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  DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten de
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M A G N U S
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Erlangen


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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:13.05.22 22:13 IP: gespeichert Moderator melden


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Als Gangolf mit seinen Badesachen das Zimmer verließ, fiel ihm ein, daß er die Gasmaske in dem Doppelzimmer liegen lassen hatte. Gerade als er um die Ecke ging, kam ihm Magda entgegen. Er erkannte sie zunächst nicht mit Sicherheit, denn sie trug brav ihre Gasmaske. Erst jetzt wurde Gangolf bewußt, wie anonym man mit dieser Vollgesichtsmaske wurde, man konnte auf Anhieb nicht einmal mehr erkennen, ob es sich bei der Person um einen Mann handelte oder um eine Frau. Hätte Magda nicht ihre verwaschene Shorts angehabt und die verschlissenen Chucks an den Füßen, wäre sie für Gangolf uner­kannt geblieben.

- "Ah, gut daß ich dich treffe", sprach Gangolf die Maskenträgerin an, "ich hab' meine Maske in euerem Zimmer liegenlassen, ist die Martina noch da?"
Magda gab durch die Maske quakend zur Antwort: "Nein, sie ist soeben im Aufzug runtergefahren."
- "Ach, und du wolltest wohl lieber auf der Stiege nach unten gehen?"
- "Sie sagte, ich soll die Treppe benutzen, weil sie lieber allein in dem Aufzug sein wollte."
- "Was, und du tust das brav, wie immer, was sie sagt? Also dann gehen wir zusammen hinunter, damit ich von der Martina den Schlüssel nochmal krieg' ."

In der Empfangshalle angekommen wurde Gangolf sofort scharf von Maria ermahnt:
- "Herr Gangolf, ich hab' Ihnen gesagt, Sie dürfen unter keinen Umständen ohne Maske hier sein, gerade waren Polizeileute da, die kontrollieren ganz streng, auch am Strand müssen Sie mindestens Distanz halten drei Meter, sonst müssen Sie gleich die Maske wieder aufsetzen. Es ist ein Wahnsinn, aber der Virus ist schon überall jetzt!"

Gangolf seufzte, er rief Magda zu, Martina nochmals nach oben zu schicken, er würde vor der Tür warten. Hurtig drehte er um und eilte die Stufen wieder hinauf, um vor dem Doppelzimmer, das jetzt Martina und Magda bezogen hatten, zu warten.
Mißmutig erschien kurze Zeit später Martina, gleichfalls ohne Maske. Sie hatte ihre absichtlich liegen lassen und wurde von Maria diesbezüglich ebenfalls scharf attackiert. Als Martina und Gangolf wieder nach unten kamen, jetzt mit aufgesetzter Maske, war dort auch Bettina erschienen, auch sie trug brav die Gasmaske. Alle vier glotzten sich nun gegenseitig durch die Maskengläser an, sie fanden die Situation urkomisch.

Nicht mehr zum Lachen zumute war den vier Urlaubern, als sie auf die Straße hinaustraten und tatsächlich einen Polizisten der Polizia Municipale sahen, wie dieser in Beglei­tung eines Zivilisten, der eine Armbinde mit der Aufschrift >Guarda Municipale< trug, auf eine Person zuging, die sich unentwegt zwischen die Beine griff und die Intimzone kräftig durchknetete. Gangolf konnte nicht verstehen, was die beiden Offiziellen der onanieren­den Person zuriefen, zum einen war sein Italienisch nicht so perfekt, daß er sofort jede Ansprache verstehen konnte, zum anderen waren die Stimmen durch das den Mund voll­ständig umfassende Gummi sehr gedämpft.

Als die angesprochene Person nicht mit ihren perversen Handlungen aufhörte, ergriffen die beiden Machthaber deren Arme, bogen diese hinter den Rücken und fesselten die Handgelenke mit Kabelbindern aneinander. Die gefesselte Person zappelte in wilden Bewegungen des Oberkörpers hin und her, es mußte eine unheimliche Qual gewesen sein. Bettina und Gangolf erinnerten sich sofort an die Italienerin, welche sie auf dem Grazer Schloßberg getroffen hatten mit den gleichen seltsamen nervösen Zuckungen.

Kaum waren die beiden Ordnungshüter weiter gegangen und um die nächste Ecke verschwunden, lief der Mann oder die Frau mit den auf den Rücken gefesselten Händen zu der nächsten Stange, auf welcher ein Verkehrszeichen angebracht war, ging an diese ganz nah heran und rieb den Intimbereich, den die Person vorher mit den Händen massierte, an dem Rohr. Fassungslos betrachteten die vier Freunde das Geschehen, wortlos kamen sie überein, die Straßenseite zu wechseln, um nicht der armen Kreatur nahe zu kommen.

Gangolf fiel eine Tagesschau-Meldung ein, die vor Monaten von einem seltsamen Virus-Ausbruch in Nationalchina berichtet hatte, daß dort Menschen von einem starken Juckreiz der Genitalien befallen worden seien. Auch in England habe es einzelne Fälle gegeben, doch dann hörte man nichts mehr von den merkwürdigen Vorkommnissen.

Als die Vierergruppe auf die Hauptstraße einbog, gewahrte sie weitere Personen, die sich absonderlich zwischen den Beinen rieben. Bettina deutete mit einer kurzen Kopfbewegung zu einer Person hinüber, die auf der anderen Straßenseite ging, welche der Grö­ße nach und dem kurzen Haarschnitt, aber auch den großen Schuhen, ein Mann sein mußte. Ihre drei Begleiter reckten gleichfalls den Gummirüssel zu dem reibenden Mann. Kurz darauf kam wieder ein städtischer Kontrolltrupp daher; dem Mann gelang es, seine Hände rechtzeitig von seinen Genitalien wegzunehmen, er verschränkte seine Arme auf dem Rücken. Prompt durchzuckten ihn quasi epileptische Anfälle, doch er konnte sich gut beherrschen, die beiden Wächter mit ihren Armbinden blickten nur kurz auf, gingen dann an ihm vorüber. Kaum waren diese vorbei, nahm sich der arme Mann die Hände vom Rü­cken und rieb wieder nach Kräften seinen Penis.

Die vier Freunde glotzten sich sprachlos an, sie glaubten, in einem irrealen Sience Fiction-Film zu sein. Sprachlos näherten sie sich dem Strand. Auf dem Zufahrtsweg waren provisorische Anschläge angebracht, die in mehreren Sprachen das Verhalten am Strand vorschrieben. Im annehmbaren Deutsch lasen die vier, daß Einzelpersonen einen Min­destabstand von drei Metern einhalten müßten, ansonsten galt die Pflicht, die Maske zu tragen. Ehepaare durften ohne Maske zusammensitzen, auch Kinder.

Tatsächlich patrouillierten am Strand weitere Wächter; als die vier ihre Badeutensilien ausbreiteten und die Masken abnahmen, kamen jene sofort daher und mahnten im gebrochenen Deutsch die Einhaltung der Abstände. Gangolf umgriff geistesgegenwärtig Magda und erklärte den beiden Kontrolleuren, daß diese seine Frau sei. Freilich hätte er lieber Bettina umarmt, doch konnte er schlecht einschätzen, ob diese immer noch oder bereits wieder herumzicken würde. Martina stand weiter weg und grummelte etwas vor sich hin, sie entfernte sich, auch Bettina verließ das vermeintliche Paar und trollte sich isoliert in die andere Richtung.

- "So ein richtiger Bockmist", ärgerte sich Martina, "das soll ein Urlaub sein? Morgen fahr' ich nach Hause!"

--

Die beiden Naturforscherinnen brachen ihr Zelt ab, sie verstauten alles in ihre riesigen Trekking-Rucksäcke, welche sie kaum schultern konnten. Durch das Unterholz wankend erreichten sie schließlich das Ufer. Das Balancieren auf dem schmalen Brett des Stegs war nicht einfach, noch höhere Konzentration erforderte das Ablegen der schweren Fracht in den schmalen Kahn. Mühsam kämpften sich die Bootsfahrerinnen durch den Schilfgürtel. Auf dem offenen See blies ihnen ein starker Wind entgegen, die Wellen schaukelten das Schifflein, Inge und Barbara waren heilfroh, als sie dem gegenüberliegenden Ufer immer näher kamen.

Während sie nach Kräften ruderte, thematisierte Barbara nochmals die Schatzkiste:
- "Also du meinst, wir sollten nichts sagen, niemanden, von unserem Fund."

Inge bekräftigte ihre Haltung und entgegnete hintergründig:
- "Ja klar, wir kriegen sonst bloß Ärger, stell' die vor, wenn sich herausstellt, wem das Geld gehört und es ist nicht mehr da, dann wird der Nachforschungen anstellen, der wird sich nicht so leicht zufrieden geben, daß es dann einfach weg ist."

Erst beim Aussprechen dieser Worte wurde es Inge bewußt, daß sie ein Problem bekäme, wenn sie tatsächlich den Schatz irgendwo anders verstecken würde, so leicht ist das nicht, einen solch enormen Geldbetrag sicher zu verstecken. Andererseits wuchs ihre Gier mit jedem Ruderschlag, die Weite der Seeoberfläche ließ ihre Fantasie freien Raum.
'Erst einmal muß ich einen Vorwand finden, nochmals allein auf die Insel zurückzukehren', grübelte sie, 'aber das wird sich schon irgendwie machen lassen.'

Der Wind brauste immer stärker auf, die Gischt spritzte in den Kahn, das Rudern wurde immer mühsamer. Obwohl Inge noch nicht so lange mit dem Rudern daran war, bat sie Barbara, nochmals zu wechseln. Barbara hatte bereits den größten Teil der Strecke gerudert, sie willigte ein, sich nochmals in's Zeug zu legen. Ging das aneinander Vorbeidrücken beim ersten Wechsel zwar mit durchaus bedrohlichem Schaukeln einher, war dieses Manoever gelungen, bei dem zweiten Manoever geschah das Maleur:

Zwar konnte man keiner der beiden eine eindeutige Schuld nachsagen und sie bezichtigten sich auch nicht gegenseitig eines Fehlverhaltens, aber beide hätten den Platzwech­sel konzentrierter angehen können; ein gewaltiger Schwall lief in's Boot, im Verein mit der ohnehin schon schweren Beladung bescherte dieser dem Kahn einen gewaltigen Tief­gang, das Wasser stand zwei handbreit im Boot, gerade daß die Sitzbretter noch trocken blieben, ihre Füße und die Waden standen im kühlen Naß.
Nun ging es noch viel langsa­mer voran als zuvor, Barbara legte sich gewaltig in die Riemen, im Gegensatz zu Inge fror sie dadurch nicht. Inge dagegen begann zu schlottern und versuchte aus ihrem Rucksack schnell irgend ein wärmendes Stoffteil herauszunesteln, das sie sich umlegen wollte. Eine kurze Weile hielt die imprägnierte Haut der Rucksackoberfläche dem Wasser stand, doch mußte sie sich beeilen, damit nicht der gesamte Inhalt durchfeuchtet wurde.

Barbara schimpfte: "Hey, paß' auf, daß wir nicht nochmals eintauchen, dann saufen wir total ab und wir können dann hinüberschwimmen!"
Es gelang Inge, einen Pullover aus dem Sack herauszuangeln, ohne das Schifflein in Schräglage zu bringen. Durch ihr Herummachen achtete sie nicht mehr auf die Navigation; Barbara ruderte nach Leibeskräften, der Wind trieb sie viel zu weit nach Osten ab. Ir­gendwann drehte sie sich um und rief:
- "Ja sind wir denn immer noch nicht da."

Jetzt beobachtete auch Inge das Ufer genauer und sie erkannten in der Ferne die Einfahrt in den Kanal.
- "Sag ´mal, war der Kanal nicht mit Bäumen umgeben?", fragte Barbara, als sich wieder zurückdrehte und weiterruderte.
- "Hm, kann schon sein", entgegnete Inge, legte sich den Pullover über die Schultern und hob ihre Füße auf den Bootsrand. Das Wasser triefte aus ihren Trekkingschuhen.

'Du hast es gut', grimmte Barbara im Stillen, 'immer muß ich die schwere Arbeit machen, das war auf der Insel schon so und das ist jetzt beim Rudern so. Und dann bist du zu blöd, um gleichzeitig mit mir zu Wechseln.'

Barbara war zehn Jahre jünger als Inge und sie war nur Praktikantin, während Inge als Referatsleiterin der Unteren Naturschutzbehörde in Amt und Würden stand. Immer wieder drehte sich Barbara um, sie vertraute den navigatorischen Fähigkeiten ihrer Kapitänin nicht mehr.
- "Also das ist doch nicht unser Kanal, von wo wir gekommen sind", empörte sie sich, als sie von der Kanaleinfahrt nur noch zwanzig Meter entfernt waren.
-"Äh, was?", gab Inge zur Antwort, ihr fiel nichts besseres ein.
- "Weißt du was, das ist der andere Kanal, da kommen wir zur Schlee, aber wir müssen doch eher nordwestwärts, zur Damisch, oder wie der Fluß heißt. Ja, da bin ich mir jetzt ganz sicher, so ein Mist, und du sitzt auch bloß da und sagst nichts, als du das kurze Stück gerudert hattest, hatte ich das Ufer nie aus den Augen gelassen und immer wieder dich korrigiert, mehr westlich zu halten. Verdammt, ich dreh' jetzt um!"

Inge schwieg. Sie fühlte sich schuldig. Ihr war gar nicht bewußt, daß sie aufpassen mußte, während Barbara ruderte. Als diese das Wendemanoever abgeschlossen hatte, setzte sie nach:
- "Ich hab' keine Augen im Hintern, aber du denkst nur daran, dir ein warmes Plätzchen zu schaffen!"

Das Wasser spritzte jetzt noch stärker auf Barbaras Rücken, sie ruderte am Ufer entlang westwärts, fast in den direkten Gegenwind. Nur im Schneckentempo kamen sie weiter, endlich erkannten sie den ersten Baumbewuchs am Ufer. Barbara holte für eine kurze Zeit die Riemen ein, zog die Beine aus dem Wasser und massierte ihre erkalteten Waden. Schuldbewußt bot sich Inge an, weiterzurudern.

- "Nein, nicht nochmal einen Wechsel", lehnte Barbara entschieden ab, "mit den gefrorenen Beinen gelingt mir kein synchroner Wechsel mehr!"
Zornig ließ sie ihre Füße wieder in's Wasser sinken und ergriff die Ruderriemen. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten sie die richtige Kanaleinfahrt, sie erreichten den Steg, an welchem auch Gangolf seine Boote zu Wasser lassen pflegte.

- "Ja komm', beweg deinen Hintern hoch, wir sind da", grollte Barbara, als sie geschickt den Kahn trotz des gewaltigen Tiefgangs an den Steg anlegte. Inge wollte natürlich ihre bereits wieder etwas getrockneten Schuhe nicht erneut auf den Boden stellen, sie zog ihre Knie an und schob sich mit den Beinen in der Luft auf die Seite des Sitzbretts, um sich auf den Steg zu hangeln. Es gelang ihr tatsächlich, ohne Einzutauchen das Holz zu erglimmen. Als sie darauf zu sitzen kam, beugte sie sich in das Boot, während Barbara ihr die Rucksäcke hinaufstemmte. Es war ein gewaltiger Kraftakt, denn die Säcke waren jetzt ordentlich durchfeuchtet. Wieder schwankte der Kahn bedrohlich, doch Barbara war das jetzt egal, sie waren immerhin am Ziel. Sie zog sich nun gleichfalls hinauf und täute das Boot fest.

Inge öffnete ihren zum Großteil durchnäßten Rucksack und kramte in einer Seitentasche nach dem Reserveakku für ihr Smartphone. Bereits vor drei Tagen war der Akku in ihrem Gerät leer geworden; sie hatte der Versuchung widerstanden, den Reserveakku zu verwenden, den sie für Notfälle aufheben wollte. Es war zwar kein Notfall eingetreten, doch wollte sie nun einen wichtigen Anruf in das Umweltamt tätigen, daß man sie jetzt abhole. Ärgerlich stellte sie fest, daß das Innenfach ebenfalls voll Wasser gelaufen war, sie schalt sich selber, den Sack nicht aufgestellt zu haben, damit nur der untere Bereich vollgelau­fen wäre. Beim Durchwühlen kamen ihr die Geldscheine in die Hände, auch diese beka­men das Wasser ab und sie hoffte, daß jene wieder trocknen würden.

Barbara beobachtete Inges Herumwursteln und konnte deren Gedanken lesen, als diese die Geldbündel in den Fingern hielt. Endlich ertastete Inge den Reserveakku, doch ihr kam es sogleich in den Sinn, daß dieser durch das Wasser entladen worden wären.
- "Hast du noch Akkuladung?", fragte sie Barbara.
- "Moment", entgegnete diese, "wen willst du denn anrufen?"
- "Im Amt, daß sie uns abholen, das haben wir vereinbart!"
- "Ach, da ist jetzt wohl gar niemand schon da, ich dachte, daß der Zeitpunkt schon ausgemacht war."
- "Wir können ja schauen, ob jemand oben ist auf dem Weg, der uns erwartet. Aber jetzt gib schon her, hast du Empfang?"
- "Ja, aber nicht mehr viel Ladung", antwortete Barbara und übergab Inge ihr Telephon.

Inge wählte verschiedene Nummern im Amt, endlich hatte sie einen Gesprächspartner erreicht. Das Ergebnis war niederschmetternd. Ihre Kollegen im Umweltamt wurden größtenteils abgezogen zu einer äußerst kurzfristig einberufenen Notfallübung, genaueres wußte die Kollegin auch nicht. Sie hielt es für ziemlich ausweglos, jemanden aufzutreiben, der jetzt nach Wesserbarg hinausfahren könnte. Noch während Inge sprach, verab­schiedete sich das Smartphone mit einen smarten Ton.

Ratlos standen die beiden jungen Damen in ihren triefenden Schuhen da und ahnten nicht im geringsten, was es mit der Notfallübung auf sich hätte.


























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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:20.05.22 18:03 IP: gespeichert Moderator melden


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Das Abendessen auf der großen Terrasse der Pizzeria war alles andere als gemütlich gewesen: Im geforderten Abstand von drei Metern standen die Stühle an winzigen Tischchen, an welchen höchstens zwei Personen sitzen konnten. Wie bereits zuvor am Strand bleib Magda Gangolfs Partnerin, die sich mit ihm einen Tisch teilte, während Bettina und Martina jede für sich getrennt saßen. Ein Gespräch über die Tische hinweg war nahezu ausgeschlossen, unbarmherzig plärrte vom Lokal her ein Lautsprecher schauderhafte Geräusche.

Erstaunlicherweise war es Magda, die mit Gangolf, weit über den Tisch nach vorn gebeugt, ein Gespräch anzettelte:
- "Sag' `mal, wir sind doch hier in Italien am Meer, da kommen doch immer so viele Flüchtlinge aus Afrika an, mit ihren Schlauchbooten. Kommen die auch hierher?"
- "Aber nein", entgegnete Gangolf, die kommen an den Küsten von Sizilien an und nicht hier, hier sind wir am nördlichsten Ende von der Adria."
- "Aber könnten wir hier nicht mit einem Schiff einmal nach Afrika hinüberfahren?"
- "Nein, das glaub' ich nicht, vielleicht von Venedig aus, aber auch das glaub' ich eher nicht, vielleicht von Triest, dort ist ein großer Hafen, aber ob es da eine Fährlinie nach Afrika gibt, ich weiß es nicht. Was willst du denn ausgerechnet in Afrika, Afrika ist groß, es reicht von Ägypten bis Marokko, also die Länder liegen am Mittelmeer."
- "Schade, ich möchte so gern den armen Menschen dort helfen."
- "Ach ja, denen dort Brunnen graben?", erinnerte sich Gangolf an einen Wunsch, den Magda schon einmal geäußert hatte.
- "Ja genau."
- "Und du meinst, daß die das nicht selber können, daß sie dich und uns dafür brauchen?"

Magda schwieg daraufhin. Sie fühlte sich leicht gekränkt, daß ihre Absicht, Gutes zu tun, im Keim erstickt worden war. Sie sah es kommen, daß ihr Gutes Tun auf Martinas Befriedigung beschränkt bliebe, vielleicht ab und zu ein Mittagessen für Gangolf und Bettina kochen, das war es dann.
- "Ich hab' eine Idee", nahm Gangolf den Gesprächsfaden auf, "was hältst du davon, bei uns einen Brunnen zu graben, dann hätten wir gleich das Wasser für die Pflanzen, die im Hochsommer oft verdorren."

Magda blickte ihn mit großen Augen an.
- "Wo, bei dir auf dem Hof?" fragte sie erwartungsvoll.
- "Ja, das wäre doch was, hast du Lust dazu?"
- "Oh ja, gerne, und du weißt sicher, wie man das macht."
- "Ich hab` auch noch keinen gegraben, aber das kann man sicher im Internet nachlesen, dort steht ja eigentlich wirklich alles, was man im Leben wissen muß, bald wird es eine Anleitung geben, wie man Mondgestein sammelt."
- "Ach Gangi, du bist so ein wunderbarer Mensch."

Als die vier von dem Abendessen aufstanden, beschlossen Bettina und Gangolf, noch durch die Gassen der Altstadt zu schlendern und anschließend über die Uferpromenade zu dem Hotel zurückzukehren. Martina wollte indes sofort aufbrechen und den kürzesten Weg über den Binnenhafen einschlagen. Natürlich willigte Magda sofort ein, als jene sie aufforderte, mitzukommen. Martina versprach, Magda nichts anzutun, Gangolf wollte das nicht ganz so glauben, doch er behielt seine Zweifel für sich, denn er sehnte sich darnach, jetzt ohne weitere Debatten mit Bettina den Spaziergang durch die nächtlichen Gassen Caorles anzutreten. Sein Mitleid mit Magda verebbte allmählich; wie oft hatte er sie aufgefordert, Martinas Spiel nicht mehr mitzuspielen, und doch ergab sie sich immer wieder deren Allüren.

Es war ein bizarres Bild, wie die Menschen in der lauen Abendluft mit ihren Gasmasken durch die Straßen zogen. Bettina und Gangolf erreichten nach kurzer Zeit den uralten Dom, dessen Eingangstüren einen halben Meter tiefer lagen als das umgebende Pflaster. Gangolf erinnerte sich bei einem Besuch im oberfränkischen Forchheim, daß man auch dort zu dem Kircheneingang auf einigen Stufen hinuntergehen mußte. Die beiden konnten sich kaum vorstellen, wie das vor Jahrhunderten ausgesehen hatte, als es den nahegelegenen Deich noch nicht gab und damit die Straßen der Stadt nur knapp über dem Niveau des Meeresspiegels gelegen hatten.

Auf dem Deich ergab sich für Bettina und Gangolf ein eindrucksvolles Bild, links erstreckte sich die alte Stadt mit ihren engen Gassen, rechts rollten die Wogen an die Wel­lenbrecher heran, darüber breitete sich der Sternenhimmel aus. Bettina und Gangolf wandelten auf dem Deich entlang zu der Wallfahrtskirche, die am äußersten Ende des Deiches, auf drei Seiten vom Meer umschlungen lag. Durch die weit offen stehende Tür hörten sie, wie drinnen der Rosenkranz gebetet wurde. Sie warfen von außen einen Blick in das Heiligtum, ohne hineinzugehen, um nicht die Betenden in ihrer Andacht zu stören.

Bettina grummelte durch ihre Maske: "Manchmal bin ich euch Katholiken neidisch, ich möchte auch gern an Wunder glauben."
- "Dann tu' es doch", entgegnete Gangolf, "und was heißt da: >euch Katholiken<, du weißt doch, daß ich viel mehr mit euerer evangelischen Kirche mittlerweile zu tun hab' als mit der katholischen."
- "Du hast ja recht", meine Bettina daraufhin.

Auf ihrem Rückweg zum Hotel kehrten sie in eine kleine Bar ein; Bettina und Gangolf mimten ein Paar, der Kellner wies ihnen einen kleinen Tisch am Ende der schmalen Terrasse zu. Bettina bestellte sich Rotwein, Gangolf Weißwein. Beide bekundeten ihre Erleichterung, die Masken ablegen zu dürfen. Was sie voneinander indes nicht wußten, und was jeder für sich tunlichst als Geheimnis behielt, war das geheime Eingeständnis, daß der Maskengummi auf dem Gesicht zu einer nicht unerheblichen sexuellen Erregung führte; bei der Hitze des Tages kam dieses Gefühl nicht auf, im Gegenteil, die Atmung war behindert, man schwitze mit dem Ding vor dem Gesicht, während jetzt, in der kühleren Nachtluft, die Ausstrahlung des Gummis alle Unannehmlichkeiten aufwog.

- „Sind wir hier im falschen Film?“, wollte Bettina wissen, sie konnte es noch nicht richtig begreifen, daß hier tatsächlich alle Menschen mit einer Gasmaske herumliefen.
- „Es wirkt alles so irreal, so wie im Science Fiction, es fehlt jetzt nur noch der Raumanzug“, pflichtete Gangolf bei.
- „Oder ein Kampfanzug“, konterte Bettina, „vielleicht sind wir schon mitten im Krieg und die sagen das uns noch nicht, irgend so ein Giftgasanschlag.“
- „Schauen wir doch einmal im Internet nach, was darüber steht, die müssen doch auch auf Deutsch etwas bringen über Italien, notfalls lesen wir darüber nach auf Italienisch.“

Beide zogen ihre intelligenten Geräte heraus und tippten darauf herum. Übereinstimmend kamen sie zum Schluß, daß da etwas gemauschelt wird, es gab nirgends genauere Informationen, nur soviel, daß man in China den Ausgang eines Virus-Erregers vermutete, der sich über Großbritannien nun auf das nördliche Italien ausgebreitet habe. Auch auf italienischen Medienseiten konnte Gangolf zumindest nicht auf die Schnelle eine kon­krete Hintergrundinformation finden, nur immer soviel, daß alle Politiker dringend zur Einhaltung der strikten Maskenpflicht mahnten.

Die Zeiten des barrierefreien Zugangs zum Internet waren längst vorüber, die staatlichen Stellen aller Länder der Erde nahmen Einfluß darauf, setzten ausgeklügelte elektro­nische Filtertechniken ein, um nur das in’s Netz sickern zu lassen, was ihnen genehm war. Die großen und auch die kleineren Nachrichtendienste arrangierten sich prächtig mit den Aufsichtsbehörden, sie waren nicht mehr so sehr auf Werbeeinnahmen angewiesen, sondern nahmen gerne die >Entschädigungszahlungen< entgegen, um gewisse Nachrich­ten zu unterdrücken.

Als der Wein in Bettinas und Gangolfs Gläsern sich dem Ende zu neigte, lenkte Gangolf das Gespräch auf ein anderes Thema:
- „Sag `mal, Bettina, was ist das eigentlich für eine Geschichte mit der Magda, du kennst sie ja schon länger über deine Beziehung mit der Martina, ich werde aus ihr nicht mehr schlau; daß man devot veranlagt sein kann, das mag mir noch irgendwie einleuchten, aber daß ausgerechnet dieses zierliche Mädchen eine Verbrechen begangen haben soll, daß sie diese elektronische Fußfessel hat, das werde ich wohl nie mehr begreifen.“

Bettina hob ihren Blick und sah Gangolf fest in die Augen. Sie beugte sich über das Tischlein, holte tief Luft und antwortete:
- „Laß’ mich bitte, - also ich möchte jetzt eigentlich dazu nichts sagen, verstehst du, also ich möchte dir natürlich keine Antwort schuldig bleiben, aber weißt du, auch wenn ich kein katholischer Priester bin, fühle ich mich doch verpflichtet, mir anvertraute Dinge zu bewahren und nicht anderen darüber zu erzählen, auch wenn wir vier uns jetzt schon recht intensiv kennen, vielleicht gerade deshalb nicht. Aber ich versprech’ dir, ich werde heute Nacht in mich gehen, ich habe viel zu überlegen und zu überdenken, vor allem mit meinem Verhältnis zu Martina und so weiter. Aber `mal was anderes: Hättest du Lust, morgen mit mir nach Venedig zu fahren, du kannst doch so gut Italienisch und da hätte ich gern einen Reiseführer. Ich werde dir dann morgen auch erzählen, was ich mir so überlegt haben werde.“

- „Äh, ja klar“, entgegnete Gangolf auf diese ausweichende Antwort, „natürlich hab’ ich Verständnis für deine Schweigepflicht, nur bitte versteh’ mich auch, daß ich einfach neugierig werde, was da alles los ist, gerade weil ich ja auch ein Teil dieser Geschichte ge­worden bin. Aber klar, ja und morgen, das find’ ich eine ganz tolle Idee, ich wollte das auch schon vorschlagen, wagte es aber bis jetzt nicht, du weißt schon, ich glaub’, mit den beiden ist nicht so viel kulturell anzufangen, aber vielleicht täusche ich mich auch.“

- „Ja, das siehst du schon richtig, ich glaub’, es ist den beiden auch viel lieber, vor allem Martina, wenn sie sich mit Magda beschäftigen kann, oder ein bißchen Shopping hier und so weiter.“
Als Bettina und Gangolf in das Hotel kamen, lauschten sie eine Weile vor der Tür von Martinas und Magdas Doppelzimmer. Es drangen keine Geräusche heraus, so daß jene sich in der berechtigten Hoffnung wogten, es sei alles mit diesen in Ordnung.
Kaum hatte sich Bettina in das Bett ihrer Einzelzelle gekuschelt, wie Gangolf ironisch die kleinen Zimmer schmähte, hielt jene tatsächlich Zwiesprache mit ihrem Schöpfer:

- „Ist es wirklich dein Wille, daß sich nur Mann und Frau lieben sollen? Sind nicht beides Abbilder deiner göttlichen Natur? Und was war da mit Jesus, der war doch auch dauernd von seinen Jüngern umgeben; war er am Ende schwul? Freilich waren da die Geschichten mit Marta und Magdalena, und auch seine Mutter Maria liebe er wohl sehr, auch wenn er sie auch immer wieder enttäuschte, geradezu frech: >Weib, was willst du von mir, meine Stunde ist noch nicht gekommen<. Oder die Sache im Tempel, als er den Eltern entwischte und als Knabe im Tempel sprach: >Was ist’s, daß ihr nach mir sucht?<. Oder wie der eine fremde Frau am Brunnen barsch aufforderte: >Gib mir zu trinken<.

Heute würde dieselbe Frau wohl antworten: >Hol’ dir doch selber was aus dem Brunnen<.
Sollten das alles Hinweise auf Jesu gestörtes Verhältnis zu Frauen sein, Hinweise auf seine Homosexualität? Wo waren da beim Abendmahl die Jüngerinnen? Freilich trös­tete Jesus auf seinem Weg nach Golgotha die weinenden Frauen von Jerusalem. Jesus, du bist schon eine ganz besondere Figur, ein Kleinkrimineller? Schickt er doch prompt seine Jünger in das Dorf, um einen Esel zu stehlen. Und auf den Einwand, was würden die Leute sagen, dann sollen sie dreist antworten: >Der Herr braucht ihn<.“

Zwar konnte er natürlich nicht verstehen, was da Bettina murmelte, doch Gangolf vernahm in seinem Zimmer, daß diese tatsächlich irgend etwas sagte. Es war sicherlich kein Telephongespräch. Er mutmaßte ein Selbstgespräch. ‚Haderte sie tatsächlich mit sich selbst’, ging es Gangolf durch den Kopf. ‚Vielleicht. Wahrscheinlich. Abwarten.’ Mit diesen Gedanken schlief er ein.

Er hätte sich nicht träumen lassen, daß an diesem Tag seine Scheune in Wesserbarg zur Zufluchtsstätte zweier gestrandeten Frauen geworden war.











































































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Inge und Barbara schleppten sich mit ihren vollbepackten und durchnäßten Trekking-Rucksäcken auf den schmalen Weg vom Ufer weg auf die Anhöhe. Kaum hatten sie den Baumbestand und das Buschwerk entlang des Kanalufers verlassen, blies ihnen von hinten ein scharfer Wind zu. Die Wolken zogen immer schneller bedrohlich auf ihrem Weg nach Osten, sie wurden immer dunkler, es zog ein Unwetter herauf. Inge wagte einen Blick zurück und rief entsetzt:
- „Schau’ `mal, dahinten geht die Welt unter.“

Auch Barbara drehte sich jetzt um und blickte in den dunkelgrauen Himmel im Westen.
- „Gehen wir schnell dort zu dem Hof“, schlug sie vor; kaum daß sie die Worte formuliert hatte, fielen die ersten Regentropfen. Schnell zogen sie sich die Kapuzen über den Kopf und stapften zu dem Haus.
- „Zu blöd auch, daß wir nicht die Gummistiefel angezogen hatten“, ärgerte sich Inge.
- „Das sah’ heute morgen nicht unbedingt nach einem Unwetter aus“, entgegnete Barbara, „und daß wir beim Wechsel einschöpfen würden, hätten wir natürlich auch nicht ge­dacht.“
‚Nicht schon wieder dieses Thema’, dachte sich Inge, doch sie schwieg.

An dem angepeilten Haus angekommen suchten die beiden Frauen vergeblich nach einem Klingelknopf. Der Regen wurde stärker, die Tropfen prasselten jetzt richtig stark hernieder. Sie klopften und riefen, drückten schließlich auf den Türdrücker. Ihre Freude, anstelle des üblichen Türknaufs einen Drücker vorzufinden, wurde schnell zunichte gemacht, als sie diesen niederdrückten und feststellen mußten, daß abgesperrt war.

- „So ein Mist“, fluchte Inge, „laufen wir zu der Scheune!“
Es gelang den beiden, das Schiebetor aufzuschieben. Als das Tor weit genug aufgeschoben war, schlüpften sie schnell hinein. Kaum hatten sie die Zuflucht eingenommen, dröhnte ein gewaltiger Donnerschlag hernieder.
- „Puh, ein Glück, daß uns das nicht auf dem Wasser erwischt hat“, gab Inge zum Besten.
- „Viel nässer wären wir auch nicht geworden“, gab Barbara zurück.
‚Schon wieder diese Anspielung’, ärgerte sich Inge im Stillen. Sie schauten sich um und erkannten in dem dämmerigen Schein des nur wenig geöffneten Tors die zwei Kajaks, die auf Brettern an der linken Wand lagen.

