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Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:03.01.16 23:55 IP: gespeichert
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Eine Geschichte aus der Perspektive eines jungen Manns erzählt, der keine Erfahrung mit Bondage und Fetisch hat und auf eine höchst ungewöhnliche Frau trifft.
Hinweise vorneweg: Alle Personen, die in dieser Geschichte vorkommen, sind volljährig. Es gibt ein Grundgerüst für die Geschichte und ich habe im Moment etwa 70 Seiten geschrieben, von denen ein Teil aber noch überarbeitet werden muss. Fortsetzungen liefere ich so schnell ich kann. Leider komme ich nur unregelmäßig zum Schreiben und Korrigieren, weshalb zwischen den Fortsetzungen einige Zeit vergehen kann.
Bitte verbreitet diese Geschichte nicht ungefragt weiter.
Viel Spaß beim Lesen!
[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von pfeffer am 08.03.18 um 18:32 geändert
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:03.01.16 23:56 IP: gespeichert
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Kapitel 1 - Das Gespenst
Neuenfels. Ich steuere den Wagen meiner Eltern am Ortsschild vorbei auf eine direkt dahinter liegende Seitenstraße zu. Eigentlich wollte ich jetzt bei meiner Großmutter vorbeischauen, doch wenn ich an meinem ersten Schultag nicht gleich zu spät kommen will, muss ich auf diesen Umweg verzichten.
Erster Schultag trifft es streng genommen nicht richtig. Mein erster Schultag, mit Schultüte und allem was dazugehört, liegt mehr als 12 Jahre zurück. Das Gymnasium, auf dem ich den größten Teil meiner Schulzeit verbracht habe, musste wegen sinkender Schülerzahlen in diesem Jahr seine Pforten schließen. Mein Jahrgang hätte der letzte sein sollen, der noch sein Abitur in den größtenteils verwaisten Mauern meiner alten Schule macht. Doch nachdem einige Wackelkandidaten die Schule gewechselt hatten, waren wir einfach zu wenige.
So verteilten wir letzten Schüler uns in alle Himmelsrichtungen. Jeder hatte im Umland in einer anderen Stadt Verwandte, bei denen er für ein Jahr unterkommen konnte. Bei mir bot sich Neuenfels an. Meine Großmutter bewohnt alleine ein geräumiges Haus. Wir verstehen uns ausgezeichnet und die hiesige Schule hat einen guten Ruf. Schade ist nur, dass es meine Freunde an andere Orte verschlagen hat. Aber was ist schon ein läppisches Jahr?
Gestern haben wir vor dem verschlossenen Tor meiner ehemaligen Schule gegrillt und zünftig Abschied gefeiert. Erwartungsgemäß ist es dabei spät geworden – zu spät. Nachdem ich das Auto auf dem Parkplatz vor meiner neuen Schule abgestellt habe, sprinte ich in Richtung Eingang. Im Foyer erspähe ich eine Uhr an der Wand. Ganze drei Minuten habe ich noch bis zum Unterrichtsbeginn. Ich erkundige mich bei einem vorbeilaufenden Schüler nach dem Weg zu meiner Klasse und erreiche kurz nach dem Gong den Klassenraum.
Dort werde ich gleich von einem äußerst pünktlichen Lehrer in Empfang genommen, der mir jedoch keinen Vorwurf aus meiner kleinen Verspätung macht.
"Herrschaften, guten Morgen! Zu Beginn ihres 13. und letzten Schuljahres bekommen sie noch Verstärkung!"
Der Lehrer blickt über sein Brillengestell hinweg erwartungsvoll zu mir.
"Hi", sage ich. "Ich bin Jakob."
Eigentlich müsste ich jetzt erzählen, warum ich an diese Schule gewechselt bin. Doch zwischen meinen Sätzen entsteht eine kurze Pause. Beim Blick durchs Klassenzimmer sehe ich eine Gestalt, die ich gestern Abend nach etlichen Flaschen Bier wohl für ein Gespenst gehalten hätte. Zwischen meinen künftigen Mitschülern sitzt eine Person, die komplett von einem weißen Gewand verhüllt ist. Auf den zweiten Blick erinnert mich dieses Kleidungsstück an eine Burka. Die Augen sind hinter einem Stoffnetz verborgen.
Nachdem ich meine Überraschung überwunden habe, erzähle ich der Klasse warum ich hier bin und setze mich dann auf den einzigen freien Platz, rechts hinter der verhüllten Gestalt. Mein Sitzplatz erlaubt es mir die Person unauffällig aus dem Augenwinkel zu beobachten. Burkas kenne ich aus den Nachrichten. Bilder aus Afghanistan gehen mir durch den Kopf. Aber sind die Burkas dort nicht immer blau gewesen?
Abgesehen von der Farbe entspricht die Person dem, was ich von einer in dieser Form verschleierten Frau erwarten würde. Sie sitzt stumm und regungslos auf ihrem Stuhl.
Gefangen von diesem ungewöhnlichen Anblick bekomme ich gar nicht richtig mit, dass inzwischen der Unterricht begonnen hat. Als erstes steht Englisch auf dem Stundenplan. Die Klasse hatte über den Ferien die Aufgabe eine Geschichte zu lesen und der Lehrer überprüft nun durch Fragen zum Text ob die Klasse ihrer Aufgabe auch nachgekommen ist. Gleich bei der ersten Frage hebt die Gestalt unter ihrem Gewand die Hand. Die Hand selbst bleibt dabei unter dem Stoff verborgen. Ein merkwürdiger Anblick.
Der Lehrer nimmt einen anderen Schüler dran. Es folgen zwei weitere Fragen, bei denen sich die verhüllte Person immer wieder aufs neue meldet und dann übergangen wird. Erst bei der vierten Frage wendet sich der Lehrer an sie.
"Yes, Leila?"
"Mr Artswood is the trusted servant of the duchess. He's one of the key figures of the story because of his inner conflict to either stay loyal to the duchess or to the main protagonist, who turns out to be his long lost son."*
Der Lehrer zeigt sich mit dieser Antwort höchst zufrieden und ich stelle meinen ersten Eindruck von ihr in Frage. Richtig lag ich nur mit der Annahme, dass die Person weiblich ist. Ihre Stimme ist hell, klar und klingt selbstbewusst. Ungewöhnlich ist daran höchstens der etwas gedämpfte Klang, der sicher an ihrem Gewand liegt.
Bis zum Pausengong hat sich mein Ersteindruck als vollkommen falsch herausgestellt. Leila, wie die verhüllte Person heißt, beteiligt sich lebhaft am Unterricht. Niemand scheint den Text so gut vorbereitet zu haben wie sie. Bei den kniffeligsten Fragen richtet sich der Lehrer mehrmals folgendermaßen an die Klasse: "Can anyone, apart from Leila, tell me -" (Kann mir jemand, von Leila abgesehen, sagen -)
Offensichtlich verbirgt sich unter der Burka die beste Englischschülerin der Klasse. Erste Überraschung.
Die zweite Überraschung erfolgt beim Pausengong. Leila steht auf und geht schnurstracks zur Tür. Sie verlässt direkt hinter dem Lehrer den Klassenraum. Neugierig wie ich bin, wäre ich nur zu gerne gefolgt aber das hätte meine neuen Mitschüler wohl arg irritiert. Also überlege ich es mir anders und wende mich stattdessen meinen Mitschülern zu.
Ich werde von der Klasse freundlich aufgenommen. Um mich bildet sich ein kleiner Kreis. Es gilt, die zu erwartenden Fragen zu beantworten: Wo komme ich her, was mache ich abseits der Schule, gemeinsame Bekannte? Das Wesentliche eben.
Kurz vor dem Ende der Pause gelingt es mir noch eine Frage zu der verhüllten Gestalt zu stellen.
"Ich kenne nur ihren Vornamen. Sie ist wie ein Geist, unterhalten kannst du dich mit der nicht", erklärt mir ein Mitschüler.
"Die ist ziemlich freakig drauf", ergänzt eine Mitschülerin. "Sie ist vor drei Monaten in unsere Klasse gekommen und seit dem habe ich sie noch nie ohne ihren Schleier gesehen."
Die anderen Schüler erzählen mir das Gleiche. Niemand kennt sie, ein Phantom in ihrer Mitte. Sie ist die absolute Außenseiterin. Ich frage nicht weiter nach, obwohl ich nach wie vor neugierig bin.
Kurz vor dem Beginn der nächsten Stunde erscheint Leila wieder im Klassenraum. Sie setzt sich direkt auf ihren Platz und würdigt ihre Mitschüler keines Blickes. Sobald der Unterricht beginnt, wirkt sie wie ausgewechselt. Die mysteriöse Gestalt, die kurz vor dem Erscheinen des Lehrers regungslos wie eine Statue auf ihrem Platz sitzt, erwacht zum Leben. Auch in Mathematik ist sie bestens vorbereitet. Sie meldet sich ständig. Wenn sie dran genommen wird, sind ihre Antworten sehr ausführlich und fast immer richtig. Da sie jetzt auf deutsch spricht, fällt mir auch auf, dass bei ihr kein Akzent zu hören ist. Glasklares Hochdeutsch. Nach dem Ende der Stunde verschwindet sie wieder und taucht erst zur nächsten Stunde wieder auf. So geht es den ganzen Tag lang.
Nach der letzten Stunde greift sie sich ihre am Boden stehende Schultasche und lässt sie unter dem Gewand verschwinden, wobei ich ihre Hände nicht zu Gesicht bekomme, und verlässt dann den Raum. Ich wäre ihr gerne gefolgt um zu sehen ob sie abgeholt wird. Eine so ungewöhnliche Person kann schließlich unmöglich einfach nach Hause laufen oder sich gar aufs Fahrrad schwingen.
Aber ich will nicht unhöflich sein und ebenso geisterhaft verschwinden wie Leila. Also bleibe ich stattdessen noch einen Moment in der Klasse und verabrede mich für einen Kaffee in der Innenstadt.
Nach dem Schulschluss fahre ich erst mal zu meiner Oma. Sie erwartet mich schon in der Haustür. Eine kleine zierliche Person, die ihre grauen Haare in einem akkurat hochgesteckten Dutt trägt. Sie hat wohl selbst als junge Frau die Grenze von einem Meter sechzig niemals erreicht, hat dafür aber bis heute die Energie von gleich zwei Riesen.
Als ich aus dem Auto gestiegen bin, nimmt sie mich gleich in die Arme.
"Schön, dass du da bist", sagt sie nach der Begrüßung. "Das Essen steht schon auf dem Tisch!"
Sie ist eine leidenschaftliche Köchin und ihre Einladung auszuschlagen wäre wohl das einzige, was sie mir wirklich übel nehmen würde. Wobei das Vergnügen hier natürlich ganz auf meiner Seite liegt.
Nach dem Essen bringe ich noch einige Kartons aus dem Auto in das Zimmer, dass meine Großmutter für mich hergerichtet hat. Dann mache ich mich auf den Weg in die Innenstadt.
Wie verabredet warten meine Mitschüler schon in einem kleinen Café auf mich. Es ist nicht immer einfach in einer unbekannten Umgebung neue Bekanntschaften zu schließen. Ich sehe mich selbst als offenen Menschen aber zum Alleinunterhalter bin ich nicht geboren. Zum Glück verstehe ich mich mit den anderen gut. So gut, dass ich gar nicht daran denke sie nach der verschleierten Gestalt zu fragen.
* Nicht übersetzt, weil für den Fortgang der Geschichte irrelevant
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Kapitel 2 - Deutschstunde
In den nächsten Tagen gelingt es mir nicht, irgendetwas Nennenswertes zu Leila herauszufinden. Direkt ansprechen kann ich sie auch nicht, weil sie mit jedem Pausengong fluchtartig den Klassenraum verlässt. So schwindet mein Interesse Tag für Tag. Gegen Ende der Woche habe ich mich an ihren Anblick gewöhnt und erspare mir weitere Nachfragen, die doch nur einsilbig beantwortet werden.
Vollkommen unerwartet kreuzen sich unsere Wege dann gegen Ende der Woche doch noch. Mein erster Deutschunterricht an der neuen Schule, gleich drei Stunden am Stück.
"Wie vor den Ferien angekündigt, werden wir uns in den nächsten Wochen mit dem Schriftsteller Thomas Mann beschäftigen", erklärt die Lehrerin.
"Dazu werdet ihr zunächst in kleinen Gruppen in den nächsten zwei Stunden einige Informationen zu Thomas Mann zusammentragen, die ihr dann in der dritten Stunde vortragen werdet. Der PC-Raum und die Bibliothek stehen euch offen. Die Zusammensetzung der Gruppen entscheidet sich durch Lose."
Die Klasse stöhnt auf. Diese eher lockere Aufgabe erledigt man natürlich vorzugsweise mit seinen Freunden. Großzügige Kaffeepausen inklusive.
Die Lehrerin hat Zettel mit den Namen aller Schüler vorbereitet. Diese Zettel zieht sie nun nach und nach aus einem Plastikbecher und liest dann die Namen vor. Jede Gruppe besteht aus zwei oder drei Schülern. Wirklich gut kenne ich die anderen noch nicht, weshalb es mir egal ist mit wem ich in eine Gruppe komme. Ganz im Gegensatz zu meinen Mitschülern, die sich gegenseitig die Daumen drücken um mit ihren Freunden in eine Gruppe zu kommen.
Der Plastikbecher und der Klassenraum leert sich immer weiter. Ich blicke nur nach vorne und folge dem Losverfahren bestenfalls mit halber Aufmerksamkeit. So bekomme ich gar nicht mit, dass zum Schluss nur noch zwei Schüler im Raum sitzen.
"Und die letzte Gruppe: Leila und Jakob. Viel Erfolg."
Mit einem Schlag bin ich hellwach.
"Euer Thema: Thomas Mann in der Weimarer Republik", sagt die Lehrerin und nickt mir mit einem aufmunternden Lächeln zu.
Leila steht auf, lässt ihre Schultasche unter ihrem Gewand verschwinden, dreht sich dann zu mir um, richtet ihren Blick wieder nach vorne und geht zur Tür. Ich greife mir ebenfalls meinen Rucksack und folge ihr.
Bisher habe ich ihren Gang nicht weiter beachtet. Jetzt, im Flur, sehe ich sie zum ersten Mal ohne das ich von meinen Mitschülern abgelenkt werde. Sie ist etwas kleiner als ich. Das Gewand reicht bis auf den Boden und verdeckt ihre Schuhe. Ihr Tempo ist überraschend langsam. Mit ein paar großen Schritten habe ich sie eingeholt.
Wir gehen wortlos nebeneinander her. Ich muss bewusst darauf achten ihr nicht davonzulaufen. Im Flur ist es ganz ruhig. Als wir in einen gefliesten Gang einbiegen, höre ich mit jedem ihrer Schritte ein charakteristisches Klick-Klack. Ich kenne dieses Geräusch gut. So klingen Absätze. Gleichzeitig meine ich auch immer wieder ein leises metallisches Klirren zu hören.
"Ich würde gerne in die Bibliothek gehen. Ich habe schon etwas zu Thomas Mann vorbereitet. Ist das ok für dich?"
Ihre Frage, mit ruhiger Stimme vorgetragen, überrascht mich als ich in Gedanken ganz mit der Frage beschäftigt bin, warum Leila unter ihrem Gewand Schuhe mit Absätzen trägt.
Der Flur teilt sich in der Form eines T in zwei Gänge auf. Wir stehen an der Weggabelung. Leila schaut mich an oder zumindest vermute ich, dass sie mich ansieht. Das Stoffnetz, hinter dem sich ihre Augen verbergen müssen, ist in meine Richtung gewendet.
"Ok", sage ich und folge ihr weiter.
In der Bibliothek angekommen stelle ich fest, dass wir dort die einzigen Schüler sind. Der Rest zieht den PC-Raum vor um zwischendurch Facebook & Co einen Besuch abstatten zu können.
Leila führt mich durch die gesamte Bibliothek in eine hinter Bücherregalen verborgene Ecke. Hier steht ein einsamer PC mit zwei Stühlen davor.
"Die wenigsten Leute wissen, dass es in der Bibliothek auch PCs gibt", erklärt sie, schaltet den Rechner an und setzt sich. Ich nehme ebenfalls Platz. Leila beugt sich zu der mir abgewandten Seite und holt unter ihrem Gewand ihre Schultasche hervor. Aus ihrer Tasche zieht sie einen Schreibblock, den sie neben die Tastatur legt. Jetzt sehe ich zum ersten Mal eine ihrer Hände. Durch einen Schlitz in ihrem Gewand hat sie ihre rechte Hand hindurch gesteckt. Dabei erlebe ich gleich die nächste Überraschung. Sie trägt fein gearbeitete schwarze Lederhandschuhe!
Sie schlägt ihren Schreibblock auf, nimmt sich einen Kugelschreiber und deutet auf einige handschriftliche Notizen. Dabei fällt mir auf, dass sie alles mit ihrer rechten Hand erledigt. Ihre linke Hand bleibt unter dem Gewand verborgen. Von ihrer rechten Hand sehe ich nur die Hand selbst. Handgelenk und Arm bleiben unter dem Gewand.
Bis jetzt habe ich angenommen, dass Leila fanatisch religiös sein muss. Es war der Widerspruch zwischen diesem vermuteten Fanatismus und ihrem selbstbewussten Auftreten im Unterricht, der mich neugierig gemacht hat. Aber vielleicht liege ich damit vollkommen falsch! Sie macht alles mit einer Hand, was arg umständlich ist wenn man mit Schreibblock und Kugelschreiber gleichzeitig hantiert. Der einzige plausible Grund dafür ist, dass sie ihre andere Hand nicht benutzen kann. Burkas bringe ich mit Afghanistan in Verbindung. Afghanistan taucht in den Nachrichten fast nur in Verbindung mit Krieg und Gewalt auf. Vielleicht wurde sie als kleines Kind bei einem Bombenattentat schwer verletzt, hat eine Hand verloren und ist dann als Flüchtling nach Deutschland gekommen? Da sie hier aufgewachsen ist, spricht sie Deutsch ohne Akzent. Das Klick-Klack der vermeintlichen Absätze könnte von Prothesen herrühren. Sie könnte sich dann für die Burka entschieden haben um ihr entstelltes Äußeres zu verbergen. Kein Wunder, dass sie mit diesem Schicksal in der Klasse abseits vom Unterricht stumm bleibt. Sollte meine Vermutung richtig sein, ist sie als Kind wegen ihrer Behinderung sicher oft gehänselt worden.
"Bei meinen Recherchen zu Thomas Mann habe ich auch ein paar Informationen zu seinem Werdegang in der Weimarer Republik gefunden", erklärt sie mit Blick auf ihre Notizen und reißt mich damit aus meinen Gedanken.
"Tut mir leid", sage ich. "Mit mir in deiner Gruppe hast du leider kein Glück gehabt. Wie du weißt, bin ich gerade erst an eure Schule gewechselt. Ich habe deshalb nichts zum Thema vorbereitet."
"Kein Problem. Du weißt aber schon, wer Thomas Mann war?" erwidert sie.
"Deutscher Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger, glaube ich."
"Alles richtig. Sonst noch etwas?"
"Ich glaube er ist während der Nazizeit ausgewandert."
"Genau", bestätigt sie meine lückenhaftes Wissen zum Thema.
"Also nehme ich mal an, dass er sich auch schon vor Hitlers Machtergreifung gegen die Nazis engagiert hat", sage ich.
"Das stimmt", sagt sie. "Aber er hat sich nicht immer so eindeutig positioniert, wie kurz vor dem Ende der Republik."
Leila beginnt einen Kurzvortrag zu Thomas Manns Werdegang zwischen den Weltkriegen, mit dem sie sowohl manchem Deutsch- als auch den Geschichtslehrern Freudentränen in die Augen getrieben hätte. Es gibt sicher nicht viele Schüler, die so kenntnisreich und sicher zu diesem Thema vortragen können. Ich bin durchaus an Geschichte interessiert, weshalb ich ihr gerne zuhöre. Während sie tiefer und tiefer in das Thema eintaucht, mache ich mir Notizen.
"Das sollte alles wichtige gewesen sein", sagt Leila schließlich und macht zum Schluss ihres Vortrags eine so unglückliche Handbewegung, dass ihr dabei der Kugelschreiber aus der Hand fliegt.
"Ich helfe dir", sage ich sofort und stehe von meinem Stuhl auf. Wenn sie wirklich Prothesen trägt, dürfte es mit dem Handicap nicht angenehm sein auf dem Boden herumzukriechen.
"Es geht schon", sagt sie und beugt sich selbst herunter. Doch der Stift ist gute zwei Meter weit geflogen und liegt nun halb unter einem Bücherregal.
"Warte", sagt sie noch, als ich schon vor dem Regal in die Hocke gegangen bin und den Kugelschreiber aufhebe. Ich bringe ihr den Schreiber und setze mich wieder hin.
"Vielen Dank", sagt sie nach kurzem Zögern.
"Kein Problem", sage ich mit einem Lächeln und schaue wieder auf meine eigenen Notizen.
"Wir sind gut vorangekommen", meint Leila. "Ich hole uns etwas zu trinken. Magst du Kaffee? Milch oder Zucker?"
"Oh ja", antworte ich sofort. "Ich komme mit. Habt ihr hier einen Kaffeeautomaten?"
"Ja, den haben wir. Aber du brauchst nicht mitkommen."
Zuerst will ich darauf bestehen sie zu begleiten um ihr zu helfen. Aber vielleicht ist es ihr wichtig solche Kleinigkeiten auch ohne fremde Hilfe erledigen zu können?
"Ok", sage ich also. "Warte, ich gebe dir Geld mit. Was kostet denn ein Kaffee?"
"Ich lade dich ein", sagt sie entschieden und steht auf.
Auch das will ich reflexhaft ablehnen aber irgendwie wäre es auch unhöflich ihre Einladung auszuschlagen. "Danke. Ich revanchiere mich. Nur Zucker bitte", sage ich stattdessen.
Leila verlässt die Bibliothek. Ein paar Minuten später kehrt sie zurück. Als sie neben mir steht, streckt sie ihre rechte Hand durch die Burka. Sie beugt sich dabei leicht nach vorne und steht ganz nah bei mir. Es wirkt so, als würde sie ganz genau darauf achten, dass nur die Hand selbst zum Vorschein kommt und der Arm unter dem Gewand bleibt.
In der Hand hält sie einen Kaffeebecher. Ich nehme ihr den Becher aus der Hand, wobei ich für einen winzigen Augenblick die Fingerspitze ihres Handschuhs berühre. Das Leder ist ganz weich. Es umspannt ihre Finger wie eine zweite Haut und wirft keine Falten.
"Eigentlich dürfen wir hier keinen Kaffee trinken", flüstert sie mir mit verschwörerischer Stimme zu.
"Danke. Gute Arbeit den heißen Stoff hier reinzuschmuggeln", erwidere ich, ebenfalls im Flüsterton.
"Einer der Vorteile meiner Kleidung", sagt sie und klingt dabei so, als ob sie unter ihrem Gewand lächeln würde.
Zum ersten mal hat sie ihr Gewand erwähnt. Während ich überlege, ob ich sie direkt danach fragen soll, fällt mir auf, dass sie sich selbst nichts mitgebracht hat.
"Magst du keinen Kaffee?" frage ich.
"Doch", antwortet sie.
Um etwas zu trinken müsste sie ihren Schleier anheben. Das kommt für sie in meiner Gegenwart offenbar nicht infrage. Trotzdem habe ich eine Idee, wie sie trotzdem etwas trinken könnte.
"Ich kann mich wegdrehen, dann kannst du einen Schluck Kaffee trinken."
Sie wendet sich zu mir, zögert einen Moment und sagt dann: "Du darfst aber wirklich nicht gucken. Versprochen?"
"Versprochen", sage ich und drehe ihr meinen Rücken zu.
Ich höre, wie sie nach dem Plastikbecher greift, einen kleinen Schluck trinkt und den Becher dann wieder auf den PC-Tisch zurückstellt. Sie braucht dafür ziemlich lange.
"Danke", sagt sie. Als ich mich wieder umdrehe, ist sie wieder komplett von ihrem Gewand verhüllt. Mit ihrer rechten Hand lässt sie gerade ein dünnes Röhrchen in ihrem Gewand verschwinden. Es könnte ein Strohhalm sein.
"Jetzt müssen wir uns aber wieder der Arbeit zuwenden", meint sie.
Der Kurzvortrag, den wir beide ausarbeiten, wird von unserer Deutschlehrerin in den höchsten Tönen gelobt. Ich habe noch nie in meiner Schulkarriere für eine eigentlich nebensächliche Arbeit einen solchen Aufwand getrieben. Abgesehen von der kurzen Kaffeepause hat Leila jede Minute der Vorbereitungszeit genutzt. Jeder Versuch von mir, ein wenig Smalltalk mit einzuschieben, wurde von ihr freundlich aber bestimmt zurückgewiesen.
Für den Vortrag selbst hatten wir gerade einmal zehn Minuten. Jeder von uns hat fünf Minuten vorgetragen und ich muss gestehen, dass Leila dabei den besseren Job gemacht hat. Sie hat die Ferien genutzt, um alle wichtigen Daten zu verinnerlichen und konnte ganz frei vortragen, während ich immer wieder in meine Unterlagen schauen musste.
Die letzte Deutschstunde ist gleichzeitig die letzte Schulstunde. Wie gewohnt verlässt Leila sofort den Klassenraum und ist längst verschwunden, als ich das Schulgebäude verlasse.
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Kapitel 3 - Sport
Leila ist wie ein Geist. Unsere erfolgreiche Gruppenarbeit ändert nichts an ihrem Verhalten. Dabei habe ich nicht den Eindruck, dass sie vor mir oder den anderen Mitschülern aus Angst davonläuft. Sie scheint aber darauf bedacht zu sein, zu uns den größtmöglichen Abstand zu halten.
Unser nächstes Zusammentreffen geschieht wieder vollkommen unvorhergesehen. Am Freitagabend mache ich mich zum ersten mal in meiner neuen Heimatstadt zum Joggen auf. Meine Oma hat mir eine schöne Laufstrecke geschildert.
"Du läufst die Straße vor dem Haus entlang zum See, also weg von der Innenstadt. Am See führt ein Fahrradweg entlang, auf dem Abends kaum jemand unterwegs ist. Der Fahrradweg wird dich zum alten Sportplatz führen. Der ist seit einigen Jahren verwaist. Er soll irgendwann abgerissen werden aber das wird wohl noch etwas dauern. Die Tartanbahn ist ziemlich mitgenommen aber für ein paar Runden Joggen ist sie noch gut genug. Wenn du genug hast, läufst du über den Radweg wieder zurück."
Mit dieser Wegbeschreibung im Kopf laufe ich los. Die Strecke am See entlang ist an diesem lauen Sommerabend wirklich schön. Nur auf die sporadisch auftretenden Mückenschwärme könnte ich verzichten aber jede Jahreszeit hat ihr Vor- und Nachteile.
Der alte Sportplatz sieht verwildert aus. Ich laufe über einen Plattenweg, wo zwischen den Fugen das Unkraut wuchert und erreiche schließlich die Laufbahn. Am anderen Ende der Bahn sehe ich etwas, dass mich sofort stoppen lässt. Eine Person, deren Aufmachung mich an Leila erinnert, läuft auf der Tartanbahn. Sie trägt allerdings eine schwarze Burka, die durch die Laufbewegungen den Blick auf ihre Füße freigibt. Diese Person trägt weiße Turnschuhe und hat ein ansehnliches Tempo drauf. Also kann es nicht Leila sein?
"Guten Abend."
Eine unbekannte Frauenstimme. Überrascht drehe ich mich um. Eine Frau im mittleren Alter geht auf mich zu. Sie trägt eine figurbetonte Jeans, eine weiße Bluse und Stoffschuhe. Schulterlange lockige schwarze Haare und ein dunkler Teint legen die Vermutung nahe, dass ihre Vorfahren aus dem östlichen Mittelmeerraum stammen. Sie sieht sehr gepflegt aus.
"Ein wunderbarer Abend zum Laufen, nicht wahr?", fragt sie.
"Allerdings", pflichte ich ihr bei. "Ich bin gerade erst hier hergezogen. Wenn ich nicht einen Tipp bekommen hätte, wüsste ich gar nicht, dass man hier laufen kann."
"Dieser Ort ist wirklich nicht leicht zu finden. Ich bin gerade wegen meinem Schützling froh, dass sie den Sportplatz noch nicht abgerissen haben." Mit diesen Worten schaut sie zu der verhüllten Gestalt, die immer noch auf der Bahn läuft.
"Ihr Schützling?" Ich schaue die Frau mit großen Augen an, die auf meinen erstaunten Blick mit einem Lächeln reagiert.
