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Butterfly Volljährigkeit geprüft
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  RE: Anita Datum:28.07.06 21:05 IP: gespeichert Moderator melden


Ha! Ich bin völlig exkommunizierungsresistent. Ich kommuniziere einfach weiter. Und meine Form der Verkommunizierung ist ein weiteres Kapitelchen...


Rüstungswettlauf

Einige Zeit später erzählte Andreas ihr seine Überlegungen vom Morgen. Anita wälzte sich auf die Seite und sah ihn nachdenklich an.

"Was heißt das?", fragte sie schließlich.

Andreas räusperte sich, dann sagte er leise: "Ich glaube, wir müssen Detektiv spielen. Noch einmal hinfahren und nachsehen, ob wir irgendwelche Hinweise finden. Fluchtartig zu verschwinden war ein Fehler. Ich weiss einfach nicht, was ich von diesem Orakel halten soll und wie zuverlässig es ist. Wir können nur dabei gewinnen, wenn wir wissen, wo Kai steckt. Wer ihn befreit hat. Die Scharfrichter. Keine Ahnung. Aber ich möchte mich nur ungern von Kai überraschen lassen..."

Er konnte Anitas Gesicht ansehen, dass ihr die Vorstellung nicht gefiel. Aber sie musste sich selbst eingestehen, dass er recht hatte. Sie nickte schließlich. "Aber zuerst gehen wir in Jonathans Pfandleihe."

Andreas zog verwundert die Augenbrauen hoch. Anita erklärte ihm, dass sie sich bewaffnen wollte: "Nur ein Baseballschläger. Und auch wenn sie nicht mehr frei gehandelt werden dürfen, bin ich ziemlich sicher, dass ich weiß, wo ein paar Schreckschusspistolen mit Gasmunition sind." Sie machte eine kurze Pause, dann fuhr sie fort: "Und auch ein paar Leuchtkugeln."

"Was willst du denn mit Leuchtkugeln?", zeigte Andreas sich ratlos, dann verstand er. "Du willst... du willst doch nicht... Verdammt, damit kann man jemand umbringen. Ich möchte keine Konfrontation. Können wir das nicht irgendwie friedlich lösen?"

"Meinst du, ich will es auf eine Konfrontation ankommen lassen? Aber was ist, wenn Kai oder wer auch immer ihn befreit hat das anders sieht?"

Er stöhnte und antwortete mit einem ergebenen Stöhnen: "Also gut. Aber es wird geredet, bevor geschossen wird. Versprochen?"

"Versprochen."

"Aber vorher muss ich noch etwas anderes erledigen. Ich bin in zwei Stunden an der Pfandleihe."
-----

"Meine Güte. Ich schaffe es einfach nicht, sie zu durchschauen. Gestern waren sie noch im Krankenhaus und heute..."
Kerstin Beske - Schwester Kerstin - sah ihn an und runzelte die Stirn. Offenbar meinte er das, was er sagte völlig ernst. "Wie kommen sie darauf, dass irgendwas mit ihrem Arm nicht stimmt, und warum gehen sie dann nicht einfach wieder ins Krankenhaus?"

"Bitte. Ich habe wirklich meine Gründe. Wirklich. Vielleicht kann ich es später erklären. Wird es nun gehen, oder nicht?"

Sie sah ihn an und tippte beim Überlegen mit dem Nagel ihres Zeigefingers ein paar Mal gegen einen Schneidezahn. Dann nickte sie: "Gut. Was solls, es ist ja kein Problem. Aber dann schulden sie mir einen Gefallen."

Zehn Minuten später standen sie in der Röntgenabteilung. Sie redete kurz mit der Röntgenassistentin, die die Augenbrauen hochzog. Offenbar wurde ein weiterer Gefallen eingetrieben. Sie ließ ihn allein. Die Aufnahme war schnell gemacht und Andreas musste nicht lange warten, bis ihm die Röntgenassistentin das Bild in die Hand drückte.
Sie schickte ihn hinunter in die Notaufnahme, Untersuchungszimmer 4.

Er klopfte an die Tür des Zimmers. Schwester Kerstin öffnete. Auf dem Leuchtkasten hing bereits sein altes Röntgenbild.
Sie nahm das Bild, dass er mitgebracht hatte aus dem Umschlag und hing es neben das andere.

Sie studierte es etwa zwanzig Sekunden, dann drehte sie sich zu Andreas um: "Ok. Jetzt müssen sie mir aber doch eine Erklärung liefern."

Andreas wich ihr aus und sah zu dem Schaukasten: "Was ist mit dem Bild? Für mich ist das alles spanisch."

Sie zuckte die Schultern. "Hier... man kann noch sehen, wo die Knochen gebrochen waren... hier, die Verdickungen. Die bilden sich dann in den nächsten Monaten zurück... Das Bild sieht aus, wie bei einer erfolgreichen Nachuntersuchung nach sechs Wochen oder länger."
Sie sah Andreas an und setzte hinzu: "Und nicht nach vier Tagen."

Andreas nickte.

Die Schwester wartete ab, dann fragte sie: "Was ist jetzt mit meiner Erklärung?"

Er seufzte ergeben: "Also, da waren diese Ausserirdischen mit dieser netten kleinen Zeitmaschine..."

Verärgert schnitt sie ihm das Wort ab. "Danke. Verarschen kann ich mich auch selber. Kommen sie wieder, wenn sie mir die echte Geschichte erzählen wollen. Der Arm ist ok. Soll der Gips ab?"

Er nickte, dann fügte er hinzu: "Können wir das so machen, dass ich ihn hinterher wieder anziehen kann?"

Jetzt war die Schwester gündlich verärgert. "Pervers auch noch, was? Gipsfetischist. Wahrscheinlich haben sie sich einfach nie den Arm gebrochen und uns ein falsches Röntgenbild untergeschoben. Warum kommt ihr Leute nicht und sagt, was ihr wollt. Klar geht das. Genug zum Affen gemacht habe ich mich ja bereits."

Sie sägte vorsichtig auf der Innen- und Außenseite einen Spalt in den Gips.

Bevor sie ihn abnehmen konnte, äußerte Andreas hatte noch enen Sonderwunsch: "Können sie ihn dranlassen? Den Rest mache ich dann zuhause."

Die Schwester zuckte mit den Schultern, dann klebte sie wortlos der Länge nach je einen Pflasterstreifen über die Spalten, die sie gerade gesägt hatte. Sie trat einen Schritt zurück.
"Später können sie dann eine Lage Mull draufwickeln. Es wird Probleme mit der Polsterung geben. Mehr als zwei oder dreimal werden sie den Gips nicht anziehen können."

Andreas dankte ihr ernsthaft. Sie schnaubte.
Er griff ihr an die Schulter: "Ich habe sie nicht an der Nase herumgeführt. Schauen sie sich die Röntgenbilder nochmal an. Das ist mein Arm dort. Und unten drauf steht das Datum. Sie waren doch dabei, als der Arzt meine Hand eingerichtet hat."
Sie schnaubte wieder, aber diesmal mehr trotzig.

Andreas ging, den Gips immer noch am Arm. Aber jetzt wusste er, dass er ihn sehr schnell loswerden konnte.
Als Überraschungseffekt.

----

Jonathans Laden war geschlossen, aber Anita hatte tatsächlich einen Schlüssel für die Tür in der Seitenstrasse. Nachdem sie den Laden betreten hatten, schloss sie ab. Dann suchte sie in einigen Schränken herum, zog Kartons unter Regalen im Hinterzimmer heraus und durchwühlte ihren Inhalt. Schließlich blieb sie fluchend stehen.

"Er muss die Schreckschusspistolen tatsächlich weggetan haben. So ein Mist!"

Andreas konnte ein Gefühl der Erleichterung kaum unterdrücken. Nicht, weil er den Eindruck hatte, dass sie Kai unbewaffnet überlegen wären, oder den unbekannten Scharfrichtern. Vielmehr, weil er befürchtete, dass ihnen selbst ein hervorragend ausgestattetes Militärdepot nicht viel geholfen hätte.

Immer noch vor sich hin murrend öffnete Anita eine Vitrine, die verschiedenste Messer zum Inhalt hatte. Sie zog eine Schublade heraus und nahm ein langes, feststehendes Messer heraus.
Sie zog es aus der Scheide und prüfte mit dem Finger die breite, gut fünfundzwanzig Zentimeter lange Klinge. "Jonathan hat das von einem Jäger angekauft. Saufänger hat er das Ding genannt. Willst du es, oder soll ich es nehmen?"

Andreas schüttelte den Kopf und antwortete: "Du. Ich bin versorgt."
Mit diesen Worten zog er den Dolch aus dem Gürtel, den Jonathan ihm gegeben hatte.

Er war zwar nicht so lang und dick wie das Messer, das Anita hielt, aber sah nicht weniger gefährlich aus.

"Jonathan hat ihn mir gegeben. Stahl mit Silber. Er meinte, dass wäre das einzige, was gegen Kai helfen könnte."

Anita machte große Augen, sagte aber nichts.

Dann ging sie hinter die Ladentheke und griff aus einer Halterung, die dem Kunden verborgen war, einen kleinen Baseballschläger.

Dann nickte sie: "Ich denke, wir sind versorgt.", und strebte dem Ausgang zu.

----

Auf der Fahrt zu Kais Haus war Andreas schweigsam. Anita fuhr, weil sie sich inzwischen voll erholt hatte und Andreas mit seinem vorgetäuschten Gipsverband nicht fahren wollte. Was wäre schließlich gewesen, wenn sie von der Polizei angehalten worden wären?

Sie fuhren auf den Hof und sahen sich um. Alles sah verlassen aus.

Anita zögerte, doch schließlich ging sie hinter Andreas her auf das Haus zu, das Messer am Gürtel, den Baseballschläger locker in der Hand. Sie fingen im Erdgeschoss an, nach Hinweisen zu suchen und fuhren im Obergeschoss fort.

Anita durchblätterte einige Adressbücher, die auf dem Schreibtisch lagen, aber schüttelte nur den Kopf. Auch auf dem Anrufbeantworter waren keine interessanten Nachrichten.

Der Keller erwies sich ebenfalls als eine totale Enttäuschung.
Schließlich gaben sie auf und fuhren zurück.

In Andreas Wohnung hielten sie Kriegsrat und überlegten, was sie nun machen wollten. Abwarten? Auswandern?
Schließlich begann Anita, im Telefonbuch zu blättern. Sie nahm einen Zettel zur Hand und begann, sich einige Telefonnummern aufzuschreiben.

"Was machst du da?", fragte Andreas verwundert.

"Es gibt keinen Hinweis, wohin er verschwunden sein könnte. Jedenfalls ist er schwer verletzt. Ich rufe jetzt die verschiedenen Krankenhäuser an und erkundige mich nach ihm."

Andreas nickte und schob sein Telefon zu ihr hinüber.

Anita schüttelte den Kopf: "Nein. Falls die Polizei mit im Spiel ist, wäre es sicher keine gute Idee, wenn deine Telefonnummer zu häufig in irgendwelchen Telefonanlagen auftaucht. Oder vielleicht überwachen sie dein Telefon. Ich fahre jetzt ein Stück raus, suche mir eine Telefonzelle und rufe von da aus an."

Andreas nickte und sagte in übertriebener Ernsthaftigkeit: "Dann solltest du es aber wie im Hollywoodfilm machen und bei solchen Aktionen von hier aus in verschiedene Richtungen fahren, sondern das ganze innerhalb eines anderen Stadtteils machen, sonst müssen die nur einen Zirkel in den Stadtplan stechen und..."

Sie bestätigte das: "Ja, das ist ein guter Hinweis. Ich hatte allerdings schon selbst daran gedacht."

"Das war kein Hinweis. Das war ein Witz." Er seufzte. "Denkst du nicht, dass du vielleicht etwas übertreibst?"

"Stimmt wohl... Wahrscheinlich fühle ich mich zu sehr verfolgt. Keine Ahnung. Was soll´s, schaden kann es jedenfalls nicht."

Andreas schob ihr sein Handy hin. "Jedenfalls solltest du dein Handy in der Wohnung lassen, die Polizei sucht dich, und man kann die Dinger anpeilen."
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träumerin
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Kiel


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traeumerin_03  
  RE: Anita Datum:29.07.06 00:58 IP: gespeichert Moderator melden


Uff, Schmetterling,

höre doch nicht immer auf mit dem Schreiben! *grummel* Hatte mich gerade so schön eingelesen.

Vielleicht sollte ich deine Geschichte lieber am helligen Tag als kurz vor dem Schlafengehen lesen? Andererseits, hmmm, vielleicht träume ich ja, wie die Story weitergeht. *gg*

Komm, Süsser, lass uns nicht zu lange warten, ja?

