefangen. Sie trat, voller Unruhe, an das steinerne Brückengeländer und spähte nach unten in die Finsternis. Wasser plätscherte leicht; es war der einzige Laut. Für den Moment erhellte der Scheinwerfer eines Autos, das am gegenüberliegenden Ufer irgendwo einparkte, die Szenerie... nein, nichts, da lag niemand. Sie war rechtzeitig gekommen.
Ingeborg hörte Schritte hinter sich. Klaus? War er es? Hatte er hier auf sie gewartet? Brauchte er einen Zeugen für seinen Suizid? Hatte er Angst, alleine zu sterben? Die Schritte kamen näher, ein hartes Geräusch. Nein, das waren keine Männerschuhe...

Sie drehte sich um, sah im Gegenlicht eine Straßenlaterne die Silhuette einer Frau. Ein dunkles Dirndl, die Schürze etwas heller. Blitzte da ein weißer Unterrock hervor? Hatte Barbara so etwas getragen? War sie ihr nachgelaufen? Machte sie sich auch Sorgen um Klaus??
"Barbara??" Ihre Stimme war schwach, das Laufen hatte sie angestrengt.
"Wer sind Sie?" Die Frau war stehengeblieben. "Wer ist Barbara?"
Ingeborgs Hirn arbeitete fieberhaft. Wer war diese Frau? War sie zufällig hier? Jetzt, um diese Zeit? Plötzlich hatte sie es gesagt, bevor sie es zurückhalten konnte. "Haben Sie sie getötet? Letztes Jahr? Hier an dieser Stelle? Die junge Frau, die man morgens hier, unten an der Isar, gefunden hatte?"

Die Frau kam näher. Sie schwieg, aber sie kam immer näher. Noch einmal versuchte Ingeborg, ihre Hände freizubekommen, vergeblich. "Sie haben sie umgebracht!! Wer sind Sie? Weshalb haben Sie es getan?" Sie biss sich auf die Zunge. Es wäre besser gewesen, gar nichts zu sagen.
Die Frau stand dicht vor ihr. Eine sehr junge Frau, wie sie trotz der immer noch blendenden Straßenlaterne erkennen konnte. Sie packte sie an den Schultern, griff mit einer Kraft zu, die man den zarten Händen nicht zugetraut hätte, und drückte sie mit aller Macht gegen die Brüstung. "Halten Sie den Mund!! Ich habe niemand umgebracht! Hören Sie, es war ein ganz verdammter Unfall... diese blöde Schlampe!!"

Ingeborg Wimmer lag halb auf der Brüstung. Sie bekam ihre Hände nicht frei, konnte sich nicht dem Griff des Mädchens entwinden. Sie blickte über ihre Schulter; unter ihr rauschte schwarzes Wasser. Sie versuchte nach der Angreiferin zu treten, aber die Kette, die sie zwischen den Beinen hatte, ließ es nicht zu. Lähmende Angst griff nach ihr. "Hören Sie, lassen Sie mich los! So beruhigen Sie sich doch! Oder wollen Sie mich auch da hinunterwerfen?"
Sie bekam einen schrecklichen Schlag ins Gesicht. "Sie sollen Ihr Maul halten! Ich habe doch gesagt, es war ein Unfall! Was machen Sie überhaupt hier? Wer sind Sie denn?" Angst, Wut und Erregung schwangen in der Stimme mit.
"Ich heiße Ingeborg Wimmer! Ich bin...." Sie bekam einen neuen Schlag, bei dem sie sich auf die Zunge biss.
"Habe ich nicht gesagt, Sie sollen Ihr Maul halten? Wenn Sie nicht wären, ich hätte es schon längst hinter mich gebracht! Ja, ich habe es getan. Ich habe sie umgebracht, diese blöde Tussie! Hatte unseren Vater total verrückt gemacht, und wir mussten es dann ausbaden!"

Ihr Gesicht war immer noch nicht deutlich zu sehen, aber ihre Stimme verriet den totalen Kontrollverlust. "Niemand weiß, dass ich es war, die das Mädchen hier umgebracht hat. Niemand, außer meiner Zwillingsschwester und Ihnen!"

Sie spuckte Blut. "Hören Sie, ich bin von der Polizei. Ich werde..." Sie hätte es nicht sagen sollen. Es war wie ein Todesurteil.
Die Hände griffen fester zu, legten sich um ihren Hals. "Gar nichts werden Sie!! Einen Dreck werden Sie! Glauben Sie, ich habe Lust, wegen dem Flittchen in den Knast zu gehen?" Die junge Frau drückte sie weiter zurück; es war erstaunlich, welche Kraft sie dabei entwickelte. Ingeborg versuchte, ihr mit einer halben Seitendrehung zu entkommen, aber es gab kein Entkommen für sie. Etwas fiel polternd zu Boden.
Auch die Frau hatte es gehört. Sie ließ kurz von ihr ab, bückte sich, sah nach, was es war, was da heruntergefallen war. "Ach du scheiße!", entfuhr es ihr. Sie sammelte Ingeborgs Dienstwaffe auf, die diese mitgenommen hatte, gut unter ihrem Rock versteckt. "Eine Knarre? Was wollten Sie denn mit ihrer Knarre? Mich abknallen? Das können Sie gerne haben!" Sie richtete die Waffe auf Ingeborgs Brust.

% % %

Klaus war fast an derselben Stelle angekommen, von wo aus er das Drama vor einem Jahr beobachtet hatte. Er stutzte einen Moment, glaubte eine Fata morgana zu sehen, nein, das hier gab es doch gar nicht, das musste jetzt aber wirklich ein Traum sein, wenn auch ein ganz beschissener. Diese zwei Frauen, die miteinander kämpften. Noch konnte er auf die Entfernung nicht ausmachen, wer wer war, aber er hatte nicht mehr die Zeit zum Überlegen, in wenigen Sekunden würde er zu spät kommen, nein nein nein, er durfte nicht noch einmal zu spät kommen. Er verdoppelte seinen Eifer, warf im Laufen die verdammten Stöckelschuhe von den Füßen, hartes, kaltes Pflaster empfing ihn, heftiger Schmerz durchzuckte ihn, er durfte nicht stehen bleiben.
Er sah, wie die eine Frau sich bückte, wie sie etwas aufhob, einen schwarzen Gegenstand, oh nein, großer Gott, eine Pistole, wo kam jetzt eine Pistole her?? Er hatte keine hundert Meter mehr zu den Frauen, sah, wie sie die Waffe auf die Brust der unter ihr Liegenden richtete. "Nein!!!" Er hörte jemanden schreien, merkte nicht, dass er selber es war, nein, nicht noch ein Toter, er würde es verhindern, sich vor die Kugel werfen, so wie Frank Palmer das Leben von Whitney Houston rettete. "LISBETH!!!! NICHT!!!!!"

% % %

Ingeborg Wimmer wartete nur noch auf den Schuss. Es war vorbei. Sie blickte zur Seite, wollte nicht in das wutverzerrte Gesicht vor ihr schauen, in den drohenden Lauf ihrer eigenen Dienstwaffe.
Sie wollte die Augen schließen, aber sie konnte es nicht. Sie sah einen Schatten heranfliegen, wer war das, es war egal, der Schatten käme zu spät, gleich wäre es vorbei. Eine Frau, noch eine Frau, dachte sie.
Barbara! Es musste Barbara sein, die ihr doch noch gefolgt war. Sie wollte um Hilfe rufen, aber sie bekam keinen Laut heraus. Dann hörte sie einen gellenden Schrei, so laut, als müsse er die Finsternis zerreißen. "Nein!!" Dann, noch viel lauter: "LISBETH!!!! NICHT!!!!" - Klaus

Es hatte gereicht, die junge Frau einen kurzen Moment zu verwirren. Aber es würde nicht reichen, noch war Barbara mindestens dreißig Meter entfernt; die Frau hob die Waffe erneut, dann sah sie voller Entsetzen, wie diese die Waffe auf sich selber richtete.
"Ich wollte es nicht...", jammerte sie tonlos.
"Nicht! Tue es nicht!!" Ingeborg schrie sie verzweifelt an.

% % %

Es passierte alles gleichzeitig. Ingeborg sah das Gesicht der jungen Frau vor sich, gleich würde sie tot sein. Aber nichts geschah, als diese die Waffe auf ihre Brust richtete und abdrückte. Ein verzweifelter, zu allem entschlossener Blick flackerte in ihren Augen, sie ließ die Waffe wieder sinken, dann lud sie die Waffe durch, richtete sie erneut auf ihre Brust, ein kurzes Lächeln umspielte ihre Lippen, dann schloss Ingeborg die Augen, sie hörte den Schuss krachen, sah nicht mehr, wie der schwarze Schatten heranflog, dem Mädchen die Waffe aus der Hand schlug und sie wegkickte. Ihr wurde schwarz vor Augen, Ingeborg kollabierte auf der Stelle und sank auf dem harten Steinboden zusammen.

Klaus stürzte sich auf Lisbeth, der Schuss musste daneben gegangen sein, sie atmete noch, er ergiff ihre Arme, drehte sie auf den Rücken, es gab ein kurzes, heftiges Handgemenge, dann hatte er sie unschädlich gemacht.
Er atmete heftig. Seine Füße brannten wie Feuer, er war seit Jahren nicht mehr barfuß gelaufen. Er beugte sich über Ingeborg, auch sie atmete noch, war aber bewusstlos. Blut tropfte ihr immer noch aus Nase und Mund, aber nicht viel. Er presste ein Tuch gegen die Verletzung, dann löste er mit zitternden Fingern die Schleife an Ingeborgs Schürzenband, mit der er einige Zeit zuvor ihre Hände gefesselt hatte.

Sie lag schlapp in seinen Armen: Es war Zeit, Hilfe herbeizuholen. Er sah sich um, Lisbeth lag hinter ihm und jammerte; sie war für den Moment keine Gefahr mehr, weder für ihn noch für sich selbst.
Er fand ein Handy in Ingeborgs Tasche. Gott sei Dank, es funktionierte. Er wählte die Notrufnummer, die Verbindung klappte sofort. Er schilderte die Situation, bat um einen Rettungswagen. Ja, man habe richtig gehört, Angriff auf eine Polizeibeamtin, und verletzt, ja, wohl nicht lebensgefährlich. Er brach die Verbindung ab, zog seine Jacke aus, legte sie über Ingeborg. Es würde nicht lange dauern, hatte man ihm gesagt, auch die Polizei würde kommen. Er solle das Opfer warm halten, wenn es ging.

Klaus sah sich um. Er sah etwas blinken, was war das, oh, da hatte aber jemand Glück gehabt, dachte er und steckte es ein. Dann brachte er Ingeborg in eine stabile Seitenlage oder zumindest das, was er dafür hielt, er kontrollierte die Luftwege, sie war immer noch bewusstlos, vielleicht war sie doch schlimmer verletzt? Die Waffe? Wo war die Waffe abgeblieben? Er suchte, es war dunkel, er fand sie schließlich unter einem Busch. Er nahm sie mit zwei Fingern auf, sorgfältig darauf achtend, das Teufelsding nicht in eine Richtung zu halten, wo es doch noch Unheil anrichten konnte, dann sah er blinkendes Blaulicht auf der Luitpoldbrücke herankommen.

Polizei und Rettungswagen kamen fast gleichzeitig. Die Beamten waren besorgt, sie wussten, es handelte sich um eine Kollegin. Es fiel ihnen schwer, eine gewisse Aggressivität zu unterdrücken; erst als der begleitende Arzt Entwarnung gab, entspannten sie sich.
Klaus war froh, die Pistole los zu werden; ein lautes Stöhnen zeigte ihm, dass Ingeborg zu sich gekommen war. Er sah, wie Ingeborg im Rettungswagen untergebracht wurde, wollte zu ihr einsteigen, bei ihr bleiben.
Einer der Polizeibeamten trat vor ihn, hinderte ihn am Einsteigen. "Sie fahren mit uns, junge Frau!" Klaus hörte deutlich den spottenden Unterton, sah das maliziöse Grinsen im Gesicht des Polizisten; eine Nacht auf der Wache schien ihm sicher. Ausweisen könne er sich nicht, nein, tat ihm leid. Das Gesicht des Beamten wurde härter.
Er blickte sich um. Sah Ingeborg im Inneren des Wagens verschwinden. "Ingeborg!! Hilf mir!!" Es wirkte lächerlich, theatralisch lächerlich. Eine Schmierenkomödie, dachte er.

"Er fährt mit mir, Kollege! Hören Sie? Er bleibt bei mir! Komm, Klaus. Alles wird gut! Komm...." Ingeborg hatte sich halbwegs aufgerichtet, sie lächelte ihn an, streckte ihm die Hand entgegen, genauso wie Barbara ihr vor kaum mehr als einer Stunde ihre Hand entgegengestreckt hatte. "Du bleibst jetzt bei mir!" Dann sank sie zurück und Klaus beeilte sich, neben ihr Platz zu nehmen.

Sonntag, 27. Oktober

Es war 5 Uhr morgens, als Ingeborg Wimmer zu sich nach Hause kam. Man hatte sie im Krankenhaus ambulant behandelt; die Verletzungen waren nicht so schlimm, wie befürchtet. Und sie hatte es geschafft, jegliche weitere Untersuchungen abzuwehren. Sie hätte schlichtweg nicht gewusst, wie sie ihr kleines Geheimnis hätte erklären sollen. Die Leute mussten nicht alles wissen! Und sie konnte sich sicher sein, sie wäre zum Gespött der ganzen Dienststelle geworden, hätten die Kollegen und Kolleginnen von ihrer Vorliebe für derart bizarre Unterwäsche erfahren.
Ingeborg hatte Klaus gebeten, sie zu begleiten. Sie hatte tausend Fragen, sie suchte nach Antworten, auch wenn sie eigentlich totmüde war; allein der Schock des Erlebten ließ sie noch nicht zur Ruhe kommen.
"Komm mit hoch, ja? Ich brauche dich!" Wimmer sah Klaus bittend an, als sie unten die Haustür aufschloss.
Klaus zögerte. "So?", fragte er und deutete etwas hilflos auf sein Kleid. Er fühlte sich ein wenig wie ein Schauspieler, der nach seinem Stück gern die Rolle ablegen und seine eigenen Kleider wieder anziehen wollte.
"Ja. Warum nicht, Klaus? Siehst doch gut aus. Oder soll ich dich lieber Barbara nennen?" Sie ergriff seinen Arm und zog ihn ins Treppenhaus hinein. Ohne eine Antwort abzuwarten ging sie zum Fahrstuhl voraus; sie hatte einfach nicht mehr die Kraft, zu Fuß bis in ihr Stockwerk hochzulaufen.
Klaus schwieg. Aber Barbara schwieg auch.

Ingeborg schloss ihre Wohnungstür auf, machte Licht, zog ihre Schuhe aus und ließ sie achtlos fallen. "Komm, kannst deine Dinger auch ausziehen. Ist bestimmt nicht bequem für dich mit so hohen Absätzen, Barbara!"
Er musste lachen. "Die hier? Die nennst du hoch?" Beinahe hätte er mehr gesagt, als er sagen wollte. "Nee, kein Problem damit."
"Ist wohl nicht das erste Mal?" Ingeborg sah ihn fragend an. Im Grunde genommen verstand sie es nicht. Warum trug er Frauenkleider?
Klaus ließ den Kopf hängen. Sollte er ihr die ganze lange Geschichte erzählen? Von Anfang an, mit Monika, mit Andrea dann?"
"Trägst du gern Frauenkleider? Warum tust du es?" Ihre Fragen waren sanft ausgesprochen, hatten nicht die Schärfe eines Verhörs.
"Ja... muss ich ja wohl." Er machte eine Pause, schien nachzudenken. "Warum?? Frag mich was Leichteres, Ingeborg."

Ingeborg wusste, sie würde nicht alles hier und jetzt begreifen. Im Moment gab es Wichtigeres. Ihr Sofa zum Beispiel. "Möchtest du was haben? Kaffe, Tee, oder einen Wein?"
"Tee wäre nicht schlecht. Hast du vielleicht was zu essen? Ich habe vorhin gekotzt, da bei der GeiDi-Gaudi, nachdem du weggegangen warst. Könnte ganz gut was vertragen jetzt."
"Kotzen klingt aber gar nicht gut! Ja, ich werde uns einen Toast machen!"
"Ganz im Gegenteil, Ingeborg. Wenn mir nicht so furchtbar schlecht gewesen wäre, würdest du jetzt vielleicht auch da unten an der Isar liegen!" Er erklärte ihr mit wenigen Worten, wie und in welcher Verfassung er Paula vorgefunden hatte, und wieso er es dann mit der Angst zu tun bekam und ihr hinterhergelaufen war.

Ingeborg nickte stumm. Sie reichte Klaus die Hand. "Ja, das war wirklich ungeheueres Glück! Danke!" Sie ging Klaus voran in die Küche, setzte Teewasser auf und steckte einige Scheiben Brot in den Toaster. Sie sah ihn an, schüttelte leicht den Kopf. "Ich verstehe es nicht...."
"Was verstehst du nicht, Ingeborg?"
"Ich verstehe nicht, wie konnte dieses Mädchen, dieses ´Kind´, so genau wissen, wie sie meine Waffe laden sollte? Ich meine....", Ingeborg zögerte, "ich konnte es in ihren Augen sehen. Die wusste genau, was sie zu tun hatte! Fast so, als hätte sie es schon hundertmal gemacht. Da war kein Überlegen mehr, das lief ganz automatisch ab..."
Klaus senkte den Blick, sah die helle Tischplatte an. "Vielleicht hat sie es ja wirklich schon hundertmal oder öfters getan?"
"In einem Schützenverein??"
"Nein, das meine ich nicht. Ich dachte da eher an den Computer. Irgendso ein beschissenes Ego-shooter-Spiel. Wahrscheinlich hat sie selber nie eine Waffe in der Hand gehabt, aber ihr Avatar wusste genau, was er zu tun hatte. Und in dieser enormen Stresssituation schmolzen das sogenannte ´Spiel´ und die Wirklichkeit zusammen."
"Aber es war doch kein Spiel! Sie muss sich doch, verdammt noch mal, was dabei gedacht haben!!"
"Ich glaube nicht, Ingeborg. Diese Spiele konditionieren einen zum schnellen Handeln, nicht zum gründlichen Nachdenken. Leider. Ein ganz gefährliches Zeug, wenn du mich fragst!"
"Ja, furchtbar. Sie kann froh sein, dass du gerade noch rechtzeitig dazwischen gekommen bist!"

Ingeborg stellte Tee und Toastbrote auf den Tisch. " Komm, greif erst einmal zu! Ich bin gleich wieder da. Muss jetzt erst mal aus diesen Sachen raus!"
Sie ließ Klaus allein, ging nach nebenan, wo wohl ihr Schlafzimmer lag. Klaus hörte, wie Vorhänge zugezogen wurden, dann drang matter Lichtschein durch den Türspalt. Für einen Moment war Ruhe, dann gab es einen leichten Aufschrei: "Scheiße!!"
Er sprang auf, wie von der Tarantel gestochen, zwei, drei Schritte, ein Griff an die Tür, er öffnete, vor ihm, ihr Dirndl noch in der Hand, kniete Ingeborg und streckt ihm ihr Hinterteil entgegen. Solider Stahl blitzte ihn an, er sah, wie eng der Taillenreifen an ihr saß; er sah die breiten Ringe der Schenkelbänder, das ebenso breite Brusband ihres Keuschheits-BHs. Ingeborg drehte ihm den Kopf zu, Verzweiflung im Blick. "Die Schlüssel, Klaus! Ich kann die verdammten Schlüssel nicht finden! Du...." - sie korrigierte sich - "Barbara hatte sie mir gestern Abend in den Ausschnitt gesteckt.... ich.... ich muss sie verloren haben! Da, an der Scheißbrücke! Oder vielleicht schon auf dem Weg dorthin?"
"Oh Mann, so ein Mist! Vielleicht liegen sie in dem Rettungswagen?"
"Oh nein, sag so etwas nicht! Da werde ich sie nie wiederfinden! Was glaubst du, wieviele von diesen Wagen es in München gibt??"

Er nahm ihre Hand, zog sie vom Boden hoch. "Jetzt beruhige dich erst einmal. Wir werden die blöden Schlüssel schon noch finden. Ingeborg?? Hör zu, du stehst immer noch unter Schock." Er entdeckte ihren Bademantel, der hinter der Tür an einem Haken hing. "Komm, hier, zieh den erst einmal an, und dann komm wieder ins Wohnzimmer und iss was! Lass uns reden, oder einfach nur so...." Er sagte nicht, was er unter nur so verstand, aber es klang ganz gemütlich.
Ingeborg zog ihren Bademantel an, dann setzte sie sich zu Klaus ins Sofa.
"Du hast mir das Leben gerettet!" Sie hielt ihre Teetasse in beiden Händen. Sie zitterte.
Klaus griff nach einem Toast, ließ seine Hand aber wieder sinken. "Du hattest mehr Glück als Daniela letztes Jahr."
"Ich glaubte, du hättest sie letztes Jahr dort getötet. Und dass du dir was antun wolltest... und mich dabei haben wolltest. Ich hatte Angst um dich!"
Er blickte sie an. "Du hattest Angst um mich?" Er schüttelte müde den Kopf. "Ich... ich will jetzt nicht darüber sprechen..."
"Nein... natürlich nicht." Sie seuftzte, ihr Gesicht schmerzte, trotz des Schmerzmittels, dass sie bekommen hatte. "Nicht jetzt. Später dann. Du musst mir alles sagen.... alles, was du weißt. Und erzähle mir auch von Barbara, ja? Vielleicht weiß sie sogar mehr, als du?"

Sie saßen schweigend zusammen; jeder in die Welt der eigenen Gedanken vertieft. Langsam legte sich der Stress der Nacht, langsam wurde das Adrenalin abgebaut, bleierne Müdigkeit griff nach ihnen.
"Ich muss ins Bett, Klaus." Ingeborg erhob sich vom Sofa. "Kommst du?"
Er sah sie fragend an. "Wohin?"
"Ins Bett, wohin sonst. Es ist groß genug für zwei." Sie zog ihn hoch, zog ihn Richtung Schlafzimmer, ließ im Laufen bereits ihren Bademantel fallen. Mit dem Fuß trat sie die Schlafzimmertür hinter ihnen zu.


