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M A G N U S
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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:09.09.22 22:57 IP: gespeichert Moderator melden


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Inge Langohr freute sich diebisch. Sie hatte sich mittlerweile an den ihr überlassenen Keuschheitsgürtel gewöhnt, sie wurde geradezu süchtig nach ihm: Kaum daß sie ihn vor dem Duschen abgelegt hatte, wollte sie ihn gleich wieder umschnallen. Ihre Erregung wuchs von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag. Es gelang ihr, kurzfristig Urlaub zu erhalten, sie hätte sich ohnehin auf keine Arbeit konzentrieren können. Jetzt hatte sie alle Zeit der Welt, sich den kühnsten Fantasien hinzugeben. Als erstes würde sie ihre Freundin aus alten Tagen in Berlin besuchen, dieser das neue Auto vorstellen, überhaupt wollte sie die gewonnene Individual-Mobilität nach Herzenslust genießen.

Inge wählte die Geheimnummer, die sie von Ulla bekommen hatte, nur wenige Vertraute erhielten von dieser jene Nummer, denn als >VIP< wollte sie nur von ausgewählten Personen unmittelbar erreichbar sein.

- „Hallo Ulla, hier Inge, wie geht’s dir?“
- „Ja hallo Inge, danke, soweit gut, immer Streß, das kennst du ja von mir. Gibt’s ein Problem, kann ich dir irgendwie helfen?“
- „Nein, danke, kein Problem, ich ruf’ dich heute auch nicht als Parteifreundin an, sondern wollte einfach mit dir ein bißchen plaudern, hast du `mal Zeit für mich?“
- „Äh, ja, natürlich schon, kommt jetzt ein wenig überraschend.“
- „Ich würd’ dich gern besuchen, hab’ jetzt ein eigenes Auto, da bin ich schnell in Berlin und auch wieder zurück.“
- „Ah, tatsächlich, bist du deinen Prinzipien untreu geworden?“
- „Nee, eigentlich nich, aber es ist halt doch praktischer, wenn man schnell `mal wo hin kann.“
- „Da hast du recht, ich bin auch froh um meine Fahrbereitschaft, darf man ja gar nicht laut sagen. Ja gut, wie sieht es nächste Woche aus, wart’ `mal, ich guck’ schnell `mal meine Termine an den Abenden durch, ja, wie wär’ es am Mittwoch, da hätt’ ich wohl so gegen acht dann Zeit für dich.“

Inge war etwas enttäuscht. Sie hätte Ulla gern noch in derselben Woche besucht, am liebsten gleich an diesem Abend.
- „Ja, schön, dann am Mittwoch so ab acht bei dir, freu’ mich sehr.“
- „Ich mich auch, tschüß.“

Wieder gewannen abstruse Fantasien Oberhand in Inges Gedankenstrudel: ‚Jemand sollte den Schlüssel haben, dafür sind doch die Keuschheitsgürtel gemacht worden, schon im Mittelalter, und nicht wegen dem Virus da.’
So sehr sie sich auch anstrengte, Inge fiel niemanden ein, dem sie den Schlüssel anvertrauen wollte. Sie kannte freilich etliche vertrauensvolle Personen, doch war niemand darunter, dem sie ihr besonderes Geheimnis anvertrauen wollte. Sie dachte kurz an Barbara, ihre Praktikantin-Kollegin, mit welcher sie auf der Insel im Röthener See war, doch sie verwarf den Gedanken wieder, da sie Barbara zwar als Kollegin sehr schätzte, indes schien ihr deren Wesen viel zu bieder zu sein, um Verständnis für ihr spezielles Spielzeug zu finden.

Unruhig wand sich Inge in ihren Kissen hin und her, es gelang ihr nicht, einen ruhigen Schlaf zu finden. Immer wieder drückte sie an ihrem Keuschheitsgürtel herum, schließlich gab sie sich einen Ruck, knipste das Licht an und schwang sich aus den Federn. Aus einer Schublade holte sie das Schlüsselein und befreite sich damit aus dem Lusteisen. Tatsächlich fiel sie darnach sofort in einen tiefen Schlaf, der indessen nicht traumlos blieb.

Als Inge am Morgen erwachte, ertappte sie sich dabei, wie sie ihre Finger auf ihre Schamlippen gelegt hatte und in dieser Stellung anscheinend geschlafen hatte. Noch ehe sie einen klaren Gedanken fassen konnte, kam ihr der Traum in den Sinn, den sie im Schlaf in dieser Nacht durchlebt hatte: Sie verlor den Schlüssel auf einer einsamen Insel, es war schon dunkel, sie fand ihn nicht mehr und mußte nun im Keuschheitsgürtel eingeschlossen zurück, ohne Möglichkeit, sich daraus zu befreien.
- „Ja, das möchte ich in die Wirklichkeit umsetzen“, sagte sie sich, als sie unter der Dusche stand, „eine Insel weiß ich ja, nur mit dem blöden Kahn möcht’ ich nicht mehr rudern.“
Kaum der Dusche entsprungen schnappte sie sich den Gürtel und ließ das Schloß vor ihrem Nabel genußvoll einschnappen. Das klickende Geräusch erregte sie über alle Maßen, eine Hitzewallung befiel ihren Körper, darnach ein Schauer der Lust.

Während des Frühstückens dattelte sie am I-pad herum; sie erkundete den nächstliegenden Bootsverleih, welcher sich in Röthen befand.
- „Verdammt“, stieß Inge aus, „das ist mir zu weit weg.“
Die leidliche Erfahrung mit dem Kahn, als sie den Schatz von der Insel wegholte, saß ihr in den Knochen.
‚Vielleicht leiht mir der Typ da eines seiner beiden Kajaks, die der da in seiner Scheune hatte’, kam es ihr in den Sinn, ‚kriegt ein hübsches Leihgeld dafür.’

Inge steigerte sich in die abstruse Idee dermaßen hinein, daß es ihr schwer fiel, das Frühstück zu genießen und in aller Ruhe zu beenden. Kaum hatte sie den letzten Bissen hinuntergewürgt, stürzte sie in ihr Schlafzimmer, um sich für ihre erste Kajak-Tour in ihrem Leben auszurüsten.
- „Also die Trekkingschuhe nehm’ ich diesmal nicht“, sagte sie sich, „und die Gummistiefel erst recht nicht.“
Nachdem sie alle ihrer Schuhe aus dem Schrank auf den Boden davor geworfen hatte, fand sie ganz hinten ihre alten Chucks. -
- „Die sind es“, rief sie freudig aus, „sind zwar schon etwas abgewetzt, aber für die Bootsfahrt taugen die immer, können ruhig auch naß werden, egal, wird schon wieder trocknen.“

Im Gegensatz zu ihrer letzten Bootstour mußte sie jetzt nicht mehr eine kilometerweite Anreise mit dem Fahrrad zurücklegen, sondern polterte hemmungslos mit ihrem Sportwagen durch die Schlaglöcher auf dem Feldweg von Wesserbarg zum See.
- „Ah, da ist ja der Hof schon mit den Booten, hoffentlich ist der Besitzer da“, murmelte sie freudevoll und drückte dabei auf das Schrittband ihres Keuschheitsgürtels, den sie durch die knapp sitzende Jeans ertastete. Zu ihrer Enttäuschung war das Gehöft genauso unbewohnt wie damals, als sie mit Barbara darin während des Gewitters Zuflucht suchten.

- „Eigentlich klar“, sagte Inge zu sich selber, „wer sitzt schon am hellen Vormittag einfach zuhause und wartet, daß jemand kommt, der sein Boot haben möchte.“

Um sich zu beruhigen und um Gewißheit zu erlangen, daß wirklich niemand da war, begann Inge mit einem Spaziergang um das Gehöft herum. Als sie sich überzeugt hatte, daß sie tatsächlich allein auf weiter Flur gewesen war, schlug sie resigniert den Weg zu ihrem Auto ein. Sie betätigte per Fernsteuerung die Türöffner und beim Summen des charakteristischen Geräusches überkam ihr die Lust, doch nochmals zu der Scheune zurückzukehren, um nachzusehen, ob die Kajaks überhaupt noch da gewesen wären. Von der Idee vollkommen eingenommen vergaß sie darauf, die Türen wieder zu verriegeln. Der Autoverkäufer hat ihr die zeitgesteuerte automatische Verriegelung herausprogrammiert, er riet schwer von dieser ab, denn zu oft schon hörte er von Fällen, wo der Autoschlüssel im Fahrzeug liegengelassen wurde und die Türen verriegelten sich nach einer Weile von selbst.