Es grüsst dich
eine hippelig auf dem Stuhl hin- und herrutschende träumerin
der Frühling erwacht.
Und ich erwache mit ihm!

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Butterfly Volljährigkeit geprüft
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  RE: Anita Datum:29.07.06 07:23 IP: gespeichert Moderator melden


Träumerin, wenn ich mir die Uhrzeit deines Postings ansehe, dann ist es vielleicht besser, das ich nicht mehr geschrieben habe, damit du noch was von der Nacht in deinem Bett verbringen konntest... Aber ich denke, ich kann jetzt demnächst anfangen, etwas schneller Teile einzustellen, weil ich mittlerweile das Ende so gut wie fest habe. Und damit ändert sich natürlich weiter vorne nichts mehr...

Homo homini lupus

Als sie weg war, fragte er sich, wo um Himmels Willen er da hineingeschlittert war. Er würde sich beim nächsten Vollmond in ein Raubtier verwandeln, er deckte eine Verbrecherin, er hatte selbst... wie würde das wohl heißen? Notwehr? Davon war sicher nicht abgedeckt, dass er Kai hinterher durch die Gegend gefahren und schwer verletzt und gefesselt in einer Foltervorrichtung zurückgelassen hatte. Gefährliche Körperverletzung? Versuchter Totschlag? Mordversuch?
Mord... irgendwo hatte er mal gehört, zu Mord gehöre Heimtücke hinzu. War es heimtückisch, jemandem mit einem Topf geschmolzenen Metalls in einem Kellergang aufzulauern?
Was, wenn Kai starb? Aus versuchtem Totschlag würde Totschlag werden, aus Mordversuch Mord.
Sein schlechtes Gewissen ließ ihn nicht zur Ruhe kommen.

Nach fast zwei Stunden klingelte es. Überzeugt, Anita käme zurück, öffnete Andreas die Tür. Zwei Männer drängten in die Wohnung, und noch bevor er irgend etwas tun konnte, sprühte ihm der eine der beiden eine Dosis Pfefferspray direkt ins Gesicht.

Fast blind schlug Andreas um sich, was ziemlich erfolglos blieb. Nach einem Schlag, der ihn seitlich am Kopf traf, taumelte er in den Garderobenschrank, der krachend zusammenbrach. Der aufgeschnittene Gips löste sich von seinem Arm.

Der eine der beiden Männer hielt sich seine heftig blutende Nase, auf die Andreas einen Zufallstreffer gelandet hatte, und fluchte unterdrückt vor sich hin. Der andere ging zurück in das Treppenhaus, öffnete eine Tasche und entnahm ihr eine Spritze. Er ging zu Andreas, der erfolglos versuchte, sich aufzurichten und injizierte ihm den Inhalt. Wenige Augenblicke später lag Andreas still.

Die Nase des einen Mannes hatte schon wieder aufgehört zu bluten. Ohne viele Worte gingen die beiden Männer hinaus und holten eine Trage aus ihrem kleinen Lieferwagen. Sie packten Andreas darauf, fixierten seine Handgelenke, schlugen zwei seitlich angebrachte, dicke Nylonlappen über seine Beine und drückte den breiten Klettverschluss zu.

Der eine der beiden legte eine breite Halskrause aus Kunststoff um Andreas Hals, während der andere weitere Nylonlappen über Andreas Oberkörper und Arme befestigte. Gleichartige Lappen wurden schräg über seine Schultern auf die Brust geschlagen, wo auch sie mit Klettverschlüssen fixiert wurden.

Andreas sah aus wie die moderne Version einer Mumie oder ein Katastrophenopfer. Es folgten noch vier Gurte, die ihn in Höhe der Fußgelenke, der Knie, Hüften und Brustkorb an die Trage fesselten. Dann nickten die beiden sich zu, hoben die Trage an und gingen zu ihrem Wagen. Sie öffneten die hintere Türe und schoben die Trage, auf die Andreas fixiert war direkt neben die, auf der Anita lag.


----


Andreas kam langsam zu sich. Er fühlte sich miserabel, als ob er Fieber hätte. Ein Mann beugte sich über ihn, aber er konnte das Gesicht nur umrißhaft erkennen, dahinter eine blau-grün-weiße Fläche, die sich zu bewegen schien.

"Da ist er ja... alles klar mit ihnen?"

Andreas versuchte zu nicken, aber irgend etwas hinderte ihn daran. Er öffnete den Mund einen Spalt weit und stöhnte etwas.

"Dann ist ja gut. Es ist völlig normal, dass sie nicht richtig sehen können und das sie sich nicht gut fühlen. Das liegt an den Medikamenten, die ihre Muskulatur entspannen. Aber sie werden sich dran gewöhnen..."

Er bekam immer noch kein ganzes Wort heraus, so sehr er es auch versuchte.

"Wo wir sind? Im Wald. Heute abend dürfen sie noch mal ihre Meinung zu dem Urteil sagen... aber machen sie sich keine Hoffnungen, es ist gerecht."

Dies Mal war die Frage, die Andreas stellen wollte fast verständlich.

"Was für ein Urteil?"

Der Mann lachte. "Wissen sie das wirklich nicht?", fragte er. "Sie und ihre Freundin hier haben Herrn Trauber mit geächteten Waffen angegriffen. Auch wenn er sicher kein großer Verlust für die Gemeinschaft ist, so kann es dafür doch nur ein Urteil geben."

"Trauber? Kai?"

Sein Gegenüber nickte: "Es ist gewisse Ironie damit verbunden. Ein Team von uns hatte ihn abholen wollen, weil er gerichtet werden sollte, da er begann, zu einer untragbaren Belastung für die Gemeinschaft zu werden. Er hat uns alle durch sein Verhalten gefährdet. Sie haben ihn schwerverletzt gefunden, aber er hat noch ihren Namen und Adresse genannt, bevor er von uns ging. Aber das Urteil ist einhellig: Die Nutzung geächteter Waffen ist für die Gemeinschaft nicht tolerierbar."

Andreas versuchte etwas zu sagen und musste husten. Der Mann stand auf und verschwand aus seinem Sichtfeld.
Er hatte von seiner Freundin gesprochen. Sie mussten Anita auch erwischt haben. Er versuchte sie zu rufen. Tatsächlich klang seine Stimme eher nach einem heiseren Krächzen. Nach dem zweiten Versuch antwortete sie.

"Was haben die vor?", fragte Andreas.

Sie krächzte genauso zurück: "Das hat er doch gesagt. Sie werden uns hinrichten."

"Das kann doch nicht dein Ernst sein?", fragte er, obwohl ihm ziemlich klar war, dass es so war.

"Doch. Genauso ist es. Ich habe doch gesagt, geschmolzenes Silber ist geächtet. Es macht uns zu Vogelfreien."

"Aber... ich habe das doch nicht gewusst... und zu dem Zeitpunkt war ich nicht mal ein Wer-wasweissich."

Sie brach in ein gequältes Husten aus: "Ich glaube nicht, dass sie das wirklich interessieren wird."

-----

Die Verhandlung war kurz, es gab keinen Verteidiger, der Ankläger und der Richter waren ein und dieselbe Person. Als Andreas anfing, Anita zu verteidigen, dass sie nicht beteiligt gewesen wäre, dass das alles allein seine Idee gewesen wäre, brach die kleine Gruppe, die sich aus unterschiedlichsten Wertieren zusammensetzte, in schallendes Gelächter aus.
Herr Reiter, ein alter Werwolf, der dem Tribunal vorstand, erklärte, dass Andreas Einstellung zwar sehr gentlemanlike sei, aber völlig nutzlos.
Anita schien sich in ihr Schicksal gefügt zu haben und sagte die ganze Zeit nichts.

Schließlich erklärte Reiter ihnen, dass sie umgehend hingerichtet werden würden. Langsam.

Andreas versuchte sich verzweifelt zu wehren, aber er war schwach wie ein kleines Kind und hatte nicht die geringste Chance. Nach wenigen Minuten lag er nackt ausgezogen flach auf dem Rücken, ausgestreckt wie ein großes X. Um Hand- und Fußgelenke hatten sie breite Stahlreifen gelegt, die auf der Innenseite und an den Flanken mit einer Neoprenschicht gepolstert waren.

Die Fesseln waren an Metallpfosten angekettet, die tief in den Boden eingeschlagenen waren. Der Pfosten, an den seine rechte Hand gekettet war, stand gut zwei Meter aus der Erde.

Um den Hals hatte er nach wie vor eine breite Halskrause aus hartem Kunststoff, die verhinderte, dass er seinen Kopf drehte.
Eine ältere Frau kam dazu. Sie stellte sich als Doktor Hansen vor. "Ich habe deine Freundin für ein Weilchen schlafen gelegt, weil ich dir ein paar Dinge erklären muss und es reicht, wenn sie sich um ihre eigenen Probleme sorgen macht."

Dann legte sie ohne viele Worte eine Magensonde durch die Nase und hängte einen großen Beutel mit einer trüben Flüssigkeit an einen Haken in den langen Pfosten.

Dann tätschelte sie ihm die Wange und sagte: "Wir wollen ja nicht, dass hier jemand verdurstet..."

Er unterdrückte mühsam ein neues Würgen. "Was macht ihr?", gelang es ihm zu krächzen.

Sie schüttelte den Kopf und seufzte: "Das hat er doch erklärt. Wir sorgen dafür, dass ihr nicht zu schnell sterbt. Der Beutel enthält eine Mischung von Wasser, Nährstoffen und ein paar sorgfältig ausgewählten Medikamenten, die deine Muskeln entspannen, damit du nicht etwa loskommen kannst. Der Beutel läuft ziemlich genau einen Tag lang. Einmal am Tag wird jemand kommen, um den Beutel auszutauschen."

Andreas versuchte etwas zu sagen, zu protestieren, aber die Frau schob ihm einen Gummikeil zwischen die Zähne, sobald er den Mund öffnete. Er grunzte überrascht.

Sie kommandierte: "Weit aufmachen." Als er nicht reagierte und ein Kopfschütteln andeutete, zuckte sie die Schultern: "Dann könnte dich das ein paar Zähne kosten. Auf jetzt!"

Er gehorchte. Der Gummikeil wurde weiter hineingeschoben, dann schob sie blitzschnell ein dickes Rohr zwischen die Zähne und schob es bis in den Rachen weiter. Er würgte hart. Die Ärztin hakte einen Gurt an dem Stück ein, das aus seinem Mund stand, führte ihn hinter seinem Kopf lang auf die andere Seite und verzurrte ihn dort.

"Das Rohr ist aus Stahl, mit Gummi ummantelt. Selbst ohne den Gurt hättest du deine liebe Not, es auszuspucken, weil es bis hinten in den Rachen hinein steht. Das vordere Ende ist mit einem feinmaschigen Gitter verschlossen. Wir wollen ja nicht, dass dir irgendwas in den Mund krabbelt."
Sie machte eine Pause, dann fügte sie hinzu: "...jedenfalls nicht sofort."

Andreas gab ein paar grunzende Geräusche von sich, während die Ärztin begann, seinen Kopf zu verbinden. Sie rollte dicke Wachskugeln zwischen den Fingern und schob sie ihm in die Ohren, dann klebte sie ihm Pflaster über die Augen. Er war taub, blind, stumm und bewegungsunfähig und sie würden ihn hier zum sterben liegen lassen. Als sie anfing, eine dicke Lage Mull um seinen Kopf zu wickeln, ohne eine Öffnung zu lassen, brach er in Panik aus.

Trotz den entspannenden Drogen musste die Ärztin einen der anderen Werwölfe bitten, ihn zu halten, während sie eine weitere Lage Klebeband über sein Gesicht wickelte.

Bei Anita verfuhr sie genauso, nur dass sie die Magensonde gelegt bekam und geknebelt wurde, während sie noch bewußtlos war. Dann warteten die Henker, bis sich ihre Augen klärten. Die Ärtzin erklärten ihr alles, dann verbanden sie auch ihren Kopf.
Sie nickte und betrachtete mit einem leicht traurigen Gesichtsausdruck ihr Werk. Dann zündete sie sich eine Zigarette an und setzte sich auf einen Baumstamm.

Andreas lag still. Anita versuchte immer noch genauso verzweifelt wie erfolglos, sich irgendwie zu befreien, als die anderen Wertiere eine Mischung aus Schweineblut und Marmelade auf den Gliedmaßen der beiden verteilten, um die Tiere anzulocken.

Damit blieben die beiden alleine, jeder von ihnen in seiner privaten Hölle, allem, was der Wald zu bieten hatte hilflos ausgeliefert.