- „Bist du damit schon `mal gerudert?“, fragte Inge, um auf andere Gedanken zu kommen.
- „Ja, hab’ ich, mit meinem Freund leihen wir uns immer wieder `mal welche aus für eine Paddeltour, ist schon was anderes als mit dem Kahn.“
Skeptisch betrachtete Inge die schmalen Plastikteile und meinte:
-„Viel kann man da ja nicht mitnehmen.“ Ihre Frage beinhaltete einen Hintergedanken.
- „Oh doch, man muß nur richtig verstauen, auf mehrere kleine Gepäckstücke, nicht so riesige Rucksäcke, es gibt auch extra total wasserdichte tonnenförmige Behälter, das ist schon praktisch, da bleibt dann alles trocken darin, ganz gleich, ob es regnet oder sonst was.“
‚Sonst was’, wiederholte Inge im Geiste und ärgerte sich schon wieder über Barbaras erneute Anspielung. Doch dann faßte sie einen anderen Plan. Zunächst galt es, das Unwetter abzuwarten und einen Weg zu finden, von hier weg zu kommen.

Die beiden Naturforscherinnen setzten sich nieder und zogen die feuchten Schuhe aus. Dann zogen sie sich auch die nassen Socken von den Füßen und rieben diese, um sie zu wärmen. Ihre Gummistiefel waren zu unterst verstaut, sie mußten die gesamten Inhalte der Rucksäcke ausleeren, um zu ihnen zu gelangen. Sie zogen sich neue Socken über, die glücklicherweise trocken geblieben waren. Es war ein ganz anderes Gefühl, warme und vor allem trockene Füße zu haben. Mit diesem angenehmen Gefühl lächelten sich die beiden an und umarmten sich.

- „Es ist doch ein Glück, hier diese Scheune rechtzeitig erreicht zu haben“, stellte Inge fest und Barbara pflichtete ihr bei.
So schnell das Unwetter heraufgezogen war, so schnell zog es vorüber. Ein paar Mal donnerte es noch, doch wurden die Donnerschläge immer schwächer. Durch den Spalt in dem Tor sahen sie jetzt im Norden ferne Blitze niedergehen, erst viel später folgte der Donnerschlag.

- „Wie war das mit der Entfernung zum Blitz, weißt du das noch?“ fragte Inge.
- „Ganz einfach“, antwortete Barbara mit vergnüglichem Selbstbewußtsein, „der Schall breitet sich etwa mit 300 Meter in der Sekunde aus, also wenn du bist drei zählst, bis der Donner kommt, dann ist der Blitz etwa einen Kilometer weg.“
- „Also ich glaub’, wir können dann wieder los“, meinte Inge, die Donnerschläge dauern schon viel länger und sind auch leiser geworden.“
- „Wart’ halt noch ab, bis der Regen aufgehört hat.“
- „Ja, ich guck’ `mal“, stimmte Inge zu und ging zum Tor.
- „Im Westen wird es schon wieder hell, warten wir noch eine Weile, dann ist das ganz vorüber.“

- „Weißt du eigentlich, wo wir hier genau sind?“, wollte Barbara wissen, als sie mit Inge den Hof verließ und auf der Ebene Ausschau hielte. Vor ihnen lag ein ausgewaschener Feldweg mit zahlreichen Schlaglöchern, die randvoll mit Regenwasser gefüllt waren.
- „Keine Ahnung, aber ich glaub’, hier sind wir hergekommen mit dem Jeep.“
- „Hm, kann sein, es wahr jedenfalls sehr holprig, die letzten Kilometer.“
- „Lassen wir doch die Rucksäcke zurück, ich hab’ keine Lust, das schwere Zeug kilometerweit zu schleppen.“
- „Und wo sollen wir die hier verstecken?“
- „Bringen wir sie zurück in die Scheune, wem die auch immer gehört, der Besitzer scheint ein argloser Mensch zu sein, denn sonst hätte er die abgesperrt, schon allein wegen der Boote.“
- „Na, wenn du meinst, du bist die Chefin, ich möchte nicht schuld sein, wenn `was wegkommt von unseren Sachen.“
- „Ach, wir kommen doch gleich wieder zurück, sobald wir eine Fahrgelegenheit gefunden haben.“

Insgeheim war Barbara froh, daß sich Inge dazu entschlossen hatte, das schwere Gepäck in der Scheune zurückzulassen. Mit den Gummistiefeln war das Marschieren deutlich anstrengender als mit den Trekking-Schuhen.
Die Last hinter sich gelassen stiefelten die beiden Frauen zu dem Weg hinaus und begannen erleichtert ihre Wanderschaft.
Nachdem sie eine Weile schweigend vorangeschritten waren, sagte Inge:
- „Wir müssen ohnehin nochmals her, um den Kahn auszuschöpfen, damit wir den dann auf den Anhänger ziehen können. Das wird wieder so ein Kraftakt.“

Im gleichen Atemzug bereute Inge, diese Worte ausgesprochen zu haben, ihr Plan war es, alleine zurückzukehren und erst später den Kahn aus dem Wasser zu ziehen.
- „Ach, zusammen schaffen wir das“, war sich Barbara sicher, „wenn wieder der nette Typ uns herfährt, der hat uns doch auch so toll geholfen, den Kahn in’s Wasser zu bringen.“

Wieder schwiegen sie eine Weile, dann kam es Barbara in den Sinn:
- „Sag’ `mal, ist der Akku wirklich total leer von der Feuchtigkeit im Rucksack?“
- „Weiß ich nicht“, konterte Inge, „ich nehme schon an, ja.“
- „Wir haben das gar nicht ausprobiert, verdammt, und jetzt liegt er wahrscheinlich in deinem Rucksack.“
- „Ja klar, ich schlepp’ doch nicht hier leere Akkus mit, ich hab’ auch mein Smarti dort hineingesteckt, bringt ja jetzt eh’ nichts.“
- „Zu dumm, wir hätten das ausprobieren sollen, ich hab’ auch nimmer d’ran gedacht, als mein Akku aus war.“
- „Jetzt laufen wir aber nicht mehr zurück, schau, da vorne sind Häuser zu sehen, da werden wir schon jemanden finden, der uns telephonieren läßt.“
- „Und wen sollen wir anrufen, wenn doch alle auf dieser seltsamen Notfallübung sind? Was ist das eigentlich für eine Übung?“
- „Das weiß ich auch nicht“, mußte Inge eingestehen, „hatten wir noch nie.“

---

Brause konnte nicht einschlafen. Das kam nicht so häufig vor, aber ohne ersichtlichen Grund blieb er in dieser Nacht lange wach. Tausend Gedanken durchstreiften seinen müden Geist, an einem blieb er schließlich hängen:
‚Was ist mit der Geldkassette geworden, niemand verliert eine Geldkassette, noch dazu irgendwo im Schleewald. Wieviel war darinnen? Gab es einen Hinweis auf den Eigentümer, ein Aufkleber oder was?’
Seine kriminalistische Neugier ließ ihn keine Ruhe. ‚Morgen werde ich der Sache nachgehen’, beschloß er, ‚hilft gegen die Langeweile, dann ein kurzer Bericht geschrieben, und die Sache ist erledigt.’

Mit diesem für ihn beruhigenden Gedanken schlief er ein. Daß seine Nachforschungen weite Kreise ziehen sollten, hätte er sich freilich nicht vorstellen können.














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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:03.06.22 20:58 IP: gespeichert Moderator melden


56


Beim Frühstücken waren sich die vier Urlauber schnell einig, daß die Kunstbeflissenen Venedig besuchen, die Lustbeflissenen dagegen sich in den Betten und am Strand räkeln würden. Bettina und Gangolf schwangen sich in's Auto, um nach Tre­porti zu fahren. Von diesem Lagunenhafen aus wollten sie mit dem >Vaporetto< nach Venedig hinübertuckern. Martina und mit ihr Magda im Schlepptau wollte durch Caorle bummeln, um die Geschäfte eingehend zu besuchen. Martina brauchte ständig neue Einkleidung, während Magda seit Jahren immer in den gleichen Sachen herumlief. Später wollten die beiden wieder zum Strand, der dann von der Nachmittagson­ne aufgeheizt sein würde.

Als Bettina und Gangolf in Treporti angekommen waren, sahen sie, wie ein Schiff abfuhr. Sie waren offenbar wenige Minuten zu spät gekommen und mußten nun eine Dreiviertel Stunde auf das nächste Boot warten. Sie nutzen die Wartezeit für einen Rundgang um das alte Hafengebäude. An seinem einen Ende stand eine Verkaufsbude für allerlei nützliche und unnütze Dinge; zu den nützlichen zählten sicherlich was­serfeste Beinbekleidung. Der Verkäufer pries ihnen hüfthohe Überzieh-Stiefel an aus strapazierfähigem wasserdichten Obermaterial. Er war sehr erfreut, als ihn Gangolf auf Italienisch ansprach. Er teilte ihm mit, daß in Venedig wieder Hochwasser sei, das berühmte >aqua alta<; man habe zwar, wie immer, Stege über den Markusplatz auf­gebaut, damit die Touristen und die wenigen Stadtbewohner einigermaßen trockenen Fusses darüber kamen, doch in vielen Gassen und Nebenplätzen fehlten diese Stege.

Gangolf war zögerlich, ob er diesem geschäftstüchtigen Verkäufer trauen sollte, Bettina zog hurtig ihr I-Pad heraus und bestätigte die katastrophale Hochwassersituation in Venedig. Erst jetzt wurde den beiden bewußt, daß auch hier in Treporti das abfah­rende Schiff fast auf Straßenniveau zu sehen gewesen war; der Wasserstand war demnach auch hier sehr hoch. Unschlüssig ließen die beiden ihre Blicke über die Wa­ren in dem Verkaufsstand schweifen, Gangolf erkannte zwischen den zahlreichen Kleidungssachen ganz hinten Wathosen. Diese waren im Preis nicht viel höher als die von dem Verkäufer angepriesenen langstulpigen Gummistiefel.

- "Was ist mit denen da", rief Bettina aus, als sie in dem Moment ebenfalls die Wathosen gesehen hatte.
- "Was hast du denn für eine Schuhgröße?", entgegnete Gangolf, "die Hosen sind normalerweise immer viel zu weit für uns Schmalgebauten, wichtig ist immer die Schuh­größe."

Nach einer Weile des Hin- und Herüberlegens schlüpften Bettina und Gangolf probehalber in die Wathosen, um zu sehen, ob die Schuhweite paßt. Der Verkäufer war überaus behilflich und beschwor, wie wichtig es in diesen Tagen sei, diese wasserdichten Sachen in Venedig zu haben - er sollte durchaus recht behalten.

Bettina und Gangolf liefen mit ihren frisch erstandenen Kleidern zum Auto; dort zogen sie ihre Jeans aus, warfen diese zusammen mit den Schuhen in den Kofferraum und stiegen in die Wathosen. Für beide war es ein unheimliches Gefühl, mit den grünen Wathosen und den grünen Gasmasken zur Mole zu watscheln; dort sahen sie andere Leute, welche die hüfthohen Gummistiefel trugen und gleichfalls zur Schiffsanlegestelle eilten. Bettina und Gangolf mußten sich beeilen, denn durch den Kauf war die dreiviertel Stunde Wartezeit schnell vergangen.

Während Bettina und Gangolf auf dem Vaporetto Venedig entgegensteuerten, begab sich Martina auf Shopping-Tour durch Caorle. Obwohl sie mit ihren 1 Meter 80 zu den an sich schon großen Frauen zählte, konnte sie es nicht lassen, immer wieder extravagante High Heels aus den Regalreihen der Schuhgeschäfte auszusuchen. Während sie verschiedene Paare aussuchte und es als ihr persönliches Problem ansah, daß ihr an den anprobierten Modellen immer irgend etwas nicht paßte, sei es die Paßform selbst, sei es die Form der Schnallen, die farbliche Aufmachung oder überhaupt die gesamte Erscheinungsform, hatte Magda derweil im Hotelzimmer ein ganz anderes persönliches Problem.

Als die beiden Reinigungsfrauen anklopften, verharrte Magda, anstelle irgend etwas zu rufen, in unbeweglicher Stille. Arglos sperrten sie auf und waren erstaunt, als sie Magda auf dem Boden im Hogtie gefesselt vorfanden. Sie riefen etwas auf Italienisch, was Magda nicht verstand, dann sagte die eine im gebrochenen Deutsch:
- "Haben Sie Hilfe?"

Magda streckte ihren Kopf empor, soweit es die Seile zuließen, schüttelte den Kopf und sagte:
- "Nein, danke, alles in Ordnung."
Die beiden Reinigungsfrauen blickten weiterhin ratlos auf die gefesselte Magda herab, diese fuhr fort:
- "Machen Sie ruhig sauber, lassen Sie sich nicht stören."

Zur Bekräftigung ihrer Worte versuchte Magda ein Lächeln aufzusetzen, was durch die Verspannungen des gesamten Oberkörpers nicht recht gelingen wollte. Schließlich wendeten sich die Putzfrauen um und verließen das Zimmer. Magda hörte sie durch die geschlossene Tür auf dem Gang aufgeregt diskutieren.

Als nächstes öffneten die Reinigungskräfte Bettinas Zimmer. Sie mußten sich einen Weg bahnen durch einen wahllos zusammengewürfelten Haufen von Kleidungssachen und Schuhen. Wieder waren sie entsetzt, diesmal über das hier herrschende Chaos. Die eine entdeckte in dem Gewurrel Bettinas megahohen Stiefeletten, sie nahm diese in ihre Hände und zeigte sie ihrer Kollegin. Fasziniert bewunderten beide die Schuhmacherkunst, erstere setzte sich auf das Bett und vertauschte ihre Sandalen mit diesen besonderen Schuhen. Unsicher erhob sie sich und genoß das Gefühl, schlagartig fünfzehn Zentimeter größer geworden zu sein. Vorsichtig stakste sie vorwärts, ihre Kollegin schaffte ihr freie Bahn, indem sie alles, was auf dem Boden lag, kurzerhand auf das Bett warf. Mit großem Gekicher blickte sie auf ihre Kollegin herun­ter, schließlich tauschten sie, und auch die Kollegin fand große Freude daran, diese Wolkenkratzerschuhe auszuprobieren.

Als Bettina und Gangolf das Vaporetto verließen und den Anleger-Ponton >San Zaccaria< betraten, bemerkten sie zunächst nicht das Hochwasser, welches das gesamte Ufer überspülte. Sie zwängten sich im Gänsemarsch mit den anderen Fahrgästen über den Steg, der zu der >Ponte della Paglia< führte und dann weiter am Dogenpalast entlang. Auf der Brücke blieben sie kurz stehen, um der >Ponte dei Sospiri< einen Blick zuzuwerfen, jener berühmten Seufzer-Brücke, welche vom Dogenpalast zu dem schrecklichen Gefängnis auf der anderen Seite des Kanals führte, zu den >Bleikam­mern<. Unwillkürlich kam Bettina Giacomo Casanova in den Sinn, dem es gelungen war, von dort zu fliehen. Es blieb den beiden indes keine Zeit, auf dem Brücklein län­ger zu verweilen, denn die Nachfolgenden drängten zum Weitergehen.

Als Bettina und Gangolf an die erste der beiden Säulen mit dem Markuslöwen kamen, öffnete sich nach rechts ein weiterer Steg, der rechtwinklig in Richtung Markusplatz abzweigte. Auf der Höhe des Markusdoms führte eine Treppe zu den gewaltigen Portalen. Diese waren leider geschlossen. Die beiden beschlossen, dennoch hinunter zu steigen und damit den Steg zu verlassen. Sie wollten ausprobieren, wie es sich an­fühlt, mit den Wathosen in das Wasser zu steigen.

Vorsichtig setzte Gangolf Fuß für Fuß auf die überfluteten Stufen. Mit jedem Schritt weiter nach unten in die Tiefe wurde er langsamer, er konnte nicht glauben, daß der Platz so hoch überschwemmt war. Bettina wartete auf dem Steg, sie blickte gespannt auf Gangolf hinunter, wie dieser immer weiter in die Fluten stieg. Endlich war er mit beiden Füßen auf dem Pflaster angekommen, er ließ das Geländer los und wagte freihändig die ersten Schritte. Dankbar blickte er auf seine Wathose herab, welche ihn absolut wasserdicht im hüfthohen Wasser stehen und gehen ließ. Nachdem die letzten Luftblasen aus den Beinröhren nach oben glucksten, hielt er einen Moment stille und genoß den Druck des Wassers gegen seinen Unterleib.

Nach einigen Sekunden drehte sich Gangolf zu der auf dem Steg wartenden Bettina um und gab ihr ein Zeichen, ihm die Stiege hinunter zu folgen. Mit klopfendem Herzen betrat nun auch Bettina die in das Wasser führende Stufen und stieg vorsichtig hinab. Als sie endlich das Ende der Treppe erreichte, verspürte auch sie einen lustvollen Druck auf ihren Unterleib. Um das Gleichgewicht zu halten, schritt sie vorsichtig mit ausgebreiteten Armen in Gangolfs Richtung. Sie fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, durch einen Fehltritt zu stürzen und in das kalte Salzwasser zu fallen. Das Wasser reichte ihr knapp unter die Brüste, sie mußte sich stets aufrecht halten, damit das Wasser nicht über den Rand der Wathose in ihren Körper hineinlief.

Allmählich gewöhnten sich Bettina und Gangolf an die neue Art der Fortbewegung, und die Lust an der skurrilen Situation überwog die Angst, bei einem Fehltritt zu stolpern. Mutig stapften sie am Dom entlang und betraten an dessen Ende eine schmale Gasse mit ei­nem großen Wegweiser zur Rialto-Brücke. Sie folgten der Wegweisung durch die verwinkelten Gassen, das Wasser stand hier nicht mehr ganz so hoch wie auf dem Markusplatz.

Auf beiden Seiten der Rialto-Brücke stauten sich die Schiffe. Die Wasseromnibusse, die >Vaporetti<, konnten nur in der Mitte des Brückenbogens hindurchfahren, um nicht anzustoßen, ein Begegnungsverkehr war ausgeschlossen. Vom Dach eines Polizeiboots plärrte ein großer Lautsprecher lautstark Durchsagen, um den Verkehr geregelt zu bekommen. Gangolf verstand kein Wort, offensichtlich hatten aber selbst die italienischen Bootsführer Probleme damit, denn der Beamte mit dem Mikrophon auf dem Polizeischiff riß entnervt seine Gasmaske vom Gesicht und schleuderte sie im hohen Bogen über Bord. Tatsächlich war seine Stimme aus dem Lautsprecher nun verständlicher und es gelang, das Chaos unter Kontrolle zu bekommen.

Bettina und Gangolf stiegen über die Brücke und beobachteten das Gewusel auf dem Canal Grande. Sie hatten den Eindruck, in einem Sience fiction-Film mitzuwirken: Auf den Stegen drängten sich die Menschenmassen, die Beine in hüfthohen Stiefeln gehüllt, die Köpfe in Gasmasken. Auf dem Wasser drängten sich Vaporetti, Lastkähne, Wassertaxi und Gondeln. Das Heulen einer Sirene kam näher, mühsam kämpfte sich ein Rot-Kreuz-Boot durch die sich stauenden Bootsschlangen. Das Heulen der Sirene übertönte das Lautsprecher-Geplärre des wackeren Carabiniere, wodurch das Chaos nur noch schlimmer wurde. Dem Sanitätsschiff blieb nichts anderes übrig, als zu warten, bis sich die Boote aus der anderen Richtung durch die schmale Brückendurchfahrt gezwängt hatten.


In den Gassen westlich der Rialto-Brücke wurde es wesentlich ruhiger, nur noch wenige Passanten watschelten in ihren überdimensionalen Gummistiefeln durch die Fluten. Bettina und Gangolf gelangten an einen Kanal, der quer zum Canal Grande verlief. Sie sahen viele Hausfronten, die mit Balken quer über den Kanal gegeneinander abgestützt waren, an einer Stelle gab es auch eine Baulücke, die anscheinend durch ein eingestürztes Haus entstand. In ihren Wathosen wateten die beiden an dem Kanal entlang, bis sie zu dessen Einmündung in den Canal Grande kamen. Von der Mündungsecke aus hatten sie einen weiten Ausblick über den großen Kanal, Gangolf deutete auf die gegenüberliegende Ufer­seite und quakte durch die Gasmaske:

- "Schau' `mal dort hinüber, siehst du die Stelle, wo die Steinhaufen liegen; da ist im Frühjahr der Palast Ca' d'Oro eingestürzt!"
- "Ach, tatsächlich, ja, ich erinnere mich, da war das also!" quakte Bettina zurück.

Allmählich verspürten die beiden Venedig-Besucher Hunger, doch es sah nicht darnach aus, daß sie irgendwo zu Essen bekommen würden. Alle Ladeneingänge waren durch Aluminiumplanken abgeschottet, das öffentliche Leben kam weitgehend zum Erliegen. Ziellos kreuzten die beiden in dem Gassengewirr in südliche Richtungen und kamen dabei auf einem größeren Platz heraus, ein Straßenschild wies ihn als >Campo San Polo< aus. Auf seiner Mitte stand einsam ein Baum. Bäume waren Seltenheit in dieser vom Salzwasser bedrohten Großstadt; beim Näherschreiten durch die Fluten entdeckte Bettina die Lehne einer Parkbank, deren oberer Rand knapp aus dem Wasser lugte.

- "Setzen wir uns dort ein bißchen unter den Baum", schlug sie vor.
- "Äh, wie sollen wir uns da setzen, da läuft uns doch die Soß' in die Hosen hinein", quakte Gangolf fragend zurück.
- "Da ist doch eine Bank, siehst du nicht die Lehne?"

Jetzt erkannte auch Gangolf die waagrecht aus dem Wasser ragende Stange, die auf eine Rückenlehne schließen ließ. Tatsächlich sahen sie beim Näherkommen in dem klaren Wasser die metallene Bank, deren Sitzfläche vom Wasser überspült war.

- "Komm', das wird lustig", feuerte Bettina Gangolf an und ergriff seine Hand, um ihn mit sich zu der Bank zu ziehen.

Tatsächlich war es für beide ein ganz neues eigenartiges Gefühl, sich in dem Wasser auf eine Bank niederzusetzen. Reichte das Wasser bislang meistens nur bis zu den Oberschenkeln, tauchten sie mit ihren Wathosen im Sitzen wesentlich tiefer und Bettina muß­te aufpassen, daß sie nicht über ihren Brüsten einschöpfte. Sie genoß das unbeschreibliche Gefühl, wie das Gummi-Kunststoff-Gemisch sich fest um ihren Unterleib und nun auch um ihre Brüste spannte. Ihre Erregung wuchs ständig an, schließlich erhob sie sich, richtete sich vor Gangolf auf, hielt sich mit beiden Händen links und rechts von Gangolfs Schultern an der Rückenlehne fest und kniete sich leicht gespreizt auf die Sitzfläche ne­ben Gangolfs Hüften.

'Nun ist es endlich soweit', dachte sich Gangolf und zog erwartungsvoll seine Gasmaske vom Gesicht. Bettina ließ sich auf seine Knie sinken, nahm ihre Hände von der Lehne und zog sich gleichfalls die Maske ab. Doch kaum, daß beide die frische Salzluft ungefiltert in ihren Nasen einsaugen konnten, gellte von Ferne ein Pfiff aus einer Trillerpfeife und unmittelbar danach erscholl ein unverständlicher Schrei. Erschrocken sahen sich die beiden um und gewahrten aus dem Erker eines den Platz umgebenden Häuser einen Schutz­mann, der drohend seinen ausgestreckten Zeigefinger erhoben hatte.

Nervös versuchte sich Bettina, das Ungetüm wieder über ihr zartes Gesichtlein zu ziehen, doch in der Aufregung wollte es ihr nicht recht gelingen.

- "Zieh' erst die Bänder auf der Seite etwas länger, dann kriegst du das Mistding leichter umgeschnallt", riet ihr Gangolf. Unwillkürlich wurde er an die Bundeswehr erinnert, als er als einer der letzten Jahrgänge die Wehrpflicht ableisten mußte und dort unter vielen anderen Unannehmlichkeiten dem >Maskendrill< unterlegen war: Das Auf- und Absetzen der Gasmaske mußte auf Kommando blitzschnell erfolgen; mit Grausen kam ihm die Dichtheitsprüfung in Erinnerung, als er mit den Kameraden in eine Gaskammer, >Café Eichmann< genannt, getrieben wurde, welche mit einem Tränengas gefüllt war. Wehe dem Kameraden, dessen Maske nicht absolut dicht gewesen war!

Und eine ganz andere Sache fiel Gangolf ein, die zweite Strophe von Silchers düsterem Morgenrot-Lied:
>Kaum gedacht, kaum gedacht, wird der Lust ein End' gemacht!<

Gangolfs Vorfreude platzte wie eine Seifenblase und auch Bettinas Erregung war jäh zum Erliegen gekommen. Mit einem Ruck erhob sich Bettina von Gangolfs Knie. Beide kamen überein, irgendwie wieder den Canal Grande zu erreichen, um über die Rialto-Brücke zurück zum Markusplatz zu gelangen. Zu ihrem Schreck stellten sie fest, daß das Wasser weiter gestiegen war und sie beschlossen, auf dem Rückweg nun die Stege zu verwenden, da das Watscheln in dem hohen Wasser anstrengend und auskühlend war. Sie spürten den Drang zum Wasserlassen, was in ihrem Gehäuse natürlich nicht möglich war. Auf dem Markusplatz waren nun selbst die Stege überschwemmt, so daß sie auf diesen bis zu den Knöcheln im Wasser standen. Sie mußten besonders vorsichtig vorwärts schreiten, stets darauf bedacht, nicht zu weit seitlich zu treten. Glücklicherweise konnten sie in dem klaren Wasser gut die Konturen des Stegs und des einen Meter tiefer liegen­den Pflasters des Platzes erkennen.

Um keine Zeit zu verlieren, bogen Bettina und Gangolf an den Säulen nach rechts zu den Giardini ab, um dort zum Schiffsanlager San Marco zu kommen. Ein Lautsprecher plärrte irgend etwas größtenteils Unverständliches, Gangolf vernahm nur etwas von >ultima barca<. Glücklicherweise erkannte er die richtige Liniennummer, sie beeilten sich, auf den Ponton zu gelangen, um mit dieser >letzten Barke< das Eiland zu verlassen. Der Ponton-Schiffsanleger war weit in die Höhe gehoben, sie mußten die Rampe steil nach oben steigen, um vom Steg auf das Wartehäuschen zu gelangen. In letzter Sekunde sprangen Bettina und Gangolf auf das Schiff, der Bootsmann war bereits zugange, das Seil zu lösen. Dieser erklärte Gangolf in einfachen Worten, daß das tatsächlich das letzte Vaporetto sei, bis die Flut am Nachmittag wieder abklingen würde. Der gesamte Schiffs­verkehr würde nun eingestellt werden.

Glücklich fläzten sich die beiden auf eine Bank im Inneren des Schiffes, Bettina schmiegte sich an Gangolfs Seite und ergriff dessen Hand. Wie gerne würden sie sich von der Maske befreien, doch wagten sie nicht nochmals diese Offenbarung. Gangolf ahnte indes, daß Bettinas Zuneigung bald wieder ein Ende haben könnte und tatsächlich sollte sich seine Ahnung als richtig erweisen.



































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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:10.06.22 22:46 IP: gespeichert Moderator melden


57

Die beiden Zimmermädchen hatten nicht viel zu tun, es waren nur noch wenige Hotelgäste anwesend. Als sie mit den Arbeiten auf den Zimmern fertig waren, kehrten sie in das Doppelzimmer zurück. Dort fanden sie Magda immer noch gefesselt auf dem Bauch liegend.
- "Alles gut?" fragte die eine, die etwas Deutsch konnte.
- "Alles gut", antwortete Magda und versuchte dabei ein Lächeln.

Die Zimmermädchen setzten sich an Magdas Seite auf den Boden und begannen, deren nackte Haut am Rücken zu streicheln. Als sie erkannten, daß Magda ihre Zuwendungen gefiel, strichen sie durch ihr Haar und berührten ihre Wangen. Magda nickte mit einem leichten Seufzer und versuchte, sich auf die Seite zu drehen. Die beiden Italienerinnen halfen nach, so daß Magdas gesamte Schönheit vor ihnen ausgebreitet lag. Sie nahmen nun vorsichtig Magdas Brustwarzen in ihre Finger und zupften leicht an jenen herum. Sie streichelten auch Magdas Venushügel, was diese mit einem behaglichen Stöhnen quittierte.

Eine der beiden Zimmermädchen ließ schließlich von Magdas Körper ab und wandte sich den Betten zu, um diese neu zu beziehen. Als sie die gemeinsame große Decke herunter zog, gewahrte sie zwei metallene Gegenstände, deren Zweck sie nicht sogleich erkennen konnte. Sie rief ihrer Kollegin etwas zu, worauf diese sich von Magda abwendete und ihren Blick zu den besagten Gegenständen hob. Staunend ergriffen die jungen Frauen die ihnen bislang unbekannt gewesenen Teile und wiegten sie in ihren Händen. Endlich begriffen sie, um was es sich handelte. Sie riefen Magda etwas auf Italienisch zu; obschon diese natürlich nicht verstand, was sie sagten, ahnte es Magda und nickte ihnen freund­lich zu.

Magda reckte den Kopf in die Höhe, soweit es ihr die Fesselung erlaubte. Sie wollte es sich nicht entgehen lassen zuzusehen, wie die beiden Mädchen die Keuschheitsgürtel an sich anprobierten. Diese waren sich gegenseitig beim Anlegen behilflich, nach längerem Herumprobieren gelang es ihnen, Hüft- und Schrittband mit dem zentralen Bolzen zu verschließen. Sie gerieten in Ekstase, als das Einschnappen des Schlosses von den Wänden des geräumigen Zimmers reflektiert worden war. Sie rissen sich die Masken vom Gesicht, warfen sich auf das breite Bett und genossen hemmungslos das ihnen bislang völlig frem­de Gefühl des verschlossenen Unterkörpers.

Nachdem die Keuschbegürtelten mehrere Minuten nahezu regungslos auf dem Bett lagen, erhoben sie sich stöhnend und begannen ein Gespräch, das nach wenigen Sätzen immer lauter wurde. Beinahe schon in Panik sprangen sie vom Bett und suchten nach den Schlüsseln für ihr selbstauferlegtes Gefängnis. Magda vernahm in dem Redeschwall mehrfach das Wort >chiavi<, sie ahnte, daß es sich dabei um die Schlüssel handeln müßte, doch konnte sie ihnen nicht weiter helfen.

In purer Verzweiflung lösten die Italienerinnen Magdas Fesseln, was diese durchaus gar nicht erfreute, denn sie fürchtete schlimmste Bestrafung durch ihre Herrin, wenn diese zurückkommt und sie befreit dasitzen sähe. Magda massierte ihre steif gewordenen Glieder, mühsam richtete sie sich auf. Die im Keuschheitsgürtel Eingeschlossenen deuteten auf die Schlösser derselben und mimten auch den Schlüssel. Sie hofften, daß Magda ih­nen diesen geben könnte, doch Magda wußte nicht, wo dieser lag. Sie vermutete, daß Martina die Schlüsselein an ihrem Bund mit sich trug. Mit mehrfachen Schulterzucken konnte Magda den Verzweifelten klarmachen, daß sie nichts über den Verbleib des
erlö­senden Werkzeuges wußte.

Mitten in ihrer Ratlosigkeit vernahmen die drei jungen Frauen das Geräusch des sich drehenden Schlüssels in dem Schloß der Zimmertür. Martina trat arglos herein und blieb wie angewurzelt stehen, als sie die Situation erfaßt hatte. Keiner der vier brachte ein Wort heraus, der Überraschungseffekt saß tief. Im ersten Augenblick schwoll Martinas Ärger schier grenzenlos an, doch nach wenigen Sekunden war er wie weggewischt und Mar­tina machte aus der Not eine Tugend: Sie schubste die beiden neugebackenen Sklavinnen auf das Bett, schleuderte sich die Schuhe von den Füßen, zerrte sich Hose und Bluse vom Leib und schwang sich auf das Bett. Dort angelangt setzte sie sich mit gespreizten Beinen vor die ersten Italienerin, zog deren Kopf an den Haaren zu sich heran und be­deutete jener, ihre Scham mit dem Mund zu liebkosen. Der gesamte Vorgang lief in bi­zarrer Stille ab, und es zeigte sich die alte Erfahrung, daß die ureigensten Triebe der Na­tur keiner verbalen Kommunikation bedurften.

Zu Magdas größter Überraschung wies Martina diese an, sich neben ihr in gleicher Weise auf das Bett zu setzen und sich von der anderen Italienerin verwöhnen zu lassen. Die beiden Südländerinnen verrichteten ihren Liebesdienst mit inniger Hingabe; bereits nach kurzer Zeit stöhnten die Germaninnen lustvoll auf; während Magda ihre Sklavin zärtlich streichelte und dabei deren Kopf vorsichtig in die Höhe drückte, zog Martina den Kopf ih­rer Sklavin mit einem groben Ruck von ihrem Lusthügel. Die Sklavinnen erhoben sich wortlos und deuteten auf die Schlösser der Keuschheitsgürtel. Martina wies mit dem Zei­gefinger auf ihre vor dem Bett liegende Hose; hurtig bückte sich die Nächststehende, zog Martinas Schlüsselbund heraus. Sie fand sofort die beiden kleinen Schlüssel und befreite sich und ihre Kollegin von den Lusteisen.

Auf ihrem Weg zum Strand erwarb Martina an einem Verkaufsstand einen Klappspaten und übergab diesen Magda. Diese blickte ihre Herrin fragend an, doch durch die Maske hindurch konnte Martina die Mimik natürlich nicht erkennen. Aber auch ohne Magdas Gasmaske vor dem Gesicht hätte Martina nicht auf irgend einen fragenden oder gar flehentlichen Gesichtsausdruck reagiert. Schweigend trottete Magda hinter ihrer Herrin her, neben der Strandtasche nun auch mit dem Klappspaten bewaffnet.

Der breite Sandstrand am westlichen Ende der Uferpromenade war fast menschenleer. Nur wenige Urlauber fanden sich an diesem kühlen Nachmittag ein, dennoch hatte die Sonne im Lauf des Vormittags den Sand gut aufgewärmt.
- "Du schaufelst dir jetzt dein eigenes Grab", befahl Martina, "zur Strafe, daß du die beiden Italienerinnen hereingelassen hast und überhaupt, weil du dich befreit hattest!"

Magda war schon im Begriff, ihr zu entgegnen, wie sich die Sache abgespielt hatte, doch sie verkniff es sich im letzten Augenblick. Sie wußte aus Erfahrung, daß ihre Herrin Rechtfertigungen haßte und Strafmaßnahmen daraufhin verschärfte. Somit beließ Magda Martina in dem Glauben, sie habe sich selbst befreit und den Italienerinnen das Zimmer geöffnet.