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maximilian24
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Österreich




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  RE: Schuld (Fortsetzung von ´Agonie´) Datum:22.01.17 22:19 IP: gespeichert Moderator melden


Nun, das war ja sehr dramatisch. Und jetzt werden die beiden auch wieder vom Streß runterkommen.
Danke Daniela
Alt werden will jeder, alt sein aber keiner
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ev_1
Fachmann





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  RE: Schuld (Fortsetzung von ´Agonie´) Datum:23.01.17 09:25 IP: gespeichert Moderator melden


Wird Klaus noch eine Chance bekommen, seine Gefühle aufzuarbeiten? LG!
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Daniela 20
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  RE: Schuld (Fortsetzung von ´Agonie´) Datum:29.01.17 22:01 IP: gespeichert Moderator melden


Ganz langsam nähern wir uns dem Ende dieser Geschichte. Ich weiß, sie ist anders als das, was der Leser hier in diesem Forum erwartet. Aber, sie musste und wollte erzählt werden! Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich nicht ewig fetischistische Spielereien auspinseln konnte, wie noch in den ersten Teilen, "Herbstferien", "Frust" und "Agonie". Der Mensch braucht Entwicklung, das gilt auch und sogar in besonderem Maße meinen Protagonisten.
Dennoch hoffe ich, dass meine Geschichte nach wie vor bei dem einen oder anderen Leser Anklang findet. Bitte habt Geduld mit mir, wir sind noch nicht am Höhepunkt der Erzählung angekommen!
Eure Daniela 20
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München, Mitte November

Der Herbst war spürbar ruppiger geworden. Klaus musste immer häufiger die Heizung anstellen; es gab genug zu tun in dem großen Haus, in dem er nun, seit dem Tod seiner Großmutter, allein lebte.
Allein.... Es war ungewohnt für ihn. Er musste sich nicht mehr einordnen, wie in den Jahren im Internat, er musste sich nicht mehr unterordnen, wie in den Monaten, als er - mehr oder weniger - Monikas Spielzeug war. Und er brauchte den Untergang nicht mehr zu fürchten, wie vor Monaten noch, als er sich in Andreas Gewalt befand.
Er hatte wenig Zeit zur Muße gehabt, seit jenen Ereignissen Ende Oktober. Es hatte Untersuchungen gegeben, mehrere Male war er von der Polizei befragt worden, aber er hatte seinen Kopf endgültig aus der Schlinge ziehen können. Sicherlich hätte man ihm unterlassene Hilfeleistung vorwerfen können, was Danielas Tod anging, aber in Anbetracht der speziellen Situation an jenem Abend hatte die Staatsanwaltschaft auf eine Anklage verzichtet. Man hatte die Umstände ihres todlichen Unfalls - als welchen man ihn jetzt einstufte - restlos geklärt; die Zwillinge aus Frankfurt hatten, einmal begonnen, kaum wieder aufhören können, die Hintergründe zu erhellen. Eine teils skurrile, teils bizarre Geschichte, eher eine Horrorgeschichte, die elterliche Sorge, beziehungsweise väterlichen Übergriff, offenbarte.

Klaus betrachtete das kleine Schlüsselbund, das vor ihm auf dem Tisch lag. Ein Grinsen zeigte sich auf seinem Gesicht, als er an jene erste Nacht mit Ingeborg dachte. Sie hatte ihn mit hineingezogen in ihr Schlafzimmer, hatte die Tür mit einem schnellen Tritt zugestoßen, so als wolle sie neugierige Betrachter ausschließen. Ihr Bett war groß und geräumig; er hatte sich, ohne weitere Aufforderung, hinter sie gelegt. Seine Hände lagen auf ihrer Brust, drängten zwischen ihre Schenkel, aber alles, was seine Finger ertasteten, war solider, unnachgiebiger Stahl, eine künstliche Barriere, die zwischen ihnen lag, die sein Begehren und ihre Wollust nicht zusammenkommen ließen.
Ist es einfacher so?, hatte er sich gefragt. Leichter sogar? Konnte eine Beziehung zwischen Mann und Frau nur dann glücklich sein, wenn man auf das Wesentliche verzichtete? War es nicht so, dass gerade der ungezügelte Sex das Leben kaputt gemacht hatte, zumindest so, wie er es erlebt hatte, in seiner schlimmsten Form? Dieser verdammte Pater, der sich nicht zügeln konnte, dieser verfluchte Ialiener, der seiner bizarren Phantasie alles unterordnete?
Und hatten er und Ingeborg sie nicht trotzdem zusammen genossen, diese ersten gemeinsamen Stunden? Befreit vom natürlichen Drang? Hatte er sie nicht so zärtlich berührt, wie selten zuvor bei einer Frau? Überrascht hatte es ihn, sie zu hören. Schade, dass du nicht auch in so einem Ding steckst, Barbara! Was hatte sie gesagt?
Er grübelte immer noch darüber nach. Was genau hatte Ingeborg da gemeint? Und wieso hatte sie Barbara angeprochen, nicht Klaus?
Sie hatten bis spät in den Vormittag hinein geschlafen, dann hatte er so getan, als hätte er gerade soeben die Schlüssel zu ihrem Keuschheitsgeschirr auf dem Fußboden entdeckt. Er war ja kein Unmensch. Er hatte die Schlüssel in der Nacht oben an der Brücke gefunden; sicher hatte Ingeborg sie bei ihrem Kampf mit Lisbeth verloren. Und er hatte dann sehen können, welche Erleichterung über Ingeborgs Gesicht huschte, als er ihr die Schlüssel präsentierte. Sie war ins Bad gegangen, hatte geduscht, hatte sich im Bad angezogen; nackt hatte er sie nicht gesehen. Und auch nur kurz in Unterwäsche. Es war anders jetzt als vorher.... komplizierter, nicht etwa einfacher.
Sie hatten zusammen gefrühstückt, sie schwiegen sich aus. Keiner verspürte große Lust, über das zu sprechen, was in der Nacht passiert war. Dann hatte Ingeborg ihm geholfen, sich wieder als Barbara zurechtzumachen; er hatte ja nur seine Kleider des gestrigen Abends; Männerkleidung hatte er hier nicht. Und dann....

Nein, er verstand es nicht. Vielleicht konnte er es nicht verstehen, vielleicht wollte er es nicht verstehen. Er hatte viel Kontakt zu ihr gehabt, leider fast auschließlich dienstlich. Sie hatten einige Male abends miteinander telefoniert, hatten zusammen gelacht, zusammen geschwiegen. Und er hatte seine eigenen Sorgen gänzlich vergessen.

Warum hat sie das getan?, fragte er sich immer wieder. Ihr Blick, der auf Barbara ruhte. Wie sie, ganz sanft, ganz ohne spürbare Gewalt, seine Hände hinter ihrem Rücken mit der Dirndlschürze gefesselt hatte. Genauso, wie er es bei ihr Stunden zuvor getan hatte? Wie sich ihre Augen dabei in seine bohrten, so als wolle sie einem tieferen Geheimnis bis auf den Grund gehen. Trägst du gern Frauenkleider? Warum tust du es? Sie hatte ihm in seine high heels geholfen, aber nie zuvor hatte es jemand so erotisch getan, wie sie. Dann hatte sie ihm seine Jacke über die Schultern gehängt, war mit ihm zum Auto gegangen und hatte ihn nach Hause gefahren.
Sie weiß, wo ich wohne! Er hatte ihr keine Adresse genannt. Erst auf der kleinen Treppe vor Omas Haus hatte sie ihm die Hände gelöst, hatte ihn herzlich an sich gedrückt - ein neues Gefühl diesmal, wie er feststellte, dann hatte sie sich verabschiedet. Bis bald, Barbara!! Wir sehen uns! Ach ja, Klaus wird wohl zu einer Vernehmung kommen müssen, aber das wird schon nicht so schlimm werden! Dann war sie gefahren.
Die Schlüssel! Warum hatte sie ihm die Schlüssel zu ihrem Keuschheitsgürtel und BH gegeben? Er hatte sie in seiner Jackentasche gefunden, als er nach seinem Hausschlüssel suchte. Warum hatte sie es getan? Er verstand es nicht.

Klaus beschloss, dieser Frage nicht weiter nachzugehen. Er hatte eigene Probleme, die gelöst werden wollten. Nicht umsonst hatte er die abenteuerliche Reise nach Rom auf sich genommen. Es lief ihm kalt den Rücken herunter, wenn er an jenen Mönch dachte, der dort, in der Via Formosa, vielleicht so etwas wie der Hüter des Hauses war. Ihm gruselte bei dem Gedanken an all die finsteren Mönche, die in einschlägigen Werken ihr Unwesen trieben. War das auch so einer? Aber hatte er nicht eigentlich ganz normal ausgesehen? Oder hatte der Mönch aus der Via Formosa sich schon auf seine Fährte gesetzt?
Klaus, du spinnst!, dachte er. Vielleicht sollte er nicht so viele blöde Bücher lesen! Jetzt aber galt es, diesen Ruprecht Huber ausfindig zu machen. Wie machte man das am besten? Vielleicht sollte er im Telefonbuch nachsehen? Ihm grauste bei dem Gedanken an die Hauptpost und den Tisch mit allen deutschen Telefonbüchern, aber dann musste er doch erleichtert aufatmen: Vorbei, aus und vorbei diese Zeiten!
Er schnappte sich sein Notebook - gerade erst hatte er es aus der Hand gelegt! - und öffnete die Internetseite von >Das Telefonbuch<. Warum nicht gleich eine bundesweite Suche? Er tippte den Namen in das Feld der Schablone, drückte auf Enter und wartete. Nichts. Kein Treffer.
Ein kleiner Schock. Er versuchte es erneut, diesmal bei >Das Oertliche<, entschied sich für München und Umgebung, aber auch hier kein Treffer. Regensburg vielleicht? Wieder nichts. In Landshut ein Treffer unter R. Huber. Er wählte die Nummer, eine Frau meldete sich: Renate Huber. Noch einmal versuchte er die bundesweite Suche, diesmal unter R. Huber, das Ergebnis war so groß, knapp 80 Treffer, die konnte er nicht alle anrufen. Und wenn der richtige dabei wäre? Wie sollte er es herausfinden? ´Entschuldigung, sind Sie das Schwein, das vor Jahren...??´ Er konnte wohl nicht damit rechnen, dass der dann fröhlich ´aber sicher doch, womit kann ich dienen?´ antworten würde.
Er gab es auf. Er brauchte Hilfe. Professionelle Hilfe. Einen Privatdetektiv... oder so, dachte er. Oder so war auf jeden Fall besser als Geld für so einen privaten Schnüffler auszugeben. Geld, das er gar nicht hatte.

Er fand Ingeborgs Karte, wählte nach leichtem Zögern ihre Nummer.
Sie meldete sich. "Ja?"
"Ingeborg? Ich brauche Hilfe..."
"Barbara!!" Ihre Stimme klang erleichtert.
Er zögerte. Was sollte das? "Klaus", antwortete er.
"Oh, schade!" Die Enttäuschung war leicht herauszuhören. "Womit?", fragte sie knapp.
"Huber. Ruprecht Huber. Ich habe seinen Namen. Und ich habe ihn gerade in ganz Deutschland gesucht. Also im Telefonbuch. Aber ich finde ihn nicht. Er ist nicht registriert..."
"Ja." Sie zögerte lange, ehe sie fortfuhr. Scheinbar überlegte sie, was sie sagen sollte. "Wo hast du den Namen her?"
Klaus hatte keine Lust, hier und jetzt die ganze Story seiner Recherche darzulegen. "Ist ´ne lange Geschichte.... Kannst du mir damit weiterhelfen?"
"Hm." Sie klang nicht begeistert. "Wie wäre es, wenn Barbara zu mir kommt? Ich bin mir sicher, dass ich Barbara helfen kann. Und sie könnte mir dann erzählen, wo sie den Namen her hat!" Es lag etwas Hoffnung in ihrer Antwort.
Hoffnung worauf?, überlegte Klaus.
"Ich glaube...." Sie sprach nicht weiter. Dann, sehr leise: "Ich glaube, ich mag Barbara!"
Ihm wurde heiß und kalt. Ein Scheideweg, dachte er. Ich stehe wieder einmal am Scheideweg! Er überlegte lange, sehr lange.
"Barbara....?"
Barbara, dachte er. War sie wiederauferstanden?

% % %

Ingeborg Wimmer hatte keine Antwort mehr bekommen. Klaus hatte das Gespräch beendet, hatte sie im Ungewissen gelassen. Würde er kommen? Oder würde sie kommen? Was brachte einen jungen Mann dazu, sich wie eine Frau zu kleiden? Sogar besser, als ich selbst das kann, musste sie sich neidvoll eingestehen. Dass er es mit Sicherheit nicht zum ersten Mal getan hatte, daran durfte kein Zweifel herrschen. Es erfordert eine Menge Übung, sein Makeup so hinzubekommen, wie Barbara das geschafft hatte. Auch sein Dirndl hatte Stil und Geschmack bewiesen. Eine lustige Verkleidung war das sicher nicht.
Ingeborg ging in ihr Schlafzimmer. Es war später Vormittag, sie hatte ein freies Wochenende, endlich mal wieder, sie hatte spät gefrühstückt, was sollte sie anziehen? Sie zog ihre Nachtwäsche aus, stand nackt vor dem Spiegel, zu nackt, wie sie dachte. Sie berührte ihre Brustwarzen, massierte sie leicht, kniff hinein, sie reagierten sofort und wollten mehr. Ihre Hand glitt in die feuchte Tiefe ihrer Scheide, zwei Finger umkreisten ihre Klitoris. Was war das? War es so simpel? War die Wollust vielleicht die größte aller Naturkräfte? Hatte man sie schon eingehend genug erforscht? Wieso hatten alle Lebenwesen auf diesem Planeten, so sie sich nicht wie eine Bakterie teilen konnten, diese unheimliche Kraft in sich, Sex miteinander zu haben? Wieso gab es Mord und Totschlag, wenn es da nicht stimmte? Wenn einer nicht das haben konnte, wonach er verlangte? Sie hatte oft genug mit komplizierten Fällen zu tun gehabt, Beziehungsdramen, die so verworren, so verstrickt waren, dass nur noch ein Mord sie hatte lösen können!
Ihr Blick fiel auf ihren Keuschheitsgürtel und den stählernen BH, die in einer Ecke ihres Bettes lagen. Sie hatte sie gereinigt, hatte sie poliert, überzeugt davon, sie so schnell nicht wieder anlegen zu wollen. Ich will nicht, dachte sie, als sie nach ihnen griff. Es gibt keinen Bruno mehr! Nein, aber Klaus - oder Barbara. Warum hatte sie Klaus ihre kleinen Schlüssel in die Jackentasche gestopft? Ohne, dass er es merkte? Vielleicht hatte er sie immer noch nicht gefunden?
Ihre Finger fühlten über das gelochte Blech, welches sich wochenlang ihren Fingern widersetzt hatte.Sie roch daran, es roch sauber, viel zu sauber, wie sie fand. Ihre Zunge glitt über die kleinen Löcher, sie stellte sich vor, wie es wohl wäre, wenn Barbara sie dort lecken wollte, es aber nicht könnte? Wenn Barbara gleich käme??
Sie hatte es so oft getan, in den vielen Monaten, die sie mit Bruno hatte; es gab kein Überlegen, kein Zaudern, sie legte sich den Keuschheitsgürtel um, wie sie es immer getan hatte, vergewisserte sich, sich nirgendwo einzuklemmen, ließ das kleine Schloss zuschnappen. Der BH, den sie mehr hasste als den stählernen Gürtel, folgte, ihre Brustwarzen protestierten, als sie das erste Mal wieder mit den fiesen Stacheln in Berührung kamen, die sie mehr als einmal an den Rand des Wahnsinns getrieben hatten. Selbst das Abschließen war nicht mehr so knifflig, wie am Anfang, die beiden Teile glitten problemlos ineinander, sie konnte von hinten den Stift einführen; das kleine Schloss anzubringen und abzuschließen dauerte keinen Augenblick mehr.

Sie atmete heftig durch, spürte wieder die vertraute Enge, die ihren Brustkorb umschloss; ihre Hand, die eben noch liebkosend auf ihrer Scham gelegen hatte, sie verspürte jetzt wieder nur den harten Stahl unter sich, die eiserne Barriere, das Gefängnis, das sie von ihrer Wollust befreite.
Bei den Schenkelbändern zögerte sie, dann ließ sie sie weg. Sie hatte lange genug Röcke getragen; draußen war es definitiv kälter geworden; kein Mensch trägt jetzt noch Röcke, dachte sie, dann entschied sie sich doch noch einmal für ihr Dirndl. Sie suchte die Erinnerung jener Nacht, ihres Zusammenseins mit Barbara, auf der GeiDi-Gaudi, die kurze Zeit, bevor das Unheil fast über ihr zusammengebrochen war.

Kommt er, oder kommt er nicht? Oder kommt Barbara? Immer wieder ertappte Ingeborg sich dabei, wie ein eingesperrter Hund zum Fenster zu laufen, und hinauszuschauen. Sie hatte einen recht guten Blick auf die Straße, konnte gut in die Richtung sehen, von wo er - oder sie - kommen musste, aber niemand kam. Und je länger sie wartete, desto mehr spürte sie wieder das Verschlossensein, die ´Unzugänglichkeitspole´ an ihrem Körper, das in ihr lodernde Feuer, das sich nicht austreten ließ, zumindest nicht hier und jetzt. Aus Erfahrung wusste sie, es würde verlöschen, ein Körper würde übrig bleiben, ein Körper ohne Geschlecht, ohne Wärme, ohne Liebe.

Es war später Nachmittag, als sie es aufgegeben hatte. Sie überlegte, wie sie nun das beste aus der Situation machen könnte, der Tag war kaputt, da gab es nichts mehr zu retten. Sollte sie Klaus anrufen? Oder selber zu ihm hinfahren, um die Schlüssel und dann das war´s dann ja wohl sagen? Sie hörte den tuckernden Laut eines Motorrollers, ein eher ungewohntes Geräusch, besonders jetzt, wo die Jahreszeit Motorräder und Roller in die Garagen verbannt hatte. Das Geräusch schwoll leise an, es mochte eine kleine Maschine sein, dann erstarb es urplötzlich. Sie sah aus dem Fenster; es war niemand zu sehen.
Ingeborg erschrak, als sie ihre Klingel hörte. Ihr Puls beschleunigte auf einhunderfünfzig, schon war sie an der Gegensprechanlage, drückte den Knopf und fragte ihr übliches ja bitte?, diesmal allerdings brachte sie es kaum hervor.
"Barbara." Mehr sagte sie nicht.
Ingeborgs Herz beschleunigte auf einhundertachzig. Gleich falle ich tot um, dachte sie, während sie die Tür öffnete und sich am Türrahmen festhielt. Sie hörte das leise Surren des Aufzugs, aber er fuhr von oben nach unten und hielt nicht auf ihrer Etage. Dann vernahm sie knirschende Schritte auf der Treppe.

Sie erkannte sie im ersten Moment nicht. Da kam nicht das brave Mädel im Dirndl, sondern eine Frau mit bunter Perücke, schwarzer Lederjacke, einem weiten, gepunkteten Rock, der von einem sehr voluminösem Petticoat in Form gehalten wurde, die Beine in schwarzer Leggins, die Füße in schwindelerregend hohen Stöckelschuhen.
Barbara blieb stehen, als sie Ingeborg in der Wohnungstür erblickte. Sie lächelte. "Hallo Ingeborg." Wärme und Angst schwangen in ihrer Stimme mit.
"Barbara! Du siehst wundervoll aus! Komm rein." Ingeborg trat zur Seite, umarmte sie noch in der Tür. Vorsichtig, dieses zarte Geschöpf, sie durfte es nicht zerbrechen. Sie spürte, hier war eine Verwandlung geschehen, ganz anders und viel intensiver als am GeiDi-Gaudi Tag. Was damals wohl eher das erhoffte Ende eines alter ego sein sollte; hier war es dessen Wiedergeburt.
Sie half Barbara aus der Lederjacke. Bewunderte ihr gepunktetes Kleid, die schmale Taille, zusammengehalten von einem breiten Stretchgürtel. Sie musste diese bunte Perücke anfassen, nein, das war kein billiges Faschingsutensil, das hier mochten echte Haare sein, die einen dunklen Rotton zeigten, durchsetzt mir Strähnchen in violett und orange.
"Die ist ja wunderschön!" Sie nahm Barbara bei der Hand, drehte sie vor sich im Kreise, sah wie sich der weite Rock in der Bewegung aufbauschte, gelbe Spitze des steifen Petticoats lugte hervor. Nie zuvor hatte sie mit dieser Mode zu tun gehabt; hatte höchstens mal das eine oder andere Mädchen damit in der Stadt gesehen, aber es hatte ihr nie wirklich gefallen.
Ingeborg legte ihre Hand auf diesen Rock, drückte sachte zu, spürte, wie er sich gleich wieder ausdehnen wollte. Sie legte ihre Hand in Barbaras Taille, wieso nur war sie so schmal, und so hart? Sie zog sie an sich, langsam und vorsichtig, so als könnte sie einen Traum zerstören, wenn sie fester zugriff.
Sie umarmte Barbara, drückte sie fester an sich, was war das, es fühlte sich anders an, als vor drei Wochen. Sie legte ihre Hand auf Barbaras Brüste, nein, das war härter jetzt, sie gaben nicht nach, so wie zuletzt; diese hier waren hart wie ihre eigenen.... verschlossen, dachte sie.
Barbara zog ihre Hand langsam von ihren Brüsten ab, hielt sie fest, drückte sie nach unten, auf den sich sträubenden Rock. Sie drückte fester, Ingeborg spürte, sie sollte etwas fühlen, sie wollte nicht, aber Barbara hielt ihre Hand weiter fest, drückte sie gegen ihren Unterleib. Was war das? Es fühlte sich an, wie bei ihr selber, da war keine männliche Beule, die sie erwartet hatte, nein, es war jetzt wie bei ihr, hart und fest, und sie verstand, was Barbara ihr zeigen wollte.
"Gefalle ich dir?"