Zielstrebig eilte Inge der Scheune entgegen, diese war nach wie vor nicht abgesperrt und es gelang ihr problemlos, das Schiebetor zu öffnen. Wie damals fand sie neben einem Ruderkahn die beiden Kajaks übereinander an einer Wand gestapelt, unten ein längliches, schmales, das sehr elegant aussah, darüber ein etwas breiteres, kürzeres.
‚Der wird doch nichts dagegen haben, wenn ich mir ein’s nehme, ich zahl’ ihm dann, wenn ich es wieder zurück bringe.’

Inge überlegte kurz, welches der beiden Boote sie nehmen sollte; sie holte ihr I-pad hervor und suchte im Internet rat. Zu gerne hätte sie das schnelle schmale genommen, aber es wurde empfohlen, als Anfänger lieber ein breiteres Kajak zu wählen. Sie hatte Mühe, das Boot herunter zu holen, sie überlegte sich, ob sie es überhaupt schaffen würde, das Kajak bis zu dem Steg hinunter tragen zu können. Nach einer kurzen Überlegungspause raffte sie sich auf und begann damit, das Boot mit beiden Händen am Süllrand zu ergreifen und aus der Scheune zu schleppen.

‚Wird schon gut gehen’, machte sich Inge selber Mut, setzte das Boot auf halben Weg ab, um kurz zu rasten. Schließlich erreichte sie etwas außer Atem den Steg und schob das Kajak gleich mit der Spitze voran in’s Wasser. Beinahe wäre sie dabei selber in’s Wasser gerutscht, im letzten Augenblick ließ sie den Süllrand los und konnte gerade noch rechtzeitig das Gleichgewicht auf dem Steg behalten. Das Kajak erhielt durch das unsachgemäße Einführen in das Wasser einen Impuls, der es wegtreiben ließ. Gerade noch rechtzeitig kniete sich Inge auf das Holz, hielt sich mit einer Hand auf der Stegkante fest, während sie mit der anderen den Tragegriff an dem hinteren Ende des Kajaks zu fassen bekam.

Mit Mühen gelang es Inge, das Boot längs des Steges zu ziehen. ‚Wie soll ich da jetzt hineinkommen?’, machte sie sich reichlich spät Gedanken und zürnte sich selber, vor lauter Lust ganz auf ihr sonst so typisches methodisches Vorgehen zu verzichten, sich im Vorfeld zu erkundigen, wie man mit einer unbekannten Situation vorgeht.
- „Sicherlich gibt es dutzende von Anleitungen im Internet, wie man am geschicktesten paddelt“, schalt sie sich selbst, doch statt jetzt ihr Gerät zu konsultieren, kletterte sie unbeholfen in die Luke. Das Kajak schwankte sehr, irgendwie gelang es ihr schließlich, sich in den Sitz zu quetschen und die Beine in dem Plastikgehäuse auszubreiten.
- „So, jetzt kann `s losgehen“, stellte sie freudevoll fest und bemerkte im nächsten Augenblick, daß sie keine Paddel hatte.
- „Das darf doch wohl nicht wahr sein“, rief sie ärgerlich aus und erzürnte sich über ihr unbedachtes überstürztes Handeln. Resigniert zog sie die Beine wieder aus dem Gehäuse hervor, das Boot begann sogleich gewaltig zu schaukeln. Als es sich wieder beruhigt hatte, wagte Inge erste Aufstehversuche. Immer wieder ließ sie sich auf den Sitz zurückplumpsen, um nicht zu kentern. Nach mehreren Anläufen gelang es ihr schließlich, sich zu erheben und das rettende Holz des Steges zu fassen. Mit einer enormen Kraftanstrengung zog sie sich aus dem Boot und war heilfroh, unbeschadet auf dem Steg zu Sitzen gekommen zu sein.
Während sie eine Weile dasaß, um wieder zu Atem zu kommen, drückte sie das Schrittband ihres Keuschheitsgürtels, um gute Laune zurückzuerhalten. Als auch ihr inneres Gleichgewicht wieder hergestellt worden war, sprang Inge auf und lief zu der Scheune zurück.
‚Hoffentlich hat der Typ die Ruder auch in der Scheune’, kam es ihr in den Sinn, ‚das wär’ jetzt der Obermist, wenn der die irgendwo anders verräumt hätte.’

Inges Befürchtung war unbegründet, sie nahm eines der beiden Paddel, welche in einer Ecke der Scheune gelehnt waren, ohne auf die Idee zu kommen, daß Länge und Beschaffenheit eine Rolle spielen könnten. Als sie auf den Steg zurück gekommen war, traute sie ihren Augen nicht:
- „Ach, bin ich blöd“, sprach sie eine ehrliche Selbsteinschätzung aus, mitten im Kanal sah sie das Schifflein in den sanften Wellen das herrenlose Dasein auf der Wasseroberfläche genießen. Inge blickte kurz umher, ob irgend eine Stange oder ein längerer Ast am Ufersaum herumläge, mußte sich indes des Gegenteils überzeugen.

- „Da muß ich jetzt durch“, machte sich Inge Mut und stieg in die kalte Flut. Sie spürte die Kälte nicht, das Adrenalin war in seiner Wirkung im vollen Gange. Als sie an dem Boot war, versuchte sie vergeblich, in das Innere zu gelangen. Kaum stützte sie sich am Rand der Luke ab, rollte das Kajak sofort zur Seite. Nach einigen Versuchen gab Inge auf, ergriff die Bootsschnur und zog das Schifflein an Land, so daß es in Schräglage zur Hälfte auf der Uferböschung ruhte, zur anderen Hälfte in’s Wasser getaucht. Auf diese Weise war das Kajak stabil, Inge konnte sich völlig problemlos auf den Sitz schwingen. Sie streifte ihre triefenden Chucks von den Füßen und wrang diese über dem Süllrand aus.
- „Ja und nun?“, sagte sie zu sich selber, „verdammt, jetzt hab’ ich wieder die Ruder liegen lassen.“

Es blieb nichts anderes übrig, ihre Schuhchen wieder anzuziehen und das Boot erneut zu verlassen. Auf dem Steg hinterließen die Gummisohlen einen vielsagenden Abdruck aus Schlamm und Sand. Inge fröstelte leicht in ihrer durchnäßten Hose, sie beschloß, ihre Jeans auszuziehen und lieber mit entblößtem Unterleib zum Boot zurückzukehren, als ständig den nassen Stoff unten herum zu haben. Sie wrang die Jeans aus und wandte sich um, zum Boot zurückzukehren. Als sie die nasse Hose in die Luke warf, bemerkte sie, daß sie wieder das Paddel auf dem Steg zurückgelassen hatte.

- „Verdammt“, schalt sie sich selber, „bin ich was von durchgeknallt.“ Doch statt die gesamte Aktion abzubrechen, ignorierte sie die Warnzeichen und sprang zurück zum Steg, endlich das Paddel zu ergreifen. Die Sonne stieg über die Baumwipfel, sie spiegelte sich auf dem Stahl von Inges Keuschheitsgürtel. Inge widerstand der Versuchung, sich an diesem zu reiben, hurtig schwang sie sich, diesmal mit dem Paddel bewaffnet, ein weiteres Mal auf den Sitz. Mit dem Paddel drückte sie sich vom Ufer ab, es kostete ihr eine enorme Kraftanstrengung, bis das Boot endlich rückwärts mit seiner gesamten Länge in das Wasser rutschte.

Irgendwie gelang es Inge, das Boot um 90 Grad zu drehen, um in der Mitte des Kanals Richtung See hinaus zu gelangen. Sie machte die typischen Anfängerfehler, mit voller Kraft der Arme zu rudern, anstatt den Oberkörper in dem Ruderrhythmus einzubeziehen, sie wußte zudem nicht einmal, daß man sich mit den Füssen abstoßen mußte. Die Fußrasten waren viel zu weit vorne, Inge berührte sie nicht einmal mit den Fußspitzen.
- „Zum Glück hörte ich auf den Internet-Rat, nicht das schmale Boot zu nehmen“, sagte sie sich, „es reicht schon diese Schale hier, wie die dauernd so kippelt.“

Als Inge das kurze Stück des Kanals hinter sich gelassen hatte, breitete sich der See vor ihren Augen mit seiner ganzen Schönheit aus; vor ihr lag die dicht bewaldete Kulisse der großen Insel. Es rührte sich fast kein Lüftchen, die Wasserfläche war spiegelglatt. Es war Inges Jungfernfahrt, vollkommen ohne Übung und ohne Anleitung paddelte sie wacker dem Ziel entgegen. Im Gegensatz zu ihrer letzten Bootsüberfahrt mit dem Ruderkahn hielt sie sich von Anfang an viel weiter westwärts, um die Schneise in dem Schilfgürtel nicht zu verfehlen, welche zu dem schmalen Steg der Insel führte.