- "Da, fang' an!", befahl Martina schroff. Magda klappte den Stiel von der Schaufelfläche ab und fing an, eine längliche Grube auszuheben. Sie kam in dem lockeren Sand schnell voran, schon nach wenigen Minuten rief Martina:
- "Das genügt, leg' dich hinein!"
Unsicher ging Magda in die Hocke und stieg langsam in die Grube.
- "Mach' schon", drängte Martina, "setz' dich auf, damit ich dir die Hände hinter dem Rücken binden kann!"

Hurtig kramte Martina Seile aus der Strandtasche, verknotete Magdas Unterarme hinter den Rücken und fesselte anschließend die Beine aneinander, an den Knöcheln, unter den Knien und am Oberschenkel. Dann drückte sie Magda nieder, so daß diese längsgestreckt in der Grube lag. Mit schnellen Spatenstichen schaufelte Martina nun den Aushub in die Grube, so daß Magdas Körper vollständig mit Sand bedeckt war. Anschließend schob sie mit den Händen Sand über Magdas Kopf, so daß nur noch die Gasmaske mit ihrem Filter senkrecht aus der Ebene empor ragte.

Magda versuchte sich zu bewegen. Ihre Beine und ihre Arme waren hoffnungslos gefesselt, indes gelang es ihr, ihren Oberkörper anzuheben. Entsetzt schrie Martina:
- "Bleib' liegen, blöde Gans, ist denn schon der Jüngste Tag, daß du schon aus dem Grab heraus willst, also ich hörte noch nicht die Posaune blasen."
Magda blieb sofort wieder regungslos liegen. Doch Martina geriet in Wut:
- "Na warte, du willst es nicht anders!"
Sie trat den Sand auf Martinas Körper fest, schaufelte dabei immer wieder neuen Sand darauf, so daß eine kompakte feste Sandschicht über Magdas Körper entstand. Diese hatte nun absolut keine Chance mehr, sich zu bewegen; auch ihr Kopf lang jetzt fest im Sand eingebettet, lediglich das Ausblasventil und das Einsaugfilter der Gasmaske ragte aus dem Sand.

Zufrieden blickte Martina auf ihr Werk; sie ruschelte sich die verbliebenen Sandkörner von ihren Fingern, entkleidete sich und lief in's Wasser. Von Ferne sah es aus, als ob dort auf dem Sand ein Spaßvogel eine Gasmaske eingegraben hätte. Niemand hätte gedacht, daß darunter ein Mensch vergraben lag. Martina war dermaßen erregt, daß sie darauf vergaß, ihr Maske im Wasser abzunehmen. Schnell durchschritt sie die Seichtwasserzone und stürzte sich in die Meeresflut. Sofort lief ihre Maske mit dem Wasser voll, mit einem Ruck riß Martina sich diese vom Gesicht, zog ihren rechten Arm durch die Maskenbänder und schob auf diese Weise die Maske auf den Oberarm. Mit kraftvollen Stößen schwamm Martina in das offene Meer hinaus.

Sosehr sie es versuchte, wollte es Magda nicht gelingen, Lustgefühle zu entwickeln. Freilich erfreute sie sich an dem Gefühl der vollkommenen Fixierung, doch war ihre Atmung schwer behindert. Es waren ihr nur kurze Atemstöße möglich, ihr Brustkorb konnte sich kaum ausdehnen. Ihre sämtlichen Sinne waren lahmgelegt, nichts hören und sehen, nichts fühlen und riechen, nur einmal vermeinte sie, einen Stoß an dem Maskenfilter zu verspüren, der sich auf ihre Wangen übertrug.

Als Martina zurückschwamm, bemerkte sie in der Ferne einen Hund, der in Richtung von Magdas Grab sprang. Dort angekommen schnüffelte das Tier an Magdas Maskenfilter herum. Kurz darauf hob der Hund ein Bein und entledigte sich. Anschließend scharrte er Sand, der glücklicherweise nicht auf der kleinen Öffnung in dem Filtergehäuse zu liegen kam, sondern unterhalb des Filters auf dem Ausblasventil liegen blieb. Magda hatte nun große Mühe, zu dem bereits anstrengenden Atemvorgang auch noch die Sandkörner von dem Auslaß wegzublasen; Magda war nahe daran, in Panik auszubrechen, was in ihrer Si­tuation der völligen Hilflosigkeit tödlich geendet hätte. Ihr war das bewußt, da sie bereits mehrfach in Extremsituationen gefangen gehalten war. Sie preßte bewußt den Atem in kurzen kräftigen Stößen aus der Lunge; nach einiger Zeit kam es ihr vor, daß das Ausatmen wieder leichter gelänge.

Eigentlich wollte Martina den skurrilen Anblick von der Ferne genießen und langsam zum Strand zurückschwimmen. Als sie indes den Hund mit seinem Scharren bemerkte, ereilte sie die Sorge, das Tier könnte Sand auf die Einlaßöffnung des Filters werfen. Magda bekäme unweigerlich Panik und würde daraufhin ersticken. Wie von der Tarantel ge­stochen rannte sie durch die Flachwasserzone, ihre Maske rutschte ihr dabei vom Arm, sie ließ diese achtlos in's Wasser fallen.

Erleichtert stellte Martina fest, daß ihre schlimmste Befürchtung nicht eingetreten war und Magdas Einatmen durch das Filter nicht beeinträchtigt worden ist. Sie entfernte den Sand von Magdas Kopf, Magda öffnete die Augen und starrte mit glasigem Blick durch die Gläser.
- "Alles in Ordnung?", fragte Martina, doch Magda verstand nicht, was sie sagte, denn im Gehörgang befand sich reichlich Sand.
- "Nun sag' doch schon was!", schrie Martina sie an. Magda erkannte zwar, daß ihre Herrin irgend etwas sprach, doch sie konnte diese nicht verstehen. Martina verlor die Geduld und riß Magda die Maske vom Gesicht. Magda schüttelte daraufhin den Kopf und sagte:
- "Ich höre nichts".

Erst jetzt gewahrte Martina den Sand in Magdas Ohren, mit ihrem kleinen Finger stocherte sie in deren Gehörgang herum, bis Magda nickte:
- "Ja, jetzt glaub' ich, hör' ich wieder was."
- "Gut, bleib' liegen", rief Martina, "ich brauch' jetzt deine Maske, um meine zu suchen, hab' sie wo im Wasser verloren!"

Es spielte keine Rolle, ob Magda mit Martinas Vorhaben einverstanden war oder nicht, sie lag weiterhin gefesselt und damit unbeweglich in der Sandgrube.
Martina schlenderte an der Stelle in der Seichtwasserzone umher, wo sie meinte, ihre Maske verloren zu haben. Es war ablaufendes Wasser, das Meer zog sich immer weiter zurück. Der Gezeitenhub war längst nicht so stark wie an der ihr bekannten Ostsee, doch genügte die Strömung, daß die verlorene Maske unerwartet weit ins Meer hinausgetragen wurde und vor allem auch stark seitlich abdriftete.

'Das alles bloß wegen der blöden Kuh', ärgerte sich Martina, 'warum muß die sich auch von einem Hund vollmachen lassen.'
Mit beiden Masken in den Händen kehrte Martina auf den Strand zurück, setzte sich Magdas Maske auf, um sich nicht wieder Ärger mit der Strandaufsicht einzuhandeln. Ihre Maske war mit Salzwasser vollgelaufen, sie fürchtete, daß das Salz auf ihrer Gesichtshaut unangenehm jucken würde. Sie freute sich dagegen bei dem Gedanken, diese Juckstrafe Magda zuteil werden zu lassen.



Soeben bemerkte ich, daß auch der ursprüngliche Text einer hier veröffentlichten Entführungsgeschichte in den "Erwachsenenbereich" verschoben worden ist; dieser Vorgang mahnt mich ein weiteres Mal, behutsam spezielle Handlungen in den Verlauf des Romans einfließen zu lassen. Sicherlich mag der eine oder andere Leser zurecht den biederen und langatmigen Fortgang beklagen, indes läuft jede Erzählung in diesem Forumbereich Gefahr, Ereignisse zu beschreiben, in welchen sich Personen unfreiwillig in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt finden. Zudem hoffe ich, daß die Inhalte im Laufe der Episoden steigerungsfähig bleiben; in diesem Sinne grüße ich alle Leser und wünsche weiterhin gute Unterhaltung!
M a g n u s .

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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:17.06.22 21:03 IP: gespeichert Moderator melden


58

Naturforscherin Inge Langohr vom Umweltamt Lüggen analysierte schonungslos ihr Problem: Sie wollte einen Schatz bergen, hatte auch das Werkzeug dazu, indes kein geeignetes Fahrzeug, um ihn auf dem Landweg abzutransportieren. Als überzeugte Umweltschützerin lehnte sie Autos ab; nur ungern ließ sie sich mitnehmen, wenn es aus berufli­chen Gründen unabdingbar war. Als einzigen Ausweg sah sie die Möglichkeit, die Geld­bündel in einen großen Rucksack zu verstauen und diesen zu schultern, während sie den beschwerlichen schlaglochübersäten Feldweg mit dem Rad zurücklegen würde.

Glücklicherweise würden viele ihrer Kollegen aus dem Umweltamt erst Ende der Woche von dem sogenannten Lehrgang zurückkehren, so daß Inge sich in aller Ruhe auf die Schatzhebung vorbereiten konnte. Gewitzt von dem Beinahe-Schiffsunglück mit Barbara stieg Inge in ihre Wathose, welche sie schon lange nicht mehr benutzt hatte. Als ihre Füßchen in den angearbeiteten Stiefelchen festsaßen, stülpte sie die Hose an ihrem Körper entlang in die Höhe und zog die Hosenträger fest. Sie konnte es nicht unterlassen, genüßlich an den Schritt zu fassen und ihre vom gummierten Stoff umschlossene Scham zu massieren. Dann holte sie ihr Fahrrad aus dem Schuppen, schnallte einen rechteckigen Eimer auf den Gepäckträger, hob ihren Trekking-Rucksack auf die Schultern und schwang sich auf den Sattel.

'Das mit der Wathose war doch nicht so eine gute Idee', überlegte sich Inge, als sie bereits ein bedeutendes Stück geradelt war. Die September-Sonne war durchaus kraftvoll, vom Herbst keine Spur, im Gegenteil, es schien, als ob der Sommer mit seiner ganzen Hitze zurückgekehrt sei. Sie beschloß, bei nächster Gelegenheit in ein Waldstück einzu­biegen, um sich der Hose, die sie unter der Wathose trug, zu entledigen.

Bereits nach kurzer Zeit bot sich Inge die Gelegenheit, sie fuhr in ein Waldstück hinein und zog sich nicht nur die Hose, sondern auch die Socken aus, denn ihre Füße brannten von der Hitze. Die wasserdichte Umhüllung ließ den Körperdampf nicht entweichen.

Nach gut zwei Stunden erreichte Inge Gangolfs Hof; sie dachte dankbar zurück, als der Stadel einen guten Unterschlupf gewährt hatte während des mittäglichen Gewitters. Sie stellte ihr Fahrrad an der Hofeinfahrt ab, kettete es an einen Baum, nahm den Eimer vom Gepäckträger und schlenderte damit zu dem Steg. Der vollgelaufene Kahn lag friedlich vertäut an dem Holz, Inge bückte sich hinunter und schöpfte mit dem rechteckigen Eimer das Wasser aus dem Boot. Nach kurzer Zeit stand das Wasser nur noch einen Finger breit in dem Kahn, sie warf Rucksack und Eimer hinein, löste die Vertäuung, stieg hinein und drückte das Boot vom Steg ab.

Die Navigation erwies sich als mühsam; Barbara war nicht nur die kräftigere und ausdauerndere Ruderin, sondern konnte den Kahn auch wesentlich besser steuern als Inge. Schon die Ausfahrt auf den See hinaus durch das kurze Kanalstück war ein Debakel; im­mer wieder stieß sie an das Ufer, der Kahn drehte sich und Inge hatte große Mühe, ihn wieder zu wenden. Auf dem offenen See ging es dann besser, doch sie fand die Stelle nicht mehr im Schilfgürtel, durch welchen sie zu dem Steg auf der Insel gelangte. Sie schwitzte wie der Teufel und verfluchte sich, die Wathose angezogen zu haben. Ihre Hän­de schmerzten, die ersten Blasen brachen auf. Sie mußte eine Pause einlagen; sie holte die Riemen ein und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Knien ab. Eine wirksame Ent­spannung konnte sie indes nicht finden, sie spürte das Wasser in den Stiefeln, den Schweiß auf ihrem Sitzfleisch.

Vorsichtig streifte sich Inge die Hosenträger von ihren Schultern, schälte sich aus der Wathose, mit Mühen gelang es ihr, die Stiefel von den Füßen zu ziehen. Diese waren von der Flüssigkeit des Schweißes geschwollen, mit einem schmatzenden Geräusch gaben die Stiefel die Füßchen frei. Das Boot begann kräftig zu schaukeln, doch es gelang Inge, sich der Umschlingung zu entledigen, ohne das Schiff zum Kentern zu bringen. Behutsam legte sie die Wathose zur Seite und hob die Beine über den Bootsrand, um die Füße im Was­ser des Sees zu kühlen.

Alle diese Maßnahmen halfen Inge jedoch nicht, ihr aktuelles Hauptproblem zu lösen: Ihre Hände schmerzten und verkrampften, als sie wieder zu den Riemen griff. Sie biß sich auf die Lippen und kämpfte weiter.
'Wo war nur die verdammte Einfahrt?', schimpfte sie mit sich selber und bewunderte dabei Barbara, wie diese den schmalen Einschnitt in dem Schilfgürtel auf Anhieb gefunden hatte. Immer wieder blickte sie über die Schulter, voller Sorge, die Einfahrt überse­hen zu haben. Als im Osten nicht nur die Einfahrt in den Damisch-Kanal sichtbar wurde, sondern auch jene des Groß-Wesserbarger Kanals, legte Inge ein Wendemanoever hin. Doch statt in den See hinaus zu wenden, drehte sie den Kahn in Richtung des Schilfes; prompt blieb sie stecken und hatte große Mühe, wieder herauszukommen. Sie bemerkte, wie sie fix und fertig war; es war zuviel der Anstrengung: Zuerst die lange Fahrradtour und jetzt noch die Bootsfahrt. Sie holte ihre Trinkflasche aus dem Rucksack und trank den letzten Rest leer.

- "So, das war's dann", redete sie mit sich selber, "jetzt kann ich nur noch hoffen, daß die Rückfahrt nicht mehr so anstrengend wird".
Es blieb ihr indes unklar, woraus sie diese absurde Hoffnung schöpfte, aus eigener Erfahrung wußte sie, daß die Rückfahrten üblicherweise anstrengender waren als die Anreisen. Zudem galt es jetzt erst einmal, die Einfahrt zu dem Steg zu finden. Sie biß die Zäh­ne zusammen und stieß den Kahn nach dem mißglückten Wendemanoever aus dem Schilf heraus. Als sie endlich wieder auf der offenen Wasserfläche war, ruderte Inge verbissen weiter. Erst nach einiger Zeit bemerkte sie, daß die Insel immer noch zu ihrer lin­ken Seite lag. Resigniert erkannte Inge, daß sie, anstatt zu wenden, in die gleiche Rich­tung weitergerudert war.

- "Verdammt, verdammt, verdammt", schalt sich Inge selber, leitete erneut ein Wendemanoerver ein, diesmal in Richtung der offenen Seefläche, und das Vorhaben gelang. Westwärts ging es deutlich langsamer voran, der Gegenwind erschwerte zusätzlich zu In­ges allgemeiner Erschöpfung das Vorwärtskommen. Inge ließ den Schilfgürtel nun nicht mehr aus dem Blick, zu ihren Schulterschmerzen gesellte sich ein steifer Nacken durch die ständige Drehung des Kopfes nach rechts. Die Fahrt ging dermaßen langsam voran, daß Inge vermeinte, jedes einzelne Schilfrohr zählen zu können. Die Pausen häuften sich, Inge bewegte ihren steifen Nacken hin und her und blickte zu der anderen Seite auf das Ufer, von wo aus sie auf den See hinausgerudert war. Wehmütig blickte sie auf die Ka­nalschneise und war kurz davor, aufzugeben und dorthin zurückzurudern.

Erschöpft ließ sie ihren Blick in die Runde schweifen; ihr Herz schlug höher, als sie in geraumer Entfernung eine Schneise in dem Schilfgürtel der Insel ausmachte. Angespornt durch diese Entdeckung wurden ihre Lebensgeister wieder erweckt; sie legte sich mit aller verbliebenen Kraft in die Riemen und kam rasch an die erspähte Stelle.

Es war nicht auszumachen, ob Inges Tränen von der Erschöpfung herrührten oder von den Schmerzen oder von der bodenlosen Enttäuschung. Inge zog die Riemen ein, sie hatte sich in einer Art Endspurt vollkommen verausgabt und lag quasi zusammengebrochen auf den gekreuzten Hölzern. Sie schluchzte hörbar, achtete nicht mehr darauf, was um ihr herum geschah. Sie verspürte zwar ein leichtes Schaukeln, doch beachtete sie das nicht weiter, sondern blieb zusammengekauert mit dem Blick nach unten sitzen.

Inge schrak auf, als sie hinter sich eine Stimme vernahm:
- "Brauchen Sie Hilfe?"
Sie blickte sich um und gewahrte einen älteren Mann in einem Kajak.
- "Äh, nein", stotterte Inge, "ich such' nur die Einfahrt zu dem Steg auf der Insel."

Der Fremde betrachtete sie durchdringend und gab zur Antwort:
- "Die kann ich Ihnen schon zeigen, aber Sie wissen hoffentlich, daß es verboten ist, dort auszusteigen und die Insel betreten, das ist alles Naturschutzgebiet, >Biosphäre<, oder wie die Grünen-Spinner das heute nennen."

Das Gehörte gab Inge einen Stich, auf der einen Seite freute sie sich, daß das Betretungsverbot offenbar weitgehend von der Bevölkerung und wohl auch von den Boots-Touristen eingehalten wurde, andererseits schmerzte sie der Betriff von den >Grünen-Spinner<.
- "Ich bin vom Umweltamt und darf dort hin", entgegnete Inge. Der Fremde betrachtete sie weiter argwöhnisch. Erst jetzt wurde Inge bewußt, in welchem Aufzug sie vor dem Fremden in dem Kahn saß: Praktisch vollkommen nackt, von dem Slip und dem BH abgesehen, machte sie sicherlich nicht den Eindruck, eine Beamtin in Ausübung ihres Dienstes zu sein.

- "Also ich mache Ihnen einen Vorschlag", fuhr der Kajakfahrer fort, "ich rudere Sie zurück in ihrem Kahn nach Röthen, da haben Sie den doch geliehen, nehm' ich an, und bind' mein Kajak hinten an, Sie sind ja völlig erschöpft!"
- "Nein, nein, es geht schon", hauchte Inge mehr, als daß sie es sprach.
- "Na, wenn Sie meinen, nehmen Sie wenigstens einen Schluck aus meiner Flasche."

Der Kajakfahrer holte aus dem Fußraum seines Bootes einen wasserdicht verschließbaren Sack hervor, entnahm diesem eine Wasserflasche und reichte diese Inge. Mit gierigen Schlucken füllte Inge das kostbare Naß in ihren Rachen, verschluckte sich prompt dabei, und während sie noch nach Luft rang, reichte sie die Flasche dem edlen Spender zurück. Für Inge überraschend gab dieser schließlich die erlösende Information:
- "Der Steg liegt ungefähr zweihundert Meter weiter, können Sie gar nicht verfehlen".
- "Vielen Dank, das war wirklich sehr freundlich von Ihnen, ich heiße übrigens Inge Langohr, können Sie sich erkundigen beim Umweltamt."
- "Na dann gute Arbeit", konterte der Fremde belustigt, verstaute seine Trinkflasche in dem Beutel und stach in See.

'Überzeugt klang das nicht', dachte sich Inge, war aber sehr froh über sein Getränk und auch über seine Nachricht, wo der Steg zu suchen sei.
Inge faßte neuen Mut, zwang sich zu gleichmäßigen Ruderschlägen und blickte nun nicht mehr ständig zur Seite. Nach endlos erscheinender Zeit fand sie schließlich die Einfahrt zu dem Inselsteg. Die Passage stellte sich als schwierig heraus, ständig blieb sie im Schilf hängen, nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte sie den Steg. Sie vertäute den Kahn, ergriff ihren Rucksack und zog sich auf den Steg hinauf. Als sie das Holzbrett verließ und die Insel betrat, stach irgend etwas tief in ihre rechte Fußsohle. Erst jetzt wurde ihr bewußt, daß sie barfuß, nur mit Slip und Büstenhalter bekleidet, aus dem Boot gestie­gen war. Es blieb ihr nichts weiter übrig, als auf den Steg zurückzukehren und ihre Wathose aus dem Boot herauszuziehen. Ungern schlüpfte sie in die schweißfeuchten Stiefel und streifte sich den Gummistoff bis über die Brüste hinauf.

Bei jedem Auftritt ihres rechten Fußes zog ein beißender Schmerz in Inges ohnehin schon reichlich gepeinigten Körper. Das Schweißwasser in dem Stiefel war Gift für die verletzte Stelle an Inges Fußsohle, unsichtbar vermischte sich das Blut mit dem Schweiß in der wasserdichten Fußbehausung. Mit schmerzverzerrtem Gesicht strauchelte Inge durch den Bruchwald, sie hätte schwören können, daß der Pfad zu der Lichtung kurz gewesen sei, doch nun irrte sie schon eine halbe Ewigkeit durch das Unterholz. Endlich kam sie zu der Einsicht, daß sie sich verlaufen habe.

Sie ignorierte die mahnenden Zeichen der Vorsehung, die Raubgelüste aufzugeben; nach der qualvollen Bootsfahrt kam nun die Verirrung in dem Inselwald hinzu.


























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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:24.06.22 22:02 IP: gespeichert Moderator melden


59

Einmal die Witterung aufgenommen ließ Polizeihauptwachtmeister Brause nicht mehr locker; sein Chef, Dienststellenleiter Nisselpriem, riet ihm, die Sache mit dem seltsamen Geldfund im Schleewald auf sich beruhen zu lassen, dennoch erkundigte sich Brause bei der Notrufzentrale in Kaiserswuselhausen nach dem genauen Wortlaut des diesbezüglich eingegangenen Anrufs. Der diensthabende Beamte spielte ihm die Aufzeichnung vor:

- “Guten Tag, hier spricht Barbara Bär, wir haben eine Kiste voller Geld gefunden ... Ja, mitten im Wald ... also keine Ahnung, viel, glaub’ ich ... Ach so, ja, gut, vielen Dank.”

Als erstes fiel Brause der Plural auf: >wir haben<, dann aber auch, daß es anscheinend nicht einfach eine Geldbörse war, welche verloren ging, auch keine Geldkassette, sondern >eine Kiste<.

‚Verliert man einfach so eine Kiste im Wald?’, machte sich Brause Gedanken, ‚noch dazu eine Kiste voller Geld? Nein, da stimmt `was nicht! Schon dämlich, der Kollege, schickt das Mädel einfach zum Fundamt, statt seine Kriminaler-Kollegen zu informieren. Der hat nicht `mal die Adresse sich geben lassen von der Guten, wie hieß sie nochmal, Bär oder Bahr oder so ähnlich, oder war das ihr Vorname, Barbara, verflixt, ich krieg’ schon alles durcheinander, ich werd’ alt.’

Nachdem Brause es lange hatte läuten lassen, meldete sich endlich eine verdrießlich klingende Stimme:
- „Fundbüro Lüggen.“
- „Hier Wachtmeister Brause; wir erhielten die Meldung, daß eine Geldkiste gefunden wurde, und nun wollte ich mir das `mal genauer ansehen, ob da nicht ein Diebstahl dahinter steckt!“
- „Äh, eine Geldkiste sagten Sie?“
- „Ja.“
- „Wir haben hier nur ein Paar Geldbörsen.“
- „Nee, muß wohl `ne richtige große Kiste sein.“
- „`ne Kiste mit Geld?“
- „Ja, also haben Sie jetzt so eine?“
- „Moment, ich schau’ `mal nach im Computer, gesehen hab’ ich jedenfalls keine hier.“

Der Mann im Fundamt mauste auf seinem Schreibtisch herum und starrte gebannt auf den Bildschirm.
- „Hallo, sind Sie noch `dran?“, fragte er nach einer Weile.
- „Ja freilich, also was ist?“, drängte Brause, allmählich die Geduld verlierend.
- „Nee, muß ich Sie enttäuschen, steht auch nichts im Computer von `ner Kiste. Aber warten Sie `mal, ja doch, jetzt erinner’ ich mich, ja, da war `n Anruf, stimmt, da hat eine Frau was gefaselt, sie hätte `ne schwere Kiste gefunden und die konnte sie aber nicht ausgraben oder so was.“
- „Aha, also doch“, freute sich Brause, „und was dann?“
- „Äh, was dann, nichts weiter, ich sagte, sie muß mir die Kiste schon bringen.“
- „Ja und weiter“, drängte Brause.
- „Ja nichts weiter, sie wollte noch wissen, ob ihr das Geld dann gehört, wenn sich der Eigentümer nicht meldet und ich sagte ihr ja, nach einem Jahr, abzüglich der Bewahrgebühr natürlich.“
- „Ja natürlich, und die Frau kam also nicht damit?“

- „Nee, wie ich schon sagte, war wohl zuviel Geld `drin.“
- „Und nannte sie wenigstens ihren Namen?“
- „Nee, weiß ich nimmer, glaub’ nich’.“
- „Und wo sie die gefunden hat?“
- „Auch nich’.“
- „Na denn Danke.“

Brause war enttäuscht, er hoffte, von dem Mann im Fundbüro mehr zu erfahren. Ihm blieb nichts anderes übrig, als nochmals in der Zentrale anzurufen. Leicht genervt gab ihm der Kollege den Namen der Anruferin und auch die Telephonnummer; Brause schrieb mit und wiederholte sicherheitshalber, was er sich notiert hatte.

Als ihr i-Pad den Klingelton eines unbekannten Anrufers aussendete, ließ Barbara das Gerät läuten und drückte die Stumm-Taste. Sie wollte an diesem Nachmittag ihre Ruhe haben und vor allem nicht mit einem Fremden ein Gespräch führen. Brause versuchte es eine halbe Stunde später nochmals und nun hatte er Glück, denn Barbara war nach dem Genuß einer Tasse Tee in besserer Stimmung:

- „Ja bitte.“
- „Hier Wachtmeister Brause, spreche ich mit Barbara Bär?“
- „Ja.“
- „Schön, freut mich, Frau Bär, Sie hatten eine Meldung gemacht, daß Sie eine Kiste mit Geld gefunden hatten.“
- „Äh, ja, das stimmt.“
- „Gut, bitte erzählen Sie mir, was weiter geschehen ist.“

Barbara wurde verlegen. Sie besann sich eine Weile, ehe sie fortfuhr:
- „Ja, nichts weiter, ihre Kollegen sagten, ich soll sie im Fundamt abgeben.“
- „Und haben Sie das getan?“
- „Nein, die war viel zu schwer und außerdem eingegraben.“
- „Eingegraben? Wie haben Sie die Kiste dann gefunden?“

Barbara brütete, ob sie den mysteriösen Mann in’s Spiel bringen soll, den sie in der Abenddämmerung ihres ersten Tages auf der Insel auf der Lichtung gesehen hatten.
- „Äh, ja, also da war ein Mann, der hat da so an einer Stelle herumgemacht, das kam mir komisch vor und dann hatte ich nachgesehen und unter dem Laub die Kiste gesehen.“
- „Waren Sie allein?“
- „Nein, meine Kollegin war auch mit dabei.“
- „Aha, Sie haben also zu zweit einen Mann gesehen, oder waren es mehrere Personen?“
- „Nein, nur einer.“
- „Und wie sah er aus, beschreiben Sie ihn mir.“
- „Das kann ich nicht, es war schon ziemlich finster.“
- „Können Sie gar nichts dazu sagen, war er groß oder klein, dick oder dünn, jung oder alt?“
- „Hm, nein, wirklich, er ging dann schnell fort, wir waren auch nicht so ganz nahe `dran.“
- „Und was hatte er an?“
- „Auch das kann ich nicht sagen, mir ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen.“
- „Gut, lassen wir das. Nun sagen Sie mir bitte, wo das war.“
- „Ja, das war auf der Insel im Röthener See.“
- „Auf der Insel im Röthener See“, echote Brause, und bevor er weiter fragte, legte er ein Denkpause ein.

- „Ja, da gibt es eine große Insel“, fuhr Barbara fort.
- „Ja, ja, das weiß ich schon, danke, lassen Sie mich einen kurzen Augenblick überlegen.“

Nach einer Weile setzte Brause das Gespräch fort:
- „Was machten Sie eigentlich auf dieser Insel, ist das nicht Naturschutzgebiet?“
- „Ja richtig, wir sind vom Umweltamt, also ich bin bloß Praktikantin, aber wir sollten dort das Verhalten der Zugvögel beobachten, die gegenüber früheren Jahren immer später nach Süden ziehen.“
- „Ach so, das ist ja interessant, also früher flogen immer alle Störche nach Afrika im Winter, sämtliche, aber heute bleiben die meisten da und überwintern hier. Also das ist meine laienhafte Beobachtung."
- „Es wird immer wärmer, Sie haben recht, aber die meisten Störche fliegen schon noch fort, aber es stimmt, es werden jedes Jahr mehr, die hier überwintern.“
- „Gut, Frau Brause, ah, Frau Bär, entschuldigen Sie, also kommen wir auf die Kiste zurück, was haben Sie dann weiter gemacht, als Sie die Kiste fanden?“
- „Ich rief an bei der Polizei, also ich wählte die 110, und der Mann sagte, ich soll das Geld beim Fundamt abgeben.“
- „Aber das haben Sie dann nicht gemacht, weil sie eingegraben war und schwer aussah. Wie wußten Sie denn, daß Geld darin war?“
- „Der Deckel war offen, also unverschlossen, wir konnten den Deckel anheben und sahen die Geldscheine darin liegen in der Kiste.“
- „Gut, dann ist die Kiste also noch dort.“
- „Ja, also wenn es nicht der Mann weggenommen hat.“
- „Schön, jetzt sagen Sie mir, wann Sie `mal in den nächsten Tagen sich Zeit nehmen können, daß wir zusammen da hinausfahren, um uns das alles `mal anzusehen.“

Barbara ging im Geiste ihren Terminkalender durch. Am Donnerstag hatte sie nachmittags frei.
- „Sind Sie noch `dran?“, drängte Brause.
- „Ja natürlich, ich überlegte nur kurz, also am Donnerstag, ja, übermorgen also.“
- „Gut, ich hol’ Sie ab und dann machen wir `ne Bootstour, wo wohnen Sie denn?“

Barbara war es nicht ganz wohl bei dem Gedanken, mit einem Polizisten einen Termin vereinbart zu haben, ohne vorher sich mit Inge abgestimmt zu haben.
- „Was soll’s“, sagte sie zu sich selber, als sie das Gespräch mit Brause beendet hatte, was sollte Inge schon dagegen haben. Am Abend rief Barbara Inge an und berichtete ihr von ihrem Gespräch mit dem Wachtmeister.
- „Was, der will mit dir auf die Insel wegen der verdammten Kiste?“, entgegnete Inge mit erregter Stimme, ihre Irritation war deutlich zu vernehmen.
- „Äh, was hast du denn? Du kannst ja mitkommen, dieser Brause hat da sicherlich nichts dagegen!“
- „Nein, ist schon gut, fahrt ihr da `mal hin, ich hab’ da schon was anderes vor.“

‚Seltsam’, dachte sich Barbara, ‚sonst nimmt sie doch immer jede Gelegenheit wahr, aus ihrem Büro herauszukommen für einen dienstlichen Einsatz.’

Barbara hätte sich nicht in kühnsten Träumen ausmalen können, daß ihre Kollegin nochmals auf die Insel zurückgekehrt war – und erst recht nicht Gangolf, der zur gleichen Zeit die Hotelrechnung für sich und die drei Damen bezahlte mit der Hoffnung, daß ihm das mitgebrachte Geld noch bis zum Ende des Urlaubs reichen würde. Er nahm sich vor, gleich am nächsten Morgen nach Rückkehr von der Reise zu seiner Insel zu rudern.




































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60

Die vier Urlauber beschlossen, den Urlaub abzubrechen und wieder nach Hause zu fahren: Zum einen empfanden sie das ständige Herumlaufen mit den schweren Gasmasken eine starke Beeinträchtigung des Wohlbefindens, zum anderen nervte ihnen die Schwie­rigkeit, in den Restaurants einen Platz zu finden, vor allem war ein gemeinsames Essen an einem Tisch nicht gestattet. Zudem störte ihnen, immer wieder zu sehen, wie einige das Masturbieren in der Öffentlichkeit nicht lassen konnten, wie sich diese geradezu zwanghaft im Schritt massierten. Schließlich wurde für die nächsten Tage eine deutliche Verschlechterung der Wetterlage vorhergesagt, mithin stieg die Regenwahrscheinlichkeit. Lieber wollten sie noch ein paar Tage an der Ostsee Urlaub machen, in den letzten Jahren herrschte dort Anfang Oktober oft erstaunlich gutes Wetter; die allgemeine Klimaerwär­mung war nicht mehr zu leugnen.

Als Bettina mit Gangolf aus Venedig zurückkehrte, teilte sie ihm mit, daß sie mit Martina ein ernstes Gespräch führen würde und daß sie deshalb mit ihr im Auto fahren wollte. Martina hatte keine Einwände und Magda äußerte sich, wie üblich, überhaupt nicht dazu, ob sie nun im Auto oder auf dem Motorrad bei Gangolf mitfahren wollte. Martina entschied, daß jene wieder bei Gangolf aufsitzen sollte.

Martina und Bettina wollten auf dem schnellsten Weg zurück nach Hause fahren, sie wählten die Brenner-Autobahn, um über Bayern nach Brandenburg zu gelangen. Auch Gangolf beabsichtigte, über den Brenner-Paß zu fahren, allerdings nicht auf der Autobahn, sondern auf der alten Staatsstraße im Etsch- und Eisacktal entlang. Im Gegenzug zur Anreise nahm Gangolf im Tankrucksack einige persönliche Gegenstände mit und auch Magda schulterte einen kleinen Rucksack mit Habseligkeiten, denn die beiden Motor­radreisenden wollten die große Strecke nach Hause nicht an einem Tag zurücklegen, son­dern je nach den Umständen mehrmals logieren.