Es dauerte ziemlich lang, bis Anitas Verstand seine Arbeit einstellte. Sie konnte sich erinnern, wie sie zunächst eine kleine Zunge eine Zeitlang in der Achselhöhle kitzelte, bis sich nadelspitze Zähne in ihr Fleisch bohrten. Der Fuchs fuhr überrascht zurück, als Anita zuckte, kam dann aber nach ein paar Minuten wieder. Wahrscheinlich gab es keinen genau definierten Zeitpunkt. Sie driftete zwischen Delirium und Klarheit hin und her, auch wenn sie gar keinen Wert auf die Realität legte.
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SteveN Volljährigkeit geprüft
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Latex ist cool

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latex_steven  
  RE: Anita Datum:29.07.06 11:52 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Butterfly !

Ein Homo homini lupus !
Mann, das sind aber Sachen.

Jetzt muß Anita nur klar im Kopf werden
und der Vollmond aufgehen,
dann könnten sie sich befreien ......

Viele Grüße SteveN
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  RE: Anita Datum:29.07.06 18:30 IP: gespeichert Moderator melden


Homo homini lupus
Der Mensch ist des Menschens Wolf

Das stammt noch aus dem Schullatein, wie veni, vidi, vici. Ich fand allerdings, es passt prima zu dem Inhalt... und meinst du nicht, eine Gruppe Werwölfe wären nicht auf vollmondige Verwandlungen eingerichtet?

Nachtrag, weil ich zuerst dachte, ich hätte eventuell ´nen dicken Logikfehler gebaut: ich möchte darauf hinweisen, dass die nächste Vollmondnacht noch mindestens 24 Tage hin ist, wenn ich die Mondphase richtig im Kopf habe.

Meinst du, dass schaffen die solange?
Ich würde anfangen, um die Helden zu zittern...

Grüßle
Butterfly

[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von Butterfly am 29.07.06 um 18:42 geändert
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Latex ist cool

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latex_steven  
  RE: Anita Datum:30.07.06 10:02 IP: gespeichert Moderator melden


Ja Butterfly, ich zittere schon wie Espenlaub.
Aber ich überlege, was passiert mit dem Fuchs,
der von dem Blut etc. geschleckt hat?
Verändert der sich ? Zum Guten oder Schlechten?

Viele Grüße SteveN
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Butterfly Volljährigkeit geprüft
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  RE: Anita Datum:30.07.06 12:38 IP: gespeichert Moderator melden


*grins*
*Kopfkratz*
Ich würde sagen, über den Fuchs schreibt dann Lilalu eine Geschichte... bei mir würde der in erster Linie sich natürlich infizieren.

D.h. er wird ein Werfuchs und verwandelt sich demnächst bei Vollmond in einen Fuchs...

Allerdings könnte das dann böse Konsequenzen für zukünftig von dem Fuchs gebissene Menschen haben... insofern lassen wir das lieber und nehmen der Einfachheit halber an, dass das für Tiere nicht ansteckend ist...

Grüßle
butterfly
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Nachtigall
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fatal error in reality.sys - reboot universe (Y/N)?

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  RE: Anita Datum:30.07.06 15:15 IP: gespeichert Moderator melden


*lol* Der Fuchs könnte auch ein Wermensch (oder Werleopard?) werden. Weia, habt ihr Gedankengänge...

Allerdings war mir so, als hätten Anita und Andreas noch gar nicht selber geblutet, sondern seien "nur" mit einer Mischung aus Tierblut und Marmelade beschmiert worden?

Ich glaub übrigens nicht dran, dass unser Pärchen nicht frei kommt, bevor was Ernstliches passiert. So schnell und ineffektiv wirst du wohl deine nette Geschichte kaum beenden, Schmetterling. Das mit dem Zittern überlasse ich also anderen *entspannt zurücklehn und auf das nächste Kapitel wart*.


Liebe Grüße

Nachtigall
... sehr glückliche Besitzerin und KH des süßen CD Monika (Gugl-Gugl)

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  RE: Anita Datum:30.07.06 15:48 IP: gespeichert Moderator melden


... bei Nachtigalls unerschütterlichem Vertrauen in meine Fähigkeiten als Johannes Mario Pilcher (auch wenn sie offenbar den letzten Absatz des Kapitels noch mal lesen sollte), wäre ich ja glatt versucht, die Geschichte jetzt abzuschließen: "Ein paar Tage später sammelte ein freundlicher Werwolf die Knochen ein und verbuddelte sie in einem Steinbruch. Ende."

Aber in der Tat, in der Tat, ich bin so leicht durchschaubar... mein Vater muss ´nen Glaser gewesen sein...



Mors certa, hora incerta

Es war rötlich-dunkel. Ihr war angenehm warm und sie fühlte sich ganz ruhig, wohl und geborgen. Langsam kehrten die Erinnerungen zurück. Schließlich fragte sie sich, wieso sie sich erinnern konnte.
War sie tot? Man hatte sie hingerichtet, zum sterben verdammt. War das... wo kam man hin, wenn man tot war? Nach ihren eigenen Kriterien hatte sie den Himmel wohl kaum verdient. Aber die Hölle oder das Fegefeuer hätte sie sich auch anders vorgestellt. Weniger angenehm. Viel weniger angenehm.

Sie gähnte. Sie nahm mit gelinder Verwunderung war, dass sie noch einen Körper hatte. Und erst jetzt kam sie auf die Idee, die Augen zu öffnen. Die rötliche Dunkelheit war das Licht gewesen, das durch ihre Augenlider fiel.

Ein Zimmer in einem Krankenhaus. Sie drehte mühsam den Kopf. Wo war sie? Sie war allein im Zimmer, aber es standen noch zwei weitere Betten darin. Beide frisch bezogen und unbenutzt. Auf dem Nachttisch stand irgendeine Maschine, von der ein dünner Schlauch zu ihrem Bett führte.

Sie fühlte sich zu schwach, um irgendetwas zu tun, auch nur nachzudenken, sich zu fragen, wie sie hierhergekommen war, also schloss sie wieder die Augen und glitt in den Schlaf hinüber.

-----

Beim nächsten Erwachen fühlte sie sich wacher und sie begann, sich Fragen zu stellen. Was war wirklich gewesen, was war ihre überreizte Phantasie gewesen, als sie blind, taub und wehrlos dalag? Wer hatte sie befreit? Wie war sie hier hergekommen? Schließlich wagte sie sich die Frage zu stellen, was noch von ihr übrig war. Würde ihr Körper ihr überhaupt gehorchen?

Es kostete sie eine große Überwindung, überhaupt zu versuchen, die Decke aufzuschlagen. Ihr Arm funktionierte völlig mühe- und schmerzlos. Sie zog ihn unter der Decke heraus und musterte ihn, dann nahm sie die Kante der Decke und schlug sie zurück.
Immer noch führte ein Schlauch von der Maschine auf ihrem Nachttisch zu einer Nadel in ihrem linken Handrücken. Sie trug eines der peinlichen Nachthemdchen, die auf dem Rücken offen sind und sie trug eine Windel.

Sie setzte sich auf und begutachtete sich. Alles sah aus wie gewohnt, allenfalls etwas dünner als normal und auch ihre Zehen wackelten genauso, wie sie es schon seit ihrer Geburt taten.

Erleichtert lehnte sie sich zurück. Vielleicht hatte sie nur einen Unfall gehabt und das gesamte letzte Jahr war ein deliriöser Alptraum gewesen. Bestimmt. Es gab keine Werleoparden, -panther und -wölfe. Sie war einfach eine ganz normale junge Frau. Ein schlimmer Verkehrsunfall. Das musste es gewesen sein.
Wie lange war sie schon hier? Ihr Körper funktionierte einwandfrei, daher konnte es nicht zu lange sein. Wahrscheinlich einfach eine Gehirnerschütterung und eine Amok laufende Phantasie.

Wieviel Uhr war es überhaupt? Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihr den noch nicht ganz dunklen Nachthimmel. Sie starrte einige Sekunden lang auf den Klingelknopf, aber irgend etwas hielt sie davon ab, auf den Knopf zu drücken.

Sie sammelte sich einen Moment lang, dann stand sie vorsichtig auf, jederzeit bereit, sich wieder hinzusetzen, sollte ihr schwindelig werden, aber es gab keine Probleme. Sie löste die Pflaster, die den Schlauch an ihrem Arm fixierten und zog auch die Nadel aus ihrer Vene.
Beunruhigt sah sie, dass die kleine Wunde innerhalb weniger Sekunden spurlos verschwand. Die Saat des Zweifels begann zu keimen.
Sie entledigte sich mit leicht angewidertem Gesichtsausdruck der Windel.
Das Hemdchen, das sie anhatte war hinten offen und bedeckte kaum ihre Beckenknochen. Sie warf einen Blick in die Schränke und ihren Nachttisch, aber alles war völlig leer.

So würde sie bestimmt nicht auf Erkundung gehen. Sie ging hinüber zu einem der anderen Betten, zog die Bettdecke herunter, die seitlich unter die Matratze gesteckt war und zog den Bezug von der Decke.
Sie brauchte zwei Versuche, bis sie zufrieden war, und sie war sich sicher, nicht die Anforderungen der aktuellsten Mode zu erfüllen, aber am Strand wäre das Wickellaken mit dem dicken Knoten vor der linken Schulter durchgegangen.

Vor allem konnte sie sich gut bewegen und war auf alles eingestellt. Während sie mit dem Laken gekämpft hatte, hatte sie eine Idee gehabt. Wenn sie nur ein Opfer ihrer überbordenden Phantasie war, dann hatte sie keine Superkräfte.
Sie hob mühelos das Krankenbett an. Sie schimpfte leise. Sie war sich sicher, dass sie das nicht hätte können dürfen, wenn sie kein Werpanther war. Und daraus ließ sich schließen, dass auch der Rest ihrer Erinnerung zum großen Teil wahr war. Also musste sie sich entsprechend verhalten.

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Sie ging an die Tür und drückte vorsichtig und langsam die Klinke herunter und schob sie einen Spalt auf. Keine Geräusche drangen aus dem Gang zu ihr ins Zimmer. Sie fasste sich ein Herz und öffnete die Tür soweit, dass sie hindurchschlüpfen konnte. Nach einem kurzen Blick in beide Richtungen schloss sie die Tür hinter sich und ging leise auf das Ende des Ganges zu, das nicht so aussah, als würde es in dem normalen Treppenhaus enden.

Eine Tür vor ihr öffnete sich und eine Schwester schob ein Wägelchen in den Flur. Anita hatte keine Zeit, um zu verschwinden, denn die Schwester hatte sie bereits gesehen.

Anita überlegte einen Moment lang, ob sie losrennen, gegebenenfalls die Schwester umrempeln sollte. Sie war sicher, die nicht besonders kräftig aussehende Frau überrumpeln zu können. Sie spannte schon ihre Muskeln an, als sie sah, dass der verwirrte Gesichtsausdruck der Schwester in ein freundliches Lächeln überging.
"Oh... sie sind aufgewacht. Ist alles in Ordnung mit ihnen?"

Anita nickte mit vorsichtiger Zurückhaltung.

Die Augen der Schwester wanderten bezeichnend an Anita herunter und wieder zu ihrem Gesicht.
"Ich kann natürlich verstehen, dass sie mit dem Flügelhemdchen nicht ganz einverstanden waren."

Sie wartete auf Anitas Nicken, dann fuhr sie fort: "Wie wäre es, wenn ich sie in ihr Zimmer zurückbringe und ihnen etwas brauchbareres zum Anziehen besorge? Ich denke, wir müssten einen Jogginganzug haben, der ihnen passt. Ich bringe ihr Krankenblatt mit und dann stehe ich ihnen gerne zur Verfügung. Sie müssen eine Menge Fragen haben."

Sie ging an Anita vorbei. Nach ein paar Schritten drehte sie sich um. Anita stand immer noch da und versuchte sich zu entscheiden, ob sie der Schwester vertrauen konnte oder nicht. Als die Schwester sah, dass Anita immer noch dort stand, blieb sie stehen und wartete.

Anita machte einen zögernden Schritt, dann entschied sie sich, einen Testballon steigen zu lassen. "Was ist mit Andreas?"

"Andreas?", echote die Schwester.

Anita nickte.

Die Schwester fragte weiter: "Ihr... Mann?... Freund?"

Anita nickte erneut, schob dann hastig hinterher: "Ich möchte ihn sehen. Andreas Klösgen."

"Es tut mir leid, hier auf der Station ist er nicht, insofern habe ich seine Akte nicht. Aber ich kann sehen, ob ich etwas herausfinde."