Ingeborg wusste gar nicht, was sie sagen sollte. Dieser Mensch hier war nicht Klaus, ein Mann, der sich Frauenkleider angezogen hatte. Sie küsste sie und hoffte, es möge Antwort genug sein. Dann zog sie sie mit hinüber auf ihr Sofa, stand noch einmal auf, zauberte eine Flasche Weißwein hervor und füllte zwei Gläser.
"Barbara.... ich glaube, du bist die schönste Frau von ganz München!"
Barbara lächelte glücklich. Oder doch nicht? "Das mag fast richtig sein..." Alles an ihr war anders. Die Art, wie sie mit den Augen kommunizierte. Wie sie sprach. Die Ruhe, die über ihr lag. Ganz anders als Klaus, der immer so nervös auf sie gewirkt hatte.
"Nur fast...?"
"Die schönste, ja, das mag stimmen. Aber Frau, das leider nicht." Hörte man da Schmerz heraus?
"Du hast lange gebraucht..."
"Ja... lange. Ich weiß. Es ging nicht schneller.... ich konnte nicht....."
"Was konntest du nicht? Barbara werden?"
Sie senkte den Blick. Ihre Hände verschwanden in den Weiten ihres Petticoatrocks. Sie nickte leicht.
Ingeborg trank einen Schluck. Draußen dämmerte es bereits. Lange und dunkle Tage standen ihnen bevor. Wie sollte sie da etwas ans Licht zerren, was das Licht scheute? Sie nahm Barbaras Hand. Führte sie an ihre eigene Brust, in ihren eigenen Schritt unterm Dirndlrock. "Wie bei dir!"
Barbara lächelte sie an. "Ja, wie bei mir." Sie zögerte.... "Die kleinen Schlüssel...."
"Hast du sie?"
"Ja."
Hatte sie ihre Hand etwas zu schnell, zu fordernd danach ausgestreckt? Barbara sah sie an, ein Lächeln umspielte ihre Lippen.
"Ich habe sie, ja. Aber ich habe sie nicht dabei. Ich wusste ja nicht...."
Ingeborg schloss für einen Moment die Augen. "Schon gut... nicht so schlimm. Muss ich wohl demnächst mal zu dir kommen...."
"Gern. Ja, das kannst du gern machen." Barbara hatte ihre Hände aus ihrem Schoß gelöst, streichelten sanft über Ingeborgs Arm. "Schön, dass du dein Dirndl noch einmal angezogen hast! Ich mag dich so!"
"Welcher Mann mag keine Frau im Dirndl?" Sie biss sich auf die Zunge, leider zu spät. Barbara zog ihre Hand weg. Sie hielt sie fest. "Bitte, entschulige bitte, ich habe dich nicht verletzen wollen! Es ist mir einfach so blöde rausgerutscht. Ich habe Strafe verdient...."
"Zwei Monate? Was meinst du? Wäre das gerecht?"
"Zwei Monate im Keuschheitsgürtel?" Sie wurde blass. "Das wäre eine sehr harte Strafe..."
Barbara lachte. "Zwei Monate kochen bei mir! Abwaschen kann ich allein. Sagen wir, jedes Wochenende mindestens ein Mal? Natürlich verschlossen, damit ich auf keine dummen Gedanken komme!"

Jetzt musste auch Ingeborg lachen. "Oh Mann! Und ich dachte schon.... Gut! Ja, das können wir so machen! Aber nur, wenn wir zusammen kochen. Damit du auch was lernst! So und jetzt sag mal, was hast du wie über diesen Pater Rufus herausgefunden? Du warst verreist?"
"Ruprecht, Ingeborg. Pater Ruprecht. Eigentlich heißt er Ruprecht Huber. Er ist 1963 geboren. 1985 ist er in Rom dieser Brüderschaft beigetreten."
"Dann ist er jetzt also 50 Jahre alt. Und du hast herausgefunden, wofür diese Buchstaben standen?"

Barbara erzählte ihr die ganze Geschichte von Klaus tagelanger Suche in der italienisichen Hauptstadt. Als sie geendet hatte atmete Ingeborg hörbar auf. "Mensch, das ist ja spannender als bei Dan Brown! Ich sehe diesen riesigen Mönch in seiner schwarzen Kutte direkt vor mir stehen, wie er da das Tor bewacht.!"
"So schlimm was es nun nicht. Eigentlich sah er ja eher aus wie du und ich!"
Der Blick, den Ingeborg ihr nun zuwarf, war köstlich. "Wie du und ich??", prustete sie los? "Er sah aus wie du und ich?? Dirndl oder Petticoatrock??" Sie konnte nicht mehr an sich halten, warf sich auf Barbara, vergrub ihr Gesicht in deren Rock und lachte, was das Zeug hielt. Und auch Barbara wurde angesteckt. Auch sie musste mitlachen, und es war wohl das erste Mal überhaupt, dass sie über so etwas lachen konnte. Es fühlte sich gut an!
"Und jetzt? Wie geht´s weiter?", fragte Ingeborg, nachdem sie sich beruhigt und die Tränen aus den Augen gewischt hatte.
"Ja, das ist ja das Problem. Ich kann ihn nicht finden. Zumindest nicht in den elektronischen Telefonbüchern. Ohne deine Hilfe komme ich nicht weiter!"
Ingeborg zögerte einen Moment. "Barbara.... oder auch Klaus, eine Personensuche ist eine heikle Sache. Du weißt, auf eigene Faust darf ich eigentlich nichts unternehmen. Allein schon meine Anrufe bei deiner alten Schule und in Regensburg können mich in Teufels Küche bringen. Ich muss jetzt wissen, warum du ihn suchst! Doch wohl nicht, weil dir sein Unterricht nicht gefallen hat. Was hatte dieser Lehrer noch für Aufgaben? An einem Internat.... da gibt es wohl auch so Hauslehrer, oder wie auch immer man die nennt? Die für die Schüler dann in der Freizeit da sind, für eine familiäre Atmosphäre sorgen sollen?"
Sie sah, wie Barbara von ihr abrückte. Sie umarmte sie, zog sie stattdessen näher zu sich heran. "Trägst du ein Korsett? Brauchst du es, um dich zusammenzuhalten? Damit du nicht vor lauter Angst und Schreck auseinanderfällst?" Sie hielt sie noch fester. "Und warum trägst du gern Frauenkleider? Hängt das auch mit diesem Mann zusammen? Erzähl es mir! Sag mir, was damals passiert ist; nur dann kann ich dir helfen!"
Barbara begann heftig zu zittern. Sie schluchzte, konnte kaum reden. "Er hat mich missbraucht..... uns alle, glaube ich..... monatelang." Ingeborg reichte ihr ein Taschentuch. Barbara trank einen Schluck, dann erzählte sie die ganze Geschichte, wie sie sich damals zugetragen hatte.
Ingeborg war zutiefst erschüttert. Das hier war komplettes Neuland für sie. Bisher hatte sie in ihrer beruflichen Praxis hauptsächlich mit Opfern zu tun, die nicht mehr reden konnten. Hier aber war alles anders. Hier saß ein Mensch, der Furchtbares erlebt hatte und seitdem darunter litt. Es ist wohl so, wie wenn man einem Baum die Rinde abschält, dachte sie. Er steht immer noch da, aber er lebt nicht mehr. Totes Holz....
"Deshalb trägst du also gern Frauenkleider! Weil er damals immer so betont hatte, wie gut es sei, dass ihr keine Mädchen seid!"
"Vielleicht ist es so, ja. Ich weiß es nicht, Ingeborg. Wenn das der Grund wäre, müsste es von Transvestiten ja nur so wimmeln!", gab Barbara resigniert zurück.
Ingeborg Wimmer verstand es nicht sofort. Hatte Klaus gerade gesagt, dass dieser ekelhafte sexuelle Missbrauch von Kindern nichts Ungewöhnliches sei? "Vielleicht erkennen wir sie einfach nicht.... wenn sie sich alle so gut zurecht machen, wie du?"
"Ja, wir erkennen sie nicht. Weil sie nicht erkannt werden wollen!" Er korrigierte sich: "Weil w i r nicht erkannt werden wollen! Weil wir ein ganz normales Leben leben wollen...."
"...was aber nicht gelingt, nicht wahr? Oder nennst du das hier - sie deutete auf sein Kleid - normal?"
Klaus schüttelte den Kopf. "Nein, es ist nicht normal. Aber das hier - Barbara - hat mir das Überleben gesichert! Verstehst du? Klaus.... Klaus ist doch schon lange tot.... innendrin..."
Mit einer Leiche ist es einfacher, dachte sie. Ingeborg merkte, wie schwer es ihr fiel, das Gespräch weiterzuführen. Sie war Kriminalistin, keine geschulte Psychologin. Sie musste wieder konkret werden. "Ja. Ja, ich glaube, ich verstehe es... zumindest vom Kopf her. Aber sag mir jetzt bitte mal: was hast du denn vor, wenn ich die Adresse für dich herausfinde? Willst du ihn....?"
"... umbringen? Ist es das, was du wissen möchtest?" Barbara blickte sie an. "Nein. Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht will ich ihm eine Fensterscheibe einschmeißen, vielleicht ein Paket Scheiße zuschicken. Oder Pädoschwein an seine Wand pinseln. Nein, Ingeborg, ich weiß es wirklich nicht. Aber ich glaube, es gibt wohl keine andere Möglichkeit mehr, als endlich selber etwas zu machen. Endlich die Angst besiegen. Endlich wieder Luft zum Atmen zu bekommen. Endlich den Makel ablegen zu können... ein normales Leben zu führen!"

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  RE: Schuld (Fortsetzung von ´Agonie´) Datum:30.01.17 08:13 IP: gespeichert Moderator melden


Vielleicht hat die Vergangenheit auch eine Lösung bereit.

Es wäre durchaus möglich daß der Pater entweder von einem Anderen seiner damaligen Opfer schon ausgiebig ´behandelt´ worden, oder er sitzt wegen einem seiner Vergehen bereits hinter Gittern.

Ist schon sehr interessant den vierten Teil einer Trilogie zu lesen.


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Daniela 20
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  RE: Schuld (Fortsetzung von ´Agonie´) Datum:05.02.17 22:00 IP: gespeichert Moderator melden


´... da waren´s nur noch drei!´ Sind wir wirklich schon im Februar und damit bei der 14. Fortsetzung meiner Quadrologie angekommen?? - ´Trilogie´ war gestern, hehe! Erstaunlich, aber wahr. Ein Vierteljahr habe ich nun, Sonntag für Sonntag, neuen Lesestoff geboten; ich hoffe, es ist dem anspruchsvollen Leser nicht langweilig geworden!
Auch heute wird es noch einmal recht aufregend! Und da ein schlimmes Wetter herrscht, kann ich nur sagen: Zieht Euch warm an, liebe Leser!!
Gute Spannung wünscht Eure Daniela 20!
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München, Ende November

Klaus stand am Fenster und sah hinaus. Das ruppige Herbstwetter war einem Hochdruckgebiet gewichen, der Himmel war blau, aber die Luft war eisig; nichts lockte ihn im Moment, nach draußen zu gehen.
Er hatte sich lange mit der Frage herumgequält, was er tun wollte, wenn - falls überhaupt - Ingeborg Wimmer die Adresse für ihn herausfinden könnte. Wilde Szenarien hatten sich in seiner Vorstellung breit gemacht. Er würde sich eine Mönchskutte anziehen und seinen ehemaligen Peiniger zu Kreuze kriechen lassen; dann wiederum sah er das Bild eine Tarotkarte vor sich, auf der ein Mensch von einem hohen Turm herab in den Tod stürzt. Das Bild gefiel ihm, es vermischte sich in seinem Kopf mit dem des Chinesischen Turms im Englischen Garten; das würde bestimmt ein gutes Bild abgeben, wenn das Schwein von dort herabfiel.
Aber all das war Phantasie. Auch der Gedanke an die Pinseleien auf dessen Hauswand. Es ist verdammt schwierig, jemandem die Faust zu zeigen, wenn man es nicht gelernt hat, sie zu ballen, dachte er.

Er hatte lange im Arbeitszimmer seiner Oma gesessen; ihre Bibel war ihm aufgefallen, sie hatte, wie er sah, im Buch der Psalmen mehrere Textstellen angekreuzt; scheinbar waren sie ihr wichtig erschienen. Er nahm einen Stift und Papier und schrieb sie auf, vielleicht sollte er sie auswendig lernen? Er wusste, seine Oma war immer sehr bibelfest gewesen; oft genug hatte sie ihn mit ihren frommen Sprüchen genervt.
Wie legt man einem Menschen das dreckige Handwerk, dem man nicht beikommen kann? Noch dazu, wenn alles schon Jahre vorbei war; verjährt sicherlich schon. Langsam glaubte er, es sei besser, gar nichts mehr zu unternehmen, statt viel Staub aufzuwirbeln und am Ende dann doch wieder den Kürzeren zu ziehen.

Ingeborgs Wagen näherte sich. Sie parkte, wie immer, vor der Haustür; viele Nachbarn hatten eigene Garagen; Parknot gab es hier nicht.
"Hej!", grüßte Ingeborg, als sie eintrat, einen Schwall kalter Luft mit sich bringend. Sie hatten sich in den vergangenen Wochen öfters gesehen, wann immer Ingeborgs Dienstplan und Münchens Leichen es zuließen. "Ich habe Neuigkeiten!"
Er umarmte sie. Fühlte ihre unter der dicken Winterjacke geborgene Wärme, spürte die Lebendigkeit ihres Körpers, der nicht mehr eingeschlossen war. Im Moment nicht, wie er überlegte. Er selber hatte Barbara wieder in die großen Säcke verbannt; im Moment verbannt, wie er dachte.
Sie war ausgehungert. Die Neuigkeiten mussten warten, bis der Magen zu seinem Recht gekommen war. Gemeinsam bereiteten sie das Essen zu: Spaghetti carbonara, dazu etwas Salat, ein wenig Wein. Es war schnell zubereitet und schnell gegessen. Sie blieben am Tisch sitzen.

Ingeborg wischte sich den Mund ab. "Ich glaube, ich habe ihn gefunden! Ruprecht Jäger!"
"Huber, Ingeborg. Nicht Jäger. Aber jetzt hast du ja wenigstens schon mal den Vornamen richtig!" Klaus lachte und schüttelte den Kopf.
"Denkst du!! Was glaubst du denn, warum du ihn nicht finden konntest? Weil es deinen famosen Ruprecht Huber nicht mehr gibt!"
Klaus blickte auf. Sein Blick schärfte sich, so als wolle er es ihr jetzt von den Lippen ablesen.
"Also hör zu. Er muss während seiner Zeit in Regensburg eine Frau kennen gelernt haben. Auf jeden Fall hat er 2003 geheiratet und dann den Namen seiner Frau angenommen."
Klaus unterbrach sie. "Ich dachte, katholische Geistliche...."
"...dürfen nicht heiraten? Stimmt, aber das gilt nur für diejnigen, die die Priesterweihe erhalten haben. Pater Ruprecht aber war ja nur Ordensbruder."
Das war plausibel. Klaus forderte sie auf, weiterzusprechen.
"Also, 2003 hat er geheiratet und dabei den Namen seiner Frau angenommen. Wenig später ist ein Kind, ein Sohn registriert. Aber die Ehe hat nicht gehalten. 2010 hat seine Frau die Scheidung eingereicht. Warum, weshalb und wieso, das konnte ich nicht herausbekommen. Datenschutz, du weißt!"
Klaus sah sie schweigend an. Er war blass geworden.
"Und? Du sagst ja gar nichts!"
"Nichts. Ich möchte lieber gar nicht wissen, warum die Ehe nicht gehalten hat!"
"Du meinst..."
"Ja, natürlich meine ich es. Was denn sonst, Ingborg? Vom Saulus zum Paulus?? Das glaubst du doch selber nicht!" Er lachte heiser auf. "Datenschutz! Ha! Kinderschutz wäre besser! Und, wo wohnt das Schwein? Damit ich ihm die Bude abfackeln kann?"
Die Kommissarin erschrak. "Das wirst du nicht tun, Klaus! Mach dich nicht unglücklich. Wenn du das nicht handhaben kannst, wir können es!"
"Die Justiz? Soll ich ihn etwa vor Gericht zerren? Das ist doch viel zu lange her! Wann verjährt so etwas denn überhaupt?" Er hatte sich in Rage geredet.
"Das kann ich dir genau sagen. Die Verjährung beträgt zehn Jahre...."
"Vergiss es, Ingeborg. Da hat wohl ein mieses Schwein richtig Schwein gehabt! Das alles ist jetzt mindstens elf Jahre her; wir haben keine Chance! Nein, es geht nicht anders... er, oder ich! High noon, falls dir das was sagt!"
Ingeborg ließ sich nicht beirren. "Klaus, wir sind hier nicht in Tombstone am OK Corral! Es wird kein high noon geben. Also, lass mich ausreden! Die Verjährung beträgt zehn Jahre ab dem Zeitpunkt, wo das Opfer, also du, volljährig wird. Diesmal hast du das Recht auf deiner Seite!"
Er horchte auf. Das kam jetzt völlig überraschend. "Du meinst, wir können ihn anzeigen... und wir kämen dann mit einer Klage durch? Und unsere Erfolgsaussichten? Haben wir überhaupt welche? Bekommen wir Recht?"

Er sah ein kaputtes Uboot am Grunde der See vor sich liegen. Bekommen wir Auftrieb, hatte der IWO den Kommandanten gefragt.

Ingeborg wich seinem Blick aus. Sie füllte ihre Gläser nach. Dann zuckte sie mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. Du weißt doch: Auf hoher See und vor Gericht sind wir in Gottes Hand!" Sie lächelte schief. "Wir müssen Zeugen finden...."
"Zeugen dafür, was er getan hat? Das ist doch verrückt!"
"Deine damaligen Mitschüler. Oder vielleicht hat es auch in Regenburg Vorfälle gegeben."
"Die Unsichtbaren, von denen wir eben gesprochen haben, Ingeborg? Die wirst du nie finden. Es gibt sie nicht!"
"Oh doch, es gibt sie!" Es klang fast ein wenig zickig, aber sie wurde das schlimme Gefühl nicht los, dass Klaus recht hatte.
"Nein. Wir müssen einen anderen Weg finden. Wo wohnt er denn? Hast du auch seine Adresse?"
"Ja. Die habe ich. Aber du musst mir versprechen, nichts Schlimmes zu tun!"
"Großes Indianerehrenwort!!" Klaus hob wie zum Schwur die rechte Hand.
"Er wohnt hier in München, im Osten der Stadt. Funtenseeweg 13."
"Tuntenseeweg? Hä??"
Jetzt musste sie doch wieder lachen. "Nein, Klaus. Er ist zwar ein Schwein, aber mit Tunten hat er wohl nichts am Hut! Funtenseeweg! So, jetzt komm, machen wir es uns noch ein wenig gemütlich. Ich muss morgen früh raus; Münchens Mörder warten auf mich. Abwaschen kannst du nachher allein, hast ja gesagt, dass du es kannst. Oder hatte Barbara es gesagt? Ach, ich bin verwirrt!"
Klaus grinste. Es tat verdammt gut, so darüber lachen zu können. "Und ich muss mir überlegen, wie aus dem Jäger ein Gejagter werden kann!"


München, 6. Dezember

Klaus suchte Evelyns Hand. Halt mich fest, halt mich bitte ganz fest!, dachte er. Dichtes Schneetreiben umhüllte ihn und seine Bekannte auf dem Weg in den Englischen Garten. Dicke, wässrige Flocken wirbelten umher, ließen die Konturen von Bäumen und Gebäuden verschwimmen, hinderten die klare Sicht auf das, was vor ihnen lag. Ausgerechnet heute, wo ich den Überblick behalten muss!, stöhnte er leise vor sich hin.
Selbst das Sprechen fiel ihm schwer. Die Flocken umtanzten seinen Kopf, schienen wie von fremder Hand gesteuert; drängten in seinen Mund; füllten diesen mit weißer Masse, die sofort schmolz, wenn sie auf seiner Zunge landete. Anders als damals, dachte er und schüttelte sich. Damals musste ich es herunterschlucken.

Würde er kommen?

Klaus ließ die Hand wieder los, schlug etwas von dem Schnee zurück, der auf dem hochgeschlagenen Kragen seiner Jacke gelandet war. Er versuchte sich zu erinnern, die letzten zwei Wochen waren schneller verlaufen, als er es hatte wahrhaben wollen.
Er und Ingeborg. Ingeborg und Barbara. Sie hatten mehrere Abende miteinander verbracht, hatten sich geliebt, Haut auf Haut, aber auch Stahl auf Stahl. Größer schien die Anziehungskraft jedes Mal, wenn sie beide im Keuschheitsgürtel und dem entsprechenden BH steckten, auch wenn es bei Barbara keine Brüste gab, die zu verschließen waren, so wie bei Ingeborg. Aber beide fühlten die enorme Macht, die von den glänzenden Halbschalen auf seiner Brust ausgingen, wenn er sich in Barbara verwandelte hatte, wenn er sich nicht in Klaus zurückverwandeln durfte, weil Ingeborg die Schlüssel besaß.
Es war ein komplizieres Liebesspiel von Dominanz und Unterwerfung; jedoch ein Spiel gänzlich ohne Gewalt. Beide genossen ihre Zeit zusammen, beide vibrierten zusammen, beide ritten gemeinsam auf den Wogen höchster Erregung.
Wie anders waren die Erlebnisse, wenn sie frei aller äußeren Beschränkung waren! Wenn sie ineinander eintauchen konnten, zusammen den Boden des Ozeans erreichten und von dort wieder aufstiegen, manchmal langsam wie eine tänzelnde Luftblase, manchmal eruptiv wie ein unter Wasser losgelassener Ball.

Der Schneefall ließ ganz abrupt nach. Wie als hätte jemand hoch oben die Schneekanone ausgestellt. War es eventuell so? Hatte er nicht oft genug erlebt, dass das Wetter einer unbekannten Kraft untergeben schien?

"Woran denkst du, Klaus?" Lyn suchte seine Hand, hielt sie wieder fest.
"Ach..., nichts", antwortete er ausweichend.
"Denkst du an sie?" Klaus hatte ihr von seiner noch recht neuen Beziehung mit Ingeborg Wimmer erzählt.
"An Ingeborg?" Er schüttelte den Kopf. Weiße Tupfen fielen von seinen Haaren.
"Ich dachte eher an Barbara. Ist sie.... ist sie wieder da, so richtig?" Lyn wusste nicht, ob sie weiterfragen sollte.
"Sie ist wohl wieder auferstanden."
Lyn blieb stehen, hielt ihn zurück und drehte ihn so, dass sie ihn ansehen konnte. "Wieder auferstanden? Nein, Klaus, so etwas gibt es nicht. Glaube mir, ich habe oft erleben müssen, zu spät zu einem Verunglückten gerufen zu werden. Keiner von denen ist je wieder auferstanden! Und ich glaube, mit deiner Barbara verhält es sich genauso. Du musst endlich erkennen, sie war nie tot. Sie lebt, solange du lebst. Sie ist ein Teil von dir, Klaus! Du kannst sie nicht mehr von dir trennen, und wenn du es versuchst, wird es dich auf Dauer kaputt machen. Versöhnung, Klaus, ist das Schlüsselwort!"
Was war das nun für eine Rede! Sie hatte Eindruck auf ihn gemacht, aber er wich aus. "Das hätte meiner Großmutter aber gar nicht gefallen, was du sagst. Dass es keine Auferstehung gibt! Fußt nicht unsere gesamte westliche Welt darauf, dass da mal jemand wieder auferstanden ist? Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie es uns im Internat fast täglich eingetrichtert wurde! Dass er für unsere Sünden am Kreuz gestorben, dann aber am dritten Tag wieder auferstanden ist?" Schaum bildete sich vor seinem Mund, zumindest sah es so aus. "Unsere Sünden!! Verdammt noch mal, wir waren doch Kinder! Was für Sünden konnten wir denn schon begangen haben? Aber von den Sünden von dem verdammten Schwein sprach kein Mensch!!"