"Mein Schützling", wiederholt sie. "Kein alltäglicher Anblick, ich weiß. Und bevor sie fragen: Nein, sie ist nicht bei den Taliban. Sie geht hier im Ort aufs Gymnasium."
"Leila?", frage ich ungläubig, während ich versuche eine plausible Erklärung für diese ganze Sache zu finden.
"Ganz genau. Sie kennen sich?"
"Ich bin Jakob. Wir gehen in die gleiche Klasse."
"Ach sie sind der Jakob mit dem Vortrag! Leila hat mir davon erzählt", sagt sie und streckt mir ihre Hand entgegen.
"Ich bin Ionnina Epikuron."
Ich nehme die Hand entgegen.
"Freut mich", sage ich und schaue wieder zu Leila. Ich suche nach den richtigen Worten, um von dieser Frau endlich zu erfahren warum sie dieses seltsame Gewand trägt. Aber ich weiß immer noch nicht, wie delikat dieses Thema ist. Zwar trägt Leila offensichtlich keine Beinprothesen aber vielleicht stimmt meine Vermutung trotzdem und sie verbirgt unter ihrem Gewand ein entstelltes Äußeres. Außerdem: Warum nennt sie Leila ihren 'Schützling'?
"Leila hat das mit dem Vortrag wirklich beeindruckend gemacht. Trotz ihrer Kleidung", sage ich vorsichtig.
"Ja, kaum jemand erwartet, dass sich unter einer Burka eine so aufgeweckte Person verbirgt."
"Ich will nicht aufdringlich sein aber wie kommt es, dass Leila von Kopf bis Fuß verschleiert ist während sie eher... wie soll ich sagen... ganz gewöhnliche Kleidung tragen?"
"Oh, sie unterliegen da einem Irrtum. Das passiert immer wieder. Weder Leila noch ich sind besonders religiös. Um es kurz zu machen und auch die Frage zu beantworten, die sie noch gar nicht gestellt haben: Wir sind keine Moslems."
"Ich fürchte, ich kann ihnen nicht folgen", sage ich.
"Meine Familie stammt aus dem Libanon", fährt Leilas Begleiterin fort. "Wir gehören zu einer sehr kleinen Minderheit, die einer mehr als zweitausend Jahre alten Lehrtradition folgt. Es gibt dabei durchaus quasi-religiöse Aspekte aber mit den großen Religionen sind wir nicht zu vergleichen. Wir missionieren nicht und haben auch nicht den Anspruch im Besitz der alleingültigen Wahrheit zu sein. Wenn sie sich für fremde Kulturen interessieren, erzähle ich ihnen bei einer Tasse Tee oder Kaffee gerne mehr. Wie wäre es mit nächster Woche Donnerstag? 18 Uhr?"
Als neugieriger Mensch muss ich dieses spontane Angebot natürlich annehmen.
"Sehr gerne", sage ich.
Während wir im Gespräch vertieft sind, bekommen wir gar nicht mit, dass Leila uns inzwischen erreicht hat. Sie reduziert ihr Tempo und trottet auf uns zu.
"Da bist du ja schon", sagt Frau Epikuron und wendet sich ihrem Schützling zu. "Schau mal, wen ich getroffen habe."
"Hi Leila", sage ich.
Sie erwidert meine Begrüßung: "Hallo."
"Ich hab eine gute Idee", sagt Frau Epikuron als Leila vor uns steht. "Du hast mir doch gesagt, dass du wegen der Sache in der Bibliothek heute noch eine Runde mehr machst. Wie wärs, wenn Jakob dich heute nach Hause bringt? Dann kann ich etwas früher zu meinem Lesekreis."
"Aber", wirft Leila sofort ein und stoppt dann. Sie sucht offenbar nach den richtigen Worten. "Aber sie wissen schon... die Hände und Füße?"
"Das schaffst du auch alleine. Und Cyria ist zuhause um dir die Tür aufzumachen."
"Mir macht das nichts aus, ich begleitete dich gerne", sage ich.
Frau Epikuron wirft mir ein Lächeln zu. Trotz ihres Gewands kann ich sehen, dass Leila diese Entscheidung nicht leicht fällt. Sie windet sich förmlich, ehe sie sich dazu durchringt "Ja" zu sagen.
Ich freue mich über ihre Entscheidung. Eine neue Gelegenheit, mehr über diese mysteriöse Person zu erfahren. Dabei hat das Gespräch zwischen den beiden gleich wieder neue Fragen aufgeworfen.
Frau Epikuron bedankt sich bei mir und bei Leila und macht sich von dannen. Leila schaut mich an. Das schwarze Gewand sieht anders aus als das, was sie in der Schule trägt. Es sieht so aus, als sei es aus Trikotstoff gemacht. Das nächste merkwürdige Detail.
"Läufst du mit?" fragt Leila.
"Klar, wo ich schon hier bin", antworte ich und wir laufen los. Anders als in der Schule, wo sie auf den Fluren ziemlich langsam gegangen ist, läuft sie nun auf der Bahn mit ordentlich Tempo. Eigentlich wollte ich mich schon beim Laufen mit ihr unterhalten aber das verschiebe ich auf den Heimweg.
Als wir wieder am Startpunkt angekommen sind, geht sie auf einen Stoffbeutel zu, der am Rande der Bahn auf dem Boden liegt.
"Ich muss jetzt... noch etwas... machen", bringt sie zögerlich hervor. "Dreh dich bitte um. Du darfst nicht gucken, bis ich dir sage, dass ich fertig bin. Du darfst auf keinen Fall gucken, ok?"
"In Ordnung", sage ich und drehe ihr den Rücken zu. Ich höre, wie sie etwas metallisch klimperndes aus dem Stoffbeutel nimmt. Dann folgen Klickgeräusche. Die Versuchung wenigstens einen ganz kurzen Blick über die Schulter zu werfen ist groß, aber ich will Leilas Vertrauen nicht enttäuschen.
"Fertig", sagt sie und ich drehe mich um. Leila steht in ihrer weißen, bodenlangen Burka vor mir. Ansonsten kann ich keine Veränderung erkennen. Vor ihr liegt der Stoffbeutel.
"Ach, jetzt habe ich den blöden Beutel vergessen", sagt sie. "Kannst du den bitte tragen?"
"Kein Problem", sage ich und hebe den Beutel auf.
Auf dem Heimweg ist Leila wieder so langsam wie in der Schule. Außerdem ist wieder dieses seltsame Klirren zu hören. In meinem Kopf schwirren hundert Fragen herum. Ich überlege fieberhaft, wie ich mit ihr ein Gespräch beginnen kann. Schließlich ist es Leila, die unser Schweigen bricht.
"Gehst du oft Laufen?"
"Mal so, mal so", sage ich. "Ich versuche mindestens einmal in der Woche eine Runde zu drehen."
"Ich laufe zwei mal die Woche hier auf dem Platz", sagt sie.
"Deine Begleiterin hat vorhin gesagt, dass du wegen der Bibliothek läufst. Wie passt denn das zusammen?"
"Ach", erwidert Leila und fällt dann in eine lange Pause. "Das ist... Ähm... Das darfst du aber nicht weitererzählen, ja?"
"Versprochen", sage ich.
"Ich habe dir doch erzählt, dass Kaffee in der Bibliothek verboten ist. Deswegen die Extra-Runde."
"Das verstehe ich nicht. Du hast doch selbst vorgeschlagen Kaffee zu trinken? Und es hat uns doch niemand erwischt. Frau Epikuron ist doch nicht die Schulaufsicht", sage ich ungläubig.
"Natürlich, aber es ist trotzdem nicht erlaubt. Ich habe mich dafür entschieden eine Regel nicht zu befolgen und muss dann eben dafür gerade stehen."
"Aber..." jetzt bin ich an der Reihe nach Worten zu suchen. "Wenn wir den Kaffee verschüttet hätten, dann würde ich dir ja zustimmen aber es ist doch nichts passiert. War doch eher so ein Kavaliersdelikt. Das ist ganz schön streng."
"Ich weiß."
Diese unverhältnismäßige Strafe und ihre strenge Kleiderordnung bringen mich dazu eine neue Theorie aufzustellen. Welche Rolle spielt Frau Epikuron in Leilas Leben? Macht Leila all diese Sachen nur, weil sie von ihr unter Druck gesetzt wird?
"Ist diese Extra-Runde die Idee deiner Begleiterin? Frau Epikuron meine ich." frage ich.
Leila bleibt stehen. Sie scheint mich einen Moment lang durch ihren Schleier hindurch anzusehen, dann sagt sie:
"Hör mal, eines möchte ich gleich klarstellen. Tut mir leid, wenn ich dabei etwas deutlicher werde aber es gab in der Vergangenheit schon mal Probleme, weil fremde Leute einen falschen Eindruck von uns bekommen haben und das möchte ich kein zweites Mal erleben.
Frau Epikuron misshandelt mich nicht. Ich wohne bei ihr. Unser Verhältnis ist sehr kompliziert und zwar weil ich es mir so wünsche."
"Ich wollte euch nichts unterstellen", sage ich. "Tut mir leid, wenn das falsch rübergekommen ist."
"Bitte erzähle nichts von dem, was du heute gesehen hast weiter", sagt Leila eindringlich. "Ich weiß, dass ich ein Freak bin aber das gibt anderen Menschen noch lange nicht das Recht sich in meine Angelegenheiten einzumischen und mir vorzuschreiben, was ich zu tun oder wie ich auszusehen habe. Das habe ich so satt!"
Leila klingt wütend.
"Ich verspreche dir, dass ich weder über dich noch über deine Begleiterin irgendwelche Geschichten verbreiten werde."
Leila schaut mich einen Moment lang an und sagt dann: "Danke. Sorry, ich wollte dich nicht so anfahren aber das ist ein sensibles Thema für mich."
Wir gehen weiter.
"Und ich finde auch nicht, dass du ein Freak bist", sage ich. "Nur ungewöhnlich eben."
"Ach, ich hab mich damit abgefunden ein Freak zu sein", sagt sie und klingt gleich wesentlich entspannter.
"Wenn ich an Freaks denke, dann kommen mir Gestalten wie Hannibal Lecter in den Sinn. Du weißt schon, der Irre aus dem Schweigen der Lämmer? Verglichen damit bist du viel umgänglicher", sage ich mit einem Lächeln.
"Das ist aber ein schönes Kompliment", sagt sie und ich glaube in diesem Moment ein Schmunzeln unter dem Gewand zu hören.
Schneller als es mir lieb ist erreichen wir ihr Haus. Ein ganz normales Einfamilienhaus, umgeben von einem hüfthohen Zaun hinter dem ein gepflegter Vorgarten liegt. Leila geht an die Pforte und drückt die Klingel.
"Danke, dass du mich begleitet hast. Vielleicht treffen wir uns mal wieder."
"Sehr gerne. Deine Begleiterin hat mich für nächste Woche Donnerstag eingeladen. Bist du Abends zuhause?"
"Was?" erwidert Leila sofort. "Das ist mal wieder typisch sie. Donnerstag ist schlecht. Bitte frag sie, ob sie Montag Zeit hat. Bitte!"
"Ok, mache ich. Kannst du mir ihre Telefonnummer geben?"
Bevor Leila antworten kann, wird die Haustür geöffnet. In der Tür erscheint eine junge Frau, die etwa in unserem Alter oder ein klein wenig älter sein dürfte. Sie trägt eine enge Jeans, ein schwarzes T-Shirt und ist barfuß. Offensichtlich hat sie es sich gerade bequem gemacht.
Ihr Gesicht erinnert mich sofort an Leilas Begleiterin. Der gleiche dunkle Teint, schwarze Haare, nur etwa 25 Jahre jünger sieht sie aus.
"Hi Leila", ruft uns die junge Frau entgegen. "Du hast ja jemanden mitgebracht!"
"Nabend! Ich bin Jakob", sage ich.
"Er ist aus meiner Klasse", erklärt Leila, während die andere junge Frau mit einem Knopf hinter der Haustür das Schloss der Pforte öffnet. "Wir haben uns auf dem Sportplatz getroffen. Er hat mich nach Hause begleitet."
"Ich bin Cyria", sagt die Frau. "Die Tochter von Ionnina. Sag mal, willst du nicht noch kurz was trinken Jakob?"
Etwas Durst habe ich schon, weshalb ich ihr Angebot gerne annehme und hinter Leila durch die Pforte gehe. Die bleibt kurz stehen, als sie die Worte der anderen Frau hört, geht dann aber weiter auf die Tür zu.
"Schuhe kannst du anbehalten, wir setzen uns einfach in die Küche", sagt Cyria und geht vor. Der Flur und die Küche sind ganz normal eingerichtet. Einzig der lange Perserteppich im Flur verbreitet einen Hauch von exotischem Charme. Ungewöhnlich sind außerdem Metallschienen, die im Flur und in der Küche im Boden eingelassen sind.
Wir setzen uns alle an den Küchentisch.
"Machst du die Getränke, Leila?" fragt Cyria.
Leila senkt ihren Kopf nach unten. Wegen dem Gewand kann ich nicht genau erkennen, was sie damit bezweckt. Aber es wirkt so, als ob sie auf ihren eigenen Bauch schauen würde. Cyria reagiert auf dieses Zeichen nicht. Erst als Leila mit einem flehenden Unterton sagt: "Cyria, bitte!" steht sie auf und geht zum Kühlschrank.
"Kannst du bitte Jakob auch die Nummer von... ähm... Frau Epikuron geben?" fügt sie zögerlich hinzu, während Cyria zwei Gläser mit Mineralwasser füllt und auf den Tisch stellt.
"Frau Epikuron?" fragt Cyria zurück. Es klingt so, als ob sie sich darüber amüsieren würde. Ohne Leilas Reaktion abzuwarten stellt sie die nächste Frage:
"Wofür brauchst du die denn?" fragt sie.
Ich antworte: "Sie hat mich für Donnerstag eingeladen, aber der Tag passt wohl nicht so gut weshalb ich lieber Montag kommen würde."
Cyria fängt an zu schmunzeln.
"Das passt zu ihr. Donnerstag! Ha!" sagt Cyria und schreibt mir die gewünschte Telefonnummer auf einen Zettel. All die geheimen Zeichen und Andeutungen verwirren mich. Ich weiß gar nicht, wonach ich zuerst fragen soll und genehmige mir erst mal einen großen Schluck Wasser.
"Leila, gleich sind fünf Minuten um", sagt Cyria zu Leila, die daraufhin auf ihrem Stuhl hin und her rutscht.
"Jakob, ich muss noch was für die Schule machen. Wir müssen uns jetzt verabschieden."
"Ok, kein Problem", sage ich und stehe auf.
Leila steht ebenfalls auf und scheint mich in Richtung Flur schieben zu wollen. Ich beeile mich zur Haustür zu kommen.
"Denk bitte an Montag. Bitte!" sagt sie hinter mir im Flur.
"Versprochen", sage ich und zeige ihr den Zettel mit der Telefonnummer, den ich mir in die Hosentasche stecke.
"5 Minuten, 30 Sekunden", sagt Cyria.
"Du musst jetzt gehen, bitte bitte!" fleht Leila mich an.
Vollkommen verwirrt öffne ich die Tür und trete nach draußen.
"Tschüss Jakob!" ruft Cyria mir hinterher, während es so aussieht, als ob Leila sich mit der Schulter gegen die Haustür lehnen würde. Mit einem Ruck wird die Haustür geschlossen. Perplex bleibe ich einen Augenblick lang vor der geschlossenen Haustür stehen. Was zum Teufel war denn das? In meinem ganzen Leben habe ich noch nie etwas so seltsames gesehen. Ich denke an mein Gespräch mit Leila auf dem Weg zum Haus. Sie hat gesagt, ihr Verhältnis sei sehr kompliziert und zwar weil sie selbst es sich so wünscht. Merkwürdig. Wenn sie das nicht gesagt hätte, würde ich mir jetzt wirklich Sorgen machen. Ich hoffe, dass mein nächster Besuch endlich etwas mehr Licht ins Dunkel bringen wird.
[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von pfeffer am 08.03.18 um 18:35 geändert
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:04.01.16 00:28 IP: gespeichert
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Kapitel 4 - Ausgefallene Stunde
Wie versprochen rufe ich gleich am nächsten Tag Frau Epikuron an. Die erklärt, am Montag auf gar keinen Fall Zeit zu haben und beharrt zunächst auf Donnerstag. Ich muss daran denken, wie wichtig es Leila war, dass ich nicht Donnerstag kommen sollte. Also schlage ich stattdessen Mittwoch vor, womit sie einverstanden ist.
Auch nach unserem Treffen auf dem Sportplatz ändert sich an Leilas Verhalten nichts. Nach wie vor erscheint sie wie ein Geist zum Unterricht und verschwindet dann spurlos. Ich gebe zu, dass ich durchaus versucht war, sie zu suchen. Aber da Leila mit enormer Disziplin alles dafür tut um in den Pausen nicht entdeckt zu werden und nach Schulschluss schnellstmöglich zu verschwinden ist es mehr als deutlich, dass sie auf keinen Fall gefunden werden will. Also beschließe ich ihre Entscheidung zu respektieren.
Am Montag beginnt die Woche gleich mit einer freudigen Überraschung. Kurz nach dem Beginn der großen Pause erscheint der Hausmeister der Schule im Klassenraum.
"Hallo! Gute Nachricht für euch. Herr Schuster lässt sich entschuldigen, die letzten zwei Stunden Mathe fallen also aus."
Selbstredend bricht in der Klasse Jubel aus.
"Jetzt wärs noch nett, wenn ihr dem Boten mit der guten Nachricht noch einen Gefallen tun würdet", fügt der Hausmeister noch an, als wir schon unsere Taschen zusammenpacken. "Ich brauche einen Freiwilligen."
Niemand meldet sich. Es kann nie schaden, wenn einen der Hausmeister in guter Erinnerung hat. Also melde ich mich, auch wenn das arg streberhaft wirkt.
"Danke. Wenn du zusammengepackt hast, komm bitte zum Haupteingang. Ich warte da."
Bevor ich den Klassenraum verlasse, schreibe ich noch "Mathe fällt aus" mit Kreide auf die Tafel, damit Leila Bescheid weiß, wenn sie aus der Pause zurückkommt.
Der Hausmeister erwartet mich am Haupteingang mit einem Karton voller Reagenzgläser.
"Der Karton muss zum Schuppen hinter der Schule gebracht werden. Dr. Clausen kann sich einfach von nichts trennen", meint der Hausmeister. "Jetzt stellt er sogar schon meinen Geräteschuppen mit seinem Chemiekram voll. Naja, wie gesagt, du gehst zum Hinterausgang und folgst dann dem Weg der rechts am Gebäude entlangführt. Ist etwas zugewachsen, aber du findest es schon. Wenn du fertig bist, lässt du einfach die Tür ins Schloss fallen. Danke!"
"Etwas zugewachsen" ist wohlwollend formuliert, denke ich mir, als ich mir einen Weg durch die Sträucher zum Geräteschuppen bahne. Als ich die Sträucher hinter mir gelassen habe, lasse ich fast den Karton mit den Reagenzgläsern fallen. Vor mir steht Leila, angelehnt an einer Wand. Sie hält ein Buch in ihren Händen, beiden Händen wohlgemerkt, und liest.
Als sie mich sieht, lässt sie ihr Buch fallen und zieht ihre Hände ruckartig zurück in die Burka.
"Jakob, was machst du hier!?" sagt sie.
"Der Hausmeister hat mich mit den Reagenzgläsern zum Geräteschuppen geschickt", erkläre ich und hebe den Karton an.
"Ach Mist", sagt sie und blickt zu Boden.
"Ich erzähle niemandem davon, dass ich dich hier gefunden habe", sage ich.
"Danke. Zum Glück hast du mich gefunden und nicht eine von den Tratschtanten."
"Ich bringe auch eine, nein vielleicht sogar zwei gute Nachrichten mit."
"Ja? Was ist denn passiert?"
"Mathe fällt aus. Wir haben frei. Und ich habe mit Frau Epikuron telefoniert und den Termin am Donnerstag verschoben. Sie hat zwar am Montag keine Zeit aber ich konnte stattdessen einen Termin für Mittwoch ausmachen."
"Verdammt!" ruft Leila aus. "Das geht nicht. Es geht immer nur Montag. Jede Woche Montag. Nur dann."
"Ok, dann frage ich, ob sie in der übernächsten Woche Zeit hat."
"Hat sie nicht. In der Woche danach auch nicht. Sie wird niemals am Montag Zeit haben."
Ich schaue sie entgeistert an.
"Was ist denn bei euch los? Ich kann nur am Montag kommen, aber am Montag kann ich doch nicht kommen, weil sie nie Zeit hat? Das ist doch verrückt. Dann sage ich die Sache ganz ab."
"Nein, bitte nicht", sagt sie.
"Leila, ich bin total verwirrt. Entweder du erklärst mir das alles oder ich sage ab."
Sie blickt wieder zu Boden, scheint einen Moment lang nachzudenken und richtet ihren Blick dann zu mir.
"Wie schon gesagt, ich bin ein Freak. Das Gewand ist noch das harmloseste. Die ganze Sache ist zu komplex um sie hier im Gestrüpp zu erklären. Komm einfach am Mittwoch zu uns. Wenn du dann entsetzt davonlaufen möchtest, werde ich dir das nicht übelnehmen."
Mit diesen Worten beugt sie sich zu ihrem Buch herunter, hebt es mit ihrer rechten Hand auf und verschwindet in den Sträuchern.
**
Kapitel 5 - Antworten
In den nächsten Tagen muss ich immer wieder an das denken, was Leila mir gesagt hat. Egal wie lange ich auch darüber nachdenke, ich kann mir einfach nicht vorstellen was mich im Haus der Familie Epikuron erwarten könnte. Leila hat mir gesagt, sie würde es mir nicht verübeln, wenn ich entsetzt davonlaufen würde. Ich nehme mir fest vor, genau das auf keinen Fall zu tun.
Als ich am Mittwochabend an der Pforte klingle, bin ich auf alles gefasst und ehrlich überrascht, als mich nur Frau Epikuron in ihrer Alltagskleidung in Empfang nimmt. Sie führt mich ins Wohnzimmer und bittet mich am Esstisch Platz zu nehmen. Dort stehen schon zwei Tassen und eine Teekanne bereit. Nachdem sie uns beiden Tee eingeschenkt hat, beginnt sie mit der lange erwarteten Erklärung.
"Darf ich du zu dir sagen?", fragt sie zu Beginn.
Ich nicke.
"Wie ich dir am Sportplatz schon gesagt habe, stammt meine Familie und die Familie meines Mannes aus dem Libanon. Wir sind dort als Teil einer kleinen Minderheit aufgewachsen, die ursprünglich der Handelsstadt Pârtha entstammt. Diese Stadt wurde vor über 2500 Jahren gegründet, leider existiert sie heute nicht mehr. In dieser Stadt wurde vor etwa 2000 Jahren eine Schule gegründet, die im Laufe der Zeit eine Lehrtradition hervorgebracht hat. Wir nennen es den Weg von Pârtha. Du kannst es dir vorstellen wie angewandte Philosophie. Theoretisch stehen wir dem Buddhismus näher als dem Christentum oder dem Islam.
Der Weg von Pârtha war immer eng mit der gleichnamigen Stadt verbunden, weshalb er sich nur sehr spärlich im Umland ausbreitete. In der Stadt selbst war er jedoch die beherrschende Lehre und war populärer als jede Religion. Mit dem Vormarsch des Christentums und des Islam geriet Pârtha in Bedrängnis und seine Bewohner waren gezwungen zum Schein eine der großen Religionen anzunehmen, die damit auch den Weg von Pârtha beeinflussten. Leilas Gewand ist ein Beispiel dafür.
Der Weg von Pârtha basiert auf drei zentralen Säulen. Zuerst die Toleranz, dann die Hingabe und schließlich die Bürde. Die Toleranz ist für alle Menschen wichtig. Jeder Mensch muss auf seine Weise zum Glück finden. Ebenso wichtig ist die Hingabe. Die Gemeinschaft kann nur blühen und gedeihen, wenn alle Menschen ihr Bestes geben. Zuletzt kommt die Bürde. Eine Aufgabe, die jeder Mensch auf seine eigene Art meistern muss. Die Bürde verlangt von uns, dass wir selbst Nachteile in Kauf nehmen um anderen zu helfen.
Die Idee von der Bürde ist eine der ältesten Lehren des Weges. Sie kam zuerst auf als sich unsere Vorfahren mit der Frage beschäftigten ob es ein Jenseits gibt, also ein Leben nach dem Tod. Wir bekennen, dass wir darauf keine Antwort haben. Aber wenn es ein Leben nach dem Tod gibt, dann wird es wahrscheinlich eine Verbindung zwischen unserem Leben heute und dem Jenseits geben. Wenn dieses Jenseits ein gerechter Ort ist, dann werden wir dort für unsere guten Taten belohnt. Daraus entwickelte sich der Gedanke in diesem Leben eine Bürde auf sich zu nehmen um damit sich und seinen Angehörigen ein besseres Leben im Jenseits zu ermöglichen.
Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Lehre von der Bürde weiter. Aus der Frage ob es Gerechtigkeit gibt, ergab sich der Gedanke eine Bürde auf sich zu nehmen um schon im hier und jetzt auf ausgleichende Gerechtigkeit zu hoffen.
Im nächsten Schritt wurde die Hingabe mit der Bürde verbunden. Einige Schriftgelehrte der Schule von Pârtha befestigten lange Ketten an ihren Füßen. Mit dieser freiwilligen Einschränkung nahmen sie sich selbst ein Teil ihrer Bewegungsfreiheit um sich von den Versuchungen des Alltags abzuschotten. Ohne Ablenkung, ganz auf ihre Arbeit konzentriert, versuchten sie so die Lehre von Pârtha zu perfektionieren.
Daraus entwickelten sich die Kettenbrüder und -schwestern. Gewissermaßen unsere Mönche und Nonnen. Einige dieser Gelehrten ließen sich bald darauf auf immer neue und komplexere Arten fesseln.
Diese Idee beeinflusste schließlich auch die gewöhnliche Bevölkerung. Einige Menschen ließen sich zuerst symbolische und schließlich echte Fesseln anlegen um sie als Bürde oder Zeichen der Hingabe zu tragen. Am Ende dieser Entwicklung hat sich die Bedeutung des Begriffs Kettenbruder und -schwester verändert. Heute verstehen wir darunter eine Person, die die Idee der Bürde mit totaler Hingabe umsetzt und sich ganz darauf konzentriert, den ihr nahestehenden Personen zu helfen und zu dienen."
Ich brauche einen Moment, um diese Geschichte zu verdauen.
"Dann ist Leila also eine Kettenschwester?" frage ich.
"Das stimmt."
Frau Epikuron dreht sich um und ruft in Richtung Flur: "Leila, komm bitte ins Wohnzimmer."
Sofort höre metallisches Klirren. Es klingt wie eine Kette. Einen Augenblick später sehe ich den Grund für diese Geräusche. Aus dem Flur kommt eine bizarre Gestalt auf uns zu.
Sie trägt eine schwarze Burka, die im Licht der Deckenleuchte glänzt. Die Oberfläche sieht aus wie Plastik. Diese Burka reicht der Person nur bis knapp übers Knie. Darunter kommt eine schwarze glänzende Leggins zum Vorschein, die aus dem gleichen Material gemacht zu sein scheint wie das Gewand. Als sie näher kommt, wird mir klar, dass es sich um Latex handeln muss. Die Schuhe passen zum Latex. Sie glänzen ebenfalls schwarz und stehen auf geschätzt zehn Zentimeter hohen Absätzen. An den Fußgelenken trägt sie breite Metallschellen, die mit einer Kette verbunden sind. Eine weitere Kette schaut unter ihrem Gewand heraus und ist an einem Schlitten befestigt, der auf einer unscheinbaren Schiene läuft, die im Boden eingelassen ist.
Die verhüllte Gestalt, bei der ich kaum glauben kann, dass es Leila ist, tritt auf Frau Epikuron zu, geht vor ihr auf die Knie und berührt mit dem Kopf nacheinander beide Füße. Dann steht sie auf ohne ihre Hände zu benutzen und schaut sie an.
"Unser Gast ist extra wegen dir gekommen. Bitte erweise ihm die Ehre", sagt diese als Leila vor ihr steht.
Daraufhin geht Leila auf mich zu, zieht dabei die Kette in dem Schlitten hinter sich her und geht wieder auf die Knie. Mit in einer Mischung aus Überraschung und Faszination beobachte ich, wie sie mit ihren Kopf auch meine beiden Füße berührt und dann wieder aufsteht.
Nachdem Frau Epikuron "Jetzt kannst du dich setzen", gesagt hat, nimmt Leila am Tisch Platz.