Anita folgte der Schwester. Zurück in ihrem Zimmer setzte sie sich auf die Bettkante. Die Schwester verabschiedete sich mit einem fröhlichen: "Bin gleich wieder da."

Anita kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum. Je länger es dauerte, desto nervöser wurde sie. Sie malte sich aus, wie die Schwester sich Hilfe holte, um sie überwältigen zu können, nachdem sie eben erfolgreich ihr Mißtrauen eingeschläfert hatte.
Wieviele würden kommen? Sie musste hier weg, soviel war sicher. Sie hastete zur Tür und legte ihr Ohr daran. Sie hörte Schritte im Gang.

Verdammt. Sie kamen. Eilig sah sie sich um.

Als sich die Tür langsam öffnete, saß Anita wieder auf der Bettkante, die rechte Hand unter der Bettdecke an das Stahlrohr geklammert, das sie am Kopfende des Bettes hatte lösen können.

Die Schwester schob einen kleinen Wagen mit Wäsche in den Raum, auf dem eine Akte lag. In der rechten Hand hielt sie eine Kaffeetasse. "Ich habe ihnen noch einen Kaffee mitgebracht", meinte die Schwester und stellte ihn auf dem Nachttisch ab. Dann gab sie Anita ein Wäschebündel. "Mit regelrechter Unterwäsche kann ich nicht dienen, da muss es die Einmalunterwäsche tun. Der Jogginganzug ist ein alter von mir, aber sauber gewaschen."

Sie musterte Anita noch einmal neidisch und seufzte: "Ich fürchte, er wird ihnen etwas zu weit sein, aber mit etwas anderem kann ich gerade nicht dienen."

Anita nahm das Bündel mit links entgegen und murmelte einen Dank. Sie legte es neben sich auf das Bett. Langsam löste sie ihre rechte Hand von dem Metallrohr und zog sie unter der Decke heraus. Sie schielte gierig nach dem Kaffee, beschloss aber, sich lieber an frisches Leitungswasser zu halten. Wer wusste schon, was ausser Milch in dem Kaffee war...
Wieder stellte sie die Frage: "Was ist mit Andreas?"

Die Schwester sah etwas unglücklich aus. "Ich habe im Computer nachgesehen. Wir haben keinen Andreas Klösgen hier. Gleichzeitig mit ihnen ist ein unidentifizierter Mann eingeliefert worden. Er liegt auf der Intensivstation. Er ist nicht mehr in direkter Lebensgefahr, vielmehr...", sie machte eine hilflose Geste: "... er hatte eine schwere Infektion. Er wird noch beatmet und liegt in einem künstlichen Koma. Quarantäne und absolutes Besuchsverbot."

Die Schwester schwieg einen Augenblick, dann fragte sie: "Woran erinnern sie sich?"

Anita schüttelte ausweichend den Kopf: "Ich bin nicht sicher. Ich erinnere mich an viele Dinge, weiß aber nicht, was tatsächlich geschehen ist..."

Die Schwester nickte: "Ich glaube, die Frage stellen sich gerade eine Menge Leute. Und ich denke, sie werden in den nächsten Tagen einigen Besuch bekommen." Sie zuckte mit den Schultern, dann fuhr sie fort: "Ich weiß selbst nur das, was hier in ihrer Akte steht. Vielleicht hilft ihnen das etwas."

Dann begann sie zu erzählen. Sie zeigte Anita nicht die Fotos, die in die Akte geklebt waren. Bei einigen davon wollte sie lieber selbst nicht zu genau hinsehen, einmal hatte gereicht, als sie das erste Mal die Akte gesehen hatte. Sie erzählte, dass Anita auch ein paar Tage auf der Intensivstation gelegen hatte und der behandelnde Arzt eigentlich davon ausgegangen war, dass sie praktisch keine Überlebenschance hatte.

"So viele kleine Verletzungen am ganzen Körper, die Verunreinigungen...", sie unterschlug die Maden, von denen es in den Verletzungen gewimmelt hatte, "... er hat mit schwersten Infektionen gerechnet. Natürlich haben sie die Wunden so gut es ging gereinigt und sie haben eine gründliche Schmerztherapie bekommen, aber..."

Anita vollendete den Satz: "aber abgesehen davon haben sie nicht damit gerechnet, dass ich überleben könnte."

Die Schwester nickte, dann fuhr sie fort: "Überraschenderweise haben sie keinerlei Anzeichen einer Infektion entwickelt. Am nächsten Tag dachte dann wohl die Kollegin, die die Verbände wechselte, dass sie bei der versteckten Kamera wäre."
Sie lächelte über ihren eigenen Witz. "Die Wunden hatten angefangen, zu verheilen. Man konnte beinah dabei zusehen, wie sich neue Haut bildete. Naja, nicht wirklich. Sowas gibt es eigentlich nicht, aber innerhalb drei Tagen waren sie wieder wie neu. Noch ein paar Hautstellen, die ziemlich neu aussahen. Niemand wollte es wirklich glauben. Dann wurden sie hierher verlegt. Sie haben noch weiterhin Antibiotika bekommen, aber ansonsten..."

"Wie lange muss ich denn noch hierbleiben?"

Die Schwester zuckte die Schultern. "Wenn es ihnen gut geht: es gibt keine medizinische Indikation dafür, dass sie im Krankenhaus bleiben müssten. Sie sind in einem beneidenswerten körperlichen Zustand. Aber sämtliche Ärzte brennen drauf, sie genauer zu untersuchen und werden sie hier behalten wollen, so lange es geht." Sie verzog das Gesicht zu einem übertriebenen Lächeln: "Natürlich ist es eine unangenehme Komplikation, dass sie aufgewacht sind... weil sie jetzt natürlich irgendwelchen Untersuchungen zustimmen müssen. Solange sie bewußtlos sind und keine Verwandten mit einer Patientenverfügung ankommen, ist natürlich alles gerechtfertigt..."

Anita massierte ihre Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger und schüttelte dann den Kopf. Das alles bestätigte ihre Befürchtungen, aber erstens wollte sie das der Schwester nicht direkt auf die Nase binden und zweitens wollte sie sicher gehen, dass sie auch richtig verstand.
"Das ist mir alles zu hoch. Das klingt ja beinah so, als würde ich im Zweifel sogar gegen meinen Willen hierbehalten werden."

Das Lächeln der Schwester wurde eher noch breiter, als sie antwortete: "Das ist natürlich ganz ausgeschlossen. Aber wenn sie ihren Willen nicht ausdrücken können..."

Anita fragte weiter: "Da ist es natürlich wirklich unangenehm oder eigentlich merkwürdig, dass ich bei Bewußtsein bin, nicht? Wer schläft sündigt nicht..."

Die Schwester nickte bestätigend: "Genau. Aber das ist völlig hypothetisch, da sie ja ausschließlich", sie hüstelte und nickte in Richtung der Maschine auf dem Nachttisch, in die eine große Spritze eingespannt war, "ein Antibiotikum bekommen und kein Mensch weiß, warum sie nicht aus ihrem Koma aufwachen. Wissen sie, dummerweise ist heute ein kleines Unglück mit ihrem Perfusor passiert. Daraufhin habe ich natürlich ein neues Gerät vorbereitet, mit den Medikamenten in der Dosierung, die in ihrer Akte stehen."

Anita nickte und sagte ernsthaft: "Vielen Dank."

Die Schwester schürzte spöttisch die Lippen: "Ich habe schließlich keinen hippokratischen Eid geleistet, Menschen keinen Schaden zuzufügen oder sowas... aber ehrlichgesagt war ich schon überrascht, dass sie so schnell fit waren, nachdem ich die Drogen abgesetzt hatte. Sie müssen eine Konstitution wie eine Raubkatze haben..."

Anita bemühte sich um ein möglichst ausdrucksloses Lächeln: "Das höre ich nicht das erste Mal."

"Gilt das gleiche auch für ihren Freund?"

"Was?"

Die Schwester verzog das Gesicht und zuckte mit den Schultern, was Anita korrekt als Aufforderung verstand, sich nicht zu dumm zu stellen.

Sie gab auf und nickte. "Ja. Wahrscheinlich. Ich bin nicht ganz sicher."

"Dachte ich mir. Sie wollen ihn sehen?"

Anita nickte.
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  RE: Anita Datum:30.07.06 18:23 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Schmetterling !

Mann, das hast jetzt aber 1A gelöst.
Einfach im Krankenhaus aufwachen lassen.
Wäre mir nicht in den Sinn gekommen.
Jetzt gehen beide Richtung Intensivstation.
Anita wird um Andreas zittern.

Viele Grüße SteveN



Ps. Das du uns auch immer diese tote Sprache unterjubeln mußt ... ...
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  RE: Anita Datum:30.07.06 20:14 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo SteveN,
jetzt fühle ich mich aber doch leicht kritisiert. Wo um himmels willen soll Anita denn sonst aufwachen?

Es war mir nicht so recht danach, noch eine Perspektive einzuführen, und aus Anitas Perspektive ist das einfach das nächste.
Die Frage ist doch, wie sie da hinkommt, gelle?

Grüßle
Butterfly

P.S.: Die Sache mit der lingua morta: Tatsächlich habe ich eine Faible für die Sinnsprüche. Wenn du dir ältere Geschichten von mir durchliest, wirst du feststellen, dass ich keine Kapitelüberschriften praktiziert habe.
Hier habe ich es angefangen, aber teilweise ist mir dann keine knackige Überschrift eingefallen... und in Latein findet man immer was...

[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von Butterfly am 30.07.06 um 20:28 geändert
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  RE: Anita Datum:30.07.06 20:41 IP: gespeichert Moderator melden


... aber da ich jetzt tatsächlich mit dem Schreiben beim Ende angekommen bin, kann ich jetzt ohne weitere Sorgen die Frequenz erhöhen, in der ich poste. Und ich verspreche Besserung: kein Latein mehr.

Kidnapping

Die Schwester schwieg einen Moment, dann seufzte sie: "Das macht die Dinge nicht unbedingt einfacher. Ich muss noch mal telefonieren. Ich würde vorschlagen, sie ziehen sich an. Ich bringe noch ein paar Sachen mit, um ihre Verkleidung zu komplettieren... was für eine Schuhgröße haben sie? Ich bin dann in ein paar Minuten wieder da und helfe ihnen mit den Haaren. Übrigens: ich heiße Marion."

Als die Tür hinter ihr zugefallen war, beeilte Anita sich, die weiße Jogginghose anzuziehen. Als Oberteil lagen ein T-Shirt und Kittel dabei.

Schwester Marion kam herein und stellte ein Paar gebrauchter weißer Sandalen vor Anita, dann wickelte sie Anitas Haare geschickt zu einem Knoten und steckte ein Stethoskop nachlässig in ihre Brusttasche.

Sie kommentierte: "Bloß nicht zu ordentlich. Junge Ärztinnen haben nicht viel Zeit, sich um ihr Erscheinungsbild zu kümmern."
Dann nahm sie noch einmal Maß, schob Anita noch einen Pieper in die Kitteltasche, nickte und sah noch einmal auf die Uhr.

"Ok, jetzt müssen wir uns beeilen."
Damit verließ sie das Zimmer. Anita folgte ihr. Unterwegs erklärte Schwester Marion Anita, was sie sagen sollte, wenn jemand sie ansprach, und dass sie mit einer Kollegin gesprochen hätte, die dafür sorgen würde, dass sie so freie Bahn wie möglich hätten. Ausserdem einigten sie sich darauf, sich zu duzen.

Marion grinste: "Wahrscheinlich bin ich sowieso meinen Job los, wenn das rauskommt..."

Anita wollte darauf bestehen, dass Marion wieder auf ihre Station zurückging, den Rest würde sie schon alleine schaffen, aber die Schwester schüttelte den Kopf. "Du kennst dich hier nicht aus."

Als sie in die Intensivstation gingen, zogen sie sich in einem kleinen Zimmer, das offenbar als Schleuse fungierte, noch blaue Kittel über, einen Mundschutz und eine Haube für die Haare. Erneut sah die Schwester auf die Uhr. Sie öffnete die Tür zur Intensivstation einen Spalt weit und wartete ab. Als sie einen lauten Alarmton hörte, nickte sie und zog Anita hinter sich her.

"Nach rechts. Dritte Tür links."

Anita schob die breite Tür auf und sie schlüpften hinein.

Anita sah sich schnell um. An der Seite des Raumes war ein großes Fenster, dass wohl in ein Nachbarzimmer führte, aber die Jalousie war herunterlassen. In einem Krankenbett lag Andreas, umstellt von einem großen Haufen Maschinen, von denen aber die meisten ausgeschaltet waren.