Evelyn schwieg. Was hätte sie auch sagen sollen? Klaus hatte seine Hand losgerissen und in seiner Jackentasche vergraben. Sie spürte die Schwere der Last, die auf seiner Seele lag. Und heute mehr denn je zuvor.
"Nein, ich glaube es wäre besser, sie würde endlich sterben, mich loslassen. Weißt du, manchmal denke ich, die einzige Sünde, die ich wirklich, ständig begehe, dass ist die Sache mit Barbara. Es ist nicht richtig. Es ist pervers. Und du sagst, ich solle sie einfach mal akzeptieren als einen Teil von mir selbst. Wohl als so eine Art sexueller Neigung? Aber wenn es nur eine Neigung ist, was ist dann mit den Pädophilen? Ist dann ja auch wohl nur so eine Neigung? Wenn du das denkst, dann können wir uns heute die ganze Sache gleich sparen! Soll das Schwein doch einfach weitermachen, seine Neigung ausleben...."
Evelyn hielt ihn wieder zurück. "Nein Klaus, so habe ich das nie gesagt. Da gibt es schon Unterschiede, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Oder sagen wir besser: das Maß. Gewiss, beides kann man als sexuelle Neigung einordnen, aber dann hört das Gemeinsame schon auf. Was du machst, in welchen Klamotten du rumrennst und warum du es tust, das geht niemanden etwas an. Mancher Erzkonservative mag da so seine Probleme haben, aber solange du niemandem wehtust gibt es kein Gesetz, dass es dir verbieten kann. Zumindest kein moralisches Gesetz, was aber in anderen Ländern wohl noch anders gesehen wird. Denk doch nur an den Kampf von Schwulen und Lesben! Die müssen in vielen Ländern der Welt immer noch kämpfen, leider auch bei uns in Deutschland. Nur dass sie hier nicht zu Tode geprügelt oder gar gesteinigt werden. Aber bei Pädophilen ist es anders, wenn sie aktiv werden. Dann haben Unschuldige zu leiden, Kinder, die dann ihr Leben lang damit nicht mehr fertig werden. Das ist der Unterschied. Bei Pädophilen ist das Maß nicht halbvoll, bei denen ist es randvoll! Da kann es einfach keine Entschuldigung geben!"

Bei ihm drehte sich alles. Er war auf diese heftige, völlig unerwartete Diskussion nicht vorbereitet. Erst recht nicht hier und heute. Und plötzlich spürte er etwas, den Anflug eines Gedankens, den er nie zuvor gehabt hatte. Wenn es ihm schon so verdammt schwerfiel, seine Neigung zu kontrollieren, um wie viel schwerer mochte es dann einem Pädophilen fallen? Er selber konnte schon durchdrehen, wenn er irgendwo eine Frau in einem hübschen Rock sah, aber das ließ sich steuern, er konnte nach Hause gehen und sich in Barbara verwandeln. Aber ein Pädophiler? Wenn der irgendwo, am Strand vielleicht oder im Freibad, einen hübschen Jungen sah? Was konnte der dann machen?
"Sind ja eigentlich ganz arme Schweine", murmelte er.
"Ja. Man könnte es so sagen. Ein Pädo ist wohl immer ein armes Schwein, oder ein armer Teufel. Aber wenn wir mal das arme weglassen, dann bleibt nur noch Schwein oder Teufel übrig. Ich nehme mal an, du selber hast nur die erste Kategorie, also das Schwein, erlebt. Du hattest Glück, dass dieser Lehrer nicht jahrelang geblieben ist. Hättest du einen richtigen Teufel erlebt, ich glaube, wir wären heute nicht hier und hätten nicht das vor, was wir vorhaben! Jetzt komm! Wir wollen niemanden von denen in Schutz nehmen, aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass der Artikel 1 des Grundgesetzes auch solchen Leuten gilt."
"Die Menschenwürde? Ja, vielleicht..."
"Nein, Klaus. Nicht ´vielleicht´. Sie muss allen gelten, es heißt, sie ist unantastbar. Egal, was der Mensch getan hat, wie er denkt, wie er aussieht, oder vor wem er glaubt, für sein Seelenheil auf die Knie fallen zu müssen. Sie muss immer gelten. Dieser erste Artikel des Grundgesetzes ist wahrscheinlich der bedeutendste Satz, den das 20. Jahrhundert hervorgebracht hat."

Sie gingen langsam weiter; jeder jetzt in seinen eigenen Gedanken versunken. Der Eingang zum Englischen Garten wirkte verlassen und leer; kein Wunder bei diesem Wetter. Würde Ruprecht Jäger, vormals Ruprecht Huber alias Pater Ruprecht überhaupt kommen? Und würde die Falle zuschnappen, die sie sich ausgedacht hatten?

Du kannst und darfst ihm nichts antun, Klaus!, hatte Ingeborg ihm mehrmals gesagt. Mach dich nicht unglücklich! Sie hatten lange die juristischen Möglichkeiten besprochen; Ingeborg hatte sich extra noch einmal bei einem Staatsanwalt kundig gemacht. Einfach sei die Sache nicht. Es reiche nicht aus, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen und dann zu behaupten, er hätte einen missbraucht. Es gebe Fälle, wo Kinder dies getan hätten, die Sache sich aber lange später als vorsätzliche Diffamierung eines Unschuldigen herausgestellt habe. Nachdem dieser von Eltern, Kollegen, den eigenen Freunden verstoßen wurde. Sie glauben ja gar nicht, wie schnell es geht, einen Menschen komplett fertig zu machen! Besonders heutzutage, in den Zeiten von Facebook und Twitter!
Die Beweisführung sei das A und O eines Prozesses. Und solange nichts hieb- und stichfest bewiesen sei, gelte auch in diesem Falle die Unschuldsvermutung! Zuerst musste Klaus sich vergewissern, dass es sich tatsächlich um die von ihm gesuchte Person handelte. Er hatte das kleine Haus am Funtenseeweg beobachtet, hatte sich in den Büschen eines nahe gelegenen Spielplatzes versteckt, bis er Ruprecht Huber erblickte; da konnte kein Zweifel mehr herrschen.
Zusammen mit Ingeborg hatte er schließlich die Falle ersonnen, einen Brief mit dem Absender OPD und der dringenden Aufforderung, am 6. Dezember zu einem Treffen auf dem Chinesischen Turm im Englischen Garten zu kommen. Ingeborg hatte ihm die Formulierung des Briefs überlassen; er hatte nur wenige Sätze geschrieben, Sätze von denen er hoffte, sie klängen konspirativ und irgendwie nach dieser Brüdergemeinschaft. Alles andere wiederum hatte er dann Ingeborg überlassen.

D-day, dachte er, als sie die dunkle Holzkonstruktion des Turms erkannten, jetzt in ein hübsches, weißes Tuch gekleidet. Ein Leichentuch, dachte er. Er blickte hinauf, vor seinem geistigen Auge erschien wieder die Tarot-Karte, auf der ein Mann von einem hohen Turm fällt. Es schüttelte ihn. Kontrolle, dachte er, du musst dich unter Kontrolle haben. Du willst das Unheil hier beenden; nicht neues beginnen.
Er sah sich um. Der Platz wirkte menschenleer; niemand schien heute hier gewesen sein. Aber er war auch früh gekommen; bis zum Zeitpunkt der Treffens war noch Zeit. Dann steuerte er die simple Holztür an, durch die man den Turm betreten konnte.
"Sie wird abgeschlossen sein!" Evelyn versuchte, ihn zurückzuhalten.
"Glaube nicht!" Er drückte die Klinke herunter; die Tür ließ sich problemlos öffnen. Gut, dachte er, das hat also geklappt! Dann drehte er sich wieder seiner Begleitung zu. "Also, Lyn. Wir machen es wie besprochen. Du suchst dir dort hinten einen guten Platz, dort ist es überdacht, da ist es auch trocken. Was auch immer geschieht, du bleibst dort! Du kannst versuchen, Bilder zu machen, wenn er kommt. Aber die Hauptsache ist, dass er dich nicht entdeckt. Wenn er überhaupt kommt. Drück mir dir Daumen! Bis nachher!" Er sah sie noch einmal mit einem Blick an, aus dem man alles andere als Zuversicht lesen konnte, dann betrat er das Gebäude.

Es war dunkel im Erdgeschoss des pagodenartigen Turms. Ein einziges Mal zuvor war er hier gewesen, er erinnerte sich an einen warmen Sommertag, es war mit einer Gruppe gewesen, vielleicht ein Schulausflug, genau wusste er es nicht mehr. Normalerweise war der Turm nicht zugängig; manchmal wurde eine Ausnahme für Gruppen gemacht. Damals hatte ihn der starke Holzgeruch erfreut, heute roch es eher muffig und faul.
Klaus zog die Tür wieder zu, ließ sie aber einen Spaltbreit offen. Leise huschte er die Wendeltreppe empor. Auf den oberen Stockwerken wurde es heller, der Ausblick öffnete sich und ließ die Sicht auf eine tiefverschneite Winterlandschaft zu. Als er im obersten Stockwerk angekommen war, sah er sich um. Nichts war zu sehen.
Es fing wieder an zu schneien. Gut, dachte er, denn der nasse, pappige Schnee würde seine und Evelyns Fußspuren in Windeseile überdecken, schlecht allerdings wäre es für sie, wenn sie Fotos machen wollte. Bei diesem Schneefall konnte man kaum die Hand vor Augen sehen.
Klaus schloss die Augen. Warten..... Er wollte sich nicht erinnern. Wenn er in seinem Bett lag und darauf wartete, dass der Hauslehrer seinen Rundgang machte... Wer würde heute kommen? Er merkte, wie er unruhig wurde. Sein Hals war trocken und ausgedörrt, er spürte heftiges Brennen, nicht nur dort. Ruhig bleiben, ermahnte er sich. Es ist vorbei; er hat keine Macht mehr über dich!!
Er sah auf seine Uhr. Wenn er nicht bald käme, er würde es abbrechen, weglaufen, sich irgendwo verkriechen, in den Strudeln der Isar Schutz suchen. Ruhe, nur seine Ruhe war jetzt noch wichtig. Das hier war völlig aus dem Ruder gelaufen, das würde nie funktionieren, oh ja, der schöne Plan, den sie sich ausgesonnen hatten, aber funktionieren müsste er halt, das war das kleine Problem.

Die Tür? Hatte er nicht gerade die Tür gehört? Nein... dann aber, dumpfe Schläge, wie Tritte gegen Holz. Schlug sich da jemand den Schnee von den Schuhen? Klaus ergriff das Geländer, er wollte nur noch weg, war nicht bereit für die Konfrontation, für die Erinnerung. Zitterte das Geländer nicht leicht? So wie Eisenbahnschienen, kurz bevor ein Zug kam?
Angstvolles Zittern ergriff seinen Körper.

Ruhig Männer, ruhig! Das ist noch gar nichts.... Wieder diese Stimme aus seinem Lieblingsfilm. Aber einen Film konnte man abschalten...

Schritte waren auf der Etage unter ihm zu hören. Dann eine Stimme: "Hallo? Ist da wer?" Oh nein, diese Stimme!! Das Brennen wurde heftiger. Wieder spürte er die Hände, die sich um seinen Kopf legten, die seine dürren Hüftknochen hielten. Ihm wurde speiübel, Brechreiz durchflutete ihn.
Er musste antworten. Es gab keine andere Möglichkeit mehr. Du bist stärker, dachte er. Du kannst das personifizierte Übel jetzt besiegen! Hier und jetzt! Trotzdem zitterte seine Stimme. "Hier oben!"
Eine Gestalt kam die Treppe hoch. Ein dunkler Hut, weißer Schnee darauf, beschattete das Gesicht. Eine Hand, die auf dem Handlauf des Geländers lag. Lederhandschuhe. Der Mann blieb stehen, streifte die Handschuhe ab, ....er zog die Gummihandschuhe aus, wenn sie fertig waren, warf sie, so wie immer, in einen metallenen Abfalleimer, dessen Deckel mit lautem Scheppern zufiel.
Die Lederhandschuhe verschwanden in der Tasche seines Mantels. Der Kopf hob sich, ein fragender Blick traf ihn. Augen, die nichts verrieten.
Klaus musste etwas sagen. Sein Kopf war wie leergefegt. Die schönen Gedanken, die er sich gemacht hatte, die Bibelsprüche, die den Mann erschüttern sollten - nichts. Wie weggeblasen....
"In nomine Jesu Christi...." Hatte er das gesagt?
Der Mann lächelte ihn an, ergriff wieder das Geländer, kam die letzten Treppenstufen zu ihm hoch. Er antwortete nicht.
"Pater Ruprecht?"
Eine schnelle Kopfdrehung verriet ihn. "Ja, aber das ist lange her." Seine Augen verrieten Irritation. "Wer bist du? Woher kennst du mich?"
Klaus schloss die Augen. Gleich ist alles vorbei! Ich schaffe es nicht.... er, oder ich.... Eine Textstelle fiel ihm ein, Großmutters Bibel, Ruhe legte sich über seine Angst. "Steh auf, Herr! Greif doch ein, Gott! Vergiss nicht die Schwachen, nimm sie in Schutz! Lass nicht zu, dass die Schurken dich missachten! Warum dürfen sie sagen: >Er straft uns ja nicht
Pater Ruprecht ließ ein höhnisches Lachen hören. "Was wird das hier? Eine Bibelstunde? Was soll der Scheiß, und dieses blöde Schreiben hier?" Er zog den Brief aus der Tasche, den Klaus ihm als Köder geschickt hatte. "Hatte mir doch gleich gedacht, dass es mit der Bruderschaft nichts zu tun haben könnte." Er knüllte das Papier zusammen und warf es zu Boden. "Mit denen habe ich schon lange nichts mehr zu tun! Also, wer bist du, und was willst du?"
"Erkennen Sie mich nicht? Ich bin der Nikolaus..."
"...ja, und ich bin Knecht Ruprecht!" Er lachte heiser. "So ein Blödsinn! Kann ich wieder gehen, Nikolaus?" Er wandte sich wieder der Wendeltreppe zu.
"Genauso hatten Sie es gesagt. Und dass wir beide gut zusammenpassen würden. Wissen Sie es nicht mehr? Damals im Internat in Ettal. Sie hatten mich gefragt, ob ich Ihre Rute sehen wollte!!"
Er blieb stehen. Sah zur Seite, schien zu überlegen. "Mein Gott, da waren so viele... Klaus, ja? Den Nachnamen habe ich leider vergessen."
"Behrend."
"Ja, kann sein. Ich erinnere mich nicht mehr. Namen sind so unwichtig. Doch, ja, jetzt erinnere ich mich! Du und die anderen Jungen...." Er machte eine Pause. "Wie hießen sie doch gleich?"
Klaus nannte ihm die Namen.
"Ach ja, Thomas. Der ist dann ja..." Er schüttelte den Kopf, so als wolle er einen Gedanken verscheuchen. "Er hatte immer Schwierigkeiten gemacht. Immer seine Nase in anderer Leute Dinge gesteckt. Hatte er nicht sogar Briefe geschrieben?" Wieder ein höhnisches Lachen. "Das hätte er wohl besser sein lassen sollen!"
Klaus wurde fast schlecht vor Angst. Thomas, der dann so plötzlich verschwunden war!
"An die anderen Jungen erinnere ich mich nicht mehr."
"Sind Ihnen so viele vor die Rute gekommen?" Er würgte die Frage förmlich hervor.
Es schien ihn zu erheitern. "Ja, ja so könnte man es wohl sagen. Falls du diese Kinder-Terminologie beibehalten möchtest!" Er machte ein erstauntes Gesicht. "Ja, das waren es wohl... Und ihr wart nicht die Ersten...."
"...und sicherlich auch nicht die Letzten!"
"Nein!" Der ehemalige Pater hatte es hart ausgesprochen. "Was willst du von mir? Brauchst du Geld?"
"Ich will Gerechtigkeit! Sie haben mich verletzt, brutal verletzt!"
"Ach!" Ein Ausdruck gespielter Überraschung machte sich auf seinem Gesicht breit. "Soweit ich mich erinnere, und an dich erinnere ich mich sogar gut, hast du nie was gesagt. Ich glaubte immer, es macht dir Spaß!"
Klaus stand kurz davor, seinem ehemaligen Lehrer vor die Füße zu kotzen. "Ich habe nie etwas gesagt, weil ich ganz verdammte Angst hatte, etwas zu sagen. Mir hätte doch nie jemand geglaubt! Aber ein ehrwürdiger Pater, der tut doch so etwas nicht! So denken die Leute doch!"

Pater Ruprecht veränderte seine Haltung. Er streckte seine Hände in scheinbar hilfloser Geste aus, so als wolle er seinen ehemaligen Schüler umarmen und trösten. "Klaus! Das... das tut mir leid. Hättest du doch bloß was gesagt, ich wusste ja nicht....." Sein Gesicht nahm den Ausdruck von Mitgefühl an, seine Stimme wurde weicher. Er senkte seinen Blick. "Es tut mir leid. Es... es ist nicht meine Schuld. Weißt Du, ich ging selber mal auf so ein Internat, das war wo anders, im Odenwald... damals, in den 70ern. Kein Mensch regte sich damals über so etwas auf...." Seine Stimme wurde weinerlich. "Klaus, es ist nicht meine Schuld...."
Eine Axt, dachte Klaus. Herr Gott, gib mir eine Axt! Ich schlage dieses Lügengebäude kurz und klein. "Doch! Es ist Ihre Schuld! Für das, was Sie Kindern angetan haben, kann es keine Entschuldigung geben. Hören Sie doch auf, diese Ich-bin-selber-Opfer-Nummer ist doch erbärmlich. Es ist I h r e Schuld. Ohne wenn und aber! Wenn Sie, als Kind, so etwas selber erlebt haben, da hätten Sie wissen müssen, wie es ist! Dass es bis in die Tiefen der Seele hinein wehtut. Wie oft habe ich mir gewünscht, es könnte zu Ende gehen, ich würde tot zusammenbrechen, alles wäre mir recht gewesen, um es nicht noch einmal erleben zu müssen!"

Die dunkle Gestalt vor ihm änderte wiederum ihre Haltung. Pater Ruprecht trat einen halben Schritt zurück, straffte die Schultern, zog sich seine Lederhandschuhe wieder an. "Was willst du?", fragte er eisig. "Und wenn es dir keinen Spaß gemacht hat, dein Problem! Mir hat es immer Spaß gemacht, jedes Mal. Abends, wenn wir mit dem Lateinlernen fertig waren." Er beschrieb scheinbar genüsslich alles, was er gemacht hatte. "Also, was willst du? Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen? Brauchst du Geld?"
Klaus stand kurz vor einem Herzinfarkt. "Behalten Sie Ihr Scheißgeld! Sie können es sich in Ihren dreckigen Arsch stecken! Ich sagte doch schon, ich will Gerechtigkeit! Ihre Tage sind gezählt! Es ist aus, verstehen Sie! Sie werden vor Ihrer persönlichen Schuld nicht länger davonlaufen können!!"

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"Verdammter Schnee!" Evelyn hatte sich einen Platz in der Nähe eines wohl nur im Sommer geöffneten Verkaufsstandes gesucht; hier war es trocken und windgeschützt, von hier hatte sie einen guten Blick auf den Turm. Wenn er denn mal zu sehen war.
Sie fröstelte. Von Anfang an war ihr bei der gesamen Unternehmung nicht ganz wohl gewesen. Klaus hatte ihr erzählt, er wolle nun endlich seinen ehemaligen Lehrer treffen, jenen Mann, der ihn vor Jahren vergewaltigt hatte. Er wolle ihn zu Rede stellen, hatte er gesagt. Aber wie genau er das anstellen wollte, hatte er nicht gesagt. Hatte er überhaupt einen Plan? Und was genau versprach er sich eigentlich von solch einem Treffen? Dass der vermaledeite Pater vor ihm auf die Knie ging?
Sie hatte ihren Rucksack abgelegt, hatte ihre Superzoom-Kamera hervorgeholt und vor sich auf einen Holztisch gelegt, nachdem sie diesen vom Schnee befreit hatte. Die schöne Kamera! Hatte man vor gar nicht so vielen Jahren wirklich einen ganzen Koffer voller verschiedener, oft schwerer Objektive mit sich herumschleppen müssen, um das zu bringen, was ihre Kamera konnte? Noch dazu digital? Bilder ohne Entwicklung, die man am eigenen PC selber bearbeiten und dann seinen Freunden in aller Welt auf Facebook mitteilen konnte?
Wieder spähte sie zum Turm hinüber. Die Entfernung war nicht größer, als dass sie auf jeden Fall gute Bilder machen könnte. Wenn man ihn also sah, den Turm! Und wenn Pater Ruprecht überhaupt kam.
War er vielleicht schon längst da? War er schon oben im Turm, oben bei Klaus? Ihr war leicht unheimlich zumute. Der Schnee hatte sich wie eine dichte Decke über alles gelegt, selbst die Geräusche der Großstadt drangen nur gedämpft an ihr Ohr; ungewöhnlich für einen eher hektischen Freitagnachmittag in der Adventszeit.
Hatte sie etwas gehört? Erregte Wortfetzen, die sogleich wieder hinweggeweht wurden? Sie war sich nicht sicher.
Der Schneefall ließ wieder nach. Dafür aber nahte bereits die frühe Dämmerung heran. Bald hätte sie kein gutes Büchsenlicht mehr! Büchsenlicht! Sie musste lachen. Das klang geradezu so, als wollte sie jemanden abschießen. Nun ja, stimmte ja eigentlich auch. Allerdings mit ihrer Kamera.
Sie kontrollierte noch einmal die Einstellungen, wählte einen höheren, aber nicht zu hohen ISO-Wert, stellte die Option ein, die ihr maximal fünf Bilder pro Sekunde erlaubte.

