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Amgine
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  RE: Sechs Monate Datum:13.10.22 13:50 IP: gespeichert Moderator melden


Lieber Deep Wishes,

weiterhin vielen Dank für die tolle Geschichte.
Ich hoffe ja sehr, dass es bald weitergeht.

Liebe Grüße, Aleks
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Deep Wishes
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  RE: Sechs Monate Datum:26.10.22 18:07 IP: gespeichert Moderator melden


Nun hat Katrin aber wirklich lange genug im Rolli auf dem Flur gestanden... Die Geschichte geht weiter.

Auf Bewährung

Nach einiger Zeit höre ich die Stimme von Schwester Gerda: „Na, Frau Ferner, wieder im Lande? Jasmin wird Sie erst einmal in eines der Zimmer für Neuzugänge schieben und dann erkläre ich Ihnen, wie es weitergehen soll.“ Mein Rollstuhl setzt sich in Bewegung und ich werde über den Flur in ein leeres Zimmer geschoben.
Dort stellen sich Gerda und Jasmin vor mich hin. „Also“, fängt die Schwester an, „Frau Dr. Hartmann schlägt vor, die sensorische Deprivation in den nächsten 48 Stunden nach und nach zurückzunehmen. Jasmin wird sich weitgehend um Sie kümmern. Wenn alles gut läuft, sind Sie also in zwei Tagen wieder in Ihrer Gruppe. Wenn es von Ihrer Seite Schwierigkeiten gibt, werden die restriktiven Maßnahmen wieder verstärkt und Sie gehen eventuell auf die D zurück. Dann aber für länger. Verstanden?“ Ich nicke. „Gut, betrachten Sie es als eine Art Bewährungszeit. Sie werden hier in diesem Zimmer für zwei Tage wohnen, essen und schlafen. Das Wetter ist gut, Jasmin wird gleich mit Ihnen einen Spaziergang im Park machen. Sie werden keine Schwierigkeiten machen und falls doch, wird es sofort Konsequenzen geben.“ Ich nicke wieder. „O.K.,“ sagt sie, „wir haben uns verstanden, dann ab nach draußen.“ Das Wetter ist wirklich schön, ich genieße die Sonne, höre die Vögel und fühle die frische Luft.

Nach einiger Zeit kommt Schwester Gerda dazu: „So, Frau Ferner, alle ihre Mitpatientinnen der W2 sind nun im Aufenthaltsraum versammelt und warten auf Sie. Ich möchte, dass alle erfahren, welche Konsequenzen permanentes Fehlverhalten hat. Und dazu bieten Sie das beste Beispiel. Ich freue mich schon darauf, anhand Ihrer Person allen eine Warnnug zu geben. Jasmin, schieben Sie die Patientin bitte zur W2 zurück.“

Ich ahne, was kommen wird, ich will das nicht, ich will nicht zur Schau gestellt werden, nicht vor allen. Ich versuche zu widersprechen, aber es ist so sinnlos, das Mundgitter lässt nur Grunzlaute zu.

Und dann werde ich in den Aufenthaltsraum gerollt. Wegen meiner dicken Brillengläser kann ich niemand der anderen erkennen, ist vielleicht auch besser so. Ich muss aber Schwester Gerdas Vortrag über mich ergehen lassen, die nicht müde wird, sich über mein Verhalten auszulassen und welche tollen Maßnahmen ergriffen werden mussten. Alle müssen nun näherkommen und sich um mich herumstellen, während die Schwester erklärt und erklärt. Und ich mittendrin, vollständig im Rollstuhl fixiert, meine Hände in den steifen Handschuhen, das Gitter vor den Mund geschnallt und mein Kopf samt Helm bewegungsunfähig an der Kopfstütze beschäftigt. Das einzige, was ich tun kann, ist, die Augen zu schließen, und loszuschreien. Und das mache ich auch. Ich schreie und blöke immer lauter, rüttele, so gut es geht, in meinen Fixierungen, bis Schwester Gerda ihrer Vorführung ein abruptes Ende machen muss: „Jasmin, bringen Sie die Verrückte auf ihr Zimmer.“

Dort lässt mich Jasmin endlich aus dem Rollstuhl; ich darf mich wieder bewegen, nur die Handschuhe muss ich noch anbehalten. Am Abend gibt mir Jasmin zu essen, und zum Schlafen ist natürlich Vollfixierung angesagt. Das Mundgitter wird mir auch wieder angelegt.

Der nächste Tag verläuft ganz ruhig und harmonisch. Ich benötige keine Windel mehr, nur beim Spaziergang stecken meine Hände in einem Fesselgurt, zwischendurch darf ich etwas lesen, und statt des Mundgitters legt Jasmin mir den Maulkorb an. Immerhin kann ich nun wieder sprechen. Alles in allem macht Jasmin das gar nicht so schlecht, sie ist doch feinfühliger als ich dachte. Wir unterhalten uns sogar ganz nett, über sie, über mich, Geplauder über Musik und Filme, mal gar nicht so übel.

Die letzte Nacht darf ich sogar unfixiert verbringen, nachdem ich versprochen habe, meinen Maulkorb aufzulassen. Und dann sind die 48 Stunden schon so gut wie vorbei, ich habe die Bewährungszeit hinter mir.


Das Wiedersehen

Am Nachmittag bringt mich Jasmin zu Schwester Dorothea. Die geht mit mir ins Sprechzimmer, wo mich eine mir unbekannte junge Ärztin begrüßt. „Ich bin Marion Herenthal“, stellt sie sich vor, „und bin hier Assistenzärztin. Ich war vorher auf einer anderen Station und bin seit ein paar Tagen hier.“ „Frau Dr. Hartmann hat uns einen Kurzbericht über Ihren Aufenthalt auf Station D geschickt und bis auf den Konflikt mit Frau Kessler ist er recht positiv“, fährt Frau Herenthal fort und lächelt mich an. Ich finde sie sofort sympathisch und erkläre ihr, wieso ich die ersten Tage gar nicht so schlimm fand und dass es mir gut tat, mich nützlich zu machen. „Nun“, meint Frau Herenthal, „wo Sie dran arbeiten müssen, ist Ihr Konfliktverhalten. Da müssen wir Ihre Therapie mehr drauf abstimmen. Bei Frau Kessler natürlich auch. Außerdem halten wir es für das Beste, wenn Sie beide sich möglichst aus dem Weg gehen. Deshalb ist Frau Kessler jetzt auf der Nachbarstation, der W 1. Wir denken, das ist für Sie beide hilfreich.“ Ich atme innerlich auf, das hört sich ja alles gar nicht so schlecht an. „Morgen beginnen wieder Ihre Therapien – hier ist der Plan“, und ich bekomme einen bunten DIN A4-Zettel überreicht. Und mit den Worten „ich wünsche Ihnen ein gutes Wiedereinleben“ bin ich entlassen.
Schwester Dorothea nimmt mir den Helm und den Maulkorb ab und bringt mich nun in den leeren Aufenthaltsraum, wo ich darauf warte, dass das Nachmittagsprogramm der anderen zu Ende geht, und wo ich natürlich sehnsüchtig auf Melanie hin fiebere.

Irgendwann geht die Türe auf, ich höre einen Freudenschrei und dann spüre ich mich nur noch in den Arm genommen und ganz fest gedrückt. Melanie scheint mich gar nicht mehr los lassen zu wollen. Ich bin einfach nur froh, kann aber auch nicht mehr und fange an zu weinen. Ich lasse die Tränen laufen, Melanie drückt mich an sich und lässt mich ihre Nähe spüren.

Und dann ist am Rest des Tages viel erzählen. Melanie hatte von Sven erfahren, dass ich auf Station D sei und das Schlimmste befürchtet. Ich erzähle vom Käfig, von Elfriede und meiner Arbeit, von den Tagen im Rollstuhl. Melanie ist eine gute Zuhörerin, ich fühle mich bei ihr so gut aufgehoben. „Weißt du“, sagt sie, „als wir dich im Park getroffen haben - mich hat es geschaudert. Was musst du durchgemacht haben!“ „Oh, ich habe mich so geschämt“, antworte ich, „auch als mich Gerda euch später noch zur Schau stellte. Die wissen schon, wie sie einen klein machen können.“

Ihr Urlaub hat Melanie richtig gutgetan. „Es war ziemlich harmonisch“, erzählt sie, „und besonders mein Vater hat sich total viel um mich gekümmert. Wir haben ein bisschen die Zukunft geplant. Du kommst doch aus Hannover?“ Ich nicke. „Nun, mir und auch meinen Eltern ist sehr daran gelegen, dass ich mein Studium wieder aufnehme. Meine Mutter hat sich vorgenommen, nicht mehr so zu klammern, und es ist jetzt gut möglich, dass ich mein Studium in Hannover fortsetze. Dann können wir uns ganz oft sehen!“ Dieser Gedanke gefällt mir wirklich sehr gut. Ich denke, ich habe doch eine große Wohnung für zwei, vielleicht können wir ja sogar zusammenwohnen, wage es aber nicht, diesen Gedanken schon auszusprechen. Ich bin jetzt einfach nur froh, dass Melanie wieder da ist und ich eine Perspektive sehen kann. „Melanie, das wäre großartig“, sage ich, „allein der Gedanke daran macht mich schon froh.“


Der Abschied

Ich bin froh, dass das Leben hier für mich nun wieder seinen gewohnten Gang nimmt. Keine Fixierung mehr, kein Knebelgeschirr, keinen Helm und mit den neuen Gläsern in der Brille kann ich mich ausreichend orientieren, weiter entferntes aber auch gut ausblenden. Regelmäßige Therapien, dazwischen ausreichend freie Zeit, das Wetter zeigt sich schon fast frühlingshaft und Melanie und ich haben viele Gelegenheiten, miteinander zu reden und Zukunftspläne zu schmieden.

Eigentlich alles in Ordnung, doch ich weiß, dass Melanie bald gehen möchte. Einmal ist sie zum Gespräch bei Frau Dr. Schardtwald und kommt freudig erregt zurück. „In drei Tagen ist es so weit. Ich fahre nach Hause. Sie sagen, ich hätte mich ausreichend stabilisiert. Um mich zu testen, hätten mich Pfleger und Schwestern immer wieder mal versucht zu provozieren, aber das hätte ich noch niemals gemerkt“, strahlt sie. „Ich glaube, ich habe es geschafft.“ Ich freue mich für meine Freundin, gleichzeitig ist mir zum Heulen. Ich weiß, ich bin noch nicht so weit wie sie, ich brauche noch Zeit. Und ich habe Angst vor der Zeit ohne Melanie.

Dann ist es so weit. Melanies letzte Nacht in der Klinik. Am Abend vorher hat sie ihre Sachen gepackt und wir haben noch einen ruhigen, vertrauten Abend gehabt. Melanie wird nun wirklich nach Hannover ziehen und ihr Studium fortsetzen. Sie hat eine neue Perspektive gewonnen, die würde ich mir auch für mich wünschen…

Am Morgen kommt das Taxi und wir verabschieden uns herzlich aber nur kurz. Ich mag keine Szenen. Und dann ist sie weg. Es ist noch Zeit bis zur Musiktherapie und ich sitze im Aufenthaltsraum und lasse meinen Tränen freien Lauf. Wenigstens ein kleiner Lichtblick, denke ich, ab morgen ist Schwester Yvonne wieder im Dienst. Aber so richtig trösten kann mich das gerade auch nicht. Ich habe die Brille abgesetzt, weil die Gläser sonst von den Tränen verschmiert würden und schluchze vor mich hin. Da höre ich die schnarrende Stimme von Schwester Gerda: „Nun reißen Sie sich mal zusammen. Sie machen mit ihrem Gegreine noch alle Patienten verrückt.“ „Ach, lassen Sie mich doch in Ruhe“, schluchze ich. „Und setzen Sie sofort Ihre Brille auf. Was soll das denn?“, fährt sie mich an. Da werde ich laut: „Sind Sie taub? Sie sollen mich in Ruhe lassen!“ „Oh, da wird jemand mal wieder frech“, keift Schwester Gerda. „Sie haben wohl Sehnsucht nach Station D?“ Ich springe auf, werfe die Brille in die Ecke und laufe aus dem Raum, bevor ich explodiere – und gleich zwei Pflegern in die Arme. Beide halten mich fest und fragen: „Sollen wir helfen, Gerda?“ „Die Ferner mal wieder“, ist die Antwort. „Die wird wieder frech. Ich denke, sie braucht mal ein bisschen Druck.“ Ich winde mich im harten Griff der Pfleger, schreie, strampele mit den Beinen, aber die beiden heben mich einfach hoch. Die drei bringen mich in ein Zimmer und während mich die Männer halten, holt Schwester Gerda die Zwangsjacke. „Nein“, schreie ich. „Bitte nicht. Bitte nicht wieder die Zwangsjacke. Ich habe doch nichts getan.“ „Oh doch“, sagt die Schwester, „und nun Arme nach vorne. Und wenn Sie sich noch weiter wehren, dann sorge ich dafür, dass Sie unverzüglich auf die D kommen. Da wären Sie meiner Meinung nach sowieso besser untergebracht.“ Ich merke, dass alles keinen Zweck mehr hat und lasse mir widerstandslos die Zwangsjacke anziehen. Bitte nur nicht wieder nach Station D. Und während ich weiter festgehalten werde, setzt Schwester Gerda mir den Ballknebel ein – „Der ist gut gegen Schreien.“ – so dass ich nur noch grunzen kann. Dann holt sie meine Brille, setzt sie mir auf und stülpt mir meinen braunen Lederhelm über – was habe ich den vermisst! Ich werde in einen tiefen Rollstuhl gesetzt, mein Oberkörper wird mit einem Brustgurt festgeschnallt, die Beine werden ebenfalls fixiert und dann wünscht mir Schwester Gerda einen entspannten Vormittag. Arthur und der andere Pfleger schieben mich auf den Flur, ziehen die Bremse fest und lassen mich dort stehen.