Es war gegen Mittag, als Inge anlangte. Das Aussteigen an dem niedrig liegenden Stegbrett klappte wesentlich leichter als an dem hohen Steg bei Gangolfs Hof. Diesmal vergaß Inge nicht, das Boot gut festzuzurren. Sie zog ihre nassen Kleidungsstücke aus dem Boot, die Jeans breitete sie auf dem Steg aus, damit sie dort trocknen konnte. Mißgelaunt schlüpfte sie in ihre feuchten Chucks, doch schon nach wenigen Schritten hatten sich ihre Füße an die feuchte Behausung gewöhnt. Auf Anhieb fand Inge die Lichtung und erblickte sofort die immer noch offen daliegende Aluminiumkiste, aus welcher sie das Geld herausgenommen hatte.

Inge setzte sich in das Gras und sinnierte. Das Glücksgefühl erwachte in ihrem Innersten, die Sonne brachte den Stahl des Keuschheitsgürtels zum Glänzen.
‚Ich werf’ den Schlüssel am einfachsten in die Kiste’, überlegte sich Inge, ‚und dann klappe ich natürlich den Deckel zu und mach’ ordentlich Moos und Gestrüpp darüber, damit niemand die Kiste findet.’

Eine fatale Fehleinschätzung, denn daß der Besitzer der Kiste zurückkommen könnte und dann anstelle des Geldes einen Schlüssel darin fände, daran hatte Inge in ihrer wohllüsternen Erregung nicht gedacht.

























































































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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:16.09.22 20:00 IP: gespeichert Moderator melden


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Es zog sich in die Länge, die Fahrt auf den Alpenstraßen südlich um das „Deutsche Eck“ herum, bis die kleine Motorradgruppe, bestehend aus Birgit und Gangolf mit hintenauf sitzend Magda endlich von Süden her nach Salzburg kam. Die Mittagssonne ließ die herrliche Kulisse der Burganlage erstrahlen, doch je näher die beiden Motorräder der Stadt kamen, umso dichter wurde der Verkehr. Nur noch äußerst zähflüssig kamen sie heran, genervt von den endlosen Stauungen beschloß Gangolf, bei der nächstbesten Möglichkeit anzuhalten und zu Fuß in die Innenstadt zu gehen.

Tatsächlich fanden die drei nach einiger Zeit eine Gelegenheit, in einer engen Gaststube ein Mittagessen zu erhalten. Sie teilten sich den Tisch mit zwei weiteren Gästen, die zunächst sichtbar auf Distanz zu den in Leder gekleideten Motorradfahrern gingen. Die Wartezeit auf das Mittagessen war lang; als die Gesprächsthemen der beiden Mitsitzenden ausgingen, wandten sie sich nun doch an die Motorradfahrer und fragten diese, wo sie herkämen und wo sie hin wollten.

- „Ja, das ha’m wir a’ schon g’hört, daß die in Deutschland koan mehr eina lassen ohne daß die vorher in d’Quarantäne woan.“
- „Wir versuchen, über die Tschechei nach Deutschland zu kommen.“
- „Ja dann viel Glück.“
Die drei Motorradfahrer beschlossen, an diesem Nachmittag bis Linz zu fahren, dort nochmals zu nächtigen, um am nächsten Tag gestärkt durch das Abenteuerland Tschechei zu fahren, mit seinen endlosen Wäldern, den weiten Seengebieten, den beschaulichen Siedlungen.

Es war eine bezaubernde Reise durch das südöstliche Böhmen, die Nationalstraße 20 und später die 22 führte die kleine Reisegruppe durch die wasserreiche Ebene, wo die junge Moldau dem böhmischen Zentralgebiet entgegenströmte. In entspannter Fahrt gelangten sie über Budweis, Bergteinitz und Klattau nach Taus. In dieser wunderschönen Kleinstadt mit den an italienische Städte erinnernden Bogengängen machten sie eine längere Rast.

Im Laufe des Mittagessens versuchte sich Gangolf den weiteren Streckenverlauf einzuprägen, den er auf seinem Smartphone studierte. Seine Bemühungen waren indes von geringem Erfolg; als die Gruppe sich nach dem Essen von Taus auf gewundenen Straßen entfernte, mußte er immer wieder anhalten, um nachzusehen, wo sie waren und wo sie hin mußten. Die Wegweisung wurde immer schlechter, je weiter sie in den Böhmerwald hineinfuhren.

Auf einsamen Straßen erreichten die beiden Motorräder Weißensulz, von nun ab waren pfadfinderische Tugenden gefragt. Die Hauptstraße nach Deutschland war zwar ausgewiesen, doch belehrte ein Schild, daß der Übergang Eisendorf gesperrt sei. Als Gangolf einer charakteristischen Straßenbiegung nach Norden folgte, wußte er, daß er hier abbiegen hätte sollen. Nach der weiten Kurve hielt er an und gab Birgit zu verstehen, umzukehren. Sie durchfuhren die Kurve in der anderen Richtung zurück und bogen an deren Ende in eine kleine Straße ab, die kurz darauf als nichtgeteerter Waldweg weiterführte. Auf einer schiefen Stange war ein Einfahrt-Verboten-Schild angebracht mit einem Zusatzschild darunter, dessen tschechischen Text sich Gangolf nicht zusammenreimen konnte.

Je weiter die Gruppe in den Wald hineinfuhr, desto schlechter wurde der Weg. Gangolf fühlte sich an den Zufahrtsweg zu seinem Hof erinnert, der fast zwei Kilometer weit mit riesigen Schlaglöchern übersät war. Der Wald wurde immer lichter, zahlreiche Bäume standen entlaubt oder ihrer Nadeln beraubt als kahle Stümpfe da. Nach einigen hundert Metern erreichten sie eine Neuaufforstung mit Pinien.

- „So weit sind wir also schon mit der Klimaerwärmung, Pinien im Böhmerwald, wo soll das noch hinführen“, sagte sich Gangolf und auch seine beiden Begleiterinnen betrachteten erstaunt die Pflanzung. Am Ende der Pflanzung trat der Wald zugunsten einer Hochebene vollständig zurück, schließlich kamen sie zu einem einsamen Haus mit einem Hinweisschild >Penzion<.

Gangolf erinnerte sich daran, daß es hier eine Gaststätte für Wanderer und Fahrradfahrer gab, die damals, zu seiner Jugendzeit, am Wochenende geöffnet hatte. Es war das einzige Gebäude des einstmaligen Dorfes Plöß, das die tschechoslowakische Armee nach der Vertreibung der deutschen Bevölkerung stehen gelassen hatte. Sogar die weni­ge Jahrzehnte alte Kirche war abgerissen worden, nur noch die Grundmauern blieben sichtbar.

Gangolf und seine Begleiterinnen freuten sich, bei einem Kaffee eine Rast einzulegen, doch es sollte ganz anders kommen: Als sie ihre Motorräder abstellten, kam ein Soldat aus dem Gebäude herausgestürmt und sprach zunächst tschechisch auf die Motorradfahrer ein. Gangolf kramte sein äußerst mangelhaftes Tschechisch hervor und fragte ihn, ob er nicht deutsch spräche, und tatsächlich machte dieser im gebrochenen Deutsch verständlich, daß sie nicht weiterfahren dürften, ab hier gäbe es nur Wanderwege für Fußgänger und Radfahrer.