Jetzt glaubte sie doch, Klaus Stimme gehört zu haben! Was hatte er gerufen? Es ist aus!? Galt das ihr? Sollte sie zu ihm kommen? Sie zögerte. Was auch immer geschieht, du bleibst dort!, hatte er ihr eingeschärft. Was war jetzt richtig? Sollte sie, wie früher beim Versteckspielen, bis hundert zählen und dann laut ´ich komme!´ rufen?
Jetzt erkannte sie den Eingang deutlich. Sie richtete ihre Kamera darauf, hielt den Türrahmen im Visier, wie ein Schütze, der seine Zielscheibe anvisiert, dann ging alles sehr schnell. Sie sah den Mann, der die Tür von innen geöffnet hatte, langer Mantel, schwarzer Hut, ein, zwei Sekunden blieb er stehen, wie ein witterndes Wild, er blickte sich um, sie drückte den Auslöser, plötzlich wog ihre Kamera schwer in der Hand, die Gestalt glitt aus dem Fokus der großen Brennweite, dann gab ihre Kamera einen piepsenden Warnton von sich und schaltete sich ab. Evelyn hatte vergessen, den Akku frisch aufzuladen, die wenige Restenergie war bei der Kälte schnell aufgebraucht.
Sie blickte von ihrer Kamera wieder hoch; die Gestalt war verschwunden. War er das gewesen? Und wenn nicht? Wenn es nur ein anderer Besucher war, der zufällig vorbeigekommen war? Sie sah auf ihre Uhr. War er nicht längst überfällig? Sie beschloss zu warten.

Niemand kam. Es dunkelte schon leicht, die ersten Laternen wurden eingeschaltet. Evelyn spürte, irgendetwas war nicht richtig. Wo blieb Klaus? Wie lange wollte er denn dort oben warten? Und wenn der Mann doch Pater Ruprecht gewesen war?
Sie packte ihre Kamera zurück in den Rucksack. Sie konnte nicht länger warten. Die Tür war geschlossen, aber nicht zugesperrt. Es war dunkel im Turm. Evelyn zog ihr Handy hervor, schaltete es ein; das Licht genügte für eine erste Orientierung. Langsam ging sie immer höher. Wo war Klaus?
Als sie im obersten Stockwerk des Turms angekommen war, sah sie ihn am Boden liegen. Er blutete aus einer Wunde am Hinterkopf. Klaus jammerte leise, als sie sich um ihn kümmerte. Sie kramte ihr Notfallpäckchen aus ihrem Rucksack, als Sanitäterin hatte sie immer etwas zur Erstversorgung dabei.
"Klaus? Wach auf, Klaus! Du kannst hier nicht liegenbleiben! Es ist viel zu kalt! Kannst du aufstehen?"
Er setzte sich auf, hielt sich den Kopf. "Dieses miese Schwein!"
"Was ist passiert? Tut mir leid, dass ich weder Rum noch heiße Suppe dabei habe!"
"Er... er wurde etwas ungehalten. Hatte es plötzlich eilig, von hier wegzukommen. Leider stand ich ihm da wohl etwas im Weg..."
"Er hat dich geschlagen?"
Klaus musste grinsen. "Nein, leider nicht. Dann hätte man ihn ja schön wegen Mordversuchs drankriegen können! Nein, er hat mich nur heftig zur Seite geschubst. Ich muss mit dem Kopf gegen den Turm geknallt sein!"
"Keine Sorge! Der ist heile geblieben! Aber dein Kopf sieht nicht so gut aus. Ich möchte mir das noch einmal bei besserem Licht ansehen. Komm! Ich helfe dir! Lass uns sehen, dass wir hier wegkommen!"

Sie gingen langsam zurück Richtung Stadt. Den Mann, der nach ihnen den Turm betrat, bis ganz nach oben ging und wenig später wieder herauskam und die Tür abschloss, sahen sie nicht mehr.


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  RE: Schuld (Fortsetzung von ´Agonie´) Datum:07.02.17 15:21 IP: gespeichert Moderator melden


WAS? Nur noch 2 Folgen? Dann ist schon wieder Schluss? Die Zeit vergeht viel zu schnell!

Sieht ja ganz danach aus, dass wirklich alle in den alten Folgen offenen Fragen geklärt werden. Also sinkt auch die Hoffnung auf einen 5. Teil. Würde mich natürlich gerne überraschen lassen

Ansonsten wäre auch eine komplett andere Story von Dir sicher sehr unterhaltsam. Du hast das Gefühl für tolle Stories und auch die Gabe die niederzuschreiben.

Aber vorerst freue ich mich auf die letzten zwei Kapitel.
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maximilian24
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  RE: Schuld (Fortsetzung von ´Agonie´) Datum:07.02.17 21:28 IP: gespeichert Moderator melden


Technische Probleme hindern mich weiter am konsturktiven Beitrag zu dieser wunderbaren Geschichte - schade.
Trotzdem nur soviel: spannend und realitätsnah
Alt werden will jeder, alt sein aber keiner
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ev_1
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  RE: Schuld (Fortsetzung von ´Agonie´) Datum:09.02.17 09:56 IP: gespeichert Moderator melden


Das Gespräch zwischen Pater Ruprecht und Klaus ist erschreckend realistisch...
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maximilian24
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  RE: Schuld (Fortsetzung von ´Agonie´) Datum:09.02.17 21:16 IP: gespeichert Moderator melden


In dieser Situation erscheint es fast als Trost dass Klaus zwei Frauen an seiner Seite hat, eine die helfen will und eine die hilft.
Alt werden will jeder, alt sein aber keiner
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m sigi
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  RE: Schuld (Fortsetzung von ´Agonie´) Datum:10.02.17 05:24 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Daniela,

ich bin ebenso, wie von Deinen anderen Geschichten begeistet. Es ist immer ein Genuß diese zu lesen. Ich habe mit Ungeduld extra gewartet, dass ich hier einen großen Vorlauf an Lesestoff habe und dann leider viel zu zügig alles gelesen. Es hat mich einfach nicht mehr losgelassen, bis ich am jetzigen Ende war.

Vielleicht hängst Du ja noch eine weitere Serie an, z.B wie es mit Barbara oder Klaus mit Ingeborg weiter geht.

Vielen Dank für Deine Arbeit. Ich freue mich auf die nächsten Fortsetzungen.

Sigi

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Daniela 20
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  RE: Schuld (Fortsetzung von ´Agonie´) Datum:12.02.17 22:00 IP: gespeichert Moderator melden



Wieder einmal möchte ich mich für nette Zuschriften bedanken! Sie bedeuten mir sehr viel, denn so kann ich sehen, dass meine Geschichte beim Leser gut ankommt und wohl auch verstanden wird.

Ich las erst jetzt, dass viele schlimme technische Probleme haben. Hoffentlich können diese bald gelöst werden. Vergesst bitte nicht, wer mir - heute oder nächste Woche nach dem Schlusskapitel - schreiben möchte, kann dies auch als E-Mail über das Forum machen. Es ist einfach und funktioniert gut.
Ja, nächste Woche ist dann leider Schluss. Sogar ich selber verspüre schon eine Art Abschiedsschmerz. Aber so ist das Leben....

"Irgendwann ist natürlich Schluss," sagte der 2WO an Bord des Ubootes, und quetschte seine Hände zusammen. "Der Wasserdruck...."

Jetzt wünsche ich allen gute Unterhaltung und für die kommenden sieben Tage Geduld.... Geduld.....
Eure Daniela 20
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Sonntag, 8. Dezember

Barbara, oder Klaus? Klaus stand vor seinem Kleiderschrank und überlegte. Er hatte einen Schrank leergeräumt, hatte Kleider seiner Oma sortiert, eine Menge weggeworfen, einiges einer Kleiderspende zugeführt. Wenig hatte er behalten, einige, fast schon antike Stücke, waren zu schade, um sie wegzugeben. Jetzt hatte er seine Kleider links im Schrank eingeordnet, Barbaras Kleider rechts.
Seine Hand griff nach rechts. Ingeborg hatte ihn zum Mittagessen eingeladen; sie würde sich mehr über Barbara freuen, als über Klaus. Er entschied sich für einen kuscheligen Angora-Pullover und einen wadenlangen, engen Bleistiftrock, dazu braune Lederstiefel mit Absätzen. Eine brünette Perücke mit langen Locken passte sicherlich gut dazu; die Lederjacke passte sowieso zu fast allem.
Sorgfältig verstaute er sein Geschlecht in seinem Keuschheitsgürtel, es war immer ein leichter Kampf, seinen Penis in der engen Röhre unterzubringen, aber der alte Trick mit dem dünnen Nylonstrumpf klappte immer. Er schob die einzelnen Teile ineinander, achtete darauf, besser keine Haare irgendwo einzuklemmen, dann zog er die ganze Konstruktion hoch, legte sich das Taillenband um, fummelte dessen Enden zusammen und zum Schluss das des Schrittreifens über den Stift, dann schob er das kleine Schlösschen darüber und schloss es ab. Augenblicklich legte sich seine Hand in seinen Schritt; wie bei einer Frau, dachte er.
Anders war es mit seinem stählernen BH. Er hatte von Anfang an ein sehr ambivalentes Verhältnis zu diesem Keuschheits-BH gehabt. Es gibt nichts zu verschließen, dachte er. Aber bei ihm als Mann sah es anders aus. Hier lag die Herausforderung darin, dass es nichts zu verbergen gab. Er konnte anziehen, was er wollte, aber kein Mann hatte solche ´Dinger´ unter seiner Kleidung. Für ihn waren die glänzenden, an seinem Körper angeschlossenen Halbkugeln wie angewachsene Brüste, die er nicht entfernen konnte. Zumindest nicht ohne den passenden Schlüssel.
Das Anlegen war leichter, es musste nichts verstaut werden. Die breiten Ketten der Schulterträger kamen von hinten über seinen Kopf, gut, dass ich die Perücke noch nicht aufhabe; von hinten legte er sich den Stahl des BHs um, schob vorn, zwischen den ´Körbchen´, die Teile zusammen und schloss sie mit einem weiteren Schloss ab.
Es war immer der Zeitpunkt, wenn Barbara erwachte. Sie legte ihre Hände auf die Schalen des BHs, merkte das wachsende Verlangen in ihrem Schritt. Barbara atmete tief durch. Die Schenkelbänder? Sie zögerte. Sie mochte die Schenkelbänder nicht, sie schienen ihr viel mehr ein böses SM-Utensil, als die anderen Teile. Während Keuschheitsgürtel und Keuschheits-BH sie irgendwie stark machten, so machten Schenkelbänder sie schwach. Hilflos, dachte sie, wie ein Pferd, dem man die Vorderbeine zusammengebunden hatte.
Trotzdem schlüpfte sie in die stählernen Ringe, nachdem sie sich zuvor eine feste Strumpfhose angezogen hatte. Sie zog die Reifen an beiden Schenkeln hoch, kam wie immer eine gute Handbreit über die Knie, dann griff sie nach den Ketten, die links und rechts herabhingen, zog sie hoch und schloss sie links und rechts am Taillenreifen an dafür vorgesehenen D-Ringen an.

Sie wählte hübsche, seidene Unterwäsche; sie würde sie warm halten. Ein normaler BH über dem aus Stahl war eigentlich nicht notwendig, aber so war es irgendwie richtiger; ohne fühlte sie sich nackt. Das Gleiche galt auch für ihren mit vielen Rüschen verzierten Slip. Sie mochte dieses etwas antiquierte Kleidungsstück, keine normale Frau trug so etwas, es sein denn, sie ging zum Square dance. Ihr gab dieser slip oft den letzten Kick; besonder wenn sie ihr Geschlecht darunter verschlossen wusste.
Sie zog sich ihren Pullover an; ein ordentliches, nicht zu übertriebenes Makup folgte. Die Perücke wollte nicht gleich beim ersten Versuch sitzen, irgendwie stimmte es nicht; sie nahm sie noch einmal ab, ordnete die Haare und versuchte es dann ein zweites Mal: Schon besser!
Die Lederstiefel hatte sie seit letztem Winter nicht mehr getragen. Die Absätze waren moderat, aber die Enge der Stiefelschäfte war deutlich zu spüren. Erst jetzt folgte die kurze Verbindungskette für ihre Schenkelbänder, sie würde ihr einmal wieder einen sehr damenhaften Gang aufzwingen. Damenhaft?? Barbara musste lachen. ´Damenhaft´ gab es doch gar nicht mehr. Eine einzige Generation von Frauen hatte gereicht, das Bild der Frau zu zerstören. Nein, mit der Emanzipation hatte er überhaupt keine Schwierigkeiten, ganz im Gegenteil; so manche Frau war in ihrem Beruf besser als ein männlicher Kollege; eine Schande, dass sie immer noch keinen gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekamen. Schwierigkeiten hatte er hingegen mit dem immer schlampigeren Erscheinungsbild von Frauen in der Öffentlichkeit. Gut, man konnte nicht gleichzeitig Abendkleid und high heels tragen und an Automotoren herumfummeln, aber mussten Frauen denn so selten mal was aus sich machen? Klaus hatte so gut wie nie einer normal angezogenen Frau hinterhergesehen! Und Barbara? Wie mochte es für Frauen sein, immer nur Kerle in gammeliger Freizeitkleidung zu sehen? Auch Männer konnten sich schick anziehen - und taten es ebenso wenig, wie Frauen.

Der enge Schlauchrock machte Probleme, jetzt, da Barbara bereits Stiefel und Schenkelbänder trug. Sie setzte sich auf einen Stuhl, schaffte es irgendwie, beide Beine gleichzeitig in den Rock zu bekommen, ohne mit einem Absatz am Bund hängenzubleiben. Vorsichtig zog sie das enge Kleidungsstück hoch bis zu ihrer Taille. Dann schloss sie den Reißverschluss in ihrem Rücken und den darüber befindlichen Knopf.
Sie packte alles, was wichtig war, in ihre Handtasche, nahm natürlich auch die Schlüssel zu ihrem tragbaren ´Gefängnis´ mit; man konnte ja nie wissen. Lederjacke und Schal folgten, dann ging sie hinaus in den hellen Sonnenschein. Sie würde wieder ihren Roller nehmen, auf dessen Sitzbank konnte sie auch in diesem engen Rock gut sitzen. Die Straßen waren, nach dem heftigen Schneefall am Freitag, geräumt worden. Der kleine Roller startete ohne Probleme; Barbara setzte ihren Sturzhelm auf, zog sich die Handschuhe an, dann fuhr sie los.

Eine Kerze, dachte sie und war nicht so ganz bei der Sache, ich habe der Großmutter eine Kerze angezündet! Sie wunderte sich ein wenig über sich selbst. War Barbara anders als Klaus? In ihrem Wesen und Denken?
Am Freitag, nach jenem möglicherweise gelungenem, möglicherweise missratenen Zusammentreffen mit seinem ehemaligen Lehrer, hatte Evelyn ihn nach Hause begleitet. Sie hatte sich große Sorgen um seine Kopfverletzung gemacht, hatte zu Hause die Wunder gereinigt und besser versorgt, als sie es oben, auf dem Turm, hatte tun können.
Er habe großes Glück gehabt, sagte sie. Es war nur eine oberflächliche Verletzung der Kopfhaut; nichts war ernstlich in Mitleidenschaft gezogen. Aber sie machte es ihm auch klar, dass er genauso gut hätte Pech haben können; wäre er anders gefallen, hätte er sich das Genick brechen können. Er hatte ihr versprochen in Zukunft vorsichtiger zu sein. Das würde auch nichts helfen, hatte sie lachend geantwortet und ihm ´lustige´ Todesfälle erzählt, etwa von der Touristin, die in Thailand im Liegestuhl eines Hotels starb, weil ein Selbstmörder bei seinem Sprung genau auf ihr landete, oder die Geschichte eines russischen Kampfflugzeugs, dass bei einem Manöver abzustürzen drohte. Der Pilot rettete sich mit dem Schleudersitz, aber ein Mann in Belgien musste sterben. Klaus hatte sie ungläubig angesehen, aber sie erzählte weiter, das Flugzeug sei nicht abgestürzt, ganz im Gegenteil, sondern per Autopilot führerlos bis nach Belgien weitergeflogen, wo ihm der Sprit ausging und es auf ein Haus fiel. Dabei sei der Mann ums Leben gekommen!
Das würde ihm bestimmt nicht passieren, hatte er leicht hochnäsig, wenn auch immer noch mit brummendem Schädel, geantwortet. Oh, es muss gar nicht so dramatisch sein, hatte sie zurückgegeben und von dem jungen Mann in München berichtet, der abends mit dem Bus in die Stadt wollte. Plötzlich habe sich ein riesiges Loch in der Straße aufgetan, das Heck des Busses sei metertief verschwunden, begraben von Erde und Straßenschutt, erst Tage später habe man die Leiche des jungen Mannes entdeckt, tot natürlich. Was Leichen wohl so an sich haben, hatte er flapsig geantwortet, aber sie hatte ihm nur noch einmal gesagt, dass man das Leben halt nicht gepachtet habe; er habe ganz einfach Mordsschwein gehabt, oben auf dem Turm.

Im Laufe des Samstags ging es ihm schon wieder wesentlich besser. Er hatte sich wieder für Barbara entschieden, er brauchte den geistigen Abstand von den heftigen Ereignissen. Barbara gab ihm, wie immer, die Möglichkeit des Eintauchens in ein anderes Ich; ein Ruhepol in seinem Leben.
Sie hatte nur etwas Luft schnappen wollen, hatte sich warm angezogen; eine dicke Wollstrumpfhose sah vielleicht nicht besonders attraktiv aus, aber sie hielt die Beine warm unter dem langen Rock, für den sie sich entschieden hatte. Kalte Winterluft hatte die Sinne klar gemacht, sie genoss die Bewegung, ging etwas weiter als sie es vorgehabt hatte und kam schließlich an jener kleinen Kirche vorbei, wo Klaus´ Großmutter so häufig Kerzen vor dem kleinen Seitenaltar angezündet hatte. Für wen wohl, hatte sie sich gefragt.
Sie war hineingegangen, es war hell und warm, fast gleichzeitig begannen die Glocken zu läuten - ach ja, die Vorabendmesse! Barbara hatte sich in jene Bank der Seitenkapelle gesetzt, wo alles einmal angefangen hatte. Wann war Klaus hier gewesen? Die Strafbank? Die Strafbank für die Messdiener, gab es die noch? Es gab sie noch. Aber man hatte sie unbrauchbar gemacht, lange Schrauben hatten das stachelige Sitzbrett und die Vorrichtungen für Hände und Füße fixiert; sie ließen sich nicht mehr drehen.
Barbara schloss die Augen. Wie hatte Klaus das nur tun können, was er hier mit Daniela getan hatte? Aber wie hatte Monika ihm überhaupt so eine Falle stellen können? Und wieso war er so blöde gewesen, hineinzutappen? Später dann hatte Klaus es bitter bezahlen müssen, als Monika ihn in ihrer Hand hatte.
Barbara hatte nicht auf den Gottesdienst geachtet, war verloren in ihren Gedanken, bis es Zeit war, zu gehen. Sie war aufgestanden, hatte ein Licht angezündet, möge es die Dunkelheit erhellen, dann erschrak sie zutiefst über eine junge Frau, ein Schatten im schwarzweißen Messdienergewand, die ihr den Korb für die Kollekte hinhielt. Daniela!, durchzuckte es sie, dann aber sah sie ein, dass es, trotz aller Ähnlichkeit, nicht die verstorbene Freundin sein konnte.
Das hier ist meine Schuld, dachte Klaus. Ich habe sie zwar nicht getötet, aber ich habe nichts für ihre Rettung getan. Mea culpa, mea maxima culpa...., im Internat hatten sie es noch gelernt.
Barbara hatte einen Euro in das Körbchen gelegt; die Messdienerin hatte es mit einem netten Lächeln quittiert. Dann war ihr Blick auf eine Anzeigetafel der Gemeinde gefallen, Benachrichtigungen über bevorstehende Hochzeiten und Todesfälle in der Gemeinde; beinahe hätte Monikas Name hier auch gestanden. Auch ein Anmeldeformular war hier, die Gemeinde suchte Kinder oder auch Erwachsene, das Alter spiele keine Rolle....
Ein Sühneopfer, dachte sie. Vielleicht müsste sie ein Sühneopfer bringen.... Etwas tun, wozu sie nicht die geringste Lust verspürte.... Monika hatte es getan. Daniela hatte es getan, zu Hause in der Domstadt.
Sie suchte einen Stift in ihrer Handtasche. Fand ihn, suchte irgendwo eine Ecke Papier, um ihn ´anzumullern´, dann schrieb sie ihren Namen und ihr Alter auf das Formular: Barbara Behrend, 21 Jahre. Es war das erste Mal, dass sie ihren Namen so ausgeschrieben sah. Und dann hatte sie, einer plötzlichen Eingebung folgend, noch einen zweiten Namen auf die Liste gesetzt: Ingeborg Wimmer, 29 Jahre.


Barbara hatte, ganz in Gedanken, nicht auf den Verkehr geachtet und wäre beinahe bei rot über eine Ampel gefahren. Es war nicht mehr weit, ein Glück. Langsam hatte die Kälte des Fahrtwindes doch ihren Weg zu ihren Knochen gefunden, ihre Hände waren schon halb taub, auch in den dicken Handschuhen.
Wie gewohnt stellte sie wenig später ihren Roller vor Ingeborg Wimmers Haus ab. Sie klingelte, es knackte kurz in der Gegensprechanlage. "Ja bitte?"
"Ich bin es, Ingeborg!" Es war komisch, aber sie scheute sich immer noch, sich selber Barbara zu nennen. Manchmal kam sie sich vor wie jener Borg, der an Bord des Raumschiffes Enterprise kam und zum ersten Mal so etwas wie eine eigene Identität erlebte, zum ersten Mal "I am Hugh" sagte. Aber ihr war es immer noch nicht richtig gelungen, Ich bin Barbara zu sagen.
Die Tür wurde geöffnet, Barbara trat ein und war froh, den Fahrstuhl gleich unten im Erdgeschoss zu finden.

"Ohne Fahrstuhl wärst du darin aber nicht zu mir hoch gekommen!" Ingeborg hatte einen leicht spöttischen, leicht bewundernden Ton angeschlagen. "Dass du damit überhaupt laufen kannst! Also ich habe enge Röcke immer gehasst" Sie stand, wie immer, in ihrer geöffneten Wohnungstür und gab Barbara einen flüchtigen Wangenkuss.
Barbara lächelte. Sie antwortete nicht sofort, zog sich ihre Jacke aus und überlegte, auch die Stiefel auszuziehen, aber der Gedanke an ihre nervigen Schenkelbänder erinnerte sie daran, wie fummelig es sein konnte, wenn sie ihre Beine nicht richtig bewegen konnte. "Ich finde ihn geil!" Sie strich sich mit der Hand über ihren Rock. Ingeborg hatte hinter ihr die Wohnungstür geschlossen und war im Begriff, an Barbara vorbeizugehen.