Ich habe die Zwangsjacke hier in der Klinik ja schon einige Male verpasst bekommen. Ich kenne das Gefühl des Verpacktseins, der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins. Und im Prinzip bin ich damit bisher immer ganz gut klar gekommen. Das soll heute auch nicht anders sein, nehme ich mir vor. Bloß nicht wieder auf Station D. Ich habe Angst, dass ich dann für immer dort bleiben muss.
Ich sitze im Rollstuhl, schaue auf das Muster des Linoleumbodens und hänge so meinen Gedanken nach. Ich will nur noch hier weg, doch wohin genau weiß ich nicht. Tränen verschmieren die Brillengläser, bald kann ich gar nichts mehr sehen und erschöpft döse ich ein. Ich merke, wie ab und zu jemand kommt und nach mir sieht. Das ist aber schon alles und gottseidank werde ich in Ruhe gelassen.

Mittags kommt Jasmin, die ich an ihrer Stimme erkenne. Die hat mir gerade noch gefehlt, denke ich. „Sie machen aber auch Sachen“, erklärt sie mir, „ich soll sie zum Mittagessen bringen.“ Und dann nimmt sie mir den Knebel ab und schiebt mich in den Speisesaal, wo sich gefühlt zwölf Augenpaare nach mir umdrehen. In der Zwangsjacke gefüttert zu werden, ist immer ein besonderes Erlebnis. Toll, wie Jasmin mit dem Löffel vor meinem Mund herumfuchtelt. Aber irgendwann ist auch das überstanden.

Dann schiebt mich Jasmin in mein leeres Zimmer. Arthur ist so nett, mich aus dem Rollstuhl zu befreien und mir den Helm und die Zwangsjacke abzunehmen. Dann hängt er beides mit einem diabolischen Grinsen auf einen Kleiderbügel an den Schrank. Nun schnell zur Toilette und dann ab zur Mittagsruhe. Zum Glück unfixiert, ich habe wohl schon genug gebüßt.


Wieder ein Froschgesicht

„Sie haben den Anweisungen des Personals Folge zu leisten“, weckt mich die Stimme von Frau Dr. Hahn. „Das ist Teil des Therapiekonzeptes und gilt immer. Bei Verfehlungen gibt es Konsequenzen. Das wissen Sie doch.“ Ich setze mich verwirrt hin und stottere: „Aber ich habe doch nur…“ „Unterbrechen Sie mich nicht“, schneidet mir die Ärztin das Wort ab. „Das ist ja nicht das erste Mal, dass es Schwierigkeiten gibt. Tagelang geht alles gut und dann…“ Sie zuckt mit den Schultern. „Schwester Gerda ist gar nicht zufrieden mit Ihnen und ich kann ihr nur recht geben. Sie haben heute Nachmittag Gesprächstherapie?“ Ich nicke. „O.k. Sprechen sollen Sie auch, es gibt ja anscheinend genug Klärungsbedarf.“ Mittlerweile sehe ich Arthur, wie er den Rollstuhl vor mein Bett schiebt. „Bitte nicht schon wieder“, bettele ich, „bitte nicht wieder in den Rollstuhl.“ „Sie haben sich eigenständig die Brille abgesetzt, obwohl das verboten ist. Sie waren unverschämt zu Schwester Gerda. Sie sind weggelaufen und Sie haben sich gegen zwei Pfleger zur Wehr gesetzt.“ „Das ist nicht wahr“, schreie ich. „Und Sie bezichtigen mich der Lüge“, kommt die prompte Antwort. „Aber das können Sie ja gleich Ihrem Therapeuten erzählen.“ „Und wenn Sie jetzt nicht Ruhe geben, dann muss das leider warten“, fügt die Ärztin drohend hinzu. „Der Auszeitraum ist gerade frei.“

Oh, wie ich diese Frau hasse! Sie ist die Schlimmste von allen. „Machen Sie sich bitte im Bad frisch und ziehen Sie eine Windel an“, befiehlt sie mir. Ich stehe auf und gehe ins Bad. Dort denke ich über meine Möglichkeiten nach. Wahrscheinlich werde ich wieder in den Rollstuhl gesetzt, keine tolle Vorstellung. Aber einfach abhauen geht auch nicht, da hätte ich keine Chance. Ich mache mich schnell fertig, gehe zurück aufs Zimmer und nehme mir vor, alles über mir ergehen zu lassen. „So, nun für den Rest des Tages in den Rollstuhl, damit Sie uns nicht wieder weglaufen“, befiehlt die Ärztin. Arthur hält mich am Oberarm und ich setze mich in den Rollstuhl. Bei jedem Gurt, den er schön fest zuzieht, kichert er in sich hinein. Der Oberkörper, die Beine, selbst die Handgelenke werden am Rollstuhl fixiert.

„Nun“, fragt Frau Dr. Hahn, „wissen Sie noch, was ich Ihnen gesagt hatte, als sie schon einmal ohne Brille erwischt wurden?“ Ich glaube, ich weiß, worauf sie hinaus will. Wieder diese schreckliche Schwimmbrille? „Ich hatte meine Brille nur abgenommen, weil…“, möchte ich sagen. „Sie haben Ihre Brille nicht nur abgenommen sondern auch im Effekt durch den Raum geschleudert, das läuft unter Fehlverhalten“, unterbricht mich die Ärztin. „Sie erinnern sich an dieses hübsche Modell?“ fragt sie und holt dabei jene scheußliche Schwimmbrille aus ihrer Kitteltasche, die ich schon einmal tragen musste. „Da sind noch Ihre Gläser vom letzten Mal drin. Das war ja jetzt in dieser Hinsicht ihre zweite Verfehlung“, fährt sie fort, „das heißt - und so ist die Sanktion, die ich ihnen auch angekündigt hatte - Sie tragen diese Brille jetzt eine Woche ununterbrochen, verstanden?“ „Nein, bitte nicht, bitte, bitte nicht“, flehe ich. „Arthur“, sagt die Ärztin. Und Arthur zieht mir die Schwimmbrille über den Kopf, so dass sie schön stramm sitzt. Augenblicklich verfällt die Umgebung wieder in Dunst und Nebel. Dann wird das, was in der Nähe ist, wenigstens ein bisschen klarer. Ich bekomme noch mit, wie mir der Helm aufgesetzt wird. Klar, der darf nicht fehlen, wenn ich wie ein Depp aussehen soll.
„So, ab mit Ihnen zur Therapie. Arthur bringt sie hin. Und wenn es heute noch einmal Probleme gibt – auf Station D ist immer ein Bett für Sie frei.“ Und mit diesen Worten bin ich entlassen.

Die heutige Gesprächstherapie lasse ich mehr oder weniger über mich ergehen und antworte nur einsilbig. Ich schäme mich so. Der Psychologe möchte mir entlocken, was mich in die Fixierung gebracht hat. Ich würde es ihm vielleicht erzählen, wenn wir allein wären, jedoch nicht vor den anderen. Am Ende der Sitzung hält er mich zurück. „Frau Ferner, Sie müssen schon mehr kooperieren“, ermahnt er mich. „Beim nächsten Mal“, verspreche ich, „heute ging es einfach nicht.“ Und dann steht schon Arthur in der Tür und bringt mich in den Aufenthaltsraum.

„Wann darf ich denn endlich aus dem Rollstuhl raus?“ frage ich ihn. „Vor dem Abendessen“, verspricht er mir und rollt mich auf den Flur. Anne und Amelie kommen zu mir, als er gegangen ist, und flüsternd erzähle ich ihnen, was mir heute passiert ist und wie es mir geht. Wie gut tut es, als sie mich ganz fest drücken. Ich bin doch nicht alleine hier.

Überraschung am Abend. Melanies Bett ist frisch bezogen. „Morgen kommt jemand neues auf Ihr Zimmer“, erklärt mir Arthur, als ich brav ins Bett gegangen bin. Vorher hatte Jasmin mir eine Nachtwindel angezogen. Mir schwant deshalb Böses. Tatsächlich, und dann fixiert mich Arthur an Füßen, Händen und am Rumpf. „Hatte Jasmin mittags ja nicht gemacht und einen ordentlichen Rüffel bekommen. Muss sein, sagt die Ärztin“, kommentiert er. Die Brille muss ich natürlich aufbehalten. Ich lasse alles geschehen, möge der Tag nur vorbei gehen. Aber innerlich bebe ich vor Zorn. Ich habe so gut wie nichts Schlimmes getan und werde den ganzen Tag über bestraft. Ich halte lieber den Mund, habe keine Lust auf einen Knebel. Aber als ob Arthur meine Gedanken geahnt hätte, holt er mein Knebelgeschirr aus dem Nachtschränkchen und legt es mir mit einem zufriedenen Grinsen an. Na wenn schon, das werde ich auch überleben. Ich grunze ein „fi**k dich“ in den Knebel und warte, bis er endlich geht.

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  RE: Sechs Monate Datum:27.10.22 10:49 IP: gespeichert Moderator melden


Oh wei oh wei, ich fürchte, dass der Aufenthalt von Frau Ferner noch verlängert werden muss. Aber ich kann sie gut verstehen, ich glaube, es würde mir genauso gehen.
Bitte schnell weiterschreiben, es ist echt spannend.
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Deep Wishes
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  RE: Sechs Monate Datum:27.10.22 15:31 IP: gespeichert Moderator melden


Kim

Am Morgen weckt mich eine gut gelaunte Yvonne. „So, da bin ich wieder“, begrüßt sie mich, „ich hatte eine Woche frei, war noch Alturlaub. Ich habe gerade die Dokumentation gelesen, Sie haben wohl gestern eine Menge Ärger veranstaltet. Aber bestimmt wird heute ein besserer Tag.“ Ich schaue sie mit großen Augen fragend an. Welche Lügen und Übertreibungen haben die denn in die Berichte geschrieben, frage ich mich.

Yvonne löst meine Fixierungen und ich setze mich vorsichtig auf den Bettrand. Sie nimmt mir das Knebelgeschirr ab und ich sprudele los: „Ich habe gestern gar nichts gemacht, war nur so traurig wegen Melanie.“ „Naja, es stand da etwas von weglaufen und herumschreien“, antwortet Yvonne. „Ja, das stimmt, aber Schwester Gerda hat mich einfach nicht in Ruhe gelassen.“ „Am besten vergessen Sie das Ganze. Die Kollegin hat nun drei Tage frei und Sie können diesen Tag einfach neu beginnen.“ Na, die hat gut reden, denke ich, schon mal einen ganzen Tag unfreiwillig im Rollstuhl verbracht?

„Sie haben ja das frisch bezogene Bett gesehen. Gestern ist jemand neues gekommen. Sie heißt Kim Lorenz und ist ein wenig jünger als sie. Ich glaube 19“, erzählt Yvonne, „ es geht, wenn ich es richtig gelesen habe, bei ihr um selbstverletzendes Verhalten. Ritzen in exzessivem Maße. Vielleicht haben Sie ja Lust, sie etwas unter Ihre Fittiche zu nehmen.“
„Und kriegt sie das gleiche Willkommensprogramm wie ich?“, frage ich Yvonne. „Wie meinen Sie das?“ kommt die Gegenfrage. „Zwangsjacke, Knebel und Gummizelle und dann zur Schau gestellt zur Abschreckung“, ist meine prompte Antwort. „Das entscheiden die Ärzte“, Yvonne zuckt mit den Schultern, „komm, machen Sie sich fertig.“
Heute nach dem Frühstück ist erst mal eine Gymnastikeinheit. Ich freue mich schon darauf und hoffe auf andere Gedanken zu kommen. Die Erlebnisse gestern machen mir sehr zu schaffen, ich fühle mich so ungerecht behandelt und bin heilfroh, Schwester Gerda drei Tage nicht zu begegnen.