Entgegen dem, was Marion zuvor gesagt hatte, wurde er nicht künstlich beatmet, aber auch mit ein paar saftigen Ohrfeigen war er nicht zu einer Reaktion zu bekommen. Marion hatte nach einem Klemmbrett gegriffen, dass am Fußende des Bettes gehangen hatte. Nach einem gründlichen Blick darauf schüttelte sie den Kopf und sah Anita aus aufgerissenen Augen an: "Das hat keinen Sinn. Was hier draufsteht reicht, um einen kompletten Club Techno-Teens auf Extasy ins Reich der Träume zu befördern. Dauerhaft."
Sie fasste Anita an dem Arm: "Ernsthaft. Das würde jeden normalen Menschen sofort umbringen. Was seid ihr? Außerirdische? Irgendein militärisches Experiment?"

Anita schüttelte den Kopf. Sie versuchte möglichst überzeugend auszusehen, als sie mit traurigem Gesichtsausdruck sagte: "Ich weiß es selbst nicht."

Sie schlug die Decke zurück. Andreas war unversehrt, bis auf eine Menge Elektroden, die über seinen Brustkorb verteilt waren, zwei Infusionsschläuche und einen Katheter. Seine Hand- und Fußgelenke waren mit breiten Ledermanschetten an das Bett gefesselt.

Marion griff Anita an den Arm: "Wir müssen hier wieder weg. Sie müssen aus dem Krankenhaus verschwinden."

"Nicht ohne ihn", sagte Anita kopfschüttelnd. "Und wenn ich hier alles kurz und klein schlagen muss."

Die Schwester sah sie einen Moment lang an. "Fast würde ich es dir zutrauen. Nein. Wir machen das anders. Wir müssen nur schnell sein. Vertraust du mir?"

Als Anita nickte begann sie, hektisch auf den Tastaturen der Geräte herumzudrücken, die an Andreas angeschlossen waren. Schließlich nickte sie: "Ok, jetzt dürfte kein Alarm losgehen. Und jetzt nichts wie weg hier."

"Aber wie...?"

Marion griff das Bündel Elektroden und riß sie mit einem Ruck ab. Mit den Infusionsschläuchen verfuhr sie etwas vorsichtiger.
"Wir sind eine Schwester und eine Ärztin, die einen Patienten verlegen. Wo ist das Problem?"
Mit diesen Worten löste sie die Bremse des Bettes und begann geschickt, es auf die Tür zuzuschieben. Anita konnte sie gerade noch aufschieben.

Niemand sah sie. Als sie die Intensivstation verlassen hatten, ging Marion langsamer, aber beeilte sich immer noch merklich.

"Wo gehen wir hin?", fragte Anita.

Marion antwortete knapp: "Aufzug. Wir fahren mit dem Bett in das Obergeschoss. Dort lassen wir das Bett, von dort führt eine Feuertreppe in den Garten."

"Aber werden sie uns nicht genau dort..."

Marion unterbrach sie: "Ja. Werden sie. Und ich muss zusehen, dass ich möglichst schnell auf meine Station zurückkomme, sonst bin ich wirklich meinen Job los. Du fährst mit ihm in den Keller. Können wir ihn zusammen tragen, falls wir keinen Rollstuhl finden?"

Anita lächelte dünn: "Kein Problem. Ich kann ihn ohne weiteres alleine tragen."

Sie schoben das Bett in den Aufzug. Marion drückte den Knopf für das oberste Stockwerk, dann zog sie die Decke vom Bett und zeigte Anita, wie man die Fesseln an Andreas Hand- und Fußgelenken löste. Ohne weitere Zeremonien zog sie eine Schere aus der Tasche, und schnitt den Katheter durch. Eine kleine Menge Flüssigkeit lief in das Bett, als sie ihn aus seiner Harnröhre zog.

Anita verzog das Gesicht, was Marion zu dem Kommentar trieb: "Keine Zeit, zimperlich zu sein. Und wenn er genauso ist, wie du, dann ist das längst ok, wenn er die Augen aufschlägt."

Die Aufzugtür ging auf und Marion schob das Bett hinaus.

"Ah... da ist ein Rollstuhl. Prima. Du fährst mit ihm in den Keller. Der Schlüssel für Vorzugsfahrten steckt noch. Nimm den Schlüsselbund mit, er passt auch für die meisten Türen im Keller. Versteckt euch in der Bettenzentrale bei den benutzten Betten, da ist jetzt keiner mehr. Ich hole euch dann später ab. Das Bett bleibt hier. Sie sollen ja eine Spur haben..."

Sie wollte Anita helfen, Andreas in den Rollstuhl zu heben, aber die winkte ab: "Sieh zu, dass du auf deine Station kommst."
Marion nickte und verschwand.

Anita hob hastig Andreas in den Rollstuhl. Sie schob ihn in den Aufzug und fuhr in den Keller. Als sie ausstieg, drückte sie noch einmal rasch auf den Knopf für das zweite Stockwerk, dann suchte sie ein Versteck für sich und Andreas, weil ihr die Bettenzentrale zu übersichtlich erschien. Nachdem sie seinen Rollstuhl in einen kleinen Lagerraum geschoben hatte, begann sie, sich nach einer Waffe umzusehen. Jedenfalls würde sie sich nicht kampflos erwischen lassen.

Sie endete wieder bei einer Metallstrebe, die sie von einem der Betten in der Bettenzentrale abmontierte und mit der sie hinter der spaltbreit offenen Tür des Lagerraums stehen blieb.

Was viel problematischer war, war das Warten. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die vielleicht tatsächlich zwanzig Minuten dauerte, hörte sie Schritte im Gang. Da es nach mehreren Menschen klang, schloss sie die Tür leise und drehte gefühlvoll den Schlüssel im Schloss.
Wenige Augenblicke später wurde die Türklinke heruntergedrückt, aber offenbar gab sich der Andere damit zufrieden, dass der Raum abgeschlossen war.

Jemand rief: "Niemand hier", dann entfernten sich die Schritte wieder.

Als draußen wieder alles ruhig war, öffnete sie die Tür wieder ein kleines Stück.

Plötzlich fing Andreas an, laut unverständliches Zeug zu lallen. Sie versuchte erfolglos ihn zu beruhigen und wusste sich schließlich nicht mehr anders zu helfen, als ihm eine Ohrfeige zu geben.

Er öffnete die Augen, was ihm vorher nicht ganz gelungen war. Sein Blick war alles andere als klar und er versuchte nach ihr zu schlagen. Anita wich aus. Der Schwung des kräftig geführten aber ungenauen Schlages ließ ihn aus dem Rollstuhl fallen. Sofort versuchte er sich aufzurappeln.

Mühsam rang sie ihn nieder, verdrehte seine Arme auf den Rücken und setzte sich auf die Unterarme, nicht immer ganz erfolgreich bemüht, seinen ziellos herumtretenden Beinen auszuweichen.

Er wehrte sich verbissen, so dass er mehr als einmal kurz davor war, sie abzuwerfen. Sie sprach beruhigend auf ihn ein, nannte wieder und wieder ihren Namen. Schließlich hörte er auf, sich zu wehren. Mit immer noch verwaschen klingender Stimme fragte er: "Anita?"

Sie löste vorsichtig den Druck auf seine Arme, jederzeit bereit, sich wieder mit vollem Gewicht auf ihn fallen zu lassen.
Stöhnend versuchte er, seine Arme zu befreien. Nach kurzem Zögern ließ sie es zu. Dann half sie ihm, sich auf den Rücken zu drehen.

Ein Hüsteln kam von der Tür. Anita fuhr herum, griff die Metallstange und konnte gerade noch den Schlag stoppen, als sie Marion erkannte, die erschreckt zurückfuhr.

Nach einer Schrecksekunde fing sie sich wieder. "Das sah ja wirklich beeindruckend aus. Jetzt verstehe ich auch die Lederfesseln. Bist du sicher, dass du ihm nicht die Schultern ausgerenkt hast?"
Anita schüttelte den Kopf. Sie war sich nicht sicher, aber Andreas stützte sich hinter ihr bereits auf und bemühte sich recht erfolglos, auf die Beine zu kommen. Anita ging zu ihm und kniete sich vor ihm hin: "Alles klar?"

Er nickte, schüttelte den Kopf und nickte wieder.

Anita nahm seinen Kopf zwischen die Hände und sah ihm tief in die Augen: "Ok, ich verspreche, ich erkläre dir alles, wenn wir hier heraus sind. Kannst du laufen?"

Er hatte seine Zunge nicht ganz unter Kontrolle, als er antwortete: "Mir geht´s miserabel. Alles dreht sich."

Marion, die dazugekommen war, kicherte etwas hysterisch. "Meine Güte, dann möchte ich dich nicht in Topform erleben."
Sie leuchtete ihm mit einer Lampe in die Augen, dann nickte sie: "Vielleicht sollten wir den Rollstuhl nehmen", dann drückte Anita ein Kleiderbündel in die Hand: "Hilf ihm, sich anzuziehen. Ich bin gleich wieder da."
Sie drehte sich um und fragte Anita noch einmal: "Das du ihn tragen könntest, war ernstgemeint?"

Anita nickte.

Sie kam nach knapp zwei Minuten wieder. Kurz darauf war Andreas fertig.

Marion nickte. "Setz dich in den Rollstuhl."

Sie zog ihm den linken Schuh und die Socke wieder aus und begann schnell eine dicke Bandage um sein Fußgelenk zu wickeln, dann drückte sie ein Mullpolster auf sein Ohr und fixierte es ebenfalls mit einem Verband, der die Hälfte seines Gesichts verdeckte.

"Ok, dann trage ich den Rollstuhl die Treppe hinauf und du hilfst ihm. Ich möchte nicht in der Eingangshalle aus dem Aufzug kommen, sondern es soll so aussehen, als kämet ihr aus der Notaufnahme."

Anita vereinfachte die Prozedur, in dem sie ohne viel Federlesens den Rollstuhl mit dem darin sitzenden Andreas hochhob und im Laufschritt die Treppe hinauftrug. Oben wartete sie auf Marion, die mit völlig schockiertem Gesichtsausdruck immer noch am Fuß der Treppe stand.
Schließlich beeilte sie sich, die Treppe hinaufzukommen. Sie schüttelte den Kopf, dann nickte sie Anita zu. "Durch die Halle, geradeaus, die Rollstuhlrampe hinunter. Unten stehen immer Taxis."
Sie drückte Anita einen Geldschein in die Hand. "Hier habt ihr fünzig Euro. Auf dem Zettel steht meine Handynummer... ich hätte das Geld eigentlich ganz gerne wieder. Und jetzt: Viel Glück."

Tatsächlich funktionierte die Flucht ohne weitere Probleme. Der Taxifahrer schaute zwar etwas verwundert, als die "Ärztin" ebenfalls einstieg, aber fuhr beide ohne weitere Fragen nach Hause.
Der Rollstuhl blieb vor dem Krankenhaus stehen.
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latex_steven  
  RE: Anita Datum:31.07.06 11:52 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Butterflügel !

Mann, was für eine Flucht aus dem Krankenhaus.
Aber auch nur möglich durch die Hilfe von Schwester Marion.
Werden sie nun von den anderen Wer-Tieren für Tod gehalten?
Können sie nun ein geregeltes Leben leben ?
Oder muß Marion eingeweit werden? Damit beide von ihr an den
drei Vollmondtagen ruhig gestellt werden können?

Viele Grüße SteveN
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  RE: Anita Datum:31.07.06 20:18 IP: gespeichert Moderator melden


Katerstimmung

Sie hatten keine Schlüssel und Anita hatte überhaupt keine Nerven, lange zu fackeln. Das Schloss von Andreas Wohnungstür gab mit einem leisen Krachen nach.

Andreas kicherte.

Anita sah ihm in die Augen: "Du bist noch völlig high, stimmts?"

Andreas grunzte etwas schwer Verständliches. Anita nahm das zum Anlass, ihn trotz seines ungeschickten Protestes geradewegs ins Bett zu stecken, wo er augenblicklich einschlief.
Dann setzte sie sich an den Tisch und überlegte, was sie jetzt tun sollte. Schließlich gähnte sie, ohne zu irgendwelchen Schlüssen gekommen zu sein und legte sich neben Andreas.

Als die Sonne durch das Fenster hineinschien, stand Anita auf. Sie hatte immer noch keine gute Idee, aber fragte sich zunehmend, wie sie eigentlich in das Krankenhaus gekommen waren. Und sie fragte sich, inwieweit die Polizei hinter ihnen her war. Konnten sie sich überhaupt noch auf die Straße trauen?
Sie zog den Zettel mit der Handynummer von Schwester Marion aus der Tasche, dann überlegte sie noch einmal kurz und wählte die Nummer.