"Wenn du schreiend davonlaufen möchtest, wäre das jetzt der perfekte Augenblick", sagt Frau Epikuron.
Ich schüttle mit dem Kopf.
"Nein, da brauchen sie sich keine Sorgen zu machen. Aber ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht was ich sagen soll."
"Dann gebe ich das Wort an Leila. Du hast alles mitgehört, oder?"
"Ja, habe ich. Erstmal bin ich froh, dass du nicht ausgeflippt bist. Du stellst dir jetzt bestimmt die Frage, was das alles soll?"
"Das stimmt", sage ich. "Die Sache mit der Bürde und der Hingabe habe ich verstanden, aber dein Outfit und das alles... Es ist so extrem!"
"Da kann ich nur zustimmen. Mir ist klar, dass die allermeisten Menschen mich für verrückt halten werden, egal wie ich ihnen meine Entscheidung so zu leben erkläre. Das macht auch gar nix, wichtig ist nur, dass ich damit glücklich bin und die Menschen, die mir nahe stehen, damit gut leben können."
"Was heißt das überhaupt, so zu leben? Was machst du denn den Tag über?" frage ich.
"Ich bin die Kettenschwester dieses Haushalts", erklärt Leila. "Ich möchte mit absoluter Hingabe das Leben der Menschen, die mir wichtig sind, so angenehm wie möglich gestalten. Deshalb habe ich für mich selbst festgelegt, dass ich in der Hierarchie ganz unten stehen möchte. Ich befolge Anweisungen, erledige anfallende Arbeiten, bediene sie. So was eben."
"Das du anderen Menschen helfen möchtest, ist natürlich kein Problem. Aber warum musst du dafür in der Hierarchie ganz unten stehen? Hast du dich damit nicht selbst aufgegeben?" frage ich.
"Das stimmt so nicht. Ich habe mir damit selbst auch einen Wunsch erfüllt. Ich bin als Baby von einer Familie adoptiert worden, die zum Weg von Pârtha gehört. Als Kind habe ich alle Aspekte der Lehre kennengelernt, abgesehen von den Kettenschwestern und -brüdern. Das es so etwas in unserer Gemeinschaft gibt, habe ich erst sehr viel später erfahren. Aber als ich schließlich diesen Teil unserer Kultur kennengelernt habe, hat es mich gleich in seinen Bann gezogen. Meine Pflegeeltern halten nichts von dieser Tradition und sie haben wirklich alles versucht um mich davon fernzuhalten. Aber ich kann manchmal ziemlich dickköpfig sein und habe so Stück für Stück immer mehr erfahren.
Je mehr ich erfahren habe, desto größer wurde meine Faszination und schließlich auch mein Wunsch das ganze selbst einmal zu erleben. Du wirst das nicht nachvollziehen können, aber ich finde es irre spannend an Menschen, denen ich vertrauen kann, Kontrolle abzugeben.
Allerdings hat zuerst niemand meinen Wunsch akzeptiert. Weil ich adoptiert bin, hat mich die Gemeinschaft immer wie das Nesthäkchen behandelt. Es hat wirklich lange gedauert, bis ich einen Weg gefunden habe mir meinen Wunsch zu erfüllen."
"Aber was war denn am Montag?" werfe ich ein. "Als wir in den Sträuchern hinter der Schule über unser Treffen heute gesprochen haben, hast du überhaupt keinen glücklichen Eindruck gemacht. Da hast du einfach wie ein Mensch gewirkt, den man gegen seinen Willen zu etwas zwingt."
"Stimmt schon", erwidert Leila. "Es kommt oft genug vor, dass ich mit den Entscheidungen, die andere für mich fällen, alles andere als glücklich bin. Es gibt auch Tage, an denen ich mir wirklich wünsche ich wäre niemals Kettenschwester geworden und oft genug verfluche ich die ganzen Einschränkungen, mit denen ich ständig leben muss.
Aber diese Gefühle und Zweifel sind ein ganz wichtiger Teil von meinem Leben als Kettenschwester. Wenn die Menschen, denen ich zu Diensten bin, nur Entscheidungen treffen würden, mit denen ich immer 100% zufrieden bin, wäre es total langweilig und die Einschränkungen und Regeln wären keine Bürde. Ich finde die Ungewissheit mit der ich jeden Tag leben muss irre spannend. Für die meisten Menschen verläuft der Alltag in festen Bahnen. Sie wissen, was sie erwartet. Bei mir ist das nicht so. Ich weiß nie, welche Aufgabe mich als Nächstes erwartet. Vielleicht ist sie leicht, vielleicht fordert sie mir alles ab? Jeder Tag ist eine neue Herausforderung!"
Es fällt mir schwer, Leilas Erklärung zu akzeptieren. Ihr Leben ist so bizarr, dass ich reflexhaft dagegen Einwände erheben möchte. Aber da sie diese Entscheidung wohl tatsächlich aus freien Stücken getroffen hat, stellt sich die Frage, mit welchem Recht ich dagegen protestieren soll?
Mit ihrer Entscheidung schadet sie höchstens sich alleine. Kann ich mich da als Moralapostel aufspielen?
Ich denke zurück an all den Unsinn, den ich mit meinen Freunden schon gemacht habe. Filmrisse bei durchfeierten Nächten, der im Sommer obligatorische Sprung von der Eisenbahnbrücke nahe meiner alten Schule in den darunter fließenden Fluss, Raserei auf der Landstraße, Klettern auf alten Strommasten... Nicht, dass ich ständig das Risiko suchen würde, aber mehr als einmal habe ich es schon im Nachhinein bereut mich selbst und andere leichtsinnig in Gefahr gebracht zu haben. Wenn meine Eltern von diesem Unsinn erfahren haben, gab es die verdiente Standpauke. Aber auch wenn mir mein Vater gehörig die Ohren gewaschen hat, war ihm anzumerken, dass er für mich Verständnis hatte. Ich habe eben getan, was man von Jungs erwartet.
Auf ihre eigene Art schadet Leila sich auch selbst, aber bringt sie sich damit in große Gefahr? Die Einschränkungen, mit denen sie lebt, sind extrem aber es sieht nicht so aus, als sei ihr Leben in Gefahr. Auch für andere Menschen ist das, was sie macht, nicht gefährlich. Ganz im Gegenteil, sie hat sich aus freien Stücken dazu entschlossen anderen Menschen zu helfen. Nur eben auf eine sehr ungewöhnliche Art und Weise.
Leila und Frau Epikuron schauen mich erwartungsvoll an.
"Na gut, wenn du wirklich so leben möchtest, ist das dein gutes Recht."
"Großartig", sagt Frau Epikuron daraufhin. "Ich hatte gleich ein gutes Gefühl bei dir, Jakob. Du bist ein offener Mensch, dass ist toller Charakterzug."
"Zu viel der Ehre", sage ich mit einem Schmunzeln.
"Wie wärs wenn du noch zum Abendessen bleibst?" fragt mich Frau Epikuron.
Ich schaue auf die Uhr, die hinter dem Esstisch an der Wand hängt. 19:00 Uhr. Ich habe heute Abend nichts weiter vor. Eigentlich gibt es keinen Grund, diese Einladung auszuschlagen, abgesehen davon, dass mich die Erlebnisse der letzten Stunde ziemlich erschlagen haben. Was ich jetzt bräuchte, wäre eigentlich ein bisschen frische Luft um den Kopf wieder freizubekommen.
"Ich brauche nicht lange um das Abendessen vorzubereiten", wirft Leila ein. "Es ist ganz simpel, kein Menü mit mehreren Gängen. Du kannst in der Zeit auf dem Sofa ein Nickerchen machen."
Es wäre grob unhöflich eine dermaßen freundliche Einladung abzulehnen. Also stimme ich zu und begebe mich sogar zum Sofa. Normalerweise würde ich mich als Gast bei meinem ersten Besuch nicht faul aufs Sofa legen, aber hier will ich die Chance nutzen für einen Moment die letzten Eindrücke in Ruhe zu verarbeiten.
Ich schließe meine Augen. Wo bin ich hier nur gelandet?
Obwohl ich es eigentlich gar nicht wollte, bin ich eingeschlafen. Ich werde von Leila geweckt, die vor dem Sofa kniet.
"Das Essen ist fertig, Jakob", sagt sie mit sanfter Stimme.
"Danke", sage ich halb schlaftrunken und richte mich unbeholfen auf. Am Tisch sitzen schon Frau Epikuron und Cyria. Leila und ich gehen beide zum Esstisch, doch während ich mich hinsetze, bleibt sie hinter mir stehen. Ich drehe mich zu ihr um.
"Isst du gar nicht mit?"
"Nein", sagt sie. "Ich esse später."
"Und du setzt dich nicht mal mit an den Tisch?"
Ohne mir zu antworten schaut Leila zu Frau Epikuron. Die blickt wiederum Leila an und scheint einen Moment lang nachzudenken.
"Tisch und nach dem Essen 30 Minuten. Dafür trage ich bei dem neuen Teil dann den ganzen Freitag lang die besonderen Aufsätze." sagt Leila.
"Die Hände auch?" fragt Frau Epikuron.
"Ja, bitte", antwortet Leila.
"Dann hoffe ich, dass die Aufsätze tatsächlich funktionieren. Na gut, dafür gebe ich dir den Tisch und danach 15 Minuten", erwidert sie.
"Die Aufsätze funktionieren bestimmt!" sagt Leila. "Ich hab schließlich eine halbe Ewigkeit daran herumgebastelt."
"Aber nur, wenn Jakob mit Freitag einverstanden ist", wirft Cyria ein.
Ich schaue vollkommen verdutzt in die Runde.
"Was ist am Freitag? Womit bin ich einverstanden?" frage ich.
"Würdest du mit mir am Freitag Laufen gehen?" fragt Leila.
"Klar, gerne", antworte ich.
"Deal", sagt Frau Epikuron daraufhin und Leila setzt sich an den Tisch.
"Jetzt darfst du dich setzen, weil wir am Freitag Joggen?" frage ich und schmiere mir ein Brot.
"Nicht direkt", antwortet Leila. "Das erkläre ich dir später einmal."
"Und was hat es mit diesen Minuten auf sich?"
"Das ist außerplanmäßige Freizeit. Nach dem Essen kann ich dir eines von meinen Zimmern zeigen, wenn du magst."
Damit bin ich natürlich einverstanden.
Beim Abendessen unterhalte ich mich mit den Frauen. Dabei erfahre ich, dass Cyria gerade ihr Abitur gemacht hat und in einem nahegelegenen Krankenhaus ein Praktikum macht. Ihr Notendurchschnitt reicht nicht für das geplante Medizinstudium, weshalb sie nun überlegt vorher eine Ausbildung zur Krankenschwester zu machen.
Der Vater arbeitet überwiegend im Ausland und ist dementsprechend selten zuhause.
Als wir fertig sind, steht Frau Epikuron auf und sagt:
"Leila, komm bitte mit."
Leila steht auf und verschwindet mit Frau Epikuron im Flur. Wenige Minuten später kehren beide zurück. Leila trägt immer noch ihre Latexburka aber die Ketten sind verschwunden. Sie schaut zu mir und fragt:
"Kommst du?"
Ich stehe auf, bedanke mich für das Essen und folge Leila. Die geht zurück in den Flur. Von hinten sehe ich, dass sie an ihren Fußgelenken noch immer die Metallschellen trägt. Dort, wo vorher die Ketten befestigt waren, sehe ich jetzt merkwürdige Löcher, die mich an ein Schlüsselloch erinnern. Auf einem Schränkchen im Flur liegen drei unterschiedlich lange Ketten. Die Ketten sehen stabil aus, definitiv kein Schmuck. An beiden Enden ist ein Knopf aus Metall angebracht, der etwa so groß ist wie ein 2€ Stück, nur etwas dicker. Sie führt mich vom Flur weg zu einer Treppe, die uns in die erste Etage bringt. Sowohl auf der Treppe als auch im Flur bewegt sie sich auf ihren hohen Absätzen mit spielerischer Leichtigkeit.
In der oberen Etage sehe ich auf dem Boden die gleichen Schienen, die ich schon im Erdgeschoss überall gesehen habe.
Leila bleibt vor einer verschlossenen Zimmertür stehen.
"Nicht jeder hat das Glück, gleich mehrere Zimmer nur für sich zu haben. Ich zeig dir jetzt mein Normales", erklärt sie und öffnet die Tür.
Das Zimmer, dass dahinter zum Vorschein kommt, sieht für meine Verhältnisse nicht normal aus. Dabei ist es grundsätzlich nicht ungewöhnlich, es ist nur deutlich größer als mein Zimmer und die Zimmer, die ich von meinen Freunden kenne.
Vor einem großen Fenster steht ein geräumiger Schreibtisch, der zu beiden Seiten von breiten Regalen flankiert wird. Auf dem Tisch liegt ein Laptop. In den Regalen stehen etliche Ordner. Zusammen mit den Ordnern stehen einige Lehrbücher im Regal, die in einem makellosen Zustand sind.
An den Wänden des Zimmers stehen noch weitere Regale und Schränke. In den anderen offenen Regalen stehen Bücher, größtenteils Romane, einige typische Urlaubssouvenirs wie Muscheln und eine ganze Menge DVDs. Passend dazu hängt ein großer Flachbildschirm an der Wand, neben dem kostspielig aussehende Boxen auf dem Boden stehen. Gegenüber von dem Flachbildschirm steht ein Sofa. Über diesem Sofa hängt ein Bild, oder besser gesagt ein Gemälde. Eine Radierung, die eine Ballerina zeigt. Die Einrichtung komplett macht das Doppelbett.
Die Einrichtung ist in Form und Farbe aufeinander abgestimmt. Hier wurden nicht einfach über die Jahre hinweg Möbel zusammengetragen. Dieses Zimmer wurde nach einem Plan eingerichtet und dieser Plan muss ziemlich kostspielig gewesen sein. Gleichzeitig wirkt das Zimmer nicht so, als sei es nur ein Ausstellungsraum. Wenn man genau hinschaut, erkennt man an der Schreibtischkante ganz zarte Spuren. Das gleiche gilt für Bett und Sofa. Dieser Raum wurde oder wird bewohnt. Um die dazu passenden Spuren zu finden, muss man allerdings mit der Lupe danach suchen, denn der Raum ist penibel gepflegt.
Leila lässt sich auf das Bett fallen, steckt ihre beiden Hände durch die Burka und streckt alle Viere von sich. Zum ersten Mal sehe ich ihre Arme. Genau wie ihre Beine sind sie auch von eng anliegendem Latex umhüllt. An beiden Handgelenken trägt sie Metallschellen. Der Handschuh an ihrer linken Hand ist an einigen Stellen ausgebeult. Als sie sich auf dem Bett ausstreckt, spreizt sie auch die Finger ihrer rechten Hand. An der linken Hand jedoch bleiben ihre Finger zusammen. Auch der Daumen liegt an der Hand an.
"So ein Bett ist doch was herrliches", sagt sie.
Ich bleibe vor ihr stehen.
"Schläfst du normalerweise nicht in einem Bett?" frage ich.
"Doch, schon. Es ist nur... anders."
"Weniger bequem?" hake ich nach.
"Mhm", bejaht sie und verharrt liegend auf dem Bett. Es wirkt so, als wollte sie diesen Augenblick ganz bewusst genießen. Ich gebe ihr zwei ruhige Minuten, bevor meine Neugierde wieder die Oberhand gewinnt.
"Das Zimmer sieht großartig aus", sage ich.
"Danke. Ich habs mit meinen Pflegeeltern und Frau Epikuron eingerichtet", erwidert sie.
"Aber jetzt bist du nicht mehr so oft hier? Das ist doch irgendwie... schade?" sage ich.
"Ja und nein", antwortet sie. "Ich liebe dieses Zimmer und bin froh, wenn ich hier etwas Zeit verbringen kann. Aber es war eigentlich ein Bestechungsversuch gewesen. Ich hab dir vorhin doch erzählt, dass meine Pflegeeltern lange versucht haben mich von meinem Wunsch Kettenschwester zu werden abzubringen. Sie haben mit mir viele Reisen gemacht. Ein anderes Mitglied unserer Gemeinschaft hat uns sogar seine Yacht im Mittelmeer zur Verfügung gestellt. Sie haben alles versucht, um mir ein normales Leben schmackhaft zu machen.
Als sie feststellen mussten, dass kein Geschenk und keine Reise mich von meinem Wunsch abbringen kann, haben wir eine Abmachung getroffen. Meinen Pflegeeltern war klar, dass mich das Extreme am Leben als Kettenschwester fasziniert. Wir haben dann gemeinsam nach Alternativen gesucht, die mit einem normalen Leben in Einklang zu bringen sind. Ungewöhnliche Freizeitbeschäftigungen, Hobbies, zum Teil Sportarten, die mitunter ein bisschen gefährlich oder ungewöhnlich sind. Wenn diese Suche erfolglos sein sollte, dann würden sie meine Entscheidung Kettenschwester zu werden akzeptieren.
Wir haben alles mögliche ausprobiert. Fallschirmspringen, Fechten, Surfen, Tauchen, Ballett, Reiten, Tanzen, Schießen – zum Schluss hat mein Vater mich dann bei einem Renntraining angemeldet. Meine Pflegeeltern haben einfach alle Register gezogen. Wenn sie es gekonnt hätten, hätten sie für mich einen Flug zum Mond gebucht. Wie du siehst, hat mich nichts so sehr fasziniert wie das Leben als Kettenschwester."
"Wow", sage ich leise. "Du hast all das gemacht und nichts davon konnte dich so richtig begeistern?"
"Begeistern schon. Bei vielen Sachen hatte ich unglaublich viel Spaß und ich denke sehr oft und gerne an diese Erlebnisse zurück. Diese Zeit hat mich allerdings in meiner Entscheidung nur noch bestärkt. Nach dem ich all das erlebt hatte, wusste ich wirklich, was ich als Kettenschwester alles aufgeben würde. Das hat es noch aufregender gemacht!"
"Du bist verrückt", sage ich und lächle ganz bewusst.
"Schon etwas", sagt sie und ich stelle mir vor, dass sie unter dem Gewand ebenfalls lächelt.
Leila wirkt entspannt und mir gegenüber erstaunlich offen. In meinem Kopf schwirren immer noch tausend Fragen herum. Ich will mehr über sie erfahren aber weiß nicht, womit ich anfangen soll. Angesichts ihrer Burka werde ich den Eindruck nicht los, dass es viele Dinge gibt, die ich Leila trotz ihrer Offenheit besser nicht fragen sollte. Ich habe Angst davor, dass sie zu mir wieder auf Abstand geht, wenn ich die falschen Fragen stelle.
"Leila, ich hoffe, ich frage jetzt nichts zu persönliches... aber warum benutzt du in der Schule immer nur deine rechte Hand?"
Als sie einen Moment zögert, wünsche ich mir schon, ich hätte diese Frage nicht gestellt. Doch schließlich sagt sie:
"Das ist etwas... Besonderes. Meine linke Hand, oder besser gesagt meine Finger, sind gefesselt. Das habe ich mir selbst ausgedacht. Es war die erste Fessel, die ich als Kettenschwester getragen habe."
Ich bin erleichtert, da ich nicht ausschließen konnte, dass es sich doch um eine Prothese handeln könnte. Ich wollte Leila nicht mit Fragen zu einem Unfall oder etwas ähnlichem in Verlegenheit bringen.
Fieberhaft überlege ich nun, was ich dazu sagen soll. Darf ich mal sehen? Geht das zu weit? Leila erlöst mich schließlich und fragt leise:
"Willst du mal sehen?"
Ich nicke. Atemlos sehe ich ihr dabei zu, wie sie ihren linken Lederhandschuh abstreift. Sie hat dabei sichtlich Mühe den eng anliegenden Handschuh auszuziehen. Dabei sehe ich, dass die Finger des Handschuhs irgendwie miteinander verbunden sind. Als sie es geschafft hat, kommt darunter eine zarte Frauenhand zum Vorschein. Ihre Hautfarbe ist heller als bei Frau Epikuron oder Cyria.
Zwischen ihren Fingergelenken sind zwei etwa 1cm breite Metallbänder angebracht, die verhindern, dass sie ihre Finger spreizen kann. An ihrem Daumen trägt sie einen breiten Metallring, der mit den Metallbändern verbunden ist. Auf diese Weise gefesselt, kann sie ihren Daumen nicht benutzen und die restlichen vier Finger nur wie in einem Fäustling öffnen oder schließen.
"Bevor meine Pflegeeltern bereit waren, meine Entscheidung hinzunehmen, habe ich mir oft überlegt was für Fesseln ich tragen könnte. Ich habe viel mit Seilen, Gummibändern und Klammern herumexperimentiert um herauszufinden was so alles möglich ist und wie es sich anfühlt. Dabei habe ich die Idee dazu entwickelt", erklärt sie und hält mir ihre gefesselte Hand entgegen.
"Es gibt in unserer Gemeinschaft einen Schmied, der die Teile dann für mich angefertigt hat. Man, war ich damals aufgeregt!"
Ich starre fasziniert auf ihre Hand. Nichts, was ich bisher erlebt habe, hat mich auf diesen Moment vorbereitet. Wenn ich so ein Teil eines Morgens an meiner Hand vorfinden würde, dann würde ich in Panik geraten und einen Krankenwagen rufen.
Aus Leilas Stimme höre ich Stolz heraus. Sie wirkt so, als ob sie mir ein selbst entworfenes Schmuckstück präsentieren würde. Jetzt sitzt sie vor mir und schaut mich an. Sie erwartet meine Reaktion. Ich suche angestrengt nach den richtigen Worten und nach einer quälend langen Pause bringe ich schließlich ein knappes "beeindruckend" hervor.
Leila zeigt sich damit zufrieden, meint fröhlich "danke" und zieht den abgelegten Handschuh wieder an.
"Ich hoffe, ich habe dich heute nicht zu arg geschockt?" meint sie, als der Handschuh wieder an seinem Platz ist.
"Nein", antworte ich und schiebe hinterher: "Na gut, ich bin schon geschockt. Aber es war nicht so schlimm, dass ich schreiend davonlaufen musste."
Jetzt zögert Leila.
"Danke." Ihre Stimme klingt ernst. Dieses Wort hat sie nicht einfach so ausgesprochen, sie hat ihm bewusst Bedeutung verliehen.
"Leider ist meine Zeit um", sagt sie als Nächstes. "Es tut mir leid, ich weiß das es unhöflich ist aber..."
Ich stehe auf.
"Ich weiß", sage ich und lächle sie an. "Vielen Dank für den schönen Abend."
Leila begleitet mich zur Tür. Ich nehme an, dass sie nicht auf die Zeit geachtet hat und jetzt in Zeitnot ist. Ich weiß nicht, was passiert, wenn sie ihren Zeitplan nicht einhält, aber ein Blick zu ihr verrät mir, dass es nichts Gutes ist.
Im Flur angekommen ruft sie in Richtung Wohnstube:
"Frau Epikuron, Jakob geht jetzt."
"Das ist aber schade", wird aus der Stube geantwortet. Ich höre Schritte. Frau Epikuron kommt um mich zu verabschieden. Sie scheint sich nicht zu beeilen. Leila springt nervös vom einen Bein aufs andere. Ich habe selbst nicht auf die Uhr geschaut, aber es sieht so aus, als ob Leila auf glühenden Kohlen steht. Kurzerhand entschließe ich mich ihr zu helfen. Ich öffne die Haustür, rufe: "Auf Wiedersehen und vielen Dank!", in die Wohnstube, trete mit einem Satz nach draußen und ziehe, ohne die Antwort von Frau Epikuron abzuwarten, hinter mir die Tür zu. Etwas unhöflich, aber es wird Leila hoffentlich helfen.
[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von pfeffer am 08.03.18 um 18:39 geändert
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:04.01.16 16:46 IP: gespeichert
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Hallo Pfeffer
Danke dass du dich entschieden hast diese Geschichte ins Netz zu stellen.
Sie ist wie das Salz in der Suppe. Spitze!!
Bitte mach weiter so.
bd8888
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:04.01.16 19:49 IP: gespeichert
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Hallo pfeffer,
Einfach nur "Danke".
Bitte, bitte, bitte weiterschreiben.
Ich werde auch nicht drängeln, höchstens irgendwann ein bisschen.
Hervorragend geschrieben! Nachvollziehbare Dialoge! Interessanter Hintergrund!
Gefühlvoll, neugierig machend, und einfach nur schön.
Ach, eine Bitte hab ich noch: Lass Jakob nicht nur Helfershelfer sein, sondern ein wenig Selbstinitiative zeigen.
Aber, ich hoffe ich werde lesen wie es sich entwickelt.
liebe Grüße
pardofelis
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:05.01.16 00:05 IP: gespeichert
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Ich hoffe, ich werde die Suppe nicht versalzen bd8888. In diesem Sinne: Guten Appetit beim nächsten Teil!
Keine Sorge pardofelis. Als gelegentlich ungeduldiger Zeitgenosse habe ich vollstes Verständnis für Drängelei.
Zu deiner Bitte ein Spoiler. Der nachfolgende kleine Text nimmt einem Teil der Handlung vorweg. Lesen auf eigenes Risiko.
gag_coll hat mich mit seiner wunderbaren Geschichte "Maria" auf die Idee gebracht zwei ähnliche Charaktere zu entwerfen. Ein in Sachen BDSM unbewanderter Mann und eine Frau als Gegenpart, die zwar die unterwürfige Rolle einnimmt aber dabei trotzdem die treibende Kraft ist. Jakob wird anfangs arg unbeholfen durch die Geschichte stolpern aber im weiteren Verlauf langsam aber sicher eine dominante Rolle einnehmen.
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:05.01.16 00:07 IP: gespeichert
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Kapitel 6 - Freitag
Am Donnerstag fehlt Leila in der Schule. Meine Mitschüler scheinen das kaum zu bemerken. Ich hingegen mache mir Sorgen. Hat ihr Fehlen irgendetwas mit meinem Besuch zu tun? Ich denke darüber nach am Abend Frau Epikuron anzurufen um mich nach ihr zu erkundigen, aber wäre das nach einem Fehltag nicht zu aufdringlich? Also verwerfe ich diese Idee wieder und am Freitag sitzt Leila wie gewohnt in ihrem weißen Gewand an ihrem Platz.
Wie immer beteiligt sie sich rege am Unterricht und verschwindet in jeder Pause. Anders als sonst, wirkt sie heute allerdings unruhig. In der ersten Stunde sitzt sie noch wie immer kerzengerade auf ihrem Stuhl. In der zweiten Stunde bewegt sie ein paar mal ihren Oberkörper hin und her. Sie bewegt sich nur ganz kurz. Bei meinen Mitschülern wäre mir es gar nicht aufgefallen.
In den folgenden Stunden bewegt sie sich immer häufiger. In den letzten beiden Stunden sehe ich wie sie sich immer wieder nach vorne beugt. Wegen dem Gewand ist es nicht leicht zu erkennen, was sie da macht, aber es sieht so aus, als würde sie mit ihrem Oberkörper an der Tischkante entlang streifen.
Am Abend habe ich mich zum Laufen mit Leila verabredet. Pünktlich um 18:30 Uhr klingel ich an der Pforte. Frau Epikuron öffnet mir die Tür.
"Hallo Jakob! Warte bitte kurz, Leila ist gleich soweit."
Während ich im Flur warte, höre ich aus einem anderen Raum Leilas Stimme.
"Muss das heute echt auch noch sein?"
"Ja, das hast du selbst so festgelegt! Und achte auf deinen Ton!", höre ich Frau Epikuron mit entschiedener Stimme sagen.
"Ich weiß... aber... ach verdammt. Wenigstens nur für heute?"
"Ganz oder gar nicht, hast du selbst gesagt", sagt Frau Epikuron.
Kurz darauf betreten Leila, bekleidet mit ihrem Sport-Gewand, und Frau Epikuron den Flur. Leila wirkt niedergeschlagen, soweit ich das erkennen kann. Frau Epikuron drückt mir einen Rucksack in die Hand.
"Den musst du bitte mitnehmen. Ihr braucht ihn auf dem Sportplatz. Pass gut darauf auf, du darfst ihn nicht verlieren", sagt sie.
Nachdem ich ihr versprochen habe, gut auf den Rucksack aufzupassen, verabschiedet sie Leila und mich an der Haustür und wünscht uns viel Spaß.
Auf dem Weg zum Sportplatz sagt Leila kein Wort. Sie geht langsam neben mir her. Als wir den einsamen Radweg erreicht haben, frage ich sie:
"Hast du heute keine Lust zu laufen?"
"Doch", erwidert sie sofort.
"Ich habe vorhin im Flur gehört, wie du dich mit Frau Epikuron gestritten hast. Wenn du möchtest, können wir uns auch einfach nur auf eine Bank setzen."