Mittags schaue ich mich im Speisesaal um, kann aber niemand Unbekannten entdecken. Gerade habe ich mich zur Mittagsruhe auf mein Bett gelegt, schieben Sven und Arthur einen Rollstuhl herein. Darin sitzt eine Frau, doch viel kann ich nicht von ihr erkennen. Auch ihr hat man eine dicke Brille verpasst und sie hat natürlich einen hübschen Lederhelm auf. Ich gehe etwas näher heran und erkenne, die Frau ist bewusstlos und ihr Kopf etwas zur Seite gesackt. Ihre Hände stecken in Fäustlingen.

„Tja, Frau Ferner, in unserem Beruf gibt es doch immer wieder was Neues“, meint Arthur zu mir, „diese Patientin ist gerade frisch angekommen und schon beim Eingangsgespräch mit der Ärztin völlig ausgetickt. Bekam sofort eine Beruhigungsspritze, weil alles andere keinen Sinn mehr hatte, und schläft nun schon seit zwei Stunden. Wir legen sie jetzt ins Bett und Sven hat ein Auge drauf.“
Die beiden heben die Frau ins Bett und mir fällt auf, wie klein und zart sie ist. Sie wird natürlich sorgfältig fixiert, auch der Kopf wird nicht vergessen. „Die wird sich wundern, wenn sie aufwacht“, meint Arthur, „willkommen auf der W 2, Frau Lorenz.“

Wenig später - ich bin alleine mit ihr im Zimmer – merke ich, dass sie aufwacht. Sie rüttelt an ihren Handgurten, versucht den Kopf zu heben und fängt dann an zu schreien. Ich bin sofort bei ihr, lege ihr vorsichtig die Hand auf den Mund und versuche sie zu beruhigen: „Sei lieber still jetzt. Warte, ich erkläre dir alles.“ Frau Lorenz schaut mich mit vor Panik groß aufgerissenen Augen an und wimmert: „Nein, nein.“ „Pst“, mache ich, „pst.“ Da kommt schon Sven ins Zimmer und guckt mich fragend an. Dann setzen wir uns an beide Seiten des Bettes und sprechen mit ihr. Sven kann ja recht empathisch sein und auch jetzt erfasst er gut die Situation. Er hält sich mehr im Hintergrund, während ich eine Hand der Frau fasse und mit ihr rede. „Du, ich bin Katrin. Ich bin auch eine Patientin wie du und schon länger hier. Wenn du kannst, werde ruhig oder stell Fragen, aber bloß keine Schreie mehr, bitte!“ Sie guckt mich mit ihren von den dicken Gläsern vergrößerten Augen an: „Ich kann nichts sehen. Ich kann mich nicht bewegen. Was habt ihr mit mir gemacht?“ Sven schaltet sich ein: „Ich werde Sie gleich losmachen. Aber hören Sie erst einmal zu!“

„Also, wie gesagt, ich bin Katrin. Und wie heißt du?“ „Kim“, murmelt sie. „Du warst schon bei der Ärztin?“ frage ich. „Ja, aber ich kann mich an nicht mehr viel erinnern.“ „Frau Lorenz“, schaltet sich Sven ein, „Sie sind hier, um ihr selbstverletzendes Verhalten therapieren zu lassen. Frau Dr. Schardtwald hat Ihnen unser Konzept erklärt. Ein Baustein sind verschiedene Maßnahmen zur Reizreduzierung. Deshalb tragen Sie in der nächsten Zeit diese Brille mit den ziemlich starken Gläsern, um Außenreize zu minimieren. Haben Sie verstanden?“ „Aber ich kann doch nichts sehen“, stammelt Kim. Sven macht die Fixiergurte los. „Jetzt setzen Sie sich erst einmal hin.“

Kim setzt sich mühsam auf. „Erkennst du mich?“ frage ich. „Ja“, sagt Kim und zu Sven gewandt, „und Sie auch. Aber dahinter ist alles verschwommen.“ „Das soll wohl so sein“, bemerke ich. „Du wirst dich daran gewöhnen. Guck mich an, wie ich aussehe. Aber es gab genug Situationen, da fand ich es gar nicht so schlecht, alles ausblenden zu können.“ „Und wenn Sie Kopfschmerzen bekommen sollten, können wir Ihnen gerne etwas dagegen geben“, ergänzt Sven. „Im Übrigen wird die Stärke der Gläser nach und nach reduziert.“
„Und warum war ich hier festgeschnallt“, fragt Kim. „Das ist zu Beginn bei allen Neupatienten üblich. So lange, bis wir sicher sind, dass keine Fremd- oder Selbstgefährdung vorliegt. Frau Dr. Schardtwald hatte Ihnen vorhin einiges zu unserer Verhaltenstherapie erklärt“, erklärt der Pfleger, „dabei ist wichtig, dass Sie wissen, wie bei negativem Verhalten sanktioniert wird. Als sie Ihnen die Zwangsjacke zeigte, sind Sie ziemlich aggressiv geworden und konnten sich kaum beruhigen. Wir mussten Ihnen deshalb eine Beruhigungsspritze geben.“ Sven schaut auf seinen Pieper. „Ich bin gleich wieder da. Frau Ferner, bleiben Sie bitte bei Frau Lorenz, ja?“ „Mach ich, Sven“, sage ich und bin froh, kurz mit Kim allein zu sein.

Sie ist so jung und zart und tut mir fast ein bisschen leid mit der monströsen Brille und dem Lederhelm. „Du, Kim, ein Rat vorweg. Du kannst dir hier nichts, aber auch gar nichts leisten. Alles wird sofort bestraft. Gutes Verhalten aber auch belohnt. Zuckerbrot und Peitsche halt. Und ich glaube, du hast noch Glück heute, dass nicht die andere Schicht da ist. Sven und Schwester Yvonne sind echt nett. Auch mit Frau Dr. Schardtwald und Frau Herenthal lässt sich reden. Wenn die anderen da sind, Frau Dr. Hahn oder Schwester Gerda musst du erst recht aufpassen.“ „Wo bin ich hier nur gelandet?“ fragt Kim. „Bist du nicht freiwillig hier?“ frage ich zurück. „Na, so halb. Ich war wegen Ritzen und eher halbherzigen Suizidversuchen schon dreimal in der Jugendpsychiatrie. Und da ich die Medikamente nur schlecht vertrug, meinte mein Psychiater, eine Verhaltenstherapie sei einen Versuch wert. Die Alternative wäre die längerfristige Zwangseinweisung.“ „Melanie, die bis gestern auf diesem Zimmer war, hat das hier alles geholfen“, sage ich, „bei mir bin ich da nicht so sicher.“ „Aber man hat hier genug Zeit, miteinander zu reden“, fahre ich fort, „und die meisten Therapien sind auch nicht schlecht. Aber es gibt hier halt ein ganz rigides Bestrafungssystem, um wie sie sagen, die Selbststeuerung zu stützen.“

„Und was passiert jetzt?“ fragt mich Kim. „Ich vermute, dass übliche Programm“, ist meine Antwort, „Kennenlernen der Bestrafungen. Ich musste eine Zwangsjacke anziehen, wurde mit einem Knebel ruhig gestellt und kam in den Auszeitraum, sprich Gummizelle.“ Kim guckt mich ungläubig an. „Sven weiß vielleicht mehr.“
Da kommt Sven auch schon wieder zurück. „Frau Lorenz, ich soll Sie jetzt sofort zur Ärztin bringen. Das Gespräch geht weiter. Und ich möchte Sie in Ihrem eigenen Interesse bitten, zu kooperieren.“ „Und was macht ihr jetzt mit mir?“ fragt Kim den Pfleger. „Wahrscheinlich werden Sie die Schutzjacke anziehen und den Auszeitraum kennenlernen. Aber nur für eine kurze Zeit und nun kommen Sie. Frau Ferner werden Sie, wenn alles gut läuft, zum Abendessen wiedersehen.“ Und dann schließt Sven einen Gurt um Kims Hüften, befestigt ihre Fäustlinge daran und führt sie aus dem Zimmer.

Ich bleibe zurück und denke an meine ersten beiden Tage. Melanie im Rollstuhl fixiert auf dem Flur, ich mittags auch im Rollstuhl und zur Schau gestellt, mein erster Zusammenstoß mit Schwester Gerda, was war ich abends fertig!
Meine Kunsttherapie beginnt erst in einer dreiviertel Stunde, vielleicht bekomme ich ja mit, wie es Kim ergeht. Ich gehe Richtung Gemeinschaftsraum und warte dort an der Tür. Und richtig, nach kurzer Zeit kommen Sven und ein anderer Pfleger, haben Kim in ihrer Mitte und bringen sie in die Gummizelle. Wie nicht anders zu erwarten, hat sie die Zwangsjacke an. Und der Ballknebel darf natürlich auch nicht fehlen.


Ein Gespräch bei Frau Dr. Schardtwald

Das Leben in der Klinik nimmt nun wieder seinen normalen Lauf. Tagsüber verschiedene Therapiestunden, abends recht früh ins Bett, nennenswerte Konflikte bleiben zum Glück aus. Ich bemühe mich um Kim, aber sie ist ziemlich verschlossen, wenn nicht sogar eingeschüchtert. Von sich aus spricht sie kaum, stellt wenig Fragen, die ganze Kommunikation mit ihr ist eher eine Art Einbahnstraße. Sie wirkt auf mich wie ein verschrecktes Reh, die Augen, welche durch die Brille stark vergrößert sind, immer ängstlich aufgerissen. Ihre Hände stecken den ganzen Tag in Fäustlingen, die ihr nur beim Essen abgenommen werden und die eine Selbstverletzung unterbinden sollen. Kim scheint sich in alles zu fügen. In den Nächten ist sie allerdings sehr unruhig, sie schläft schlecht und die Fixierung macht ihr zu schaffen.

Meine Strafe, sieben Tage mit dieser scheußlichen Schwimmbrille, wurde noch verschärft. Auch ich muss jetzt die Schutzhandschuhe tragen und werde im Bett wieder am Rumpf, den Beinen und den Handgelenken fixiert, weil ich es einmal gewagt habe, diese Brille mal kurz abzusetzen. Damit das nicht noch mal vorkommt, müssen diese Maßnahmen sein, wird mir erklärt. Was bin ich froh, als die Woche vorbei ist und ich das Teil loswerden kann! Aber die Abdrücke um meine Augen werden mich noch einige Tage begleiten.

Nach drei Wochen werde ich zu einem Gespräch zu Frau Dr. Schardtwald beordert. Großer Bahnhof, anwesend sind auch Frau Dr. Hahn und die junge Assistenzärztin Frau Herenthal. „Ja, Frau Ferner“, beginnt die Chefärztin, „nun sind Sie schon fünf Monate bei uns. Bald läuft die Maßnahme aus, spätestens dann müssen wir sehen, wie es weitergeht. Sie sind freiwillig zu uns gekommen und können nach Ende der Maßnahme wieder gehen. Das wissen Sie.“ „Aber natürlich unter dem Vorbehalt, dass nichts vorkommt, was eine Zwangseinweisung nach sich führt,“ ergänzt Frau Dr. Hahn. Ich nicke und denke, das hättest du wohl gerne. „Über Ihre Entwicklung sind wir durchaus unterschiedlicher Ansicht“, fährt die Chefärztin „Ich bin aber ein positiv eingestellter Mensch und sehe trotz aller Rückschläge vor allem die positiven Tendenzen. Und beides gibt es bei Ihnen. Uns ist vor allem aufgefallen, dass sich trotz einiger Vorkommnisse ihr Sozialverhalten gebessert hat. Deshalb gehen wir davon aus, dass Sie mit äußeren Reizen nun besser zurechtkommen und wir auf künstlich hervorgerufene Reizreduzierung verzichten. Sprich: Sie versuchen es ohne Brille und tragen Ihre normale Kleidung. Sollte es zu negativen Zwischenfällen kommen, werden die Ihnen bekannten Therapiemaßnahmen wieder in Kraft treten. Haben Sie noch Fragen dazu?“ Ich lächele sie an, bedanke mich für das Vertrauen und setze die Brille ab. Wie immer sehe ich zuerst unscharf, doch dann kann ich die Umwelt wieder genauer fokussieren.