Gangolf schlug vor, noch einen Abend am Gardasee zu verbringen, Magda war natürlich wieder ohne eigene Meinung sofort damit einverstanden. Von früheren Reisen kannte er in Bardolino eine kleine Herberge in einem malerischen stillen Winkel, die dort eine Witwe betrieb. Bereits am frühen Nachmittag bog Gangolf in den vertrauten Hof >Corte di San Zeno< ein, nachdem er sich telephonisch bei der Signora angekündigt hatte. Die Signora kochte den beiden Ankömmlingen ein kleines Essen, denn das Speisen in den Restaurants war in Bardolino genauso schwierig wie in Caorle. Immerhin hatten die beiden den Vorteil, als Paar angesehen zu werden und somit bekamen sie einen gemeinsamen Tisch und natürlich auch ein gemeinsames Zimmer. Zu ihrer Freude stellten sie fest, daß die alte Witwe nicht mit der Gasmaske herumlief und ihr Mißfallen über diese staatliche An­ordnung laut schimpfend kundtat. Dennoch gab sie den beiden Masken, damit diese in die Stadt hinunter gehen konnten, ohne von den Ordnungskräften Schwierigkeiten zu bekommen.

Während Magda und Gangolf in das uralte Städtchen hinunterschlenderten, fuhren Martina und Bettina auf einen kilometerlangen Stau zu. Von der Grenze am Brennerpaß stau­ten sich die Fahrzeuge auf beiden Spuren bis nach Sterzing hinunter. In Gossensaß, der letzten Ausfahrt vor dem Brenner, wurden fast alle Autos abgeleitet und zu einer riesigen Wiese gewiesen, auf welcher sie anhalten mußten. Die Halde der zwangsweise abgestell­ten Fahrzeuge war unüberschaubar groß. Lautsprecherdurchsagen in vielen Sprachen for­derten die Fahrzeuginsassen auf, die Autos zu verlassen und mit den wichtigsten persön­lichen Gebrauchsgegenständen zu dem im Hintergrund sich auftürmenden Containerdorf zu gehen.

Die beiden Damen blieben erst einmal sitzen, sie konnten es nicht glauben, was hier geschah. Auch die Leute in den benachbarten Autos stiegen nicht aus, sondern warteten ab, was weiter geschehen würde. Nach einiger Zeit kamen mit Gummimasken und Gummi­knüppel bewaffnete Ordnungskräfte, sie rissen nacheinander die Autotüren auf und plärr­ten unmißverständlich die verängstigten Fahrzeuginsassen an, herauszukommen. Sie rie­fen auch mehrfach „bagaggio“, Bettina machte sich einen Reim darauf, daß das wohl Ge­päck heißen mochte, sie und Martina holten daraufhin ihre Reisetaschen aus dem Koffer­raum und schlappten mißmutig in die angewiesene Richtung zu den hoch aufeinanderge­stapelten Containern.

Vor den Containern gab es ein wildes Geplärre; die abrupt aus ihren Fahrzeugen gejagten Menschen trugen nur in den seltensten Fällen Masken, während die Ordnungskräfte mit schweren Schutzanzügen die schutzlos Dastehenden in die Eingangsschleuse zu dem Container-Dorf dirigierten. Hinter dicken Glassscheiben saßen Beamte, deren Masken an­stelle der Filter dicke Schläuche hatten, die irgendwo hinauf führten. Den Urlaubern däm­merte, daß es sich um eine Registrierung handelte, die meisten vermuteten, daß in den Containern Schnelltests durchgeführt wurden. Doch keiner konnte sich erinnern, davon irgend etwas in den Medien gehört oder gelesen zu haben. Die italienischen und österrei­chischen Staatsorgane hatten in einer einzigartig funktionierenden Geheimoperation das Containerdorf unterhalb des Brennermassivs aufgestellt.

Die meisten in der Warteschlange stehenden Ankömmlinge wurden paarweise registriert; das ging verhältnismäßig schnell: Nach Vorlage eines Ausweises wurde von den verschlauchten Beamten nichts weiter als Name, Anschrift und Telephonnummer in die Tastatur gehakt. Dann wurden die Wartenden paarweise, im Falle von Familien diese zusammen, aber auch Einzelreisende einzeln in die Tiefen des Containerdorfs hineingeführt.

Martina und Bettina überschlich ein mulmiges Gefühl, als sie an die Reihe kamen. Man wollte sie einzeln wegführen, doch konnten sie den Ordnungsleuten dank der identischen Adresse klarmachen, daß sie ein Paar waren. Im Rückblick ärgerte sich Bettina, damals zusammen mit Martina hineingegangen zu sein, es wäre für sie wohl wesentlich interessanter gewesen, mit einem fremden Menschen das Zimmer zu teilen oder gar als Eremit das Einsiedlerdasein auszuprobieren.

Den beiden Lesben traf der Gamma-Strahl: Nach einem verwirrenden Marsch über zahlreiche Stiegen erreichten sie den ihnen zugewiesenen Container, der Wärter öffnete die Tür zu einem winzigen Raum, eine wahre Zelle: Der Raum war nicht einmal ausreichend hoch, um aufrecht stehen zu können, selbst die kleine Bettina mußte ihren Kopf leicht nach vorne beugen, während Martina genötigt wurde, in die Hocke zu gehen. Auch die Fläche der Zelle war beängstigend klein: Ein Bett, das nicht viel breiter war als ein ge­wöhnliches Einzelbett, sollte ihre Schlafstätte werden. An drei Seiten war es von den Zel­lenwänden umgeben, an der freien Längsseite war nur ein schmaler Zwischenraum zu ei­nem kleinen Waschbecken und der Toilettenschüssel. Das kleine Fenster oberhalb der Toilette stand offen, außen waren Gitterstäbe angebracht.

- „Sind wir hier im Knast?“, empörte sich Martina.
- „Quarantäne“, entgegnete der Südtiroler Wärter.
- „Was heißt da Quarantäne, wir müssen weiter nach Deutschland, unser Urlaub ist um.“
- „Nix da, die Österreicher lassen keinen aus Italien hinein ohne Quarantäne.“

Martina war im Begriff, handgreiflich zu werden, Bettina konnte sie noch rechtzeitig zurückhalten. Der Wärter war darauf vorbereitet und griff sofort zu seinem Schlagstock. Als sich Martina beruhigt hatte, sagte er:
- „In sechs Wochen kommen’S wieder aussi.“
- „In sechs Wochen?“, empörte sich Martina erneut.
- „Jouh, Quarantäne, des is Italienisch, hoaßt vierz’g Tag, wenn’S bis dann nix ham, san’S ohne Virus.“

Resigniert ließen sich die beiden Neugefangenen auf das Bett plumpsen, sie hatten Schwierigkeiten, den rauhen Dialekt des Wärters durch seine Maske hindurch zu verstehen. Bevor den beiden das Ausmaß der Maßnahme bewußt geworden war, verabschiedete sich der Wärter:
- „Ois Guate nachert“, drehte sich um und zog die Tür hinter sich zu. Kaum war der Mann draußen, hörten sie, wie schwere Riegel vorgeschoben wurden.

Sprachlos vor Entsetzen starrten Martina und Bettina auf die zugeknallte Tür, die keinen Griff und keinen Drücker hatte. Es war einfach eine glatte Fläche mit einer Klappe am Boden. Am Abend sollten die beiden einen praktischen Anschauungsunterricht erhalten, was es mit der Klappe auf sich hatte.

- „Sechs Wochen“, tobte Martina; als sie vor Wut vom Bett aufsprang, schlug sie sich heftig den Kopf an der niedrigen Decke an.
- „Au, verdammt noch mal, was ist das für ein Drecksloch.“
- „Setz dich lieber wieder“, versuchte Bettina sie zu beruhigen, „immerhin ist es nicht dreckig, ich denke, wir haben die Ehre des Erstbezugs. Es riecht alles noch so neu hier.“
- „Es stinkt nach billigem Plastik“, echauffierte sich Martina, am liebsten hätte sie den kleinen Spiegel über dem Waschbecken zertrümmert, „das kann doch alles nicht wahr sein; sag, daß das hier nur ein böser Traum ist!“
- „Es ist schon die Wirklichkeit, liebe Marti“, entgegnete Bettina und es freute sie, daß es ihr ganz von selber gelang, ihre Freundin mit dem alten Kosenamen zu anzusprechen, den sie schon lange nicht mehr verwendete.

‚Vielleicht ist das eine gute Gelegenheit, wieder zusammenzufinden’, überlegte sich Bettina. Auf der Herfahrt hatte sie Martina mitgeteilt, daß sie sich von ihr trennen wollte. Martina hatte das erstaunlich ruhig aufgenommen, offenbar hegte auch sie schon seit einiger Zeit den Gedanken, sich zu lösen. Das sexuelle Erlebnis mit den beiden Technikern, welche in Magdas Wohnung den Simulationssender installiert hatten, führte den beiden Lesben nahe, daß eine Beziehung zum männlichen Geschlecht im Grunde genommen doch die natürlichere Variante wäre. Martina hatte bereits mehrfach Männerbeziehungen mit unterschiedlicher Dauer. Sie scheiterten stets an ihren sadistischen Gelüsten, kein Mann wollte sich dauerhaft ihr körperlich und mental unterwerfen.

Bettina hatte sich am Vorabend ihres Venedigbesuchs eingehend in ihrem kleinen Hotelzimmer Gedanken gemacht, sie hielt Zwiesprache mit ihrem Schöpfer und kam über die religiösen Moralvorstellungen dazu, das homosexuelle Verhältnis mit Martina zu beenden. Ihr störten zudem deren ständige Versuche, sie immer wieder als Sexsklavin zu mißbrau­chen, auch verabscheute sie die sadistischen Quälereien, die diese Magda zuteil werden ließ, dem Opferlamm, das nicht nur deren Sadismus stoisch ertrug, sondern sogar deren Schuld auf sich nahm.

- „Vierzig Tage“, sinnierte Bettina, „das stimmt schon, das sind knapp sechs Wochen, im November sind wir dann wieder frei.“
- „Das weiß ich selber, soweit kann ich `grad noch rechnen“, fauchte Martina. Bettina beschloß, nichts mehr zu sagen. Sie dachte an die vierzig Tage, die Jesus in der Wüste ver­brachte, um zu Fasten und zu Beten.

'Herr, laß mich nicht verzweifeln, laß mich stark sein in dieser Zeit der Prüfung, besonders Martina gegenüber, sei uns nahe mit deiner Kraft, mit deinem Heiligen Geist, und laß uns aus dieser Situation geläutert hinausgehen!’

Nach einer Weile öffnete sich die Klappe, zwei Bücher, mehrere Zeitschriften und eine Tageszeitung wurden in die Zelle geschoben. Dazu kam ein Zettel und ein Stift; auf dem Zettel befanden sich Sätze mit Kästchen zum Ankreuzen. Genannt wurden Dinge des täglichen Bedarfs, welche gegebenenfalls nötig waren und mit diesem Schein angefordert werden konnten. Nach dem Ankreuzen sollte man den Zettel einfach durch den Spalt unterhalb der Klappe auf den Gang nach draußen zurückschieben.

Bettina las in aller Ruhe, welche Gegenstände aufgeführt waren und überlegte sich, was sie ankreuzen würde. Sie war sich zwar sicher, beispielsweise ausreichen Zahnpasta dabei zu haben, aber sie fand es tatsächlich aufmerksam, daß vielleicht nicht alle Reisende in der Eile alles aus ihrem Auto mitgenommen hatten. Marina hingegen riß ihr ungeduldig den Zettel aus der Hand, überflog ihn mit grimmiger Mine, zerknitterte ihn wutentbrannt und schleuderte das in der Faust zu einem Knäuel geformte Papier gegen die Tür.

- „Spinnst du“, schrie Bettina sie an, „jetzt können wir nicht mehr ankreuzen, wenn wir noch was brauchen; hast du überhaupt alles gelesen, jetzt komm’ bloß nicht daher und schnorr’ dir dauernd war von mir; hoffentlich kriegen wir bald wieder einen neuen Zettel.“
- „Ach, laß mich in Ruh!“, brummte Martina und zwängte sich auf das für ihre langen Beine viel zu kurze Bett.
‚Das geht ja schon gut los’, überlegte sich Bettina, ‚warum ist die nur immer gleich so aufbrausend, ich kann doch auch nichts dafür für diese mißliche Situation hier.’

Sie zog es vor, zu Schweigen, um Martinas Gemüt in der Stille abkühlen zu lassen. Sie bückte sich nochmals auf den Boden und sammelte die durchgesteckten Bücher und Zeitschriften ein. Bevor sie einen Blick darein warf, kam ihr der Gedanke, Magda und Gangolf anzurufen, um sie vorzuwarnen, was ihnen bevorstehen würde. Wie sie es voraussah, war Gangolfs >Mailbox< zu hören, sie sprach schnell ihre Nachricht darauf, was hier alles los war.

Gangolf schlenderte derweil mit Magda Arm in Arm an der Uferpromenade von Bardolino entlang; gasmaskenbehindert genossen sie den faszinierenden Blick auf die Bergkette am gegenüberliegenden Ufer des Gardasees. Gangolf hatte nicht sein Handy dabei und so konnte er mit Magda den ruhigen Abend völlig entspannt genießen, ohne von der Beküm­mernis zu wissen, die ihnen am nächsten Tag vor der Alpenüberquerung ereilen würde.














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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:09.07.22 06:07 IP: gespeichert Moderator melden


61

Wie verabredet trafen sich Barbara, Brause und dessen Kollege Müller in Röthen, um mit einem Boot mit Elektro-Außenbordmotor zur Schatzinsel zu fahren. Dem Bootsverleiher war es eine besondere Ehre, der Polizei ein Boot zu leihen; vorsichtig ließ er es zu Wasser und erklärte kurz die Handhabung. Er zeigte auch auf die Reservebatterie, die sich neben der Hauptbatterie unter der hinteren Sitzbank befand.
Müller betätigte sich als Fährmann; er genoß die Fahrt über den See. Schon nach kurzer Zeit kam die kleine Reisegruppe auf die offene Seefläche; nachdem sie die in den See bei Röthen hineinragende Landspitze umrundet hatten, sahen sie die Insel in wenigen Hundert Meter Abstand. Müller steuerte geradewegs auf die Insel zu; als er das Boot auf we­nige Meter herangesteuert hatte, hielt er nach einem Landeplatz Ausschau.

- „Verdammt, hört denn der Schilfgürtel hier nirgends auf“, schimpfte er und steuerte das Boot immer weiter südlich der Insel entlang. Hier kam die Insel ganz nah an das Festlandufer heran, nur zehn bis zwanzig Meter betrug der Abstand, sie befanden sich auf einem natürlichen Kanal.
Bettina entgegnete: „Auf der Nordseite gibt es einen Steg mit einer schmalen Schneise durch das Schilf!“
- „Auf der Nordseite?“, mischte sich Brause ein, „wenn ich das richtig sehe, sind wir hier aber im Süden von der Insel.“
- „Ja, so ist es, wahrscheinlich wäre es kürzer gewesen, gleich westlich `lang zu fahren“, meinte Barbara.
- „Hier in der schmalen Fahrrinne kehr’ ich jetzt nicht mehr um, dann fahren wir halt von der anderen Seite herum“, brummte Müller.

Das Gespräch kam damit zum Erliegen, jeder der Passagiere hing seinen eigenen Gedanken nach: Barbara rief sich in Erinnerung, wie sie die Kiste mit dem Geld gefunden hatte, Brause überlegte, daß wohl nur einer in Frage kam, dort Geld zu verstecken und Müller hoffte, endlich wieder auf die offene Seefläche hinauszukommen, um den Motor auf höchste Leistung und damit das Schifflein auf höchste Geschwindigkeit zu bringen.

Nach kurzer Zeit verbreitete sich wieder der Abstand zwischen Insel und Festland, Müller steuerte etwas weiter von dem Schilfgürtel der Insel weg und drehte den Regler voll auf. Der Bug stellte sich leicht auf, um kurz darauf wieder auf die Wasserfläche zu klat­schen; Müller bereitete es sichtlich Vergnügen und Brause ließ ihn gewähren, vorsichtshalber klammerte er sich fest an die Bordwand und an den Rand des Sitzbretts. Barbara verabscheute den Motorbetrieb; als überzeugte Umweltaktivistin liebte sie es, genauso wie ihre Kollegin Inge, möglichst mit Muskelkraft sich fortzubewegen, sei er auf dem Land, sei es auf dem Wasser. Sie sagte indes nichts und hielt sich neben Brause sitzend gleichfalls gut fest.

Als sie die Insel halb umrundet hatten und auf die Nordseite einschwenkten, mahnte Barbara, das Tempo zu drosseln, damit sie die Einfahrt zu dem Steg nicht übersähe. Müller fuhr etwas langsamer, das Bugwasser spritze jetzt nicht mehr so stark, dennoch ver­säumten sie die gesuchte Stelle.
- „Ich glaub’, wir sind zu weit!“, rief Barbara, „da vorn ist die Insel schon wieder zu Ende.“
- „Verdammt,“ knirschte Müller, „wo ist denn nun dieser Steg?“
- „Jetzt dreh’ um“, forderte ihn Brause auf, „und dann fährst du schön langsam am Ufer entlang, damit Frau Barbara ihn findet, sie war ja immerhin schon dort!“

Leise vor sich hinfluchend wendete Müller das Boot und drosselte nun deutlich die Geschwindigkeit. Das tat er aus zweierlei Gründen: Zum einen schien ihm das nun tatsächlich geraten, um nicht wieder die Einfahrt zu versäumen, zum anderen mahnte die in den roten Bereich wandernde Ladeanzeige zu einem schonenden Umgang mit der Batteriela­dung.
Kaum war das Wendemanoever durchgeführt, erkannte Barbara die Lücke in dem Schilfdickicht, zeigte auf die Stelle und rief: - „Da ist es!“

Müller ließ sich ungern von Frauen etwas sagen, noch dazu von jüngeren. Doch er sah mißmutig ein, daß er die Navigation der jungen Naturforscherin überlassen mußte.
‚Also wenn wir hier steckenbleiben, dann würd’ mich das riesig freuen’, dachte er verdrießlich, doch seine Befürchtung war unbegründet; nach wenigen Metern erreichten sie den Steg. Barbara erhob sich als erste und zog sich elegant auf den Steg hinauf. Als Brause aufstand, geriet das Boot in eine starke seitliche Schaukelbewegung. Er hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten; Barbara erkannte die Gefahr, setzte sich blitzschnell auf den Steg und reichte Brause eine Hand, während sie sich mit der anderen auf dem Stegbrett abstützte. Nach mehreren Versuchen gelang es Brause, sich auf den Steg zu ziehen; Müller folgte ihm ohne Probleme.

Barbara ging zum Leidwesen von Wachtmeister Müller voran; zu gern hätte dieser die Führung übernommen, aber er mußte sich eingestehen, daß er natürlich überhaupt nicht wissen konnte, wo sich die Stelle mit der Geldkiste befand. Müller war immer noch überzeugt davon, daß es sich bei dabei um eine Lappalie handeln würde, daß dort jemand eher zufällig ein paar Scheine hineinlegt hatte und schließlich nach dem Ende von irgend­welchen Arbeiten auf der Insel einfach darauf vergessen hatte, die Kiste wieder mitzu­nehmen.

Tatsächlich sollte Müller ausnahmsweise mit seiner Einschätzung recht behalten.

Nach wenigen Minuten erreichten die drei die kleine Lichtung, Barbara fand auf Anhieb zu ihr.
- „Dort hinten!“, rief sie freudiger Erwartung, den beiden Polizisten ihre Entdeckung zu zeigen. Erstaunt stellte sie fest, daß der glänzende Deckel ohne Laubbedeckung in seiner gesamten Oberfläche zu sehen war. Sie hätte schwören können, daß sie mit Inge die Kiste gut getarnt zurückgelassen hätten.

- „Aha, da ist also das Ding“, kommentierte Brause das Fundstück.
- „Soll ich öffnen?“ frage Barbara.
Müller drängte sich vor.
- „Nee, das mach’ ich schon, ihre Aufgabe ist hiermit erledigt!“
Er nahm aus seiner Umhängetasche einen großen Schraubenzieher und stocherte an dem Rand der Kiste herum. Barbara wußte zwar, daß das nicht notwendig war, denn der Deckel war bereits freigelegt, man mußte nicht tiefer als zwei fingerbreit unter die Erde. Doch sie schwieg, denn Müllers schroffe Abfuhr versetzte ihr einen Stich.

Nachdem Müller mit seinem Schraubenzieher am Kistenrand herumgestochert hatte und dabei Aushuberde auf den Deckel beförderte, tastete er mit beiden Händen um den Rand herum.
- „Mach’ du `mal das, Olaf“, forderte er seinen Kollegen auf, „sonst wird mein Verband ganz voll Dreck.“
Erst jetzt sah Barbara, daß Müller an der rechten Hand einen Verband trug. Brummend ging Brause in die Hocke, ohne lang herumzufummeln griff er an den Deckel und zog in auf.
- „Jeht doch janz ehnfach“, wendete er sich spöttisch an Müller und legte den Deckel ab.

Barbara gefror das Blut in den Adern: Soeben noch in erregter Hochstimmung erstarrten ihre Gesichtszüge, alle drei starrten in die leere Kiste.
- „Wie wir sehen, sehen wir nichts“, höhnte Müller und sah sich in seiner Vermutung bestätigt, „na, wo ist denn nun das viele Geld?“
- „Halt’ dich zurück“, konterte Brause, „die Kiste ist immerhin da, und das ist schon `mal interessant, wer vergräbt eine Kiste hier mitten im Wald auf der Insel?“

Barbara gewann wieder Fassung und antwortete:
- „Ich schwöre, daß da sehr viele Geldbündel waren, also Scheine, die zu Bündel gebündelt waren, ja, und die Oberfläche, also über dem Deckel, die haben wir wieder mit Laub und Gestrüpp bedeckt, so wie wir sie vorgefunden hatten.“
- „Tja, dann hat jemand den Schatz rechtzeitig gehoben, da war einer schneller als wir. Sie sagten ja was von einem Mann.“
- „Ja, dem wird das Geld halt gehören“, meine Barbara naiv.
- „Zumindest versteckte er das hier, soviel steht schon `mal fest“, antwortete Brause.
- „Das bringt uns auch nicht weiter“, nörgelte Müller, er freute sich bereits auf die Rückfahrt mit dem schnellen Boot.
- „Ach, jetzt halt’ doch `mal die Klappe“, ärgerte sich Brause über seinen Kollegen und fuhr an Barbara gewandt weiter fort:
- „Also Sie sagen, Sie hätten mit Sicherheit die Kiste mit Laub bedeckt, also sozusagen getarnt, daß kein Fremder sie finden konnte.“
- „Ja, so ist es“, beteuerte Barbara.
- „Gut, danke, das glaub` ich Ihnen natürlich hundertprozentig, was sollen Sie sich die Mühe machen, als ehrliche Finderin den Fund melden, wenn kein Geld da gewesen wäre.“
- „Mach` `mal `n Bild“, forderte er seinen Kollegen auf, „und dann geh’n wir wieder!“
Müller grinste hämisch, als er seine Dienstkamera aus der Umhängetasche nahm und einige Aufnahmen machte.

Nachdem die drei Passagiere wieder auf dem kleinen Boot Platz genommen hatten, bugsierte Steuermann Müller vorsichtig durch den Schilfkanal auf den See hinaus. Kaum waren sie auf der offenen Seefläche, wurde der Kahn immer langsamer und obwohl Müller den Regler auf Vollanschlag schob, schnurrte der Elektromotor nur noch sehr verhalten.
- "Das kommt von deiner Raserei", fauchte Brause.
- "Wir haben doch noch die Reservebatterie", konterte Müller, "und überhaupt war es ja deine Idee, auf die dämliche Insel da zu fahren, eine alte Kiste anzusehen."
- "Ja, das war meine Idee, und das war auch richtig, denn Frau Barbara hatte mit ihrer Freundin viel Geld darinnen gesehen, das war schon `mal einen Besuch wert. Und jetzt mach' schon und tausch' die Batterien!"

Müller zog aus seiner Tasche eine größere Zange, einen passenden Sechskantschlüssel für die Schrauben der Batteriepole hatte er nicht dabei. Barbara war sich sicher, daß in den seitlichen Klappen Bordwerkzeug zu finden wäre, doch sie wollte sich nicht einmischen. Es dauerte schier endlos, bis Müller die Anschlüsse an der alten Batterie abgeklemmt und an der neuen angeklemmt hatte; er hantierte dabei mit der linken Hand her­um, um seine verletzte rechte zu schonen. Seine angespannten Gesichtszüge wichen ei­nem genüßlichem Grinsen, als er sich nach getaner Arbeit wieder auf seine Bank setzte und erwartungsvoll den Schalter betätigte.

Schnell wandelte sich Müllers Grinsen in eine versteinerte Grimasse: So oft er auch den Schalter des Elektromotors betätigte, es tat sich nichts. Gar nichts. Stille.
- "Total entladen", brach Müller das allgemeine Schweigen.
- "Und jetzt?", rief ihm Brause zu.
Müller schwieg. Verlegenheit kroch in ihm empor. Barbara erfaßte die Situation, griff unter das Sitzbrett und holte ein Ruder hervor, das seitlich an dem Bord eingeklemmt war.
Sie wandte sich an den neben ihr sitzenden Hauptwachtmeister:
- "Setzen Sie sich zu ihrem Kollegen hinüber, ich werde rudern!"
Brause wollte zu einem Protest ansetzen, doch Barbara ließ ihn nicht zu Wort kommen:
- "Ich ruder' gern, wir hatten einen Kahn ohne Motor, da mußten wir alles rudern."

Brause nahm das Angebot dankbar an, ging in die Hocke, um den hauptsächlich durch seinen Bauch verursachten Schwerpunkt niedrig zu halten, und tastete sich zu der hinteren Bank. Müller rutschte auf die Seite, um ihm Platz zu machen. Barbara hängte derweil die Ruderriemen ein; kaum saß Brause neben seinem Kollegen, holte sie aus und zog durch.
- "Jetzt zieh' schon den Außenborder aus dem Wasser", befahl Brause seinen Kollegen, "das Mädel hat es mit uns schon schwer genug, da muß nicht auch noch die nutzlose Schraube im Wasser sein!"

Bei jedem anderen Mann wäre Barbara wütend geworden, sich >Mädel< bezeichnen zu lassen, doch fühlte sie sich bei Brauses Titulierung geehrt: Als vermutlich über 60-Jährigen durfte er zu ihr als 22-Jährige >Mädel< sagen.
'Der Kahn fährt leichter als jener neulich, mit dem ich mit Inge unterwegs war', dachte sich Barbara, und das war auch gut so, denn die Strecke nach Röthen war wesentlich weiter als zu dem gegenüberliegenden Nordufer. Sie ließ sich ihre Besorgnis wegen der weiten Strecke nicht anmerken, sie mußte ihre Kräfte einteilen und zwang sich, bewußt langsam, aber hochkonzentriert Schlag für Schlag zu setzen. Sie hatten auch nichts zu Trinken dabei, die Sonne wurde nur selten von einzelnen Wolkenfetzen verhüllt, sie stach gnadenlos vom heißen Spätsommerhimmel.

Nachdem sie die Nordspitze der Insel passiert hatten, brannte die Sonne auf Barbaras Rücken, während die beiden ihr gegenüber sitzenden Polizisten die Köpfe seitlich wendeten, um nicht das pralle Sonnenlicht in das Gesicht zu bekommen. Nach kurzer Zeit zog Barbara die Riemen ein und ihre Jacke aus, nur mit dem T-Shirt bekleidet ruderte sie weiter. Brause wollte sich gern mit ihr unterhalten, bemerkte indes, wie konzentriert Bar­bara sich den Takt vorgab; somit schien es ihm geraten, lieber zu schweigen. Müller da­gegen konnte sich nur schwer beherrschen, nichts zu dem langsamen Rudertempo zu sa­gen, er dachte sich: ‚Wenn die so langsam weitermacht, dauert das noch Stunden, bis wir in Röthen ankommen.’

Immer wieder blickte Barbara über ihre Schultern, ob sie noch Kurs hielt auf das kleine Dorf, deren Häuser sie am Südufer des Sees erahnen konnte. Noch waren sie zu weit weg, um genauer navigieren zu müssen; die grobe Richtung stimmte jedenfalls. Als sie etwa auf halben Weg im See angelangt waren, zog Barbara erneut die Riemen ein und hauchte zu den ihr gegenübersitzenden Passagieren:
- „Kurze Pause.“

Brause bot sich an, Barbara abzulösen, doch diese wehrte ab:
- „Nein, nein, ich mach` gleich weiter.“
Barbara rückte auf der Sitzfläche zur Seite und beugte sich über die Bordwand. Sie wusch sich mit dem Seewasser den Schweiß vom Gesicht, sie genoß die Abkühlung. Die beiden gegenüber sitzenden Passagiere ließen sich nichts anmerken, wie sie in ihren Uniformen schwitzten.

Barbara beschloß, ihr T-Shirt auszuziehen:
- „Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich mir jetzt auch noch das T-Shirt ausziehe.“
- „Aber bitte, nur zu, Sie verrichten ja Schwerstarbeit mit uns!“, entgegnete Brause.
- „So schlimm ist das nicht, ich rudere gern, aber die Hitze macht mir etwas zu Schaffen. Ziehen Sie sich doch wenigstens die Jacken aus und lockern Sie die Krawatte.“
- „Ja, das ist eine gute Idee, Sie haben recht, hier sind wir ja ganz unter uns“, meinte Brause und schälte sich aus seiner Uniformjacke. Müller tat es ihm gleich, beide blickten etwas ratlos umher, wo sie diese ablegen sollten.

Barbara erkannte die Notlage:
- „Geben Sie her, legen wir sie hier neben mir auf das Sitzbrett!“
Artig überreichten die beiden Polizisten ihre Jacken, Barbara legte sie behutsam neben sich. Ihr T-Shirt legte sie auf die andere Seite. Müller bekam Stielaugen, als die Ruderin mit dem schwarzen Büstenhalter wieder zu den Riemen griff und weit ausholte. Brause bemerkte das und gab ihm mit dem Ellenbogen einen Stoß in die Rippen. Müller begriff sofort und wandte seinen Blick ab. Barbara setzte ein breites Lächeln auf, sie bemerkte, daß auch Brause damit zu Kämpfen hatte, nicht auf ihre Brüste zu starren.

‚Ein Glück, daß ich den BH heute morgen nahm’, dachte sie sich, denn oftmals verzichtete sie darauf, wenn sie mit der Jacke bekleidet unterwegs war.
‚Die hätten jetzt `was zu Glotzen, ohne BH, wie da die Titten beim Rudern hin- und herspringen.’ Der Gedanke törnte sie an.
Barbara erhöhte ihren Schlagrhythmus, als Ausdauersportlerin freute sie sich, wenn sie nach der Hälfte des Weges, sei es beim Rudern, sie es beim Langlauf, beim Radfahren, das Tempo steigern konnte; sie wußte genau, daß sie es langsam angehen lassen mußte, bis sich der Körper auf die geforderte Leistung eingestellt hatte und dann war es gut, zulegen zu können, um schließlich in einen Endspurt einzumünden. Ihre beiden Fahrgäste waren erstaunt, zu welcher Steigerung sie fähig war und Müller mußte ihr im Geheimen Lob zollen: ‚Das hätte ich jetzt nicht erwartet, die ist echt gut `drauf.’
Als geborener Macho behielt er natürlich diese Gedanken für sich.

Der Bootsverleiher befand sich auf dem Steg, als er von Ferne einen Kahn heranrudern sah.
‚Ist das nicht mein Elektro-Kahn?’, wunderte er sich und beobachtete das Herannahen des Bootes.
Als es in Rufweite kam, rief er:
- „Ja was ist denn das, lassen sich da zwei Männer von einer Frau rudern, und überhaupt, was ist denn mit dem Motor, sind beide Batterien leergefahren?“
- „Von wegen Reservebatterie“, empörte sich Müller, noch bevor sie anlandeten, „total leer, das können Sie vergessen, daß wir Ihnen die fünf Stunden zahlen, höchstens drei!“

Der Bootsverleiher blickte ratlos auf das herangleitende Boot, gekonnt hielt Barbara zuerst auf der einen Seite, dann auf der anderen das Ruder fest im Wasser, so daß der Kahn entsprechende Wendungen vollzog und an Fahrt verlor. Mit einem sanften Schubser an die Hölzer des Steges war die Bootstour beendet, Barbara warf dem Verleiher die Leinen zu und klemmte die Ruderriemen an die Bordinnenseite. Mit einem Lächeln überreichte sie den Polizisten die Uniformjacken, Brause bedankte sich überschwenglich für den geleisteten Fährdienst und auch Müller brummelte etwas, das Barbara als einen Dank interpretierte.