- „Aber wir müssen hier nach Deutschland“, antwortete Birgit, setzte ihren Helm ab und beschwor den Soldaten: „Wir müssen hier durch, der andere Grenzübergang ist gesperrt.“
- „Muaßt halt auf Rozvadov“, lachte der Voják verächtlich. Gangolf mischte sich ein:
- „Aber dort müssen wir in Quarantäne, sechs Wochen lang werden wir dort eingesperrt, bitte, lassen Sie uns durch.“
- „Gejht nicht, is auch kei’ Wech für eiere Maschin’, is’ a ganz schlechta Straß’n.“

- „Prozím, promintě“, versuchte sich Gangolf wieder auf tschechisch und kramte seine verschütteten Tschechischkenntnisse hervor. Er hoffte, ihn dadurch umstimmen zu können, so knapp am Ziel, kaum mehr als drei Kilometer entfernt, wollte er nicht aufgeben. Schließlich einigten sie sich auf eine Strafzahlung, natürlich ohne Beleg, es war im Grunde genommen eine Bestechung:

- „Finfhundat Kronen fiah jed’n Strouf“, gatzte der Soldat in dem typischen alten bayrischen Dialekt des westböhmischen Beckens, das die Alten anscheinend seit Generationen den Jungen immer noch beibrachten.
Seufzend öffnete Gangolf seinen Geldbeutel und zog einen 50-Euro-Schein heraus.
- „Jo aber fiah jed’n vo eich“, wandte der Voják ein. [Ja, aber für jeden von euch].

Glücklicherweise hatte Gangolf in Österreich nochmals Geld aus einem Automaten geholt, als ob er schon geahnt hätte, daß Geld sehr wichtig werden würde.
- „Aber wir haben doch nur zwei Motorräder“, mischte sich Birgit ein und blickte dem jungen Tschechen tief in die Augen.
- „Also guat, hundert Eiro dann.“
Auch Birgit zückte ihr Portemonnaie und überreichte widerwillig den Schein.
- „Also foaht’s dann guat, awa ihr werd’s eich no wundern.“

Als Birgit auf ihr Motorrad stieg, raunte sie Gangolf zu:
- „Was hat der gemeint, was hat der da jetzt noch gesagt, ich verstand den so schlecht.“
- „Wir werden uns noch wundern, hab’ ich verstanden. Also daß der Weg jetzt zum Trampelpfad wird, das ist mir schon klar, also ab jetzt wirklich nur noch im Schrittempo weiter.“

Der Pfad wäre für geländegängige Fahrzeuge die reinste Freude gewesen, für ihre Reise- beziehungsweise Rennmotorräder war es eine Strapaze. Immerhin gab es kaum Schlaglöcher, jedoch immer wieder große Steine und Wurzeln, die kreuz und quer verliefen. Mühsam eierten die beiden Motorradlenker ihre Maschinen über die Hindernisse, bis sie in der Ferne einen geschlossenen Schlagbaum erblickten.

- „Das darf doch nicht wahr sein“, entfuhr es Gangolf, „seit wann gibt es da eine Schranke?“
Gangolf mußte sich wieder auf den Weg konzentrieren, er dachte sich, daß man diese Schranke schon irgendwie seitlich umgehen wird können, schließlich sind sie nicht mit einem Auto unterwegs, sondern mit verhältnismäßig schmalen Motorrädern. Als sie schon nahe an der Absperrung angelangt waren, entdeckte Gangolf jenseits des Schlagbaums einen Wohncontainer.

- „Nein, das nicht auch noch“, schrie Gangolf entsetzt in seinen Helm und auch Birgit starrte fassungslos auf den Kasten am Straßenrand.

- „Wou kummt’n dez her?“ blöckte ein bayrischer Grenzpolizist von der anderen Seite des Grenze. [Wo kommt denn ihr her].
- „Ja von der Tschechei natürlich“, entgegnete Gangolf im gleichen ost-oberpfälzer Dialekt. ‚Was für ein Kleingeist’, dachte er sich, ‚sieht er doch, daß wir von dort kommen, so eine blöde Frage.
- „Hat eich da Tschech da durchloua?“ [Hat euch der Tscheche da durchlassen?].
- „Na ja, siagst doch“, antwortete Gangolf in der Hoffnung, daß sein Gegenüber endlich die Schranke öffnete. Daß sie im Voraus hundert Euro >Strafe< zahlen mußten, behielt er lieber für sich und setze nach:
- „Wal af Iasling zou is, sull ma dou foahn, houd uns oana g’sagt“ [Weil Richtung Eslarn zu ist, sollen wir da fahren, hat uns einer gesagt]
- „Also nachert kummt’s eina, ich zeich’ eich’ eire Zöll’n!“

- „Was sagt der da alles?“, wandte sich Birgit an Gangolf, „ich versteh’ den noch schlechter als den tschechischen Mann vorhin.“
- „Wir sollen hinein kommen, er zeigt uns unsere Zellen.“

Birgit verschlug es die Sprache und auch Gangolf mußte erst einmal schlucken.
- „Was hoast da Zöll’n?“, entgegnete Gangolf den Grenzschützer, „mach’ endlich ahf, wia wölln weida!“ [Was heißt da Zellen, mach’ endlich auf, wir wollen weiter].
- „Nix da, ejtz ham’ ma extra so an schejna Container dou, dou mejn alle ei, zwoa Wandara san scho’ drin, wiad halt a weng eng.“
[Nichts da, jetzt haben wir extra einen schönen Container da, da müssen alle hinein, zwei Wanderer sind schon drinnen, es wird halt ein wenig eng].

‚Geld hat schon einmal geholfen’, durchzuckte es Gangolf, ‚ein Versuch ist es wert’:
- „Wejvl wls `tn, wia mejn weida!“ [Wieviel willst du denn, wir müssen weiter]
- „Göld wl i koans, owa du houst so schejne Moidln.“

Gangof gefror das Blut in den Adern, als der das hörte: >Geld will ich keines, aber du hast so schöne Mädeln<.
Birgit verstand schon allein akustisch gar nichts, und das war auch gut so, dachte sich Gangolf, zu seinem Erstaunen schien Magda wesentlich sprachgewandter zu sein, sie begriff anscheinend sofort, was der unbestechliche Beamte wollte:

Sie.































































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72


- „Wo steckst du bloß“, sprach Brause mit sich selbst, „du kannst doch nicht einfach mit deiner Marlies vom Erdboden verschwunden sein.“
Brause langweilte sich wieder einmal in seinem kleinen Büro im Lüggener Polizeirevier. Er beschloß, nochmals nach Wesserbarg zu Gangolfs Gehöft zu fahren. Vorsichtig umrundete er, so gut es ging, die zahlreichen Schlaglöcher auf dem Feldweg, der vom Ende der Siedlung zu Gangolfs einsamen Gehöft führte.
- „Was ist denn das!“, rief er erstaunt aus, als er in der Ferne einen riesigen Sportwagen stehen sah, „sag’ bloß, das ist doch die Karre von der Langohr!“

Brause umrundete das Fahrzeug und blickte in das Wageninnere. Er konnte seinen stets auf Suchen getrimmten Polizeiinstinkt nicht unterdrücken und obwohl es ihm vollkommen sinnlos erschien, versuchte er, die Fahrertür zu öffnen. Zu seiner größten Verwunderung ließ diese sich öffnen. Erschrocken drehte sich Brause um, denn er nahm nun an, daß sich Inge in unmittelbarer Nähe aufhalten würde. Doch er konnte niemanden auf dem weiträumigen Gelände entdecken, einsam stand er neben der Karosse, deren Fahrertür er unschlüssig in der Hand hielt. Zögerlich warf er noch einige Blicke in das Wageninnere, klappte auch den Kofferraumdeckel in die Höhe, ohne jedoch irgend etwas Bemerkenswertes zu entdecken.

- „Jetzt will ich doch `mal seh’n, ob die mit dem Stumpf unter einer Decke steckt“, sagte sich Brause und stapfte wildentschlossen zu Gangolfs Haus. Wieder fand er alles abgeschlossen und in einsamer Stille liegen. In der Scheune bemerkte er, daß eines der beiden Kajaks fehlte.
- „Aha, da ist jemand auf Tour gegangen“, murmelte er vor sich hin und beschloß, durch das Gestrüpp zum Seeufer hinunter zu gehen.

Brause machte sich kaum Hoffnungen, Gangolf in seinem Boot auf dem See zu sehen, der See war groß, zudem konnte er auch auf einen der Kanäle gepaddelt sein. Umso erfreuter reagierte er, als er etwa auf halber Strecke zu der Insel ein Paddelboot gewahrte.