„Sie müssen klare Vorstellungen darüber entwickeln, wie Ihr Leben nach einer möglichen Entlassung aussehen soll“, erklärt die Ärztin weiter. „Das wird das übergeordnete Ziel der Therapie in der nächsten Zeit sein. Sollten Sie nach den insgesamt sechs Monaten der Ansicht sein, Sie seien noch nicht gefestigt genug für eine Entlassung und entspricht das auch unserer Wahrnehmung, so benötigen wir einen richterlichen Beschluss. Das wird dann eine temporäre Zwangseinweisung sein.“ – Bei dem Wort zucke ich zusammen. – „Und weil das hier eine Modellstation mit wenigen Plätzen und hoher Anfrage ist, müssten wir Sie dann erst einmal auf Station C oder D unterbringen.“

Mir wird heiß und kalt zugleich, als ich das höre. Innerlich bin ich hin und hergerissen. Die Klinik hat trotz allem etwas Geborgenes für mich, aber auch natürlich etwas sehr Einschränkendes. Es tut gut, von allen Verpflichtungen frei zu sein, nicht alles selbst bestimmen und entscheiden zu müssen, andererseits sehne ich mich nach Freiheit, nach Privatsphäre, shoppen zu gehen, ins Cafe zu gehen, ins Kino, mal andere Menschen zu treffen. Und habe doch Angst davor, dass es schief geht.
Ich antworte ausweichend: „Die Station D kenne ich. Was ist denn Station C?“ „Relativ viele restriktive Maßnahmen bei Patientinnen, die wir allerdings noch nicht als austherapiert ansehen“, antwortet Frau Dr. Hahn. „Um sich ein Bild davon zu machen, können Sie gerne ein paar Tage dort verbringen. Das würde gehen.“ „Ehrlich gesagt, ich weiß noch nicht so recht, was ich möchte. Habe ich noch Zeit zu entscheiden?“ „Natürlich“, antwortet Frau Dr. Schardtwald, „sofern nichts Gravierendes vorfällt, sollten wir in zwei Wochen ausführlich darüber sprechen.“

Und damit bin ich entlassen. Schwester Dorothea kommt mit und gibt mir auf meinem Zimmer meine Reisetasche und meine bei der Ankunft getragenen Sachen zurück. Ich finde es toll, nun wieder ganz normal herumlaufen zu können. Es ist ein seltsames Gefühl, auf einmal keine Brille mehr zu tragen. Eine Brille aufzusetzen finde ich ja faszinierend, nein fast erregend – und jetzt zum ersten Mal nach Wochen ohne Gestell auf der Nase zu sein, ist schon komisch.

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  RE: Sechs Monate Datum:29.10.22 12:20 IP: gespeichert Moderator melden


Der Zwischenfall

So langsam scheint Kim Vertrauen zu mir zu fassen. In der freien Zeit und beim Essen sucht sie meine Nähe, spricht mich nun auch häufiger an. Sie erzählt mehr von sich, von ihrem Zuhause, den Schwierigkeiten mit ihren Eltern, ihrem übermächtigen Drang sich selbst weh zu tun, wenn sie gestresst ist. Sie fragt mich danach, wie ich hier zurechtkomme, ob ich schon einmal bestraft worden bin. Um Kim nicht Angst zu machen, gehe ich bei dieser Frage nicht allzu sehr ins Detail ein, lasse aber durchblicken, dass man gut beraten ist, sich möglichst zu kontrollieren.

Mit dem eingeschränkten Sichtfeld tut sich Kim schwer. Ein paar Mal ist sie schon gestürzt und konnte sich wegen der Fäustlinge nicht richtig abstützen. Der Helm und ihr gut gepolsterter Overall verhinderten Schlimmeres. Beim letzten Mal hat sie sich dann, noch auf dem Boden sitzend, die Brille abgesetzt und weggelegt. Ich setzte sie ihr schnell wieder auf, bevor das negativ auffiel. Danach ihr trauriger Blick wie bei einem verwundeten Tier…
Das hatte übrigens dann doch jemand vom Personal bemerkt; Arthur legte Kim gleich den Hüftgurt um und fixierte ihre Handgelenke an den Seiten. Ja, es entgeht ihnen nichts.

Einmal morgens nach dem Aufwachen, als Kim noch schlafend im Bett lag, habe ich mal ihre Brille aufgesetzt. Die Gläser müssten ungefähr die gleiche Stärke haben wie meine am Anfang; ganz schön heftig die Einschränkung - wie wird die Welt um einen klein, wenn man kaum einen Meter weit scharf sehen kann.

Es ist ein regnerischer Samstagnachmittag. Vor ein paar Tagen ist Schwester Gerda zur Oberschwester befördert worden. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung wie es heißt. Wenn nun, wie es schon mal am Wochenende vorkommt, eine Ärztin für mehrere Stationen zuständig ist, hat sie auf unserer Station das Sagen.

Wir Frauen sind im Gemeinschaftsraum, sehen fern, andere spielen zusammen oder blättern in Zeitschriften. Da höre ich ein regelmäßiges patschendes Geräusch, das immer lauter wird. Ich sehe Kim am Fenster stehen. Sie schlägt sich immer kräftiger mit ihren in Fäustlingen steckenden Händen gegen ihren Lederhelm. Kim wirkt wie in Trance. Ich stehe auf und rufe: „Hey, Kim, hey, hör mal“, um sie aus ihrer Abwesenheit herauszuholen. Kim hört kurz auf, schaut herüber und schlägt dann weiter. Ich laufe zu ihr hin und halte ihre Hände fest. „Frau Lorenz, was machen Sie denn da?“ höre ich die Stimme der Oberschwester und an mich gewandt: „Und Sie, Frau Ferner, mischen sich da nicht ein.“ Ich lasse Kims Hände los, die sofort wieder beginnt, sich an den Kopf zu schlagen. Oberschwester Gerda stellt sich vor Kim hin, will gerade nach Kims Händen greifen, da stößt Kim die Schwester mit ihren Fäustlingen gegen den Oberkörper. Sehr weh kann das nicht getan haben, doch die Oberschwester schnaubt: „Diese Attacke wird Konsequenzen haben.“ Dann verlässt sie den Raum.

Ich nehme Kim in den Arm, sie fängt an zu weinen und kuschelt sich an mich. Auch alle anderen Frauen sind zu uns gekommen, Anne streichelt Kim über die Schultern, Amelie hockt vor ihr und hält Kims Hände.
Die Oberschwester und die Pfleger Sven und Arthur eilen in den Raum, Arthur mit einem weißen Päckchen unter dem Arm. „Frau Lorenz, Sie kommen bitte sofort mit“, kommandiert Schwester Gerda. Ich erkenne, dass Arthur eine Zwangsjacke mitgebracht hat, und versuche zu intervenieren. „Kim hat sich doch schon fast beruhigt. Wir kümmern uns um sie.“ Anne und die anderen nicken. „Mischen Sie sich nicht in therapeutische Maßnahmen ein“, ist die barsche Antwort, „Frau Lorenz, los mitkommen!“ Arthur greift nach Kims Arm, die sich nur noch fester an mich klammert. „Bitte, lassen Sie sie hier“, bettele ich, „wir kriegen das schon hin.“ „Gerda,“ wendet nun Sven ein. „Nun mach mal halblang, die Situation ist doch unter Kontrolle.“ Nun hat die frisch ernannte Oberschwester Angst, ihr Gesicht zu verlieren. „Habe ich um deinen Rat gefragt?“ faucht sie Sven an und greift dann unwirsch nach Kims Arm. Doch die anderen Frauen haben den Kreis um Kim und mich, Gerda und Arthur geschlossen, es wird unruhig und ungemütlich für die beiden. Sie wagen es nicht, Kim herauszuholen. Die Oberschwester richtet sich auf: „Das ist Aufruhr, Rebellion!“ und mit einem Blick auf mich: „Und ich weiß, wem ich das zu verdanken habe. Arthur, kommen Sie!“ Und beide stampfen aus dem Raum.

So eine Situation haben wir hier noch nie erlebt. Wir sind erst einmal ein bisschen baff, doch nach einer Weile wird die Tür erneut aufgerissen und die Oberschwester in Begleitung von sechs Pflegern kommt entschlossen auf uns zu. „So, jetzt ist Schluss mit lustig! Bernd und Arthur, Sie nehmen Frau Lorenz.“ Wir merken, dass wir jetzt keine Chance mehr haben, und lassen Kim los. Die wird von den beiden Männern in die Mitte genommen und dann in einen Rollstuhl bugsiert, den ein dritter Pfleger in den Raum fährt. Kim schreit, weint und tobt, doch natürlich kann sie nichts gegen die drei machen. Im Rollstuhl festgeschnallt wird ihr ein Knebel verpasst und dann von Arthur und Bernd aus dem Gemeinschaftsraum gefahren. „So, ab in die Weichzelle!“ hören wir noch Arthur rufen.

„So und jetzt zu uns beiden“, spricht mich die Oberschwester an. „Was fällt Ihnen eigentlich ein, hier solch einen Aufruhr zu veranstalten?“ „Aber ich habe doch nur…“, will ich sagen, doch Schwester Gerda schneidet mir das Wort ab: „Sie haben hier gar nichts zu sagen. Ich werde dafür sorgen, dass entweder Sie oder diese Frau Lorenz auf ein anderes Zimmer kommen. Diese Zweisamkeit scheint Ihnen ja nicht gut zu tun. Und zum Glück können wir heute schon damit anfangen. Eddie?“ wendet sie sich an einen Pfleger, „zieh ihr die Jacke an“, und an die anderen: „Wenn noch jemand Lust hat, sich in Dinge einzumischen, die einen nichts angehen; nur zu: Auszeiträume gibt es hier mehr als einen.“

Einen Moment überlege ich, die Schwester beiseite zu schubsen und wegzulaufen, doch ich realisiere schnell, dass ich nichts mehr ausrichten kann. Auch die anderen Frauen wirken eingeschüchtert. Da mischt sich Sven noch einmal ein: „Gerda, komm, lass uns eben miteinander sprechen. Wir können das hier noch zu einem vernünftigen Ende führen.“ „Sven“, zischt sie zurück, „hast du mich nicht verstanden? Ich brauche deinen Rat nicht. Und wenn du so weitermachst, brauchen wir hier auch deine Arbeit nicht mehr. Ich kann gut auf dich verzichten.“ Dann baut sich Eddie vor mir auf und befiehlt: „Los, die Arme nach vorne!“ Dann stülpt er die Ärmel der Zwangsjacke über meine Arme. Der Mistkerl zieht dann die Riemen und Schnallen besonders fest zu, so dass mir fast die Luft wegbleibt. Alsdann verschränkt er meine Arme und Schwester Gerda befestigt die Enden an meinem Rücken. Sie lässt es sich auch nicht nehmen, den Schrittgurt so stramm zu ziehen, dass es richtig weh tut. „So gefallen Sie mir schon besser“, murmelt sie dabei. Es ist Sven, der einen tiefen Rollstuhl bringt. Ich werde hineingesetzt und die Oberschwester selbst beginnt mich zu fixieren. „Ich habe Sie schon länger nicht mehr mit einem Ballknebel gesehen“, meint sie hämisch und zwei Minuten später hat ihn schon einer der Männer geholt und mir angelegt.

Die anderen Frauen haben erschrocken zugesehen. „Falls sich noch jemand mit mir anlegen will…“, schnaubt die Oberschwester herausfordernd und blickt fragend in die Runde. „Frau Ferner werden Sie so schnell nicht wiedersehen. Übrigens, Frau Ferner“, wendet sie sich mir wieder zu, „ ihr latent aggressives Verhalten, das schreit förmlich nach einer richterlichen Verfügung und einer Zwangseinweisung. Wir werden das im Leitungsteam sehr bald besprechen.“

„Soll sie nicht besser noch eine Brille tragen?“ fragt Eddie. „Das ist eine sehr gute Idee“, antwortet die Oberschwester. „Damit Frau Ferner Dinge, die sie nichts angeht, gar nicht erst bemerkt. Und bringen Sie dann bitte auch einen Helm mit.“
Eddie ist sofort zurück und hält in der Hand eine schwarzrandige Brille mit dicken, großen Gläsern und einem Gurt zusätzlich zu den Bügeln. „So, Frau Ferner, dann wollen wir mal“, murmelt er, setzt mir die Brille auf und befestigt sie mit dem Gurt an meinem Hinterkopf. Die weichen Ränder der Brille drückt er etwas an meine Gesichtshaut, so dass sie hauteng sitzt. Augenblicklich verschwimmt die Welt im Nebel. Dann wird der Ballknebel noch mal schön stramm gezogen und der Helm auf meinen Kopf gestülpt und unter dem Kinn festgemacht. „So, fertig für Station D“, meint Gerda, „erst mal auf unbestimmte Zeit. Habe gerade mit denen gesprochen. Auf der 2 ist noch ein Bett frei. Da ist das volle Programm für Sie vorgesehen. Ja, Frau Ferner, ich glaube, so schnell werden wir uns nicht wiedersehen.
Tja, D wie dauerhaft,“ fährt sie fort, „aber ich glaube, ich übernehme demnächst mal eine Vertretung dort, um zu gucken, was aus Ihnen geworden ist. Darauf freu ich mich jetzt schon.“
Ich werde auf den Flur geschoben, während die Oberschwester telefoniert. „Sven“, erteilt sie den Befehl, „auch wenn du mir gerade unqualifiziert widersprochen hast, du kannst deinen Fehler wieder gut machen. Bring unsere Patientin auf Station D 2. Die wissen dort schon Bescheid.“