Leider konnte die Krankenschwester sie nicht mit vielen Neuigkeiten versorgen. Das einzige, was sie erfuhr, war, dass es in dem Krankenhaus keine offensichtliche Ermittlung oder etwas gegeben würde. Andreas wurde offiziell nicht mal wirklich vermisst, und sie selber war offenbar aus eigener Entscheidung gegangen.
Beide wurden nach wie vor als "unbekannte Notfälle" geführt.
Auf die Frage, wie Andreas und Anita in das Krankenhaus gekommen waren, wusste die Krankenschwester keine Antwort. Aber sie konnte Anita erzählen, dass sie und Andreas sechs Tage lang im Krankenhaus gewesen waren.

Als sie auflegte, stand Andreas in der Tür. Er rieb sich die Schläfe, dann fragte er: "Was um Himmels Willen ist eigentlich passiert?"

Sie fragte ihn, was das letzte wäre, woran er sich erinnern würde. Er sah sie einen langen Moment lang unschlüssig an, dann sagte er mit einem fragenden Unterton: "Eine Gerichtsverhandlung? Sie haben uns zu Tode verurteilt. Oder habe ich nur irgendwelchen Mist zusammengeträumt?"

Anita bestätigte ihm, dass seine Erinnerung korrekt war.
"Was weisst du darüber, wie sie uns hinrichten wollten?"

Er konnte sich nicht erinnern.

Sie erklärte ihm, dass sie selbst keine Ahnung hatte, warum sie nicht tot waren. Sie erzählte ihm, was im Krankenhaus passiert war.

"Du hast mich von der Intensivstation entführt, und bist dann im Keller des Krankenhauses auf mir Rodeo geritten?"

Sie grinste, dann nickte sie. "So könnte man das ausdrücken. Du weißt davon nichts?"

Er schüttelte den Kopf und grinste verlegen: "Und was machen wir jetzt?"

Sie gab zu, keine Ahnung zu haben und erzählte ihm von ihren Überlegungen.

Andreas kratzte sich am Kopf. "Gut. Dann müssen wir uns darüber klarwerden, was in den letzten Tagen passiert ist. Was für ein Datum ist eigentlich?"

Als sie die Schultern zuckte, schaltete er den Fernseher ein. Ihnen fehlten vierzehn Tage.
Andreas schaltete wieder aus. "Ok... wir waren sechs Tage im Krankenhaus. Was ist mit den anderen acht Tagen? Hast du irgendeine Ahnung?"

Anita überlegte, ob sie verneinen sollte. Sie hatte eine Ahnung. Eine ganz bestimmte. Aber sie wollte nicht darüber reden. Schließlich beschloss sie, dass sie es ihm schuldig war, darum nickte sie und begann in groben Zügen zu erzählen, woran sie sich erinnerte und was sie sich zusammengereimt hatte.

"Du meinst, wir haben acht Tage lang gefesselt im Wald gelegen und alles mögliche Viehzeug hat an uns herumgefressen? Meine Güte, das ist aber nichts für den schwachen Magen. Aber wieso kann..."
Er unterbrach sich und fragte: "Anita?"

Bei seinen Worten war ihr ein Schauer über den Rücken gelaufen. Sie zitterte. Nein, die Details von dem, woran sie sich erinnerte konnte sie nicht erzählen. Noch nicht. Vielleicht nie. Wahrscheinlich nie. Wie sollte sie den namenlosen Horror jemandem erklären?

Andreas interpretierte ihr Verhalten richtig. Er ging zu ihr hinüber und ging neben ihrem Stuhl auf die Knie. Er nahm sie in den Arm. "Vielleicht ist es besser, dass ich mich nicht erinnere."
Anita sagte nichts, aber sie legte ihren Kopf auf seine Schulter.

Schließlich murmelte sie: "Wir müssen etwas machen. Wir können nicht hierbleiben. Die Wertiere kennen die Adresse hier. Ich weiss nicht, ob sie ihr Werk vollenden wollen. Aber ich wusste einfach nicht, wohin ich sollte."

Andreas nickte und stand auf. "Gut. Dann müssen wir sehen, dass wir möglichst schnell erfahren, was in den letzten Tagen passiert ist. Ich gehe Frau Hansen fragen. Die ist normalerweise über alles von Globalpolitik bis zu den Dingen, die hier in der Straße passieren informiert."

Anita hielt ihn fest. "Und was willst du ihr sagen?"

"Keine Ahnung. Das hängt davon ab, was sie denkt, wo ich oder wir geblieben sind. Ich werde wohl aus dem Bauch heraus spielen müssen."

Sie zog ihn in ihre Arme: "Weißt du eigentlich, dass ich dich liebe?"

"Spätestens, seit du mich aus dem Krankenhaus mitgenommen hast. Du hättest viel einfacher alleine abhauen können."

Sie kniff ihn in den Arm. "Unsensibler Kerl."

-----

Frau Hansen schlug überrascht die Hände zusammen: "Herr Klösgen, meine Güte, ich war kurz davor, die Polizei anzurufen."

Daraus war zu schließen, dass die Polizei nicht wieder hier gewesen hatte oder zumindest nicht nach ihm gesucht hatte. Die eine Geschichte, die er sich grob ausgedacht hatte, passte. Er erzählte von einem Trauerfall in der Familie. Ein entfernter Onkel, den er selber kaum gekannt hatte, aber seine Mutter war ziemlich mitgenommen gewesen.
"Und da ich ja krankgeschrieben bin, bin ich ein paar Tage dort geblieben. Es waren ein paar Sachen zu reparieren, so sind aus ein paar Tagen fast zwei Wochen geworden."

Sie kondolierte ihm, dann sagte sie: "Aber sie hätten schon mal Bescheid sagen können...", dann unterbrach sie sich, "aber sie sind ja schließlich ein erwachsener Mann. Nehmen sie es als das Geplapper einer alten Frau."

Er beschloss direkt zu fragen: "Hat es in den letzten Wochen irgend was interessantes gegeben? Bevor ich weg bin, war doch ein Polizist hier, der nach Frau Hoch gefragt hatte..."

Frau Hansen nickte bestätigend: "Ja, der war ja auch bei mir. Hat eine Menge Fragen gestellt. Aber seit dem ist niemand mehr hier gewesen. Das Haus ist wie ausgestorben, von Frau Hoch war auch nichts zu sehen oder zu hören. Sonst gab es nichts, nur tropft jetzt bei mir die Heizung im Badezimmer."

Andreas musste grinsen. Das war das erste Normale, was er in den letzten Tagen erlebt hatte. Eine Trivialität wie eine tropfende Heizung bewies, dass die Welt nicht völlig aus den Fugen geraten war. Er fragte: "Wann würde es ihnen denn passen, dass ich einen Blick drauf werfe?"

Es passte direkt und er meinte, dass er hoffentlich am Abend die Zeit finden würde, noch einmal vorbeizuschauen und den Heizkörper abzudichten.


Dann ging er noch zu Anitas Wohnung. Wenn die Krimis im Fernsehen nichts verkehrtes erzählten, hätte an der Tür ein Siegel sein müssen, wenn die Polizei die Wohnung durchsucht hatte. Da nichts davon zu sehen war, schloss er, dass die Polizei tatsächlich nicht dagewesen war. Was angesichts Anitas Geschichte wohl bedeutete, dass sie ihr nicht zu nah auf den Fersen waren. Sie schienen sie tatsächlich nur über irgend etwas befragen zu wollen.

Er ging noch kurz an den Briefkasten und zog die Menge Post und Werbezettel hinaus, die hineingepfropft waren.
Dann ging er in die Wohnung und setzte sich an den Küchentisch. Er erzählte Anita, was er herausgefunden hatte, auch wenn es nicht viel war.

In dem Stapel Post war ihm ein dicker brauner Umschlag aufgefallen. Er drehte ihn nachdenklich zwischen den Händen. Der Umschlag trug keine Briefmarke oder Absender, adressiert war er an ´Andreas Klösgen und Anita Hoch´.
Anita sah ihm interessiert zu, schließlich fragte sie: "Bekommst du so etwas öfter? Mach schon auf!"

Andreas schüttelte den Kopf und überwand sich endlich, den Umschlag zu öffnen.

Er schüttelte die Fotos und das Begleitschreiben auf den Tisch.
Anita sah mit bleichem Gesicht die Fotos an, während Andreas das Schreiben las.

Schließlich reichte Andreas das Schreiben wortlos zu Anita hinüber und sah sich die Fotos an, während sie las. Dann sah sie Andreas kopfschüttelnd an.

Beide stellten gleichzeitig die Frage: "Was soll das?", dann sahen sie sich an und mussten grinsen. Allerdings waren die Abbildungen auf den Fotos nicht wirklich dazu angetan.

Anita lehnte sich zurück und überlegte laut: "Wir sind scheinbar begnadigt wurden. Und wenn ich das richtig zwischen den Zeilen lese, sind wir quasi Strandgut einer Revolution. Es sieht so aus, als hätten liberalere Wertiere die Macht übernommen. Wenn man sich die Bilder ansieht, scheint das ganze für die konservative Partei ziemlich fatal geendet zu haben."
Sie deutete auf eines der Fotos: "Das war dieser Reiter, der Vorsitzende unseres Gerichts. Ich hatte ihn schon einmal bei Kai gesehen, aber erst draußen im Wald habe ich mitbekommen, dass er so etwas wie der Chef der Gruppe ist."

Andreas kratzte sich am Kopf. "Politik bei Werwölfen. So etwas absurdes..."

"Ich würde das hier so lesen, als hätten sie sich über uns in die Wolle bekommen. Scheint so, dass wir sozusagen zur Bastille geworden sind, an der sich der unterdrückte Mob aufgeheizt hat und zum Sturm auf die Obrigkeit geblasen hat."
Anita lächelte sarkastisch und redete weiter: "Das heißt, dass wir sozusagen Helden sind. Es wurden heiße Propagandareden gehalten, in denen unser Tod nach dem viel zu harten Urteil betrauert wurde, dann haben sie die Hinrichtungsstätte gestürmt und die Verantwortlichen aus der konservativen Partei massakriert. Ich hätte gerne die Gesichter gesehen, als sie feststellen mussten, dass wir noch lebten. Das dürfte ihnen gar nicht in den Kram gepasst haben."

"Du interpretierst da aber eine Menge hinein. Woher willst du wissen, dass das so passiert ist?"

Sie zuckte die Schultern: "Ich weiß es nicht. Ich reime mir etwas zusammen. Aber lies das mal. Wir werden als ´Helden´ tituliert, die ´gegen das diktatorische Regieme rebelliert haben´, wenn auch mit ´verzweifelten und unrechtmäßigen Mitteln´, , und schließlich so etwas wie eine Amnestie bei gleichzeitigem Aberkenntnis des passiven Wahlrechts für den Rat der Wertiere. Unterschrieben von eben jenem Rat (komissarisch)."

"Wieso meinst du, dass unser Überleben ihnen nicht in den Kram passt?"

Jetzt grinste sie und zuckte mit den Schultern: "Keine Ahnung. Ich rate nur herum. Die haben uns zu Helden hochstilisiert, die ungerecht vom alten Regieme für eine wahrlich heroische und revolutionäre Tat hingerichtet wurden. Wäre ja alles kein Problem gewesen... wenn wir gestorben wären. Also mussten sie dafür sorgen, dass wir ihnen nicht in die Suppe spucken."

"Aber das ist doch alles reine Spekulation. Kann auch alles ganz anders sein, nicht? Und was heißt überhaupt passives Wahlrecht?"

"Natürlich weiß ich nichts genaues", antwortete Anita. "Aber passives Wahlrecht heißt, gewählt werden zu dürfen. Und das passt prima zu meiner Geschichte. Ich wette, in ungefähr ist es so gelaufen. Wir dürfen den Rat mitwählen, aber uns nicht zur Wahl aufstellen lassen."

Andreas knurrte: "Hätte ich sowieso nicht getan. Ich bin kein Politiker, und Leute, die so verdrehte Sachen denken, kann ich gar nicht leiden."

Sie stand auf und setzte sich auf seinen Schoß. Sie wirkte aufgekratzt und flötete: "Ich hoffe, das gilt nicht auch für mich, wenn ich hier verdrehte Theorien aufstelle?"

"Das weißt du ganz genau", dann stand er auf und trug sie ins Schlafzimmer.
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Jo_the_O
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  RE: Anita Datum:31.07.06 22:34 IP: gespeichert Moderator melden


Ach nein, die Geschichte kann doch jetzt nicht zu Ende sein. Das war so spannend, anrührend, fantasievoll und romantisch, ich bin richtig ergriffen. Ich möchte, daß es weiter geht - bitte !!!!