"Danke", sagt sie leise. "Aber ich will laufen. Wir haben uns wegen etwas anderem gestritten."
"Darf ich fragen weshalb?"
"Ach... du wirst es ja eh gleich sehen. Öffne mal den Reißverschluss vorne am Rucksack."
Ich öffne die vordere Tasche am Rucksack, greife hinein und hole einen äußerst merkwürdigen Metallgegenstand hervor. Es sieht aus, wie ein langes T mit Zapfen und Einkerbungen am Ende.
"Das ist ein Schlüssel", erklärt mir Leila. "Damit müsstest du mir bitte auf dem Sportplatz die Fußkette abnehmen damit ich laufen kann."
"Kein Problem", sage ich. "Ich habe dich ja gestern schon mit der Kette an den Füßen gesehen."
"Ich weiß, deswegen haben wir uns eigentlich auch gar nicht gestritten. Also schon... aber..."
Leila bleibt stehen. Sie schaut mich einen Moment lang an, atmet tief durch und sagt dann:
"Jakob, bitte schau mal kurz zur Straße."
Ich nicke, drehe ihr meinen Rücken zu und warte gespannt, was passiert. Zuerst höre ich nichts. Ich will schon fragen, ob ich mich wieder umdrehen kann, als ich ein leises Stöhnen höre. Dieses unterdrückte Stöhnen höre ich noch ein paar Mal, dann frage ich, ohne mich umzudrehen:
"Alles in Ordnung?"
"Ja, jetzt ist es besser. Für einen kurzen Moment."
Ich drehe mich wieder um. Leila geht gerade von einem Baum weg. Was soll denn das? Das nächste Rätsel.
"Kann ich dir irgendwie helfen?", frage ich.
"Im Augenblick geht es wieder", sagt sie und geht weiter.
"Hinter der Ecke da vorne kommt eine Bank. Wollen wir da kurz Pause machen?"
Ich folge ihr und sage: "Gerne."
Wie angekündigt wartet hinter der nächsten Biegung eine Bank mit Blick auf den See auf uns. Wir setzen uns beide auf die Bank.
"Heute ist so ein Tag, an dem ich mich und meine Ideen so richtig verfluchen könnte", sagt Leila mit leiser Stimme.
"Was ist denn passiert?", frage ich.
"Du erinnerst dich doch bestimmt noch daran wie ich am Mittwoch die 15 Minuten extra Freizeit bekommen habe?", fragt Leila.
"Ja", bestätige ich.
"Wenn eine Kettenschwester um etwas besonderes bittet, muss sie dafür eine Gegenleistung anbieten und diese Gegenleistung muss den Wert der Bitte übersteigen."
"Ist das wieder die Sache mit der Hingabe und der Bürde?", frage ich.
"Genau. Als ich die 15 Minuten Freizeit ohne Ketten außerhalb meines Wochenplans haben wollte, haben wir uns als Gegenleistung auf etwas geeinigt, von dem wir beide nicht wussten wie gut es funktioniert."
"Und auf was habt ihr euch geeinigt?"
"Ich trage, nach langer Vorbereitung, seit heute einen neuen BH. Deswegen war ich gestern auch nicht in der Schule. Dafür gibt es noch so eine Art Extras, die man einbauen kann."
"Diesen BH mit dem Extra musst du jetzt tragen?", frage ich.
"Ja, den ganzen Tag lang. Das ist der Deal. Leider funktioniert ein Extra viel besser als erwartet."
"Verrätst du mir, um was es da geht?"
Leila zögert kurz, ehe sie leise fortfährt:
"Cyria und ich haben das zusammen entwickelt. Es besteht aus zwei kleinen Plättchen mit ganz feinen Härchen, die meine... meine Brüste berühren. Dazu kommt noch eine Art Juckpulver. Jetzt juckt es ständig. Das ist so unglaublich nervig."
"Ihr habt das zusammen entwickelt?", frage ich ungläubig.
"Ja. Ich finde das irre spannend mir immer wieder was neues einfallen zu lassen. Und Cyria hilft mir öfters dabei. Diese Idee funktioniert leider viel besser als erwartet. Dafür hätte ich am Mittwoch locker eine halbe Stunde Freizeit verdient gehabt."
Mit diesen Worten steht Leila auf, geht zu einem Baum am Wegesrand und reibt ihren Oberkörper am Baumstamm entlang.
"Du kannst dir nicht vorstellen, wie nervig das ist! Es juckt und juckt und ich kann nichts tun. Nicht mal kratzen", sagt sie.
Ich stehe ebenfalls auf und gehe auf sie zu.
"Du siehst wirklich aus wie ein Nervenbündel. Es wäre doch fair, wenn du zumindest ohne dieses Ding Sport machen könntest. Soll ich mich umdrehen, damit du das Teil ausziehen kannst?"
Leila lehnt mit dem Oberkörper am Baumstamm.
"Ich kann den BH nicht ausziehen. Und selbst wenn ich es könnte, würde ich mit den Händen nicht mal drankommen."
"Sind deine Hände... gefesselt?" frage ich vorsichtig.
"Ja, und bevor du fragst, nein, der Schlüssel für die Fußkette passt nicht für die Handfesseln. Ich hab das selbst so festgelegt. Wenn ich diese Einlagen trage, müssen meine Hände so gefesselt sein, dass ich meine Brüste nicht erreichen kann."
Leila lässt den Kopf hängen.
"Wollen wir zurück und Frau Epikuron darum bitten dich zu befreien?", frage ich vorsichtig.
Sofort hebt sie ihren Kopf wieder an und schaut mir direkt ins Gesicht.
"Nein. Es ist zwar wirklich unangenehm, aber ich will nicht aufgeben."
Ich beschließe Leila mit einer Frage abzulenken, die ich mir schon die ganze Zeit über stelle:
"Wie kommt es eigentlich, dass du bei Frau Epikuron wohnst?"
"Du weißt ja, dass meine Pflegeeltern absolut gegen die Kettenschwester Sache sind. Ich nehme ihnen das nicht übel, aber sie können sich nicht mit meinem Wunsch abfinden. Informationen zu den Kettenschwestern habe ich bekommen, in dem ich einfach andere Mitglieder der Pârtha-Gemeinschaft danach gefragt habe. Die meisten wussten, was meine Pflegeeltern davon halten und weil sie ihnen nicht in den Rücken fallen wollten bin ich mit meinen Fragen überall auf taube Ohren gestoßen. Frau Epikuron war eine der Ausnahmen. Ich muss gestehen, dass ich sie anfangs fast dazu genötigt habe mir zu helfen. Ich hatte aufgeschnappt, dass sie sich mit diesem Thema ein bisschen auskennt und ab da habe ich einfach nicht locker gelassen und bin ihr wirklich auf die Nerven gegangen.
Nach einer Weile musste sich Frau Epikuron dann eingestehen, dass sie mich nicht abwimmeln konnte. Ein paar Monate nach meinem 18. Geburtstag hat sie dann das Gespräch mit meinen Pflegeeltern gesucht und zu viert haben wir dann entschieden, dass ich für zwei Wochen bei Frau Epikuron wohnen sollte. In der Zeit sollte ich das Leben als Kettenschwester kennenlernen.
Das war aber nur ein Trick. Ich weiß, dass das für dich total komisch klingt, aber ich mag das Gefühl gefesselt und eingeschränkt zu sein. Das ist ein wichtiger Teil im Leben einer Kettenschwester. Frau Epikuron hat mir in diesen zwei Wochen aber nichts in dieser Richtung gezeigt. Stattdessen hat sie mir mit meinen Pflegeeltern zusammen das Zimmer eingerichtet, dass ich dir gestern gezeigt habe. Dort habe ich gewohnt. Dazu bekam ich von Frau Epikuron Aufgaben, die ich für sie im Haushalt und im Garten erledigen sollte. Arbeit ist auch ein wichtiger Teil im Leben einer Kettenschwester, aber es ist eben nur ein Teil. Frau Epikuron hat versucht mir meinen Wunsch mit öder Hausarbeit madig zu machen. Aber ich habe ihren Plan sofort durchschaut.
Ich habe in den zwei Wochen jede Aufgabe erledigt, die mir aufgetragen wurde und habe mich nicht einmal beschwert. Damit konnte ich Frau Epikuron überzeugen, dass ich es ernst meine. Sie hat mir dann angeboten, einige Wochenenden bei ihr zu verbringen. Dabei sollte ich dann das Leben einer Kettenschwester wirklich kennenlernen. Das war zwar ein Schritt in die richtige Richtung aber es war nicht, wie soll ich sagen... echt? Meiner Meinung nach ist eine echte Kettenschwester über einen längeren Zeitraum immer Kettenschwester – 24 Stunden am Tag. Ich war meistens nur einen Tag lang am Wochenende Kettenschwester. Es war nur ein kurzes Spiel für ein paar Stunden. Total langweilig.
Es hat mich dann viele, viele Stunden Diskutieren und Überzeugungsarbeit gekostet, bis ich endlich eine echte Kettenschwester werden durfte. Meine Pflegeeltern sind bis heute strikt dagegen und auch Frau Epikuron versucht mich ständig zu bremsen."
"Aber du bist jetzt zufrieden?", frage ich.
"Schon, ja. Frau Epikuron unterstützt mich zwar, aber sie ist auch der Meinung, dass ich zu weit gegangen bin. Die Grundlage für mein Leben als Kettenschwester ist mein Versprechen. Es ist wie ein Vertrag, in dem ich zusichere Frau Epikuron zu dienen und zu gehorchen. Außerdem werden darin die Einschränkungen festgelegt, mit denen ich lebe und noch ein paar Dinge.
Sie findet, dass ich mir viel zu viel aufgebürdet habe und versucht mich immer wieder davon zu überzeugen, mein Versprechen zu ändern und Einschränkungen zu streichen. Diese Idee finde ich unmöglich. Eine Kettenschwester muss ihr Versprechen halten."
Bis jetzt hat sich Leila kaum gerührt. Sie hat sich ganz auf ihre Schilderung konzentriert und darüber diesen merkwürdigen BH beinahe vergessen. Kaum ist sie fertig, sehe ich ihr an, dass ihr das Teil wieder zusetzt.
Wir gehen wieder zurück auf den Radweg. Sie geht so schnell, wie ihre Fußkette es zulässt. Ich überlege, ob ich ihr anbieten soll die Fußkette schon auf dem Weg zum Sportplatz zu öffnen aber ich kenne ihre Antwort auf dieses Angebot schon.
Am Sportplatz abgekommen bleibt sie vor der Laufbahn stehen. Ohne auf ihre Aufforderung zu warten, gehe ich vor ihr in die Hocke und hole den Schlüssel aus dem Rucksack. Ich schiebe ihr Gewand ein kleines Stück nach oben um freie Sicht auf ihre Füße zu haben. Ihre Beine sind wieder in ein eng anliegendes Material gehüllt, dessen Oberfläche aber eher matt und rau aussieht. An ihren Füßen trägt sie ganz normale Sportschuhe. Darüber die schon bekannten Metallfesseln, die mit einer Kette verbunden sind.
"An den Schellen siehst du jeweils eine kleine Scheibe, an denen die Kette befestigt ist. Da ist in der Mitte ein Schlüsselloch. Du musst den Schlüssel einfach nur reinstecken und einmal umdrehen", erklärt Leila.
Die Schlösser funktionieren wie beschrieben und mit zwei flinken Handbewegungen habe ich sie von der Kette befreit. Die Kette lege ich dann zusammen mit dem Schlüssel in den Rucksack.
"Danke", sagt Leila und wendet sich der Laufbahn zu. "Auf geht’s!"
Ich nehme den Rucksack auf die Schultern und laufe ihr hinterher.
Ihr Tempo ist beachtlich. Sie läuft definitiv schneller als beim letzten mal. Es ist offensichtlich, dass sie ihr Laufpensum so schnell wie möglich hinter sich bringen will.
Nach drei schnellen Runden ist es geschafft.
Nachdem ich ihr die Fußkette wieder angelegt habe, machen wir uns auf den Rückweg. Sie hat die ganze Zeit über mit den BH-Einlagen zu kämpfen. Ich versuche sie mit etwas Smalltalk zum Thema Schule abzulenken. Dabei merke ich schnell, dass selbst ich, als absoluter Neuling, über unsere Mitschüler mehr weiß als sie.
**
Kapitel 7 - See
Am Wochenende besuche ich meine Eltern und treffe mich mit meinen Freunden aus der alten Schule. Wir haben alle viel von unseren neuen Schulen zu berichten. Aber egal wie lustig oder spannend die Geschichten der anderen auch sind, ich muss immer wieder an Leila denken. Ich hoffe, dass sie sich am Wochenende etwas erholen kann. Mit diesen Gedanken bleibe ich alleine. Meine Mutter fragt mich besonders intensiv nach meinen neuen Mitschülern aus und ihr entgeht nicht, dass ich immer wieder in meinen Gedanken versinke. Als sie wieder und wieder nachbohrt, überlege ich ob ich ihr nicht doch von Leila erzählen soll. Aber wie soll ich das anstellen? Leilas Leben ist so verrückt, dass sie mir unmöglich glauben würde. Sie würde wohl annehmen, dass mir die Großmutter Drogen ins Essen mischt. Also lasse ich die Fragen meiner Mutter ins Leere laufen und meinen Freunden erzähle ich auch nichts von Leila.
Als ich am Montag in der Schule nach einer Pause an meinen Platz zurückkomme, liegt auf meinem Schreibblock ein zusammengefalteter Zettel. Auf dem Zettel steht:
Komm bitte nach der Schule zum kleinen Geräteschuppen hinter den Sträuchern.
Gez. L
Ich folge der Einladung und treffe nach der Schule am verabredeten Ort wie erwartet Leila.
"Hi", begrüße ich sie. "Ich hoffe, du hast dich nach der Tortur am Freitag etwas erholen können."
"Hallo Jakob!", erwidert sie meine Begrüßung. Ihre Stimme klingt aufgeweckt, fast fröhlich.
"Ja, ich hab mich ziemlich gut erholt", sagt sie. "Ich hab heute meinen freien Tag. Hast du Lust mit mir heute Nachmittag im See Schwimmen zu gehen?"
"Schwimmen?", frage ich entgeistert. Angesichts ihres Gewands habe ich nicht erwartet, von ihr zum Schwimmen eingeladen zu werden.
"Ich kenne einen abgelegenen kleinen Strand. Da ist niemand. Quasi meine private Badestelle", sagt sie und nimmt damit meine Frage vorweg.
"Ok, gerne!", sage ich.
"Super. Magst du mich um 16 Uhr bei mir zuhause abholen? Die Badestelle ist nicht weit weg."
"Mach ich."
Wir verabschieden uns und ich mache mich auf den Heimweg.
Um 16 Uhr hole ich Leila bei ihr zuhause ab. Sie trägt ihr weißes Gewand und hat eine Umhängetasche dabei.
"Ich wusste gar nicht, dass du auch einen freien Tag hast", sage ich, als wir auf dem Weg sind.
"Montag ist mein freier Tag", erklärt sie. "Zumindest wenn ich in der Woche davor keine gravierenden Fehler gemacht habe. Wenn ich Fehler mache oder mich schlecht verhalte, kann der freie Tag auch gestrichen oder eingeschränkt werden."
"Kommt das oft vor?"
"Also komplett gestrichen wird mein freier Tag nur selten. Aber kleine Einschränkungen muss ich öfters hinnehmen."
Leila zieht ihr Gewand hoch. Ich sehe, dass sie ihre Fußkette trägt. Außerdem trägt sie schwarze Latex-Leggings und Schuhe, die ich noch nie zuvor bei ihr gesehen habe. Rote Ballerinas mit kleinen schwarzen Schleifen.
"Die Kette muss ich tragen, weil ich in der letzten Woche zu störrisch war. Das macht aber nichts. Ich hab mich so an die Kette gewöhnt, dass ich sie eigentlich schon vermisse wenn ich sie mal nicht trage."
"Du trägst heute andere Schuhe als sonst. Kannst du dir an deinem freien Tag aussuchen, was du anziehen möchtest?", frage ich als Nächstes.
"Nicht wirklich", antwortet sie. "Als Kettenschwester muss ich immer Einschränkungen als Bürde tragen. Meine Schuhe sind eine Ausnahme. Da kann ich an meinem freien Tag noch tragen, was ich möchte. Die Schuhe habe ich mir gerade erst letzte Woche bestellt. Toll, oder?", sagt sie und zieht ihr Gewand wieder hoch.
"Die sehen gut aus", sage ich. Das Leila sich trotz ihrer restriktiven Kleidung für Mode interessiert, habe ich nicht erwartet.
"Ich finde die passen super zu dem schwarzen Latex. Wenn man bei der Kleidung keine Wahl hat, ist es echt nicht leicht passende Sachen zu finden", sagt sie und betrachtet die Schuhe an ihren Füßen von allen Seiten.
"Das Rot passt wirklich zu dem Latex", pflichte ich ihr bei. "Vermisst du das denn gar nicht? Ich meine, dass du eigentlich nie entscheiden kannst, was du anziehst?"
"Oh doch", antwortet sie, lässt die Burka fallen und geht weiter.
"Bevor ich Kettenschwester geworden bin, war ich für mein Leben gern Shoppen. Ich hatte prall gefüllte Kleiderschränke. Ich liebe es immer noch, an meinem freien Tag einfach mit einem Becher Kakao faul auf dem Sofa zu liegen und Modezeitschriften zu lesen."
"Du hattest prall gefüllte Kleiderschränke? Was ist denn daraus geworden?"
"Alles weggegeben. Ich brauche als Kettenschwester keine normale Kleidung. Nur die Schuhe sind eine Ausnahme."
"Dann musst du ja wirklich immer nur diese... besonderen Sachen aus Latex tragen", stelle ich fest.
"Ja, das gehört zu der Bürde, die ich als Kettenschwester trage. Außerdem habe ich es mit meiner Kleidung so weit getrieben oder besser gesagt übertrieben, dass es in erster Linie Luxus war. Ich hatte so viel, dass die meisten Sachen einfach nur im Schrank lagen und nie getragen wurden. Wie du weißt, war ich früher das Nesthäkchen. Meine Eltern haben mir jeden Wunsch erfüllt. Rückblickend ist es wirklich irre, wie viel Geld ich ohne darüber nachzudenken mit vollen Händen ausgegeben habe. Heute kommt mir das so blöd vor.
Als Kettenschwester ist es jetzt meine wichtigste Aufgabe, den Menschen, die mir nahe stehen zu helfen und ihnen zu dienen. Übertriebenen Luxus brauche ich dafür nicht, deswegen mussten die Sachen weg. Nur manchmal, wenn ich es verdient habe, darf ich mir etwas Schönes gönnen. Wie eben diese Schuhe."
Das nächste ungewöhnliche Detail aus dem Leben von Leila. Ich bin wieder überrascht, mit welcher Konsequenz sie ihren Weg geht.
Der Weg zur Badestelle führt an einer leer stehenden Pension vorbei. Im Garten wuchert das Unkraut.
"Die Wirtin ist vor 3 Jahren gestorben", sagt Leila als wir uns einen Weg durch das Gestrüpp bahnen. "Ihre Erben wissen wohl noch nicht so recht, was sie mit dem Haus und dem Grundstück anfangen sollen. Neuenfels ist nicht gerade der Touristenmagnet. Seit dem ist hier nichts mehr passiert. Die Badestelle gehört zur Pension aber seit der Betrieb eingestellt worden ist, habe ich hier noch keinen anderen Menschen gesehen."
Die Badestelle entpuppt sich als hübscher kleiner Strand hinter dem ein Wald liegt. Damit ist sie bestens geschützt vor fremden Blicken. Die warme Nachmittagssonne steht über dem See. Perfektes Badewetter!
Leila und ich legen unsere mitgebrachten Liegetücher am Strand aus. Dann schaue ich gebannt zu ihr. Seit sie mich eingeladen hat, habe ich mir die Frage gestellt, was sie wohl zum Schwimmen tragen wird. Trägt sie unter ihrer Burka einen Badeanzug? Werde ich wohl möglich ihr Gesicht sehen?
Leila wendet mir zu und sagt: "Mein Schwimmzeug entspricht nicht ganz der aktuellen Sommermode. Es ist ein ziemlich seltsamer Anblick. Bitte erschrick dich nicht, ok?"
"Ok", sage ich, woraufhin sie beginnt mit beiden Händen ihre Burka nach oben zu ziehen. Der Stoff des Gewands hat kaum ihre Schuhe entblößt, da lässt sie ihn wieder fallen und schaut zu mir.
"Ich trage wirklich sehr komische Sachen. Du darfst dich nicht erschrecken. Versprochen?", fragt sie.
"Versprochen", antworte ich.
Leila greift wieder nach ihrem Gewand und zieht es nach oben.
Zuerst kommen ihre Beine zum Vorschein. Abgesehen von den Metallschellen mit der Fußkette erblicke ich nur schwarzes Latex. Oberhalb ihrer Beine sehe ich, dass auch ihre Hüften ganz von Latex umschlossen sind. Als sie das Gewand fast ganz ausgezogen hat, sehe ich einen schlanken Körper vor mir, der von den Füßen über die Schultern bis zu den Fingerspitzen in Latex gekleidet ist. Selbst ihre Lederhandschuhe hat sie gegen welche aus Latex eingetauscht.
Das Material sieht robust und ziemlich dick aus. Vom Körper erkenne ich nur grobe Konturen. Nur die Metallschellen an Händen und Füßen heben sich von dem gleichmäßigen Schwarz ab. Außerdem trägt sie auch noch ein etwa 2 cm breites Metallhalsband.
Das Leila in einem Latexanzug schwimmen geht, wundert mich nicht. Die wirkliche Überraschung bekomme ich erst zu sehen, als sie ihr Gewand über ihren Kopf streift.
Auf ihrem Kopf trägt sie eine Art Helm, der mich an eine Gasmaske ohne Filter erinnert. Die Maske glänzt matt schwarz und wirkt sehr stabil. Sie umschließt den Kopf komplett, nirgendwo ist auch nur ein einziges Haar zu sehen. Dort wo die Augen sitzen, sind zwei pechschwarze Gläser in die Maske eingelassen. Unter diesen Gläsern, etwa dort wo der Mund sein sollte, hat die Maske ein kreisrundes Loch, in das ein engmaschiges Metallgitter eingelassen ist.
Angesichts dieser bizarren Maske, die sich in einem Horrorfilm gut machen würde, stehe ich mit weit aufgerissenen Augen vor Leila.
Mein Versprechen mich nicht zu erschrecken ist hinfällig.
"Kannst du die abnehmen?" frage ich.
"Nein. Also das heißt grundsätzlich schon. Keine Angst, die ist nicht an meinem Kopf festgeklebt oder so. Ich kann sie nur jetzt nicht abnehmen."
"Warum trägst du so was selbst beim Schwimmen?", frage ich entgeistert.
Leila richtet ihren Blick zu Boden. Mein deutlich erkennbares Entsetzen beim Anblick dieser Maske geht nicht spurlos an ihr vorüber.
"Tut mir leid, wahrscheinlich hängt dir das schon zu den Ohren raus, aber das ist wieder so eine besondere Regel. Alle Kettenschwestern und -brüder versprechen der Gemeinschaft, dass sie die Bürde der Fessel tragen und den Menschen, die ihnen nahe stehen, dienen werden. Darüber hinaus kann man die eigene Bürde noch vergrößern, in dem man zusätzliche Versprechen ablegt. Ich habe unter anderem versprochen, dass ich mein Gesicht nur ganz bestimmten Menschen zeigen werde. Bitte sei mir nicht böse, aber ich darf dir mein Gesicht nicht zeigen. Vielleicht darf ich es eines Tages aber jetzt noch nicht."
"Welchen Menschen darfst du dein Gesicht denn zeigen?"
Leila windet sich. Es ist ihr anzusehen, dass dieser Moment für sie sehr unangenehm ist.
"Ich... ich möchte das jetzt noch nicht erklären. Später, wenn wir uns besser kennen. Aber jetzt kann ich es noch nicht. Bitte nimm mir das nicht übel. Bitte!"
Ich atme tief durch. Ich habe nicht erwartet diesen Badeausflug mit einer Person zu verbringen, die aussieht, als sei sie die letzte Überlebende nach dem Ausbruch einer verheerenden Seuche.
Leila setzt sich auf ihr Liegetuch und lässt den Kopf hängen. Bei ihrem Anblick verfliegt mein Entsetzen sofort. Meine Reaktion hat sie hart getroffen. Das war nicht meine Absicht.
Ich setze mich neben sie und lege ihr meinen Arm um die Schulter.
"Sorry, dass ich so erschrocken reagiert habe. Ich war nur so überrascht."
Leila lehnt sich an mich.
"Du kannst ja nichts dafür", sagt sie leise. "Ich sehe halt aus wie ein Freak."
"Hey, sei nicht so streng mit dir selbst. Die Maske ist eben etwas gewöhnungsbedürftig."
"Danke", sagt sie.
"Musst du die Maske immer tragen?", frage ich.
"Nein. Ich kann zuhause oft den Mundschutz abnehmen. Dann kann ich ganz normal essen." Sie deutet auf das runde Loch mit dem engmaschigen Metallgitter. "Und ich kann auch die ganze Maske manchmal abnehmen, wenn ich mich gut benehme. Heute, an meinem freien Tag, muss ich das Gitter vor dem Mund nur tragen, weil wir uns treffen. Das habe ich mir alles selbst ausgedacht. Ganz schön dumm von mir, was?"
Leila spricht immer noch leise und wirkt niedergeschlagen.
"Ich müsste lügen, wenn ich sagen sollte, dass ich deine Entscheidungen nachvollziehen kann. Aber du hast mir doch selbst erklärt, dass du in erster Linie anderen Menschen dienen willst. Dein Weg ist ziemlich extrem aber die Idee anderen zu helfen ist überhaupt nicht dumm. Vielleicht hast du es mit den ganzen Einschränkungen nur übertrieben? Könntest du nicht mit Frau Epikuron sprechen, damit ihr die Sache ein bisschen leichter gestalten könnt?"
"Manchmal wünsche ich mir das. Aber wenn Frau Epikuron bei so einer zentralen Regel einmal nachgeben wird, dann werde ich sie immer wieder dazu bringen nachzugeben und dann werde ich bald keine Kettenschwester mehr sein. Cyria und Frau Epikuron tragen eine große Verantwortung. Sie müssen mir dabei helfen auf meinem Weg zu bleiben, was an manchen Tagen nicht leicht ist."
"Aber dafür umsorgst du sie doch auch fast jeden Tag", sage ich.
"Das beruht aber auf Gegenseitigkeit. Sie machen aber auch sehr viel für mich. Ich habe mir viel aufgebürdet und bin oft auf ihre Hilfe angewiesen."
"Wobei müssen sie dir denn helfen?"
"Das möchte ich dir jetzt wirklich nicht sagen. Die Sachen sind noch schlimmer als die Maske."
"Och, an die Maske habe ich mich inzwischen schon gewöhnt", sage ich.
Leila richtet sich auf, blickt mich an und sagt: "Echt?"
Ich schaue in die beide pechschwarzen Augengläser.
"Na gut, ich will dich ja nicht belügen. Dein Anblick ist immer noch ungewöhnlich aber den ersten Schock habe ich überwunden. Also wäre ich bereit für den nächsten Schock", sage ich und lächle kurz.
"Den nächsten Schock kannst du dir abholen, wenn wir uns das nächste mal treffen", sagt sie und klingt dabei schon besser gelaunt.
"Treffen können wir uns gerne. Aber für die nächste ungewöhnliche Offenbarung wäre ich schon jetzt bereit."
"Meinst du? Vielleicht ist der nächste Schock ja so schlimm, dass du dich gar nicht mehr traust dich mit mir zu treffen."
"Bisher hab ich noch alles verkraftet. Vielleicht kann ich dich mit Komplimenten bestechen? Du hast die schönste Maske, die ich in diesem Sommer gesehen habe. Die Freiwillige Feuerwehr sieht ganz schön alt aus verglichen mit dir."
"Das ist ja ein tolles Kompliment", sagt Leila und lacht für einen kurzen Moment.
"Ich weiß", sage ich, beuge mich zu ihr herüber und hauche ihr einen Kuss auf die Stirn. Ich handle ohne darüber nachzudenken. Wahrscheinlich ist es die Erleichterung darüber, dass ich es tatsächlich geschafft habe, Leilas Laune etwas zu verbessern.
Sie kann davon unter ihrer Maske nur so etwas wie leichten Druck gespürt haben. Jetzt schaut sie mich mit ihren undurchdringlichen Augengläsern an. Instinktiv suche ich nach irgendeiner Reaktion in ihrem Gesicht. Doch die Maske regt sich nicht.
Nach einem quälend langen stillen Augenblick springt Leila plötzlich auf.