Sven schiebt mich schnell über den Flur und dann in den Fahrstuhl. Als die Tür zu ist, öffnet mir Sven den Knebel und ich bringe ein schnelles „muss ich jetzt für immer auf Station D bleiben“ heraus. Er schüttelt den Kopf: „Dafür muss ein richterlicher Beschluss her. Und den müssen die Ärztinnen erst einmal beantragen. Ich habe alles mitbekommen, weil ich an der Tür stand. Auch Yvonne hat den Vorfall mitgekriegt. Ich weiß, dass Sie nichts Schlimmes gemacht haben, dass Sie ruhig geblieben sind und nur Ihre Hilfe angeboten haben. Aber das hat die Oberschwester wohl als Kratzen an ihrer Macht gesehen.“ Er schaut mich an: „Heute lässt sich nichts mehr machen. Morgen werde ich versuchen, mit Frau Dr. Hahn zu sprechen. Doch ehrlich gesagt habe ich wenig Hoffnung, dass sie eingreifen wird. Sie wissen schon, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Aber am Montag hat zuerst Frau Herenthal Dienst und mittags kommt noch die Chefärztin dazu. Denen werde ich erzählen können, was heute passierte. Die müssen Sie rausholen.“

Und damit geht die Aufzugstür wieder auf, Sven schließt schnell den Knebel und übergibt mich an Pfleger Eddie. Der hat schon die Tür zur Gummizelle aufgeschlossen und fährt mich bis an die Tür. Dann lösen beide die Gurte, helfen mir aus dem Rollstuhl und führen mich in die Zelle. Es wird von außen abgeschlossen und ich lasse mich in der Ecke auf den Boden sinken. Um mich herum sehe ich nur verschwommenes Weiß.

Kurze Zeit später kommen zwei fremde Schwestern herein. „Frau Ferner, kommen Sie bitte mit, wir ziehen Ihnen jetzt eine Windel an.“ Die beiden helfen mir an den Griffgurten der Jacke hoch und führen mich in einen anderen Raum. Dort setze ich mich zunächst auf eine Liege und dann umschließen die Schwestern sofort mit festen Gurten meine Unterschenkel. Eine fragt: „ Können wir davon ausgehen, dass Sie kooperieren, wenn wir Ihnen eben die Schutzjacke ausziehen, um Ihnen eine Windel anzulegen?“ Ich grunze bereitwillig. Dann lösen sie die Zwangsjacke und ziehen sie mir aus. Sofort werden meine Handgelenke an der Liege festgegurtet und dann machen sich beide an mir zu schaffen. „Sie wird ja nun etwas länger unsere Patientin sein“, meint eine der beiden, „nach allem, was bisher vorgefallen ist, ist das vielleicht auch besser so.“ „Ja, die Kleine soll wohl auf unbestimmte Zeit bei uns bleiben“, sagt die andere, „Gerda hat so etwas angedeutet. Ich glaube, Elfriede war ungefähr im selben Alter, als sie kam, oder? Mal eben den Po hoch. Und die ist immer noch hier.“ „Das war vor meiner Zeit“, sagt die erste Schwester wieder. „Heinz und Ingeborg haben es bei der hier ja auf die pädagogische Tour versucht. Gebracht hat es ja nicht viel, wie es aussieht.“ Mittlerweile bin ich unten herum schon gut verpackt. „Aber die hier kennt ja schon die Station D und wird sich hier sicher bald gut einleben. Bleibt ihr ja auch nichts anderes übrig, wir sollen die harte Tour fahren.“ Mich durchfährt bei diesen Worten ein eisiger Schreck. Das klingt so endgültig, was sie sagen. Bin ich jetzt für immer weggesperrt? Ich denke an Elfriede, die schon seit dreißig Jahren hier ist, und mir wird einen Moment übel. „So, Frau Ferner, mal eben hinsetzen.“ Die beiden lösen die Handgurte und helfen mir auf. „So, und die Arme schön nach vorne.“ Sie ziehen mir die Zwangsjacke wieder an, ziehen die Gurte auf meinem Rücken besonders fest – „die lockern sich schon von selbst etwas“ – und dann verschränken sie meine Arme und befestigen die Gurte. „Es besteht die Anweisung,“ erklärt mir nun eine der beiden, „dass Sie rund um die Uhr eine Windel tragen sollen und für die nächste Zeit auch wieder die Schutzjacke. Die Brille ist so angepasst, dass Sie sie problemlos immer tragen. Die sitzt hundertprozentig. Und sprechen dürfen Sie auch nicht.“ Ich stöhne in meinen Knebel hinein. Ich kann dank der dicken Brillengläser wenig mehr als die Gesichter der Frauen erkennen. Dann ziehen sie mir über die dicke Windel eine gelbe Gummihose und dann eine Art Jogginghose. Anschließend wird der Schrittgurt der Zwangsjacke wieder schön stramm gezogen.

Das harte Plastik der Gummihose schließt sich kalt und unangenehm um meine Oberschenkel. Ich bekomme eine Gänsehaut an den Beinen. Bei jedem Schritt scheuert das Gummi an ihnen. Dass es heute elegantere Möglichkeiten als dieses Gummihose gibt, scheint sich noch nicht bis hierhin durchgesprochen zu haben. Aber vielleicht ist sie auch eine beabsichtigte Demütigung.

Die beiden führen mich zurück in die Gummizelle, wo ich mich erschöpft auf den Boden sinken lasse. Nach einer halben Ewigkeit kommt wieder eine der beiden Schwestern herein. Sie hat Essen dabei, eine klein geschnittene Käsebrotscheibe, und ich lass mich mal wieder füttern. Dann gibt es noch etwas Saft aus dem Schnabelbecher und fertig ist das erlesene Abendessen. Eddie und Bernd stellen mich auf die Füße und bugsieren mich in ein bereit stehendes Netzbett. Sie fixieren erst meine Fußgelenke, ziehen mir dann die Jacke aus und ich bekomme dicke Fäustlinge angezogen. Dann werde ich an Rumpf, Handgelenken und Schultern sorgfältig am Bett fixiert, den Helm nehmen sie mir ab. Die Brille mit den riesigen Gläsern lassen sie mir auf. Und dann bekomme ich auch noch mein Knebelgeschirr angelegt. Sie fahren mich in ein Zimmer – ein bekannter Mief aus schlechter Luft, Urin und Schweiß – und stellen das Bett mit dem Kopfende an eine Wand. In diesem Zimmer kann ich nichts erkennen. Aber von den Geräuschen her scheinen noch mindestens drei weitere Betten besetzt zu sein. Ich kann aber nicht ausmachen, ob jemand darin liegt, den ich kenne.

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  RE: Sechs Monate Datum:02.11.22 10:48 IP: gespeichert Moderator melden


Die arme Frau Ferner,
sie kann ja machen was sie will, es ist immer falsch und wieder bekommt sie eine Strafe. Bestimmt wird sie auch nicht nach 6 Monaten entlassen, sie muss sicher noch länger bleiben.
Ich bin gespannt, hoffentlich geht es bald weiter.
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I'am Imposible
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  RE: Sechs Monate Datum:02.11.22 11:46 IP: gespeichert Moderator melden


In solch einer Anstalt sind meistens die, die etwas zu sagen haben, die verrücktesten. Oder zumindest die sadistischsten. Das zeigt sich ja hier.

Wenn sie nichtmal positiv (also helfend) auf äußere Eindrücke reagieren darf, kann ich mir sehr gut vorstellen, daß ihr jetzt alle äußeren Reize erst mal komplett verwehrt werden. Schwarze Brille, das hören verhindern, Über Tage/Wochen noch viel strammer dauernd fixiert im Bett in dem Raum, in dem sie sich gerade befindet. Wer weiß, was ihr noch alles passieren wird. Ich bin gespannt. Mit der Entlassung nach 6 Monaten rechne ich nicht mehr.
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Deep Wishes
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  RE: Sechs Monate Datum:02.11.22 19:36 IP: gespeichert Moderator melden


Der Sonntag

Ich bin etwas stolz auf mich, am Nachmittag wenigstens ein bisschen Zivilcourage gezeigt zu haben und dabei ganz ruhig geblieben zu sein. Ob ich mich auf Sven verlassen kann und sein Versprechen, dafür zu sorgen, dass ich bald wieder von hier wegkomme? Vielleicht gibt es ja Differenzen bei den Ärztinnen und wenn Frau Dr. Schardtwald vielleicht auf meiner Seite ist?
Ich kann schlecht einschlafen, es ist zu warm, zu stickig, die Brille und das Knebelgeschirr nerven, zu viele Gedanken wirbeln mir durch den Kopf. Was macht Kim gerade? Wie wird sie bestraft? Gummizelle oder noch mehr? Und ich weiß, wenn ich wieder auf der W 2 bin, wird es nicht mehr lange dauern und ich werde gehen. Schwester Gerdas Regiment ertrage ich nicht.

Nur: hoffentlich komme ich bald von dieser Station hier weg. Vielleicht bin ich aber auch für sie mittlerweile ein austherapierter Fall, der wie Elfriede den Rest seines Lebens in der Geschlossenen bleiben muss. Ich bekomme Angst. Dieser Gedanke wird für mich immer größer und wahrscheinlicher.

Irgendwann wecken mich die typischen Krankenhausgeräusche des frühen Morgens aus einem unruhigen Schlaf. Nachdem ich von Schwester Margot aus dem Bett geholt wurde, werden mir die Fäustlinge und das Knebelgeschirr abgenommen und ich darf mich kurz waschen. Ich bekomme dann neben Windel und Gummihose einen netten Zweiteiler angezogen. Man macht sich nicht die Mühe, viel mit mir zu sprechen oder irgendetwas zu erklären. Ich frage höflich, was jetzt passieren wird, bekomme aber nur ein „erst mal Sicherheitsverwahrung“ hingemurmelt.

Eddie und ein fremder Pfleger ziehen mir wieder die Zwangsjacke an und legen mir Fußfesseln an. Dann ab in den Rollstuhl, natürlich den Helm auf, und ehe ich mich versehe, finde ich mich in einem der Käfige wieder, die ich ja schon einmal kennenlernen musste. Mit einem „Frühstück kommt gleich“ gehen die beiden Pfleger. Kurz danach kommt einer der beiden zurück, es ist Eddie, legt mir ein Plastiklätzchen um und stopft mir ungeduldig das Frühstück in den Mund. Ich protestiere gegen diese Behandlung, doch der Pfleger lässt sich nicht beirren. Als er fertig ist, hält er einen Ballknebel dicht vor mein Gesicht: „Damit Sie endlich mal lernen, den Mund zu halten“, und legt ihn mir an. Ich kann wieder nur grunzen und fühle mich so erniedrigt. Und dann werde ich aus dem Rollstuhl herausgeholt, auf eine Liege gesetzt und allein gelassen. Auf der Liege ist irgendetwas Weißes. Ich versuche, das genauer zu erkennen und stelle fest, dass das ein komplettes S-Fix-System sein muss. „Und übrigens“, kommt Eddies Warnung, „die Gurte hier auf der Liege, die sind für Sie, wenn Sie sich nicht ruhig verhalten.“

Irgendwann am Vormittag bekomme ich Besuch. Frau Dr. Hahn persönlich erscheint, in Begleitung von Pfleger Eddie. Sie bleibt vor dem Käfig stehen und ich erkenne sie nur an ihrer Stimme. „Guten Morgen, Frau Ferner“, begrüßt sie mich. „Da ist ja gestern einiges vorgefallen.“ Und zu Eddie: „Sie und Ihre Kollegen haben es aber gut gemeint. Lassen Sie das mal mit den Fußfesseln und der Jacke. Ich denke, der Fesselgurt um die Hüfte reicht. Und statt Ballknebel – Sie haben doch hier so schöne Mundgitter. Legen Sie ihr das doch an, dann brauchen Sie auch nicht so oft nach ihr zu sehen. Nicht wahr, Frau Ferner, manchmal ist es besser, wenn man nicht so viel redet. Und, Eddie, wenn es wieder schlimmer werden sollte, sofort Vollfixierung, o.k.?“ Eddie verschwindet und kommt dann mit den benötigten Sachen zurück. Und dann, während Eddie mich umzieht, nimmt die Ärztin mich ins Gebet: „Sie sind doch Altenpflegerin und wissen, wie es in der Pflege aussieht. Die Arbeit unseres Personals ist schon schwer genug, da müssen Sie ihm nicht noch in den Rücken fallen. Denken Sie mal darüber nach. Heute werden Sie dazu genug Zeit haben.
Am Mittwoch ist großes Ärzte-Meeting. Da wird sicher auch Ihr Fall besprochen. Es wird mein Wunsch sein, dass wir Ihre Akte zusammen mit den neuesten gestrigen Entwicklungen ans Amtsgericht schicken, wo dann ein richterlicher Beschluss Ihre weitere Unterbringung betreffend erfolgen wird. Oberschwester Gerda hat mit mir gesprochen und mir alles erzählt. Das war nun innerhalb kurzer Zeit Ihre zweite Attacke auf sie.“ Ich protestiere: „Das ist doch gar nicht wahr. Ich habe die Schwester doch gar nicht angefasst.“ „Die Schwester sagt aber etwas anderes“, ist die Antwort, „wie es für mich aussieht, liegt bei Ihnen neben all dem anderen mittlerweile auch eine Realitätsverschiebung vor. Und Sie scheinen ja ganz genau zu wissen, was für andere Patienten besser ist und was nicht. Diese Übergriffigkeit und dazu dieses aggressive Verhalten – das deutet auf eine Schizophrenie im Anfangsstadium hin. Ich werde es mir mal notieren. Auf jeden Fall bleibt bei Ihnen für die nächste Zeit die Sicherungsverwahrung bestehen.“ Und weg ist sie und lässt mich geschockt im Käfig stehen.