- „Ah, das ist aber nicht der Stumpf“, wunderte sich Brause, „der würde wohl nicht so viel Gischt erzeugen.“
Brause kniff die Augen zusammen und vermeinte, eine Frau in dem Boot sitzen zu sehen. ‚Ja natürlich, das ist die Langohr’, dämmerte es ihm, ‚da macht die also einen Ausflug zu der Insel, da schau’ `mal an!’
Er setzte sich schwerfällig auf die Uferböschung, stützte die Ellenbogen auf den Knien ab und ließ sein Gesicht auf den Handflächen ruhen. Nach einer endlos wirkenden Zeit verschwand das Boot in dem Schilfgürtel der Insel. Brause beschloß, zu seinem Polizeiwagen zurückzukehren, um daraus den Feldstecher zu holen. Er wurde von den Kollegen oft belächelt, daß er dieses Requisit aus DDR-Zeiten immer noch in dem Auto verstaut hatte.

Als Brause wieder seinen Beobachtungsposten eingenommen hatte, lag der See weiterhin still und friedlich vor ihm. Die friedliche Stille wurde indes schnöd unterbrochen, als Nisselpriem ihn am Dienst-Handy anrief.
- „Wo steckst du denn schon wieder?“, wollte sein Chef wissen.
- „Observiere gerade jemanden“, entgegnete Brause mit einem vergnüglichen Lächeln.
- „Waaas machst du?“, fragte Nisselpriem erstaunt.
- „Ich observiere im Fall Geldraub“, präzisierte Brause.
- „Was gibt es da zu observieren?“
- „Ich bin ganz nah d’ran, da ist jemand mit einem Boot auf die Insel gerudert und jetzt wart’ ich, wer da zurückkommt.“
- „Ja und dann?“
- „Ja dann möchte ich von dem wissen, was er da zu suchen hatte und was er da dabei hat oder was er dort dorthin gebracht hat.“
- „Na wenn er dir das auch wahrheitsgemäß alles sagen wird“, dämpfte Nisselpriem Brauses Zuversicht.
- „Immerhin kriegen wir erstmals einen d’ran, schon allein wegen unbefugtem Betreten der Naturschutzinsel.“
- „Na wenn das nichts ist“, konterte Nisselpriem und wünschte seinem Kollege viel Spaß bei der Observierung. Brause verschwieg, daß er die rudernde Person bereits identifiziert hatte und daß diese berechtigt war, die Insel zu betreten.

Mit dem Feldstecher suchte Brause das gesamte gegenüberliegende Inselufer ab, doch er konnte keinerlei Bewegung ausmachen. Schließlich legte er das optische Hilfsmittel wieder ab und stützte sich mit beiden Armen nach hinten ab. Nach kurzer Zeit wurde es ihm sehr warm, er öffnete das seinen Bauch umspannende Hemd und löste den Krawattenknoten. Beinahe wäre er eingeschlafen; als er von seinem Dösen aufschreckte, gewahrte er im Schilfgürtel der Insel eine Bewegung. Schnell ergriff er den Feldstecher und entdeckte im gleichen Augenblick, wie sich die rote Spitze eines Kajaks aus dem grün-grauen Schilf auf den See hinausschob.
Dank des Feldstechers erkannte Brause eindeutig Inges Gesicht, er bemerkte die ungleichmäßigen Ruderschläge, er ahnte geradezu die anfängerhaften Bewegungen, seine Gedanken schweiften zu der Bootsfahrt mit dem Elektro-Kahn, als die junge Barbara Bär meisterhaft nach Röthen die weite Strecke quer über den See zurückruderte, weil sein Kollege zu blöd war, die Ersatzbatterie richtig anzuschließen.

Brause beschloß, den Beobachtungsposten aufzugeben, um nicht gesehen zu werden. Er wollte Inge an ihrem Auto überraschen. Mühsam richtet er sich auf, knöpfte sein Hemd zu, auf die Krawatte verzichtete er. Bevor er sich zum Gehen umwandte, blickte er nochmals auf das Wasser und stellte beruhigt fest, daß Inge noch kaum näher gekommen war. Sie kämpfte offensichtlich angestrengt gegen die Wasserflut des still daliegenden Sees.

Als sich Brause wieder durch das Ufergestrüpp hindurchgewuselt hatte, fiel ihm ein, daß er seinen Feldstecher liegengelassen hatte.
- „So ein Mist aber auch“, fluchte er leise vor sich hin, „Mann, wie werd’ ich vergeßlich!“
Mißgelaunt kämpfte er sich wieder zum Ufer hindurch; als er bemerkte, wie wenig Inge weitergekommen war, beruhigte er sich und schmunzelte. ‚Da war die Bär schon anders d’rauf, die konnte rudern, noch dazu in dem schwerfälligen Kahn, mit uns beiden blinden Passagieren d’rauf.’
Er ergriff den Feldstecher und beschloß, erst einmal am Seeufer entlang zu gehen, um nicht wieder durch das dichte Gezweige sich zwängen zu müssen. Bald kam er zu der Mündung des Kanals.

- „Ach ja, da ist ja der Kanal schon“, murmelte Brause vor sich hin und ging an dem Kanal entlang weiter, bis er zu dem Steg kam. Dort benutzte er den Pfad zu Gangolfs Haus hinauf. Auf dem weiträumigen Hof angelangt suchte er sich ein Plätzchen, von wo aus er das gesamte Gelände im Blick behalten konnte, Gangolfs Haus ebenso wie Inges Auto. Viertelstunde um Viertelstunde verstrich, ohne daß sich irgend etwas rührte. Ab und zu kreischte kurz eine Möwe auf, doch dann war wieder alles totenstill. Brause beschloß, das Polizeifahrzeug zu verstecken, um den Überraschungseffekt zu vergrößern. Er fuhr den holprigen Feldweg weiter bis zu dem bewaldeten Saum entlang des Kanals. Ruhigen Schrittes ging er zurück und nahm wieder seinen Beobachtungsposten ein.

Inge war vollkommen fix und fertig, als sie mit letzter Kraft das Kajak in den Kanal lenkte, an dessen Ufer in kurzer Entfernung von der Mündung in den See der Anlegersteg war, von wo aus sie ihre erste Paddeltour begonnen hatte. Es gelang ihr irgendwie, das Kajak längs des Stegs anzulanden, doch fehlte ihr die Kraft, sich daraus herauszuwinden. Sie blieb einfach sitzen und lauschte auf ihre kurzen Atemstöße. Nach einer langen Zeit des Innehaltens raffte sie sich schließlich auf, sie konzentrierte sich kaum auf einen geordneten Ausstieg, sondern gab dem Boot vielmehr einen letzten Tritt, um auf den Steg hinauf zu kommen.

Das Kajak schwankte stark, als sich Inge aufgerichtet und auf den Steg emporgezogen hatte, doch blieb es erstaunlicherweise längs des Stegs liegen. Inge setzte sich auf die Holzplanken und streifte ihre feuchten Chucks von den Füßen. Es war ihr egal, ob die Feuchtigkeit noch von dem Wasser herrührte, als sie zu Beginn der Fahrt hier in den Kanal watete, um das umhertreibende Boot einzufangen, oder ob es der Fußschweiß war, der sich bildete, weil ihre Füße sich so lange tief in der Plastikröhre des Kajaks befanden. Sie rieb sich die Zehen und wartete, bis ihr Puls wieder einigermaßen normal ging. Schließlich gab sie sich einen Ruck und erhob sich, um zu ihrem Auto zurückzukehren. Ihr Blick fiel auf das Boot, das herren- und frauenlos im Wasser lag.

- „Nein, das schaff' ich jetzt nicht, das herauszuziehen“, sagte sich Inge selber, ohne es überhaupt erst zu versuchen, „ich bind' es einfach fest und sag' dem Typ dann, daß seine Schaukel da am Steg liegt, soll er es doch selber holen, schließlich kriegt er ja Geld von mir!“
Inge bückte sich und band das Kajak fest. Kaum hat sie den Steg verlassen, spürte sie den unebenen Untergrund des Pfades unter ihren Fußsohlen.
- „Verdammt, die Schuhe!“, stieß sie aus und verwünschte ihre Schusseligkeit. Wieder am wasserseitigen Ende des Stegs angekommen ergriff sie ihre Chucks, die sie dort achtlos liegengelassen hatte, und schlüpfte in diese hinein.