@Nachtigall
Du kommentierst eigentlich recht viel, aber so mit dem Herzen dabei warst Du wohl selten. Oder

@Träumerin
Vielleicht kannst Du dem Schmetterling mal ein paar Inspirationen aus Deinen Träumen geben.
Wenn´s der Fortsetzung dient ...

Liebe Grüße
Jo

[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von Jo_the_O am 01.08.06 um 00:21 geändert
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Nachtigall
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  RE: Anita Datum:01.08.06 05:25 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Schmetterling,

Revolution der Wertiere? *lol* Du kommst vielleicht auf Ideen. Aber fein, wenn sie nun "begnadigt" sind, brauchen sie sich ja keine neue Bleibe zu suchen.

Es sieht mir nicht so aus, als sei die Geschichte schon fertig... bin gespannt, was noch kommt.


Liebe Grüße

Nachtigall
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  RE: Anita Datum:01.08.06 08:21 IP: gespeichert Moderator melden



@Jo: so einfach werdet ihr mich nicht los. Die Geschichte ist zu ende, wenn ´Ende´ drunter steht. Ich hätte da noch die eine oder andere Überraschung...
@Nachtigall: Meine Güte, ich dachte immer, ich wäre ein Frühaufsteher. Oder bist du ein Noch-nicht-ins-Bett-geher?


Einladung

Die meiste Zeit der nächsten beiden Tage verbrachten sie im Bett und gaben sich Mühe, die Erlebnisse zu verarbeiten, was Andreas definitiv leichter fiel, da er sich praktisch an überhaupt nichts erinnerte und ihn auch sein Unterbewußtsein dankenswerterweise in Ruhe ließ. Anita hingegen wurde immer wieder von Alpträumen gequält und als ihr im Bad unverhofft eine Spinne über den Weg lief, schrie sie entsetzt auf und musste sich erst überwinden, das Tier zu entfernen.

Schließlich ging Anita zur Polizei. Zunächst hatte sie sich mit Händen und Füßen gesträubt, aber sie konnte auf den Hinweis von Andreas, dass schließlich ihre Wohnung nicht durchsucht worden war, nichts antworten. Sie hatte zustimmen müssen, dass das eigentlich nur heißen konnte, dass die Polizei nichts gegen sie in der Hand hatte, und dass sie umso verdächtiger wurde, je länger sie verschwunden blieb.
Und sie wusste, dass es keine Lösung war, sich dauerhaft zu verstecken.

Sie rief an und machte einen Termin für den nächsten Tag.
Am Abend war sie reichlich nervös, aber sie absolvierte den Termin völlig problemlos. Natürlich gab sie zu, fünf und zwei Tage vor dem Raubüberfall in der Ausstellung gewesen zu sein.
"Wer würde sich nicht so Diamantohrringe wünschen? Das war einfach herrlich, deshalb musste ich noch einmal hingehen. Ein Elend, dass jemand so etwas stiehlt."

Auch auf die Frage, warum sie sich jetzt erst meldete, war sie vorbereitet.
Sie zuckte kokett mit den Schultern: "Ich habe einfach keine Nachricht bekommen. Hätten sie mal etwas auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, oder einen Brief geschrieben. Aber es scheint, dass sie nur meinen Nachbarn bescheid gegeben haben. Und ich bin viel unterwegs. Erst gestern hat mich Herr Klösgen darauf angesprochen. Und dann habe ich natürlich sofort angerufen."

Die Polizei ließ sie wieder gehen.

-----

Natürlich hatten sie die Beerdigung von Jonathan verpasst. Anita war darüber nicht wirklich unglücklich, weil sie den Rest seiner Familie, die sich wie die Krähen um die Überreste stritten, nicht gut leiden konnte.
Und sie hatte es einige Tage herausgeschoben, daran zu denken, aber schließlich war es soweit.

Andreas fühlte sich mit seiner Rolle bei Jonathans Tod nicht wirklich wohl, er fühlte sich schuldig, auch wenn Anita das abtat: "Meine Güte, er war alt, er war herzkrank, seine ganze Familie hat darauf gewartet, dass sie endlich mit dem Erben an die Reihe kommen. Du bist der Letzte, der schuld ist. Wenn jemand wußte, worauf er sich mit Magie und Beschwörungen einläßt, dann Jonathan. Und du hast doch selbst gesagt, dass sie freundlich zu ihm war."

Sie legte eine einzelne weiße Rose zwischen die verwelkenden Blumen auf dem Grab.
Andreas musste ziemlich lange warten, bis sie sich endlich abwandte, dann gingen sie gemeinsam vom Friedhof.

-----

Am gleichen Tag, zwei Tage vor dem nächsten Vollmond, traf neue Post ein, diesmal mit dem regulären Postboten, aber der Umschlag war derselbe wie beim letzte Mal.
Anita drängte sich an Andreas und sie lasen den Brief gemeinsam.

Der eigentliche Brief war kurz. Es handelte sich um eine Einladung des kommissarischen Rates der Wertiere, an der Mond-Party teilzunehmen, eine Grillparty am Nachmittag vor dem Vollmond mit anschließendem gemeinsamen Jagdvergnügen. Eine Anfahrtsskizze war im Brief enthalten sowie ein weiterer handschriftlicher Zettel mit der ausdrücklichen Zusicherung, dass keinerlei rechtliche Mittel gegen Andreas oder Anita ergriffen würden, dass sich alle sehr freuen würden, wenn sie kommen würden, dass aber natürlich mit ihrem Erscheinen verbundene besondere Risiken nicht vom Rat getragen würden. Daher wurde ihnen ausdrücklich und ausnahmsweise erlaubt, sich zu Selbstverteidigunszwecken zu bewaffnen, natürlich mit Ausnahme von Feuerwaffen und geächteten Waffen.

Ein weiterer Zettel und ein Rückumschlag waren enthalten, mit dem sie sich bei dem Treffen anmelden konnten.

Andreas sah Anita an: "Ich habe mir doch gleich gedacht, dass Rechtsanwälte und Politiker keine normalen Menschen sind. Der ganze Rat scheint mit denen gespickt zu sein."

Anita musste grinsen, dann deutete sie auf den Brief und sagte sie nachdenklich: "Das dürfte in etwa so freundlich sein, wie möglich."

"Du willst da hin?", fragte Andreas überrascht.

Sie sah ihn an, überlegte, dann antwortete sie: "Ja. Ich denke schon."

Er wusste nicht genau, ob sie scherzte, oder ob sie es ernst meinte. "Du meinst, weil sie uns letztes Mal nur beinah umgebracht hätten, willst du jetzt noch mal hin, um ihnen eine weitere Chance zu geben? Bist du so Lebensmüde?"

Mit ernsthaftem Gesichtsausdruck antwortete sie: "Nein. Sie sichern uns freies Geleit zu. Und es gibt so viele Dinge, die ich nicht weiß, die ich noch lernen muss. Und in den letzten Monaten bin ich kein bisschen weitergekommen, die Verwandlung, die Katze zu kontrollieren. Kai wollte es mir nicht beibringen. Er hat mich jedesmal verprügelt, wenn ich ihn darauf angesprochen habe. Und selber... ich weiß nicht. Vielleicht bin ich auch nur zu ungeduldig."

Andreas schnaubte. Er war nicht wirklich ärgerlich und er musste ihr zubilligen, dass sie ihre Gründe hatte. Aber...
"Was, wenn dieser Wisch das Papier nicht wert ist, auf dem er geschrieben ist? Sie erlauben uns Messer. Toll. Gegen wieviele Pistolen willst du dich verteidigen? Ich weiß, dass sie uns damit nicht leicht umbringen können, aber meinst du nicht, dass es so weh tun wird, dass sie uns leicht überwältigen können? Was, wenn sie auf uns warten, entwaffnen und das ´gemeinsame Jagdvergnügen´ bedeutet, dass sie uns zu Tode hetzen?"

Anita zuckte die Schultern: "Du hast recht. Das Risiko besteht. Aber ich glaube das nicht. Der Brief klingt ernsthaft und trägt das Siegel des Rates. Die neue Regierung würde sich bei allen anderen unglaubwürdig machen, wenn sie uns mit der Zusicherung von freiem Geleit hinlocken und dann umbringen. Da stünde die nächste Revolution direkt vor der Haustür. Das ´Volk´ hat jetzt gelernt, dass es eigentlich nicht schwer ist, sich einer regierenden Clique zu entledigen."

Er schnaubte noch einmal. "Mag alles sein. Aber ich finde das ganze zu riskant. Sind dir deine Gründe so wichtig? Wir haben doch den Keller. Keine Chance, dass die Katzen da rauskommen."

"Willst du dich wirklich für den Rest deines Lebens dreimal im Monat im Keller einsperren?", fragte sie traurig. "Du weißt noch nicht, wie es ist. Wäre es nicht viel schöner, wenn du die Katze kontrollieren könntest?" Sie runzelte die Stirn: "Ach, ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll."

Andreas schnappte ein wenig ein: "Hmmm. Du hast mehr Erfahrung. Ich kann da wirklich nichts zu sagen."
"Gut. Dann gehen wir", stimmte er nach einer kurzen Pause zu.

Sie schüttelte lächelnd den Kopf: "Ich gehe. Du bleibst."

"Du hast sie ja wohl nicht mehr alle. Was soll ich denn machen, wenn dir etwas passiert? Ich komme auf jeden Fall mit. Alleine gehen lasse ich dich nicht. Und das hat überhaupt nichts mit männlichem Beschützerinstinkt zu tun."

"Na gut", ihr Lächeln war ein paar Grade besorgter geworden, "dann gehen wir halt zusammen. Aber hüte dich, hinterher zu behaupten, ich wäre schuld."

Sie füllte die Antwort aus, zwei Teilnehmer, steckte den Brief in den Rückumschlag fragte ihn noch einmal: "Sicher?" und ging dann über die Straße zum nächsten Briefkasten.
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Nachtigall
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  RE: Anita Datum:01.08.06 11:26 IP: gespeichert Moderator melden


Frühaufsteher.

Netter neuer Teil, Schmetterling,

ich wusste doch, du enttäuschst mich nicht . Rechtsanwälte und Politiker??! *weglach*

Schreib ruhig in dem Takt weiter, dein Stil gefällt mir so gut wie der Inhalt.


Liebe Grüße

Anja
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  RE: Anita Datum:01.08.06 20:22 IP: gespeichert Moderator melden


Mondlicht

Andreas war nervös. Morgen würde Vollmond sein. Morgen war die Mond-Party des Rates der Wertiere. Heute abend würde er sich das erste Mal in eine Raubkatze verwandeln. Anita hatte ihm empfohlen, am Nachmittag noch ein Nickerchen zu machen, aber er konnte überhaupt nicht schlafen. Er war völlig aufgekratzt. Kein Gedanke an Schlaf.
Schließlich stand er auf, um sie nicht zu stören.

Unruhig tigerte er in seiner Wohnung auf und ab. Er sah auf die Uhr. Noch zwei Stunden, bis der Wecker klingeln würde, den Anita gestellt hatte. Dann würden sie sich langsam für den Keller fertigmachen müssen. Leise zog er seinen Jogginganzug an und ging.

Als er eine knappe Stunde später völlig verschiwtzt wieder kam, erwartete Anita ihn schon.
"Meine Güte, kannst du nicht Bescheid geben, wo du steckst? Ich habe mir Sorgen gemacht. Was, wenn du nicht rechtzeitig..."

Er unterbrach sie und entschuldigte sich, dass er es einfach nicht mehr ausgehalten hatte.
Sie schwenkte von vorwurfsvoll auf Verständis: "Meine Güte, klar, du musst völlig mit den Nerven am Ende sein, und ich schlafe da friedlich. Komm, was hältst du davon, wenn du dich noch duscht und wir dann einen Pizza essen gehen?"

Andreas stimmte zu.

Eine gute Stunde später standen sie vor der Kellertür. Andreas programmierte das Schloss, schließlich hatte er schon mal in dem Keller übernachtet.
Nachdem sie noch einmal kurz überlegt hatten, ob sie auch sicher nichts vergessen hatten, gingen sie in den Raum und ließen die Tür hinter sich zufallen.

Sie zogen sich aus, setzten sich auf die Matratze und begannen ein wenig zu schmusen. Nach ein paar Minuten zuckte Anita zusammen und löste sich von ihm.
"Es fängt an. Entspann dich. Mach am besten die Augen zu und versuch einfach ruhig zu atmen. Es schmerzt ein wenig, wenn sich die Knochenstruktur umstellt."