Mir ist total zum Heulen, aber Eddie lässt mir keine Zeit. Er nimmt mir kurz den Helm ab, platziert das Gitter auf meinem Mund und zieht die dünnen Lederriemen an meinem Kopf stramm. Anschließend aber schnell den Helm auf und dann bin ich wieder alleine.

Wegen den Handfesseln und dem Mundgitter bin ich der Ärztin fast ein wenig dankbar. Das Mundgitter ist doch um einiges angenehmer als der Ballknebel, weil es sich besser atmen lässt. Allerdings hat Eddie es so stramm gezogen, dass es bestimmt Abdrücke an meinem Mund hinterlässt. Und ohne Fußfessel und Zwangsjacke lässt sich der Tag sicher einigermaßen überstehen. Ob Sven vielleicht doch etwas bei ihr bewirkt hat und sie deshalb die Bestrafung ein wenig zurücknimmt?

Der Tag zieht sich endlos. Ich bin die einzige in diesem Raum, die Tür zum Gemeinschaftsraum ist geschlossen; nur ab und zu kommen Eddie oder Bernd herein, um nach mir zu sehen. Das Mittagessen, natürlich gefüttert, lasse ich über mir ergehen, danach muss ich aber nötigst auf die Toilette. Das sage ich Eddie, als er mir nach dem Essen das Mundgitter wieder anlegt. Doch der zuckt nur mit den Achseln und fragt mich, warum ich heute wohl eine Windel trage.

Später und wieder allein überkommt mich ein seltsames Zittern. Ist es die Anspannung, ist es Verzweiflung, ist es Panik? Oder die Isolation? Liegt es an den dicken Brillengläsern, mit denen ich wie durch dichten Nebel sehe und mit denen ich nichts erkennen kann? Ich trage sie jetzt fast 24 Stunden ununterbrochen und kann sie nicht einfach absetzen. Ich zittere unaufhörlich, obwohl mir nicht kalt ist, und stöhne laut. Ich weiß nicht, was mit mir los ist und ich bekomme Angst. Damit jemand kommt, werde ich noch lauter und werfe mich ein paar Mal gegen den Maschendraht. Immer heftiger, immer schneller, ich weiß nicht mehr, was ich tue. Ich höre mehrere Männer hereinkommen, starke Arme packen mich und zwingen mich auf die Liege. Vor Schreck schlage ich mit den Beinen und werfe den Kopf hin und her. Jemand setzt sich auf meine Beine, ein anderer hält meinen Oberkörper fest und ein dritter, das muss Eddie sein, fixiert erst meinen Oberkörper und dann die Hand- und Fußgelenke. Anschließend Schritt- und Schultergurt und ich liege nahezu bewegungsunfähig im S-Fix. „Wenn Sie jetzt nicht aufhören, kommt auch noch der Kopf dran“, sagt einer der beiden und dann verschwinden sie.

Ich liege nun ganz still da, das Zittern hat aufgehört und ich übergebe mich den Gurten, die mich fixieren. Ich spüre den weichen Stoff an meinen Gelenken und die unnachgiebigen breiten Gurte an meinem Rumpf. „Dem überlasse ich mich jetzt“, denke ich, „ich kann ja doch nichts machen.“ Ich merke, wie ich ruhiger werde, mich fast in die Gurte kuschele und ich döse vor mich hin. Am späten Nachmittag muss ich immer nötiger, irgendwann kann ich nicht mehr, ich lasse es laufen und spüre, wie die Windel immer nasser und schwerer wird. Eddie riecht die Bescherung, meint aber, ich müsse auf eine frische Windel bis zur Bettgehzeit warten. Sie hätten gerade keine Kapazitäten frei. Und dabei grinst dieser Mistkerl.

Am Abend macht mich Schwester Margot los und füttert mich – ein irres Erlebnis, vollgemacht essen zu müssen! Und dann darf ich mich endlich von der nassen Windel befreien und ausgiebig duschen. Ich darf zwar den Helm, nicht aber die Brille abnehmen. „Wir müssen allerdings auf Nummer sicher gehen“, sagt die Schwester. „Ich werde Sie gleich sauber machen und damit nichts passiert, dabei festschnallen. Und damit ich nicht gebissen werde, bitte einmal Mund auf.“ Ich ahne, was kommt, mache meinen Mund bereitwillig auf und schon wird der Ballknebel hinter meine Zähne geschoben und im Nacken fixiert. „So, ich mache Sie dann mal fest“, kündigt Schwester Margot an, „bleiben Sie bitte ganz ruhig.“ In der Dusche werden zunächst meine Handgelenke an kurzen Plastikgurten festgemacht, die an den Wänden befestigt sind. Dann sind die Fußgelenke dran, die ebenfalls an Plastikgurten, die im Fußboden verankert sind, fixiert werden. „Ich lasse Ihnen schon mal das Wasser laufen“, sagt die Schwester, „und werde später noch mal nach Ihnen sehen und Sie waschen.“

Dann stehe ich da mit gespreizten Beinen und fixierten Armen in dieser Dusche, die Brille mit den dicken Gläsern umgeschnallt und einen Knebel im Mund und genieße das warme Wasser. So jemals zu duschen, hätte ich mir nie träumen lassen. Bin ich verrückt oder sind sie es? Auf jeden Fall haben sie wohl Angst vor mir.
Dann kommt die Schwester zurück, seift mich überall ein und dann lässt sie die angenehm warme Dusche noch schön lang an. Für wie wenig man schon dankbar ist.
Anschließend werde ich abgetrocknet und dann wieder losgemacht. Immer schön sicher mit Ballknebel im Mund. Ich ziehe mir selber die Windel, die Gummihose und etwas für die Nacht an, darf mich fönen und dann ab ins Netzbett.

Vorher wartet aber noch eine Überraschung auf mich. Ich liege auf dem Bett und erst wird ein großes festes Nylonnetz über meinen gesamten Körper ausgebreitet, so dass nur noch mein Kopf, die Arme und die Füße herausgucken. Eddie und Bernd befestigen das Netz an den Bettseiten und ziehen es ordentlich stramm. Dann gibt es noch Fixierungen an den Oberarmen, an den Handgelenken und an den Waden sowie dicke Fäustlinge für meine Hände. Den Knebel nehmen sie mir erst jetzt ab. Das Netz wird nochmals strammer gezogen und ich bin fertig für die Nacht. Ein Posey-Bettnetz, frisch aus den USA, wie man mir sagt, ich sei die erste, die es ausprobieren dürfte. Ich darf also mächtig stolz auf mich sein und kann nur immer wieder staunen über diese Vielfalt an restriktiven Maßnahmen, die es im Psychiatriebereich gibt.

Da schaut Frau Dr. Hahn noch mal vorbei. „Frau Ferner, Frau Ferner“, säuselt sie, „Ihr heutiges Verhalten setzt aber allem die Krone auf. Ich möchte dem Richter nichts vorweggreifen, aber Sie müssen sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass Sie in Zukunft zwangsweise untergebracht sein werden und zwar hier auf Station D. Leider ist bei Ihnen eine ganz klare Abwärts-Tendenz zu vermerken. Bin gespannt, wie die Kolleginnen Ihren Fall einschätzen. Meiner Ansicht nach liegt bei Ihnen eine akute Psychose vor, mit mittlerweile deutlichen Anzeichen einer hebephrenen Schizophrenie. Falls sich der Verdacht bestätigt, müssen wir zusätzlich zur Verhaltenstherapie auf Antipsychotika zurückgreifen. Wie gesagt, das ist meine persönliche Meinung und wir warten jetzt noch den Mittwoch ab, aber Sie können davon ausgehen, dass das hier nun Ihr neues Zuhause sein wird. Mir tut das für Sie leid, Sie hatten sicherlich gute Ansätze, aber etwas anderes kann ich nicht verantworten. Zu Ihrer eigenen Sicherheit bleiben die Schutzmaßnahmen zumindest bis Mittwoch bestehen. Ich habe Frau Dr. Hartmann informiert und das Personal weiß auch Bescheid.“ Und weg ist sie.

Nun liege ich mal wieder fast völlig bewegungsunfähig da, kann gerade den Kopf etwas anheben. Das Netz ist nicht unbedingt unangenehmer als die Fixierung von vorhin. Aber es hat etwas sehr Beklemmendes an sich. Ich merke, wie langsam wieder Panik in mir hoch kriecht. Ich werde immer unruhiger, ziehe und zerre an meinen Fesseln. Und irgendwann kann ich nur noch schreien. Ich verliere völlig meine Selbstkontrolle, schlage mit dem Kopf hin und her und schreie und schreie.
Es kommt, wie es kommen muss. Margot und Eddie stürmen herein, stülpen mir mein Knebelgeschirr über und fixieren meinen Kopf mit Kinn- und Stirngurt. Ich kann nur noch grunzen, das ist das einzige, was mir bleibt.
Die Nacht wird furchtbar.

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I'am Imposible
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  RE: Sechs Monate Datum:02.11.22 19:53 IP: gespeichert Moderator melden


Irgendwie hatte ich mit sowas gerechnet. Ist auf jeden Fall wieder eine starke Fortsetzung.
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Amgine
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  RE: Sechs Monate Datum:06.11.22 05:46 IP: gespeichert Moderator melden


Bin gespannt, ob sie aus der Nummer rauskommt und was ggfs. ein Richter dazu sagt ?
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  RE: Sechs Monate Datum:06.11.22 09:11 IP: gespeichert Moderator melden


Ich denke jetzt zwar nicht, daß sie gleich lebenslang eingewiesen wird. Aber ein Jahr auf Station D in der höchsten Sicherheitsstufe und danach einem halben Jahr auf Normalstation um zu sehen ob die Therapie auf Station D gewirkt hat, kann ich mir schon vorstellen. Dann kann ja neu entschieden werden. Neue, noch extremere Dinge auf Station D testen zu dürfen (müssen) wird wohl ihre Hauptbeschäftigung werden...
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Deep Wishes
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  RE: Sechs Monate Datum:06.11.22 19:58 IP: gespeichert Moderator melden


Angeleint

Am Montagmorgen wache ich relativ früh auf. Ich bemerke eine gewisse Unruhe auf der Station, aber das offizielle Weckkommando kommt noch nicht. Irgendwann macht eine ziemlich geschaffte Meike die Tür auf und tritt ein. Sie kommt zu meinem Bett, hilft mir aus der Fixierung und bittet mich, dass ich mich heute Morgen alleine fertig mache. Nichts lieber als das, aber warum? Meike redet etwas von Personalmangel, Schwester Margot ist plötzlich krank geworden, Ingeborg hat frei, auch Frau Dr. Hartmann ist krank; kurz, die Pflegeschülerin Meike ist die einzige weibliche Mitarbeiterin auf der Station und daher für die ganzen morgendlichen Hygienemaßnahmen zuständig. Eddie und Bernd sollen bei allen anderen Arbeiten helfen und haben die Oberaufsicht. Das kann ja heiter werden!

Immerhin kann ich mich so alleine frisch machen und lasse mir auch ausreichend Zeit dabei. Mit der Brille kann ich zunächst nur verschwommen sehen, aber zu meiner Erleichterung merke ich, dass meine Sicht so langsam besser wird. Dann kann ich einigermaßen in Ruhe frühstücken. Vorsichtshalber habe ich den Helm wieder aufgesetzt. Ich will keinen Ärger haben.