Das Gehöft schien genauso verlassen, wie Inge es am Vormittag vorgefunden hatte.
- „Er wird seine Schaukel schon finden unten am Steg“, sagte sie sich und schlappte zu ihrem Auto. Inge zog den Schlüssel-Chip aus ihrer Hosentasche und betätigte den Öffnungsknopf. Zu ihrer Verwunderung gewahrte sie nicht das leichte Summen, welches das Entriegeln der Türen einleitete.

'Hab' ich wieder zum Absperren vergessen', überlegte sich Inge und bereute, die Empfehlung des Verkäufers angenommen zu haben, als dieser die automatische zeitgesteuerte Verriegelung herausprogrammiert hatte. Gerade als sie im Begriff war, sich auf die tiefe Sitzschale ihres geliebten Rennwagens zu zwängen, wurde sie von einem Geräusch aufgeschreckt. Mit allem hätte sie gerechnet, aber nicht damit, daß ausgerechnet Brause mit einem breitem Lächeln auf sie zuschritt.

- „Juten Tach, Frau Langohr“, begrüßte er sie mit aufgesetzter Freundlichkeit, „wat machen S’e hier draußen am hellichten Tach so janz alleene?“
Inge brachte nur ein „Juten Tach auch“ hervor, ihre Verblüffung saß ihr in den Knochen. Doch dann rang sie sich zu einer Antwort durch: „Ich hab’ Urlaub und ging ein bißchen am See spazieren.“
- „Aha, und, sagen Sie `mal, ich such’ schon seit einiger Zeit diesen Herrn Stumpf, wissen Sie vielleicht, wo der ist, haben Sie ihn vielleicht auf dem See gesehen, der ist doch so ein Ruderer, na Sie wissen schon, wie sagt man zu den flotten Booten da, die über den See pfeilen?“
- „Kajaks, nee, hab’ niemanden jeseh’n, wer soll das sein, wen Sie da suchen?“
- „Herrn Stumpf, kennen Sie den nicht?“
- „Nein, woher denn?“

Brause durchbohrte sie mit seinem stechenden Blick, er ließ die Augen nicht von ihrem Gesicht. ‚Aha, aber sein Boot kennst du schon’, dachte er sich, ohne Inge aus den Augen zu lassen. Inge wirkte indes nicht verstört, sie schien nicht zu lügen.
Brause fuhr fort: „Ja nur so, ich dachte einfach, Sie würden sich kennen. Nun ja, dann wünsch’ ich Ihnen einen schönen Urlaub, vielleicht treffen wir uns wieder einmal auf dem Parkplatz.“
- „Danke, gleichfalls.“
‚Was heißt da >gleichfalls<’, dachte sich Brause, ‚immerhin bin ich im Dienst hier und nicht zum >Spazierengehen<. Immerhin hast du anscheinend nichts von der Insel mitgebracht, also dann fahr’ `mal wieder schön weiter’, sinnierte Brause, winkte ihr zu und wandte sich zum Gehen um.
‚Aber irgendwie kennst du den Stumpf doch, denn sein Kajak hast du ja vermutlich mit seiner Erlaubnis genommen. Anderseits zeigtest du keinerlei Rührung, als ich dich nach Stumpf befragte, komisch, wirklich sehr seltsam.’

Mit diesen Gedanken setzte sich Brause in Bewegung, doch er kehrte nochmals um. Er schritt zu der Scheune. Wie er vermutete, fand er darin nur das eine Kajak, das rote indes nicht. Um sich ganz sicher zu sein, schritt er nochmals zu dem Steg und fand dort das gesuchte Boot tatsächlich angebunden.
‚Sehr seltsam’, dachte sich Brause und wandte sich wieder zum Gehen um, ‚was hat die nur auf der Insel getrieben, hat sie am Ende das restliche Geld wieder dorthin zurückgebracht?’

‚Was wollte der da bloß?’ überlegte sich Inge, als sie mit ihrem edlen Gefährt den schlaglochübersäten Feldweg entlang hoppelte, ‚ein Glück, daß der mich nicht gesehen hatte, wie ich mit dem Kajak da über den See gefahren bin. So ein blöder Schnüffler, daß der mich auch neulich gleich am ersten Tag, als ich das Auto gekauft hatte, auf dem Parkplatz traf und dann auch die Bahnschranken so lange zu waren.’

Nach einer Weile kam es Inge in den Sinn: ‚Dieser Stumpf, den er da gesucht hat, ja, den Namen hab’ ich doch an dem Klingelschild gelesen an dem einsamen Haus, wo daneben die Scheune steht, aus der ich mir das Kajak geholt hatte. Und der Brause sucht den also, ja, wenn er also anscheinend schon länger nicht da ist, hab’ ich wohl von dem nichts zu befürchten, wird sich halt wundern, daß sein Bötlein nicht mehr da ist, sondern unten am Steg baumelt.’ Der Gedanke daran ließ Inge ein leichtes Lächeln aufkommen.

Als sie endlich den schlaglochübersäten Feldweg verlassen hatte und auf die Bundesstraße eingebogen war, steigerte sich Inges Wohlbefinden zusehends; sie strich sich genußvoll über den Unterleib, welcher durch den jetzt nicht mehr zu öffnenden Keuschheitsgürtel verschlossen war. Beinahe hätte sie dabei einen Unfall provoziert, als sie eine Rechtskurve unterschätzte und einhändig nicht schnell genug herumlenkte. Glücklicherweise schätzte der entgegenkommende Fahrer die Situation blitzschnell richtig ein, legte eine Vollbremsung ein und konnte dadurch einen Zusammenprall verhindern.

Inges Laune ebbte erneut auf einen Tiefpunkt ab, für den Rest der Fahrt vergaß sie ihr Lusteisen über ihrem Lusteingang und lenkte ihr Rennauto mit verminderter Geschwindigkeit nach Lüggen. Zuhause angekommen nahm sie sich vor, ein heißes Bad zu nehmen. Nachdem sie sich die Kleider vom Leib gezogen hatte, wollte sie nach dem Schlüssel greifen, um auch den Keuschheitsgürtel abzulegen.

- „Verdammt, der liegt ja in der blöden Kiste jetzt“, murmelte Inge vor sich hin und stieg in die Wanne. In ihr nagten erste Zweifel, ob es doch nicht zu verrückt gewesen war, sich in das Eisen einzuschließen und den Schlüssel unerreichbar weit weg zu deponieren. Das heiße Badewasser brannte auf ihren malträtierten Pobacken, in der Pofurche spürte Inge einen anschwellenden Juckreiz, dem sie hoffnungslos ausgeliefert war.

- „Verdammt, verdammt, verdammt“, schimpfte sie vor sich hin und schwang die Beine aus dem Wasser über den Beckenrand. Mit einem Ruck zog sie sich empor und setzte sich auf die Wanne. Mit der rechten Hand griff sie nach hinten und zog den Brauseschlauch heran. Mit der anderen Hand betätigte sie den Hebel der Einlaufarmatur und ließ kaltes Wasser aus dem Hahn fließen. Dann hob sie den Zugknopf an, um das Wasser durch den Brauseschlauch strömen zu lassen. Mit dem kalten Strahl versuchte Inge, sich das geschundene Sitzfleisch abzukühlen. Tatsächlich gelang es ihr mit mäßigem Erfolg, das Brennen einzudämmen, doch als sie wieder in das heiße Wasser der Wanne stieg, begann die Haut erneut zu schmerzen. Sie beschloß, das Bad zu beenden, sie wusch sich noch schnell die Haare und verließ angesäuert die Wanne.

Inge konnte lange nicht einschlafen. Der Gedanke an das Eingesperrtsein in dem Keuschheitsgürtel ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Endlich siegte die Müdigkeit über den aufgewühlten Geist, doch es war ein äußerst unruhiger Schlaf, in welchen sie endlich fiel. Immer wieder schreckte sie vom Alp geplagt empor, erfaßte nach einigen Sekunden die Situation und ließ sich erschöpft in die Kissen zurückfallen. Um vier Uhr schreckte sie wieder aus dem Schlaf, diesmal schwang sie ihre Beine aus dem Bett und stand auf. Sie zappte sich durch die Fernsehkanäle und blieb auf einem Sender hängen, der einen Horrorfilm zeigte. Der Thriller ließ ihre eigene Pein vergessen, mit pochendem Herzen verfolgte Inge die gequälten Personen auf dem Bildschirm. Als der Film zu Ende war, drückte sich das erste Tageslicht durch die Ritzen der Rollolamellen. Inge begab sich wieder in das Schlafzimmer und kuschelte sich in's Bett. Endlich fiel sie in einen tiefen Schlaf, der sie erst gegen Mittag aufwachen ließ.