Andreas nickte und versuchte, ihren Empfehlungen zu folgen.

Anita griff nach seiner Hand und schloss die Augen, als der erste Krampf sie schüttelte. Sie wusste, dass sie schamlos untertrieben hatte. Es tat gemein weh und sie war bisher noch jedesmal überrascht gewesen, wie schlimm es war. Sie hatte nicht wirklich die Möglichkeit, sich um Andreas zu kümmern und zwischen den Krämpfen, die ihr kaum Zeit zum Luftholen ließen, hoffte sie, dass er es gut überstand.

Die Woge animalischer Instinkte drohte ihr Bewusstsein zu überrollen, aber sie schaffte es, die Oberhand zu behalten, wenn es sie auch eine riesige Anstrengung kostete.
Sie öffnete die Augen und sah sich um. Das Bild war durch die geschlitzten Pupillen merkwürdig verzerrt, zwar eindeutig heller und stellenweise schärfer, aber irgendwie anders. Sie wusste, dass sie sich in wenigen Augenblicken daran gewöhnt haben würde, als ob es nie anders gewesen wäre.

Sie hatte dieses Mal nicht versucht, den Vorgang aufzuhalten, sondern sich drauf konzentriert, möglichst viel von ihrem Bewusstsein zu bewahren. Als sie an sich hinuntersah, sah sie einfach nur eine große schwarze Katze. Sie sprang auf, schlug unbewusst nervös mit dem Schw*****nz ...böse Forumssoftware... und leckte ihre Schnauze.

Dann erst sah sie Andreas. Er stand mit angstgeweiteten Augen in einer Ecke des Raumes. Er hatte sich nicht verwandelt. Ganz automatisch versuchte sie ihn zu fragen, was los war, aber aus ihrer Kehle kam nur eine Mischung aus Fauchen und Knurren, das ihn keineswegs zu beruhigen schien.

Der Geruch seiner Angst reizte die Katze in ihr. Ohne ihr Zutun machte sie sich sprungbereit, der Schw*****nz zuckte aufgeregt hin und her. Sie konnte sehen, wie sich vorne in seiner Hose ein dunkler Fleck ausbreitete. Eine tiefes Glücksgefühl überkam sie. Alles an ihm schrie "Opfer!".

Anita verstand, dass hier gerade etwas dabei war schiefzugehen. Sie schloss einen Moment die Augen, konzentrierte sich und machte den bewussten Versuch, ihre Muskulatur zu entspannen, das Bündel ihr fremder Empfindungen zurückzudrängen. Fremde Empfindungen? Sie war die Fremde in diesem Körper. Wie sollte sie erklären, dass sie noch immer hier drin war?

Sie zwang die Katze weiter zurück und legte sich gegen den protestierenden Aufschrei aller ihrer Instinkte auf den Boden. Dann rollte sie sich auf die Seite und sah ihn an. Sie konnte ein leichtes Schlagen mit der Schw@nzspitze nicht vermeiden, so sehr sie sich auch Mühe gab. Wie steuert man bewusst Muskeln, die ein Mensch gar nicht hat?
Sie wartete ab.

Einige Herzschläge später schien auch Andreas sich ein wenig zu entspannen.
"Anita, bist du da drinne?"

Sie gab das leiseste Miauen von sich, dessen sie fähig war.

Er ging sehr zögerlich auf sie zu. Sein Geruch war überwältigend, aber sie schaffte es irgendwie, ruhig liegen zu bleiben. Vorsichtig berührte er das weiche Fell über ihrer Nase.
"Du hast doch die Kontrolle, oder?"

Das war die dümmste Frage, die sie seit langem gestellt bekommen hatte. Sie konnte ein Kichern nicht unterdrücken, das als leises Grollen herauskam. Einen Moment ließ ihre Aufmerksamkeit etwas nach und die Katze schlug aufgeregt mit dem Schw*****nz.

"Soll ich irgendwas... soll ich dich fesseln?"

Das hätte vielleicht geholfen, aber allein die Vorstellung genügte, als dass sie nicht vermeiden konnte, die Ohren anzulegen und ihn mit zurückgezogenen Lefzen laut anzufauchen.

Er nahm sofort seine Hand weg und ging langsam einen Schritt zurück. Dann nickte er: "Es ist schwer, stimmts? Ich denke, es ist das beste, wenn ich mich auf die Matratze setze und einfach still verhalte."

Ihre Augen folgten wachsam jeder seiner Bewegungen.

Der Rest der Nacht war ein einziger Kampf. Auch wenn seine Angst nicht mehr so stark war, so war doch die ganze Zeit sein Opfergeruch um sie herum, reizte das Tier zu verzweifelten Anstrengungen, die Oberhand zu gewinnen.
Zwei Mal war sie aufgesprungen und hatte in seine Richtung gewittert, als ihre Aufmerksamkeit einen Moment lang nachgelassen hatte.

Ein tiefes Frohlocken warnte sie, als sie gerade dabei war, ihn mit einem Prankenhieb niederzuwerfen und seine Kehle aufzureißen. Sie konnte den Hieb gerade noch ins Leere leiten und machte einen ungeschickten Sprung an ihm vorbei, der sie kraftvoll in die Betonwand krachen ließ.
Sie war einen Moment lang benommen und alle Instinkte schrien laut auf, aber es gelang ihr irgendwie, damit fertig zu werden.

Sie legte sich wieder in eine andere Ecke des Raumes und beobachtete Andreas weiter.

Es dauerte ewig, bis der Morgen kam. Bisher hatte sie immer kurz vor Sonnenaufgang das Bewusstsein verloren und war dann als Mensch wieder aufgewacht, aber sie konnte es dieses Mal nicht riskieren. Sie klammerte sich mit aller Kraft fest, auch weil sie merkte, dass die Katze keineswegs schwächer wurde.
Schließlich schüttelte sie der erste Krampf. Alle ihre Instinkte riefen nach Flucht, nach Verstecken, aber irgendwie schaffte sie es liegenzubleiben. Beim zweiten Krampf verlor Anita. Sie gab auf und ließ sich überrollen, aber ihr Katzenkörper war schon zu schwer beschädigt, um mehr als den Versuch zu machen, aufzustehen.

Irgendwann kam sie wieder zu Bewusstsein. Andreas hatte sie aufgehoben und auf die Matratze gelegt. Er streichelte ihren Kopf und murmelte beruhigende Worte.

Sie sah zu ihm auf, räusperte sich, gab ein paar verkorkste Silben von sich, dann fragte sie: "Warum hast du dich nicht verwandelt?"

Andreas zuckte mit den Schultern und sagte defensiv: "Woher soll ich das wissen?"

Sie schloss die Augen und murmelte: "Egal. Ich muss schlafen. Ich kann nicht mehr."
Dann war sie weg.

-----

Andreas hatte sie zugedeckt und im Keller allein gelassen. Die Tür war offen, so dass sie jederzeit hoch in die Wohnung kommen konnte, aber er wollte vermeiden, dass Frau Hansen oder sonstwer ihn erwischte, wie er eine spärlich bekleidete Frau durch das Treppenhaus trug, wenn es nicht sein musste.

Er setzte sich an den Küchentisch und starrte vor sich hin.
Die Nacht war eine Katastrophe gewesen. Zuzusehen, wie Anita sich verwandelte, war alles andere als schön. Ihre Behauptung, es würde ein wenig weh tun, war von ihrem verzerrten Gesicht, von dem Krachen und Reißen, mit dem sich ihre Knochen und Muskulatur umgeformt hatten, ad absurdum geführt worden.
Das hatte nicht nur ein bisschen weh getan. Es musste die Hölle sein.

Aber selbst das hätte er dem gegenüber bevorzugt, was ihm passiert war. Nichts. Und dann war er die ganze Nacht mit einer hungrigen Raubkatze in einem Keller eingesperrt gewesen. Nachdem die Verwandlung fertig war, war sie wunderschön gewesen. Wunderschön und gefährlich. Unter dem glänzenden schwarzen Fell hatten stahlharte Muskeln gespielt, sich fertig zum Sprung gemacht.

Sie war das perfekte Raubtier gewesen, die weißen Fänge geblekt, bereit, ihrem Opfer die Kehle herauszureißen.

Und das Opfer war er gewesen. Schon im ersten Moment hatte er die Kontrolle über seine Blase verloren. Und auch anschließend... einen Moment hatte er gedacht, dass sie die Katze wirklich kontrollieren konnte. Aber das schien keineswegs so einfach zu sein.
Es hatte genau sehen können, wie die Katze darauf lauerte, dass Anitas Aufmerksamkeit nachließ, sie die Kontrolle verlor. Als sie endlich auf ihn zusprang, hatte er schon mit dem Leben abgeschlossen. Wie sollte er sich mit bloßen Händen gegen sie verteidigen?

Aber sie hatte es geschafft. Trotzdem war er sich sicher, dass er keine weitere Vollmondnacht mit ihr eingesperrt verbringen würde, wenn er nicht sicher war, dass er sich auch verwandeln würde, um ihr auf gleicher Ebene entgegentreten zu können.

Verwandeln. Warum hatte er sich nicht verwandelt? Was war los? Würde er sich erst heute abend verwandeln? Vielleicht zählte die Nacht vor dem Vollmond für Neulinge nicht, sondern vielleicht ging es erst in der Vollmondnacht los.
Er überlegte, was Anita über ihr erstes Mal erzählt hatte. Da war es wohl ähnlich gewesen. Sie hatte irgend was erzählt, dass sie die ganze Nacht und den Tag verletzt am Fluß gelegen hatte und erst in der richtigen Vollmondnacht zur Werkatze geworden war.

Zufrieden, eine Erklärung gefunden zu haben, stand er auf und kochte Kaffee. Aber bevor die Kaffeemaschine durchgelaufen war, gähnte er lautstark und entschied sich, lieber doch ins Bett zu gehen.

Gegen Mittag weckte Anita ihn auf.
"Andreas! Ist mit dir alles in Ordnung?"

Schlaftrunken rappelte er sich auf. Dann nickte er und gähnte: "Hast du ausgeschlafen?"

"Ja. Eigentlich ein Wunder, nach der Nacht. Ich vermute, sie war für dich genauso wenig schön, wie für mich? Andererseits war es eine gute Übung."

Er starrte sie verwirrt an: "Wieso Übung?"

"Naja. Eine Konzentrationsübung gewissermaßen. Es war ganz schön hart." Sie lächelte, dann fuhr sie fort: "Aber ich glaube, das hast du gemerkt, oder?"

Andreas nickte. "Ja. Meine Güte, hatte ich eine Angst, du würdest mich unabsichtlich umbringen."

Sie lächelte wieder: "Das habe ich gemerkt, aber es wäre nicht unabsichtlich gewesen. Glaub´ nicht, das hätte meinen Kampf um die Kontrolle vereinfacht. So aufgeregt habe ich die Katze noch nie erlebt. Eingesperrt mit einer leckeren Zwischenmahlzeit, die sich auch genau so verhält, wie es ein Beutetier tut..."

"Ich habe mir sowas gedacht", antwortete Andreas mit einem gequälten Lächeln, "aber du hast keine Ahnung, wie furchteinflößend du fauchen kannst."
Dann erzählte er ihr, was er sich überlegt hatte, warum er sich nicht verwandelt hatte.

Anita runzelte nachdenklich die Stirn, aber schließlich nickte sie. "Kann sein. Ich habe einfach keine Ahnung davon. In der Leihbücherei gibt es eine Menge Leitfäden für alle möglichen Lebenslagen, aber keinen einzigen über Wertiere..."
Dann sah sie auf die Uhr. "Wir müssen los, zu der Party."
Sie korrigierte sich: "Ich muss los. Du bleibst hier."

"Wie kommst du auf die Idee? Ich..."

"Ich habe einfach kein gutes Gefühl dabei. Du hast dich bisher noch nie verwandelt. Was, wenn etwas schiefgeht? Was, wenn die doch nicht freundlich zu uns sind?"

Er schüttelte den Kopf: "Ich komme mit und damit basta. Wie sieht das denn aus, wenn wir uns zu zweit anmelden und dann nur einer kommt?"

Sie seufzte.

[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von Butterfly am 02.08.06 um 06:49 geändert
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  RE: Anita Datum:01.08.06 22:59 IP: gespeichert Moderator melden


Auweia, was für eine Nacht.

Aber guck nochmal, was die Korrektur-Software des Forums aus Anitas Katzens|ch****z gemacht hat!!

Da möchte man glatt die Zähne blecken.


Grinsende Grüße

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