- „Nun lassen Sie `mal sehen, ich kann es gar nicht fassen, beide Batterien sind fast ganz neu und ich hatte sie eigenhändig an’s Ladegerät gehängt.“
Der Bootsverleiher sprang in das Boot und betätigte den Schalter, die 7-Segment-Zifferanzeige leuchtete ihm entgegen „F 07“.
- „Da!“, rief er erregt, „da haben Sie es, F 07, und daneben da ist doch beschrieben, was das bedeutet, F 07, das heißt >falsche Polung<.“
Er bückte sich unter das Sitzbrett zu den Batterien hinunter und erkannte sofort das Problem:
- „Tatsächlich, da ha`m Se verpolt, rot is doch immer plus und blau minus und das steht doch auch auf den Anschlüssen, und die Elektronik hat das auch gemeldet, F 07, mein Jott, so wat hatte ich auch noch nich’. Und der Pluspol is’ doch dicker, wie ha`m Se denn überhaupt die Klemmen da drüber jebracht, die Minusklemme bringen Se normalerwees jar nich’ über den dicken Pol, ja, und seh`n Se, da, die dicke Plus-Klemme hängt janz lose über den dünnen Minuspol, wa, wie ha’m Se dat jeschafft!“

Müller blickte betreten, Brause konnte nur noch mit dem Kopf schütteln:
- „Ne, ne, und wegen deiner Blödheit mußte Frau Barbara die ganze weite Strecke zurück Rudern!“
Der Bootsverleiher sagte nichts dazu, klappte eines der Fächer an der Bordwand auf und holte einen Gabelschlüssel hervor, um die Anschlüsse zu berichtigen. Die Arbeit dauerte nur wenige Sekunden, als er einschaltete, zeigte die Elektronik mit vielen kleinen grünen Balken volle Ladung an.
- „Seh`n Se, voll jeladen!“

Genüßlich legte der Verleiher den Schraubenschlüssel in das Fach zurück und drückte den Deckel zu. Er kannte seine Kundschaft und ließ entsprechend nochmals seinen Blick über das Boot wandern, ob nichts zurückgelassen wurde. Tatsächlich wurde er fündig:
- „Da liegt noch ein Hemdchen“, rief er den dreien auf dem Bootssteg zu, und erst jetzt wurde sich Barbara bewußt, in welchem Aufzug sie da stand.
- „Danke, hätte ich jetzt glatt vergessen.“

Für einen kurzen Augenblick blickten sich Barbara und der Bootsverleiher tief in die Augen. Dann zog sich Barbara das T-Shirt über den Kopf und war für den Landgang wieder hergestellt.
Müller war wegen seiner Verpolung ganz verpolt, sein Überlegenheitsgefühl schmolz restlos dahin.
Der Bootsverleiher ergriff das Wort, als sie zu seinem Häuschen schritten:
- „Weil Sie schon `mal hier sind von der Polizei, da hatte ich letzthin zwei Typen jeseh’n, die dort auf dem unbewaldeten Teil der Insel, da jechenüber gleich, herumliefen und wat machten, konnte dat nich’ so jenau seh’n hinter dem Schilf dort, aber sachen Se, is dat nich verboten, dort zu sein wegen Naturschutzjebiet und so?“

Bevor Brause etwas erwidern konnte, ergriff Barbara das Wort:
- „Das waren wir, also ich und meine Kollegin vom Umweltamt, wir beobachteten die Zugvögel, die hier regelmäßig alle Jahre von Skandinavien her kommen und hier rasten.“
- „Aha, und was beobachten Sie da genau?“
- „Das darf ich Ihnen leider nicht sagen, das ist erstmals in diesem Jahr etwas Geheimes.“
- „Etwas Geheimes, wird halt wieder so was wie eine eingeschleppte Vogelgrippe sein, vermut’ ich `mal.“

Barbara errötete: ‚Wie kommt der Mann da d’rauf?’
Sie schwieg und auch der interessierte Fragesteller bohrte nicht weiter. In dem Kassenhäuschen reichte er ihr eine Wasserfalsche.
- „Da, neh’m Se, ham’ Se sich verdient!“

Auf der Rückfahrt zwängte Brause seinen Bauch neben Barbara auf die Rückbank, um sich mit dieser zu unterhalten. Er mahnte Müller:
- „Nun fahr aber anständich, nich’ daß uns auch noch dat Benzin ausjeht.“

Müller preßte die Lippen aneinander und schwieg. Barbara begann die Konversation mit einer Frage:
- „Wissen Sie eigentlich `was von so einer Notfallübung, die angeblich alle Behörden absolvieren müssen; ich war mit Inge auf der Insel, als diese war und jetzt sollen wir das nachholen.“
Brause überlegte, ob er ihr die ganze Wahrheit sagen sollte. Er antwortete ausweichend:
- „Is’ jeheim, wohl genauso geheim wie ihre Vogeluntersuchung, vielleicht hängt dat sogar miteinander zusammen.“
Barbara blickte ihn verwundert an, Brause lenkte auf ein anderes Thema:
- „Wenn wir in Lüggen zurück sind, lad’ ich Sie natürlich zum Mittagessen ein, Sie müssen einen Bärenhunger haben nach der Plackerei.“
Barbara lächelte und entgegnete:
- "Ich hab’ immer einen Bärenhunger, auch wenn ich satt bin.“
Brause blickte einen Augenblick lang verdutzt auf, dann fiel bei ihm der Groschen:
- „Ah, ich verstehe, und jetzt fällt mir wieder ihr Zuname ein, Frau Bär, sehr schön!“

Brause wies Müller an, in Lüggen auf den Markt zu fahren, dort stieg er mit Barbara aus, während Müller allein zum Polizeirevier weiterfuhr. Beim Mittagessen tauschten sich Brause und Barbara ihre Geheimnisse aus.

Beiden wurde mulmig, was sie voneinander erfuhren.





















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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:10.07.22 21:12 IP: gespeichert Moderator melden


Magnus,
mal wieder eine spannende Wendung, wenn sich zwei Erzählstränge kreuzen. Danke für all die Mühe und die pünktlichen Fortsetzungen. Ich bewundere diese Disziplin. Und bin neidisch.
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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:13.07.22 12:50 IP: gespeichert Moderator melden


Modex,

angeblich macht Reichtum erst richtig glücklich, wenn man darum beneidet wird.

Deine Anerkennung ehrt mich und es fühlt sich gut an, wieder einmal eine Rückmeldung zu erhalten, wenngleich auch kein Grund zum Neid besteht; zudem kann ich nicht garantieren, ob ich immer pünktlich jede Woche eine Fortsetzung bringen werde.

Ich wünsche weiterhin viel Freude beim Lesen!

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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:15.07.22 20:23 IP: gespeichert Moderator melden


62


Nachdem Gangolf mit Magda am Abend vom Gardasee zu der Herberge zum Corte San Zeno zurückgekehrt war, holte er sein Smartphone hervor; eine eingehender Anruf forderte seine Aufmerksamkeit. Er nahm an, daß Bettina ihm mitteilen wollte, wie weit sie bereits gekommen waren, vermutlich hatten sie längst Deutschland erreicht. Gangolf war ziemlich sprachlos, als er lauschte, was ihm Bettina am Handy alles erzählte.
- „Und da müßt ihr jetzt wirklich vierzig Tage d’rinn bleiben in der winzigen Zelle?“, fragte er ungläubig-erstaunt.
- „Das ist ja Wahnsinn... Ja, danke, daß du mir das erzählst, dann sind wir vorgewarnt... Da müssen wir durch, es hat wohl keinen Sinn, den Urlaub hier noch auszudehnen, dann ist das nur aufgeschoben ... Schöne Grüße an die Martina, und vertragt euch gut ... chiao.“

Zur Salzsäule erstarrt legte Gangolf das Gerät auf den Tisch und blickte minuntenlang starr vor sich hin. Magda wagte es, ihn anzusprechen: „Was ist denn los?“

Gangolf überlegte, wie er es ihr schonend beibringen konnte, doch dann berichtete er ohne Umschweife, was er von Bettina erfahren hatte. Magda war bezüglich der Leidensfähigkeit eine starke Person, sie zeigte sich nicht erschrocken, als sie von der vierzigtägi­gen Quarantäne auf engstem Raum erfuhr, höchstens überrascht, und Gangolf vermeinte, gar ein kurzes freudiges Aufblitzen in ihren Augen gesehen zu haben. Ihm war nicht im geringsten klar, wie er es mit Magda in dem schmalen Doppelbett aushalten würde, über­haupt in der winzigen Zelle, andererseits überlegte er, daß es mit ihr noch am besten funktionieren würde von allen drei Frauen; dank ihrer Selbstlosigkeit und Zurückhaltung hoffte er, mit ihr an der Seite die Zeit einigermaßen schadlos zu überdauern.

Wie jeden Abend tippte Gangolf auf >Tagesschau.de<, um sich die Nachrichten des Tages anzusehen. Als erste Meldung wurden die Quarantänemaßnahmen in Österreich ge­bracht:

- „Österreich errichtete an den Grenzübergängen zu seinen südlichen Nachbarländern Quarantänestationen. Alle Einreisenden sind gezwungen, in den Containerbehausungen von der Außenwelt weitgehend isoliert sechs Wochen zu verbringen. Wie aus gut unterrichteten Quellen verlautete, sind die Bedingungen in den kleinen Räumen unerträglich; nicht ohne Grund verschwieg die österreichische Regierung die Ergreifung dieser restrikti­ven Maßnahme, um zu vermeiden, daß vor allem Touristen, die aus ihrem Urlaub aus den südlichen Ländern heimkehren oder weiter nach Deutschland und andere Länder fahren, das sogenannte >Condoma-Virus< einschleppen. Wie wir gestern berichteten, bereiten sich auch Deutschland und andere Staaten in Europa auf Abwehrmaßnahmen vor, genaue­re Angaben unterliegen der Geheimhaltung. Die Bundesregierung erwägt, nöti­genfalls als letztes Mittel die Notstandsgesetzgebung erstmals in der Geschichte der Bun­desrepublik zu aktivieren.“

Gangolf tippte auf seinem Smartphone weiter herum, auch die österreichischen und italienischen Medien brachten kurze Meldungen über die aufgebauten Quarantäneeinrichtungen. Als er bereits wieder abschalten wollte, schweifte sein Blick auf eine italienisch­sprachige Seite, welche von einer Alternative zu der vierzigtägigen Quarantäne berichte­te. Glücklicherweise gab es eine deutsche Übersetzung; der Autor des Berichts war dem Namen nach zu schließen Südtiroler.

Fasziniert las Gangolf von einer dreistündigen Intensiv-Reinigung, der sich die Reisenden aus Italien unterwerfen müßten, eine Tortur, die an die Grenzen des Aushaltbaren ging. Gangolf folgte dem >Link< zu einer staatlichen Seite, wo man sich anmelden konn­te. Er zeigte Magda den Text mit den Anmeldevoraussetzungen:

>Gesund, robuste körperliche und mentale Verfassung, 18 bis 30 Jahre.<
- „Da bin ich schon drüber“, seufzte Gangolf, „ob die mich mit meinen 32 da noch nehmen?“
Magda lächelte ihn an: „Was sind schon zwei Jahre, du wirkst doch noch viel jünger.“
- „Danke“, entgegnete Gangolf und lächelte zurück. „Probieren werden wir es jedenfalls, ich möcht’ doch nicht sechs Wochen da in einer engen Bude eingesperrt werden!“
Magda nickte, Gangolf nahm jedoch einen kurzen Anflug einer Enttäuschung auf ihrem Gesicht wahr.
‚Was du nur immer so geil findest am Eingesperrt sein’, dachte sich Gangolf und es kam ihn die Kartoffelkisten-Geschichte in den Sinn, die ihm die Bekanntschaft mit einer Polizeizelle einbrachte.

Beherzt füllte Gangolf die Eingabefelder aus, mit seinem und mit Magdas Namen und den Geburtsdaten. Bei seinem Geburtstag mogelte er sich zwei Jahre jünger; sollte er darauf angesprochen werden, würde er sich auf einen versehentlichen Tippfehler herausreden. Auch die Geburtsorte waren gefragt, er war überrascht zu erfahren, daß Magda in Berlin geboren war:
- „Ja, ich kenne das Großstadtleben, möchte nie wieder dort zurück.“
Das war alles, was sie darüber sagte und Gangolf wollte es dabei belassen, denn er war erstaunt, daß sie sich überhaupt zu so einem langen Satz hinreißen ließ, meistens antwortete sie nur sehr einsilbig.

---

Umweltministerin Graumaus konnte sich nicht mehr zurückhalten; sie polterte in der eilig zusammengerufenen Kabinettsitzung darauf los:
- „Ach ja, und was planen Sie noch so alles in ihrem Ministerium, Herr Kollege Scham, Herr Doktor Unwohl, um das Virus wieder südlich über die Alpen zu vertreiben, sollen die Menschen mit ihren Gasmasken in den Wohnungen sitzen und verpflichtet werden, die Fenster weit geöffnet zu halten?“

Staatssekretär Unwohl antwortete mit einer Gegenfrage:
- „Fenster geöffnet zu halten, meinen Sie, daß die sicherlich dann verbesserte Lüftung in den Wohnungen so viel bringt gegen die Verbreitung des Virus`?“

Graumaus ereiferte sich:
- „Nee, doch nicht wegen der Lüftung, sondern daß Kollege Schießmann mit seinen Drohnen hineinfliegen kann und die Hausbewohner überwachen kann, daß sich bloß keine Fremden heimlich in den Wohnungen treffen, George Orwell läßt grüßen!“
- „Mäßigen Sie sich,“ zischte Bundeskanzlerin Prank-Barrenkauer, obwohl sie zugeben mußte, daß Graumausens abstruse Gedankengänge gar nicht so weit hergeholt waren.
Verteidigungsminister Schießmann verwahrte sich gegen Graumausens Verdächtigungen:
- „Da sind Sie in meinem Ministerium vollkommen falsch gelandet, Frau Ministerin Graumaus, das Schnüffeln und Ausspionieren liegt ganz im Innen-Ressort, beschuldigen Sie Minister Schneehoffer, wenn Sie schon solche irre Gedanken hegen, daß die Zivilisten un­serer Republik mit Überwachungsdrohnen ausgespäht werden!“
Schleehoffer blickte überrascht auf, schüttelte aber nur den Kopf und sagte nichts dazu.

Ein Referent des Innenministeriums berichtete von den sogenannten >Notfallübungen<, in seinem Ministerium war man überrascht, wie es gelingen konnte, diese Maßnahme bislang weitgehend geheim halten zu können; offenbar wirkte die den Teilnehmenden mit auf den Weg gegebene Drohung, sie verlören ihren Beamtenstatus, wenn sie von den eingeübten Aktionen etwas nach außen dringen ließen.

Die Regierungsmitglieder kamen überein, nochmals eine Woche zu warten, wie sich die von Österreich ergriffenen Maßnahmen der Quarantäne an der Südgrenze auf das Infektionsgeschehen auswirken würden; sollte es gelingen, tatsächlich alle Urlauber und sonsti­ge Reisende aus Italien und Slowenien wochenlang isoliert zu halten, wären solche Maß­nahmen an Deutschlands Südgrenzen wohl überflüssig.

- „Warten wir es ab“, ergriff Prank das Wort, „wir sind immerhin bestens gerüstet, das Desaster wir vor zehn Jahren wird sich nicht wiederholen, daß Deutschland unvorbereitet dem Virus gegenüber tritt.“
- „Sie meinen also, daß sich das Virus davon abhalten läßt, wenn wir alle mit der Gummischnauze herumschnüffeln, vielleicht dadurch, daß sich die Viren darüber totlachen“, ergötzte sich Graumaus. Einige Kabinettskollegen lachten kurz auf, doch allen war der hintergründige Ernst in diesen Worten bewußt, daß das Tragen der Gasmasken vielleicht nur Symbolcharakter haben könnte, ein Zeichen der Solidarität, so wie damals beim Coronavirus die Stoffmasken es waren.

Als nach dem Ende der Versammlung Graumaus und Prank in einem Winkel des großen Flurs zusammenkamen, fragte diese jene:
- „Na, hast du schon kräftig geübt mit dem Gummiding?“
Graumaus entgegnete:
- „Ja klar, ich bin gewappnet, nicht nur gegen das Condoma-Virus, sondern auch gegen das HIV.“
- „Ach, du meinst deinen Blechstreifen über deine Furche, daß dort nichts eindringen kann.“
- „Neidisch?“
- „Hm, ja, vielleicht. Kannst ja beim nächsten Mal den Vorschlag bringen, daß Unwohl solche Dinger für alle verteilen läßt, ich bräuchte dann wohl eine größere Ausführung, damit der Virus nicht seitlich darunter durchrutscht.“










































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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:23.07.22 06:44 IP: gespeichert Moderator melden


63

Als sich Gangolf auf seinem Motorrad immer weiter alpenwärts die alte Brenner-Staatsstraße SS12 hinaufwand, stieg sein ungutes Gefühl von Kilometer zu Kilometer. Magda hingegen genoß hintenaufsitzend das beschwingte Fahren durch die breiten Kurven der ehemaligen Hauptverkehrsstraße zwischen Italien und Mitteleuropa, sie machte sich nicht die geringsten Gedanken, was ihr mit Gangolf bevorstehen würde. Ihr gesamtes Leben war bisher von anderen gelenkt und vorgegeben worden, wie ein kleines Kind klammerte sie sich jetzt an Gangolf, auch im übertragenen Sinne.

Schon von weitem erblickte Gangolf das riesige Container-Dorf, von dem Bettina ihm erzählt hatte. Von der neu errichteten Autobahnausfahrt Gossensaß / Colle Isarco wälzte sich eine schier unendliche Auto-Karawane Richtung nördlichem Ortsausgang, auch einige Omnibusse waren unter den Fahrzeugen, deren Insassen überwiegend nach Deutsch­land und anderen nördlichen Ländern zurückkehrende Urlauber waren. Ein Straßenverkehrspolizist mit obligatorischer Maske regelte den Verkehr; während der langen
Warte­zeit erinnerte sich Gangolf an einen Schüttelreim, den sein Vater stets daherbrachte:

>Ein Auto fuhr durch Gossensaß
durch eine wahre Soßengass,
Bis daß die ganze Gassensoß
sich über die Insassen goß<.

Als es endlich weiterging, sah Gangolf am Ortsende weitere Schutzmänner in ihren adretten Uniformen stehen, verunstaltet durch die skurrilen Gasmasken vor dem Gesicht. Es könnte sich auch um Schutzfrauen handeln, kam es Gangolf in den Sinn, sofern diese kurze Haare hatten, wären sie wegen den Vollgesichtsmasken nicht von ihren männlichen Kollegen zu unterscheiden gewesen. Wild gestikulierend wiesen sie die Autos in eine schmale Seitenstraße, welche schließlich auf eine große zu einem Parkplatz umfunktionierte Wiese führte. Gangolf hielt an, öffnete sein Helmvisier, blökte den Gendarmen auf Italienisch an, er habe sich zu der >pulizia intensiva< angemeldet. Nachdem er sich die Handschuhe abgestreift hatte, zog er sein Smartphone aus dem Tankrucksack und wollte die Webseite aufrufen, um seine Anmeldung zu zeigen. Der Polizist erkannte Gangolfs lautere Absicht und winkte ihn an der Straßensperre vorbei, ohne weiter Notiz zu neh­men.

In weiten Schlingen ging es nun deutlich steiler bergauf, oberhalb der Staatsstraße verlief auf zahllosen Betonstützen die Autobahn. Anstelle der Etsch, die sie in Gossensaß verlassen hatten, begleitete jetzt das Flüßlein Eisack die Motorradfahrer zum Brennerpaß hinauf.
‚Von der Maas bis an die Memel’, kam es Gangolf in den Sinn, ‚von der Etsch bis an den Belt’; so groß war einmal das deutschsprachige Gebiet, das Gebiet von der nördlichen Etsch an haben sich die Südtiroler von Italien als Provinz mit weitreichenden Autonomierechten zurückerobert, die anderen besungenen Flüsse liegen weit abseits des heuti­gen deutschen Siedlungsraums. Als Hoffmann von Fallersleben diesen Text als >Lied der Deutschen< schrieb, waren die Verhältnisse noch ganz anders, 31 souveräne deutsche Staaten gab es im Jahr 1841.

Große zweisprachige Schilder wiesen im südtiroler Teil des Grenzortes Brenner den Weg zu der >Pulizia intensiva – Intensiv-Reinigung<; der Seitenweg führte von der Hauptstraße weg zu einer ehemaligen Kaserne. In dem weiten Hof stellte Gangolf das Motorrad ne­ben bereits dastehenden Motorrädern in einer Reihe ab, die überwiegende Anzahl der Fahrzeuge waren indes Autos. Er befestigte die Helme wie gewohnt an die Haken unter der Sozius-Sitzbank und zog den Tankrucksack vom Tank. Mutig stiefelte er mit Magda an seiner Seite dem Eingang zu, vor welchem sich eine kurze Schlange junger Leute ge­bildet hatte. Gangolfs beklemmendes Gefühl erhärtete sich mit jedem Schritt, allein schon die Atmosphäre des Kasernenhofs löste ein starkes Unbehagen in ihm aus. Magda indes spazierte sorglos neben ihm daher, anscheinend durchaus erfreut über die bevor­stehende Abwechslung.

Ein im totalen Schutzanzug eingehüllter Wärter trat aus dem Eingangsbereich heraus und zählte die Warteschlage ab; nach dem achten Wartenden breitete er den rechten Arm hinter dessen Rücken aus und wies mit der linken Hand zum Eingang mit mehrfachen Aufrufen: - - „Va, va ... va“.
Erstaunt blickte Magda ihren Begleiter an, Gangolf erläuterte ihr:
- „Das heißt: geht; anscheinend werden wir gruppenweise eingelassen.“

Vor Magda und Gangolf stand eine Frau mit schönen langen Haaren, sie stand nun als erste in der Warteschlange vor der Pforte. Als sie sich beiläufig umsah und Gangolf und Magda erblickte, kam sie in’s Grübeln: ‚Die beiden kenn’ ich doch woher, wer waren die bloß.’
Als Verkäuferin von Motorradbekleidung lernte sie natürlich viele Motorradfahrer kennen und sie folgerte richtig, daß diese beiden wohl Kunden gewesen waren.
Gangolf reagierte mit einem Lächeln und grüßte mit einem knappen „Hallo.“
Magdas Augen indes begannen zu strahlen und sie ergänzte Gangolfs Einsilbigkeit: „Hallo Birgit.“

Gangolf richtete seinen Blick erstaunt auf Magda, dann wieder auf die vor ihr stehende Frau, die offenbar Birgit hieß. Nun grüßte auch diese mit einem „Hi“ zurück.
- „Kennt ihr euch?“, fragte Gangolf, nachdem keine der beiden Frauen weiter ein Wort verlor.
Birgit antwortete:
- „Ja, ich glaub’ schon, habt ihr nicht eure Klamotten bei mir in Berlin gekauft?“

Jetzt erinnerte sich auch Gangolf wieder an sie und er bewunderte Magda wegen deren Erinnerungsvermögen. Gangolf dagegen mußte Menschen oft wieder treffen, um sich deren Gesicht einzuprägen, überdies hatte er ein schlechtes Namengedächtnis.
- „Ja klar, so ein Zufall, da hast du dich also auch zu der Schnellreinigung hier angemeldet.“
Magda überließ von nun ab wie selbstverständlich Gangolf den Fortgang der Konversation.
- „Ich möchte doch nich’ `ne halwe Ewichkeit in dem Quarantäne-Bunker eingesperrt werden“, entgegnete Birgit. Gangolf stimmte ihr zu, es gelang ihm, dank des Plauderns mit Birgit die Nervosität zu mildern. Selbst Magda bemerkte Gangolfs Nervosität, sie war überrascht, denn bislang schien ihr Gangolf die Ruhe in Person zu sein.
‚Eine Schnellreinigung, was soll daran schon groß was Aufregendes sein’, dachte sie sich.

Birgit und Gangolf tauschten sich über ihre Urlaubsgeschichten aus, Gangolf berichtete von dem Ausflug in das hoch überflutete Venedig; Birgit bestätigte, davon im Internet gelesen zu haben. Sie blieb mit ihrer Geländemaschine in den Bergen westlich des Gardasees. Eigentlich wollte sie neben dem Motorradtouren auch Bergwanderungen unternehmen, doch überall warnte man, daß man auch dabei die Gasmasken aufsetzen müßte, selbst wenn man alleine unterwegs war.

Mitten im Gespräch fiel Birgit Magdas Handicap ein:
- „Sag’ `mal“, wandte sie sich an Magda, „hattest du nicht diese elektronische Fußfessel, oder erinner’ ich mich da falsch, entschuldige bitte, daß ich so direkt frage.“
Magda errötete leicht und antwortete kurz:
- „Ja, stimmt.“
- „Und da kannst du so weit weg fahren, freut mich für dich, also mein Ding is’ jetzt endlich weg, ich fühle mich so frei jetzt, ein tolles Gefühl.“
- „Magdas Ding haben wir ausgetrickst“, übernahm nun Gangolf wieder das Wort.
- „Ach ja, ich erinner’ mich, das hast du damals erzählt, find’ ich toll, daß so `was möglich is’.“

Auch die hinter den drei Motorradfahrern Wartenden begannen miteinander Gespräche zu führen, es schienen allesamt Autofahrer gewesen zu sein. Endlich ging die Tür zu dem Kasernengebäude wieder auf, der gleiche Wachmann wie zuvor kam heraus und begann in der gleichen Weise abzuzählen. Die Gespräche verstummten, die Wartenden vernahmen die leisen Worte:
- „... quattro, cinque, sei sette, otto, allora.“
Der Wärter deutete dem abgezählten Block an, einzutreten und rief dazu wieder sein „va, va!“

Mit pochendem Herzen schritt Birgit voran, gefolgt von Magda, die hingegen vollkommen arglos die Pforte durchschritt. Gangolf zog es den Magen zusammen, als er die hohen langen Gänge erblickte, durch welche die Achter-Gruppe geleitet wurde. Der voranschreitende Wächter öffnete eine Tür und wies die Gruppenmitglieder an, in den dahinter lie­genden Raum hineinzugehen. Als alle eingetreten waren, erklärte er in einem ganz schlecht verständlichem Deutsch, daß sich nun alle vollkommen nackt entblößen sollten. Keiner verstand ihn, weder akustisch, noch inhaltlich. Nach einigem hin und her bot sich Gangolf als Dolmetscher an. Der italienische Wärter war sehr froh über diese unerwartete Hilfe; bei den Gruppen, die er zuvor durch das Gebäude schleusen mußte, dauerte es eine halbe Ewigkeit, bis er den Leuten klarmachen konnte, was sein Befehl war. Er ver­suchte es zwar auch auf Englisch, doch blieb er schon allein durch die Maske sprachlich schwer behindert.

Gangolf mußte dann auch noch in’s Französische übersetzen: Die letzten drei in der Warteschlange waren Franzosen, sie wurden von ihren Freunden durch die Zählung bis acht abgetrennt. Gangolf gelang es mühsam, deren Besorgnis dem italienischen Wächter klarzumachen, doch dieser zuckte nur und meinte wenig trostreich: „Va bene, va bene!“

Die Menschen in der Gruppe konnten nicht glauben, was Gangolf ihnen da alles übersetzte, sie sollten sich vollkommen nackt ausziehen und ihre Sachen in die an der Wand stehenden Kleiderspinde hängen. Um seine Anweisungen durchzusetzen, drückte der Wärter auf einen Knopf an der Wand; eine laute Klingel erschall in dem Gang und hallte lange nach. Nach kurzer Zeit kamen mehrere Kollegen hereingestürmt mit drohend erho­benen Gummiknüppeln, allein Magda erfreute der schaurige Anblick:
‚Alles an denen ist grün und aus Gummi, hoffentlich schlagen sie nicht zu fest zu.’

Magda war die erste, die sich schnell aus der Motorradkombi schälte, obwohl gerade sie kein besonderes Problem bei der Anwendung der Knüppel gehabt hätte. Auch die anderen Anwesenden erkannten den Ernst der Lage und begannen mit dem Entkleiden. Gan­golf stellte fest, daß die Frauen offensichtlich weit weniger Hemmungen hatten, sich nackt zu zeigen als die Männer, diese hielten verschämt ihr Gemächt mit den Händen bedeckt.
‚Vielleicht liegt das daran, daß die Damen keine solche Teile auf Halbmast baumeln haben’, überlegte sich Gangolf. Er bemerkte dann doch, daß einige Frauen abwechselnd ihre Brüste, dann ihre Scham bedeckten, ihnen fehlt eindeutig eine dritte Hand, dachte sich Gangolf, und nach einigem Hin- und Herwechseln ließen die besagten Frauen das Abdecken ihrer intimen Schönheiten gänzlich bleiben, einige stemmten selbstbewußt die Hände auf die Hüften und präsentierten stolz die erhabenen Körperformen des weiblichen Geschlechts.

Als die Entkleidung bei allen erfolgt war und auch alle mitgebrachten Gegenstände verstaut worden waren, zog der Verstärkungstrupp wieder ab, ohne von der Waffe Gebrauch gemacht zu haben. Fast alle standen nun splitternackt da, nur drei trugen ihre Brillen als einzigsten Gegenstand, einmal von einigen Ringen abgesehen, die an den Fingern oder als Piercings in der Haut steckten. Der Wärter beäugte jeden eingehend und brummte bei den dreien durch seine Maske:
- „Anche gli occhiali!“
Gangolf echote: „Auch die Brillen!“
- „Die Brillen müssen wir auch abnehmen?“, empörte sich einer der drei Brillenträger, „dann seh’ ich doch nichts mehr.“

Gangolf empfand die Situation äußerst bizarr, ungewollt wurde er als Dolmetscher zum Handlanger dieses Spießgesellen, doch er sagte sich, daß sich ohne seine sprachliche Hilfeleistungen die ganze Sache noch viel länger hinziehen würde. Nachdem er den Einwand dem Italiener vorgetragen hatte, übersetzte er dessen Antwort zurück:
- „Es wird nichts zu sehen geben.“

Bei der Leibesinspektion übersah der Wärter Magdas Fußfessel, er kam anscheinend nicht auf die Idee, daß jemand mit solch einem Teil ausgestattet gewesen war und machte sich nicht die Mühe, bei jeder Person in die Hocke zu gehen, um deren Füße nach
Ge­genständen abzusuchen. Die Maskengläser schränkten das Sichtfeld nach unten schwer ein, so daß er es dabei beließ, bei zwei der jungen Frauen die Piercingringe durch deren äußeren Schamlippen zu beglotzen. Um diese besser wahrzunehmen, ging er jeweils vor diesen Frauen in die Hocke.

Nach erfolgter Fleischbeschau nötigte der Wärter die Mitglieder seiner Gruppe, sich die jeweiligen Nummern der Spinde zu merken, in welchen jene die Kleidung und Habseligkeiten verstaut hatten; glücklicherweise waren es nur dreistellige Zahlen. Aus einer Kiste holte der Wärter eine Zange und einen Metallstreifen hervor. Er wandte sich an Gangolf, der Satz für Satz übersetzte.

‚Eines muß man den Italienern lassen’, stellte Gangolf fest, ‚sobald diese erkennen, daß sich Ausländer bemühten, ihre Sprache zu sprechen, formulieren sie einfache Sätze und sprechen deutlich.’ Das mit dem Deutlichsprechen galt wegen der schweren Gummimaske naturgemäß nur eingeschränkt.
- „Hier jeder bekommt so einen Metallband um die Hand“, begann Gangolf. Den nächsten Satz verstand er nicht sofort, er fragte nach: „Cosa vol’ dire foca?“

Der Italiener beschrieb in anderen Worten, was er meinte und zeigte Gangolf dabei die Innenseite der Plombierzange mit den auswechselbaren Prägeziffern.
- „Ah, ho capito“, entgegnete Gangolf und übersetzte: „Das Band wird verschlossen mit einem Siegel ... Die Siegelnummer ist eine Bestätigung für die Reinigung ... die muß man vorzeigen bei einer Kontrolle in Österreich ... Also los jetzt, einer nach dem anderen vorgehen.“

Allmählich verschwand auch bei den Männern das beklemmende Gefühl der Nacktheit. Es entstand ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, der Wächter dagegen in seinem Ganzkörper-Gummianzug wurde nicht als menschliches Wesen wahrgenommen.
‚Welch ein Widersinn’, kam es Gangolf in den Sinn, ‚>beklemmende Nacktheit<, das ist so, als ob man von einer >freimachenden Fesselung< spräche.’

Da Gangolf dem Wärter zunächst stand, kam er als erster an die Reihe. Erstaunlich geschickt öffnete der Wärter mit seinen in Gummihandschuhen steckenden Finger das Me­tallband, drückte deren flachgepreßte Enden auseinander, führte sie um Gangolfs linkes Handgelenk und brachte nach der vollzogenen Umschlingung die Enden übereinander. Mit der Zange drückte er die flachen Enden zusammen, so daß diese zusammengequetscht wurden. Erstaunlicherweise ergriff der Wärter anschließend auch Gangolfs rechtes
Hand­elenk und verpreßte auch um dieses einen Metallstreifen.

Nacheinander ließen sich nun alle die Metallbänder um die Hände führen; einige Männer murrten zwar, doch sahen sie ein, daß Widerstand zwecklos gewesen wäre, schnell hätte der Wärter wieder seine Kollegen mit der Klingel herbeigeordert und wer weiß, ob diese dann nicht doch einmal von ihren Knüppeln Gebrauch gemacht hätten.

Gangolf ergriff ein zusammengequetschtes Ende von Magdas linkem Band, es war erstaunlich glatt, kein Grat war zu fühlen, welcher zu einer Verletzung an der Haut hätte führen können. Er erkannte in der Mitte des Siegels eine fünfstellige Nummer. Jetzt wurde ihm klar, warum der Wärter nach jeder Plombierung eine Prägeziffer auswechselte; alle wurden fortlaufend numeriert. Magda empfand die Metallbänder um ihre Handgelen­ke als anregende Fessel, es schien, als freute sie das, was alle anderen als Demütigung empfanden. Unbewußt faßte sie sich an den Schritt, sie nahm ihre nackten Schamlippen wollüstig in ihre zarten Finger.

Dem Wärter wurde Magdas Verhalten sofort gewahr, in erstaunlicher Geschwindigkeit wirbelte er herum und beobachtete diese mißtrauisch.
- „Nimm’ jetzt lieber die Finger weg“, raunte Gangolf Magda zu, „sonst meint der gar, du hättest da was.“
Nun wurde auch Magda bewußt, daß das Herumfingern an den Geschlechtsorganen ein Erkennungsmerkmal dieser seltsamen Krankheit war, daß sie sowohl in Caorle, als auch in Bardolino etliche gesehen hatten, die unter dem zwanghaften Trieb litten. Schnell zog Magda ihre Finger weg und blickte mit einer Unschuldsmine den Gasmaskenmann an.
Gangolf machte es stutzig, daß weder beim Betreten des Kasernengeländes, noch jetzt nach erfolgter Numerierung ein Abgleich mit irgend welchen Ausweisen durchgeführt worden war.

‚Vielleicht ein Glück’, dachte er sich, ‚sonst wäre ich wegen meines Alters nicht hereingelassen worden. Und ach ja, beim Anmelden hab’ ich >Magda Armdran< als Namen an­gegeben, dabei heißt die Magda ja eigentlich Anneliese oder so ähnlich, weiß ich gar nicht mehr genau.’
- „So, jetzt sind wir nur noch eine Nummer“, bemerkte Birgit sarkastisch, sie ahnte natürlich nicht, daß das eine geradezu lächerlich-kleine Demütigung war im Vergleich zu je­nen, denen sie in wenigen Minuten ausgesetzt werden würden.

Als die Gruppe auf den breiten Gang hinausbeordert wurde, begannen einige wieder zu murren, ihnen ging das dann doch zu weit, im Adamskleid herumgeführt zu werden. Einige Damen stiegen unwillkürlich auf die Zehenspitzen, als sie von dem Holzboden des Zimmers auf den kalten Steinboden des Flurs traten. Der Wärter zischte etwas in seine Maske, augenblicklich wurde es wieder ruhig, schließlich sahen alle der Tatsache in’s Auge, daß anscheinend eine Ganzkörperreinigung in Form eines Brausebades stattfinden würde.

Doch keiner der jungen Leute ahnte, als sie da im Gänsemarsch nackt den Gang entlang tippelten, wie diese Intensiv-Reinigung aussehen würde.
