Es war die drückende Blase, die Inge zur Toilette nötigte. Inge verfluchte sich, den Schlüssel für den Keuschheitsgürtel auf der einsamen Insel zurückgelassen zu haben. Erstmals mußte sie nun ihre Blase mit verschlossenem Gürtel entleeren, es funktionierte besser, als sie befürchtete. Sie überlegte ernsthaft, gleich nochmals nach Wesserbarg zu fahren, um erneut mit dem Kajak zur Insel zu rudern, den Schlüssel zu holen. Doch erst einmal wollte sie etwas Essen, um wieder zu Kräften zu kommen. Schließlich beschloß Inge, sich ihrem selbsterwählten Schicksal zu ergeben und eine weitere Nacht in dem eingeschlossenen Gürtel zu verbringen.

Tatsächlich gelang es Inge, in der zweiten Nacht wesentlich schneller in einen ruhigen Schlaf zu fallen. 'Wie schnell doch der Gewohnheitseffekt eintritt', dachte sie sich zufrieden und hoffte, daß sich bald auch wieder die Lust in ihrem Schritt einstellen würde. Im Gedanken war sie bereits in Berlin, wenn sie dort am Mittwoch die alte Freundin besuchen würde. „Vorfreude ist doch die schönste Freude, nach der Schadenfreude vielleicht,“ redete sich Inge ein und bewegte ihre Hände zwischen die gespreizten Beine.
























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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:25.09.22 00:45 IP: gespeichert Moderator melden


Hey M A G N U S,

auch wenn ich mich in letzter Zeit mit Kommentaren zu Geschichten eher zurückhaltend verhalten habe, kann ich dir versichern, mich auf jede deiner Fortsetzungen zu freuen.

mfg
Sarah
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M A G N U S
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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:30.09.22 23:04 IP: gespeichert Moderator melden


Danke, Sarah, für deine warmen Worte, tut richtig gut, denn ich fürchtete tatsächlich, Du und vielleicht manch anderer "stille Leser" könnte das Interesse am Fortgang der Geschichte verloren haben, nachdem Martina und Bettina in dem Quarantäne-Container weggesperrt worden sind und somit erst einmal für sechs Wochen außer Gefecht bleiben...


73

- „Mach’ das nicht, Magda,“ schrie Birgit in Panik, „halt, mach’ das nicht, komm’ zurück!“
Gangolf stand sprachlos da, doch Magda ließ sich nicht abhalten und lief dem Grenzschützer geradewegs in die Arme.
- „Ja so is’ recht“, knurrte der Grenzschützer und drückte Magda zu sich heran, „aber die andere möcht’ i aah ham!“ [Aber die andere möchte ich auch haben]

Birgit umklammerte Gangolf voller Angst, doch Magda rief ihr zu:
- „Na komm’ schon, ein bißchen Liebe für den armen Kerl da und dann läßt er uns wieder gehen!“
- „Ganz genau, du bist a schlau’s Moidl. Oder soll i eich allzammt sex Wocha eispiarn?“
[Ganz genau, du bist ein schlaues Mädchen. Oder soll ich euch alle zusammen sechs Wochen einsperren?]

- „Jetzt komm’ schon, Birgit, wir werden es überstehen!“ versuchte Magda Birgit zu bewegen, mit ihr zu dem Mann zu kommen. Tatsächlich löste sich Birgit zögerlich von Gangolf und blickte diesen hilfesuchend an:
- „Was meinst du dazu?“

Gangolf stand immer noch sprachlos-erstarrt herum, mühsam formulierte er die knappen Worte:
- „Ja also wenn du meinst, aber ich will das wirklich nicht von euch verlangen.“
- „So is’ brav“, fletschte der Grenzschützer die Zähne, „da gejht `z ei. Awa z’erst spiar i no enkan Freind ei, daß a ma niart davolaft!“
[geht ihr da hinein. Aber zuerst sperr’ ich noch eueren Freund ein, daß er mir nicht davonläuft.]

Der Grenzschützer schubste Gangolf in einen Zellenraum des Containers und verschloß die Tür, ehe er zu dem Nachbarraum ging, in welchen er Magda und Birgit dirigiert hatte. Gangolf vernahm nur noch das Zuschlagen der Metalltüre, dann war es totenstill in dem Wohncontainer.

- „Das gibt’s doch nicht, das ist doch nicht zu fassen!“, fluchte Gangolf und setzte sich auf eine der beiden Pritschen. Durch das vergitterte Zellenfenster schimmerte das Abendlicht der hereinbrechenden Nacht. Zusammen mit der funseligen Deckenlampe ergab sich eine bizarre Beleuchtung. Gangolf malte sich in düsteren Bildern aus, wie seine beiden Begleiterinnen den schmierigen Grenzwärter bedienen mußten. Allmählich gelang es ihm, sich zu beruhigen, tatsächlich vernahm er jetzt leise Stimmen aus dem benachbarten Raum. Immer deutlicher konnte er die Stimme des Grenzers durch die dünne Wand hören. Plötzlich vernahm er ein Geräusch, das ihn an das Schließen von Handschellen erinnerte.

- „Dem blöden Typ ist alles zuzutrauen“, murmelte Gangolf voll von ohnmächtiger Wut vor sich hin, „immerhin ist die Magda solche Quälereien ja gewöhnt, aber die Birgit, die wird es schwer haben, so zu leiden.“

Plötzlich vernahm Gangolf einen lauten Aufschrei – es war eindeutig die Stimme des Grenzschützers. Nach wenigen Sekunden erfolgte nochmals ein Schrei, dann mit längeren Abständen weitere drei. Dann vernahm Gangolf auch eine Frauenstimme, er konnte jedoch nicht unterscheiden, ob es jene von Birgit war oder von Magda. Anschließend wurde es für eine geraume Zeit wieder still, bis Gangolf wieder Stimmen vernahm, diesmal waren es zwei Frauenstimmen, die sich in kurzen Sätzen abwechselten. Dazwischen drang eine laute Männerstimme durch, die nach einem neuerlichen Aufschrei zum Schweigen gebracht wurde.

Wieder vermeinte er das charakteristische Ratschen von Handschellen zu hören. Gangolf war zu Tode erschrocken, ängstlich lauschte er mit angehaltenem Atem an der Wand. Allmählich dämmerte es ihm, daß die beiden Frauen anscheinend den Spieß umgedreht hatten: ‚Was schreit da der Alte dauernd auf?’

Tief im Gedanken verstrickt schreckte Gangolf auf, als er plötzlich einen Schlüssel im Türschloß seiner Zelle gehen hörte. Zu seiner größten Überraschung stürmte Birgit herein und ließ ihm gar keine Frage stellen:
- „Komm’ schnell heraus, wir hauen ab, das Schwein liegt in Handschellen gefesselt, da wird ihn morgen schon jemand finden.“

Verdutzt schnellte Gangolf von seiner Pritsche empor und verließ mit Birgit den kleinen Zellenraum. Draußen wartete schon Magda mit einem breiten Lächeln. Sie konnte es nicht lassen, Gangolf mit ihr Sichtweise zu verblüffen: -
- „Eigentlich war es schön, wieder `mal gefesselt zu sein, aber ich seh’ es schon ein, daß es besser ist, wenn wir jetzt weiterfahren.“

Gangolf entgegnete nichts; obwohl er nun schon seit Monaten von Magdas masochistischen Neigungen wußte, wunderte er sich doch, daß selbst in einer solch kritischen Situation mit einem wildfremden Menschen ihre Gefühle für die Lust im Leiden Oberhand behielten.
Birgit verschloß die Zelle, in welcher sie den Grenzschützer an’s Bett gefesselt hatte, und warf den Schlüsselbund vor die Tür.
- „So, und jetzt laßt uns abhauen, nicht daß noch ein anderer kommt, vielleicht haben die bald Wachablösung!“