"Komm, lass uns schwimmen gehen!"
Wegen ihrer Fußkette kann sie nicht rennen, aber sie geht so schnell sie kann zum See. Über den kurzen Strand muss sie nicht weit laufen. Hastig streife ich mir meine Klamotten vom Leib. Zum Glück habe ich daheim noch meine Badehose untergezogen.
Fertig umgezogen renne ich ihr hinterher und bevor ich sie eingeholt habe, steht sie schon im Wasser. Als das Wasser etwa hüfthoch ist, fängt sie an zu schwimmen. Sowohl die Maske als auch die Fußkette scheinen sie dabei nicht groß zu stören, weshalb ich vermute, dass sie nicht zum ersten mal in diesen Sachen schwimmt.
Ich schwimme in ihre Richtung. Der See scheint zumindest an dieser Stelle nicht besonders tief zu sein. Ohne Probleme kann ich jederzeit mit meinen Füßen den Boden berühren.
Als ich sie fast eingeholt habe, fängt sie an mich mit Wasser vollzuspritzen.
"Da bist du ja endlich, du lahme Ente", sagt sie und lacht.
"Du bist mit einem ordentlichen Vorsprung gestartet", gebe ich lachend zurück und spritze sie ebenfalls voll.
"Ich bin sowieso schneller als du", ruft sie mir durch die Wasserfontänen hindurch zu.
"Im Leben nicht", antworte ich.
"Wie wärs mit einem Wettschwimmen?" fragt sie und hört auf mich vollzuspritzen.
Meint sie das ernst? Mit der Kette als Handicap kann sie doch unmöglich schneller sein als ich. Aber natürlich gehe ich trotzdem auf ihre Herausforderung ein.
"Wenn du verlieren willst, gerne. Um was wetten wir denn?"
Daran hat sie offenbar nicht gedacht.
"Ich weiß nicht, schlag du was vor", sagt sie.
"Ne, dass musst du schon machen. War schließlich deine Idee."
Leila überlegt einen Moment lang, dann sagt sie: "Ich weiß was: Der Verlierer muss dem Gewinner den Rücken massieren."
"Einverstanden", sage ich. Will ich gewinnen oder verlieren? Der Gedanke, von ihr massiert zu werden, ist irgendwie reizvoll. Aber wenn ich sie massiere, kann ich ihr verrücktes Outfit unter die Lupe nehmen.
Wir einigen uns auf einen Startpunkt im Wasser. Der Strand ist die Ziellinie. Beim Start zieht Leila schneller davon, als ich es erwartet habe. Sie muss wirklich Übung darin haben mit der Fußkette zu schwimmen. Aber auch wenn sie schneller ist, als ich es erwartet habe, ist sie noch lange nicht schneller als ich.
Nach ein paar Metern habe ich sie überholt. Jetzt muss ich wieder daran denken, ob ich dieses Rennen überhaupt gewinnen will? Ich werde langsamer und lasse Leila herankommen. Als sie auf meiner Höhe ist, scheint sie sich die gleiche Frage zu stellen. Sie überholt mich nicht und wird nun ihrerseits langsamer. Jetzt treffe ich die Entscheidung, dass ich Leila massieren will. Ich drossle mein Tempo so weit, dass Leila sich nach mir umdreht. Sie zögert einen Augenblick und zieht dann davon.
"Gratulation", sage ich, als ich hinter ihr aus dem Wasser steige.
"Danke", erwidert Leila.
Leila legt sich mit dem Bauch auf ihr Tuch.
Ohne Plan, wie ich Leila überhaupt massieren soll, knie ich mich über sie. Immerhin habe ich jetzt die Chance ihre Rückseite zu begutachten. Ihr Latexanzug hat auf der Rückseite einen Reißverschluss. Der sieht jedoch anders aus als ein normaler Reißverschluss. Er ist größer und macht einen sehr robusten Eindruck. Der Reißverschluss endet unter ihrem Metallhalsband.
Die Maske hat keinen Reißverschluss. Ich nehme mir einen Moment Zeit um sie von hinten und von der Seite in Augenschein zu nehmen. Wie öffnet man dieses Teil? Ich finde weder Schloss noch Scharnier oder ähnliches. Beim Blick auf die Seite fällt mir allerdings eine feine Naht auf, die die Maske in zwei Hälften teilt. Seltsam.
Zurück zu meinem eigentlichen Anliegen. Ich lege meine beiden Hände auf Leilas Schultern. Das Latex ist feucht. Es fühlt sich glatt an. Vorsichtig beginne ich ihre Schultern zu massieren. Das Material ist warm. Diese Wärme ist das einzige, was sich wie ein menschlicher Körper in meinen Händen anfühlt. Als ich etwas fester zudrücke, spüre ich an einigen Stellen etwas Hartes unter der ansonsten ebenen Oberfläche. Behutsam folge ich mit meinen Händen diesen Stellen. Zentimeter für Zentimeter fahren meine Finger an einer Kante entlang. Als mir klar wird, was ich da ertastet habe, bin ich beinahe überrascht. Es muss ein BH sein. Die Träger scheinen sehr breit und ungewöhnlich stark zu sein. Vielleicht ein besonders robuster Sport-BH? Nach allem, was ich bis jetzt erlebt habe, bin ich über jedes normale Kleidungsstück an Leilas Körper erstaunt. Oder ist es vielleicht dieser komische BH mit den Einsätzen?
Nachdem ich meine Inspektion beendet habe, fahre ich mit meiner Massage fort. Langsam arbeite ich mich von ihren Schultern hinab zu ihren Hüften. Auch hier ertaste ich wieder ein merkwürdiges hartes Band, dass wie ein Gürtel einmal um ihre Hüften entlang zu laufen scheint. Für ein Höschen sitzt dieses Band zu hoch. Ich würde gerne wissen, was ich da unter meinen Fingern spüre aber Leila hat inzwischen begonnen schwerer zu atmen. Es ist kein heftiges Stöhnen, aber doch durch ihre Maske gedämpft zu hören.
Ich habe nicht mal die leiseste Ahnung wie man einen Menschen vernünftig massiert, aber anhand von Leilas Reaktion erkenne ich, dass ich zumindest nicht alles falsch mache. An meinen Beinen spüre ich, wie sie anfängt ihre Hüften zu bewegen. Zuerst sind ihre Bewegungen kaum wahrnehmbar, aber als ich meine Massage weiter fortsetze, spüre ich es immer stärker. Langsam beginnt sie außerdem ihre Schenkel aneinanderzureiben. Ich merke, wie meine Badehose enger wird.
Ein bizarrer Moment. Ich kenne noch nicht einmal ihr Gesicht und trotzdem wirkt diese schwarze Gummipuppe anziehend.
Meine Finger gleiten über ihre Hüften hinweg in Richtung Po. Sie lässt es geschehen. Ich will sie weiter berühren, aber zwinge mich zur Zurückhaltung. Meine Hände streifen den Ansatz ihres Pos und wandern dann wieder nach oben. Leilas Hüften bewegen sich nun ein wenig mehr, gleichzeitig geht ihr Atem immer schneller. Mit meinen Händen erreiche ich das Band, dass zu ihrem BH gehören muss und kehre wieder um. Langsam arbeite ich mich mit kreisenden Bewegungen Richtung Po vor. Diesmal mache ich nicht am Poansatz kehrt. Zentimeter für Zentimeter fahren meine Hände auf dem warmen Latex über ihren straffen Hintern.
Ein leises Geräusch, ein ganz zartes Stöhnen bestärkt mich in der Hoffnung, dass sie gegen das, was nun folgt nichts einzuwenden hat. Sie hat ihre Schenkel ein wenig geöffnet. Zwischen ihren Beinen sehe ich nur blankes Latex. Der Anblick zieht mich magisch an. Einen Moment lang zögere ich und lasse meine Hände auf ihrem Po. Sollte ich wirklich...? Dann wandern meine Finger in Richtung Allerheiligstes.
Als der erste Finger sein Ziel erreicht hat, ist ihr Atem durch die Maske sehr deutlich hörbar und stoppt abrupt in der Sekunde, als ich zwischen ihren Beinen vollkommen unerwartet auf etwas hartes treffe. Es kann unmöglich das Latex sein, dass ich spüre. Es fühlt sich so an, als würde ich mit meinen Fingern eine unnachgiebige Holz- oder Metallplatte berühren.
Leila richtet sich ruckartig auf und stößt mich beiseite. Ich werde überrascht und falle neben ihr in den Sand.
"Sorry!", sage ich sofort, noch bevor ich versuche wieder aufzustehen.
Leila bleibt auf der Decke sitzen und starrt mich an. Ich sehe nur ihre schwarzen Augengläser. Die Maske verbirgt jede Regung ihres Gesichts. Ohne Anhaltspunkt um herauszufinden, was in ihr vorgeht, gehe ich vom schlimmsten Fall aus. Ich bin viel zu weit gegangen.
Ich stehe auf und sage:
"Tut mir leid, ich habe nicht nachgedacht."
Leila sitzt weiter auf der Decke, dreht ihren Kopf kurz zur Seite und starrt mich dann wieder an. Was soll ich aus dieser Geste herauslesen? Will sie mir etwas sagen? Sucht sie nach den richtigen Worten? Ohne wenigstens das Gesicht meines Gegenübers sehen zu können, tappe ich vollkommen im Dunkeln. Es ist so, als ob ich versuchen würde mit einer schwarzen Mauer zu reden.
Will sie nicht mehr mit mir sprechen?
Ich mache mich daran meine Decke zusammenzurollen. Dieser Tag ist gelaufen. Ich frage ich sie:
"Soll ich dich nach Hause bringen? Oder dir ein Taxi rufen?"
Jetzt erwacht sie urplötzlich zum Leben.
"Nein, nein! Sorry, sorry!", bringt sie hastig hervor. Die Worte überschlagen sich.
"Ich weiß nicht, was ich sagen soll", sagt sie als Nächstes, diesmal deutlich leiser.
"Du musst nichts sagen. Ich bin einfach zu weit gegangen", sage ich.
"Ja", antwortet sie und schiebt sofort "Nein", hinterher.
Ja und nein? Das macht die Sache nicht einfacher. Also versuche ich es mit einer Erklärung.
"Ich hatte den Eindruck, dass dir die Massage gefällt. Auch als meine Hände weiter nach unten gewandert sind. Deshalb habe ich es dann leider übertrieben."
"Es hat mir auch gefallen", antwortet Leila. "Aber du hast etwas gespürt, als du mich zwischen den Beinen berührt hast."
Ich nicke. Daraufhin lässt Leila den Kopf hängen.
"Ich bin so ein Freak", sagt sie leise.
Ich setze mich neben sie in den Sand.
"Ich habe nicht nur einen komischen BH, ich habe noch mehr ungewöhnliche Unterwäsche", sagt sie leise. "Du hast meinen Keuschheitsgürtel berührt", sagt sie.
"Deinen Keuschheitsgürtel?", frage ich ungläubig.
"Ja, meinen Keuschheitsgürtel", wiederholt sie. "Du solltest davon nichts wissen. Eigentlich wollte ich dich massieren. Ich weiß, dass du beim Schwimmen wegen der Kette natürlich schneller bist als ich. Ich wollte mich mit der Massage für den Schrecken revanchieren, den ich dir mit meiner Maske eingejagt habe", sagt sie. "Aber als du dann selbst langsamer geworden bist, wusste ich nicht mehr wie ich reagieren soll. Und dann habe ich bei der Massage nicht aufgepasst. Ich hätte dich aufhalten müssen. Das ist so blöd gelaufen. Du hättest einen schönen Tag am See verbringen können und stattdessen sitzt du hier mit mir und musst dich mit meinem verrückten Kram herumschlagen. Ich bin dir wirklich nicht böse, wenn du gehen möchtest. Ich komme problemlos alleine nach Hause."
Sie dreht ihren Kopf zur Seite. Ich stehe auf, steige über sie hinweg und setze mich an ihrer Seite wieder in den Sand, so dass sie mir direkt ins Gesicht schaut.
"Leila solange wir miteinander sprechen, werde ich dich niemals einfach so sitzen lassen. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen der auch nur ansatzweise so verrückt ist wie du. Aber unabhängig davon was andere Menschen oder du selbst von dir denkst, Freak oder nicht, ich mag dich und egal wie oft du mir noch einen Schrecken einjagen wirst, daran wird sich nichts ändern."
Leila senkt ihren Blick zu Boden und fängt leise an zu schluchzen. Sie sagt nichts. Ich will sie trösten, ihr irgendwie helfen. In ihrem schwarzen Panzer erscheint mir Leila plötzlich so entsetzlich zart und verletzlich zu sein.
Ich rücke ein wenig näher an sie heran, achte aber darauf, dass zwischen uns noch eine handbreit Abstand ist. Dann lege ich ihr meine Hand behutsam auf die Schulter. Nachdem wir eine Weile so dagesessen haben, rückt Leila ganz nah an mich heran und legt mir ihren Kopf auf die Schulter.
"Danke, dass du bei mir geblieben bist", sagt sie.
Ich streichle ihr über die Maske.
"Ich liebe es gefangen zu sein, keine Wahl zu haben. Es ist so aufregend. Ich bin immer auf der Suche nach der nächsten großen Herausforderung, der nächsten verrückten Idee. Schon bevor ich Kettenschwester geworden bin, habe ich mir immer wieder überlegt wie wohl die schwerste Bürde aussieht, die ich auf mich nehmen könnte. Ich habe nicht erwartet, dass es die Reaktion der anderen Menschen sein würde.
Bevor ich Kettenschwester geworden bin, war ich an meiner alten Schule echt beliebt. Verrückt, wenn ich daran zurückdenke. Ich hatte immer meine Mädels um mich herum. Wir waren ständig unterwegs. Shoppen. Ausgehen.
Als mein Entschluss Kettenschwester zu werden feststand, war mir schon klar, dass mein Freundeskreis das nicht so einfach akzeptieren würde. Aber ich war fest davon überzeugt, dass wenigstens meine besten Freundinnen zu mir halten würden, egal wie ich aussehe. Von wegen. Schon als ich bei Frau Epikuron gewohnt habe, da sah ich noch ganz normal aus, haben sie angefangen sich von mir abzuwenden. An meiner Schule tauchte das Gerücht auf, ich hätte eine perverse Beziehung mit einer Frau die doppelt so alt ist wie ich selbst.
Viel schneller als ich es in meinen schlimmsten Alpträumen befürchtet hatte, war ich isoliert. Ich habe mir dann gedacht, dass ich auf solche Freundinnen auch gut verzichten kann und habe mich in mein neues Leben als Kettenschwester gestürzt, während ich mich gleichzeitig um die Versetzung an eine andere Schule bemüht habe. Als ich an der neuen Schule angenommen wurde, war ich schon eine richtige Kettenschwester. Vielleicht habe ich mir damals zu schnell zu viel aufgebürdet. In der neuen Klasse konnte ich keine Kontakte knüpfen. Ich habe kein Handy mehr, bin fast nie bei Facebook. Das normale Leben ist für mich inzwischen so... unnormal."
"Du bist etwas Besonderes. Damit kommt nicht jeder Mensch klar", sage ich als sie fertig ist.
Aufmerksam habe ich ihr zugehört. Am Anfang war ihre Stimme leise und brüchig, klang dann aber mit jedem Satz gefasster. Wieder habe ich etwas Neues erfahren und Leila besser kennengelernt. Aber es gibt noch so viele Fragen, die mir unter den Nägeln brennen. Was hat es mit diesem Keuschheitsgürtel auf sich?
Wir sitzen stumm nebeneinander und schauen auf den See. Wir genießen beide diesen stillen Moment und ich will ihn nicht mit einer peinlichen Frage abrupt beenden. Nach einer kleinen Ewigkeit dreht Leila ihre Maske zu mir und scheint mich anzuschauen. Ich drehe ihr ebenfalls mein Gesicht zu und versuche wieder erfolglos irgendetwas in den unergründlich schwarzen Augengläsern zu erkennen.
In erster Linie empfinde ich ihr gegenüber Mitleid, aber da ist noch etwas anderes. Trotz des Massage Desasters ist ihr bizarres Äußeres nach wie vor anziehend. Regungslos blickt mich die schwarze Maske an und scheint auf etwas zu warten. Meine Hand liegt immer noch auf ihrer Schulter. Ich ziehe sie zu mir heran und drücke ihr einen zarten Kuss auf die Stirn ihrer Maske. Hat sie darauf gewartet? Sie lässt es geschehen, zögert dann einen Moment, beugt sich nach vorne und berührt mit dem Metallgitter, dass auf dem Mundstück an ihrer Maske sitzt, ganz sanft meine Lippen. Ich spüre von ihr nur einen kurzen warmen Atemhauch durch das Gitter. Ansonsten nur hartes Metall. Es ist ihr Kuss.
Ich knie mich auf die Decke und lege ihr meine andere Hand um die Hüfte. Leila legt mir ihre Hände um den Hals und zieht mich zu sich heran. Wieder berühren meine Lippen das Metallgitter an ihrer Maske, während meine Hand an ihrer Hüfte an dem Band entlang fährt, dass zu ihrem Keuschheitsgürtel gehören muss. Ihr Atem geht durch die Maske gedämpft schneller. Mein Verlangen wird stärker. Mit meinen Händen, meiner Lippe, meiner Zunge will ich ihren Körper erkunden, aber überall treffe ich auf Latex oder Metall. Irritiert löse ich mich von ihrer Maske und schaue an ihrem Körper herab. Ist Leila wirklich in diesem schwarzen Panzer gefangen? Komplett? Keuschheitsgürtel kenne ich nur aus dem Mittelalter. Ich habe einen große Unterhose aus Metall vor Augen. So ein Teil muss sich doch überlisten lassen!
Plötzlich löst sie sich von mir.
"Ich... ich kann nicht. Der Keuschheitsgürtel", sagt sie und steht auf.
"Meine Augengläser sind... ich muss meine Maske ausspülen", fügt sie halb stotternd an.
Sie geht zum Wasser, watet bis es ihr zur Hüfte reicht und bleibt dann stehen. Sie beugt sich herunter und taucht ihren Kopf unter Wasser. Für einen Moment verharrt sie so, dann hebt sie ihren Kopf wieder aus dem Wasser. Sie bleibt vornüber gebeugt stehen. Durch das Metallgitter vor ihrem Mund läuft das Wasser wieder aus der Maske. Ein irrer Anblick und obwohl Leila mich nicht sehen kann, achte ich bewusst darauf, nicht die Augen aufzureißen. Ein paar Mal wiederholt sie diesen Vorgang. Sie bleibt mehrere Minuten im Wasser.
Als sie fertig ist, dreht sie sich um und kommt wieder auf mich zu.
Zurück bei den Strandtüchern beginnt sie unsere Sachen zusammenzupacken.
"Tut mir leid. Ich muss bald los", erklärt sie.
"Kein Problem", sage ich und helfe ihr.
Während wir die Tücher zusammenrollen, beobachte ich sie. Bin ich wieder zu weit gegangen? Anders als nach der Massage wirkt sie nicht geschockt. Ihre Stimme klingt ganz normal. Immerhin. Wenn Leila eine normale Frau wäre, würden wir jetzt vielleicht noch auf den Strandtüchern liegen und es hätte kein plötzliches und ein wenig frustrierendes Ende gegeben. Vielleicht wären wir ein Paar geworden. Aber Leila ist nicht normal. Ich mag sie. Sehr sogar. Aber eine Beziehung hat in ihrem Leben keinen Platz. Nach allem, was ich bis jetzt von ihr erfahren habe, ist das komplett unmöglich. Was Leila vielmehr braucht, ist ein guter Freund. Angetrieben von einer Mischung aus Sympathie, Neugierde und Mitleid nehme ich mir fest vor, für sie dieser Freund zu sein.
Es dämmert schon, als wir uns auf den Heimweg machen. Auf dem Rückweg wechseln wir fast kein Wort. Wir sind beide in Gedanken versunken.
Am Haus von Frau Epikuron angekommen, bedanke ich mich für den schönen Tag. Sie bedankt sich ebenfalls und wendet sich der Pforte zu. Cyria öffnet ihr die Haustür. Als Leila die Tür erreicht hat, umarmt sie Cyria.
[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von pfeffer am 08.03.18 um 18:41 geändert
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:05.01.16 00:10 IP: gespeichert
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Kapitel 8 - Lernen
In der Schule bleibt Leila weiter ein Geist. Trotz der Erlebnisse in den vergangenen Tagen hält sie zu mir weiter genauso viel Abstand wie zu den anderen Schülern. Die nächste Nachricht von Leila bekomme ich wieder in Form eines kleinen Zettels, den ich nach der Pause auf meinem Schreibblock finde. In früheren Schuljahren hätte diese geheimnisvolle Kontaktaufnahme zwischen einem Jungen und einem Mädchen zu Getuschel geführt, aber das Smartphone hat Zettel und andere archaische Kommunikationsmittel aus unserem Alltag vollkommen verdrängt, weshalb Leilas Nachricht niemandem auffällt.
Per Zettelchen fragt Leila mich, ob wir zusammen für die anstehende Geschichtsklausur lernen wollen. Das Angebot nehme ich per Retourzettelchen an und wir verabreden uns für Donnerstag Nachmittag.
Am Donnerstag nimmt mich Cyria an der Haustür in Empfang.
"Hi Jakob", begrüßt sie mich.
"Hallo!", erwidere ich ihre Begrüßung. "Ich hab mich mit Leila zum Lernen verabredet."
"Ich weiß", sagt Cyria und ruft in Richtung Flur: "Leila, Jakob ist da!"
Im Flur wird eine Tür geöffnet. Leila erscheint im Türrahmen, macht einen Schritt über die Türschwelle hinweg und bleibt dann stehen. Sie trägt ihren Latexanzug, die schwarze Maske und hochhackige Stiefelletten in der gleichen Farbe. Genau wie bei unserem Ausflug zum See ist ihr Mund hinter einem runden Metallgitter verborgen. Außerdem sehe ich mehrere Ketten. Abgesehen von der bekannten Fußkette sind ihre Hände vor dem Bauch mit einer etwa 20 cm langen Kette gefesselt. Dazu kommt noch eine Kette an ihrem Metallhalsband, die mit einem kleinen Schlitten verbunden ist, der auf einer Schiene im Boden läuft.
"Hallo Jakob, schön das du da bist", sagt sie. "Cyria, kannst du bitte noch die Schiene im Flur für mich aufschließen?"
"Wollt ihr nicht unten lernen?", fragt Cyria.
"Doch, schon. Aber dann kann ich in die Küche und was zu trinken holen."
"Achso, natürlich. Warte, ich hole eben meinen Schlüssel."
Cyria geht ins Wohnzimmer und verschwindet aus meinem Blickfeld. Als sie wieder den Flur betritt, hat sie einen gut 10 cm langen Schlüssel in der Hand, der sehr merkwürdig aussieht. Er hat eine schmale, zylindrische Form. Etliche fein gearbeitete Noppen, Spitzen und Vertiefungen sind am Ende angebracht. Mit diesem Schlüssel in der Hand geht sie bei dem Türrahmen, in dem Leila steht, auf die Knie. Dort steckt sie ihn in ein Schlüsselloch, dass direkt neben der Schiene in den Boden eingelassen ist, und dreht einmal um.
"Vielen Dank", sagt Leila. Jetzt betritt sie den Flur und zieht dabei die Kette mit dem Schlitten hinter sich her.
"Was möchtest du trinken?"
"Habt ihr Cola?", frage ich.
Leila bejaht und geht in die Küche.
"Wir lernen im Keller", sagt sie zu mir, als ich hinter ihr die Küche betrete. "Das ist mein kleines Reich. Erinnerst du dich? Ich habe dir am See den nächsten Schock versprochen, wenn wir uns wieder treffen."
"Ich bin gespannt!", sage ich.
Leila bittet mich noch darum einen Stuhl aus dem Wohnzimmer für mich mitzunehmen, dann gehen wir gemeinsam nach unten. Hinter der Tür erwarten mich nackte Betonwände. Die Treppe nach unten besteht ebenfalls nur aus Beton. Bis jetzt erinnert mich alles an einen typischen Keller. Abstellraum für Fahrräder, Konserven und dergleichen. Definitiv kein Ort zum Leben.
Die Schiene, an die Leila gekettet ist, macht unmittelbar vor der ersten Treppenstufe einen Bogen in Richtung Wand. Über die gesamte Länge der Treppe ist die Schiene nicht im Boden sondern an der seitlichen Wand eingelassen.
Ich folge Leila über die Stufen hinab. LED-Lampen an der Decke leuchten unseren Weg aus. Unten angekommen macht die Schiene erneut einen Schlenker und verläuft wieder am Boden.
"Mein Zuhause", erklärt Leila und folgt der Schiene in den Kellerraum hinein. "Na, wie gefällts dir?"
Ich stehe in einem großen, kahlen Kellerraum. Das einzige, was dieser Raum mit ihrem Zimmer im ersten Stock gemeinsam hat, ist seine große Fläche. Am Boden, an den Wänden, an der Decke: Überall nur Beton. Am anderen Ende des Zimmers sehe ich zwei schmale Fenster, durch die etwas Tageslicht fällt. Sie sind vergittert.
Leila folgt meinem Blick und erklärt:
"Die Gitter hab ich selbst ausgesucht und bezahlt. Das passt super zur Atmosphäre im Raum."
An den Wänden stehen mehrere verschlossene Metallschränke und zwei Regale. In den Regalen stehen Bücher. Das eine Regal ist offen. Anhand der Buchrücken erkenne ich, dass hier Lehrbücher und Schulunterlagen stehen. An dem anderen Regal ist eine Glastür mit Schloss angebracht. Hier sehe ich eine ganze Menge Romane.
Zwischen den Regalen ist ein gewaltiger Spiegel an der Wand angebracht. Ich schätze, dass er zwei mal zwei Meter groß ist. Ein zweiter Spiegel, genauso groß, ist an der gegenüberliegenden Wand angebracht. Die großen Spiegel sind mir etwas unheimlich. Während ich mich umschaue, trifft mein Blick immer wieder unbeabsichtigt auf die Spiegel. Sie sind so groß, dass ich an ihnen nicht vorbeischauen kann. Leila wird es nicht anders gehen und so wird sie jeden Tag ihr eigenes bizarres Spiegelbild vor Augen haben.
An einer der Wände steht ein Bett. Sehr bequem sieht es nicht aus. Auf dem am Boden festgeschraubten Metallrahmen liegt eine Gummimatte. Am Rahmen sind an mehreren Stellen Ösen und Ringe angebracht. Immerhin liegt auf der Matte ein normales Kopfkissen. Über dem Bett hängt wieder ein großer Spiegel an der Decke. Beim Blick an die Decke fallen mir außerdem mehrere Sprinklerköpfe auf.
Neben dem Bett steht ein Laufband. Auch hier sind wieder einige Ösen am Rahmen angebracht.
Unter den beiden Fenstern steht ein Schreibtisch. Eines der ganz wenigen Möbelstücke aus Holz. Der dazugehörige Stuhl fehlt. Auf dem Schreibtisch steht ein ausgeschalteter handelsüblicher PC und ein Wecker. Daneben steht ein erhöhter Holztisch, an dem man wohl im Stehen arbeiten soll. Die Arbeitsfläche ist kleiner als auf dem Schreibtisch, aber ein Buch und ein Schreibblock finden darauf Platz.
Über dem Schreibtisch hängt das einzige Bild im Raum. Eine Radierung von einer Ballerina. Der Stil erinnert mich sofort an das ganz ähnliche Bild, dass ich in ihrem anderen Zimmer gesehen habe.
"Das Bild gehört zu einer Serie", erklärt Leila. "Das hier durfte ich mir als besondere Belohnung hier hin hängen. Es ist mein absolutes Lieblingsbild."
Zum Schluss richte ich meinen Blick auf zwei Metalltüren.
"Die zeige ich dir später mal. Ein Schock nach dem anderen", sagt Leila.
"Wow", bringe ich hervor. "Hier wohnst du?"
"Ja, in dem anderen Zimmer bin ich nur selten."
"Es sieht so karg aus", sage ich und lasse meinen Blick nochmal durch den Raum schweifen. "Was machst du denn, wenn du mit der Arbeit fertig bist und Feierabend hast?"
"So richtig Feierabend habe ich nie", antwortet sie. "Die meiste Zeit arbeite ich entweder hier für die Schule oder im Haus. Wenn ich Schularbeiten mache, ist das mitunter schon öde, aber es hat auch seine Vorteile, wenn man sich nicht ablenken kann. Außerdem hab ich auch noch ein umfangreiches Sportprogramm. Wenn ich keine Fehler gemacht habe, wird mein Bücherschrank aufgeschlossen. Manchmal wird auch der Internetfilter deaktiviert und ich kann ein bisschen im Netz surfen. Ansonsten verbringe ich so viel Zeit wie möglich mit Frau Epikuron und Cyria."