Das Wetter ist schön; daher beschließen Eddie und Bernd, dass alle nach draußen zu gehen haben. „Und was machen wir dann mit der?“ fragt Eddie und zeigt auf mich, „es hieß doch weiter Sicherheitsverwahrung und Schutzmaßnahmen.“ „Wir können sie aber nicht alleine im Käfig lassen“, meint Bernd, „dann muss ja immer einer von uns nach ihr gucken.“ „O.k.“, sagt Eddie zu mir, „Sie dürfen mit nach draußen, aber nur schön gesichert.“

Was das heißt, erfahre ich nach dem Frühstück. Meike legt mir eine Windel an und dann halten mir die beiden Pfleger mit einem freundlichen „wir haben schon Ihr schickes Jäckchen mitgebracht“ die offene Zwangsjacke hin. Ich brauche nur noch hineinschlüpfen. Ich denke, nicht schon wieder, aber ich bin schon so zermürbt, dass ich die beiden widerspruchslos agieren lasse. Und welchen Sinn hätte jetzt ein Aufbegehren? Ich würde es nur noch schlimmer machen.

Dann geht’s nach draußen auf den Hof. Den kenne ich schon von meinem letzten Aufenthalt, hohe Mauern und ein mit Fallschutzmatten ausgelegter Boden.

Aber was jetzt kommt, verschlägt mir die Sprache. „Dann will ich Sie mal festmachen“, sagt Eddie. Dann fummelt er hinten am oberen Ende meiner Zwangsjacke herum und befestigt dort eine Art Leine. „Was soll das“, wage ich zu fragen. „Dient nur zu Ihrem eigenen Schutz“, ist Eddies Antwort. „Damit Sie niemandem zu nahe kommen, denn was meinen Sie, was Sie erwartet, wenn wieder was passiert? Mindestens 48 Stunden Dauerfixierung, danach werden Sie Sehnsucht nach der Schutzjacke haben. So, diese Leine ist 4 m lang, ich mache sie dort in der Hofecke fest. Die Mitpatienten halten wir von Ihnen fern und Sie haben dennoch genügend Auslauf.“ Und dann führt er mich tatsächlich an der Leine in die beschriebene Ecke und bindet sie dort an.

Ich fasse es nicht. Das Duschen gestern war schon arg strange und jetzt bin ich dick eingepackt mit einer Hundeleine festgebunden. Ich probiere vorsichtig aus, wie weit ich mit der Leine gehen kann, bevor ich den Ruck im Nacken spüre.

Unter dem Helm und in der dicken Jacke wird mir schnell warm, deshalb suche ich den Schatten auf und lehne mich an die Hauswand. Ich höre die Stimmen der anderen Patientinnen; niemand kommt jedoch in meine Nähe.

Eddie fordert mich auf, mich mal ein bisschen mehr zu bewegen, das würde mir gut tun. Als ich nicht reagiere, holt er mich energisch aus meiner Schattenecke und befiehlt mir mal fünf Minuten hin- und herzugehen. Er würde auf die Uhr gucken.
Ich kann wegen der dicken Gläser kaum etwas erkennen und gehe ganz vorsichtig, so weit wie es mir meine Hundeleine erlaubt. Ich weiß gar nicht, wie es passiert, aber irgendwie komme ich ins Stolpern und falle übel hin. Wegen der Zwangsjacke kann ich mich nicht abstützen und ich knalle mit dem Kopf erst gegen die Mauer und dann auf den Boden. Endlich ist der Helm mal zu was nütze!

Eddie und Bernd helfen mir fluchend schnell wieder hoch. Anstatt mich zu fragen, ob ich mir irgendwo weh getan hätte, schnauzen sie mich nur an, was mir denn einfiele. Beide sind ja wahrhafte Ausbünde an Empathie! Bernd holt schnell einen tiefen Rollstuhl und mit dem Hinweis, dass dies nicht noch einmal passieren dürfe, setzen sie mich hinein. Sie fixieren meinen Oberkörper mit einem breiten Ledergurt und ziehen dabei auch Gurte über die Schultern. Dann noch schnell die Beine fixiert und ich bin bis auf den Kopf vollkommen immobil.

Da mein linkes Knie schmerzt, sage ich das den beiden und bitte sie, etwas zum Kühlen daraufzulegen. Genauso gut hätte ich sie auch um ihre Autoschlüssel bitten können. Beide gucken mich nur groß an und meinen, so schlimm wird es doch nicht sein. Als ich dann auch noch darum bitte, die Fußfixierung zu lösen, damit ich mein lädiertes Bein ausstrecken darf, ist das genau ein Satz zu viel.

„Das nervt allmählich“, stellt Eddie fest. „Sie sind hier nicht die einzige Patientin, um die wir uns kümmern müssen.“ Grinsend kommt Bernd auf mich zu. Ich merke, er hält irgendetwas in seiner Kitteltasche. „Den Tritt in meine Eier vor ein paar Wochen, den habe ich noch immer nicht vergessen, und da Sie keine Ruhe geben, habe ich hier was Nettes. Kennen Sie ja schon.“ Und dabei hält er mir den schwarzen Butterfly-Knebel dicht vor die Augen.

Da verliere ich die Nerven und fange an zu schreien. Erst schreie ich die beiden Kerle an und dann werde ich von einem Weinkrampf geschüttelt. Diesen Moment nutzen die beiden, schieben mir das Teil in den Mund und pumpen es schnell auf. Ich merke, wie sich das Gummiding in meinem Mund breit macht, wie meine Zunge lahm gelegt wird und wie sich meine Wangen spannen. Ich kann nur noch leise fiepen und bitte die beiden kopfschüttelnd und mit großen Augen damit aufzuhören. Doch Bernd lacht nur: „Ich glaube, für heute Vormittag ist die ruhig gestellt.“

Zum Glück schiebt Meike mich wieder in den Schatten. In der Sonne hätte ich es dermaßen verpackt kaum ausgehalten.

Ich weiß nicht, wie lange ich so sitze. Nahezu bewegungsunfähig, nur Nebel vor den Augen und mit diesem dicken Gummiknebel im Mund. Da höre ich von drinnen eine Tür schlagen, eine andere wird aufgerissen und dann die wütende Stimme der sonst so netten Frau Herenthal: „Was ist denn hier los?“

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I'am Imposible
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  RE: Sechs Monate Datum:06.11.22 21:28 IP: gespeichert Moderator melden


Da ist sie ja zumindest bisher recht gut durch den Tag gekommen.

Jetzt bekommen die ganzen Pfleger noch Ärger wegen ihr. Das wird sie wohl heftig zu spüren bekommen.

Und irgendwas wird ihr sicher wieder in die Schuhe geschoben. Absichtliche Selbstverletzung ihres Beines. Um die 2 Tage Dauerfixierung auf dem Bett wird sie unter diesen Umständen sicher nicht herum kommen.

Und auch ihr Ausraster wird vermutlich Folgen haben. Ich denke die Überwachung wird ja entsprechend gut funktionieren. Warum auch sonst sollte Frau Herenthal plötzlich auftauchen….
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I'am Imposible
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  RE: Sechs Monate Datum:06.11.22 22:41 IP: gespeichert Moderator melden


Da ist sie ja zumindest bisher recht gut durch den Tag gekommen.

Jetzt bekommen die ganzen Pfleger noch Ärger wegen ihr. Das wird sie wohl heftig zu spüren bekommen.

Und irgendwas wird ihr sicher wieder in die Schuhe geschoben. Absichtliche Selbstverletzung ihres Beines. Um die 2 Tage Dauerfixierung auf dem Bett wird sie unter diesen Umständen sicher nicht herum kommen.

Und auch ihr Ausraster wird vermutlich Folgen haben. Ich denke die Überwachung wird ja entsprechend gut funktionieren. Warum auch sonst sollte Frau Herenthal plötzlich auftauchen….
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Amgine
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  RE: Sechs Monate Datum:07.11.22 17:24 IP: gespeichert Moderator melden


Oh je - sie hat aber wirklich kein Glück…
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Deep Wishes
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  RE: Sechs Monate Datum:07.11.22 18:03 IP: gespeichert Moderator melden


Heute poste ich die letzten beiden Kapitel der Geschichte. Katrin hat alle Facetten der Behandlung in der Klinik erfahren, zuletzt viel durchlitten, hatte aber auch Menschen, die es gut mit ihr meinten.
Ich hoffe, die Geschichte hat euch gefallen und gehörig das Kopfkino angeregt. Bis einandermal DW


Der Entschluss

„Sind Sie verrückt geworden?“ fährt die Ärztin die beiden Pfleger an. „Machen Sie sofort Frau Ferner los. Wer hat Ihnen eigentlich die Erlaubnis für das hier erteilt?“ Eddie und Bernd stottern etwas von Schwester Gerda und Frau Dr. Hahn und Sicherheitsverwahrung und dann machen sie sich an mir zu schaffen. Sie befreien mich von Knebel, Fixierungen, Rollstuhl, Brille, Jacke und Helm und schauen die Ärztin kleinlaut an. „Darüber wird noch zu sprechen sein“, sagt sie nur und an mich gewandt: „Frau Ferner, Sie kommen nun am besten mit mir.“

Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht; bin zu erstaunt, um mich richtig zu freuen.
Frau Herenthal führt mich aus der Station D hin zur W 2. „Jetzt machen Sie sich erst einmal frisch und dann richtig gemütlich“, sagt sie, „nachher gibt es Mittagessen und heute Nachmittag dürfen Sie zu Frau Mellendorf zur Kunsttherapie; aber jetzt erst mal ausruhen. Möchten Sie einen Tee oder einen Kaffee?“ „Tee, bitte“, antworte ich. Frau Herenthal holt mir eine Tasse Tee und fährt fort: „In einer Stunde möchten Frau Dr. Schardtwald und ich gerne mit Ihnen sprechen. Ich hole Sie dann ab. Und wenn bis dahin was ist, Sven ist in Ihrer Nähe.“

So langsam gewöhnen sich meine Augen wieder an die Sicht ohne die dicken Brillengläser. Der Nebel lichtet sich, ich kann zunächst wieder Konturen und danach alles einigermaßen deutlich erkennen.
Als ich dann frisch geduscht mit einer guten Tasse Tee in der Sitzecke des Gemeinschaftsraumes sitze, lässt sich Sven blicken.

„Haben Sie dafür gesorgt, dass ich dort rausgeholt wurde?“ frage ich ihn. Sven nickt: „Hatte ich ja versprochen. Aber ich war nicht allein. Auch Yvonne hat gesagt, wie der Vorfall wirklich war, und selbst Arthur hat alles bestätigt. Frau Dr. Hahn schien aber zuerst nicht zu reagieren. Wir haben uns dann an Frau Herenthal gewandt. Soweit ich weiß, hat dann heute Frau Herenthal erst mit Gerda gesprochen und dann sofort Frau Dr. Schardtwald angerufen. Die hat zum Glück gleich gehandelt und Frau Herenthal auf die D geschickt. Übrigens“, und dabei spricht Sven leiser, „Oberschwester Gerda war gerade bei Frau Dr. Schardtwald zum Gespräch und danach hat sie sich sofort krank gemeldet. Ich vermute mal, da ist etwas nicht so toll für die gute Gerda gelaufen.“ „Sven, danke“ sage ich mit Nachdruck und lächele ihn an. „Aber hoffentlich hat das keine negativen Folgen für Sie.“ Sven zuckt mit den Achseln: „Die schätzen hier meine Qualitäten, auch Gerda. Und wenn es mir zu doof wird, suche ich mir was Neues. Leute wie ich werden immer gesucht.“ „Und Frau Dr. Hahn gibt klein bei?“ frage ich. „Ich weiß nicht“, antwortet er, „aber die stellt ihr Fähnchen sowieso nur in den Wind. Wenn die Gegenwind spürt, knickt sie ein“

Im Büro von Frau Dr. Schardtwald wird mir mitgeteilt, wie leid ihnen der Vorfall täte, dass sich auch Ärzte irren können, zumal Frau Dr. Hahn fast ausschließlich auf die Beurteilungen des Personals angewiesen war, und dass leider einige Mitarbeiter ihre Kompetenzen überschritten hätten. Ich hätte in den angesprochenen Situationen vernünftig reagiert und man würde mein Verhalten gutheißen. Es sei verständlich, dass ich die Klinik nach diesem Vorfall verlassen möchte. Andererseits hätte ich aus Sicht von Frau Dr. Schardtwald viele Fortschritte gemacht und es wäre nicht ratsam, die Therapien jetzt alle abzubrechen. Ob ich mir vorstellen könne, die letzten Wochen bis zum Ende der Maßnahmen zu bleiben. Es hätte den Vorteil, dass man mich noch besser auf den Alltag nach der Entlassung vorbereiten könne. Ich bin etwas überrascht wegen dieses freundlichen Tones und bitte mir Bedenkzeit bis morgen aus, die mir ohne weiteres gewährt wird.