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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:29.07.22 23:05 IP: gespeichert Moderator melden


64

Bevor Brause Gangolf in die Mangel nahm, wollte er die Kollegin der taffen Ruderin wegen des angezeigten Fundes auf der Insel befragen, Frau Inge Langohr, nach Aussage von Frau Barbara Bär war diese Zeugin. Ohne sich anzumelden betrat Brause das Gebäude des Umweltamts und verlangte nach Frau Langohr. Seine Uniform und sein gesetztes Alter schafften ihm überall ungehinderten Zutritt, ohne daß er sich hätte ausweisen müs­sen. Seinen Kriminal-Kollegen, die üblicherweise in Freizeitkleidung dahergeschlappt ka­men, hatten es diesbezüglich wesentlich schwerer; man wollte diesen im Allgemeinen nicht sofort Glauben schenken, Polizisten im Dienst gegenüber zu stehen.
Es war Brauses Prinzip, sich nicht erst telephonisch anzukündigen, er suchte den Überraschungseffekt und beurteilte das Verhalten der Befragten, ohne diesen im Vorfeld Gele­genheit auf eine Vorbereitung zu dem Gespräch zu lassen.
Im Geschäftszimmer teilte man Brause mit, daß Frau Langohr auf einer amtsinternen Übung sei und daß man ihm dazu nichts weiter mitteilen dürfte.

- „Nun hören Sie `mal, ich bin hier als Hauptwachtmeister im Dienst und ich war selbst vor zwei Wochen auf so einer amtsinternen Übung, und ich weiß auch, daß ich darüber nicht sprechen darf. Aber es ist jetzt sehr wichtig, daß ich mit Frau Langohr spreche, nicht daß wir sie in irgend einer Weise verdächtigen, verstehen Sie mich jetzt bloß nicht falsch, ganz und gar nicht, aber ich muß sie dringend als Zeugin sprechen. Also wo ist sie auf dieser Notfallübung, so wurde bei der Polizei die Aktion genannt?“
- „Ja also wenn Sie da schon Bescheid wissen, sie ist in Wünsdorf in der Russenkaserne.“
- „Ah ja, da waren wir auch gewesen, jut, hab’m Se `mal vielen Dank, ick fahr’ denn `mal da hin.“

Brause entgegnete im Berlinischen Tonfall, mit dem ihm geantwortet wurde. Als er zum Ausgang schritt, kam ihm Barbara entgegen.
- „Ah, juten Tach, Frau Bär, ich dachte, Sie wär’n ooch uf der Notfallübung, worüber wir neulich sprachen.“
- „Ja, neulich hieß es, daß wir beide da einen Nachholkurs machen sollten, weil wir ja zum Haupttermin auf der Insel waren, aber jetzt hieß es, das ist nur für Beamten, also ich bin ja nur Praktikantin und durfte dann doch nicht mit.“
- „Seien Se froh, daß Sie das nicht mitmachen mußten, wie schon jesagt, aber behalten Se das für sich, ich dürfte das alles gar nicht sagen.“
- „Aber sicher, seien Sie unbesorgt.“

Dienststellenleiter Nisselpriem ließ Brause zwar dessen ehrgeizige Nachforschungen durchführen, für eine Fahrt nach Wünsdorf hatte dieser aber nicht die ausdrückliche Anweisung seines Chefs. Dennoch zwängte Brause fest entschlossen seinen Bauch hinter das Lenkrad des Polizeiautos und brauste los, ohne jemanden Bescheid zu geben.
In dem Hauptgebäude des ehemaligen Kasernengeländes, das bereits die Wehrmacht genutzt hatte, erhielt Brause dank seiner Uniform und seiner stattlichen Erscheinung wiederum problemlos Zutritt. Jemand führte ihn zu einer Übungsgruppe, welche im Freien die Handhabung von Gasmasken trainierte. Während Brause im Hintergrund stehen blieb und das Geschehen von weiten beobachtete, wurde Inge von der Gruppe weggeholt und zu Brause gebracht.
‚Was für ein idiotisches Zeug’, dachte sich Brause und fühlte sich sofort wieder daran erinnert, wie er selbst vor zwei Wochen mit dieser Übung konfrontiert worden war.

Deutlich verunsichert trat Inge zu Brause, dieser griff mit der linken Hand an den Rand seiner Schirmmütze und deutete deren Abnahme an; ganz von alter Schule erwartete er, daß Inge ihm die Hand reichen würde. Diese blickte Brause indes mit leicht geöffnetem Mund an und stammelte nur ein schwaches „Guten Tag.“
Nun streckte Brause seine rechte Hand vor, zögerlich ergriff Inge sie zu einem zarten Händedruck.

- „Ich will Sie gar nicht lange abhalten von der Übung, ich mußte übrigens vor zwei Wochen das auch mitmachen, na ja, ich hoffe, das wird nicht zum Ernstfall, was die uns da beibrachten.“

Inges verspannte Gesichtszüge lockerten sich etwas, doch blieb sie innerlich weiter auf Distanz. Brause spürte das sofort, er überlegte, wie er weitere einleitende Sätze formulieren konnte, bevor er auf das eigentliche Thema kam. Ihm fiel jedoch in der Situation nichts weiter ein, und so fing er ohne weitere Umschweife an:
- „Ich bin hierher gekommen, um Sie zu fragen, wie das auf der Insel im Röthener See war; Sie waren mit Frau Bär auf Naturerkundigungen dort und dabei haben Sie in einer Kiste Geld gefunden. Schildern Sie mir doch bitte kurz aus ihrer Erinnerung, wie sie diese Kiste mit dem Geld gefunden hatten.“

Inge errötete, sie hatte zwar damit gerechnet, wegen dieser Sache von Brause angesprochen zu werden, als sie aus der Gruppe herausgeholt wurde. Doch reichte der Weg von wenigen Metern nicht aus, daß sie sich Antworten auf alle möglichen Fragestellungen des Polizisten zurechtlegen konnte.
Sie stotterte herum:
- „Ja, eigentlich hat zuerst meine Kollegin die Kiste gefunden. Und später hat sie mich dazugeholt und da sahen wir dann das viele Geld darin liegen.“
- „Und wie fand ihre Kollegin die Kiste, stand die einfach so frei sichtbar herum?“
- „Nein, nein, sie war eingegraben.“
- „Und wie fand ihre Kollegin dann die Kiste, wenn die sogar eingegraben war?“

Inge schwieg für eine Weile, sie mußte sich erst besinnen, wie das damals abgelaufen war.
- „Ja da war so ein Mann, der ist da herumgeschlichen.“

Brause bemerkte, wie Inge immer nervöser wurde. Er mußte sie erst einmal beruhigen.
- „Frau Langohr, Sie brauchen nicht ängstlich sein, etwas Falsches aus der Erinnerung heraus zu sagen, ich verstehe, es ist ja schon eine Weile her, also Sie können ganz beruhigt sprechen, das ist keinesfalls hier ein Verhör, damit Sie mich nicht falsch verstehen. Ihre Kollegin Bär hat mir schon vieles gesagt, aber vielleicht hat sie ein Detail vergessen und so möchte ich Sie bitten, mir ihre Erinnerung einfach zu sagen.“

Inge schien etwas beruhigter zu sein, sie antwortete:
- „Der Mann war am Abend auf der Lichtung, als wir am ersten Abend also auf die Insel gekommen waren und da hat er irgend was am Boden gesucht oder irgend etwas `rum gemacht dort.“
- „Aha, können Sie mir den Mann beschreiben, haben Sie ihm in’s Gesicht gesehen, was hatte er an?“
- „Nein, es war schon ziemlich dunkel, wir konnten gar nichts weiter erkennen.“
- „Gut, hat er etwas zu Ihnen gesagt?“
- „Nein, nein, wir waren noch weit weg, im Wald, ich glaub’, er hatte uns gar nicht bemerkt.“
- „Und wie ging es dann weiter?“

Inge legte wieder für eine Gedankenpause ein. Schließlich fuhr sie fort:
- „Ich glaub’, er ist dann weggegangen.“
Als Inge wiederum nicht weitersprach, hakte Brause nach:
- „Wo ging er hin?“
- „Das konnten wir nicht sehen, er ging an unserem Zelt vorbei und verschwand im Wald.“
- „Aha, der Fremde hat also ihr Zelt gesehen, wußte also, daß er nicht allein auf der Insel war.“
- „Äh, das wird wohl so gewesen sein, also er war dann schon weg, bis wir zu unserem Zelt kamen.“

Wieder trat eine Pause ein.
‚Die Bärin war da schon wesentlich auskunftsfreudiger’, dachte sich Brause, ‚und auch längst nicht so zaghaft, so eingeschüchtert wie diese Langohr, obwohl diese gut zehn Jahre älter sein dürfte, noch dazu als Verwaltungsbeamtin doch mit Gesprächsdialogen vertraut sein müßte.’

- „Gut, der Mann war also dann weg und wie kamen Sie dann auf die Kiste?“
Inge blickte ihn mit offenem Mund an, als ob Brause nach einem Mondgestein gefragt hätte. Nach längerem Zögern antwortete sie:
- „Barbara, also meine Kollegin Bär, die ging dann dort hin an die Stelle, wo der Mann etwas am Boden machte, und fand die Kiste.“
- „Schön, und dann haben Sie die Kiste geöffnet, ging das ohne weiteres, sie war doch wohl abgesperrt?“
- „Ja, also nein, sie war nicht abgesperrt, glaub’ ich, Barbara hat sie aufgemacht und sie hat mich dann hingerufen, damit ich das viele Geld sehen konnte.“
- „Aha, und da sind Sie dann hingegangen und haben das Geld gesehen in der Kiste.“
- „Ja“, gab Inge knapp zur Antwort.
- „Wieviel war es denn, grob geschätzt?“
- „Weiß nicht, schwer zu schätzen.“
- „Also bloß ein paar Münzen, oder waren es einige Scheine, größere Scheine vielleicht.“

Inge wurde blaß im Gesicht. Brause bemerkte ihren innerlichen Kampf, den sie mit sich focht.
- „Ist Ihnen schlecht, Frau Langohr?“
- „Nein, nein, geht schon, es ist bloß – bloß die Erinnerung, wissen Sie, auf einmal soviel Geld zu sehen, also das waren viele Geldbündel, also viele Scheine, die gebündelt zusammen waren.“
- „Und Sie sind sich absolut sicher, daß da sehr viele Geldscheinbündel in der Kiste lagen?“

Als Inge diese Frage vernahm, schauderte es sie, ihr Körper zuckte zusammen und sie ließ sich in’s Gras fallen.
Brause winkte einen Kursteilnehmer heran und rief ihm zu, man möge was zu Trinken bringen. Inge nahm ein paar Schlucke aus der ihr gereichten Wasserflasche, worauf sich ihr Zustand wieder stabilisierte.
‚Wie kann es sein, daß so eine simple Frage die dermaßen aus dem Gleichgewicht bringt?’, überlegte sich Brause. Er setzte sich zu ihr auf den Rasen, was ihm mit seiner Leibesfülle nicht einfach fiel.

- „Ja, ist doch wieder recht warm jeworden“, klagte er, „und dat im Oktober, in meiner Kindheit hat das Ende Oktober oft schon jeschneit, so ändern sich die Zeiten.“
- „Ja, der Klimawandel, unverkennbar“, entgegnete Inge. Brause erkannte, daß damit ein unverfängliches Thema angeschnitten wurde, das er erst einmal eine Weile verfolgen wollte, bevor er wieder auf die Geldkiste zu sprechen kam.
- „Frau Barbara, wie heiß sie gleich nochmal?“
- „Bär.“
- „Ach ja, vielen Dank, Frau Bär, mein Jott, mein Jedächtnis läßt so nach, also sie sachte mir, Sie beobachteten die Zugvögel aus Nordeuropa, die dort auf der Insel landen und Zwischenstation einlegen.“
- „Ja, die meisten ziehen dann zwar weiter in den Süden, aber immer mehr bleiben von Jahr zu Jahr hier und überwintern hier. Der Klimawandel ist auch daran unübersehbar.“

Brause atmete innerlich auf, er bemerkte, wie sich der Zustand seiner Gesprächspartnerin deutlich verbesserte, sie wurde bezüglich ihrer Vogeluntersuchungen auf der Insel ge­radezu gesprächig. Mitten in der Unterhaltung hielt sie unvermittelt ein und entschuldigte sich:
- „Davon darf ich Ihnen nichts weiter sagen, das müssen wir leider geheim halten.“
- „Aber natürlich, ich will Sie da wirklich nicht länger bedrängen, so interessant ihre Ausführungen auch sind. Darf ich nochmals auf die Kiste mit dem Geld zurückkommen?“

Wieder huschte ein Ausdruck des Schreckens über Inges Gesicht, doch sie fing sich gleich wieder.
- „Ja bitte, aber ich glaub’, ich hatte alles gesagt.“
- „Nur eine Frage noch, dann hören wir auf damit, sagen Sie, als Sie dann fertig waren mit ihrem Auftrag auf der Insel, haben Sie dann den Mann nochmals gesehen in der Zeit?“
- „Nein, den haben wir nicht mehr gesehen, aber wir waren tagsüber ja am anderen Ende der Insel, bei den Vögeln, dort, wo auf der Insel die freie Fläche ist, am anderen Ende.“
- „Das heißt, der Mann hätte in den Tagen ihrer Untersuchungen durchaus nochmals kommen können zu der Geldkiste, ohne von Ihnen gesehen worden zu sein?“

Erneut verkrampften sich Inges Gesichtszüge. Zögerlich antwortete sie:
- „Ja, das wäre schon gut möglich gewesen.“
- „Bei Ihrem Aufbruch, als Sie die Insel wieder verlassen haben, haben Sie da nochmals nachgesehen, ob das Geld noch da war?“

Inge starrte Brause an und erlitt erneut einen Schwächeanfall. Sie stützte sich mit beiden Armen nach hinten ab, der Teint ihrer Wangen durchlief alle Farben, bis diese schließlich leichenblaß wurden.
- „Hier, trinken Sie nochmal `was“, forderte Brause sie auf.

Nachdem sie einige Schlucke genommen hatte, hauchte sie:
- „Was ist mit dem Geld, ist es denn nicht mehr da?“
‚Jetzt hat sie sich selber verraten’, dachte sich Brause, ‚warum plauderte sie ohne zu zögern munter darauf los, wenn es um die Vogeluntersuchungen ging, aber bei der Frage nach dem Geld in der Kiste reagiert sie dermaßen heftig.’
- „Wie kommen Sie darauf, daß es nicht mehr da ist?“, bohrte Brause nach.
- „Nur so,“ gab Inge einsilbig zur Antwort und schüttelte dabei leicht den Kopf.
- „Hat Ihnen Ihre Kollegin nicht erzählt, daß ich mit ihr auf der Insel war?“
- „Äh ja, stimmt, aber ich konnte nicht mitkommen, ich hatte da an dem Termin keine Zeit.“
- „Schade, wir hätten dann einen anderen Termin nehmen sollen, ist meine Schuld, meine Ungeduld, an dem Sie auch dabei hätten sein können, dann hätte ich Sie nicht hier belästigen müssen.“

Nun gab sich Inge einen innerlichen Ruck, nahm ihren Mut zusammen und stellte eine Gegenfrage, in der Hoffnung, damit aus Brauses Schußlinie zu kommen:
- „Und, war das Geld noch da?“

Inge hauchte die Frage; so laut sie über ihre Vogelerkundigungen plauderte, so leise flüsterte sie jetzt wieder.
Obwohl Brause ihre Frage verstand, bat er:
- „Wie bitte, sprechen Sie doch bitte etwas lauter zu einem alten Mann.“
Inge räusperte sich und sprach etwas lauter:
- „Also ob das Geld noch da war.“
- „Nein“, antwortete Brause mit fester Stimme, „es war nicht mehr da. Und darum fragte ich Sie solange, ob Sie gesehen hätten, ob jemand das Geld aus der Kiste nahm. Eine letzte Frage: Wie hinterließen Sie die Kiste, also lag die mit offenem Deckel dann in der Erde?“
- „Nein“, stammelte Inge, „ich glaub’, Barbara hat den Deckel wieder darüber gelegt.“
- „Das glaub’ ich auch. Und lag der Deckel dann frei sichtbar da oder haben Sie den mit etwas bedeckt, daß man ihn nicht sehen konnte?“

Inge stockte der Atem, sie schüttelte mehrfach leicht den Kopf, atmete schwer durch und stammelte der Ohnmacht nahe:
- „Weiß nich’.“

- „Verdammt, verdammt, verdammt“, brummte Brause vor sich hin, als er nach Lüggen zurückfuhr, „die entlastet Stumpf vollkommen mit ihrem Verhalten. Das muß ich Nisselpriem erzählen, `mal sehen, was der dazu sacht.“

- „Ah, da bist du ja, wo warst du heute so lang geblieben, Olaf“, begrüßte der Dienststellenleiter seinen altgedienten Kollegen.
- „Ich war bei der Langohr, ich sach dir, die hat Dreck am Stecken!“
- „Laß hören!“
- „Also man kann sich mit ihr über ihre Naturforschungszeug wunderbar ganz normal unterhalten, aber sobald ich das Gespräch auf die doofe Kiste brachte, ist die mir zweimal zusammengebrochen. Schließlich mußte ich mich zu ihr ins Gras setzen, weil sie im Ste­hen nicht mehr antworten konnte.“
- „Was, so schlimm, was hast du mit ihr denn angestellt?“
- „Nichts weiter, wirklich, ich wollte nur aus ihrem Mund hören, wie sich die Sache zugetragen hatte, wie die beiden die Kiste mit dem Geld gefunden hatten.“
- „Und was hat sie alles gesagt?“
- „Ich mußte ihr alles aus der Nase ziehen, im Großen und Ganzen stimmten ihre Aussagen überein mit denen von ihrer Kollegin, also das wird sich wohl schon so zugetragen haben, mit dem fremden Mann und so weiter, aber als ich sie fragte, ob das Geld bis zum Schluß noch da war, als sie die Insel nach der Untersucherei verließen, da ist sie mir buchstäblich zusammengebrochen.“
- „Ja, sehr merkwürdig. Aber Olaf, ich weiß, du bist ein sehr engagierter Kollege, aber ich glaub’ nicht, daß du eine Durchsuchungserlaubnis kriegst, bloß weil sie da überreagierte auf deine Frage nach dem Verbleib von dem Geld. Und überhaupt wäre das dann doch die Aufgabe der Kriminaler von Wuselhausen.“
- „Hast recht, und für den Stumpf auch nicht, dem haben wir schon damals tagelang die Bude auf den Kopf gestellt und nur, weil jetzt da Geld auf seiner Insel aufgetaucht war, das aber jetzt wieder verschwunden ist, werden die den Zirkus nicht nochmals veranstalten. Und da möcht’ ich dann auch nicht dabei sein, falls die dann tatsächlich nochmals was veranstalten wollen bei ihm.“
- „Ja klar, versteh’ ich, und vor allem muß erst einmal jetzt eine Anzeige eingehen, daß jemand da sein Geld vermißt.“

Nach einer kurzen Bedenkzeit antwortete Brause:
- „Es wird wohl nie eine Anzeige geben; wenn Sumpf damals den Bankraub an sich genommen hatte und auf der Insel in der Kiste versteckt hielt und das Geld nun mitgenommen hat, weil er sah, daß auf der Insel ein Zelt steht und somit sein Schatz in Gefahr geriet, dann wird er das Geld irgendwo an­ders verstecken. Und wenn es ein anderer aus der Kiste genommen hat, oder eine ande­re, dann wird Stumpf den Verlust seines Schatzes auch nicht anzeigen, denn sonst fiele der Verdacht ja sofort auf ihn, daß es sich um das Geld von dem Bankraub handelte, so sehr es ihn ärgern würde, daß das Geld weg ist.“

Nisselpriem verschränkte die Hände hinter den Kopf. Fassen wir zusammen:
- „Das Geld des rechtmäßigen Eigentümers wechselte also mehrfach den Besitzer: Nach dem Bankraub hatten es die beiden Motorradfahrer-Räuber, aber nur kurze Zeit, denn als diese bei der Flucht aus der Kurve flogen, kam jemand, vermutlich Stumpf, nahm denen das geraubte Geld ab und verschwand damit. Nun haben die beiden Naturforscherinnen eine Kiste auf der Insel gefunden, die dem Stumpf gehört, also die Insel meine ich, und damit wahrscheinlich auch die Kiste mit dem Geld. Habe ich das soweit richtig verstanden?“
- „Ja, so ist es.“

Nisselpriem fuhr fort:
- „Und als du wenige Tage später auf die Insel kamst, um die Kiste zu erkunden, war das Geld daraus fort. Und es gibt zwei Möglichkeiten: Sie war getarnt, lag also nicht offen erkennbar in der Erde, somit konnte nur der die Stelle mit der Kiste kennen, der die da selber vergraben hatte, oder eben die beiden Damen, die diesen beobachteten, wie dieser die Kiste, sagen wir mal, besuchte.“
- „Richtig, also kann es wohl nur der Fremde herausgenommen haben, oder eben die Langohr, die sich als Langfinger betätigte. Die Bär hat den Fund ja gemeldet, die scheidet aus, die führte uns auch vollkommen arglos und unerschrocken zu der Kiste und sie war auch echt überrascht, als sie leer war. Nun ja, du hast recht, jetzt warten wir `mal ab, ob jemand eine Anzeige aufgibt, ich schreib’ den Bericht und das war’s dann für uns derweil.“
- „Ja, Olaf, so ist das nun `mal, immerhin ist es kein Kapitalverbrechen, an dem du da dran bist beziehungsweise warst. Um wieviel handelte es sich eigentlich?“
- „Bei was?“
- „Ja bei dem Geld.“
- „Also die Bär schätzt mindestens Zehntausend, der Bankraub war Vierzigtausend.“
- „Hm, könnte schon hinkommen, nun ja, jetzt schau’n wir erst `mal, wie wir den Condoma überstehen.“
- „Glaubst du wirklich, der wird kommen?“
- „Ja klar, in Italien ist er schon massiv, und dann schleppen ihn die Urlauber auch bei uns ein, da können die Ösis Quarantänestationen aufbauen, soviel sie wollen.“
- „Hm, könnte einem Angst werden“, sinnierte Brause, „für solche Fälle wäre der alte Zaun jetzt nicht schlecht.“
- „Ach red’ doch keinen Blödsinn, dann hätten wir DDR-ler den Virus halt über Ungarn eingefangen!“

Brause plauderte mit seinem Chef noch eine Weile über die alten Zeiten, über ihre Jugendzeit und ihre Jugendweihe. Er nahm sich vor, am nächsten Tag den Abschlußbericht zu dem mysteriösen Schatzfund zu schreiben. Dennoch wollte er nochmals Stumpf mit der Kiste auf dessen Insel konfrontieren; Brause konnte immer noch nicht an den Zufall glauben, weil damals Stumpf im starken Verdacht stand, den Bankräubern das Geld ab­genommen zu haben. Da trotz intensiver Suche das Geld nicht auf dessen Hof gefunden worden war, mußte man ihn laufen lassen und den Fall abschließen. Jetzt taucht das Geld wieder auf, wer hätte sonst außer ihm das Geld auf der Insel versteckt, er, der als Eigen­tümer einzig Zugangsrecht zu der unter Naturschutz stehenden Insel hatte.

Brause ahnte natürlich nicht, daß Gangolf für die in Frage kommenden Tage, an welchen das Geld aus der Kiste weggenommen worden war, ein hieb- und stichfestes Alibi vorweisen konnte.




















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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:06.08.22 04:32 IP: gespeichert Moderator melden


65

Als die Achter-Gruppe im Gänsemarsch den langen Gang in dem Kasernengebäude Richtung Hinterausgang entlangtippelte, kam ihr eine andere Gruppe entgegen, gleichfalls vollkommen nackt. Die Mitglieder dieser Gruppe bewegten sich indes nicht im übli­chen Sinn, sie taumelten und strauchelten vielmehr schwerfällig an der Wand entlang, viele stützten sich mit einer Hand an der Mauer ab. Ihre Gesichtsausdrücke waren zu einer Grimasse erstarrt, die Augen glotzten teilnahmslos aus ihren Höhlen.

- „Schau’ `mal“, entsetzte sich Birgit, „wie kommen denn die daher!“
Gangolf und die anderen Mitglieder seiner Gruppe waren auch tief betroffen beim Anblick der zutiefst geschwächten Kreaturen, jäh kam ihm in Erinnerung, daß er beim Ab­steigen von seinem Motorrad in einer Ecke des großen Kasernenhofs einige Menschen ge­sehen hatte, die anscheinend völlig erschöpft an der Wand des Kompaniegebäudes auf dem Boden kauerten. Einzig Magda ging ungerührt weiter, sie hatte schon ganz andere Erniedrigungen über sich ergehen lassen, nach deren Verabreichung sie sich praktisch überhaupt nicht mehr bewegen konnte.

Am Ende des langen Korridors angelangt öffnete der Wärter die Tür in’s Freie und zeigte Birgit, welche in der Gruppe voranging, die nächstliegende Baracke. Gangolf erkannte sofort, um welches Gebäude es sich handelte; zu seiner Bundeswehrzeit nannte man es zy­nisch >Café Eichmann<.
‚Daß die Italiener das auch haben’, wunderte er sich, ‚ich dachte, nur wir Deutschen sind da so d’rauf mit dem Gas.’

Als der Wärter die schwere mit zwei großen Vorreiber-Riegeln verschlossene gasdichte Metalltür öffnete und seine Schützlinge auf Italienisch anwies, für jene unverständlich, durch die enge Öffnung sich zu zwängen, lief den meisten ein kalter Schauder über den Rücken:
‚So mußten sich die Juden gefühlt haben, als sie in die Gaskammern geführt wurden, zur >Reinigung<, wie es zynisch hieß, und so eine >Reinigung< machen die jetzt auch mit uns, wie das aussieht, vielleicht nicht gleich tödlich, aber wenn man die entsetzlichen Gestalten angesehen hat, wie diese uns entgegenkamen, das sagt ja schon alles!’

Gedanken dieser Art schwirrten den Eintretenden durch die Köpfe, doch wurde die allgemeine Aufmerksamkeit schnell auf den Boden der Tatsachen gelenkt, nämlich auf den Fußboden, der mit Metallgittern ausgelegt war. Einige schmale Bretter waren auf der Git­terfläche ausgelegt, Birgit, Magda, Gangolf und alle anderen hinter ihnen setzen vorsichtig Fuß vor Fuß auf die schmalen Hölzer, um nicht daneben zu treten.

- „Was ist denn das nu’ wieder für eine Schikane“, empörte sich jemand weiter hinten aus der Gruppe. Er wußte natürlich nicht, daß die eigentliche Schikane noch käme, daß das barfüßige Jonglieren über die Holzbretter geradezu ein Lustwandeln war im Vergleich zu dem, was ihnen unmittelbar bevorstünde.

Mit mulmigen Gefühlen betrachteten die Eintretenden die gefliesten Wände des in fahlem Licht gehüllten Raumes, auch der Boden unter dem Metallgitter war mit Fliesen be­legt, über welchen Rohre und Schläuche verliefen. Von der Decke hingen Gummimasken mit jeweils zwei Faltenschläuchen und einem dünneren glattwandigen Schlauch von der Decke herunter. Gangolf blickte zu der Decke hinauf und gewahrte eine Menge von Seilen und Umlenkrollen. Aber auch auf dem Boden gab es ungewöhnliche Dinge zu bestaunen; hinter den Trittbrettern lagen weitere Schläuche, deren Enden zwischen den Quadraten der Gitter hindurchgeführt waren. Er ahnte Unheilvolles und natürlich sollte er recht behalten.

Als alle in der Kammer waren und hintereinander auf den Brettern zu stehen kamen, wurde die schwere Eingangsluke mit einem dumpfen Aufschlaggeräusch geschlossen. Aus einer Ecke traten weitere in dicke Schutzanzüge eingeschweißte Wärter heran, die dicken Sohlen ihrer Gummistiefel ermöglichten ihnen, problemlos über die schmalkantigen Quadrate des Metallgitters zu gehen.
Es ertönten Befehle, bevor Gangolf sie übersetzen konnte, kamen die Wächter schon heran und drehten die Körper der hintereinander Stehenden um 90 Grad herum, so daß diese jetzt nebeneinander standen.

Nun galt es sich darauf zu konzentrieren, was die Anführer, durch ihre gewaltige Schutzausrüstung allem Menschlichen entrückt, mit den ängstlich Dastehenden vorhatten.
Der Wächter, welcher die Gruppe angeführt hatte, forderte Gangolf auf, zu übersetzen. Dieser tat, wie ihm befohlen: - - „Mund weit aufmachen“, dolmetschte er.

Kaum waren die Leute der Aufforderung nachgekommen, griffen die Wächter nach den Masken und stülpten diese jenen über den Kopf. Gangolf konnte gerade noch sehen, daß sich im Inneren der Maske anstelle des Mundraums oberhalb des Kinnpolsters ein Rohr mit ovalem Querschnitt befand. Jetzt begriff er die Aufforderung nach den geöffneten Mündern. Schnell klappte er seinen Unterkiefer nach unten, schon drückte der mit ihm sich be­schäftigende Wärter die Maske auf sein Gesicht, das Rohr im Inneren rutschte weit in sei­ne Mundhöhle.

Nur bei den wenigsten klappte das Maskenaufsetzen auf Anhieb, die meisten hielten ihre Münder verschlossen. Die jeweiligen Wächter drückten schonungslos das Kinn der Verängstigten nach unten oder bohrten kräftig in deren Backen, so daß der Kiefer nach unten gedrückt worden war. Mit einem Ruck wurden die Riemen festgezurrt, jeglicher verbaler Widerstand wurde zwecklos, da durch das Rohr, das auf der Zunge zu liegen kam und fast bis zum Ansatz des Rachens reichte, ein Sprechen nur noch zu einem hilflosen Lallen wurde.

Glücklicherweise war das Rohr aus einigermaßen weichem Gummi mundgerecht geformt. Dennoch mußte sich Gangolf stark konzentrieren, nicht dem Würgereiz zu unterliegen und durch panische Schluckreaktionen in Atemnot zu geraten. Er war ganz mit sei­ner überaus befremdlichen Situation beschäftigt, daß er seine neben ihm Stehenden nicht beachtete. Magda hingegen fand auch diese Aktion äußerst anregend, wieder griff sie sich genußvoll in den Schritt, schwippte erregt auf die Zehenspitzen und tippelte freudig umher. Sie genoß das weiche Gummirohr auf ihrer Zunge, sie stellte fest, daß dieses we­sentlich angenehmer und damit lustvoller zu spüren war als Martinas harte Ballknebel.

Gangolf wurde klar, was es mit den drei Schläuchen aufsich hatte, an welchen die Masken von der Decke baumelten; die beiden Faltenschläuche dienten der Einatem- und der Ausatemluft, während der glatte Schlauch wohl in den Rachen führte. Er ahne Schlimms­tes, daß durch diesen eine Art Zwangsernährung durchgeführt würde. Ganz und gar nicht klar war ihm hingegen, warum das notwendig wurde, mit Sorge erfüllt überlegte er sich, ob die Behandlung, die sogenannte >Intensivreinigung< so lange dauern würde, daß während deren Dauer eine Nahrungsaufnahme notwendig würde.
‚In dem Anmeldeformular stand doch was von einer Stunde’, erinnerte er sich beglommen. ‚Und warum diese Dichtheitsprüfung, spinnen die denn ganz?’

Gangolf bekam nicht lange Zeit, sich innerlich zu empören, die nächste Aktion stand bevor: Die Wächter senkten die über Umlenkrollen an der Decke geführten dünnen Seile herunter, an deren Enden Karabinerhaken angebracht waren. Mit ihren in Gummihandschuhen steckenden Händen ergriffen sie die Handgelenke der nun vollkommen verängs­tigt dastehenden Leute und hakten die Seile in die Metallbänder ein, mit welchen sie nach dem Entkleiden beringt wurden.

Zu Gangolfs größter Überraschung wurden nun auch noch isolierte Elektrodrähte mit verschiedenen Farben von der Decke heruntergelassen, an deren Enden sogenannte >Krokodilklemmen< befestigt waren. Diese Klemmen funktio­nierten ähnlich wie Wäscheklammern, nur waren sie aus Metall, damit sie den Strom leiten konnten. Die meisten kannten diese Klemmen von den Überbrückungskabeln, welche zur Starthilfe bei leeren Autobatterien verwendet wurden, allerdings waren hier diese Krokodilklemmen wesentlich kleiner. Die Klemmen wurden nun an die Metall­bänder angeklemmt, zusammen mit den Karabinerhaken verengte sich dadurch deutlich der Spielraum zu den Handgelenken.

Als die Hände aller auf diese Weise präpariert worden waren, gab es zwischen den Wächtern eine längeres Palaver. Neugierig betrachteten die Betroffenen ihre auf diese Art gefesselten Hände, wagten indes nicht, etwa die Klemmen, gar die Karabiner zu lösen. Plötzlich wurden die Seile nach oben gezogen, mithin die daran hängenden Hände. Das Ganze lief ziemlich geräuschlos ab, denn keiner konnte wegen des Gummischlauchs im Mund einen Protest loswerden, die Einatem- und Ausatemluft entwich in aller Stille durch die Schläuche.

Irgendwann waren die Hände so weit in die Höhe gezogen, daß die Gefesselten kurz davor waren, das Gleichgewicht zu verlieren. Nun vernahm man gedämpfte Stöhnlaute aus den Masken, doch es half nichts, unbarmherzig zogen die Wächter die Seile immer weiter in die Höhe. Die ersten stiegen auf die Zehenspitzen; als auch diese Maßnahme nichts mehr half, sahen sie sich gezwungen, das Brett, auf welchem sie bislang standen, zu verlassen und einen fußbreit nach vorne zu steigen. Die meisten wollten sofort wieder den Fuß auf das Holz zurückziehen, denn die schmalen Kanten des Metallgitters bohrten sich schmerzhaft in die Fußsohlen.

Die Wärter sahen diese Reaktion voraus, sie unterbrachen für eine Weile das weitere Aufziehen. Nachdem sich die Körperhaltung der Gepeinigten wieder einigermaßen stabilisiert hatte, bemerkten diese jedoch den sich immer weiter steigernden Schmerz in den Handgelenken, denn die metallenen Bänder schnitten merklich in die Haut ein. Um diesen Unbill zu entgehen, tasteten sich die meisten nun doch mit den Füßen vor auf das gleich­falls schmerzhaft drückende Metallgitter; ein paar Mal ging es noch vor und zurück, bis sie Wärter wieder begannen, die Seile noch weiter in die Höhe zu ziehen. Es blieb allen nichts weiter übrig, als die Bretter endgültig zu verlassen und mit dem unbequemen Untergrund vorlieb zu nehmen.