"Internetfilter?" frage ich.
"Ja. Den Rechner habe ich vor allem für die Schule. Normalerweise kann ich nur einige wenige Seiten aufrufen um zum Beispiel Informationen für Referate zu beschaffen. Dabei wird auch automatisch ein Protokoll angelegt. Damit wird dann kontrolliert, was ich gemacht und welche Seiten ich besucht habe."
"Ganz schön streng", sage ich. "Warum hast du denn nur ein einziges Bild hier? Es wäre doch schön, wenn der Raum wenigstens ein bisschen wohnlicher eingerichtet wäre. Alleine schon für deine Gäste", sage ich und versuche meine Kritik mit einem Lächeln abzumildern.
"Du bist der erste Gast, der mich hier besucht", sagt Leila. Sofort will ich mich für mein Kommentar selbst ohrfeigen. Ganz dumme Bemerkung. Damit habe ich sie wieder daran erinnert, dass ihre Freunde sich von ihr abgewendet haben.
"Ich würde den Raum echt gerne ein bisschen hübscher einrichten, aber dieses Privileg muss ich mir verdienen. Wenn du mich ab jetzt öfter besuchen kommst, wäre das eine schöne Motivation."
Ihre Stimme klingt klar und freundlich. Kein bisschen niedergeschlagen. Ich atme innerlich auf.
Leila hat eine Flasche Cola, zwei Gläser und einen Strohhalm mitgebracht. Nachdem sie die Sachen auf dem Schreibtisch abgestellt hat, geht sie auf den erhöhten Holztisch zu. Sie folgt dabei der Schiene, über die sie mit ihrem Halsband verbunden ist. In dem großen Raum fällt mir zum ersten mal auf wie kurz die Kette an ihrem Hals ist. Diese Kette scheint mir deutlich kürzer zu sein als die, die sie bei meinem ersten Besuch in der Wohnstube getragen hat. Mit dieser kürzeren Kette kann sie sich nur etwa 30 cm von der Schiene wegbewegen, wenn sie aufrecht steht. Damit sie trotzdem alle wichtigen Stellen im Raum erreichen kann, sind die Schienen am Boden in einem komplexen Muster verlegt worden. Dieses Schienensystem unterscheidet sich von den Schienen, die ich eine Etage höher gesehen habe. Dort sind sie meist nur in einer geraden Linie am Boden verlegt worden, weshalb sie kaum auffallen. Hier im Keller sieht es aus als hätte man ein Spinnennetz aus Metall in den Boden eingelassen.
"Fangen wir an", verkündet Leila, als sie vor dem Tisch steht. Auf der Arbeitsfläche liegt schon unser Geschichtsbuch, ein Ordner und Schreibzeug.
"Normalerweise muss ich alles, was ich für die Schule an Arbeit erledige, im Voraus durchplanen. Aber heute kannst du mir helfen", sagt Leila. Mit diesen Worten fasst sie unter den Tisch und zieht eine Kette mit einem Vorhängeschloss darunter hervor. Das Schloss sieht sehr robust aus und ist ungewöhnlich groß. Noch ungewöhnlicher als die Größe ist die Uhr, die in das Schloss integriert ist. Zwei Zeiger, weißes Ziffernblatt – das erinnert mich an eine Taschenuhr. Leila verbindet das Schloss mit der Kette zwischen ihren Händen. Sie lässt das Schloss einrasten und hat sich damit an den Tisch gekettet.
"Im Schloss ist ein Timer integriert. Nach 30 Minuten öffnet es sich automatisch wieder. Wenn ich also alleine lerne, muss ich immer vorher alles bereitlegen, was ich in der nächsten halbe Stunde brauche. Das ist ein toller Weg um das Organisieren der eigenen Arbeit einzuüben", erklärt sie.
"Heftig. Aber bei deinen Noten haben sich diese ganzen Einschränkungen bezahlt gemacht", sage ich.
"Und wie. Nur für die nächsten Geschi Klausur muss ich noch eine ganze Menge machen."
"Ernsthaft? In der letzten Geschichtsstunde hatte ich den Eindruck, dass du mehr weißt als die Lehrerin."
"Das war nur Glück", erwidert Leila. "Sie hat eben nur Fragen gestellt, auf die ich die Antworten wusste."
Sie schlägt das Geschichtsbuch auf. Wir nehmen gerade die Kubakrise durch, der Höhepunkt des Kalten Krieges zwischen der USA und der Sowjetunion. Leila blättert durch die Seiten, schüttelt dann mit dem Kopf und wendet sich wieder mir zu.
"Dieses Thema ist irgendwie nicht mein Ding. Ich weiß schon, dass es wichtig ist. Aber es ist so trocken", sagt sie.
"So ausführlich, wie die Lehrerin es behandelt, hängt es mir auch schon zum Hals raus. Aber da müssen wir durch", sage ich.
"Mit was für einer Note wärst du denn zufrieden?" fragt Leila.
"Öhm... naja, eine Zwei wäre gut. Wenn es nicht so toll läuft, ist eine Drei auch kein Weltuntergang", antworte ich.
"Ich will schon eine Eins haben, am besten mit voller Punktzahl. Du weißt ja, dass ich als Kettenschwester jede Aufgabe mit ganzer Hingabe meistern möchte."
"Selbst bei einem trockenen Thema? Das ist nun wirklich grausam."
"Eher eine Herausforderung. Ich glaube eine Zwei schaffst du ohne große Probleme, aber um die volle Punktzahl zu bekommen, muss ich mich wirklich reinhängen. In so einer Situation hat mir Cyria manchmal geholfen in dem wir das Lernen ein bisschen... interessanter gestaltet haben. Würdest du mir auch helfen?"
"Was muss ich denn tun?", frage ich.
"Das ist jetzt wieder ein bisschen ungewöhnlich. Wenn du nicht möchtest, ist das gar kein Problem. Du würdest mir Fragen zum Thema stellen. Wenn ich eine falsche Antwort gebe, dann würdest du mir... naja.... einen Klaps auf den Po geben?"
"Was?", erwidere ich sofort.
"Es würde die Sache spannender und interessanter für mich machen", wirft Leila ein. "Dann ist das Lernen ein bisschen wie ein Spiel, bei dem ich etwas zu verlieren oder besser zu befürchten habe."
Nachdem ich meine erste Überraschung überwunden habe, sage ich: "Na gut. Aber du musst mir sagen, wenn ein Klaps zu hart ausfällt. Versprochen?"
"Mache ich, versprochen!", sagt sie. Ihre Stimme klingt für mich unerwartet fröhlich.
Ich nehme mir den Stuhl, den ich aus dem Wohnzimmer mitgenommen habe, und setze mich neben Leila. Früher habe ich meiner Ex-Freundin im Bett manchmal einen spielerischen Klaps auf den Hintern gegeben. Leila erinnert mich in diesem Moment daran, aber bei ihr ist es anders. Wir liegen nicht zusammen im Bett. Hier geht es nicht um Sex, wenigstens nicht vordergründig. Leila möchte diszipliniert werden. Kann ich das? Darf ich das überhaupt? Ihr Anblick nimmt mir die Entscheidung ab. Ich betrachte sie, wie sie in ihrem schwarzen Panzer angekettet vor dem Tisch steht. Der Anzug verbirgt die Konturen ihres Körpers, aber ihre Kurven sind trotzdem zu erahnen. Genau wie am See spüre ich wieder dieses Verlangen, ihren verhüllten Körper zu berühren. Und sei es nur für einen kurzen Klaps.
"Jakob?"
Ihre Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Sie schaut mich mit ihren dunklen Augengläsern an.
"'Tschuldigung, war kurz in Gedanken", sage ich.
"Kein Problem. Wie lautet die erste Frage?"
Ich werfe einen Blick in unser Geschichtsbuch.
"Zum Beginn etwas Leichtes. Im welchen Jahr ereignete sich die Kubakrise?"
"1962", antwortet Leila ohne nachzudenken. "Das war wirklich einfach."
"Stimmt. Als nächstes etwas Schwereres. Wie hieß der sowjetische Gegenspieler von Präsident Kennedy?"
Leila überlegt für einen Moment, dann sagt sie: "Stalin?"
"Leider falsch. Es war Nikita Chruschtschow."
Jetzt ist die Bestrafung fällig. Leila schaut mich erwartungsvoll an. Ich stehe auf und gehe auf sie zu. Als ich hinter ihr stehe, hebe ich meine Hand. Sie richtet ihren Blick zur Wand, beugt sich nach vorne und streckt mir ihren Hintern entgegen. Eigentlich müsste ich jetzt zögern und Leila noch einmal fragen, ob ich es wirklich tun soll. Aber stattdessen gebe ich ihr einfach einen Klaps.
Meine Hand trifft fast geräuschlos auf ihren Po. Leila bleibt ganz ruhig stehen und gibt keinen Laut von sich. Mein Schlag ist kaum mehr als eine Berührung. Leila schaut wieder zu mir und legt ihren Kopf zur Seite. Sie lässt sich mit ihrer Reaktion Zeit. Es wirkt so, als würde sie nach den richtigen Worten suchen. Schließlich sagt sie einfach: "Danke."
"Bitte", erwidere ich, setze mich wieder und nehme das Geschichtsbuch zur Hand.
Die nächsten beiden Fragen sind nicht besonders schwer und Leila beantwortet beide richtig. Auch mit der dritten Frage sollte sie keine Probleme haben.
"Wie heißt das Verteidigungsbündnis, dass die USA mit gegründet haben und das die Vereinigten Staaten in der Kubakrise unterstützt hat?"
Leila überlegt für eine Weile und sagt dann: "Weiß ich leider nicht."
"Das ist die NATO", sage ich und stehe auf.
Als ich hinter ihr stehe, meint Leila: "Du kannst ruhig mit etwas mehr Schwung zuschlagen. Den letzten Klaps habe ich gar nicht gespürt."
"Na gut", erwidere ich. "Aber du musst mir sagen, wenn ich zu fest zuschlage."
Leila nickt und streckt mir wieder ihren Po entgegen. Diesmal schlage ich etwas fester zu aber Leila ist auch damit nicht zufrieden. Als ich mich wieder gesetzt habe, meint sie: "Schon besser aber immer noch viel zu schwach."
Bevor ich etwas erwidern kann, höre ich, wie oben an der Kellertreppe die Tür geöffnet wird. Cyria betritt den Keller.
"Hi ihr beiden! Na, seit ihr fleißig?"
"Und wie. Mit Jakobs Motivation komme ich gut voran", antwortet Leila.
Cyria lächelt mich an und schaut dann zu Leila.
"Und wie sieht die aus? Hat er etwa....?", fragt Cyria.
Leila nickt. "Aber ihm fehlt noch der richtige Schwung", sagt sie.
"Soll ich ihm zeigen, wie es richtig geht?", fragt Cyria.
Leila zögert, ehe sie wieder nickt. Cyria geht daraufhin auf Leila zu. Als sie hinter ihr steht, streckt Leila ihren Po raus.
"Wenn du Leila wirklich helfen möchtest, musst du ihr auch einen echten Schlag auf den Hintern geben", erklärt Cyria. "Nur wenn sie die Bestrafung auch wirklich spürt, ist es eine Motivation für sie."
Mit diesen Worten hebt Cyria ihre Hand in die Luft und lässt sie dann ungebremst auf Leilas Hintern niedersausen. Cyrias Hand trifft Leilas Po mit einem lauten Klatschen. Leila quittiert den Schlag mit einem unterdrückten Stöhnen. Anschließend wendet sie ihren Kopf Cyria zu und sagt: "Danke."
Ihre Stimme klingt nicht gequält. Viel eher erleichtert und tatsächlich nach Dankbarkeit.
Ich habe das Schauspiel vor meinen Augen atemlos verfolgt. Jetzt kommt Cyria auf mich zu.
"Ich weiß, dass dieser Anblick beim ersten Mal nicht leicht zu ertragen ist", sagt sie. "Am Anfang konnte ich Leila auch nicht bestrafen. Sie hat eine Ewigkeit gebraucht, bis sie mich dazu überredet hatte es doch zu probieren. Leila braucht als Kettenschwester Strafen und die Menschen, die ihr nahestehen, haben die Aufgabe ihr mit diesen Strafen zu helfen damit sie ihre Aufgaben bestmöglich erfüllen kann. Sei einfach mutig und lasse dich darauf ein."
Die beiden schauen mich an. Cyria lächelt, streckt mir ihre Hand entgegen und zieht mich sanft vom Stuhl hoch.
"Jetzt du", sagt sie und führt mich hinter Leila.
"Aber sie hat doch gar keinen Fehler gemacht", protestiere ich.
"Mach dir darüber erst mal keine Gedanken", erwidert Cyria. "Du musst mit deiner Hand Schwung holen."
Ich komme ihrer Anweisung nach und hole mit meiner rechten Hand aus.
"Und jetzt, mit dem ganzen Schwung, auf ihren Hintern. Wenn du es nicht richtig machst, dann sollten wir gleich die Gelegenheit nutzen und weiter üben. Es liegt also an dir, wie viele Schläge Leila bekommt."
Ich atme tief durch und lasse meine Hand auf ihren Po niedersausen. Das Klatschen hallt an den Kellerwänden wieder. Leila presst durch ihre Zähne ein lautes Stöhnen hervor, dass durch ihre Maske dumpf klingt. Sie windet sich in ihren Handfesseln.
"Gut gemacht!", ruft Cyria und klatscht in die Hände. Erschrocken von der Wirkung meines eigenen Schlags ignoriere ich Cyria und will mich sofort entschuldigen, doch Leila kommt mir zuvor.
"Das war ein super Schlag. Danke, Jakob." Sie klingt immer noch freundlich und dankbar, nur diesmal auch etwas atemlos.
Vollkommen sprachlos angesichts ihrer Reaktion kommt mir meine Entschuldigung nicht über die Lippen. Stattdessen schaue ich zwischen Cyria und Leila hin und her.
"Anfangs wird es dir immer schwer fallen, Leila zu bestrafen. Das ist ganz normal", sagt Cyria und Leila ergänzt: "Denk einfach daran, dass du mir damit hilfst."
Ohne meine Antwort abzuwarten wendet sich Cyria wieder an Leila. Sie stellt sich neben sie und flüstert ihr etwas ins Ohr.
"Meinst du wirklich? Wird das nicht zu viel?", fragt Leila.
"Ach was, er wird’s schon schlucken", antwortet Cyria, hebt ihre rechte Hand und lässt sie auf Leilas Hintern niedersausen. Leila wird überrascht und stößt einen spitzen Schrei aus.
"Fang an", sagt Cyria.
"Na gut", erwidert Leila und dreht sich zu mir um. "Es gibt eine weitere Regel, die ich dir gerne erklären würde. Es ist ganz einfach. Ich spreche Frau Epikuron und Cyria normalerweise mit "Herrin" an. Um beide voneinander zu unterscheiden, kann ich für Frau Epikuron auch die vollständige Anrede benutzen. Sie lautet: Verehrte Herrin. Außerdem darf ich Cyria "Herrin Cyria" nennen. Wir haben bis jetzt darauf verzichtet weil du ja sowieso schon so viele seltsame Dinge kennenlernst."
Nach dem Leila mit ihrer Erklärung fertig ist, schauen mich die beiden an. Wieder mal ist meine Reaktion gefragt. Ich zucke mit den Achseln.
"Ungewöhnlich, aber verglichen mit den Strafen ist das doch eher harmlos."
"Harmlos aber wichtig, damit Leila nie vergisst wer hier das Sagen hat", wirft Cyria sofort ein und unterstreicht ihre Aussage mit einem breiten Grinsen.
Leila pflichtet ihr mit einem "Genau" bei.
Danach setzt sich Cyria auf das Bett mit der Gummimatte und wechselt vollkommen unvermittelt das Thema.
"Ich hab gerade mit Papa telefoniert. Er ist wie geplant mit der Arbeit in China fertig geworden und kommt am Sonntag nach Hause."
Leila wendet sich, immer noch an den Tisch gekettet, Cyria zu.
"Oha, da wird die verehrte Herrin in den nächsten Tagen wie ein Gummiball durchs Haus springen. Haben sie schon alle Kochbücher rausgelegt, Herrin?"
Die beiden fangen an zu lachen. Entgeistert beobachte ich, was sich vor meinen Augen abspielt. Gerade eben hat Cyria Leila noch den Hintern versohlt, jetzt scherzen die beiden über Kochbücher.
"Herr Epikuron arbeitet oft im Ausland", erklärt Leila. "Wenn er zurückkehrt, macht die verehrte Herrin immer einen riesigen Aufstand und stellt das ganze Haus auf den Kopf damit alles für seine Rückkehr perfekt ist."
Cyria fällt Leila ins Wort: "Das schlimmste ist aber ihre Kochwut. Meine Mutter kann sehr viel, aber kochen kann sie überhaupt nicht. Das will sie aber nicht wahrhaben und immer wenn mein Vater heimkommt, probiert sie tagelang vorher alle möglichen Rezepte aus. Zum Glück fahre ich am Samstag nach München für mein neues Praktikum."
"Sie Glückspilz", sagt Leila. "Naja, lange wird die Herrin ihrer Kochwut zum Glück nicht nachgehen können. Am Mittwoch geht doch ihr Urlaub los."
Cyria und Leila scherzen noch für eine Weile weiter miteinander. Wird Herr Epikuron wieder heimlich Tiefkühlkost einkaufen? Wird Frau Epikuron in die Hotelküche einbrechen und heimlich kochen? Irgendwann öffnet sich mitten im Gespräch das Schloss, dass Leilas Handfesseln mit der Kette an dem Stehtisch verbindet. Ohne weiter darauf einzugehen drückt Leila das Schloss einfach wieder zu, so als wäre es das Normalste von der Welt. Die beiden geben sich alle Mühe mich in ihr Gespräch einzubinden. Sie erklären mir detailreich und wortgewandt jede Anekdote. Mit der Zeit entspanne ich mich und finde auch meine Sprache wieder. Als Cyria sich verabschiedet, kommt mir die Situation immer noch reichlich bizarr vor, aber ein Stück weit habe ich mich daran gewöhnt.
Nach Cyrias Visite wenden wir uns wieder dem Lernen zu. Leila hat plötzlich weitaus weniger Schwierigkeiten damit meine Fragen zu beantworten. Als sie schließlich doch einen Fehler macht, spornt sie mich mit einem fröhlichen "Nur Mut!" an. Ich verpasse ihr mit Schwung einen gehörigen Klaps auf den Po, woraufhin sie mich fast schon überschwänglich lobt.
Die Frage, die sie falsch beantwortet, war sehr einfach. Alle schweren Fragen kann sie ohne nachzudenken sofort richtig beantworten. Das bestärkt mich in meinem Eindruck, dass Leila mir ganz bewusst eine falsche Antwort gegeben hat. Das gemeinsame Lernen ist ein bloßer Vorwand für sie um mir einen neuen Aspekt ihres Lebens zu zeigen: Strafen.
Nach diesem Klaps und dem anschließenden Lob macht sie keine Fehler mehr. Als wir zum Ende kommen, erklärt mir Leila noch einmal, dass ich ihr sehr geholfen habe. Nach gut zwei Stunden verabschiede ich mich. Leila hat darauf geachtet, dass sich das Schloss, dass sie an den Stehtisch fesselt, rechtzeitig öffnet damit sie mich zur Haustür bringen kann.
An der Tür berührt sie mit dem Gitter, hinter dem ihr Mund in der Maske verborgen ist, meine Wange. "Danke für alles."
[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von pfeffer am 08.03.18 um 18:42 geändert
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Fachmann
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:05.01.16 11:13 IP: gespeichert
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Wow
Die Geschichte ist ganz nach meinem Geschmack
Ich bin sehr gespannt wie es weiter geht!
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Story-Writer
Beiträge: 66
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:05.01.16 22:15 IP: gespeichert
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Kapitel 9 - Urlaubsvertretung
Eine neue Woche, ein neuer Schock.
Am Wochenende nach unserem letzten Treffen höre ich nichts von Leila. Als ich sie am Montag in der Schule wiedersehe, wirkt sie erschöpft. Später erfahre ich, dass sie das ganze Wochenende über das Haus für die Rückkehr von Herrn Epikuron auf Vordermann gebracht hat. Kaum zu glauben, dass dafür viel Aufwand nötig war. Das Haus der Familie Epikuron war bei meinen Besuchen stets penibel geputzt. Aber wer Dreck sucht, der wird in irgendeiner unzugänglichen Ecke auch immer noch welchen finden.
Die nächste Überraschung wartet dann am Dienstag auf mich. Leila bestellt mich per Zettelchen zum Geräteschuppen hinter der Schule. Dort ruft sie mir in Erinnerung, dass das Ehepaar Epikuron in Urlaub fahren wird. Gleichzeitig ist Cyria wegen eines Praktikums in München. Leila ist wegen ihrer Fesseln und Einschränkungen auf fremde Hilfe angewiesen. Normalerweise hat sich bis jetzt eine Freundin von Frau Epikuron als Urlaubsvertretung um Leila gekümmert, aber diese Freundin ist nun leider kurzfristig ausgefallen. Jetzt komme ich ins Spiel: Leila fragt mich, ob ich als Urlaubsvertretung einspringen möchte.
Natürlich habe ich sofort zugesagt. Daraufhin treffe ich mich mit Frau Epikuron in ihrem Haus. Kurz vor dieser großen Reise ist sie ein Nervenbündel. Sie schwört mich hastig darauf ein, Leila nicht im Stich zu lassen. Sie erklärt mir, dass Leila in ihrer Abwesenheit unbedingt auf meine Hilfe angewiesen sein wird. Ich versuche zu erfahren, was genau ich alles tun soll, aber in ihrer Hektik verweist sie mich nur an ihren Schützling. Bevor sie mich hastig verabschiedet, übergibt sie mir noch einen Haustürschlüssel und eine Telefonnummer. Dort kann ich im Notfall rund um die Uhr anrufen. Außerdem lässt sie sich meine Kontonummer geben, damit sie mir für die Verpflegungskosten Geld überweisen kann. Der Betrag, den ich am gleichen Abend auf dem Kontoauszug meines Onlinebankings entdecke, ist äußerst großzügig bemessen.
Am Mittwoch ist es dann soweit. Mein erster Tag als Urlaubsvertretung. Ohne zu wissen, was ich eigentlich tun soll, stehe ich vor einem fremden Haus oder besser gesagt: Einer Villa. Leila hat mich gebeten, sie hier um 16:30 Uhr abzuholen.
Ich trete vor die imposante Eingangstür aus massivem Eichenholz und läute. Durch die Tür ist Klavierspiel zu hören, dass mit dem Klingeln abrupt endet. Nachdem ich kurz gewartet habe, höre ich wie hinter der Tür eine Melodie gesummt wird, die immer näher kommt. Dann wird die Tür geöffnet.
"Sie müssen Jakob sein! Guten Tag!"
Eine ältere Frau in einem eleganten Kostüm steht auf der Türschwelle.
"Guten Tag. Ja, der bin ich. Ich möchte Leila abholen."
"Natürlich, natürlich", sagt die Frau und schließt hinter mir die Tür.
"Leila hat mir alles erzählt", sagt die Frau, als sie mich durch einen langen Flur führt. "Es ist schön, dass sie diese Verantwortung übernommen haben. Leila ist wirklich ein ganz besonderer Mensch und ich hoffe, dass sie bei ihnen in guten Händen ist."
"Ich hüte sie wie meinen Augapfel", erwidere ich.
Die Dame im Kostüm führt mich in einen Saal. Der Boden ist mit Parkett ausgelegt. Große Fenster geben den Blick auf den Garten hinter dem Haus frei. In der Mitte des Saals steht ein schwarzer Flügel. Neben diesem Flügel kriecht eine schwarze Gestalt auf dem Boden. Es muss Leila sein.
An ihrer Seite steht ein Plastikeimer auf dem Boden, in dem ein Wischlappen hängt. Leilas Beine sind angewinkelt. Als ich genauer hinschaue, erkenne ich, dass sie auf ihren Knien läuft! Breite Ledergurte fesseln ihre Füße an ihre Oberschenkel. An beiden Knien trägt sie Polster.
"Leila, Jakob ist da!" sagt die Dame und geht auf Leila zu. Die dreht sich daraufhin um und schaut mich mit den schwarzen Augengläsern ihrer Maske an. Sie sagt kein Wort. Ihre Maske sieht anders aus als sonst. Statt des Metallgitters verdeckt jetzt ein rundes Gummiteil, aus dem ein Schlauch hängt, in ihren Mund.
Als die Dame vor Leila steht, nimmt sie vom Flügel einen Schlüssel und beugt sich zu ihr herunter. Mit diesem Schlüssel öffnet sie zwei Vorhängeschlösser, mit denen die Ledergurte um ihre Beine verschlossen sind. Nachdem sie Leila von den Gurten befreit hat, hilft sie ihr aufzustehen.
"Deine Sachen liegen im Bad. Husch, husch, zieh dich um", sagt sie. Daraufhin macht Leila vor ihr einen Knicks und geht dann in Richtung Flur. Als sie an mir vorbeigeht, sagt sie immer noch nichts, aber dafür winkt sie mir zu.
Irritiert schaue ich zu der Dame im Kostüm, die sich inzwischen an ihren Flügel gesetzt hat.
"Ist sie nicht großartig? Wissen sie, ich bin ihre alte Ballettlehrerin. Meine große Passion ist der Flügel. Ich liebe es, mich ganz in der Musik fallen zu lassen und ich hasse jede Art von Lärm. Für mein Haus benötige ich Reinigungspersonal aber egal, wen ich auch eingestellt habe, immerzu machen die Leute Lärm! Nur Leila nicht. Während sie bei mir putzt, trägt sie einen Knebel. Und damit die Metallschellen, die sie an ihren Füßen trägt, nicht auf dem Boden aufschlagen, ist sie auf die Idee gekommen einfach auf Knien zu laufen. Ich wüsste gar nicht, wie ich ohne sie auskommen sollte."
Leila putzt gefesselt. Ihre alte Ballettlehrerin erzählt das mit einer irritierenden Selbstverständlichkeit. Wirklich schockiert bin ich davon allerdings nicht. Also antworte ich: "Schön, dass ihnen Leila helfen konnte."
Bevor wir unser Gespräch vertiefen können, taucht Leila im Saal auf. Sie trägt wieder das Metallgitter vor ihrem Mund, ihre Fußkette und die Stiefeletten mit den Absätzen.
"Ich hoffe, sie waren zufrieden, Frau von Berckensburg", sagt Leila.
"Sehr zufrieden", erwidert die Dame und sagt dann: "Hast du das Mundgitter auch brav verschlossen? Jetzt wo du in Begleitung eines charmanten jungen Mannes bist, frage ich lieber noch mal nach."
"Ja, ich habe es sorgfältig verschlossen. Es würde mich freuen, wenn sie sich selbst davon überzeugen", sagt Leila und geht auf die Dame zu. Als sie vor ihr steht, beugt sie sich herab. Die Ballettlehrerin legt daraufhin eine Hand um Leilas Maske und zerrt mit der anderen Hand an dem Gitter vor Leilas Mund. Das Gitter bewegt sich keinen Millimeter.
"Sehr schön", sagt die Dame und lässt von Leila ab. "Wenn alles an seinem Platz ist, darfst du gehen."
"Sehr wohl. Vielen Dank und auf Wiedersehen", sagt Leila, macht wieder einen Knicks und wendet sich dem Flur zu.
Ich verabschiede mich höflich aber weniger förmlich und folge ihr. Vor der Haustür nimmt Leila sich ihr weißes Gewand von der Garderobe, streift es sich über und nimmt sich dann noch eine Ledertasche die sie unter ihrem Gewand verschwinden lässt.
"Ich bin fertig", sagt sie.
Als wir die Villa verlassen haben, sagt sie zu mir:
"Danke, dass du mich abholst."
"Gerne. Was kommt denn in den nächsten Tagen noch alles auf mich zu?"
"Ich hab mit der verehrten Herrin darüber gesprochen. Wir sind dir echt dankbar, dass du mir hilfst. Du sollst nur so viel machen, wie unbedingt nötig. Dafür hat meine Herrin zum ersten Mal die Regeln gelockert."
"Das ist doch toll", sage ich.
"Nein", antwortet Leila. "Finde ich gar nicht. Bis jetzt habe ich mir jede Erleichterung mit harter Arbeit verdient. Jetzt kriege ich sie quasi geschenkt. Versteh mich bitte nicht falsch, aber bis jetzt gab es noch nie einfach so Erleichterungen und darauf bin ich verdammt stolz! Auch wenn es manchmal wirklich ätzend war, ich hab immer durchgehalten."
Leila klingt wütend.