Eine Frage liegt mir aber auf den Lippen. „Frau Dr. Hahn hat vermutet, dass bei mir eine Schizophrenie vorliegt. Meinen Sie das auch?“ „Nein“, antwortet die Chefärztin, „die Anzeichen sehe ich nicht. Wir könnten das diagnostisch abklären, aber Frau Herenthal und ich sind der Meinung, dazu besteht kein Anlass. Seien Sie ganz beruhigt.“

Beim Mittagessen versuche ich, Kim irgendwo zu entdecken. Ich sehe sie nirgendwo und frage Anne nach ihr. „Oh, ich glaube, für Kim ist es nicht gut gelaufen“, erzählt Anne, „Kim wurde nach dem Zwischenfall erst einmal in die Gummizelle gesteckt. Beim Abendessen sah ich sie nicht, bemerkte aber später, wie sie im Rollstuhl und in der Zwangsjacke in euer Zimmer gefahren wurde. Gestern war erst mal alles normal, doch dann hat Kim am Nachmittag ihre Brille zerbrochen. Ich glaube, es war Absicht und Gerda ist schier ausgeflippt. Sie haben Kim dann mitgenommen, ich weiß nicht wohin. Vielleicht auch auf die D?“ „Weiß nicht“, antworte ich, „hoffentlich nicht.“

Nach der Mittagsruhe sitze ich mit einigen anderen im Aufenthaltsraum, da sehe ich, dass Arthur jemanden hereinbringt. Dass muss Kim sein, klein und zart, aber von ihrem Gesicht her ist sie kaum zu erkennen. Natürlich trägt sie ihren Lederhelm, und man hat ihr ein wunderschönes braun-weißes Knebelgeschirr verpasst. Und statt einer normalen Brille hat sie diese Art Schwimmbrille umgeschnallt bekommen, wie ich sie auch tragen musste; diese Schwimmbrille mit geschliffenen Gläsern, hinter denen ihre Augen enorm vergrößert sind. Arthur merkt, dass ich sie anstarre und er fühlt sich bemüßigt zu erklären: „Das ist die Sanktion dafür, dass Frau Lorenz ihre Brille nicht tragen wollte. Dieses hübsche Modell muss sie nun eine Woche immer tragen; und immer heißt auch immer, also auch nachts. Abmachen, das schafft sie jetzt nicht mehr. Sie wird sich schon daran gewöhnen.“ Ich schlucke, fasse mich aber rasch und gehe zu den beiden hin.

„Hallo, Kim“, sage ich. Kim blickt auf, kommt vorsichtig auf mich zu und dann umarmt sie mich heftig. Ihre Hände stecken in steifen Handschuhen, sie streichelt mir damit übers Gesicht und spricht etwas in ihren Knebel hinein. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, umarme sie ebenfalls und spüre, wie Kim sich an mich schmiegt. Wir setzen uns aufs Sofa und auch wenn die Kommunikation sehr eingeschränkt ist und Arthur sichtlich stört, weiß ich, dass Kim meine Nähe wichtig ist.
„Kann sie heute Abend mit uns essen?“ frage ich Arthur. „Ja, schon“, antwortet der Pfleger, „mögen Sie ihr das Essen anreichen?“ „Das mache ich schon“, ist meine Antwort.

In der Kunsttherapie fange ich ein neues Bild an. Ich habe Sehnsucht nach dem Meer und habe ein Bild vor Augen, wie ich vor sechs Jahren das erste Mal am Mittelmeer war. Dieses türkisgrüne Wasser, der strahlendblaue Himmel, die blasse Grün des Grases. Ich beschließe ein Aquarell zu malen und Frau Mellendorf hat heute immer mal wieder Zeit, um mich zu beraten. Schön, wenn sich jemand wie sie mitfreut, wenn mir etwas Gutes gelingt. Beim Malen kann ich wunderbar nachdenken, die Szene mit Kim geht mir nicht aus dem Kopf.

Als das Bild fertig ist, weiß ich, was ich will. Ich werde bleiben, bis die Maßnahme zu Ende ist, die sechs Monate also um sind. Kim zuliebe und auch, um das hier für mich in Ruhe abzuschließen. Ich denke, Kim wird mich brauchen. Und wie mir Sven vorhin zuflüsterte, ist Schwester Gerda tatsächlich für zwei Wochen krankgeschrieben worden und danach hat sie sowieso Urlaub. Die werde ich also nicht wiedersehen.


Epilog

Katrin sitzt auf der Terrasse eines Cafés. Die Sonne scheint, es ist ein wunderschöner Samstagvormittag. Ab und zu trinkt Katrin etwas von ihrem Cappuccino und schaut auf die Uhr. Wo Melanie nur bleibt?

Die Woche nach der Entlassung ist wie im Flug vergangen. Katrin hat ihre Wohnung wieder bezogen und schon einiges dort an Veränderungen in Gang gesetzt. Die frische helle Farbe peppt die Räume auf und ein kleines Atelier für ihre Malarbeiten ist fertig eingerichtet.

Aus den freien Stellen in diversen Seniorenheimen hat Katrin sich nach mehreren kurzfristig anberaumten Vorstellungsgesprächen die attraktivste ausgesucht. Sie ist gespannt auf ihren ersten Arbeitstag am Montag.
Am Mittwochabend wird sie Sven treffen. Sie schreiben sich nach ihrer Entlassung regelmäßig. Vielleicht kann ja noch was Richtiges daraus werden, denkt Katrin schmunzelnd.

Katrin nimmt kurz ihre Brille ab, setzt sie dann rasch wieder auf. Das dünne, schwarze Gestell passt gut zu ihren nun wieder längeren dunklen Haaren. Sie betrachtet sich im spiegelnden Fenster; ja, die Brille steht ihr wirklich gut. Einer der ersten Gänge in dieser Woche führte sie zum Optiker. Bei einem Sehtest wurde ihr bestätigt, was sie beim Fernsehen in der Klinik schon ahnte und was sie im Prinzip auch schon vorher wusste: ihre Augen sind nicht wirklich schlecht, aber eben auch nicht optimal.
Heute Morgen hat sie die fertige Brille abgeholt. Sie ist überrascht, wie scharf sie nun sehen kann. Bei dem Baum dahinten ist jedes Blatt zu erkennen. Und das da, das muss Melanie sein!

Katrin steht auf und winkt, Melanie winkt zurück und kommt auf sie zugelaufen. Die beiden Frauen umarmen sich, beide können kaum die Tränen unterdrücken.
„Mensch, Katrin, ich hätte dich kaum wiedererkannt“, bringt Melanie heraus, „aber gut siehst du aus. Tut mir leid für die kleine Verspätung. Ich kenn mich noch nicht so gut aus hier und bin eine Station zu weit gefahren.“ Katrin kann gerade gar nichts sagen, sie drückt die Freundin und ist einfach nur froh.

Die nächsten Stunden vergehen wie im Flug. Nach mehreren Cappuccinos, einem langen Spaziergang und einem Einkauf kochen sie in Katrins Wohnung ein leckeres Abendessen. „Erinnerst du dich noch an das Essen in Bodenhain?“ fragt Katrin. „War nicht die allerbeste Küche, aber auch nicht ganz schlecht“, meint Melanie. „Warst du eigentlich mal auf Station D?“ fragt Katrin weiter. Melanie schüttelt den Kopf. „Da gab`s ´ne Pampe. Zum Gruseln, reine Nahrungsaufnahme“, erzählt Katrin. „Nie mehr, nie wieder. Ab jetzt, das habe ich mir bei meinem letzten Aufenthalt dort vorgenommen, esse ich nur noch gute Sachen.“ „Magst du mir von Station D erzählen“, fragt die Freundin. „Später“, lautet die Antwort, „jetzt lass uns erst einmal essen.“

Als sie später am Abend noch zusammensitzen, sagt Katrin: „Du, ich habe mir übrigens ein Souvenir aus der Klinik mitgenommen. Willst du mal sehen?“ Katrin steht auf, geht an den Schrank und kommt mit einer Lederapparatur zurück. „Mein Knebelgeschirr“, grinst sie, „ich habe es so oft tragen müssen, da habe ich es schon fast liebgewonnen. Ich konnte mich nicht von ihm trennen.“ Melanie lacht: „Du bist ja eine. Einfach mitgenommen?“ „Ja. Gefragt habe ich nicht. Legst du es mir noch mal an?“ „Wirklich? Du möchtest, dass ich dich kneble?“ „Ja“, sagt Katrin, „ich will es noch mal fühlen.“

Melanie nimmt Katrin behutsam ihre Brille ab. Dann stülpt sie das Ledergeschirr über Katrins Kopf und verschließt es sorgfältig. „Jetzt kann ich mich aber schlecht mit dir unterhalten“, lacht sie. Katrin grunzt nur, geht ins Bad und stellt sich lange vor dem Spiegel. Sie zieht mit ihren Zeigefingern die Konturen der Gurte nach, atmet den matten Geruch des Leders ein und betrachtet lange ihr Gesicht von vorne und von den Seiten. Sie betastet den Lederriemen um den Hals, den Riemen um die Stirn und das breite Lederband auf ihrem Haar. Sie fühlt ein merkwürdiges Ziehen im Bauch und spürt die Erinnerungen hochkommen. Es wird ihr warm und kalt gleichzeitig.

Katrin geht zurück ins Wohnzimmer. Sie muss ein wenig lächeln – Melanie konnte der Versuchung nicht widerstehen und hat Katrins Brille aufgesetzt. Sie passt gut zu ihr. Katrin setzt sich neben Melanie und legt dann ihren Kopf in deren Schoß. Einige Minuten bleibt sie so liegen und hängt ihren Erinnerungen nach. Dann streichelt sie sanft die Freundin und versucht ein Lächeln zustande zu bringen. „Soll ich es dir wieder abnehmen?“ fragt Melanie. Katrin nickt und Melanie löst die Verschlüsse. „Weißt du“, sagt Katrin, „ich bin mit dem all noch nicht so richtig fertig. Manchmal kommt es mir schon so unwirklich vor und manchmal so verdammt real. Und meine Gefühle sind auch nicht immer gleich. Manchmal finde ich all das, was ich in der Klinik erlebte, nur furchtbar und manchmal sehne ich mich danach, die Fixierungen oder die Zwangsjacke zu spüren. Es ist seltsam. Ich weiß nicht, ob du mich verstehen kannst.“ „Mir geht es eigentlich nicht so“, sagt die Freundin. „Ich bin einfach nur froh, dass alles hinter mir gelassen zu haben und meinen Alltag wieder organisiert zu bekommen. Aber ich bin ja auch schon etwas länger draußen.“

„Lass uns schlafen gehen“, bittet Katrin, „und leg dich ganz eng an meinen Rücken. Das brauche ich jetzt.“ Im Bett kuschelt sie sich auf die Seite, Melanie legt sich hinter sie und umfasst sie fest mit einem Arm. Katrin stöhnt entspannt und kann sich endlich dem Schlaf überlassen.

ENDE

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I'am Imposible
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  RE: Sechs Monate Datum:07.11.22 18:55 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Deep Wishes

Vielen Dank für die super Geschichte.

Schön, daß sie es geschafft hat, und daß es noch Menschen gibt diemzueinander stehen und auf andere aufpassen. Wäre das nicht der Fall, es wäre nicht auszudenken wie es ihr noch ergangen wäre.

Andererseits war es eine Geschichte die immer spannend und voller Überraschungen war. Daß es jetzt so schnell vorbei ist, ist natürlich auch etwas schade. Möglichkeiten hätte es sicher noch viele gegeben, was sie noch erleben könnte.

Trotzdem, wie gesagt: Vielen Dank.

Imposible
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Deep Wishes
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  RE: Sechs Monate Datum:07.11.22 20:26 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Imposible,

vielen Dank für die lieben Worte und die Begleitung während des Postens. Das hat mich immer wieder neu motiviert.

LG
DW
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burli
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  RE: Sechs Monate Datum:10.11.22 11:53 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Deep Wishes!

Vielen Dank für diese spannende und kurzweilige Geschichte! Das Ende kommt zwar plötzlich, aber ich meine zum richtigen Moment!

Ich ziehe meinen Hut, verneige mich und sage: "DANKE"

Grüssli von Burli
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Amgine
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  RE: Sechs Monate Datum:14.11.22 16:50 IP: gespeichert Moderator melden


Lieber Deep Wishes,

sehr schöner Abschluss, welcher sogar noch Raum für weiteres Kopfkino offen lässt.

Zunächst hatte ich gedacht, dass Katrin sich zu einer freiwilligen signifikanten Verlängerung entscheidet, aber der Titel sagt ja schon...sechs Monate.

Dennoch gibt das letzte Kapital eine dunkle Sehnsucht frei, vielleicht kehrt sie ja freiwillig zurück - im Rahmen der Wissenschaft um Methoden auch an Gesunden zu evaluieren, wer weiß!

Liebe Grüße, Amgine
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