Barbara hielt sie fest. Sie zog die Kommissarin, die längst eine Freundin geworden war, an sich, ließ ihre Hände über deren Rücken und die Taille gleiten. Keine Keuschheitssachen heute, stellte sie fest. Ein Gedanke meldete sich, den sie lange nicht gehabt hatte...
Sie spürte Ingeborgs Hände ihrerseits auf ihrem Rücken und in ihrer Taille, Hände, die die stählernen Bänder von BH und Keuschheitsgürtel untersuchten.
"Wieder fest verschlossen? Schade...." Ingeborg enthob Barbara einer Antwort, öffnete die Tür zur Küche, ein Schwall appetitanregender Gerüche kam ihnen entgegen. "Ich muss mich noch etwas ums Essen kümmern. Hoffentlich hast du Hunger mitgebracht? Kein Korsett heute, oder?"
"Keine Angst! Nein, kein Korsett heute. Hab extra wenig gefrühstückt. Was gibt es denn?"
Ingeborg antwortete ihr etwas, das sehr lecker klang, dann widmete sich sich wieder der Zubereitung. Aus dem Kühlschrank nahm sie eine Flasche Wein, gab diese Barbara zusammen mit einem Korkenzieher und bat sie, die Flasche zu öffnen.

Barbara glaubte, selten etwas so Gutes gegessen zu haben. "Sehr lecker, Ingeborg! Ausgezeichnet!"
"Fast wie bei Muttern, nicht wahr?" Ingeborg freute sich über das Lob.
Barbara senkte den Blick. "Ich weiß nicht... Ich bin ja mehr bei der Oma aufgewachsen, und dann die Jahre im Internat...."
Ingeborg merkte sofort den fauxpas, den sie begonnen hatte. "Tut mir leid. Sag mal, wie war dein Treffen mit deinem ehemaligen Lehrer für dich?"
"Durchwachsen. Fast hätte er mich dabei umgebracht. Er hatte es eilig, wegzukommen. Und da stand ich ihm wohl etwas im Weg. Er schubste mich zur Seite, ich flog mit dem Hinterkopf gegen das Geländer." Sie machte eine heitere Mine zum bösen Spiel. "Nun sag schon, haben wir ihn, Ingeborg? Hat es was gebracht?"
Ingeborg schüttelte kaum merklich den Kopf. Sie hatte noch am Samstagabend eine erste Analyse der Videoaufnahmen bekommen; Aufnahmen einer kleinen Action-cam, die ein Kollege der Technik oben im Turm eingebaut hatte.
"Nicht?" Barbara konnte die Enttäuschung in ihrer zaghaften Frage nicht unterdrücken. Klaus hatte dem Plan zugestimmt, er schien der einzig gangbare Weg zu sein, Pater Ruprecht irgendwie legal beikommen zu können.
"Nun ja, die Tonaufnahmen sollen prima sein, man verstehe jedes Wort, hat man mir gesagt. Aber man sieht nicht wirklich, wer da oben mit dir auf dem Turm ist. Eine Gestalt in einem dunklen Mantel mit einem Hut, der das Gesicht verdeckt. Und alles voller weißer Schneeflecken. Der Kollege sagte, es hätte genauso gut ein Panda aus dem Zoo sein können!" Sie schüttelte wieder den Kopf, heftiger jetzt. "Tut mir leid...."

´Keine Hoffnung, Herr Kaleun?´ Wieder eine Szene aus dem Film Das Boot. Aber gab es nicht immer Hoffnung?

"Keine Chance?"
"Wir können ihn nicht eindeutig identifizieren. Wir müssen hundertprozentig genau wissen, mit wem du da sprichst. Können wir es nicht, ist es so gut wie für den Müll. Jeder Verteidiger zerpflückt uns das in wenigen Minuten. Ich kenne die Typen, glaube mir das!"
Barbara saß da, ein Häufchen Elend. Dann kam ihr eine Idee. "Kann ich mal an dein Notebook? Meine Internetverbindung ist im Moment etwas schwach auf dem Handy."
"Kein Problem! Hatte die Kiste schon angemacht. Fürs Rezept!"
"Danke!" Barbara nahm sich das große Notebook auf den Schoß. Sie bemühte sich, eine halbwegs bequeme Stellung zu finden, der enge Rock und die Schenkelbänder störten gewaltig. Sie loggte sich auf ihrer Facebook Seite ein; ein schneller Blick, ja, Evelyn war online. Prima.

Ingeborg räumte den Tisch ab. Sie beobachtete Barbara, die irgendetwas im Chat schrieb, ab und zu gab das Notebook den leisen Klingelton von sich, der eine neue Nachricht begleitete. Sie beobachtete Barbaras Gesicht. Endlich umspielte ein zufriedenes Lächeln ihre Lippen.

Barbara drückte einige wenige Tasten, ja, so war es gut. Besser als gut! Sie drehte das Notebook so, dass Ingeborg das Foto erkennen konnte, das auf dem Bildschirm zu sehen war. "Jetzt wissen wir es!", sagte sie.
Ein Panda, dachte Ingeborg. Ein Panda, der den Chinesischen Turm verlässt, ein Panda mit Hut! Aber diesmal war das Gesicht des Mannes eindeutig zu erkennen. "Woher hast du das?", fragte sie ungläubig.
"Von Evelyn. Ich dachte mir, doppelt hält besser! Ich hatte sie mitgenommen, für den Fall der Fälle. Sie war unten geblieben und hat Bilder gemacht. Zwar nur ganz wenige, aber das hier ist wohl das beste. Die Frage ist nur: Ist es gut genug?"
Ingeborg sah sie an. "Es ist gut genug. Jetzt haben wir ihn!"

Es war Abend geworden. Beide hatten sich einen gemütlichen Nachmittag gemacht, Ingeborg hatte Stollen und Mohnkuchen zum Kaffee aufgetischt, man hatte sich gut unterhalten.
Das Abendessen hatten sie ausfallen lassen, Ingeborg hatte ein entspannendes Bad genommen und hatte sich danach, nur in ihren weißen Bademantel gehüllt, wieder zu Barbara gesetzt.
"Ist dir nicht warm?" Sie zupfte leise an Barbaras Pullover.
Diese zog sich den Pullover über den Kopf - wie eine Frau macht sie es! - und überraschte Ingeborg mit einer seltsamen Frage, noch während sie den Kopf im Pullover hatte. "Sag mal, bist du eigentlich katholisch?"
"Ob ich katholisch bin??", antwortete Ingeborg, leicht irritiert. "Ja, ich bin katholisch. Wenigstens so getauft. Aber ein großer Kirchgänger bin ich nicht. Warum fragst du?"
Barbara befreite ihren Kopf und sah sie an. "Oh, nichts. Nur so.... Komm, mach mir mal den Rock auf, ich habe immer Schwierigkeiten mit dem Knopf!"
Ingeborg half ihr. ´Nur so´?? Kein Mensch stellte nur so Fragen! Das hatte sie im Laufe ihres Berufslebens selber oft genug erfahren. Aber sie wusste auch, sie würde zumindest jetzt keine befriedigende Antwort von Barbara erhalten. "Wären die Schenkelbänder nicht eigentlich unnötig gewesen, bei dem Rock?"
"Ja, wären sie wohl. Aber..., nun ja, du weißt, wie es manchmal über einen kommen kann. Erst wollte ich einen weiten Rock anziehen, da machten die Schenkelbänder schon Sinn. Dann aber hatte ich mich für diesen engen Bleistiftrock entschieden. Aber ich muss gestehen, die Kombination ist nervig hoch zehn!"
"Ich hasse die blöden Dinger!!" Ingeborg richtete sich etwas auf. Wie um ihre Worte zu unterstützen breitete sie ihre Beine aus. Der Gürtel ihres Bademantels öffnete sich, der weiche Stoff fiel auseinander und gab den Blick auf eine wohlrasierte Scham frei. "Ah, tut das gut!" Ihre Hand legte sich auf ihr Geschlecht.
Barbara lächelte sie an. Was war da in ihrem Blick? Verlegenheit? Verlangen? Oder noch etwas anderes? Neid? "Du, das habe ich sowieso nie begriffen. Wie kann man bei der Kripo arbeiten, als Kommissarin, und dann Schenkelbänder und Röcke? Das geht doch hinten und vorn nicht!"
Ingeborg zog ihre Hand zurück und musste lachen. "Nein, da hast du recht. Aber du darfst dir Polizeiarbeit nicht so vorstellen, wie man sie immer im Fernsehen sieht. Also Verfolgungsjagden und wildes Herumgerenne! Nein, ich mache schon seit langem so etwas wie Innendienst."
"Innendienst?"
"Ja. Mein damaliger Chef, der sich ja nach Passau versetzen ließ, hatte mich beauftrag, alte Akten aufzuarbeiten...."
"So eine Arte ´Cold case? Kein Opfer ist je vergessen?´"
"Wenn du es so nennen willst... bitte! Aber in meinem Fall ist es eher ein Cold arse...., ein kalter Hintern. Nein, im Grunde genommen geht es darum, alte Akten zu digitalisieren. Eine knifflige Arbeit, weil wir manches einscannen, vieles aber auch neu tippen müssen."
"Also, ihr sucht nicht nach eventuell neuen Spuren in ungelösten Fällen? Man hört ja immer, dass die Kriminaltechnik in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat." Barbara war eine Idee gekommen. Der ungläubige Thomas!
"Doch. Das kommt schon vor. Aber wir machen es nicht wirklich systematisch."
"Ist diese Arbeit nicht totlangweilig?"
"Ach, wie man es sieht. Nenne mir mal einen Job, der auf Dauer nicht langweilig wird! Ständig alten Leuten neue Hüftgelenke einpflanzen? Oder stundenlang im engen Cockpit einer Passagiermaschine eingeschlossen zu sein und über Sibirien oder das Meer zu fliegen? Womöglich noch mit einem Co-Piloten, der außer Blähungen nicht viel von sich gibt? Nein, ich habe es ganz gemütlich in meinem kleinen Büro. Kann mir meine Arbeit einteilen, wie es mir passt. Muss nicht draußen Besoffenen hinterherrennen, oder mich bei Befragungen anmachen zu lassen. Es ist eine schöne, ruhige Arbeit. Und man hat Feierabend und ein richtiges Wochenende! Man hat seine Freiheiten...."
"Bis auf die Schenkelbänder, den Keuschheitsgürtel, den BH....."
Ingeborg musste zugeben, dass da was dran war. Aber jetzt sah es ja anders aus. Sachte zog sie Barbara zu sich heran. Berührte ihre stählernen Cups, streichelte sie, so als befänden sich richtige Brüste darunter. Ihre rechte Hand drückte gegen Barbaras Keuschheitsgürtel; es faszinierte sie immer wieder, darunter ein männliches Glied zu wissen, ein kleines Stück Männlichkeit, das weggesperrt war und sich jetzt, unter ihrer Hand, wahrscheinlich hilflos gegen die enge Röhre sträubte, in der es gefangen war. Gleichzeitig vergruben sich die Finger ihrer Linken in ihrer eigenen Scham. Es ist gut so, wie es ist, dachte sie. Sex... musste es immer mit einem Coitus enden? Nein, musste es nicht!
Auch Barbara hatte ihre Augen geschlossen. Es ist schön so, dachte sie. Ingeborg will mich.... Sie spürte ihr erwachendes sexuelles Verlangen. Klaus... Nein, das durfte nicht sein! Sie wollte es nicht! Aber der alte Spruch, dass der Geist wohl willig, das Fleich aber schwach sei, schien auch in dieser Situation über Barbaras Denken und Empfinden bestimmen zu wollen.
Sex, dachte sie, könnte ich doch nur einmal Sex haben, so wie Ingeborg ihn wohl kannte! Wie oft hatte sie es sich vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn man die Beine breit macht, wenn man bereit ist für den Mann, der über einem kniet. Wenn man das Glied sieht, wie es sich steil aufstellt und präsentiert, zum langsamen Eindringen oder dem harten Stoß bereit. Wie mochte es sein, wenn man die pralle Eichel spürte, die den Venushügel hinab nach der Scheide suchte; wenn der Mann schließlich in einen eindrang....

Sie seufzte leise auf. Ihr blieb immer nur der andere Part. Das Oben-knien, das Eindringen und Zustoßen. Sie begann, die vor ihr liegende Klitoris sanft mit der Zunge zu bearbeiten, dann ließ sie ab, als Ingeborgs Stöhnen lauter wurde. Widmete sich den Nippeln, die hart geworden waren, hart und empfindlich; sie saugte an ihnen, biss vorsichtig hinein, spürte das langsame Vibrieren des ganzen Körpers, der unter ihr lag. Ihre Hand tauchte ein in eine feuchte Scheide, ihr Daumen fand eine erregte Klitoris, ihr Zeige- und Mittelfinger wanderten über den Damm bis zum Anus, wo sie ebenfalls eindrangen. Ingeborgs Körper zuckte unter ihrem Griff, mit der Linken drückte sie die Brustwarzen, es gab keine Grenze mehr....
....bis auf meinen eigenen Keuschheitsgürtel, dachte sie. Sie begann, den Kampf ihrer eigenen Seele zu spüren: Barbara gegen Klaus. Würde er nie aufhören? Sie ließ von Ingeborg ab, ihre Hand suchte nach ihrer Handtasche, wo war sie? Sie lag neben dem Sofa. Sie wandte sich ab, suchte nach dem Einzigen, das jetzt helfen würde. Wo sind die Schlüssel??

Ingeborg spürte die plötzliche Veränderung, die mit Barbara vorgegangen war. Das Hervorbrechen männlicher Energie. Sie sah Barbara, die ein kleines Schlüsselbund aus ihrer Handtasche zog, eine vor Erregung zitternde Hand, Schlüssel, die zu Boden fielen. Barbara bückte sich, ihre stählernen Cups glitzerten im Schein der Kerzen, sie griff nach den Schlüsseln, steckte einen der kleinen Schlüssel in das Schloss ihres Keuschheitsgürtels.... gleich würde ihr sein Glied entgegenspringen, in sie eindringen, alles kaputt machen.

Klaus fluchte leise, er hatte in der Eile den falschen Schlüssel gewählt. BH, Keuschheitsgürtel und die Schenkelbänder hatten insgesamt drei verschiedene Schlüssel, da konnte es schon einmal vorkommen, dass man den falschen nahm. Er zog ihn wieder heraus und wollte gerade den nächsten in das kleine Schloss stecken, als sich Ingeborgs Hand über seine legte.
"Nicht, Barbara! Bitte tue es nicht! Ich.... ich will es nicht. Noch nicht....", fügte sie hinzu. Die Reaktion kam wie ein Seebeben daher. Die Hand mit den Schlüsseln entkrampfte sich, aber der Körper, zu dem sie gehörte, begann das Zittern der Hand zu übernehmen. Ingeborg blickte in Barbaras Augen. War es ihr Blick, oder der von Klaus? Sie sah, wie die Hand den kleinen Schlüssel aus dem Schloss zog, es blieb ungeöffnet, Barbara steckte die Schlüssel zurück in ihre Handtasche. Dann stand sie auf, Ingeborg sah die fortwährende Unruhe in ihrem Körper, dann ging Barbara in ihr Schlafzimmer.

Und jetzt?, überlegte Ingeborg. Warum nur musste immer alles so kompliziert sein? Sollte sie Barbara hinterhergehen? Ihr ins Schlafzimmer folgen? Oder brauchte diese jetzt etwas Zeit für sich allein? Sie setzte sich auf, überlegte, ob sie selber einfach da weitermachen sollte, wo Barbara eben aufgehört hatte. Mit dem Fuß stieß sie Barbaras Handtasche um; sie stellte sie wieder hin. Dann stand sie auf und wollte gerade ihren Bademantel zumachen, als sie Barbaras sanfte Stimme hinter sich hörte.
"Du brauchst ihn gar nicht wieder zuzumachen!"
"Was?" Sie war überrascht. Barbara stand hinter ihr, zog ihr mit sanfter Gewalt den Bademantel von den Schultern.
"Schhhh! Sei still!"
Wieder spürte sie warme Hände, die sie jetzt von hinten umfassten, ihre Brustwarzen reagierten augenblicklich, ihre Scham konnte die Erregung nicht mehr zurückhalten. Sie schloss die Augen, ließ alles mit sich machen, es war so schön, dann aber umfing sie die kalte Berührung ihres Keuschheits-BHs; Ketten, die über ihre Haare gezogen wurden, Körbchen, die sich über ihre Brüste senkten. Schon vernahm sie wieder den unbarmherzigen Druck, schon wurden ihre Nippel wieder von gemeinen Stacheln gequält; es war zum Verrücktwerden, kein Schmerz, aber dennoch kaum auszuhalten. Ganz unbewusst hatten ihre Hände wieder an die Brüste gegriffen, ihre Hände, die die Pein beenden wollten, nutzlos wie immer.
Das Anlegen ihres tragbaren Tugendwächters folgte, eine stählerne Pforte, die sich wie eine gewölbte Hand über ihren Venushügel und ihre Scham legte, wieder gab es den unangenehmen Druck zwischen ihren Gesäßhälften, das Verschließen der kleinen Schlösser hörte sie gar nicht mehr, es rauschte in ihren Ohren, wie die Welle, die auf den Strand trifft. Barbaras Seebeben wurde ihr Tsunami......
Erst als Barbara ihre Füße antippte und aufforderte, sie zu heben, regte sich leiser Protest. "Nein, bitte nicht die Schenkelbänder! Bitte, Barbara...."
Sie öffnete ohne zu zögern den Mund, als sie den schwarzen Ballknebel vor sich sah. Sie hatte nicht den Willen, sich dagegen aufzulehnen. Handschellen wurden ihr kommentarlos in die Hände gedrückt; sie wusste, was sie zu tun hatte und fesselte sich selber die Hände auf den Rücken. Barbara sah sie zufrieden an, lächelte, begann ihre Wange zu streicheln. Dann aber bückte sie sich und half ihr in die verhassten Schenkelbänder, zog diese an ihren Oberschenkeln hoch, bis es nicht weiterging; Ketten wurden am Taillenband des Keuschheitsgürtels befestigt; ein Schloss schloss die Bänder eng zusammen.

Es war spät geworden. Barbara hatte Ingeborg den Bademantel über die Schultern gelegt und zugebunden, dann hatte sie sich selber angezogen.
"Ich will jetzt fahren. Ich bin.... - sie legte eine kleine Pause ein - ich bin müde. Es war ein langer Tag. Danke für das leckere Essen. Ich hoffe, er hat dir auch gut gefallen?"
Ingeborg nickte. Was hat sie mit mir vor?
Barbara nahm das kleine Schlüsselbund, ganz ähnlich ihrem eigenen. Sie nestelte den Schlüssel für die Handschellen ab, ging noch einmal ins Schlafzimmer, kam nach kurzer Zeit wieder, eine Tüte unterm Arm. "Hast du den hier schon ausprobiert??"
Ingeborg schüttelte den Kopf. Bruno hatte es mal vorgeschlagen, aber so weit hatte sie nicht gehen wollen.
"Nicht? Gut, dann werden wir demnächst mal zusammen das Vergnügen haben! Daniela hat mir alles darüber gesagt.... soll echt gut sein!" Sie lächelte, blickte ihr in die Augen. "Keine Angst, Kleines. Alles wird gut! Den Handschellenschlüssel habe ich ins Schlafzimmer gelegt, du wirst dich also selber befreien können. Und die Schlüssellöcher sind auf der richtigen Seite, wie ich sehen kann." Sie zog Ingeborg an sich, stählerne BHs, die gegeneinander stießen. Barbara küsste Ingeborg auf den geknebelten Mund, eine Zungenspitze, die der Linie der Lippen entlangfuhr; Ingeborg glaubte, zu zerbrechen; so hatte Bruno sie nie behandelt; sie spürte die Liebe, die von dieser jungen Person ausging, dann war sie allein, eine Tür fiel unten ins Schloss, dann hörte man den ersterbenden Laut eines kleinen Motorrollers....


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Daniela 20
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  RE: Schuld (Fortsetzung von ´Agonie´) Datum:19.02.17 22:00 IP: gespeichert Moderator melden


Wir haben das Ende meiner Geschichte erreicht! Ich freue mich, dass mir doch wohl noch einige Leser geblieben sind! Wie schnell nun doch wieder die dunkle Jahreszeit vergangen ist!
Nun will ich heute nicht mehr viele Worte machen. Wie immer werde ich mich über den einen oder anderen Lesergruß freuen. Ich hoffe, dass auch das Schlusskapitel allen gefällt. Sollte jemand Probleme mit dem Posten haben, dann schickt mir bitte eine kurze Mail über das Forum, dann sehen wir weiter!
Es grüßt Euch alle sehr herzlich, Eure Daniela 20.


München, Mitte Dezember

"Und..., bist du jetzt wieder ganz auf Barbara umgestiegen?" Evelyn sah sie mit einem neugierigen Blick an, während sie ihren Tee umrührte. Sie hatte in den letzten Tagen wenig Zeit gehabt, es hatte Verletzte gegeben, Opfer von wild ausgearteten Weihnachtsfeiern, wobei sie sich immer fragte, was all das denn mit Weihnachten zu tun hatte. Jetzt aber hatte sie Zeit für eine Tasse Tee zusamen in einem netten Café in der Maxvorstadt.
Barbara sah zur Seite. "Im Moment, ja." Sie zuckte die Schultern. "Geht nicht anders, Lyn."
"Hm." Evelyn überlegte, ob sie den Ball aufgreifen sollte. Ein Gespräch über dieses Thema war immer schwierig. "Was hat deine Kommissarin gesagt?"
"Meine Kommissarin?? Meine Kommissarin hat gesagt, wir haben ihn!"
"Also genug, diesen Kerl in den Knast zu bringen?"
"Tja, hoffentlich. Ingeborg meinte, die Beweismittel müssten ausreichend sein. Wichtig aber ist, dass sich noch andere Opfer melden, dass ich nicht allein dastehe. Auf jeden Fall wird das nächste Jahr spannend werden." Barbara sah auf ihre Uhr. "Komm, trink aus! Lass uns noch etwas spazieren gehen! Bei dem Wetter sollten wir es genießen!"

Es war verrückt. War die Stadt vor bloß anderthalb Wochen noch im Schnee versunken, so wehte jetzt ein warmer Frühlingswind über die Dächer. Cafés hatten wieder Stühle und Tische nach draußen gestellt; Leute saßen da, unter Decken zwar, aber mit einem Eiskaffee oder einem Glas Weißwein, statt Glühwein.