Bevor Einzelne es sich nochmals anders überlegen konnten, kickten die Wärter die Bretter mit ihren Stiefelspitzen nach hinten weg, somit unerreichbar für die sich in den Seilen Windenden. Bei einem löste sich eine Krokodilklemme, sie rutschte von dem Metallband weg und baumelte unkontrolliert an dem Draht herum. Nach einer Weile bemerkte einer der Wächter dieses Unglück; mit einem Fluch stürmte er heran, ergriff die Klemme, streckte sich, so weit er konnte, stellte sich auf die Zehenspitzen, was in den dicken Gummistiefeln nicht einfach war, aber es reichte nicht: Der kleine Italiener war dem aus­gestreckt dastehendem Germanen unterlegen.

- „Proca puttana“, hörte Gangolf den Wächter fluchen, dieser ließ die Klemme wieder fallen, ging zur Wand zurück und löste das Seil des Betreffenden, so daß sich dessen eine Hand herabsenkte. Der kleine Italiener trat wieder hinzu, schnappte sich die Klemme, öffnete ihr Krokodilmaul und ließ die gezackten Metallzähnchen in das Band beißen. Für den Betroffenen war die Entspannung schnell vorbei, kraftvoll wurde seine Hand wieder emporgezogen und gleich noch weiter, so daß er sich genötigt fühlte, auf die Zehenspitzen zu stei­gen. Auch den anderen blieb diese Pein nicht erspart, die Hände wurden gnadenlos immer weiter nach oben gezogen. Kaum waren die Fußsohlen einigermaßen an den har­ten Auftritt auf den Metallquadraten gewöhnt, mußten sie sich von diesen verabschieden, die Fersen immer weiter abheben und das gesamte Körpergewicht auf den Zehenballen verlagern, damit nicht die Metallbänder an den Handgelenken allzu schmerzhaft einschnitten.

Irgendwann stellte sich ein Gleichgewicht des Schmerzes ein, jenem der auf den schmalkantigen Metallstegen des Gitters stehenden Zehen zu dem der in den Metallbändern eingeschnürten Händen. Wieder war Magda die Einzige, welche diese absolute Hilf­losigkeit genoß; sie wand sich genußvoll in ihren Fesseln hin und her, bewegte ihren Oberkörper vor und zurück, drehte sich bald nach links, bald nach rechts herum und konn­te gar nicht verstehen, daß ihre Nachbarn so stock und steif in den Seilen hingen. Durch Magdas Bewegungen aufmerksam geworden bewegten Birgit und Gangolf die Köp­fe etwas zur Seite, um Magda bei ihren Tänzeleien beobachten zu können; es war jenen nicht klar, ob sich diese aus Schmerz oder aus Lust in den Fesseln wand.

Einige der Gefesselten bereuten bereits, sich für die >Intensiv-Reinigung< entschieden zu haben, ‚was hat das mit einer Reinigung zu tun’, empörten sie sich innerlich, ‚das ist eine reine Quälerei, immerhin bleibt uns das Eingesperrt werden erspart, sechs Wochen, die spinnen doch total, und das jetzt hier ist doch alles Placebo, wir sollen dann glauben, irgendwie von einem Virus gereinigt zu sein, so ein Mist.’

Auch Birgit machte sich Gedanken, sie erinnerte sich an die zweisprachigen Hinweisschilder: ‚Stand da nicht was auf Italienisch von >Polizia intensiva<, heißt das denn nicht so was wie >Polizei intensiv
Allmählich gewöhnten sich die Gefesselten an ihre dramatische Lage, die Blutzirkulation in den Händen ließ nach, das Taubheitsgefühl dagegen nahm stark zu, alle versuchten, sich möglichst wenig zu bewegen, um den Schmerz nicht spürbar werden zu lassen. Die Fußmuskulatur begann zu verkrampfen, Gangolf wurde klar, daß diese Tortur für Ältere nicht zu durchstehen war, im wahrsten Sinne des Wortes, er hatte mit seinen 32 Jahren bereits schwer zu kämpfen, obwohl er durch seine Ruderei und seiner Dachsteigerei durchaus bei Kräften war.

‚Wie lang soll das jetzt noch dauern?’ war der allgemeine Tenor der Aufgezogenen, sie merkten nicht, wie ihre Wahrnehmung allmählich schwand, mit dieser der Schmerz, einigen fielen bereits die Augen zu.











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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:12.08.22 22:27 IP: gespeichert Moderator melden


66

Er hatte es nicht anders erwartet, dennoch konnte sich Polizeihauptmeister Brause einen leichten Anfall eines Ärgers nicht erwehren, daß Gangolf weder auf seinem Handy, noch auf seinem Festnetzanschluß erreichbar war. Brause wollte Gangolf zu einem Beratungsgespräch hinsichtlich Photovoltaikanlagen einladen mit dem Hintergedanken, im Lauf des Gesprächs Andeutungen einfließen zu lassen, was die Kiste mit dem Geld auf der Insel des Röthener Sees betraf. Er hoffte, durch dessen Reaktion beiläufig zu einer Einschätzung zu gelangen, ob Gangolf etwas von dem ominösen Schatz wüßte.

Brause kam Magda in den Sinn: 'Die werd' ich anrufen, die stecken doch oft zusammen.'
Doch auch Magda ging nicht an das Telephon, weder am Festnetz, noch am Handy. 'Eigentlich müßte sie am Handy stets erreichbar sein', sinnierte Brause, 'das ist eine Bedin­gung für den erweiterten Aufenthaltsradius der Überwachten.'
Anderseits war ihm klar, daß es tausend Gründe gab, gerade nicht erreichbar zu sein und so gab er es wieder auf, nach Magda zu forschen.
'Es geht um diesen Stumpf', sagte sich Brause, 'den möcht' ich nochmals erwischen, so schnell geb' ich nicht auf, da kann der Nisselpriem noch so viel sagen von wegen abgeschlossener Fall, nicht für mich!'

Eigentlich war für Inge Langohr der als "Notfallübung" deklarierte Lehrgang als Beamtin eines Umweltamts nach drei Tagen beendet, die meisten anderen Teilnehmer kamen aus den Gesundheitsämtern, diese hatten zusätzliche Ausbildungseinheiten. Inge beschloß, das Angebot anzunehmen und mit den Gesundheitsämtlern noch zwei Tage in Wünsdorf zu bleiben. Am Wochenende würde sie sich dann um ein neues Auto umsehen, sie hatte schon verschiedene Testberichte gelesen. Sie wollte endlich mobil werden, auto-mobil; so überzeugt sie bisher eine Umweltaktivistin mit entsprechend eingeschränktem Lebensstil war, machte ihr der Einsatz hier auf dem flachen Land bewußt, wie schwierig es war, sich ohne Auto auf längeren Strecken fortzubewegen.

Die Kursteilnehmer wurden an den letzten beiden Tagen aufgeteilt nach Frauen und Männern. Nach einigen einleitenden Sätzen kam die Dozentin auf das Thema zu sprechen:
- "In den vergangenen Tagen hatten wir gelernt, das Virus vorbeugend abzuwehren, also das Infektionsrisiko zu verringern, hauptsächlich durch die Atemschutzvollmasken. Als Beamtinnen sind wir alle verpflichtet, die hoheitlichen Aufgaben des Staates zu erfüllen. Der Staat hat neben seinen hoheitlichen Befugnissen aber auch die Pflicht, für die Unversehrtheit der Bürger zu garantieren, also für die Gesundheit, und im Falle einer Krankheit die Möglichkeit zu bieten, wieder zu gesunden.

Gehen wir heute der Frage nach, wie die Infizierten, also die Betroffenen des Condoma-Virus, mit dieser furchtbaren Krankheit umgehen und wie wir eingreifen können und müssen, sie in ihrem Leiden das erträglicher zu machen. Studien aus Taiwan zeigen, daß die einzige wirksame Therapie das Verschließen der Genitalien ist. Man fand heraus, daß durch das Reiben weitere Virenstämme angeregt werden, sich zu vermehren. Die Betroffenen müssen also gehindert werden, sich an den empfindlichsten Körperstellen, die der menschliche Körper aufweist, zu reiben. Wie das funktionieren kann, sehen wir an der folgenden Bildergalerie.“

Das Licht im Saal wurde verdunkelt, eine >Powerpoint<-Präsentation wurde gestartet. Viele Teilnehmerinnen wandten sich ab, sie wollten nicht sehen, was ihnen hier gezeigt worden war.

Die Dozentin gab Erklärungen zu den jeweiligen Bildern ab:
- „Und hier sehen wir die verschiedenen Größen der Schrittbänder. Anders als bei den Masken, wo es nur fünf verschiedene Größen gibt, müssen die Dinge an jeder einzelnen Betroffenen angepaßt wer­den, nicht nur, was das Schrittband anbetrifft, sondern auch, wie die Taillenbänder aus­sehen. Unsere Unterkörper sind so vielfältig-verschiedenen, wir kennen das vom Hosenkauf, also bei mir jedenfalls ist das immer so eine Sache, bis ich zu einer wirklich gut passenden komme, die weder zu eng ist, noch zu weit herumschlabbert.“

Inge fiel sofort auf, daß die Dozentin eindeutig zuviel redete; bis diese ihren Schwall los wurde, war bereits das nächste oder übernächste Bild in dem automatisch weiterlaufendem Lichtbildervortrag zu sehen. Immer wieder sah sich die Dozentin gezwungen, manuell zurückzutippen, um zu al­len Bildern ihren Kommentar abzugeben.

- „Die Männer drüben haben es bezüglich der Größen einfacher, da gibt es für das Rohr nur eine Einheitsgröße, wo ihr Pimmel hinein muß. Anderseits möchte ich nicht mit ihnen tauschen müssen, denn dieses Rohr hängt dann steif eingespannt da drinnen, sollte es sich erregen, wird es wohl recht schmerzhaft drücken. Da haben wir es schon besser, das Teil schmiegt sich in der Regel gut an und ist dann von außen unter der Hose nicht sichtbar.

Wenn nun die betroffene Frau trotzdem dem Juckreiz unterliegt, wird das nichts aus­machen, denn durch den Stahlstreifen hindurch können die Schamlippen nicht massiert werden, die Virenproduktion wird nicht angeregt. Ohne diese Verhinderung bliebe die feuchte Aura im Höschen lange erhalten; wenn beim Ausziehen dann andere Menschen in der Nähe wären, würden diese unweigerlich infiziert. Das Schlimme ist, daß sich diese Viren so lange in dem feuchten Medium halten, nicht ohne Grund gaben die Engländer dem Vi­rus den Namen Condoma-Virus.“

Viele Teilnehmerinnen hofften, mit dem Ende der Bilderschau wäre auch das abscheuliche Thema Therapie beendet, zumindest mit den vorgestellten Methoden. Doch sie wur­den enttäuscht: Es folgte ein praktischer Anschauungsunterricht.

- „Ich brauche jetzt `mal eine Probandin, um zu zeigen, wie man Maß nimmt.“
Im ersten Augenblick genierten sich alle Teilnehmerinnen und blickten suchend nach links und nach rechts, ob sich eine der Anwesenden melden würde. Nach einer kurzen Wartezeit ging die Kursleiterin auf Inge zu und lächelte sie an, während sie das Wort an diese richtete:
- „Sind Sie nicht von einem anderen Amt, also nicht eine Beamtin eines Gesundheitsamts?“
- „Ja, richtig, soll ich jetzt doch lieber gehen?“
- „Nein, nein, im Gegenteil, machen Sie die Probandin.“
Inge erwiderte das Lächeln der Kursleiterin und nickte:
- „Ja gut, also was muß ich tun?“

- „Verrätst du mir deinen Namen?“, wandte sich die Kursleiterin an Inge, „ich darf doch Du sagen?“
- „Ja, natürlich“, stotterte die Angesprochene, „ich heiße Inge“.
- „Inge, schön, danke.“

Die Kursleiterin dachte sich, wie ausgerechnete diese schöne junge Frau den Namen >Inge< hatte; mit diesem Namen suggerierte sie ein biederes Dasein, Keuschheit.

‚So hießen doch unsere Großmütter und Großtanten’, dachte sich die Kursleiterin und fuhr fort:
- „So, am besten, alle bilden jetzt eine großen Halbkreis, damit alle sehen können, wie wir das da machen. Nehmt also bitte eure Stühle und setzt euch hier vorn im Halbkreis herum.“

Während die Kursteilnehmerinnen mit ihren Stühlen nach vorne kamen, bat die Kursleiterin Inge, die Hose auszuziehen. Inge blickte im ersten Moment etwas verdutzt, kam aber dann doch der Aufforderung nach. Sie streifte ihre Sneakers von den Füßen, als sie indes an den Hosenbund griff, den Knopf zu lösen, huschte eine leichte Rötung über ihre Wangen.

Die Kursleiterin nahm ihr die Hose ab und legte diese über eine freie Stuhllehne. Nervös richtete sich Inge auf, die Zuschauer im Halbkreis betrachteten sie voll Anerkennung, wie sie da mit weißem T-Shirt, weißem Slip und weißen Söckchen in der Manege stand.
- „Im Grund genommen ist alles sehr einfach“, ergriff die Kursleiterin wieder das Wort und ein Maßband, das sie um Inges Taille schlang, „gerade so, wenn man die Größe für eine neue Jeans ausmißt: Zuerst den Umfang und dann die Schrittweite.“
Sie wiederholte die gewonnenen Maße und schritt zu dem länglichen Tisch, auf welchem die Keuschheitsgürtel in verschiedenen Größen nebeneinander lagen. Sie griff nach einem, der den Maßen am nächsten kam und zeigte ihn den Kursteilteilnehmerinnen vor:
- „Also der hier könnte am besten passen, muß man halt ausprobieren, wie beim Neukauf einer Hose.“
Sie nahm das Teil, ging damit zu Inge und legte dieser das Hüftband um.

- „Im echten dann, also mit der infizierten Person, dann hat diese natürlich keinen Slip an, und dann muß man das auch mit Gummihandschuhen und Gasmaske machen.“
- „Oh ja toll“, rief eine der Zuschauerinnen, „das möcht’ ich seh’n!“

Die Kursleiterin sah etwas verwundert auf und meinte:
- „Na ja, `mal seh’n, ob unsere Inge da einverstanden wäre.“

Inge errötete wieder, sie spürte ihre Erregung wachsen.
- „Also das Hüftband paßt schon `mal perfekt, würde ich sagen“, fuhr die Leiterin fort, „sei so gut und halt’ das `mal da zusammen, derweil ich das Schrittband heraufziehe.“

Inge hielt die Enden des Hüftbandes in der Nähe ihres Nabels fest, während die Kursleiterin das Schrittband nach oben zog und das Ende mit den Laschen am Nabel entlang zog.

- „So, das hätten wir“, sprach die Leiterin und drückte die Laschen des Schrittbands von hinten durch die entsprechenden Schlitze des Hüftbands. Auf diese Weise waren alle drei Metallbänder mit ihren Enden aneinander verbunden. Dann drückte sie die längliche Abdeckung mit dem integrierten Schloß auf die zentrale Verbindung, welche mit einem hör­baren Klacken einschnappte.
- „Also ich denke, der paßt wirklich sehr gut, wichtig ist halt das richtige Maßnehmen. Wie fühlst du dich, Inge?“

Inge stotterte leicht: „Ja also gut, ja, glaub’ ich, gut.“
Die Kursleiterin fuhr fort: „Wichtig ist halt, daß die Bänder nirgends drücken, aber zu locker dürfen sie natürlich auch nicht hängen, damit die Infizierte nicht mit den Fingern dann doch noch hindurchfummelt und sich ihre Schamlippen aufreibt. Laß’ `mal sehen, ja das sieht gut aus“, meinte sie und betastete das Schrittband.

- „Wie sieht es dann mit der Reinigung aus und überhaupt, wenn man `mal muß mit dem Ding?“, wollte eine Teilnehmerin wissen.
- „Ja, wie gesagt, man trägt den Gürtel ja auf der blanken Haut, da muß man halt kräftig mit einem Strahl unter der Dusche hineinhalten, da unten durch die Löchlein läuft das Wasser dann wieder heraus, und nicht nur das Wasser. Ja und unten, würdest du dich bitte `mal umdrehen und bücken, daß wir sehen können, wie das Schrittband von unten aussieht, ja, seht ihr, da ist ein großes Loch für das große Geschäft, da muß man natürlich auch stark den Brausestrahl hineinhalten, damit dort jeder Dreck gleich weggespült wird.“

- „Und diese ganze Anlegeprozedur soll dann mit Gummihandschuhen und Gasmaske erfolgen?“, wollte wieder jemand wissen.
- „Ja klar, denn von der Infizierten geht ja eine starke Ansteckungsgefahr aus, das haben wir die vergangenen Tage gehört, da ging es um Prävention für die Allgemeinheit, und hier geht es eher um den Schutz der Betroffenen. Und dann müssen Sie wissen, daß sich wahrscheinlich die betroffenen Personen nicht gern freiwillig den Gürtel anlegen lassen wollen, sie werden sich wehren und dagegen müssen wir zusätzliche Maßnahmen ergreifen. Sie kommen mir zuvor, denn ich wollte jetzt genau das vorschlagen, daß ein jeder von Ihnen jetzt die Übung absolviert, und zwar unter echten Bedingungen, also mit Gum­ihandschuhen und Masken.“

Ein Raunen durchzog den Raum und bevor es zu einer allgemeinen Bestürzung kam, forderte die Kursleiterin auf:
- „Also holt euer Zeug und los geht’s, eine nach der anderen kommt d`ran!“

Inge nahm ihren ganzen Mut zusammen und stammelte: „Soll ich dann auch meinen Slip ausziehen?“

Als die Kursteilnehmerinnen wieder hereinkamen, mit den Gasmasken auf dem Gesicht und den Gummihandschuhen über den Fingern, starrten sie auf eine nackte Versuchsperson, die ohne Söckchen, Slip und T-Shirt, die Hände in Handschellen auf dem Rücken ge­fesselt, wehr- und hilflos vor ihnen stand.





















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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:19.08.22 21:06 IP: gespeichert Moderator melden


67

Das durch die Einatemschläuche eingeführte Gas entfaltete seine beruhigende Wirkung. Den grausam in der Kammer aufgespannten Kreaturen entglitt die Wahrnehmung, mit dieser das Schmerzempfinden. Gangolf empfand es als ein leichtes Kitzeln, als ihm ein Schlauch in das Poloch gestoßen wurde. Er verspürte zwar deutlich, wie eine kühle Flüssigkeit von unten in seinen Leib hineindrückte, doch war er nicht mehr zu einer Entscheidung fähig, ob dieser Einlauf sich angenehm oder unangenehm anfühlte. Das gleiche galt für die Flüssigkeit, welche durch das Gummirohr in der Maske in seinen Rachen lief. Er drehte sich leicht zur Seite, um Magdas Reaktion zu beobachten. Auch diese schien sich beruhigt zu haben, sie hüpfte nicht mehr herum, sondern stand in einer Reihe mit allen anderen in der Gruppe steif da, die gefesselten Hände an den Seilen nach oben gezogen, auf den Zehen auf den harten Metallrippen stehend waren die Körper zum Zerreißen ge­streckt. Der Atem ging schwer, die Ventilplättchen in den Maskenkörpern bewegten sich schnell auf und zu, um beim Einatmen die Luft aus dem einen Schlauch zu lassen, die Ausatemluft dagegen dem andern Schlauch zuzuführen.

Gangolf begann zu Schwitzen, mit ihm die Leidensgenossen rechts und links neben ihm. Zunächst begriff er nicht, woher die Hitze stammte, er blickte sich um, erkannte indes keine Wärmequellen, im Gegenteil, die Wächter standen offensichtlich ganz entspannt in ihren dicken Gummianzügen herum. Die Wärmeentfaltung in seinem Körper mußte demnach auf eine andere Weise erfolgen. Es bedurfte eine große Konzentrationsanstrengung, in den Umständen, in welchen er sich befand, klare Gedankengänge zu entwickeln.

Nach einer Weile machte er sich einen Reim darauf: ‚Das muß der Strom sein, den sie uns durch den Körper jagen, ja, jetzt spüre ich ihn ganz klar, einmal gelangt er über den linken Arm in den Körper, ein andermal durch den rechten. Aber warum nur Wärme und nicht die typischen Stromschläge, welche die gefürchteten Zuckungen hervorrufen?’

Gangolf verfolgte die wechselweise links und rechts hindurchziehenden Wärmewogen und hatte schließlich die Lösung: ‚Das müssen hochfrequente Ströme sein, nicht die normalen Stromstöße, die man erleidet, wenn man in die Steckdose langt oder an den Weidezaundraht.’

Aus seiner Zeit der Radio- und Senderbastlerei wußte Gangolf, daß sich die hochfrequenten Ströme aufgrund des >Skin-Effekts< an der Oberfläche der durchströmten Körper ausbreiten, während im Inneren kein Strom fließt. Um seine Überlegungen zu überprüfen, hob Gangolf den einen Fuß von dem Metallgitter, dann den anderen. Er konnte das Hoch­heben jeweils nur ganz kurz vollziehen, da der auf dem Gitter stehende ohnehin schon schmerzerfüllte Fuß dann auch noch das Gewicht des angehobenen Fußes übernehmen mußte. Zudem kam Gangolfs Oberkörper aus dem Gleichgewicht, zwar wurde durch die nach oben gefesselten Hände ein Sturz unterbunden, doch schnitten die Metallbänder in die Handgelenke trotz des Betäubungsgases spürbar ein.

Immerhin konnte Gangolf durch den Versuch seine Überlegungen bestätigen: Die Wärme breitete sich tatsächlich nur durch das Bein aus, das über dem Fuß Berührung zu dem Metallgitter hatte. Dieses diente als Rückleiter zu dem Stromgenerator. Noch während Gangolf seinen diesbezüglichen Gedanken nachhing, bückten sich die Wärter zu den auf dem Gitter liegenden Schläuchen und hoben deren Enden in die Höhe. In dem fahlen Licht vermeinte Gangolf trichterförmige Erweiterungen als Schlauchabschlüsse wahrzu­nehmen, deren Ränder mit einer dicken Gummi- oder Schaumstoffwulst belegt waren. Als alle Wärter die Schläuche in den Händen hielten, wurde die beängstigende Stille in dem Raum durch ein plötzlich einsetzendes lautes Brausen abrupt beendet.

Als die Wärter mit den Schläuchen näherkamen, machte Gangolf die trichterförmige Erweiterung der Schlauchenden als Geräuschquelle aus. Mit jedem Schritt, den die Wärter auf die hilflos aufgespannt Dastehenden hinzutraten, entwickelte sich das Brausen aus den Schläuchen zu einem anschwellenden Lärm. Bedrohlich näherten sich die Gestalten in ihren Ganzkörper-Kondomen, die fauchenden Schläuche in den behandschuhten Hän­den.

Durch die Maske an der Sicht nach unten beeinträchtigt konnte Gangolf nicht mehr sehen, was die Wärter mit den Schläuchen an seinem Unterleib vollbrachten. Auch wenn er den Vorgang nicht beobachten konnte, fühlte er sofort, was das mit den Schläuchen auf­sich hatte: Sein bestes Stück wurde langsam, aber unaufhaltsam in den Trichter hineingesogen, das Brausen entfaltete sich zu einem flatternden Geräusch, das jäh verstummte, als sich der Penis mitsamt Hodensäcke vollständig darin befand und der Rand des Trichters auf den umgebenden Leib gesaugt wurde, auf welchem jener dank des Unter­drucks hängen blieb.

Unaufhörlich zerrte der Unterdruck, Gangolf bemerkte, daß dieser nicht gleichmäßig, sondern in einem etwa einsekündlichem Rhythmus anschwoll und abschwoll; mit großer Mühe gelang es Gangolf, die Beherrschung zu bewahren. Er drehte den Kopf um seinen weiterhin straff nach oben gespannten rechten Arm, um Magda zu beobachten, wie es dieser erging. Tatsächlich gewahrte er das trichterförmige Schlauchende auch an Magdas Unterleib, zunächst schien es sich nicht richtig festgesaugt zu haben, denn mit einem pfeifenden Geräusch kippte es immer wieder nach unten, wobei sich Magdas angeschwollene Schamlippen deutlich hervor taten. Immer wieder drückte ein Wärter das Teil auf Magdas heiligsten Hügel, bis der Rand dicht auf dem Unterleib auflag und der Unterdruck ausreichte, den Schlauch ohne Zutun daran festzuhalten.

Magda genoß das prickelnde Gefühl, sie empfand diese Behandlung weit angenehmer als Martinas sadistische Quälereien, die abwechselnd links und rechts einströmende Wärme vereinte sich mit dem Saugschlauch an ihren Schamlippen zu einer überaus lustvollen Erregung, welche sie nicht im Entferntesten bisher erleben durfte. Birgit hingegen hatte größte Probleme, vor allem mit dem Anschwellen und Abschwellen des Unterdrucks in dem Saugschlauch, der zu ihrer Lusthöhle führte.

Als schließlich alle acht Gruppenmitglieder mit ihren Unterleibern an den Saugschläuchen angeschlossen waren, wurde es wieder ruhiger in der Gaskammer. Ab und zu zi­schelte ein Saugstutzen, wenn die Dichtlippe nicht ganz auf der Haut aufsaß. Deutlich hörbar wurde dagegen ein allgemeines Stöhnen, das aus den Gummimasken heraus drang. Auch Gangolf konnte sich nicht mehr zurückhalten und ließ seine Ladung hem­mungslos herausschießen, diese wurde sofort vollständig eingesaugt und über den Schlauch abgeführt. Magda schien bereits mehrere Orgasmen hinter sich gebracht zu haben; einmal hing sie schlaff in den Seilen, ein anderes Mal hüpfte sie wie wild umher, so­weit die begrenzende Fesselung es zuließ. Dabei geschah es, daß sich die Krokodilklemme von ihrem linken Armband löste. Auf diese Weise war Magda nur noch am rechten Handgelenk mit dem Hochfrequenzgenerator verbunden, die abgerutschte Krokodilklemme baumelte an dem von der Decke hängenden Draht. Während bei allen anderen der Schweiß aus den Poren trat, war von nun ab Magdas linker Arm von der hochfrequenten Wärmequelle ausgeschlossen.

Nach geraumer Zeit traten die Wärter mit ihren dicken Schutzanzügen hinter die Aufgereiten und zogen diesen die Darmrohre heraus. Anschließend wickelten sie Wasserschläuche von Halterungen an der Wand, drehten die Hähne auf und richteten den scharfen Wasserstrahl auf die weiterhin aufgespannt Dastehenden. Der schlagartig auf die heiße Haut treffende Strahl führte zu einer Schockreaktion, der Herzschlag der Getroffenen er­höhte sich rasend, der extreme Wechsel von heiß auf kalt raubte das letzte Quäntchen Wahrnehmungsvermögen, das den Ärmsten geblieben war. Nach einer Weile stellte sich ein seltsames Gleichgewicht bei der Temperaturempfindung ein: Die Hautstellen, auf wel­chen der kalte Wasserstrahl gerichtet war, kühlten zunächst schlagartig ab, durch die er­höhte Stromleitfähigkeit durch das Wasser auf der Hautoberfläche verstärkte sich zu­gleich der wärmevermittelnde Hochfrequenzstrom.

Lediglich Magda hatte unter der kalten Strahlbehandlung stark zu leiden, denn der wärmende Hochfrequenzstrom floß nur über ihren rechten Arm zu ihrem Körper hinab. Der linke Draht hing immer noch, von den Wärtern anscheinend unbemerkt, ohne Körperkon­takt von der Decke herab. Der Wechsel zwischen den Stromeinleitungen links und rechts wechselte im Fünf-Sekunden-Takt ab, so daß Magda während der fünf Sekunden, in wel­chem der wärmende Stromfluß in ihrem Körper unterbrochen war, durch den kalten Was­serstrahl schmerzhaft fror. So wacker sie bislang alle Torturen durchgestanden hatte, diese teilweise als lustvoll empfand, so grausam verspürte sie jetzt das Wechselbad aus Wärme und Kälte. Immer wenn der Stromfluß durch ihren Körper für fünf Sekunden ver­siegte, schrie sie laut, doch der allgemeine Lärmpegel in dem Raum, hervorgerufen durch die Spritzgeräusche, aber auch durch das allgemeine Stöhnen, ließ sie ungehört leiden.

Birgit empfand den scharfen Strahl auf ihren Fußsohlen besonders schlimm, im Gegensatz zu Gangolf, der die Zusammenhänge mit dem wärmenden Stromfluß und dem Ste­hen auf dem Metallgitter bereits ausprobiert hatte, bevor das Spritzen mit dem Wasser begann, hob sie sofort den betreffenden Fuß von dem Gitter ab, um dem scharfen Strahl zu entkommen. Prompt riß der Wärmestrom durch das betreffende Bein ab, sobald die Fußspitze den Kontakt zu dem Metall verlor.

Keiner der Gereinigten war in der Lage, die Dauer der Behandlung einzuschätzen. Die anfängliche Grundstimmung, der Tortur möglichst bald zu entrinnen, folgte bald eine Willenlosigkeit; Gangolf bemerkte diesen seltsamen Zustand, den er bislang in seinem Leben noch nie kennengelernt hatte. Schon als ihm das doppelte Darmrohr eingeführt wurde und die Flüssigkeiten alsdann von oben und von unten in seinen Körper gedrückt wurden, war ihm dieser Vorgang egal, er fühlte sich wie ein Zuschauer eines bizarren Films.

Nachdem die innere und die äußere Reinigung nach etwa einer halben Stunde beendet worden war, ließen die Wächter langsam, millimeterweise die Seile von der Decke ab. Die Fersen senkten sich auf das Metallgitter, die Metallbänder schnitten nicht mehr in die Handgelenke ein. Als für alle Personen diese Stellung erreicht worden war, wurde das spezielle Gas abgedreht, welches in die Einatemschläuche eingeführt worden war. Allmählich ließ die Betäubung nach und das Schmerzempfinden kehrte zurück. Unangenehm kribbelte das Blut durch die wieder frei werdenden Adern, das Kälteempfinden stieg sprunghaft an, als auch der Hochfrequenzstrom abgeschaltet wurde.

Die Wärter zogen die speziellen Masken mit den drei Schläuchen von den Köpfen, Gangolf war sehr froh darüber, endlich von dem Gummischlauch in seinem Mund befreit wor­den zu sein; wie seine Leidensgenossen atmete er schwer durch, doch er stellte fest, daß die über den Schlauch zugeführte Luft wesentlich angenehmer zum Einatmen war als die feuchte, nach Schweiß und Exkrementen stinkende Luft in der Kammer. Als die Seile wei­ter herabgelassen wurden, kam er, wie die meisten anderen, in’s Schwanken, es fiel ihm schwer, das Gleichgewicht zu halten, auf den Beinen aufrecht zu stehen.

Magda vermißte geradezu die gestreckte Fesselung, derer sie sich zumindest anfangs wonnevoll hingab. Als die Seile immer weiter hinunterlassen wurden, ging sie in die Hocke, um weiterhin an den Händen aufgehängt, ihren Körper an gestreckten Armen bau­meln zu lassen. Einer der Wärter trat zu ihr entlang und bedeutete ihr, aufzustehen. Die Karabinerhaken wurden von den Armbändern gelöst, die haltgebende Fesselung war vor­bei. Tatsächlich stürzten einige der frisch Gereinigten, taumelnd rappelten sie sich wieder auf.








































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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:20.08.22 22:23 IP: gespeichert Moderator melden


Ich bewundere weiterhin Deine Konsequenz, jede Woche hier einen weiteres Puzzleteil einzustellen, mit denen sich unverschämt spannend so nach und nach das Bild vervollständigt. Danke!
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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:26.08.22 21:01 IP: gespeichert Moderator melden


Es freut mich, daß die Regelmäßigkeit der Fortsetzungen Gefallen findet, indes haben auch die unregelmäßig erscheinenden Fortsetzungen vieler Geschichten hier im Forum ihren Reiz: Man sieht sich gezwungen, täglich nachzusehen, ob endlich die sehnlich erwartete neue Episode gekommen sei; freilich besteht die Gefahr, daß bei zu langen Abständen der Faden der Erinnerung reißt und damit einhergehend das Interesse an der Geschichte selbst.


68

Inge Langohr unternahm mit dem freundlichen Autoverkäufer eine längere Probefahrt in dem Chevrolet-Zweisitzer-Cabriolet. Ihr Herz schlug höher; obwohl die Witterung an dem trüben Herbsttag nicht dafür geeignet gewesen war, ließ sich Inge alles an dem Wagen zeigen, insbesondere auch die Handhabung des Fahrzeugverdecks, wie dieses per Knopfdruck aufgeklappt und verschlossen werden konnte.

Der Verkäufer machte ein leicht ver­drießliches Gesicht, als Inge darauf bestand, mit geöffnetem Dach zu fahren, indes war der kühle Fahrtwind nicht so stark zu spüren wie befürchtet. Schnell wurden sich bei­de handelseinig und der leistungsstarke Gebrauchtwagen wechselte seinen Besitzer.

Hauptwachtmeister Brause pflegte allmorgendlich sein Auto auf dem großen Parkplatz abzustellen, welcher sich zwischen dem Gebäude des Umweltamts und den Bahngleisen erstreckte. Das Polizeigebäude befand sich auf der anderen Seite der Bahnlinie, kaum hundert Meter entfernt. Als Angehöriger einer Behörde durfte er kostenlos parken, im Gegensatz zu den sonstigen Autofahrern, die kräftig abkassiert wurden. An diesem Tag mußte er sich sputen, denn kurz nach dreiviertel acht Uhr begegneten sich in Lüggen zwei Züge; für die zwei Minuten Zwischenzeit wurden die Bahnschranken nicht geöffnet, so daß man im Falle von Verspätungen, die häufig eintrafen, gut und gerne fünf Minuten vor den geschlossenen Schranken warten mußte.

Barbara Bär traute ihren Augen nicht, als sie ihre Kollegin Inge in dem Sportwagen auf den Parkplatz des Umweltamtes einbiegen sah.
- „Von wem hast du dir denn den geliehen?“, fragte Barbara erstaunt, als Inge ausgestiegen war und zu dem Fahrradständer ging, wo Barbara ihr Fahrrad abgestellt hat.
- „Nischt jelieh’n“, strahlte Inge, „jekoft“. In ihrer Freude fiel sie in den Dialekt, den sie sonst den Kollegen gegenüber nicht verwendete.
- „Jekoft“, ahmte Barbara nach, wich dann aber wieder zum Hochdeutschen zurück. „Den hast du gekauft?“
- „Ja klar, komm’, steig’ rinn, machen wir eine kurze Spritztour.“
- „Na, ich weiß nicht,“ zögerte Barbara.
- „Zier’ dich nicht, ist sowieso nichts los viel im Amt.“

‚Von wegen’, dachte sich Barbara, zog es jedoch vor, zu schweigen. Sie wußte nur allzu gut, wie sich die unerledigten Vorgänge immer weiter aufhäuften, sicher nichts brandeiliges, aber doch immer wieder Berichte und Stellungnahmen, welche sie zu beurteilen und anzufertigen hat­ten. Vor allem ärgerte sich Barbara darüber, daß Inge noch nicht einmal den Entwurf des Berichts gelesen hatte, den sie über ihre vogelkundliche Erkundigung auf der Insel im Rö­thener See verfaßt hatte.