"Sorry, ich wollte nicht undankbar klingen", schiebt sie schnell hinterher, bevor ich antworten kann.
"Also wenn dir das so wichtig ist, kann ich dir doch dabei helfen so viele von den Regeln wie möglich... ähm... einzuhalten?", frage ich vorsichtig.
"Das würdest du tun? Aber das kostet natürlich etwas Zeit", sagt sie.
"Das ist nicht schlimm", antworte ich.
"Super!", ruft sie aus und fällt mir um den Hals. "Ich werde dir zuhause gleich ein paar Sachen zeigen", sagt sie.
"Ich bin schon gespannt. Wahrscheinlich wartet da gleich der nächste Schock auf mich?"
"Ja", antwortet Leila. "Das heißt, viele von den Regeln haben mit Fesseln zu tun. Das kennst du ja schon. Aber es gibt da noch etwas... das kennst du noch nicht."
"Was denn?"
"Es ist das Wichtigste an der ganzen Urlaubsvertretung. Du müsstest mich... waschen."
Leilas Stimme ist leise geworden.
"Waschen?", frage ich ungläubig.
"Ja. Keine Angst, es ist nicht eklig. Also nicht direkt. Ich kann alleine duschen, ich bin nicht immer in dem Anzug gefangen, weißt du? Es ist nur..."
Leila verhaspelt sich und hört dann mitten im Satz mit ihrer Erklärung auf.
"Wenn es sein muss, dann wasche ich dich. Kein Problem", sage ich und lächle sie aufmunternd an. Verglichen mit dem, was ich bis jetzt mit ihr erlebt habe, klingt diese Aufgabe überraschend gewöhnlich. Sie ist höchstens etwas peinlich.
Als wir ihr Haus erreicht haben, öffne ich mit dem Haustürschlüssel die Tür. Leila betritt den Flur, ich folge ihr und schließe die Tür. Jetzt öffnet Leila einen unauffälligen Holzschrank neben der Tür, legt ihre Burka ab und deponiert sie in dem Schrank. Danach nimmt sie aus dem Schrank eine Kette. Diese Kette hat ein rundes Schloss an jedem Ende, dass etwa so groß ist wie eine Münze, nur deutlich dicker. Eines der Schlösser befestigt sie an einem kleinen Schlitten, der in der Schiene am Flurboden schon auf sie wartet. Das andere Schloss macht sie an ihrem Metallhalsband fest.
"Im Haus muss ich immer an die Schiene gekettet sein", erklärt sie. "Spätestens 5 Minuten nach meiner Ankunft muss die Kette an meinem Halsband sitzen. Wegen der Schiene kann ich mich nur in bestimmten Räumen aufhalten. Der Zugang zu meinem alten Zimmer ist zum Beispiel fast immer gesperrt."
Aus dem Holzschrank, aus dem sie gerade die Kette geholt hat, nimmt Leila jetzt eine Metallkiste. In dem Deckel der Kiste ist eine Plexiglasscheibe eingebaut. Unter dieser Scheibe sehe ich einen Schlüssel. Neben der Scheibe ist ein kleiner Bildschirm angebracht. Dort steht: 07:00
"Normalerweise passen die Herrinnen darauf auf, dass ich immer an die Schiene gekettet bin und wenn nötig, schließen sie mir die Kette auf. Jetzt, wo sie nicht da sind, übernimmt diese kleine Kiste das mit dem Befreien. Jeden Morgen um 7 Uhr öffnet sie sich für 5 Minuten. Dann kann ich mit dem Schlüssel die Kette selbst abnehmen damit ich zur Schule kann. Wenn du magst, kannst du gerne darauf aufpassen, dass ich zuhause immer an die Schiene gekettet bin. Durch das Fenster in der Kiste siehst du auch, ob ich den Schlüssel brav zurückgelegt habe."
"Du bist immer daran angekettet? Die Schienen kenne ich schon aber ich habe nicht gedacht, dass du ständig daran gefesselt bist. Du kannst ja überhaupt nicht raus!"
"Doch, schon", erwidert Leila. "Ich muss die Kette halt erst anlegen, wenn ich nach Hause komme. Und das Schienensystem ist ziemlich komplex! Ich kann sogar in den Garten. Und wenn ich Termine habe oder es einen guten Grund gibt, befreien mich die Herrinnen. Ich gehe zum Beispiel meistens einmal die Woche arbeiten."
"Du arbeitest auch noch bei anderen Leuten?"
Leila nickt.
"Du hast mich gerade von der Arbeit abgeholt. In erster Linie will ich Menschen helfen, aber von denen, die es sich leisten können, lasse ich mich auch bezahlen. Das Geld brauche ich um meine Kettenschwestern Ausrüstung zu bezahlen und manchmal darf ich mir von meinem Ersparten auch was Schönes kaufen."
"Verstehe", sage ich. "Immerhin kannst du ein Teil des Geldes für etwas schönes wie neue Schuhe ausgeben."
"Och, die Kettenschwester Sachen sind auch schön. Auf ihre Art und Weise. Aber genug davon. Hast du Hunger?"
"Und wie", antworte ich.
Leila führt mich in die Küche.
"Soll ich dir ein richtiges Abendessen machen oder möchtest du lieber etwas Simples essen? Wir hätten Tiefkühlpizza und solche Sachen da."
"Tiefkühlpizza reicht vollkommen", antworte ich und Leila macht sich an die Arbeit. Nachdem sie meine Pizza in den Ofen verfrachtet hat, holt sie aus einem Küchenschrank eine Dose mit weißem Pulver. Dieses Pulver füllt sie in ein Glas, gießt dann Wasser dazu und rührt das Getränk mit einem Löffel um. Zum Schluss steckt sie noch einen Strohhalm in das Glas und setzt sich an den Küchentisch, wo ich bereits Platz genommen habe.
"Schmeckt besser als es aussieht", sagt sie, steckt den Strohhalm durch das Metallgitter ihrer Maske und nimmt einen Schluck. Ich schaue ihr dabei zu. Das Leilas Abendessen aus Flüssignahrung besteht, wundert mich gar nicht weiter.
"Darfst du nichts Normales essen?", frage ich.
"An manchen Tagen schon. Manchmal muss ich als Strafe darauf verzichten, manchmal mache ich es weil es schnell geht und ich die Herrinnen nicht darum bitten will mir das Mundgitter abzunehmen. Willst du mal probieren?"
Leila schiebt mir das Glas mit dem Strohhalm über den Tisch. Ich hole es zu mir heran, nehme den Halm in den Mund und probiere einen Schluck. Es schmeckt nach Vanille.
"Nicht besonders aufregend aber auch nicht schlecht", sage ich und schiebe das Glas zurück in ihre Richtung.
"Mit Pizza Salami kann es natürlich nicht konkurrieren", sagt sie, steht auf und öffnet den Ofen. Nachdem sie mir meine Pizza auf einem Teller serviert hat, setzt sie sich wieder zu mir und trinkt weiter.
Als wir fertig sind, lehne ich mich auf meinem Stuhl zurück.
"Das war gut. Simpel, aber gut. Danke", sage ich.
"Gern geschehen", erwidert sie. "Jetzt, wo du gestärkt bist, müsstest du mir noch helfen", sagt sie.
"Waschen?", frage ich.
Sie nickt.
Sie führt mich in ihren Kellerraum. Dort öffnet sie eine der beiden Metalltüren. Hinter der Tür liegt ein komplett gefliester Raum. Von LED-Lampen hell erleuchtet erinnert mich der Raum auf den ersten Blick an ein Badezimmer. Es gibt ein Waschbecken mit Spiegel, eine Toilette, eine Dusche und ein Holzschränkchen, auf dem Handtücher liegen. Anders, als bei einem normalen Badezimmer, hängen hier aber außerdem etliche verschiedenfarbige Schläuche an der Wand und ein sehr dicker Schlauch neben der Toilette. Dazu kommen noch zwei Ketten, die mitten im Raum von der Decke hängen. Zwei weitere Ketten sind am Boden verankert.
"Es tut mir leid, dass ich dich darauf nicht besser vorbereiten konnte", sagt Leila und stellt sich in die Mitte des Raumes. "Ich habe dir erzählt, dass ich verschiedene Versprechen abgegeben habe, die festlegen, welche Bürden ich als Kettenschwester zu tragen habe. Meine Maske ist eine Bürde. Aber das ist nicht alles. Ich habe auch versprochen keusch zu leben."
Mit diesen Worten zieht Leila ihre hochhackigen Stiefeletten aus und macht sich dann an dem Reißverschluss auf ihrem Rücken zu schaffen. Es kostet sie sichtlich Mühe den schwarzen Anzug zu öffnen. Ich will ihr helfen, doch sie lehnt meine Hilfe ab. Als sie den Reißverschluss endlich ganz heruntergezogen hat, streift sie den Anzug bis zu ihren Knien herunter. Wegen der Fußkette kann sie ihn nicht ganz ausziehen. Ihre Handschuhe behält sie an. Was unter dem Anzug zum Vorschein kommt, verschlägt mir die Sprache.
Dort, wo ihr Busen sein sollte, sehe ich zwei Halbkugeln aus Metall, die von dicken, metallverstärkten Gummigurten an ihrem Platz gehalten werden. Um ihre Hüften trägt sie einen mehrere Zentimeter breiten Metallreif. Daran ist ein Metallband befestigt, dass zwischen ihren Beinen entlanggeführt ist und den Blick auf ihre Scham versperrt.
Mit weit aufgerissenen Augen mustere ich die Metallteile an Leilas Körper. Seit unserem Treffen am See weiß ich, dass irgendeine Vorrichtung ihr den Zugang zu den eigenen intimen Stellen verwehrt. Soweit ist ihr Anblick keine Überraschung. Was mich schockiert, sind die Teile selbst. Sie sind größtenteils aus Metall gefertigt. Die Ränder sind mit Gummi versehen um die darunterliegende Haut zu schützen. Jeder Naht und jedem Verbindungsstück sieht man an, dass hier jemand mit Hingabe am Werk war. Alles sitzt perfekt. Die Ränder liegen direkt auf der Haut ohne Druck- oder Scheuerstellen zu hinterlassen. Es gibt keine ersichtlichen Schwachstellen. Ohne den Einsatz von Werkzeug oder dem passenden Schlüssel wird Leila sich aus diesen Teilen nicht befreien können.
Leila senkt ihren Blick Richtung Boden. Für sie war vorhersehbar, wie ich wahrscheinlich reagieren würde aber diese Vorahnung macht es für sie offenbar nicht leichter meinen neuerlichen Schreck zu ertragen. Ihr Anblick lässt mich meinen eigenes Entsetzen vergessen. Ich überlege, was ich sagen könnte um diese unangenehme Situation zu entschärfen. Schließlich öffne ich einfach meinen Mund und beginne ohne weiter nachzudenken eine Frage:
"Musst du... ähm... die Sachen immer tragen?"
"Fast immer. Ich habe für mich die Regel aufgestellt, dass ich keinen freien Zugang zu meiner... naja, du weißt schon haben darf um sicherzustellen, dass ich wirklich keusch lebe. Außerdem habe ich vor einem Monat zusätzlich die Bürde angenommen meine Brüste nicht mehr berühren zu dürfen. Deshalb trage ich diesen besonderen BH", antwortet sie.
"Wer hat denn den Schlüssel?", frage ich und gebe mir dabei größte Mühe sie mit einem möglichst neutralen Gesichtsausdruck anzuschauen.
"Die verehrte Herrin. Es gibt aber auch noch einen Notschlüssel hier im Haus. Der ist in einem Tresor, im Arbeitszimmer. Wenn mir etwas zustoßen sollte, während sie im Urlaub sind, wird dir die verehrte Herrin die Zahlenkombination für den Tresor geben. Außerdem gibt es einen weiteren Notschlüssel bei der Pârtha-Gemeinschaft."
"Zum Glück habt ihr für den Notfall vorgesorgt", sage ich.
Leila hebt ihren Kopf. Mein bewusst neutraler Gesichtsausdruck macht die Situation für sie erträglicher.
"Ja. Dank der Reserveschlüssel kann ich den Keuschheitsgürtel und den BH auch tragen, wenn sie nicht da sind. Sonst hätte ich die Sachen im schlimmsten Fall ablegen müssen."
"Klingt für mich nicht nach dem schlimmsten Fall", sage ich. "Ich meine, die Sachen sehen so robust aus. Die müssen doch schwer sein. Es kann doch nicht angenehm sein, so was zu tragen."
"Robust sind sie in der Tat und wie mit all meinen Sachen gibt es manchmal Tage, an denen ich die Teile verfluche. Aber gleichzeitig ist es auch unbeschreiblich aufregend in Metall eingeschlossen zu sein. Es ist wie Licht und Schatten. Der Keuschheitsgürtel und der BH sind für mich nur interessant, weil ich sie nicht einfach ablegen kann. Genau das ist aber mitunter auch wirklich ätzend.
Den Keuschheitsgürtel trage ich jetzt schon seit fast 4 Monaten und ich bin verdammt stolz darauf, dass ich es so lange durchgehalten habe! Nach dieser langen Zeit will ich, dass das Öffnen des Gürtels und des BH etwas besonderes ist! Ich möchte das es nicht einfach so passiert, nur weil meine Herrin in Urlaub fährt."
Leilas Stimme ist klarer und selbstbewusster geworden. Ihr ist anzuhören, dass sie auf das, was sie geschafft hat, wirklich stolz ist. Ihr selbstbewusstes Auftreten gibt mir den Mut mit ihr offen zu sprechen.
"Wenn du diesen Gürtel seit 4 Monaten trägst, hast du dich dann in der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal selbst berührt? Ich weiß, dass Männer und Frauen da nicht immer gleich ticken, aber vermisst du das denn gar nicht?"
"Berührt, also mit meinen eigenen Fingern, habe ich mich nicht. Aber... es gibt da etwas anderes."
"Was denn?" frage ich.
"Da ist auch wieder ein ziemlicher Schock", erwidert Leila.
"Darin habe ich schon Übung", sage ich mit einem Lächeln.
"Ich zeige es dir, wenn du einmal hier übernachtest", erwidert sie.
"Gerne. Wenn du magst, kann ich gleich heute hier bleiben."
"Abgemacht!", sagt Leila. "Aber jetzt müssen wir uns erst mal ums Waschen kümmern."
"Was muss ich tun?", frage ich.
"Meistens wasche ich mich alleine. Dazu dusche ich ganz normal, wie du auch. Dann reinige ich den Keuschheitsgürtel und den BH. Weil ich nicht unter die Teile komme, nehme ich diese Schläuche zu Hilfe", erklärt sie und geht dabei auf die verschiedenfarbigen Schläuche zu, die aufgerollt an der Wand hängen.
"Den Gürtel reinige ich mehrmals täglich. Wenn ich die Maske länger trage, so wie im Moment, wasche ich die Maske auch mit den Schläuchen aus. Gürtel, BH und Maske haben versteckte Anschlüsse für die Schläuche. Um mich zu waschen muss ich einfach nur die Schläuche mit den Teilen verbinden und die Pumpen aktivieren, die in die Wand eingebaut sind."
Mit diesen Worten wendet sich Leila einem unscheinbaren schwarzen Kasten zu, der über den Schläuchen an der Wand hängt. Als sie die Tür des Kastens öffnet, kommen dahinter drei Knöpfe, einige Lämpchen, ein Kippschalter und ein Schlüssel zum Vorschein. Unter den Knöpfen steht: Kleine Reinigung, Große Reinigung und Not-Aus. Über und unter dem Kippschalter sind zwei farbige Punkte angebracht: Einer ist rot, der andere ist blau. Der Schalter ist auf blau gestellt.
"Die kleine Reinigung kann ich alleine durchführen. Nur bei der Großen brauche ich Hilfe. Bei der großen Reinigung wird ein spezielles Reinigungsmittel mit Druck in den BH und den Keuschheitsgürtel gepumpt. Reines Wasser kann ich dafür nicht nehmen, weil ich die Teile von innen nicht so leicht trocknen kann. In die Maske kommt aber Wasser und etwas Seife. Das ist ziemlich unangenehm und den BH habe ich auf diese Weise noch nicht oft gereinigt. Außerdem bin ich dabei gefesselt. Deswegen muss immer jemand dabei sein. Wenn ich während dem Reinigungsvorgang fest mit dem Fuß auf den Boden stampfe, musst du bitte den Not-Aus Knopf drücken."
Ich schaue mir den Kasten mit den Knöpfen an, nicke und sage: "Verstanden."
Leila stellt sich breitbeinig, soweit es ihr die Fußkette gestattet, vor die verschiedenen Schläuche. Sie nimmt sich zuerst einen roten Schlauch, den sie zwischen ihre Beine führt. Mithilfe ihrer Finger bugsiert sie den Anschluss des Schlauches an das Gegenstück an ihrem Keuschheitsgürtel. Mit einem Klick rastet der Schlauch am Gürtel ein. Als nächstes folgen zwei blaue Schläuche, die sie an der Unterseite ihres BH anschließt. Zuletzt greift sie nach einem schwarzen Schlauch, den sie mir entgegen hält.
"Kannst du mir helfen? Der Anschluss ist auf der Rückseite meiner Maske."
"Kein Problem", sage ich und nehme ihr den Schlauch aus der Hand.
Leila dreht sich um und beugt ihren Kopf nach vorne.
"Der Anschluss ist direkt über dem Metallhalsband. Du wirst nur einen Ring in dem schwarzen Material sehen. Da musst du den Anschluss vom Schlauch einfach gegen drücken."
Ich brauche einen Moment, ehe ich den geschickt versteckten Anschluss an der Maske gefunden haben. Als ich endlich fündig geworden bin, verbinde ich den letzten Schlauch mit ihrer Maske. Leila dreht sich daraufhin wieder zu mir um und zieht einmal kurz an dem Schlauch, der jetzt an ihrer Maske hängt.
"Gute Arbeit, der hält", sagt sie und stellt sich in die Mitte des Raumes, wo zwei Ketten am Boden befestigt sind. Leila bückt sich, nimmt sich eine der Ketten und verbindet sie mit Hilfe des kleinen runden Schlosses am Ende der Kette mit der Metallschelle, die sie an ihrem Fuß trägt. Als sie auch ihr anderes Bein ebenso angekettet hat, steht sie mit gespreizten Beinen im Raum.
"Hilfst du mir mit den Händen?", fragt sie.
"Natürlich", antworte ich und gehe auf sie zu. Wie ihre Fesseln funktionieren, weiß ich inzwischen. Leila streckt ihre Arme in die Höhe und ich verbinde die Ketten, die über ihr von der Decke hängen, mit den Metallschellen an ihren Händen. Leila steht jetzt wie ein X gefesselt im Raum.
"Jetzt kannst du die große Reinigung starten. Das Programm wird 10 Minuten dauern. Wenn es durchgelaufen ist, hörst du einen Piepton. Dann kannst du mich mit dem Schlüssel befreien, der neben den Knöpfen hängt", sagt Leila.
Ich wende mich dem Kasten mit den Knöpfen zu. Über dem Knopf für die große Reinigung leuchtet ein grünes Lämpchen. Ich schaue noch einmal zu Leila. Nachdem sie mir zugenickt hat, drücke ich den Knopf.
Ein gedämpftes Brummen, gefolgt von einem Surren ist im Raum zu hören. Es erinnert mich an eine Waschmaschine. Kurz darauf bewegen sich zuerst die Schläuche und dann Leila. Während die Pumpen surren, windet sie sich in ihren Fesseln und stöhnt leise. Es sind keine hektischen Bewegungen, sie gerät nicht in Panik und benutzt auch nicht das verabredete Notsignal. Ich würde mich vielleicht so bewegen, wenn ich mich eiskalt duschen würde.
Nachdem das Reinigungsprogramm gut drei Minuten gelaufen ist, legt Leila ihren Kopf nach hinten. Durch das Metallgitter vor ihrem Mund läuft Wasser. Sie wirft den Kopf ein paar Mal hin und her und beugt sich dann wieder nach vorne. Durch das Metallgitter fällt nun ein Wasserstrahl zu Boden der in einen Abfluss läuft. Die Maskenwäsche wird noch ein paar Mal wiederholt, wobei es zwischen den einzelnen Waschgängen immer eine Pause gibt.
Zum Schluss wird das Reinigungsmittel aus dem Keuschheitsgürtel und dem BH über die Schläuche wieder abgepumpt. Als die Pumpen verstummen, gibt der Kasten mit den Knöpfen einen Piepton von sich. Das grüne Lämpchen blinkt. Ich nehme den Schlüssel aus dem Kasten und gehe auf Leila zu.
"Danke", sagt sie, als ich sie Schloss für Schloss von den Ketten befreie.
"Gern geschehen", erwidere ich. "Sehr angenehm sah das nicht aus."
"War es auch nicht. Aber heute habe ich die Reinigung auch mit kaltem Reinigungsmittel und Wasser gemacht. Wenn ich keine Fehler mache, darf ich mich auch warm waschen. Durch den Druck ist das immer noch gewöhnungsbedürftig, aber ein bisschen erinnert mich das schon an die Wannenbäder, die ich früher oft genommen habe. Legst du dich gerne in die Wanne?", fragt Leila mich und nimmt sich ein Handtuch, mit dem sie das Gitter vor ihrem Mund abtrocknet.
"Schon. Oft mache ich es nicht aber wenn ich Zeit und Lust habe, ja. Vor allem im Winter ist es toll", antworte ich.
Leila nimmt die Schläuche ab und rollt sie ordentlich zusammen.
"Soll ich dir ein Wannenbad einlassen? Dann kannst du ein bisschen entspannen während ich hier saubermache."
"Entspannen? Ich habe doch gar nichts Anstrengendes getan. Wie wärs, wenn ich dir helfe damit wir hier schnell fertig sind?", frage ich.
"Kommt gar nicht in Frage", sagt sie mit gespielter Strenge. "Du hast etwas für mich getan, jetzt will ich etwas für dich tun. Sag bitte ja."
"Na gut. Aber wenn du Hilfe brauchst, musst du mich rufen", sage ich.
"Ganz bestimmt!", sagt Leila und klingt so, als ob sie unter ihrer Maske lächeln würde. "Ich mache alles bereit für dich. Wartest du bitte in der Küche, bis ich dir Bescheid gebe?"
Ich willige ein und nachdem sich Leila wieder ihren schwarzen Latexanzug und die Stiefeletten angezogen hat, folge ich ihr ins Erdgeschoss. Sie geht so schnell es ihre Fußkette zulässt und zieht dabei die Kette, die an der Schiene im Boden befestigt ist, hinter sich her. Beim Durchgang zur Küche trennen sich unsere Wege. Während ich mich an den Küchentisch setze, geht Leila ins Obergeschoss.
Leila nimmt sich für die Vorbereitungen Zeit. Länger als erwartet sitze ich in der Küche und warte. Während ich von oben das Wasserrauschen höre, wird mir die Situation zunehmend unangenehmer. Eigentlich geht es beim Baden nur ums Waschen und Entspannen aber man legt sich nicht einfach so bei Freunden in die Badewannen. Ein Wannenbad hat auch immer etwas intimes, vertrautes an sich. Man badet zuhause. Warum ist Leila so versessen darauf mir diese Freude zu machen? Will sie mir einfach nur ein wenig Entspannung verschaffen oder steckt dahinter mehr?
Hinzu kommt außerdem der Kontrast zwischen dem warmen Bad, dass auf mich wartet, und der kalten Wäsche, die Leila gerade angekettet im Keller ertragen hat. Kettenschwester hin oder her, dass ist wirklich unfair.
In Gedanken versunken höre ich Leilas Stimme, die mich von oben ruft:
"Jakob, dein Bad ist fertig!"
Ich springe vom Stuhl auf und laufe die Treppe hoch. Zweifel hin oder her – jetzt ist es ohnehin zu spät das angebotene Bad noch abzulehnen. "Ich komme!"
Im Obergeschoss betrete ich den Flur. Vor mir sehe ich wieder die inzwischen vertrauten Schienen, die im Holzboden eingelassen sind. Eine Schiene ist in der Mitte des Ganges verlegt worden. Mehrere Abzweigungen führen zu geschlossenen Türen auf beiden Seiten des Ganges. Eine einzige Tür steht offen. Am Ende des Ganges sehe ich Leilas schwarze Gestalt in einem weiß gefliesten Raum.
"Es ist alles bereit. Ich hoffe du bist mit der Temperatur zufrieden", sagt sie, als ich durch den Flur auf sie zugehe. Das Bad ist geräumig. Dusche, Toilette, Spiegelschrank und alles was man sonst noch in einem Bad erwarten würde ist vorhanden. Unter einem Dachfenster wartet die Wanne auf mich. Am Wannenrand stehen Glasflaschen mit Badezusätzen, ein Glas Rotwein und ein Kerzenständer mit drei leuchtenden Kerzen.
So ein aufwändiges Bad hat mir bisher nur ein einziges Mal meine Ex-Freundin bereitet als ich krank war. Mein erster Gedanke: Das ist zu viel! So ein Bad, mit Wein und Kerzenlicht, ist dem Freund, ihrem Partner, vorbehalten. So etwas macht man nicht für jemanden, mit dem man einfach nur befreundet ist. Eigentlich wäre das jetzt der Moment, in dem ich mit Leila ein klärendes Gespräch suchen müsste um alle potentiellen Missverständnisse von vornherein auszuräumen. Macht sie sich Hoffnungen in Bezug auf mich? Die Massage am See kommt mir in den Sinn. Ich bin damals zu weit gegangen, wir haben am See gekuschelt, bis sie die Sache mit einem Hinweis auf ihren Keuschheitsgürtel beendet hat. Ihr muss doch ebenso wie mir klar sein, dass wir unmöglich ein Paar werden können.
Leila steht vor mir und sieht mich an. Wie gerne wüsste ich, was sie jetzt denkt. Schaut sie mich erwartungsvoll an? Ängstlich? Freudig? Alles, was ich sehe, ist die schwarze Maske und die ebenso undurchdringlichen runden Augengläser. Sie muss schon eine ganze Weile auf meine Reaktion warten, während ich mit meinen Gedanken beschäftigt bin. Ganz gleich, wie sie mich auch unter ihrer Maske anschauen mag, langes Schweigen ist niemals angenehm. Zuerst will ich tatsächlich meinen Mut zusammennehmen und sie direkt auf das viel zu romantische Bad ansprechen. Aber etwas hält mich zurück. Leila hat immer wieder sehr unter den Reaktionen anderer Menschen auf ihr Äußeres gelitten. Falls sie sich, bezogen auf uns beide, Hoffnung auf mehr gemacht hat und ich sie jetzt direkt darauf stoße, dass wir nur Freunde sein können, dann ist das eine neuerliche Zurückweisung. Nachdem sie heute schon meine Reaktion auf ihren Keuschheitsgürtel ertragen musste, kann ich ihr das nicht auch noch antun. Also sage ich endlich:
"Das sieht phantastisch aus! Damit hab ich nicht gerechnet, jetzt bin ich ehrlich gesagt sprachlos. Vielen Dank!"
Ich lächle sie an.
"Bitte! Puh, ich dachte schon es gefällt dir nicht weil ich etwas... naja... vielleicht ein bisschen dick aufgetragen habe mit den Kerzen und so. Aber lieber zu viel Gemütlichkeit als zu wenig! Du sollst dich unbedingt wohlfühlen!"
Leilas Stimme klingt fröhlich und ein wenig erleichtert.
"Jetzt musst du aber schnell die in die Wanne bevor das Wasser kalt wird", sagt sie und wendet sich der Tür zu. "Wenn du etwas brauchst, ruf einfach nach mir!" Sie verlässt das Bad und schließt die Tür hinter sich.
In der Badezimmertür steckt innen kein Schlüssel. Nachdem ich Leila auf der Treppe gehört habe, öffne ich leise die Tür. Auch außen steckt kein Schlüssel. Einen winzigen Augenblick lang überlege ich, ob ich Leila nach einem Schlüssel fragen sollte. Dann verwerfe ich diese Idee wieder. Diese Frage wäre wirklich albern! Leila wird sicher nicht einfach ohne anzuklopfen das Bad betreten und selbst wenn, was wäre schon dabei?
Ich ziehe mich aus und steige in die Wanne. Die Temperatur ist perfekt. Ich greife nach dem Glas Wein, das Leila für mich am Wannenrand platziert hat, und nehme einen Schluck. Der Rotwein hat die feuchtwarme Raumtemperatur angenommen. Zu warm, aber zusammen mit dem warmen Bad bleibt er nicht ohne Wirkung. Mit geschlossenen Augen sinke ich in der geräumigen Wanne bis zum Kinn ins Wasser. Herrlich!