War sie jetzt ganz auf Barbara umgestiegen? Evelyns Frage ging ihr nicht aus dem Kopf. Vor einigen Monaten, nach ihrer geglückten Flucht aus Rom, hatte alles anders ausgesehen. Jetzt aber war es schon wieder komplizierter geworden. Ja, es machte ihr Spaß, als Barbara zu leben. Aber Klaus war auch nicht schlecht. Sie musste lachen, als sie an den Sonntagabend bei Ingeborg dachte. Ja, da war Klaus aktiv geworden. Aber Ingeborg hatte ihn daran gehindert, den Keuschheitsgürtel abzulegen. War es besser so gewesen?
Sie hatte reagiert, ohne viel nachzudenken. Wenn ich keinen Spaß haben kann, dann du aber auch nicht! Barbara hatte plötzlich eine dominante Ader an sich entdeckt! Oder war es Klaus gewesen?? Der Gedanke, die Freundin in ihre stählerne Unterwäsche eingesperrt zu haben, hatte ihn mächtig erregt. Er würde nach Hause fahren, sich alles ausziehen und dann....

Und dann konnte er den Schlüssel zu seinem Keuschheitsgürtel und BH nicht finden, genauso wenig wie zu den Schenkelbändern. Er hatte den Inhalt der Handtasche zweimal durchsucht, aber da waren nur die Schlüssel zu Ingeborgs Dingern. Schließlich hatte er Ingeborg eine SMS geschickt: "hast du meine Schlüssel gesehen?" Die Antwort hatte nicht lange auf sich warten lassen: "hab ich! werde sie gut für dich aufheben!!" Er hatte keine Sekunde gezweifelt, dass es kein Zufall sein konnte. Und weil er sich so schlecht wieder in Klaus zurückverwandeln konnte, musste er im Moment bei Barbara bleiben.

"Bald ist Ostern!" Evelyn hakte sich bei ihr unter. "Tritt mir ja nicht mit deinen Killerabsätzen auf den Fuß! Hab heute keine Lust zum Arbeiten!" Sie lachte leise.
"Keine Angst! Aber du darfst mich natürlich nicht aus dem Gleichgewicht bringen!"

Sie überquerten die Ludwigstraße in der Nähe der Universität. "Sag mal, hast du mal an ein Studium oder so gedacht? Du hast doch ein gutes Abitur!"
"Gute Frage! Nein, ich weiß nicht. Ich hatte eher an was mit Kindern gedacht. Erzieher oder so..."
Evelyn blieb so abrupt stehen, dass Barbara jetzt doch beinahe gestrauchelt wäre. "Nein!! Nein, das wirst du nicht tun!"
"Was...??" Barbara hatte sich gefangen, war aber über Evelyns harte Reaktion erschrocken.
"Mensch, siehst du es denn nicht Barbara - oder Klaus - du darfst nichts mit Kindern machen! Es ist doch immer die alte Leier. Willst du auch zu denen gehören, die dann wieder diesen Scheiß von Ich-bin-selber-missbraucht-worden erzählen wollen? Wenn es bei dir plötzlich klick macht? Wenn du dich nicht mehr beherrschen kannst? Wenn du selber den Schmerz vergessen hast, den man dir angetan hat?"
"Im Leben nicht, Evelyn! Warum zum Teufel sollte ich denn Kindern so etwas Schlimmes antun? Das macht doch gar keinen Sinn! Ich bin doch kein Unmensch!"
"Doch, Klaus. Doch, es macht Sinn. Man verdrängt die schlimme Tat, aber das Unterbewusstsein will sie einfach nicht löschen. Es bohrt und frisst und brodelt in einem... wie war es damals...., was hat der kleine Klaus damals gefühlt...? Das Unterbewusstsein will keine Ruhe geben! Und ohne es zu merken wird man selber vom Opfer zum Täter!"
"Aber Lyn, wenn du so denkst, dann wären ja diese Typen wie Pater Ruprecht doch entschuldigt, nicht wahr?"
"Nein, das sind sie nicht. Weil sie sich im entscheidenden Moment ihres Lebens für die falsche Richtung entschieden haben. So wie ein Schwimmer, der sich nicht traut, an den Beckenrand zu schwimmen und sich dort festzuhalten, bevor er untergeht. Weil er glaubt, dort überall wilde Hunde zu sehen. Statt dessen schwimmt er mitten im Becken herum und denkt, er werde es schon allein schaffen."

Jetzt blieb Barbara stehen und hielt Evelyn am Arm zurück. "Das kapier ich jetzt überhaupt nicht!"
"Nun ja, es gibt ja auch Rettungshunde. Die verschüttete Menschen aufspüren und ihnen das Leben retten."
"Verschüttete Menschen?"
"Ja, genau das seid ihr doch: Verschüttete Menschen. Missbrauchsopfer brauchen Rettungshunde; allein schaffen sie es nicht!"

Sie gingen schweigend weiter. Langsam näherten sie sich dem Englischen Garten. Sonnenanbeter und sogar einige Kerle mit nacktem Oberkörper waren zu sehen, sobald sie das Tor passiert hatten.
"Also, das mit Kindern wirst du schön bleiben lassen. Du könntest ja Kollege werden!"
"Rettungssanitäter? Ich weiß nicht...."
"Dann halt Kollege von deiner Kommissarin! Da könntest du für Recht und Ordnung eintreten!"
"Polizei?? Ich?? Wie soll das denn gehen, Evelyn?" Barbara sah an sich hinunter; mit leicht hilfloser Geste lupfte sie ihren Rock ein wenig. "Ich glaube nicht, dass unsere bayerische Polizei für ihre Toleranz in diesen Dingen bekannt wäre..." Sie musste lachen.
"Hm, ja, da könntest du recht haben! Schwierige Kiste! Dann bleibt wohl nur noch Künstler übrig. Schriftsteller oder so! Da kannst du, so wie du bist, an der Schreibmaschine sitzen und dir schöne Geschichten ausdenken. Egal, was du dabei anhast!" Jetzt mussten beide lachen!

Am Chinesischen Turm hatte ein Weihnachtsmarkt eröffnet. Ein schöner Weihnachsmarkt, wie beide zugestehen mussten, mit weihnachtlich eingerichteten Buden und ohne die übliche Rummelatmosphäre, aber bei fünfzehn Grad Wärme fehlte halt etwas.
"Du hattest vorhin von Balance gesprochen?"
"Hatte ich? Ach so, ja. Wegen der Schuhe! Stimmt!"
"Ich denke an eine andere Balance..."
Barbara blickte sie fragend an.
"Warum tust du es, Klaus? Warum musst du dich immer wieder in Barbara verwandeln? Ist es eine Frage der Balance? Der seelischen Balance?"
Barbara zuckte zurück. Sie wusste es nicht. Sie hatte keine Antwort. "Ich weiß es nicht. Es ist einfach so. Ich bin ausgeglichener, ruhiger, wenn ich Barbara sein kann. Reicht dir das als Antwort?"
"Nicht wirklich. Dinge sind nicht einfach so. Es gibt immer Hintergründe und Ursachen. Ich dachte nur an ein ganz anderes Problem!"
"Und das wäre?"
"Du wirst dich entscheiden müssen. Klaus oder Barbara. Du kannst nicht ewig hin und her wechseln. Das verträgt die Seele nicht. Ich... ich habe... " Sie stockte.
"Du hast was, Lyn?"
"Ich habe Männer gesehen... Männer in Frauenkleidern, die sich umgebracht hatten." Sie schwieg.
Barbara ließ den Kopf hängen.
"Es ist nicht deine Schuld, Klaus. Es ist leider unsere Gesellschaft. Sie ist noch nicht so weit. Sie möchte andere einordnen können: männlich oder weiblich? Tertium non datur! Etwas Drittes gibt es nicht!"
"Scheiß Gesellschaft." Klaus trat nach einem Stein, aber die Schenkelbänder, die er immer noch trug, hätten ihn beinahe zu Fall gebracht.
"Du könntest Politiker werden! Münchens kommender OB. Und dann kannst du ans Rednerpult treten, und sagen: Übrigens, ich bin eine Transperson! Und das ist gut so!! Ganz so wie Wowereit damals bei den Schwulen."
Sie hakte sich wieder unter. Beide bestellten einen Glühwein, bald war Weihnachten, egal welches Wetter. Aber bereits etwas vorglühen war sicherlich nicht das Schlechteste, was man machen konnte. Die Zukunft würde zeigen, welchen Weg man wählen würde.


Epilog - München, 28. Dezember

Wie schnell doch alles vorübergehen konnte! Klaus war froh, Weihnachten wieder einmal irgenwie überstanden zu haben. Er hatte einige Zeit als Barbara verbracht, dann aber wieder zu Klaus gewechselt. Natürlich erst nachdem Ingeborg Barbara aufgeschlossen hatte. Und das hatte sie wiederum erst dann getan, als auch er ihre Schlüssel herausgerückt hatte.
Eine komplizierte Beziehung hatte sich zu Ingeborg entwickelt. Beide mochten sich, ganz ohne Zweifel, beide schafften es ohne Probleme, über den Altersunterschied hinwegzusehen. Und beide genossen durchaus das Spiel mit wechselnder Dominanz und, was ihn betraf, wechselnder Identität. Generell ließ sich vielleicht sagen, Ingeborg bevorzugte Barbara, warum auch immer, wohingegen er zunehmend auch an seiner Rolle als Klaus Gefallen fand.
Einen leisen Krach hatte es allerdings gegeben, als Klaus Ingeborg notgedrungen von seinem Alleingang an jenem Abend in der kleinen Kirche erzählte; erst, als er ihr zugestand, niemand würde sie zwingen, mitzumachen, lenkte sie ein. Vielleicht nur, weil er sich als Barbara angemeldet hatte.

Weihnachten selber war wie immer ein schwieriges Fest. Wie feiert man das Fest der Familie, wenn man keine Familie mehr hatte? Zumindest nicht hier in der Nähe? Früher war es selbstverständlich gewesen, die Tage mit der Großmutter zu verbringen; jetzt aber war niemand mehr da, der Zeit oder Lust hatte, ihn einzuladen oder zu besuchen. Also tat er das, was alle taten, die in einer ähnlichen Situation waren: er kochte sich leckeres Essen, machte es sich gemütlich und zog sich diverse Weihnachtsfilme auf DVD rein, die er vorher ausgeliehen hatte. Aber er war froh, dass das Leben jetzt, nach Weihnachten, wieder seinen gewohnten Gang ging. Irgendwie müsste man noch Silvester überstehen, dann könnte man im neuen Jahr ein neues Kapitel aufschlagen!

Nachdenklich betrachtete er den Abreißkalender seiner Oma. Der Kalender war auf wenige Blättchen zusammengeschrumpft, nur jenes schwarze Pappeteil, das wie ein Dach über den traurigen Restkalender hinausragte, erinnerte noch daran, dass das Jahr einmal aus 365 Tagen bestanden hatte. Dunkel erinnerte er sich an seine Reise nach Rom, zusammen mit Andrea, der vorgegeben hatte, ihn vor der Polizei retten zu wollen. Ach ja, dann die Papstwahl! Diese Menschenmassen! Wieso brauchten die Leute immer jemanden, den sie anbeten und verehren konnten? Trug vielleicht gerade das Christentum eine Hauptschuld am aufkommenden Führerkult des Nationalsozialismus?? Fragen über Fragen.
Manchmal ist es unmöglich, Dinge sofort zu erkennen. Auch er selber hatte lange gebraucht, bis er Andreas wahre Absicht erkannt hatte! Schließlich der Schock, als seine vermeintliche Zuflucht sich in einen veritablen Kerker gewandelt und Andrea seine Maske fallen gelassen hatte. Dann seine verrückte Flucht; in München schließlich das erste Zusammentreffen mit Ingeborg. Und dieser Wahnsinn dann, noch einmal nach Rom zu fahren, um den Namen von Pater Ruprecht herauszubekommen!
Er griff das Blatt mit der Zahl 27, riss es ab und begann zu lesen, was auf der Rückseite des nächsten stand: 28. Dezember - ´Fest der....

Es klingelte. Er knüllte das Kalenderblatt zusammen und steckte es in die Hosentasche; später würde er es wegwerfen.
Es klingelte wieder. Er warf einen schnellen Blick aus dem Küchenfenster; ein Taxi stand draußen und wartete. Nanu? Er hatte kein Taxi bestellt. Es musste ein Irrtum sein.
Klaus öffnete die Tür und erwartete den Fahrer, stellte aber sofort fest, dass er sich getäuscht hatte. Eine alte Dame stand dort und sah ihn an. "Ja, bitte?"
"Gretl", sagte sie, "ich wollte..."
Klaus erschrak. Sie klang genauso, wie Annegret, seine verstorbene Oma. Es lief ihm kalt den Rücken runter. "Meine Oma ist tot. Es tut mir leid.... Sie haben den Weg umsonst gemacht."
"Ich weiß, dass meine Schwester tot ist!" Sie blickt ihn an. Ihre Augen hatten etwas Untersuchendes an sich. "Deine ist es nicht."
Ihm war unheimlich zumute. Wer war diese Frau? Sie hatte sich nicht vorgestellt.
"Hast du Zeit, Klaus? Komm, wir müssen jemanden besuchen! Komm, zieh deine Jacke an! Das Taxi wartet nicht ewig!" Sie ging an ihm vorbei, er stand starr vor Schreck, was soll das hier.... versteckte Kamera, oder was?? Sie reichte ihm seine Jacke, so als habe sie es immer schon getan. "Nun komm! Ich werde dir alles erklären. Alles wird gut!"
Er ließ es mit sich geschehen. Alles wird gut? Aber war jetzt nicht schon alles gut? Sie stiegen ins Taxi ein, setzten sich nebeneinander auf die Rückbank und schnallten sich an. Wer ist diese Frau?? Und wieso redet sie so wie meine Oma??
Es ist nicht wahr, dachte er, als das Taxi losfuhr. Die alte Dame an seiner Seite musste dem Fahrer schon vorher das Fahrtziel genannt haben. Jetzt sah sie ihn an.
"Du weißt, wer ich bin?"
"Nicht wirklich." Sein Mund hatte sich zu einem schmalen Strich verengt.
"Ich bin Gertrud. Die Tante von Christl, deiner Mutter."
Gertrud? Der Name sagte ihm nichts. Er schüttelte leise den Kopf.
"Tante Trudel! Hast du den Namen vielleicht schon einmal gehört?"
"Ja, jetzt erinnere ich mich dunkel. Mutter hatte sich manchmal mit Oma unterhalten. Sie muss dich kennen gelernt haben, als sie noch sehr klein war. Aber Oma hat nie von dir gesprochen."
Gertrud ließ ein erbittertes Lachen hören. "Ja, deine Mutter muss wohl so knapp sieben Jahre alt gewesen sein, als ich in den Jemen ging. Und dass deine Oma nie von mir gesprochen hat.... typisch! Für sie war ich das Schwarze Schaf der Familie!"
Klaus war mulmig zumute. "Ich verstehe nicht.... und wo fahren wir eigentlich hin?"
"Wir sind bald da!"

Sie fuhren schweigend weiter. Die Stadt hatte sich wieder gefüllt, heute mussten Geldgeschenke angelegt oder die üblichen missratenen Geschenke - zu große BHs und zu knappe Slips - umgetauscht werden. Aber das Taxi fuhr weiter, heraus aus der Innenstadt, bis es in einem stillen Vorort vor einem wohl nicht mehr ganz neuem Gebäude hielt.
"Wir sind da! Du bist wirklich noch nie hier gewesen, hast keine Ahnung??"
Klaus schüttelte den Kopf. "Wo sind wir hier?"
"Es ist ein Pflegeheim. Komm, steig aus. Die Besuchszeit hat gerade angefangen."

"Wir besuchen jemand?" Er war ausgestiegen und sah sich um. Das Gebäude mochte aus den 80er Jahren stammen, es wies die typische Architektur jener Jahre auf. Es sah gepflegt aus, die Grünanlagen waren ordentlich, es gab Spazierwege und Bänke; im Sommer mochte es hier richtig schön sein. Plötzlich war ihm etwas eingefallen. Er hielt seine Großtante zurück. "Wart mal bitte! Ich hatte einen Aktenordner in Omas Schreibtisch gesehen! Sie hatte wohl die Pflegepatenschaft für ein kleines Mädchen übernommen, Martha oder so ähnlich. Lebt sie hier?"
"Ja." Die Antwort fiel knapp aus; Gertrud war ihm schon vorausgeeilt.
"Was ist denn mit ihr? Warum lebt sie nicht bei ihren Eltern?"
"Sie ist behindert. Und sie lebt hier, weil ihre Eltern....." Sie verstummte. Sie blieb stehen. Klaus sah, dass sie einen Moment so aussah, als könnte sie jeden Augenblick tot umfallen.
"Weil ihre Eltern... was?"
"Weil ihre Eltern sie nicht haben wollten!"
Sie hatte sich wieder gefangen. Öffnete die Tür, ging zur Anmeldung, fragte nach der richtigen Abteilung. Dann ging sie wieder voran. Klaus merkte, dass etwas nicht stimmte. Die Gänge verengten sich vor seinen Augen, alles begann sich zu drehen. Er musste sich an einem der langen Geländer festhalten, die in allen Fluren angebracht waren. "Warte bitte!"
"Was ist? Ist dir schlecht?"

Waren es die Worte, die ihm plötzlich so zugesetzt hatten? Behindert.... Er hatte seine behinderte Schwester ins Verderben gestürzt. "Ich... ich weiß nicht. Es ist.... ich will...." Er begann, dummes Zeug zu stottern.
Zum ersten Mal nahm Gertrud ihn jetzt in den Arm. "Komm, wir sind gleich da! Sie wird sich freuen..." Sie nahm seine Hand, zog ihn langsam mit sich.

Sie gelangten an eine Glastür. Sie mussten klingeln, eine Schwester kam und öffnete von innen. " Schön, dass Sie da sind! Magda wird sich bestimmt freuen!"
Sie ließ die beiden passieren und wandte sich zum Gehen. Klaus ergriff ihren Arm und hielt sie zurück. "Schwester! Wartet sie schon auf uns?"
Sie blieb stehen und sah Klaus fragend an. "Nein. Nein sie wartet nicht. Sie wartet nie auf jemanden. Sie hat auch nie viel Besuch bekommen. Ab und zu kam ihre Großmutter vorbei...."
"Meine Schwester", sagte Gertrud leise.
Sie gingen weiter. Ihre Großmutter...., hallte es in Klaus Kopf wieder. Und plötzlich merkte er, wie seine Augen feucht wurden. Hatte das Herz etwas erkannt, was der Kopf immer noch nicht sehen konnte?

Sie betraten ein geräumiges, hübsch eingerichtetes Zimmer. Ein großes Fenster bot einen schönen Blick nach draußen; Klaus registrierte die abschließbaren Fenstergriffe. Eine junge Frau, kaum älter als er selber, saß an einem Schreibtisch und versuchte, einen Turm aus wackeligen Bauklötzen zu errichten, der aber scheinbar immer wieder zusammenfiel.
Ein kleines Mädchen war nicht im Zimmer. Klaus war irritiert. Fragend sah er seine Großtante an.
"Ena helfen!!" Die junge Frau hielt ihm einen der Bauklötze hin. "Laus helfen!!"
Er streckte seine Hand aus. Tränen flossen ihm über die Wangen. Erinnerte er sich??
Er sah sich um. Die Schwester hatte schon ein Taschentuch in der Hand; auch Gertrud suchte in ihrer Handtasche nach einem. "Komm, Klaus! Hilf deiner Schwester!"
"Meiner Schwester??"
"Ja. Ihre Schwester." sagte die Krankenschwester. "Ihre Schwester Magdalena!"


Es war einige Stunden später. Klaus steckte seinen Schlüssel ins Türschloss und schloss auf. Er ließ seine Großtante zuerst eintreten. Sie hatten, nach dem Besuch bei Klaus Schwester Magdalena, zuerst in der Stadt Mittag gegessen, dann hatten sie Kuchen gekauft und jetzt hatte er Gertrud zum Kaffee eingeladen. Er hatte woh selten zuvor in seinem Leben so viele offene Fragen gehabt, wie heute.
Jetzt hatte er Kaffee gemahlen, eine Filtertüte in den Trichter getan und Wasser mit dem neu angeschafften Wasserkocher gekocht. Seine Oma hatte immer noch, ganz altmodisch, einen Kessel und die Herdplatte benutzt. Eine Kaffemaschine hatte sie nie besessen, Klaus wollte davon auch nichts wissen.
"Wusstest du, dass Oma, dass deine Schwester gestorben war? Sie war ja immerhin deine Schwester..., aber zur Beerdigung bist du nicht gekommen! Wo hast du überhaupt gesteckt, und wieso tauchst du jetzt plötzlich auf? Lebst du hier in München? Allein??"
Gertrud hätte sich beinahe an ihrem Kuchen verschluckt. "Immer langsam! Hübsch der Reihe nach!"
"Entschuldige bitte! Ich bin, also ich bin immer noch total erschüttert! Vor wenigen Wochen hatte ich noch gar nicht gewusst, dass ich überhaupt eine Schwester hatte. Dann glaubte ich, ich hätte sie umgebracht - nicht absichtlich natürlich, aber halt in kindlicher Ungestümtheit. Und jetzt.... das hier!" Er trank einen Schluck Kaffe, er war ihm gut gelungen. Aber seinen Kuchen hatte er noch nicht angerührt. "Glaubst du...., glaubst du, sie hat mich erkannt? ´Laus helfen!´ Du hast es doch auch gehört."
Gertrud zuckte leicht mit den Schultern. "Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Das kann wohl keiner so genau wissen. Aber, nun ja, ganz blöd ist sie ja nicht."
"Die Schwester sagte, sie sei in etwa auf der Stufe einer Zweijährigen stehen geblieben. Weißt du mehr, Gertrud?"
"Ach, nenn mich doch bitte lieber Tante Trudel. Das kommt mir natürlicher vor, auch wenn ich technisch gesehen deine Großtante bin!" Sie lächelte. "Also, mal der Reihe nach. Nein, vom Tode deine Oma habe ich nichts gewusst. Ich erfuhr es erst neulich, ganz durch Zufall. Weißt du, deine Großmutter und ich hatten uns schon vor sehr vielen Jahren auseinandergelebt. Im Grunde genommen fing das schon während des Krieges an. Wir wohnten damals in recht ärmlichen Verhältnissen im Bayrischen Wald. Ich war im BDM - Bund Deutscher Mädel, eine glühende Anhängerin des Führers! Wie fast alle damals. Es war für viele von uns eine schöne Zeit. Ich weiß auch noch, wie ich immer die Sondermeldungen im Radio hörte und Fähnchen auf eine Russlandkarte steckte. Bis schließlich alles zusammenbrach. Ich war fünfzehn als wir den Krieg verloren hatten, fünf Jahre älter als Gretl. Für mich brach damals eine Welt zusammen, für sie nicht. Was hatte ich denn schon gelernt, außer Heil-Schreien und den Arm hochzureißen und das Horst-Wessel-Lied zu singen. Für mich waren die Amerikaner der Feind, für Gretl hingegen die Befreier. Ich weiß nicht, sie hat vielleicht auch andere Dinge erlebt, als ich. Sie war insgesamt ein viel angepassterer Mensch, als ich. Und immer diese Frömmelei! Furchtbar!"