Als Barbara noch unschlüssig da stand und es auch noch nicht fassen konnte, daß ihre bislang so umweltbewußte Kollegin solch ein Angeber-Auto gekauft hatte, kam Brause um die Ecke gestiefelt.
- „Guten Morgen, die Damen“, grüßte er höflich-vergnügt und konnte sein Staunen nicht verbergen, als er Inge und Barbara an dem Sportwagen stehen sah. Inge war immer noch in euphorischer Laune und rief ihm entgegen:
- „Wat sachen S’e dazu, hab’ ick mir am Sonnabend jekoft, is’ `n jebrochter, aber egal, läuft super!“
- „Passen S’e bloß of, dat S’e nischt glech `n Strafzettel kriech’n wech’n Schnellfahren, kann man damit überhaupt mit normalem Tempo fahr’n?“
- „Jeht ja eh nischt schnell bei dem Verkehr hier“, konterte Inge und gab Barbara einen Wink, endlich einzusteigen.

Kopfschüttelnd setzte Brause sein schwerfälliges Gangwerk Richtung Bahnübergang fort, während sich die beiden Damen auf die Echtledersitze niederplumpsen ließen.
- „Hui, da sitzt man aber tief“, stieß Barbara erstaunt aus.
- „Ja klar, hat `ne tolle Straßenlage damit.“

‚Wie hat sich denn die verändert’, dachte sich Barbara und legte den Sicherheitsgurt an.
‚Den werd’ ich wohl brauchen’, sinnierte sie und hoffte, daß Inge das Geschoß im Griff habe. Mit einem dumpfen Röcheln meldete der Motor sich nach dem Anlassen zur Leistungsabgabe bereit, vorsichtig manoevrierte Inge das teure Teil durch den Parkplatz zur Hauptstraße vor. Gerade als sie in diese einbogen, hämmerte ihnen das Läutewerk ent­gegen: „Bing, bing, bing.“

- „Jetzt bleib bloß stehen“, mahnte Barbara, sie fürchtete, daß Inge ihr etwas beweisen wollte und am Ende mit Vollgas noch durch die sich im Absenken begriffenen Schranken hindurch jagte. Mit einem verächtlichen Seufzer trat Inge auf die Bremse; obwohl sie noch nicht einmal Fahrradfahrertempo hatten, wurde Barbaras Oberkörper nach vorn in den Gurt katapultiert.
‚Das geht ja schon gut los’, dachte sich Barbara und bedauerte bereits, eingestiegen zu sein.

- „So ein Mist“, schimpfte Inge und griff sich zwischen die Schenkel.
- „Kannst du das nicht lassen?“ protestierte Barbara. Sie kam sich dabei altmütterlich vor, daß sie ihre zehn Jahre ältere Kollegin zur Beherrschung aufrief. Dabei wußte sie nichts davon, daß das Reiben an den Geschlechtsorganen ein sicherer Hinweis auf die Infektion mit dem Condoma-Virus war.

- „Ach weißt du“, setzte Inge an, „auf unserem Kurs in Dings, in Wünsdorf, da mußte ich das Versuchskaninchen spielen und alle übten sich an mir, Keuschheitsgürtel anzulegen, und dabei war ich gefesselt, mit Handschellen, damit ich mich nicht wehren konnte, weil die sagen, daß im Echten die Betroffen sich auch wehren würden, wenn sie in den Gürtel gesperrt werden und so.“

Barbara konnte nicht recht glauben, was sie da aus Inges Mund gehört hat. Verwirrt fragte sie:
- „Was, und dafür hast du dich hergegeben?“
- „Ja, ich war die einzige, die nicht vom Gesundheitsamt war, die müssen das nämlich dann machen und so übten die der Reihe nach alle durch an mir, das Teil anzulegen und zu verschließen.“
- "Was für ein Teil?"
- "Na so `nen Keuschheitsgürtel eben, sagte ich doch!"
Barbara sagte nichts darauf, sie dachte sich nur: ‚Was ist bloß mit der geschehen, die ist ja wie verändert.’

In dem Augenblick kam Brause zu den verschlossenen Schranken. Der erste Zug fuhr vorüber und, wie üblich, blieben die Schranken geschlossen. Inge ließ das Fenster ihrer Tür herunter und rief schnippisch hinaus:
- „Ich würd’ Sie ja gerne mitnehmen, aber ich hab’ schon alle Sitzplätze besetzt. Das nennt man umweltschonendes Fahren, wenn man sein Fahrzeug zu hundert Prozent ausnützt!“

Brause schüttelte kurz den Kopf und wandte sich ab, indem er sich über die Schranke beugte und dem Zug nach sah. Barbara errötete, sie schämte sich für Inges dummes Gerede. Inge ließ das Fenster wieder in die Höhe fahren und fuhr in ihrer Euphorie fort:
- „Ich laß’ mir so spezielle Sitze einbauen mit Hosenträgergurt, der zwischen den Beinen hin­durch geht, der hält einen dann besser an beiden Schultern.“

‚O Gott, nur `raus hier’, dachte sich Barbara mit einem leichten Anflug einer Panik.
- „Dann mach’s mal gut“, verabschiedete sie sich von Inge, „das dauert mir hier zu lange, da sitz’ ich lieber auf meinem Bürostuhl als in dem engen Sitz hier eingezwängt!“
Sie öffnete die Tür und schwang sich aus der Tieflage empor.

- „Barbara, so bleib’ doch“, rief Inge, „ich fahr’ auch ganz vorsichtig, versprochen!“
Doch Barbara schubste die Tür zu, worauf diese mit einem sanften >Pflop< sich selbst zudrückte. Sie ging um den Corvette hinten herum und überquerte die Straße. Sie war im Begriff, auf kürzestem Weg über den Parkplatz ins Amt zu gehen, als sie Brause an der Schranke wartend stehen sah. In dem Augenblick brauste der andere Zug in der Gegenrichtung vorbei. Doch die Schranke öffnete sich immer noch nicht. Mittlerweile ist ein dermaßen langer Zeitraum verstrichen, daß der nächste Zug dem ersten folgte und deshalb die Schranken wieder nicht geöffnet werden konnte.

- „Wir haben das Jahr 2030 und immer noch gibt es so blöde Bahnübergänge, wie lange soll das noch so weiter gehen, bis wir eine Unterführung hier kriegen!“, ärgerte sich Brause, vernehmlich brummend.

Barbara ging zu Brause und rief ihm lächelnd zu:
- "So, jetzt können Sie mit meiner Kollegin mitfahren!“
- „Ja was, ist die Probefahrt schon wieder beendet?“
- „Es geht mir ganz gegen den Strich, als überzeugte Umweltaktivistin in so einem Protz-Karren mitzufahren, nein, ich schäme mich dafür, überhaupt eingestiegen zu sein. Vor zehn Jahren war ich bei der >Fridays for future<-Bewegung als Schülerin dabei, und heute soll ich in so einem vollkommen sinnlosen Auto mitfahren, 500 PS oder wieviel, für zwei Per-sonen, einfach verrückt!“

Der dritte Zug rauschte heran, der Lärm ließ Brauses Antwort ersticken. Anschließend hoben sich endlich die Schranken, Brause hob zum Gruß die Hand mit zwei durchgestreckten Fingern, Barbara erwiderte seinen Gruß und wandte sich um, nun endgültig zum Umweltamt zu gelangen, während der Polizist über den Bahnübergang zu seinem Revier schritt.

Inge war sauer. Immerhin war die Straße vor ihr frei, die minutenlang geschlossenen Bahnschranken ließen die Autos auf der Gegenfahrbahn bis in die Innenstadt zurückstauen, auf ihrer Fahrspur befand sich nicht ein einziges Fahrzeug, soweit sie sehen konnte. Um ihren Frust auszulassen, trat sie das Gaspedal kräftig durch, die Corvette schoß nach vorne und preßte Inge in den Schalensitz. Passanten blickten sich auf dem Trottoir besorgt um, als sie das Röhren des kraftstrotzenden Motors wahrnahmen, einige drückten sich an die Hausmauern, um möglichst weiten Abstand zu der Straße und damit zu dem vorbeirasenden Rennwagen zu gewinnen.

Brause beschloß, der Sache nachzugehen. ‚Wenn das Schicksal mir schon solche Zufälle zuspielt, die war ja ganz aus dem Häuschen mit ihrem neuen Karren’, dachte er sich und war im Geiste bereits bei dem Händler, der dafür bekannt war, mit noblen extravaganten Gebrauchtwagen zu handeln. Er gab Nisselpriem Bescheid, daß er gleich los müßte, um sich eine Erkundigung zu einem neu erworbenen Fahrzeug einzuholen:
- „Da kann was nicht ganz stimmen, da brauste einer über den Bahnübergang, daß die Straßenlaternen wackelten, die Leute drückten sich vor Angst an die Hausmauern, also den knüpf’ ich mir vor.“
- „Ja, tu’ das, wenn du wieder kommst, machen wir unseren Gedankenaustausch.“
‚Gedankenaustausch’, dachte sich Brause, ‚das wird wieder so ein allgemeines Gequatsche, weil dir langweilig ist.’

Der Autohändler konnte sich sofort an Inge Langohr erinnern:
- „Ja klar, so `ne junge Frau, kam mit ihrem Fahrrad, die wollte unbedingt die Corvette, ich wollte ihr einige andere Wagen zeigen, sie sagte, daß sie noch nie ein Auto hatte, wir haben hier alle Arten, Kombis, SUV, normale Limousinen, doch sie war nicht abzubringen von dem Cabriolet.“
- „Wie hat sie denn bezahlt?“, wollte Brause wissen.
- „Bar! Sie trug in ihrer Umhängetasche gebündelte Geldscheine mit sich herum.“
- „Ist das immer noch so üblich beim Gebrauchtwagenkauf?“
- „Kommt d’rauf an, sie gab an, daß sie Beamtin sei in irgend so einem Amt, also da hätte mir auf jeden Fall auch eine Bankbestätigung gereicht, daß sie das Geld auf dem Konto hat, aber sie legte das Geld wie selbstverständlich auf den Tisch, versuchte auch gar nicht, den Preis herunterzuhandeln, eigentlich war es der perfekte Verkauf für mich. Oder ich biete auch Leasing-Verträge an, aber davon wollte sie absolut nichts hören.“

Brause blickte den Verkäufer nachdenklich an. Dieser fuhr nach einer Weile fort:
- „Mir kam es vor, die wußte gar nicht so genau, wieviel Geld sie da in ihrer Umhängetasche dabei hatte, wir zählten die gebündelten Scheine, bis der Kaufpreis vollzählig war, die restlichen Bündel verstaute sie wieder.“

- „Jetzt fängst du schon wieder mit der Sache an“, wunderte sich Nisselpriem, als Brause ihm von seiner Erkundigung bei dem Autohändler berichtete, „wir wollten doch die Sache auf sich beruhen lassen, bis jemand eine Anzeige aufgibt, daß sein Geld aus der Kiste gestohlen wurde.“
- „Du hast ja recht“, entgegnete ihm Brause, „aber das stinkt doch zu Himmel. Ich möchte auch mit ihr auf die Insel, um zu sehen, wie sie auf die leere Kiste dort reagiert. Doch zuvor statte ich dem Stumpf noch einen Besuch ab, `mal sehen, was der dazu sagt.“
- „Also mach’ das, wenn du unbedingt meinst, in dem Fall weiterkommen zu wollen.“
- „Ja, das reizt mich, wenn ich den aufgeklärt habe, dann geh’ ich in Pension.“
- „Hm, du weißt aber schon, daß wir zur Aufklärung dann die Kriminaler hinzuziehen müssen, die werden dann deine Lorbeeren ernten, die du mühsam errungen hast.“
- „Das mag schon sein, aber versteh’ doch, da stammelt diese Langohr herum, als ich bloß das Gespräch auf die leere Geldkiste gebracht hatte. Und jetzt hat sie eine Luxuskarre für mehrere zehntausend Euro.“
- „Mag sein, nur wird es halt verdammt schwer, was zu beweisen, gerade wo sie das Geld ja jetzt nicht mehr hat und sie ist nicht verpflichtet, uns zu sagen, woher es stammt. Da wird ihr schon irgend eine Erbschaft einfallen, daß eine Großtante das Geld lieber bar hinter’m Kopfkissen aufgehäuft hat und so weiter.“
- „Hm, wird so sein“, brummte Brause, „auf jeden Fall fahr’ ich jetzt `mal zu dem Stumpf hinaus, telephonisch erreich’ ich ihn nicht, er kann ja nicht vom Erdboden verschwunden sein.“
- „Ja, mach das, Olaf, viel Glück!“

Brause stapfte über Gangolfs Hof, alles wirkte verlassen. In der Scheune sah er zwei Kajaks liegen und auch einen Ruderkahn, er fand alles so vor, wie er es in Erinnerung hatte, als er mit den Kriminal-Kollegen aus Kaiserswuselhausen tagelang das Anwesen durchsucht hatte, in der Hoffnung, auf den Bankraub zu stoßen.
‚Da hat der Kerl das Geld auf die Insel gebracht, da sind wir damals nicht d’rauf gekommen, verdammt, und nun kommen diese Naturforscherinnen auf die Insel und das Geld ist weg’.

Auf dem Rückweg zum Polizeiauto hielt Brause kurz inne und überlegte: ‚Sollte die Barbara Bär am Ende auch etwas damit zu tun haben, hat die Langohr sie vorgeschickt, weil sie wußte, daß die Bär die perfekte Schauspielerin ist, die das ganz gelassen wegsteckt, die Gegenüberstellung mit der leeren Kiste?’
Während der Rückfahrt zerschlug er den Gedanken: ‚Die wäre aber dann doch nicht so blöd gewesen, die Polizei anzurufen und den Fund zu melden, wenn sie sich zuvor mit der Langohr daran bereichert hat.’












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Taumelnd erreichte die Achter-Gruppe den Raum, wo die Kleidungsstücke in den Spinden vor der großen Intensivkörperreinigung abgelegt worden waren. Die meisten wußten naturgemäß nach den überstandenen Strapazen nicht mehr die jeweilige Nummer des Aufbewahrungsspinds, so daß erst einmal eine wilde Sucherei begann. Die Wärter trieben zur Eile an, die nächste Gruppe wartete bereits.

Birgit, Magda und Gangolf standen wie die anderen aus ihrer Gruppe immer noch benommen unter dem Eindruck des Erlebten da; bevor sie die Motorräder bestiegen, setzen sie sich auf den Boden, um tief Durchzuatmen. Gangolf erkundigte sich bei seinen beiden Begleiterinnen:
- „Wie geht’s euch, hättet ihr gedacht, daß das so abläuft?“
- „Nie im Leben“, gab Birgit leicht keuchend zu Antwort, „die spinnen doch vollkommen, mußtet ihr auch die ganze Zeit über auf Zehenspitzen stehen auf dem einschneidenden Metallgitter?“
- „Ja, das war aufregend“, entgegnete Magda, „eigentlich toll gemacht, nur der dauernde Wechsel von kalt auf heiß war schlimm.“
- „Was für ein dauernder Wechsel?“, wollte Birgit wissen, „mir war es dauernd recht heiß, einmal kam die Hitze über den linken Arm, dann über den rechten.“
- „Ja zuerst schon, aber dann kam die Wärme nur noch über den rechten Arm und dazwischen war es eiskalt mit dem blöden Wasserstrahl.“

Gangolf erinnerte sich daran, daß neben ihm ein Draht von der Decke baumelte, er hatte ihn nicht weiter beachtet.
- „Kann das sein, daß dir der Draht vom Handgelenk abgerutscht ist?“ erkundigte er sich bei Magda.
- „Weiß nicht“, antwortete diese, „auf jeden Fall war meine ganze Lust dahin, als der Wasserstrahl dann immer so eiskalt war. Ging euch das nicht auch so?“
- „Eigentlich nicht“, sagte Gangolf, „die leiteten uns so einen Hochfrequenzstrom über die Handschellen in unseren Körper, immer abwechselnd über den linken und rechten Arm, wahrscheinlich daß nie der Strom über das Herz fließen kann.“
- „Jedenfalls war das die reinste Tortur“, empörte sich Birgit.
Gangolf fiel ihr in’s Wort: „Sollte ja zur Reinigung dienen, na ja, bin auch froh, daß es vorüber ist, aber war doch besser als wochenlang in so einem Container da wo eingesperrt zu sein.“
- „Ja, schon klar, und jetzt sind wir beringt wie die Vögel mit diesen blöden Metallbändern“, beklagte sich Birgit und rieb dabei die aufgeriebenen Hautstellen an ihren Handgelenken.
- „Unser Freifahrtschein durch die Alpenrepublik“, scherzte Gangolf.

Das Gespräch ebbte ab, nach einer Weile nahm Gangolf den Faden wieder auf:
- „Also ich schlage vor, daß wir jetzt bloß noch bis Innsbruck hinunter fahren, mir reicht’s ziemlich, und da unten suchen wir uns dann ein Zimmer wo, es wird ohnehin bald dunkel.“
- „Darf ich mich euch anschließen?“ fragte Birgit.
- „Na klar, du kannst auch gern vorausfahren, bist sicher schneller als wir zu zweit.“
- „Nein, nein, die vielen engen Kehren da auf der Brennerstraße bis nach Innsbruck hinunter, da hab’ ich so meine Probleme.“

Gangolf holte sein Smartphone heraus und suchte eine Herberge. Am Ortsrand von Innsbruck wurde er sogleich fündig, die Wirtin bestätigte ihm ein Doppelzimmer und ein Einzelzimmer.

Die drei Motorradfahrer waren froh, als sie die vielen Kehren geschafft hatten, Gangolf atmete auf, als sie über die Stephansbrücke kamen und kurz darauf die Stadt vor der beeindruckenden Alpen-Nordkette erblickten. Anmutig wurden sie von einer Straßenbahn begleitet, welche auf der Schmalspurstrecke entlang der Straße die letzten großen Kehren bis zur Stadt hinab fuhr.

Ursprünglich beabsichtigte Gangolf, mit der Bahn bis in das Stadtzentrum zu fahren, doch seine beiden Begleiterinnen schlugen vor, gleich hier im Hotel das Abendessen einzunehmen. Sogar Magda ergriff das Wort, sie pflichtete Birgit bei, und so willigte auch Gangolf ein, auf einen Stadtbesuch zu verzichten. Nach dem Essen waren alle drei ziemlich müde, sie gingen zu Bett, obwohl es noch früh am Abend war. Die anstrengende Motorradfahrt über die Alpen, aber auch die Reinigungstortur waren kräftezehrende Strapazen gewesen.

Irgendwann in der Nacht wachte Gangolf auf, nach einer Weile gewöhnten sich die Augen an die Dunkelheit in dem Zimmer. Er ließ nicht das Rollo vor dem Fenster herunter, sondern hatte nur den Vorhang zugezogen. Das fahle Licht einer Straßenlaterne drang durch den Stoff, der Raum war dadurch nicht absolut stockfinster. Gangolf beobachtete Magda, wie sie sich im Schlaf immer wieder von der einen auf die andere Seite wälzte, sie träumte offensichtlich unruhig. Er setzte sich im Bett auf und schob das Kopfkissen hinter seinen Rücken in die Höhe.
‚Ein verrückter Urlaub’, sinnierte er, ‚das hätt’ ich mir nie ausdenken können, was uns da alles in den wenigen Tagen passiert ist; die verrückten Gasmasken in Italien, die wahnsinnige Überschwemmung in Venedig und jetzt auch noch diese >Pulizia intensiva< wegen des seltsamen Virus’, was wird denn noch alles kommen.’

Es war gut, daß Gangolf nicht ahnen konnte, was ihnen auf der Rückreise noch bevorstehen würde.

Gerade als Gangolf sich wieder von der sitzenden in die liegende Position begeben wollte, wachte Magda auf und bewegte unruhig ihren Kopf hin und her. Sie wußte zunächst nicht, wo sie sich befand, nach einigen Sekunden flüsterte sie:
- „Gangi, bis du das?“
- „Ja, Magda, hast du geträumt?“
- „Ja, wahrscheinlich, ja, ganz sicher, da war so ein großer freier Platz und da waren Männer, die wollten mich wegholen, ich hab’ mich an eine Straßenlaterne geklammert, ja jetzt weiß ich es wieder ganz genau, es war schlimm, ach bitte, Gangi, mach’ mich irgendwie fest, ich möchte nicht mehr so ungeschützt einfach da sein.“
- „Aber Magda, ich bin doch neben dir, du hattest doch nur so einen Traum.“
- „Ich werde das wieder träumen, ich vermiß das so. Mir kommt gerade eine Idee.“

Magda sprang aus dem Bett, tastete sich zu ihrem Rucksack, den Birgit freundlicherweise auf ihrem Motorrad mit aufgeschnallt hatte, und nestelte ihre Chucks heraus.
- „Was machst du da?“ wollte Gangolf wissen, „soll ich Licht machen?“
- „Nein, nein, es geht schon. Ich zieh’ nur die Schuhbänder heraus, damit du mich damit fesseln kannst.“
- „Ach Magda, jetzt beruhige dich doch erst einmal.“
- „Doch bitte, bitte, ich hab’ da ja jetzt diese schönen Metallbänder um die Handgelenke herum und mit den Schnüren kannst du die jetzt an den Sprossen von dem Bett da über dem Kopf anbinden, dann werd’ ich wieder ruhiger schlafen können.“
- „Also ich wäre dann erst recht beunruhigt, wenn ich so gefesselt einschlafen müßte.“
- „Doch, bitte, mach’ schon, du weißt doch, ich brauch’ das.“

Gangolf beobachtete eine längere Zeit, wie Magda nun tatsächlich völlig ruhig einschlief, ihr Atem ging langsam und sehr regelmäßig, ihr Körper wand sich nicht mehr ständig hin und her.
‚Wie kann man nur so sein’, sinnierte Gangolf, ‚durch und durch masochistisch, das liegt echt in ihrer Natur.’ Mit diesen Gedanken schlief er ein und fand gleichfalls einen ruhigen Schlaf.

Am nächsten Morgen genossen die drei ein richtig gutes Frühstück, mit Kaffee nach deutscher Zubereitungsart; jetzt erst merkten sie, wie ihnen dieses Gebräu fehlte; so gern sie auch Latte macchiato, Espresso und Capuccino tranken, erfreuten sie sich des >normalen< Kaffees, den die Wirtin in einer Thermoskanne auf den Tisch stellte. Das gleiche galt für das Essen, so interessant in Italien die Panini waren, liebten Birgit, Magda und Gangolf es, herzhaft in eine Kaisersemmel zu beißen, mit Frischwurst belegt.

- „Fahren wir am kürzesten Weg nach Hause“, schlug Birgit vor, „also am schnellsten Weg, ehrlich gesagt, mir reicht es mit der Motorradfahrerei, ist doch anstrengender als gedacht!“
- „Ja, du hast recht“, pflichtete Gangolf ihr bei, „aber ich glaub’, da ist auch noch die Tortur vom Brenner daran mit Schuld, ich fühl’ mich wie gerädert“
- „Gerädert ist gut gesagt“, meinte Birgit, „das ewige ausgestreckte Stehen da auf Zehenspitzen, ich bin auch noch ganz verspannt.“

Nun wagte Magda ihre Stimme zu erheben:
- „Das wird schon wieder, also ich fand’s eigentlich toll, was man alles so machen kann.“

Birgit blickte Magda ungläubig an, sie konnte ihre Worte nicht richtig deuten, denn sie wußte noch nichts von Magdas ungewöhnlichen Neigungen. Gangolf kürzte das Gespräch ab und meinte:
- „Packen wir zusammen und dann fahren wir einfach die Inntal-Autobahn nach Bayern. Die alte Inntal-Bundesstraße ist zwar auch schön, die urigen Ortsdurchfahrten durch Hall und Rattenberg, aber das hält ziemlich auf und fast überall ist es auf 60 begrenzt, da muß man sich genau daran halten, denn hinter jedem Busch könnte ein Gendarm sitzen mit so einer Laser-Pistole.“

Die Fahrt ging gut voran, es war ein angenehmer Herbsttag, die Sonne schien den drei Motorradfahrern entgegen auf ihrem nahen Ziel, nach Deutschland zu gelangen.
- „Wo wollen denn die alle hin“ murmelte Gangolf in seinen Helm hinein, als er sah, wie zahlreiche Autos über die Ausfahrt Kirchbichl die Autobahn verließen. Nach wenigen hundert Metern wußte er, warum: Sie fuhren geradewegs einem Stauende entgegen.
- „So ein Mist, ein Stau, und das mitten am Werktag-Vormittag.“

Das Durchschlängeln durch die beiden stehenden Autoreihen erforderte größte Konzentration, umso mehr, als es bei der niedrigen Geschwindigkeit mit Magda als Sozia hintenauf noch schwieriger war, das Gleichgewicht zu halten.

‚Hoffentlich reißt jetzt keiner die Autotür auf’, dachte sich Gangolf, als er sich durch die Reihen fädelte, ‚und hoffentlich kommt die Birgit mit’.
Seine diesbezügliche Befürchtung war begründet gewesen, denn zunächst wartete Birgit brav hinter dem letzten Auto des Staus. Glücklicherweise ließ ein Autofahrer eine größere Lücke zu seinem Vordermann, so daß Gangolf in diese hineinschwenkte und anhielt. Er drehte sich um und winkte Birgit heran. Zögerlich begann diese, sich gleichfalls durch die beiden Autoreihen einzufädeln und an ihnen vorbei zu schlängeln. Gangolf verließ die Lücke und zwängte sich weiter vorwärts. Der Stau schien endlos zu sein, ihm kam es in den Sinn, daß dieser Stau nicht durch einen Unfall oder durch ein defektes Fahrzeug verursacht war, sondern durch die Grenzkontrollen am Übergang nach Bayern.

Nach etwa zwei Kilometer begann der Verkehr auf der rechten Fahrspur wieder zu rollen. Gangolf setzte sich hinter ein Auto und rollte im Fahrradtempo hinter diesem weiter, zwei Autos hinter ihm verließ auch Birgit den schmalen Pfad zwischen den Fahrzeugen und reihte sich hinter einem Lieferwagen ein.
‚Verdammt, jetzt haben wir natürlich keinen Blickkontakt mehr’, ärgerte sich Gangolf, denn bei der nächsten Ausfahrt wollte er ausfahren. Diese Absicht hegten fast alle Autos vor ihm, denn nach weiteren zwei Kilometern erreichten sie die Ausfahrt Kufstein-Süd, wo fast alle Fahrzeuge vor ihm ausfuhren. Der Lieferwagen hinter ihm fuhr glücklicherweise in der Staukolonne geradeaus weiter, so daß er wieder Birgit im Rückspiegel erkennen konnte. Birgit war froh, daß das Geschlängel ein Ende genommen hatte. Über die Innbrücke ging es verhältnismäßig flott voran, doch dann staute es sich auch auf der Bundesstraße und das nervtötende >Stop and go< setzte ein. Gangolf bereute es, die Autobahn verlassen zu haben, ohne Birgit im Schlepptau hätte er mehr oder weniger gefährliche Überholmanoever durchgeführt, doch auf Rücksicht seiner neuen Begleitung verzichtete er darauf.

Endlich erreichten sie die alte Innbrücke; im Gegenlicht der Sonne gewahrten sie die mächtige Festung Kufstein, die trutzig über dem Tal ihre Schatten verbreitete. Mühsam schob sich die Karawane durch Kufstein; als sie durch die Autobahnbrücke hindurch kamen, setze Gangolf zum Überholen an. Es kam nur noch selten ein Fahrzeug entgegen, auch Birgit scherte mit ihrem Motorrad aus und überholte tapfer die auf der Uferstraße am Inn entlang aufgereihten Autos. Nach wenigen Metern fühlten sie sich an den Anblick von Gossensaß erinnert; auf der linken Seite erblickten sie zahllose Wohncontainer, die am Hang zum Wald hin aneinandergereiht auf die Besucher warteten. Der Randstreifen auf der linken Straßenseite wurde kurzerhand zum Parkstreifen umfunktioniert, österrei­chische Gendarmen und bayerische Grenzpolizisten wiesen den Fahrzeugen Stellplätze zu. Als auch Gangolf angehalten wurde, zog dieser die Stulpen seiner Handschuhe zurück und zeigte seine metallisch blinkenden Armbänder vor, daß man ihn und seine Begleite­rinnen als >intensivgereinigte Personen< hindurch ließe. Indes traute Gangolf seinen Oh­ren nicht:
- „Na, des hilft nix in Bayern, des erkenn’ ma nicht an, Sie miaß`n genauso ´ei in d’Quarantäne wia die andern ah, also da fahr’ eini!“
Neben ihm hielt Birgit an und sie beratschlagten sich.

- „So eine Sauerei“, beklagte sich Gangolf, während er seinen Helm abstreifte, „jetzt haben wir extra diese Totalreinigung durchgemacht und jetzt sollen wir trotzdem da in die Container hinein zur Quarantäne.“
Der bayrische Grenzbeamte antworte nochmals:
- „Wia g’sangt, die Österreicher erkennen das an, aber wir in Bayern net, oder Sie keahn wieder um, aber überall an alle Grenzen sind so Container, da miaß’n alle hinein, wenn sie nach Bayern woll’n.“
- „Und wenn wir über die Tschechei nach Sachsen fahren?“ wollte Gangolf wissen.
- „Is as gleiche, den Tschechen is des Wurscht, die lassen an jed’n ei, aber nach Deutschland mußt erst durch d’Quarantän.“
- „Laß uns umkehren und trinken in Kufstein erst `mal einen Kaffee“, schlug Birgit vor.
- „Ja, gute Idee. Fahr’ schon einmal voraus!“

Vor einem Straßencafé stellte die kleine Reisegruppe die Motorräder ab; Magda ließ sich, wie gewohnt, elegant vom Soziussitz gleiten, dann schwang sich Gangolf von der Maschine. Birgit belagerte bereits den nächstbesten Tisch am Straßenrand, es war für die drei aus Italien zurückgekehrten Urlauber ein angenehmes vertrautes Bild, den Menschen wieder ins Antlitz zu blicken, die bizarre Erscheinung der mit Gasmasken herumlaufenden Menschen war endlich entschwunden.

- „Sollen wir jetzt doch lieber wieder über die Tschechei zurückfahren?“, wollte Birgit von ihren beiden Begleitern wissen.
- „Das hilft uns auch nichts“, entgegnete Gangolf, „du hast ja gehört, die lassen uns an der sächsischen Grenze dann auch nicht hinein ohne Quarantäne.“
- „So ein verdammter Mist“, fauchte Birgit, „ich setz' mich doch nicht tagelang in so `nen Miefbunker da hinein!“
- „Von wegen tagelang, wochenlang!“ konterte Gangolf.
- „Klingt nicht gerade trostreich, laß' deine Ironie!“ ärgerte sich Birgit.
- „Kann doch auch nichts dafür“, entgegnete Gangolf. Er merkte, daß er von nun ab vorsichtig mit seinen Äußerungen sein mußte, Birgit reagierte unerwartet gereizt.
Sie schwiegen eine Weile, derweil kam ein junger Kellner aus dem Café heraus und nahm die Bestellungen auf. Als dieser wieder gegangen war, äußerte sich Birgit:
- „Und was jetzt?“
- „Ich hab' eine Idee“, hob Gangolf an, bemüht, einen ruhigen ernsten Tonfall anzuschlagen, „wir fahren erst einmal in die Tschechei und dann versuchen wir, über einen der kleinen Grenzübergänge ins Bayrische zu gelangen, im Oberpfälzer Wald gibt es so kleine Übergänge, da werden schon nicht überall die Container stehen.“
- „Die werden aber dann wohl geschlossen sein“, entgegnete Birgit.
- „Schau'n wir `mal nach, müßte doch im Internet stehen, wenn Grenzübergänge geschlossen sind.“

Gangolf nahm sein Smartphone und suchte im Internet herum. Tatsächlich kam er schnell auf eine Seite, wo die Übergänge gelistet waren.
- „Verdammt, du hast recht, Waidhaus ist offen und Furth im Wald und Schirnding, aber Bärnau ist zu und sogar Waldmünchen, so ein Mist, und bei den drei großen stehen die Container für die Quarantäne, verdammt, verdammt.“
- „Dann können wir auch gleich hier uns bei den Ösis einsperren lassen“, kommentierte Birgit Gangolfs Recherche.
- „Oder wir riskieren einen illegalen Grenzübertritt“, meinte Gangolf und schob dabei nachdenklich seine Unterlippe vor.
- „Aha, und wie soll das gehen?“
- „Also der Eiserne Vorhang ist ja schon lang weg; als die damals den Grenzzaun abgerissen hatten, wurden die alten Wege zwischen Böhmen und Bayern wieder hergerichtet als Wanderwege oder zum Radfahren; ich bin dort im Oberpfälzer Grenzgebiet früher ein paar Mal da hinüber geradelt.“
- „Ah, wie das, ausgerechnet in der Oberpfalz?“
- „Ja ich komme von dort her, meine ganze Jugendzeit über war ich dort.“
- „Und du meinst, wir könnten da mit den Motorrädern durch?“
- „Mit Geländemaschinen wär' das freilich besser, aber wir haben keine Wahl, müssen halt ganz vorsichtig fahren, daß wir nicht in den Schlaglöchern hängen bleiben.“

Der Kellner kam mit seinem Tablett und servierte den dreien Kaffee und Kuchen. Beim Essen besprachen sie die Route, wie sie von hier am einfachsten in den Böhmerwald und Oberpfälzer Wald kamen. Es war keine geradlinige Streckenführung, im Gegenteil, zunächst galt es, die Bayrischen Alpen südlich zu umgehen, um auf österreichischem Gebiet zu bleiben. Von Salzburg über Linz würden sie dann auf Autobahnen bis Budweis fahren, um dann auf den Landstraßen durch das südliche und westliche Böhmen zu kreuzen.
- „Dann wollen wir `mal los“, bestimmte Birgit, nachdem der junge Kellner kassiert hatte, „das Abenteuer kann beginnen!“

Sie sollte mit ihrer Wortwahl recht behalten – Abenteuer.






























































































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