Meine Gedanken wandern wieder zu Leila. Ich ärgere mich über meine eigene Feigheit. Über alle Maßen zögerlich bin ich normalerweise auch nicht, aber bei Leila weiß ich nie, woran ich bin. Wenn ich wenigstens ihr Gesicht sehen könnte!
Für eine Weile döse ich vor mich hin und genieße die Stille.
Ein leises Klopfen reißt mich aus meinem Dämmerzustand.
"Jakob?"
Leilas Stimme ist durch die Tür gedämpft zu hören.
"Ja?", erwidere ich.
"Tut mir leid, ich habe ganz vergessen dir einen Bademantel bereitzulegen. Darf ich ihn dir kurz ins Bad legen?"
Ich liege immer noch bis zum Kinn im Wasser und schaue über die Wasseroberfläche bis zum gegenüberliegenden Wannenrand. Auf dem Wasser schwimmt immer noch etwas Schaum und die Badezusätze haben das Wasser trübe gemacht. Viel ist von meinem nackten Körper nicht zu sehen.
"Ok", antworte ich.
Leila öffnet die Tür und betritt das Bad. Sie trägt einen weißen Bademantel bei sich, den sie über das Waschbecken legt. Als sie sich umdreht um das Bad wieder zu verlassen, verharrt ihr Blick einen winzigen Augenblick lang in meiner Richtung. Zu lang für eine schnelle Drehung, aber viel zu kurz um mich wirklich anzuschauen. Nur ein kleiner Blick auf mich im Badewasser.
Sie wendet sich wieder dem Flur zu, verlässt den Raum und schließt hinter sich die Tür.
Ich habe mein Zeitgefühl vollkommen verloren. Als Leila die Tür geschlossen hat, fällt mein Blick auf meine verschrumpelten Fingerkuppen. Vielleicht hat Leila den Bademantel absichtlich vergessen um einen Blick auf mich zu erhaschen? Oder es ist einfach nur ein subtiler Hinweis darauf, dass ich seit einer halben Ewigkeit hier in der Wanne liege? So oder so ist es Zeit die Badewanne zu verlassen.
Nachdem ich mich abgetrocknet und das Wasser aus der Wanne abgelassen habe, ziehe ich mir meine Boxershorts und ein T-Shirt über. Als letztes folgt der Bademantel. Im Spiegel werfe ich noch einen Blick auf meine flüchtig abgetrockneten Haare und verlasse dann das Bad.
Im Erdgeschoss treffe ich auf Leila. Sie ist gerade damit beschäftigt die Geschirrspülmaschine auszuräumen.
"Das war wirklich wunderbar, vielen Dank noch mal", sage ich und betrete die Küche.
"Super das es dir gefallen hat! Und tut mir leid nochmal. Ich hätte den Bademantel nicht vergessen dürfen."
"Das macht doch nichts", erwidere ich.
"Doch", antwortet Leila sofort und dreht sich zu mir. "Das war unaufmerksam von mir. Würdest du mich bitte dafür bestrafen?"
"Was? Wegen so einer Lappalie?"
Leila nickt und geht zum Küchentisch. Sie stützt ihre beiden Hände auf dem Tisch ab und streckt ihren Hintern raus.
"Gib mir bitte zwei Schläge auf den Hintern."
Verrückte Idee. Ich muss ablehnen. Zwei Schläge wegen einem Bademantel? Das ist total unverhältnismäßig! Erst recht nachdem sie für mich ein so herrliches Bad vorbereitet hat.
Leila blickt über die Schulter zu mir.
"Am Anfang ist es niemandem leicht gefallen mich zu bestrafen. Vergiss nicht, dass du mir damit hilfst. Bitte!"
Das geht doch nicht! Aber das denke ich nur. Stumm stehe ich hinter Leila. Der schwarze Anzug spannt über ihrem knackigen Po. Ihr Anblick ist verlockend. Der Drang sie zu berühren wird mit jeder Sekunde stärker. Ich denke zurück an unsere Klausurvorbereitung und das letzte Mal, als ich ihr einen Klaps auf den Hintern gegeben habe. Leila hat unter den Schlägen gestöhnt.
Ich gehe einen Schritt auf sie zu. Nur ein leichter Schlag, denke ich mir. Aber damit wäre Leila nicht zufrieden. Also hole ich aus, so wie Cyria es mir gezeigt hat.
Mit einem lauten Klatschen landet meine Hand auf Leilas Po. Sie stöhnt gedämpft auf und windet sich in ihrer vornübergebeugten Position. Ohne sich aufzurichten sagt sie:
"Eins. Danke, das war gut."
Da Leila mir weiter ihren Hintern entgegenstreckt, folgt mein zweiter Schlag kurz nach dem ersten. Wieder stöhnt Leila, nachdem meine flache Hand auf ihrem Hintern gelandet ist.
"Zwei. Danke, du wirst mit jedem Schlag besser."
Was soll ich darauf antworten? Bitte, gern geschehen? Zu meinem eigenen Entsetzen muss ich mir eingestehen, dass dieser Moment für mich selbst nicht nur unangenehm war. Das will ich vor Leila verbergen. Sie richtet sich auf und wendet sich zu mir. Sie erwartet eine Reaktion.
Mit einem erzwungenen Lächeln sage ich ohne nachzudenken:
"Übung macht halt den Meister."
Leila bleibt einen Moment lang stumm und scheint mich zu mustern. Dann sagt sie zögerlich:
"Ja, natürlich... willst du noch ein bisschen weiter üben?"
Sie schaut mich an. Ich schaue sie an. Hinter ihren schwarzen Augengläsern bleibt verborgen, ob dieser Vorschlag ein Scherz ist oder nicht. Inzwischen halte ich beides, Scherz oder Ernst, für möglich.
"Fürs erste reichts", sage ich, lächle weiter und will mir im gleichen Moment auf die Zunge beißen für meine unüberlegte Formulierung. Fürs erste – das heißt, ich bin bereit ihr irgendwann wieder den Hintern zu versohlen.
Zum Glück gibt Leila sich mit der Antwort zufrieden.
"Was möchtest du jetzt machen? Hast du nach dem Wannenbad wieder Hunger bekommen?" fragt sie.
"Danke der Nachfrage, aber nein, ich bin immer noch satt. Kann ich dir mit irgendetwas helfen?"
"Nö", erwidert sie entschlossen. "Du könntest etwas auf dem Sofa ausspannen, fernsehen und ich massiere dir dabei die Füße."
"Ich glaube entspannter als ich kann man gar nicht sein. Wenn du mich weiter so umsorgst, komme ich mir noch vor wie der Kaiser von China", sage ich.
"Wenn du mich nachher ins Bett bringst, wartet der nächste Schock auf dich. Sieh es einfach als Entschädigung im Voraus", erwidert Leila.
Eigentlich befinde ich mich schon auf dem Gipfel der Entspannung. Jede weitere Ruhepause hätte etwas unanständig faules an sich. Allerdings ist Leilas Angebot auch verlockend. Zu meiner fortgesetzten Überraschung muss ich erkennen, dass mich ihr geheimnisvoller Körper nach wie vor anzieht. Ich nehme mir vor vorsichtig zu sein. Leila soll sich schließlich keine falschen Hoffnungen machen. Aber was ist schon eine Fußmassage? Also stimme ich zu, wobei ich mir allerdings ein wenig schäbig vorkomme.
Im Wohnzimmer führt Leila mich aufs Sofa, wo ich mich gleich hinlege. Leila schaltet den Fernseher an und legt die Fernbedienung neben mir auf dem Tisch. Dann geht sie vor meinen Füßen auf die Knie. Im Fernsehen läuft irgendeine Nachrichtensendung, der ich jedoch keine Beachtung schenke. Mein Blick ist nur auf Leila gerichtet.
Sie zieht sich ihre Handschuhe aus, wobei sie beim linken wegen der Metallbänder um ihre Finger einige Zeit braucht. Anschließend legt sie beide Handschuhe auf den Stubentisch und wendet sich meinen nackten Füßen zu. Sie beginnt mit dem rechten Fuß, den sie mit beiden Händen umfasst. Sie fährt mit ihren Händen auf meinem Fuß auf und ab, wobei sie mit dem freien Daumen ihrer rechten Hand leichten Druck auf die Innenseite meines Fußes ausübt.
"Das fühlt sich toll an", sage ich und lächle sie an.
Leila hebt ihren Kopf.
"Danke. Ich übe das seit einiger Zeit. Wegen den Metallbändern an den Fingern meiner linken Hand ist das gar nicht so leicht. Am Anfang habe ich immer zu viel Druck mit der linken Hand ausgeübt. Da hatte Cyria als Übungsobjekt einiges auszustehen."
"Das Training hat sich gelohnt", sage ich, lasse meinen Kopf nach hinten fallen und schließe die Augen.
Leila massiert hingebungsvoll meine beiden Füße. Ich habe mir nie viel aus Massagen gemacht aber schon nach wenigen Minuten steht für mich fest, dass ich mich daran wirklich gewöhnen könnte. Während der Ton der Nachrichtensendung aus meinem Bewusstsein verschwindet, döse ich vor mich hin. Wenn Leila nichts mehr gesagt hätte, wäre ich wohl hier auf dem Sofa eingeschlafen.
"Vor 22 Uhr müsstest du mich ins Bett bringen", sagt sie leise.
Ich öffne meine Augen und richte mich auf. Leila kniet immer noch vor mir, die Massage ist allerdings beendet und sie hat sich ihre Handschuhe wieder angezogen. Der Fernseher ist aus. Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr. Es ist erst kurz nach Neun.
"Erstmal danke für die wunderbare Massage", sage ich. "Aber bis 22 Uhr ist es doch noch eine Stunde hin? Willst du jetzt schon ins Bett?", frage ich.
"Nein. Aber ich müsste dir noch ein Bett machen und falls du noch Kleidung zum Wechseln von zuhause holen möchtest, wäre das jetzt die perfekte Gelegenheit", sagt sie.
"Stimmt. Es ist so gemütlich bei dir, da habe ich das glatt vergessen", erwidere ich und stehe auf.
Zu Fuß ist das Haus von Leilas Eltern etwa 15 Minuten von dem Haus meiner Großmutter entfernt. Ohne mich hetzen zu müssen schaffe ich den Hin- und Rückweg. Meiner Großmutter erzähle ich, dass ich bei einem Freund übernachte.
Zurück bei Leila öffne ich die Tür mit dem Haustürschlüssel, den Frau Epikuron mir gegeben hat. In der Wohnstube treffe ich auf Leila, die mir auf dem Sofa ein Bett hergerichtet hat.
"Willkommen zurück. Hast du alles dabei?", begrüßt sie mich.
Ich halte meinen gepackten Rucksack hoch.
"Alles, was ich bis morgen brauche", sage ich.
"Es ist jetzt viertel vor zehn. Dein Bett ist bereit. Könntest du mich gleich zu Bett bringen? Beim ersten mal ist es besser wenn wir nicht in Zeitnot sind", sagt sie.
Zeitnot beim Zubettgehen? Ich widerstehe der Versuchung sie danach zu fragen und nicke einfach nur.
Zusammen mit Leila gehe ich in den Keller. Unten angekommen öffnet sie einen der Metallschränke. Hinter den Schranktüren sehe ich jede Menge akkurat gefaltete Latexkleidung. Leila nimmt eine Schatulle aus dem Schrank, die sie öffnet. Aus der Schatulle nimmt sie zwei längliche, kompliziert aussehende Schlüssel, die mir bekannt vorkommt. Mit einem dieser Schlüssel öffnet sie die beiden runden Schlösser an ihrer Fußkette und löst die Kette dann von den Metallschellen an ihren Füßen. Mit der Kette in der Hand öffnet sie einen zweiten Metallschrank, in dem jede Menge Metallfesseln und Ketten deponiert sind. Leila legt die Fußkette in ein freies Fach und schließt den Schrank wieder. Jetzt wendet sie sich mir zu.
"Eigentlich darf ich auf gar keinen Fall Schlüssel zu meiner Verfügung haben, aber meine Herrin hat mir ausnahmsweise diese hier für die Zeit ihres Urlaubs überlassen", sagt sie und hält mir die beiden Schlüssel entgegen.
"Ein Schlüssel ist für die Kette an meinen Füßen, der andere für meine Hände. Damit ich mich alleine fesseln und wieder befreien kann, hat sie mir die beiden Schlüssel dagelassen. Das ist für mich aber eine blöde Situation. Eine Kettenschwester sollte nicht in der Lage sein sich selbst zu befreien. Kannst du die Schlüssel verwalten, so lange du hier bist?" fragt sie.
Ihre Bitte überrascht mich nach allem, was ich bis jetzt mit ihr erlebt habe, nicht. Ich stimme zu. Als sie mir die Schlüssel in die Hand drückt, spüre ich ein seichtes Kribbeln. Leilas Fesseln sind ein vertrauter Anblick und nachdem sie mich mehr als einmal ermutigt hat ihr den Hintern zu versohlen wundert mich auch ihr Vertrauen in mich nicht. Trotzdem ist es ein besonderes Gefühl die Schlüssel zu ihren Fesseln in meinen Händen zu halten.
Nach der Schlüsselübergabe legt Leila ihren schwarzen Anzug, die Handschuhe und die Stiefeletten ab. Sie verstaut ihre Kleidung im Schrank mit der restlichen Kleidung, schließt die Schranktüren und wendet sich dann dem Bett zu. Vor dem Bett geht Leila auf die Knie und zieht eine schwarze Box unter dem Bett hervor. Die äußere Hülle der Box scheint aus einer Art robustem Plastik gefertigt zu sein. An der Oberseite sehe ich ein Schlüsselloch. Daneben kommen drei Kabel aus der Box, ein rotes und zwei blaue.
Leila spreizt im Knien die Beine, nimmt sich das rote Kabel und befestigt es an ihrem Keuschheitsgürtel. Als Nächstes nimmt sie die beiden blauen Kabel und befestigt sie am unterem Rand der beiden Halbschalen ihres Keuschheits-BH. Dann steht sie auf.
"Weißt du noch, wie du vorhin gefragt hast, ob ich es vermisse mich selbst... naja, du weißt schon... berühren zu können?", fragt Leila.
Ich nicke.
"Diese Kiste", sagt sie, schaut nach unten zur schwarzen Box und verstummt. Während ich sie fragend anschaue, sucht Leila nach den richtigen Worten. Schließlich wirft sie den Kopf in den Nacken und sagt:
"Ach Mensch, ich überlege schon die ganze Zeit wie ich dir das sagen soll. Aber egal was ich sage, es ist immer peinlich."
"Egal was es damit auf sich hat, ich verspreche dir, dass ich dich nicht im Stich lassen werde", erwidere ich.
"Puh, na gut. Also diese Kiste ist quasi das Berühren. Nein warte, dass klingt ja total komisch."
Leila atmet tief durch.
"Diese Box ist ein wichtiger Teil meines Keuschheitsversprechens. Ich habe nicht versprochen komplett darauf zu verzichten. So was wie das Zölibat und totale Enthaltsamkeit ist in unserer Gemeinschaft nicht verbreitet. Meine beiden Herrinnen entscheiden darüber, wann ich mir einen Aufschluss verdient habe und unter welchen Bedingungen er erfolgt. Das ist für mich etwas ganz Besonderes. Zur Reinigung und Kontrolle wird mein Gürtel und der BH regelmäßig geöffnet aber dabei kann ich mich nicht selbst berühren. Wirklich befreit wurde ich von den Sachen in den letzten vier Monaten nur fünfmal, zuletzt vor etwa sechs Wochen. Wenn ich über diese langen Zeiträume einfach nur permanent verschlossen wäre, dann würde ich mich irgendwann daran gewöhnen und meine Lust würde verschwinden.
Damit das nicht passiert, habe ich diese Kiste. Der Keuschheitsgürtel und der BH sind nicht einfach nur Metallschilde. Es sind Geräte mit verschiedenen Funktionen und obwohl ihr Hauptzweck darin besteht meine intimen Stellen zu verschließen können sie mir auch Lust bereiten."
"Dann kannst du es dir also selbst machen mithilfe der Box und wenn du es ganz konventionell machen möchtest, brauchst du die Erlaubnis von Cyria und Frau Epikuron?", frage ich.
Leila schüttelt mit dem Kopf. "So einfach ist das nicht. Die Box ist dafür da, dass mein Verlangen und die Lust nicht zu einer faden Erinnerung werden. Wirklich selbst machen kann ich es mir auch mit der Box nicht.
Es ist ein bisschen wie bei einer Lotterie. Bevor ich ins Bett gehe, schließe ich die Kabel an. Bei einer Chance von 1:3 werde ich leicht stimuliert. Bei einer Chance von 1:10 dauert die Stimulation länger aber sie reicht nicht bis zum Höhepunkt. Die Wahrscheinlichkeit für einen Höhepunkt liegt im Moment glaube ich bei 1:25. Als Strafe kann die Chance auf einen Höhepunkt verschlechtert werden. Zum Ausgleich kann ich aber auch mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:5 leichte Elektroschocks bekommen."
"Das ist aber fies. Deine Chancen stehen doch sowieso schon schlecht und dann musst du auch noch Elektroschocks fürchten?", sage ich sofort.
"Als Kettenschwester muss ich eben eine Gegenleistung erbringen", erklärt Leila und schaut zum Wecker, der neben dem Bett auf dem Schreibtisch steht.
"Jetzt muss ich mich aber langsam beeilen", sagt sie und kniet sich aufs Bett.
Die Schiene, an die sie immer noch mit ihrem Halsband gekettet ist, verläuft direkt an ihrem Bett entlang. Auf dem Bett kniend greift Leila unter die Gummimatte, die auf dem Bettgestell liegt. Unter der Matte zieht sie zwei kurze Ketten hervor, die sie mit ihren Fußschellen verbindet. Anschließend legt sie sich mit dem Rücken auf die Gummimatte und greift nach der Kette, mit der sie an die Schiene gefesselt ist. Am oberen Ende des Bettgestells ist ein Bügelschloss fest im Rahmen integriert. Leila führt den Bügel des Schlosses durch ein Kettenglied und lässt das Schloss einrasten. Auf diese Weise an das Bett gefesselt kann Leila ihren Kopf nur noch leicht anheben.
Zum Schluss folgen die Hände. Am Kopfende des Betts holt Leila unter der Matte zwei kurze Ketten mit den vertrauten münzenförmigen Schlössern hervor, die sie mit den Metallschellen an ihren Handgelenken verbindet.
"Fertig", verkündet sie und dreht ihren Kopf in meine Richtung. Neben dem Bett stehend habe ich ihr wortlos zugeschaut.
"Die Schlösser öffnen sich automatisch um 6:00 Uhr. Jetzt müsstest du kontrollieren, ob auch alles fest verschlossen ist."
"Ich habe aufgepasst, als du die Schlösser angebracht hast", sage ich.
"Das ist gut aber du solltest trotzdem auf Nummer sicher gehen. Zieh einfach kurz an meinen Metallschellen", sagt Leila.
Ich zögere für einen Moment. Leilas Wunsch scheint mir total überzogen und unnötig zu sein aber da sie darauf besteht, gebe ich doch nach. Also trete ich auf das Bett zu und beginne mit ihren Füßen. Behutsam hebe ich ihre beiden Beine nacheinander an und versuche sie vom Bettgestell wegzuziehen. Wie erwartet halten die Ketten bombenfest. Das gleiche mache ich auch mit ihren Händen. Zum Schluss ziehe ich an der Kette für ihr Halsband, dessen Schloss natürlich auch hält.
"Alles fest", sage ich.
"Danke", erwidert Leila und schaut mich an. Gespannt schaue ich zurück und erwarte Instruktionen für den nächsten Schritt. Da sie nichts weiter sagt, nehme ich an, dass wir fertig sind. Was Leila allerdings fehlt, ist eine Decke. Gerade will ich sie darauf ansprechen, da kommt sie mir zuvor:
"Eine Sache müsstest du noch kontrollieren", sagt sie. "Die Kabel für den Keuschheitsgürtel und den BH lassen sich auch erst morgen früh wieder abnehmen. Sie sind eingerastet, damit ich... naja... falls ich die Elektroschocks bekomme, damit ich nicht versucht bin sie irgendwie rauszuziehen."
So angekettet, wie sie vor mir liegt, scheint sie dazu überhaupt keine Möglichkeit zu haben, aber natürlich komme ich auch dieser Bitte nach. Jetzt ist es mir auch egal, dass meine Kontrolle wahrscheinlich überflüssig ist, denn sie gibt mir die Gelegenheit ihren Gürtel und den BH für einen Moment aus der Nähe zu begutachten ohne aufdringlich zu wirken.
Ich beginne mit dem BH. Beide Halbschalen sind am unteren Rand mit zwei Anschlüssen ausgestattet. In jeweils einem Anschluss steckt das Kabel für die schwarze Box, die unter ihrem Bett steht. Direkt daneben sind die Anschlüsse für die Reinigungsschläuche. Die Anschlüsse sind geschickt in den BH integriert. Wenn man direkt vor Leila steht, bemerkt man sie gar nicht. Erst wenn man sie von unten anschaut, fallen die Anschlüsse auf.
Ich ziehe kurz an den beiden Kabeln, die fest an ihrem Platz bleiben.
Dann wende ich mich ihrem Keuschheitsgürtel zu. Auf der Unterseite sehe ich zwischen Leilas Beinen drei Anschlüsse. In dem obersten steckt das Kabel aus der Kiste. Darunter befindet sich ein Anschluss mit einem etwas größeren Durchmesser, der für den Reinigungsschlauch bestimmt ist. Den Zweck des untersten und größten Anschlusses kenne ich noch nicht, vermute aber, dass er für den Toilettengang da ist.
Auf Höhe ihrer Knie greife ich nach dem Kabel und ziehe daran. Auch dieses Kabel ist fest.
"Mit den Kabeln ist alles in Ordnung", sage ich.
"Danke, du hast mir heute wirklich sehr geholfen", sagt Leila.
"Willst du gar keine Decke haben?", frage ich.
"Doch, bitte. Du findest eine Decke in dem Schrank, in dem ich die Latexsachen verstaut habe. Das Fach ganz unten."
Wie beschrieben finde ich im Schrank eine einfache Decke, mit der ich Leila zudecke.
"Danke. Fünf Minuten vor Zehn", sagt sie.
"Kann ich sonst noch etwas für dich tun?", frage ich.
"Nein. Das Licht wird später von alleine ausgehen und um zehn fängt die Box an…"
Leila beendet ihren Satz nicht.
Es entsteht eine kurze Pause, in der wir uns ohne etwas zu sagen anschauen. Die Sache mit der Box ist ihr ohne Frage peinlich. Soll ich gehen um ihr weitere Peinlichkeiten zu ersparen oder bleiben um ihr zu helfen, falls irgendetwas nicht so funktioniert wie es soll? Bei der Reinigung gab es einen Not-Aus Schalter. Und hier?
Zwei Minuten vor Zehn beschließe ich die Initiative zu ergreifen. Ich trete auf das Kopfende des Bettes zu und sage mit einem Lächeln:
"Gute Nacht."
Wenn sie meine Hilfe braucht, muss sie es jetzt sagen. Andernfalls muss sie mich nicht selbst zum Gehen auffordern.
"Gute Nacht", erwidert Leila. "Und vielen Dank für alles!"
"Ich habe mich bei dir zu bedanken. Erhol dich gut und... viel Glück", sage ich, drehe mich um und gehe zur Treppe.
Leila lässt mich einfach so gehen. Sie ruft mir nichts hinterher – zu meinem Bedauern. Wie gerne würde ich jetzt Mäuschen spielen und sehen was als nächstes passiert. Ihr halbnackter Körper, gefangen in Stahl, ist ein gleichermaßen bizarrer wie auch faszinierender Anblick. Obwohl ihre intimsten Stellen von Keuschheitsgürtel und BH wie durch eine Rüstung geschützt sind, erscheint sie mir, gefesselt in ihrem Bett und der schwarzen Box auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, so verletzlich. Deswegen musste ich heute gehen. Es wäre falsch gewesen ihre Hilflosigkeit auszunutzen und wie ein Voyeur meine Neugierde zu befriedigen während Leila mit Elektroschocks malträtiert oder von ihrem Keuschheitsgürtel stimuliert wird.
In der Wohnstube angekommen ziehe ich mich bis auf T-Shirt und Boxershorts aus und lege mich auf das zum Bett umfunktionierte Sofa. Sicher, kein vollwertiges Bett aber bequemer als Leilas Schlafstätte. Ich nehme die beiden Schlüssel zur Hand, die Leila mir im Keller übergeben hat. Vielleicht sehen die Schlüssel, die sie von ihrem Keuschheitsgürtel befreien könnten, ganz ähnlich aus. Was wäre das für ein Gefühl, wenn ich diese Schlüssel in den Händen halten würde? Ein Kribbeln fährt durch meinen Körper.
[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von pfeffer am 08.03.18 um 18:43 geändert
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Wicki |
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Keyholder
Es lebe das Leben
Beiträge: 62
Geschlecht: User ist offline
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:06.01.16 08:08 IP: gespeichert
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Wirklich eine tolle Geschichte.
Bitte weiter so.
Lg
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Stamm-Gast
Beiträge: 431
Geschlecht: User ist offline
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:06.01.16 11:56 IP: gespeichert
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Diese Geschichte ist faszinierend. Sehr gut und überlegt geschrieben.
Gefühle sind einfach umwerfend gut beschrieben.
Solche ausformulierte und überdachte Geschichten zu diesem Thema liest man viel zu selten! Confused?
It does not matter, i will help you!
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Stamm-Gast
Großraum Köln-Bonn
Das Leben ist sch...., aber die Graphik ist geil!
Beiträge: 523
Geschlecht: User ist offline
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:06.01.16 12:36 IP: gespeichert
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Hi pfeffer.
Deine Geschichte ist gefällt und gut geschrieben ist sie auch.
Mir fällt allerdings auch eine Geschichte ein, die bisher ähnlich (vom Grundgerüst her) anfängt.
Sie geht in eine andere Richtung, hat aber halt auch mit bondage zu tun.
Ich weiß nicht, ob du die schon gefunden/gelesen hast, aber wenn nicht, sollest du dir vielleicht mal Maria von gag_coll ansehen. Die fängt wie schon gesagt ähnlich an wie deien.
MfG Rainman
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Stamm-Gast
N R W
Alles was im Einvernehmen passiert , ist Normal
Beiträge: 519
Geschlecht: User ist offline
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:06.01.16 13:31 IP: gespeichert
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Auch mir gefallen deine beiden Geschichten mache bitte so weiter !
und da du um Ideen gefragt hast will ich es auch
mal wie Rainman machen und dir zwei Geschichten
als Lesestoff vorschlagen , dass soll nicht heissen
das du genau das selbe schreiben sollst sondern es
soll dir zu neuen Ideen verhelfen , die vielleicht
beim lesen kommen .
.
http://kgforum.org/display_5_2407_89996.html
+
http://kgforum.org/display_5_2407_89835.html
. 95 % der Literatur sind Kopfkino selbst die Bibel denn keiner der Schreiber war dabei
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Fachmann
Beiträge: 65
Geschlecht: User ist offline
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:06.01.16 14:02 IP: gespeichert
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Oh ja... wer hätte nicht gern die Schlüssel... .
Sehr schöne Story! Bitte mehr davon!
Danke!
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swisssteel |
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Sklave/KG-Träger
Zürich
Latex: Gott sah, dass es gut war
Beiträge: 135
Geschlecht: User ist offline
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:06.01.16 22:40 IP: gespeichert
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Hallo Pfeffer
Bitte schnell Weiter veröffentlichen. Tolles Kopfkino und interessanter Story Aufbau.
Ein treuer Leser Grüsst
swisssteel Grüessli
Swisssteel
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Einsteiger
Beiträge: 4
User ist offline
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:07.01.16 01:40 IP: gespeichert
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Ich lese hier schon seit einiger Zeit mit und habe mich jetzt extra angemeldet, um dir für deine schöne Geschichte zu danken.
Wirklich gelungen!
Ich hoffe, das noch ein paar Kapitel folgen werden.
Besonders gut gefällt mir an deier Geschichte, das sie sich in einem realistischen Rahmen bewegt und man sich deshalb sehr gut hineindenken kann.
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Story-Writer
Beiträge: 66
User ist offline
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RE: Das geheimnisvolle Gespenst
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Datum:07.01.16 01:47 IP: gespeichert
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Danke für das Lob und die Anregungen!
„Maria“ von gag_coll habe ich vor einiger Zeit gelesen. Gag_colls Geschichte hat mich auf die Idee gebracht, zwei Charaktere in einer ähnlichen Lage zu entwerfen. Die beiden Geschichten, die Fehlermeldung verlinkt hat, kenne ich aber noch nicht. Vielen Dank dafür! Ich bin ständig auf der Suche nach neuen Ideen.
Viel Spaß mit dem nächsten Teil!
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