Klaus probierte von seinem Kuchen. Der war nicht schlecht. "Habt ihr euch deswegen zerstritten?"
"Nein, der Bruch kam erst Jahre später. Ich heiratete Mitte der 50er Jahre, mein Mann wurde beruflich nach Berlin versetzt; ich ging mit ihm. Aber während es für ihn beruflich aufwärts ging, ging es für mich abwärts. Ich hatte bestimmt keine Lust, Frau Doktor Dieter sowieso zu sein. Die Rolle der treusorgenden Hausfrau passte mir überhaupt nicht. Verstehst du, ich wollte teilhaben am Leben, mitdenken, mitreden! Nach knapp zehn Jahren ließen wir uns scheiden und ich fing an, Soziologie und Politikwissenschaft an der F.U. zu studieren. D a s war eine tolle Zeit dann!"
"Better late than never!" Klaus schenkte Kaffee nach.
Seine Großtante lachte. "Ja, da hast du wirklich recht! Schöner Spruch! Aber weißt du, Sprüche hatten wir auch, jede Menge! ´Wer öfters mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment!´ Solche Sachen! Unsere ganze Generation war ja voll davon...." Sie sinnierte einen Moment, nannte aber keinen. "Alles dummes Zeug! Bis vielleicht auf einen: ´Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht´. Ja, so war das damals. Eine sehr unruhige Zeit."
"Widerstand, Tante Trudel?"
"Ja. Weißt du, wir hatten die Schnauze voll von diesen ganzen alten Nazis...."
"Aber du warst doch selber Nazi!!", unterbrach Klaus sie.
"Ach Junge...!" Die alte Dame schüttelte mitleidig den Kopf. "Damals waren doch alle Nazis! Es gab ja nichts anderes! Vielleicht noch die Kirche, aber viel besser war die auch nicht. Und obendrein noch so langweilig! Die ganzen Messen auf Latein, was niemand verstand!"
"Aber die christliche Botschaft der Nächstenliebe ist doch wohl allemal besser, als der Hass, den die Nazis predigten," warf Klaus ein.
Seine Großtante sah ihn mit mitleidigem Blick an. "Nächstenliebe.... Hass! Was weißt du denn? Glaube mal bloß nicht, die Katholiken hätten protestantische Mitbürger geliebt. In deren Augen waren die doch kaum besser als Heiden. Und ´Hass´? Wen sollten wir denn in unserem Dorf hassen? Etwa Juden? Gab es doch gar nicht! Das mag eher eine Sache in den Städten gewesen sein, wenn überhaupt. Glaube mir, unsere Welt war damals voller Liebe.... wir liebten den deutschen Wald, die deutsche Mutter, das deutsche Lied..... Und wir alle, jung und alt, liebten den Führer...." Sie schüttelte schwach den Kopf. "Kann man sich heute ja gar nicht mehr vorstellen....Die Nazis verstand man wenigstens: Ein Volk, ein Reich, ein Führer! Was brauchten wir denn mehr? Nein, eigentlich waren alle damals Nazis. Und wenn einer es nicht war, dann war er entweder tot oder längst schon ins Ausland emigriert. Ich sage dir, die Macht des Pöbels ist schlimmer als die des Gewissens! Wenn du eben nicht emigrieren kannst, dann hast du eigentlich keine Wahl mehr!"

"Oder in Dachau," fügte Klaus hinzu. "Aber irgendwie klingt das jetzt, als wärst du zu den Sozis gegangen, damals, im Studium. Das geht doch gar nicht!"
"Willst du mir Vorwürfe machen? Du hast ja gar keine Ahnung, was alles geht? Ich sage dir, die Leute wechseln ihr Mäntelchen schneller als man glaubt! 1933 sind viele Kommunisten zu den Nazis gegangen, später dann, in der DDR, sind viele Nazis zu den Kommunisten gegangen."
"Wie alt warst du damals eigentlich? Wohl auch nicht mehr so ganz jung, oder?"
"Der Mensch ist immer so alt, wie er sich fühlt. Glaube mir, nach meiner Scheidung fing das Leben für mich ja erst so richtig an! Ich war 35, als ich mit dem Studium anfing. Die ersten Semester waren noch relativ ruhig, aber dann kam dieser ganze Schlamassel mit Benno Ohnesorg, der Kampf gegen die US-Imperialisten in Vietnam, die Kriegstreiber auf der Hardhöhe. Dann das Attentat gegen Rudi Dutschke... Weißt du, da kam einfach alles zusammen. Der Sechstage-Krieg in Israel, die Unterdrückung des palästinensischen Volks... irgendwann musste einfach gehandelt werden!"
"Gehandelt??"
"Action speaks louder than words, Klaus! Es wurden Texte von Ulrike Meinhof verbreitet..."
"Ach ja! Rote Armee Fraktion!" Mein Gott, wann war das? Vor über 40 Jahren...., überlegte Klaus.
"Wir wollten die Welt verbessern, Klaus. Und Ulrike war die Erste, die uns dazu kluge Gedanken vermittelte. Die Frau war nicht doof..."
"Du warst in der R.A.F.??"
"Ein kleiner Fisch, weiter nichts. Ein Wasserträger, wenn du so willst."
"Wasserflaschen werden es ja wohl nicht gerade gewesen sein, die du nach vorne gebracht hast!" Er konnte es nicht glauben, das hier war viel zu verrückt.
"Natürlich nicht! Ich hatte Verbindungen zwischen einzelnen Zellen hergestellt. Briefe transportiert. Manchmal Geld."
"Gleich von Anfang an? Bei der ersten Generation hast du schon mitgemacht? Baader, Meinhoff, Raspe, Ensslin....Ich glaub es nicht...." Klaus war sprachlos.
"Sagen wir statt erster Generation lieber dritte Garde! Leute, die immer im Hintergrund blieben, die nie auf Fahndungslisten auftauchten."
"Aber...", Klaus holte Luft, "beim Briefe transportieren ist es dann nicht geblieben, nicht wahr?"
"Nein. Wir hatten angefangen, das Gewaltmonopol des Staates in Frage zu stellen. Und dann gab es eigentlich nur noch eine Konsequenz..."
"Der bewaffnete Kampf!"
"Ja, du sagst es. Natürlich ging das nicht alles von heute auf morgen, das hat schon seine Zeit gedauert. Und natürlich hatte niemand von uns Ahnung, wie man mit den ganzen Sachen umgeht; Pistolen, Sprengstoffe und so. Wir mussten das erst lernen. Da sind wir dann nach Jordanien gereist, dort bekamen wir eine Art militärischer Grundausbildung."
Klaus starrte die alte Dame sprachlos an. "Warst du nicht schon etwas zu alt für dieses Zeug...., diesen Kampf, wie du es nennst?"
Gertrud schüttelte den Kopf. "Wieso? Ich war vier Jahre älter als Ulrike Meinhof. Aber wie gesagt, ich war nie an Attentaten und diesen Dingen beteiligt."
"Willst du dich freisprechen?"
"Nein. Will ich gar nicht. Ich habe auch schwere Schuld auf mich genommen. Aber in unserer Rechtsprechung ist es immer noch ein Unterschied, ob man Briefe transportiert, deren Inhalt man nicht einmal kannte, oder ob man den Abzug einer Waffe durchzieht. So sehe ich es zumindest."
"Ansichtssache", flüsterte Klaus.
"Alles im Leben ist Ansichtssache! Wie gesagt, wie wollten, wenn auch nicht gleich die ganze Welt, so doch aber die Bundesrepublik verändern..."
"Was euch ja auch gelungen ist! Ich sage nur Notstandsgesetze, Radikalenerlass, Überwachung an allen Ecken und Enden..."
"Nein, es ist uns nicht gelungen. Leider. Was du beschreibst war nur die Reaktion der herrschenden Klasse, damit hatten wir nichts zu tun. Wir wollten Strukturen verändern, Ansichten und Einsichten. Aber das ist uns nicht gelungen. Nicht einmal durch den bewaffneten Kampf!"
"Terror! Ihr habt Unschuldige ermordet! Aber das scheint ihr ja bis heute nicht begriffen zu haben!"
Gertrud schwieg. Sie nahm einen letzten Schluck Kaffee, er war kalt geworden, sie setzte die Tasse etwas heftiger ab, als sie es beabsichtigt hatte. "Ja, vielleicht hast du recht. Nach Ulrikes Verhaftung änderte sich alles. Es fehlte uns jene Leitfigur, die sie zu Anfang des Widerstands gewesen ist!"
"Widerstand!! Wenn ich das schon höre! Klingt ja fast, als wolltet ihr euch auf eine Stufe mit den Attentätern vom 20. Juli gleichstellen!"
Sie brauchte nicht lange zu überlegen. "Ja, da hast du recht. Viele von uns sahen es wohl so. Aber du kannst diese Zeit nicht begreifen, wenn du nicht selber in ihr gelebt hast, Klaus!"
Gertrud zog sich ihre Strickjacke fester um die Taille. "Eigentlich war es da schon alles aus. Ulrike wurde 1972 verhaftet, ebenso wie Andreas Baader und Gudrun Ensslin. Ich hatte irgendwie Glück gehabt, holte Geld aus einem unserer Depots und verließ das Land. Ich reiste lange in der Weltgeschichte herum, Jemen, Indien, Nepal. und kam dann wieder zurück und ging in die DDR. Das war Anfang der 80er Jahre. Es ist mir immer noch schleierhaft, wieso ich nicht, so wie die Albrecht, die Viett und die anderen, aufgeflogen bin. Aber, wie gesagt, ich war ja nur ein Helfer im Hintergrund."
"Ganz schön verrückt", murmelte Klaus. Langsam hatte er an diesem einen Tag mehr zu hören bekommen, als er glaubte, verkraften zu können. "Und dann, nach dem Fall der Mauer 1989? Da war es dann vorbei mit dem revolutionären Eifer? Bist du dann wieder nach München zurückgekommen?"
"Nein," antwortete seine Großtante leise, aber bestimmt. "Der revolutionäre Eifer ist nie untergegangen. Aber ich musste einsehen, dass es sinnlos war, von einer Revolution zu träumen, solange die Menschen selbst die Schwächsten in der Gesellschaft unterdrücken! Und alle tun es! Nazis, Sozis, Kommunisten, Kapitalisten, Christen, Atheisten...."

Klaus sah Gertrud fragend an. "Wovon redest du?"
"Hast du dich nie gefragt, wieso die Ehe deiner Eltern in die Brüche gegangen ist?"
Klaus zuckte die Schultern und schüttelte den Kopf.
"Deine Schwester.... Diese ganze große Schwindelnummer, die sie dir vorgespielt haben..."
"Ich vermute, sie wollten mich beschützen. Sie müssen geglaubt haben, es sei leichter, mir den Tod meiner Schwester vorzugaukeln, als mich jedes Mal, bei jedem Besuch, wieder daran zu erinnern, dass ich Schuld an ihrem Schicksal hatte?"
"Du hast keine Schuld, Klaus! Du nicht! Hast du dich noch nicht gefragt, wieso deine Schwester behindert war?"
I c h h a be k e i n e S c h u l d Klaus glaubte nicht recht gehört zu haben. Wieso soll ich keine Schuld haben? Ich habe sie doch die verdammte Treppe hinuntergestoßen! "Ich... ich verstehe nicht. Wieso soll ich keine Schuld an ihrem Schicksal haben?" Verunsichert blickte er seine Großtante an.
"Erinnerst du dich noch, was die Pflegerin gesagt hatte?"
Klaus schüttelte den Kopf. "Nein, es war alles so viel..."
"Sie sagte, deine Schwester sei auf dem geistigen Niveau einer Zwei- bis Dreijährigen stehen geblieben. Sie war ja bereits ein behindertes Kind, als das mit der Treppe geschah."
"Äh, ja. Muss wohl. Aber, wieso war sie eigentlich behindert?"
Die alte Frau wich seinem Blick aus. Klaus sah, wie ihre Hand sich verkrampfte und zitternd zur Faust ballte. Aber sie schwieg.
"Gertrud! Wieso war meine Schwester behindert?"
Sie sah auf ihre Uhr, schüttelte den Kopf. "Du weißt es also nicht.....?"
"Ich weiß gar nichts!! Aber wenn du es weißt...., du musst es mir sagen! Was war geschehen? Hatte sie einen Unfall gehabt??" Ohne es zu merken hatte er den Arm seiner Großtante ergriffen und zu sich hingezogen.
Gertrud sah ihn an, alle Farbe war aus ihrem alten Gesicht gewichen. Klaus spürte, wie ihm das Blut sprichwörtlich in den Adern gefror.

Leise begann sie zu sprechen. "Deine Eltern...., nein, mit deinem Vater hat es angefangen. Kriegsfolgen, weißt du...."
"Kriegsfolgen? Was denn für Kriegsfolgen? Vater ist 1960 geboren. Der hat doch nie was vom Krieg mitbekommen!"
"Er nicht. Aber sein Vater. Dein Großvater. Er hat als kleines Kind den Krieg mitbekommen. Wann war er geboren..., wart mal, ´35 glaube ich. Ja, der hat hier in München die schweren Angriffe miterlebt; er hat viele Nächte im Bunker gesessen."
Klaus unterbrach sie. "Aber jetzt verstehe ich rein gar nichts mehr. Was soll denn Opa jetzt damit zu tun haben?"
"Ach," sagte sie, "ich weiß, das ist schwierig zu verstehen. Dein Opa hatte als Kind im Bunker gelernt, dass Kinder nicht schreien dürfen. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht! Das galt ganz besonders für Kinder. Da waren ja immer viele Kinder mit im Bunker, ich erinnere mich sehr gut. So etwas vergisst man nicht. Und ich sage dir, wenn eines anfing zu schreien, dann schrie bald die ganze Meute. Die armen Leute da im Bunker, die waren doch alle starr vor Angst! Ich sage dir, ein Volltreffer auf den Bunker, und alle wären mausetot gewesen! Hat es oft genug gegeben. Jeder wusste, dieser Angriff könnte der letzte sein. Stell dir mal so einen Bunker vor, dreifach belegt, über tausend Leute, die Luft knapp, die Beleuchtung schwach. Von draußen immer wieder der Lärm der explodierenden Bomben und Luftminen. Man könnte genau hören, wenn sie näher kamen. Und dann der Gestank! Überfüllte, verstopfte Toiletten, Menschen die vor lauter Angst nicht mehr an sich halten konnten... es war grauenvoll. Und wenn dann noch schreiende Kinder dazu kamen, dann war es die Hölle auf Erden. Bei jedem Angriff gab es Leute, die nur noch tot aus dem Bunker herauskamen!"
"Ja, das war bestimmt schrecklich. Aber ich verstehe immer noch nicht, was das mit Magdalena zu tun hat!"
"Deine kleine Schwester war ein sehr unruhiges Kind. Sie schrie sehr viel...."
"Ja?" Klaus packte sie wieder am Arm.
"Dein Vater.... er, er hatte es von seinem Vater gelernt: Kinder dürfen nicht schreien! Er hat sie geschüttelt, wieder und immer wieder, bis sie still war." Tränen liefen ihr über die Wangen.
"Oh mein Gott! Aber, das ist doch verrückt. Vater hat doch nie in so einem Bunker gesessen!!"
"Er nicht. Aber sein Vater. Und das Trauma, das dieser damals erlebt hat, hat er unbearbeitet an deinen Vater weitervererbt."
Klaus sah sie an, schüttelte den Kopf. "Nein...."
"Doch Klaus, das gibt es. Leider. Aber damit nicht genug. Auch deine Mutter hatte Probleme mit deiner Schwester. Sie hatte keine Geduld, explodierte in wahren Gewaltorgien, wenn das Kind nicht spurte. Sie hat sie an den Schultern gepackt und mit dem Kopf gegen die Wand geknallt, wenn sie nicht weiterwusste. Deswegen ist deine Schwester behindert. Jetzt weißt du es, Klaus." Sie sackte zusammen.

Es war unfassbar. Nein, ich glaube es einfach nicht!, dachte er, keiner weiteren Regung fähig. "Woher weißt du es?" Skepsis schwang in seinen Worten mit.
"Sagen wir einfach, ich weiß es", antwortet die alte Frau müde.
"Nein." Klaus protestierte. "Nein, Gertrud, das reicht mir nicht. Du erhebst ungeheuerliche Vorwürfe gegen meine Eltern... woher willst du das alles wissen? Bist du selber dabeigewesen? Und warst du nicht eigentlich in der DDR geblieben?"
"Die DDR gab es da schon lange nicht mehr. Ich kam 1990 zurück nach München. Versuchte irgendwann einmal, Kontakt zu meiner Schwester aufzunehmen. Lernte Leute kennen, die mit ihr und deinen Eltern befreundet waren. Sie hatten es gesehen, auch wenn sich deine Eltern immer Mühe gegeben hatten, nicht aufzufallen..."
"Aber so etwas muss doch auffallen!" Klaus schlug mit der Faust auf den Tisch. Im Kindergarten, oder bei ärztlichen Untersuchungen. Und wieso hat denn da nie jemand Anzeige erstattet?"
Gertrud gab einen langen Seufzer von sich. "Vergiss nicht: dein Vater hatte hier studiert, hier in München. Er kannte viele Leute noch aus seiner Studienzeit. Und im Kindergarten ist deine Schwester nie gewesen.
Ein Albtraum, dachte er. Ich habe nur einen schlimmen Albtraum! "Und dann habe ich sie die Treppe hinuntergestoßen, Lenchen kam ins Pflegeheim, mir gaukelte man vor, sie sei gestorben, und dann ließen die Eltern sich scheiden und Mutter ging mit mir nach Italien. Großmutter übernahm alles, was mit Lenchen zusammenhing, und als ich dann ins schulpflichtige Alter kam und Mutter die Stelle bei Radio Vatikan bekam, dann übernahm Großmutter mich auch noch, bis ich dann auf dieses Internat abgeschoben werden konnte!" Er schüttelte den Kopf, es war jetzt mehr, als er verkraften konnte.

"Ja, Klaus, so in etwa war es. Eine schlimme Zeit. Deine Eltern hielten es nicht mehr aus, dem Anderen ins Gesicht zu blicken. Sie sahen, wie in einem Spiegel, immer nur ihre eigene Schuld. Und die wollten sie nicht sehen. Es war, nach Magdalenas schrecklichem Unfall, klar, dass deine Eltern nicht zusammenbleiben konnten."
"Aber... aber, du sprachst von einem Trauma. Dann hat zumindest Vater wohl keine Schuld an seinem Verhalten?"
"Doch, Klaus, die hat er. Das unbewusst an ihn weitervererbte Trauma befreit ihn nicht von seiner persönlichen Schuld. Was er getan hat ist ein unentschuldbares Verbrechen. Wir können uns nicht immer freikaufen, indem wir die Geister der Vergangenheit bemühen. Ein jeder Mensch ist für sein Tun und Handeln verantwortlich! Unschuldig sind allein die Kinder...."

Die alte Dame raffte sich auf. "Es ist spät geworden. Rufst du mir bitte ein Taxi, Klaus?"
Er überhörte ihre Bitte. "Und ich? Wie bin ich damit fertig geworden? Nachdem man mir also vorgemacht hatte, meine Schwester sei gestorben?"
Sie sah ihn an, so als erblickte sie ihn gerade zum ersten Mal. "Du? Du hattest angefangen, ins Bett zu machen und aufgehört, zu sprechen. Besser wurde es erst, als du die Sachen deiner Schwester für dich entdecktest!"
"Ihre Sachen? Du meinst ihre Spielsachen?"
"Nein. Nicht ihre Spielsachen. Ihre Sachen... ihre Kleider und Röcke. Du hattest sie angezogen. Wenn du sie trugst, dann schien es dir gut zu gehen. Dann redetest du auch wieder. Deine Mutter fand das ganz in Ordnung, aber für deinen Vater war das letztendlich Grund genug, die Scheidung einzureichen. Natürlich nur ein billiger, für ihn willkommener Vorwand, vor seiner eigenen Verantwortung fliehen zu können!" Sie stand auf. "So, ich muss dann mal so langsam. Komm, ruf mir bitte mal ein Taxi, ich muss sehen, nach Hause zu kommen.

Das Taxi kam wenig später. Sie verabschiedeten sich voneinander, nachdem Gertrud Klaus ihre Adresse gegeben hatte. Sie wollten sich wiedertreffen.
Klaus schloss die Tür hinter sich; er hatte dem Taxi und seiner Großtante lange hinterhergewunken. Neue Bänder waren an diesem Tag geknüpft worden, aber andere schienen für immer zerstört.
Es war dunkel im Haus. Er würde Licht machen müssen....
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Daniela 20
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  RE: Schuld (Fortsetzung von ´Agonie´) Datum:13.11.17 13:38 IP: gespeichert Moderator melden


13.11.2017

Liebe Leser! In wenigen Wochen werde ich hier im Forum den fünften und

abschließenden 'Band' meiner München-Trilogie vorstellen - was diese somit zu einer

Pentalogie macht.

Wie immer wird es den Winter hindurch jeden Sonntagabend um 22 Uhr ein neues

Kapitel geben. Meine Begründung für diesen Termin ist einfach: Macht Euch erst ein

schönes Wochenende! Kümmert Euch um Familie und Freunde, gern auch etwas um

ein gemütliches Zuhause. Und zum Schluss dann gibt es von mir ein wenig zur

'geistigen Erbauung'.... hihi.

Teil 5 unter dem Titel "Versöhnung" setzt, zum besseren Verständnis, die Kenntnis der

ersten vier Teile voraus. (Zuspätgekommene werden bei mir nicht vom Leben bestraft!)

Klar, lesen kann man den neuen Teil auch ohne Vorkenntnis, aber besser ist es schon,

wenn man weiß, warum alles so kommt, wie es kommen musste.

Um es dem Leser einfacher zu machen, möchte ich nun hier die Teile "Herbstferien"

(1.Teil), "Frust" (2.Teil), "Agonie" (3.Teil) und "Schuld" (4.Teil) ein wenig nach vorne

bringen.

Wenn Ihr Meinungen oder Kritik habt, schreibt sie bitte nicht hier, sondern in der

Rubrik 'Diskussion über Stories', unter der Überschrift 'München-Trilogie'!

Herzlichen Dank und bis bald!

Eure Daniela 20
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