Mit Mühen gelang es ihnen, die Motorräder an der geschlossenen Schranke vorbei zu schieben; in der hereinbrechenden Dämmerung hatten sie bereits große Probleme, den Untergrund zu erkennen. Mit einem dankbaren Seufzer schwangen sich die drei in die Sättel; die Fahrt ging nun auf gut geteerten kleinen Straßen voran. Gangolf hatte keine Mühe, die Orientierung zu behalten, der Straßenverlauf war ihm von Jugendzeiten her vertraut. Nach einigen Kilometern erreichten sie eine Kleinstadt, Gangolf hielt kurz an, um sich mit seinen Begleiterinnen abzustimmen:
- „Also ich hab’ zwar einen Bärenhunger, aber ich schlag’ vor, daß wir erst noch weiter fahren, bis wir wo zum Essen einkehren.“
Birgit pflichtete ihm bei:
- „Ja, meine ich auch, sicher ist sicher. Kennst du dich aus, oder sollen wir nachschauen?“
- „Nein, nicht nötig, hat sich hier nichts verändert“, antwortete Gangolf, „zum Glück hat der Typ ja nicht einmal unsere Kennzeichen gesehen oder auch nicht nach unseren Namen gefragt, so lustgeil war der, daß er an gar nichts anderes gedacht hat.“
- „Stell dir vor, da hat er die Magda gepackt, auf das Bett geworfen und die ließ sich ohne Gegenwehr mit den Handschellen fesseln.“

Beinahe wollte Gangolf kontern: >Was ihr anscheinend auch noch gefallen hat.< Doch er konnte sich den bissigen Kommentar verkneifen.
- „Also gut, fahren wir noch eine Weile, bis wir über die Bundesstraße 22, die berühmte Ostmarkstraße, wie sie zu meiner Jugendzeit noch immer genannt wurde, weiter weg kommen.“

Wie auf einer Rennstrecke fügte sich Kurve an Kurve, Berganstiege und Talabfahrten in wilder Folge aneinander; Gangolf fuhr ein mäßiges Tempo, sie hatten jetzt keine Eile, viel wichtiger war es, die Nerven nach den zurückliegenden Aufregungen zu beruhigen. Nach etwa einer halben Stunde kamen sie zu einer größeren Stadt. Gangolf hielt Ausschau nach Gaststätten, doch bei allen, an denen sie vorbei kamen, war es finster hinter den Fensterscheiben, so daß Gangolf gar nicht erst anhalten mußte, um zu sehen, ob geöffnet wäre. Birgit folgte ihm treu in der Spur, endlich erreichten sie ein Hotel, durch dessen Fenster Licht drang. Sie hielten an und stellten erleichtert fest, daß wenigstens diese Herberge geöffnet gewesen war.

- „Ja wo kommt ihr daher?“ begrüßte der Hotelier die Ankommenden mit rauher Herzlichkeit, „eigentlich ham’ ma zua, aber bin grad no a bissel beim Aufräumen.“
- „Wia ham’ so an Hunger, wia bracha ejtz owa wos“, ging Gangolf auf seinen Dialekt ein. [...wir brauchen jetzt aber was]
- „Bloß no’ an Hotelgäste derf ma no wos geh’m.“ [...dürfen wir noch etwas geben]

Gangolf wandte sich an Birgit, von Magda erwartete er ohnehin keine Meinung:
- „Was meinst du, sollen wir hier gleich übernachten, dann kriegen wir auch noch `was zu Essen?“
- „Ja klar, bleiben wir hier, mir reicht `s ziemlich.“

Der Wirt führte die Motorradreisenden in das Obergeschoß hinauf zu den Zimmern, ohne Nachzufragen öffnete er ein Einzelzimmer und ein geräumiges Doppelzimmer; dorthin brachte er später das Abendessen. Gangolf und seine Begleiterinnen luden den Wirt ein, sich mit zu ihnen an den Tisch zu setzen. Der Wirt war ein redseliger Mensch, er kommentierte die schier unglaublichen Abenteuer seiner Gäste, von welchen diese ausführlich berichteten.

- „Und da ham’ Sie die Schneid g’habt, den Grenzer zu überwältigen, des g’fallt mir!“
So sehr sich der Wirt auch um das Hochdeutsche bemühte, mußte Birgit scharf die Ohren spitzen, um der Konversation folgen zu können, denn auch Gangolf rutschte immer wieder in den oberpfälzer Dialekt ab.
- „Wir waren zum Glück zu zweit, so konnte ich ihn von hinten auf den Kopf schlagen, als er sich über Magda beugte. Und Magda stieß ihr Knie dann auf seine Eier, während er sich vor Schmerz krümmte, trat ich weiter auf ihn ein, bis er bewegungslos auf dem Boden lag. Dann konnte ich schnell Magda von den Handschellen befreien und die dann dem Lustmolch anlegen. Wir sind dann schnell aus dem Raum heraus und haben den eingesperrt da drinnen, vielleicht liegt er jetzt noch da drin’, bis ihn seine Kollegen finden, die Schlüssel haben wir vor die Tür geworfen."

- „Echt super, des freit mi, daß so oan ah amal a Niederlag’ eistecka mou.“ [... das freut mich, daß so einer auch einmal eine Niederlage einstecken muß]. „Der wird no’ lang da drah denk’n!“ [Der wird noch lange da daran denken].

Der Wirt nahm einen großen Schluck aus dem Bierkrug, wischte sich mit dem Handrücken den Bierschaum von den Lippen, räusperte sich theatralisch und bemühte sich, so gut es ihm möglich war, hochdeutsch das Gespräch weiter zu führen:
- „Also wißt ihr eigentlich, daß ich eigentlich gar nicht da mit euch sitzen deafert? [... dürfte?]

Gangolf und seine beiden Begleiterinnen sahen den Wirt verwundert an, Birgit entgegnete nach einer kurzen Pause:
- „Und warum nicht?“
- „Ja habt ihr die neuesten Nachrichten g’hört, seit gestern gilt strengstes Kontaktverbot, dr’um mou i ah d’Wirtsstum unt’ zousperrn, neichats is meah a Wiatshas of!“

Birgit lenkte den Blick vom Wirt auf Gangolf und blickte diesen fragend an. Gangolf begriff sofort die Mimik und sagte:
- „Es gibt eine Kontaktverbot seit gestern und deshalb muß er die Wirtsstube unten zusperren und nirgends ist mehr ein Wirtshaus offen.“
- „Wir wollten unsere Akkuladung im Smartphone schonen und haben die nur noch angeschaltet, um nach den Weg zu gucken“, erläuterte Birgit.
- „Ach so, dann wißt ihr gar nicht, daß wir jetzt draußen mit so einer Gasmaske herumlaufen müssen, als wenn der Ruß’ as Giftgas über d’Tschechei her sprejert!“
[... als wenn der Russe das Giftgas über die Tschechei herüber sprühen würden]

Entgeistert blickte Birgit und Gangolf den Wirt an, während über Magdas Gesicht ein Lächeln huschte. Zeitgleich stießen erstere aus: „Gasmasken?“

- „Ja, richtig, Gasmasken, die sind da `kommen und haben welche verteilt und g’sagt, daß ma die draß’ afsetz’n mou!“ [... daß man die draußen aufsetzen muß]
- „Das ist ja wie in Italien, schrecklich, die laufen dort auch alle mit den Masken herum, sogar innen in den Räumen, im Hotel mußten wir welche aufsetzen!“
- „Ah, das ist gut, dann habt ihr also schon welche dabei, ich hab’ nämlich keine mehr übrig.“
- „Nein, die haben wir denen dort gelassen, wir haben ja nicht im Traum uns vorstellen können, daß das jetzt auch hier so zur Pflicht wird.“
- „Ja, überall an die Grenzen nach Deutschland hinein haben die solche Container für d’Quarantän hi g’stellt, aber der Schmarrn mit de Mask’n ist blouß vo uns da, also in Bayern, unser Schnöder, der spinnt ja vollkommen, der hat des durchg’setzt und jetzt mejh ma dou damit umanand renner!“
[... jetzt müssen wir da damit herum rennen]

- „Und in Brandenburg gilt das nicht?“ wollte Birgit wissen.
- „Nah, blouß vo uns dou in Bayern, die anan spinna da niart so“.
[Nein, bloß bei uns da in Bayern, die anderen spinnen da nicht so]

Nach einer kurzen Pause fuhr der Wirt fort:
- „Also wenn ihr dann morgen früh hinausgeht, dann setzt euch gleich eire Helme auf, da können `s dann nix sag’n und dann faoht’s glei lous! [... dann fahrt gleich los]

Der Wirt blieb noch eine Weile bei seinen drei Gästen, schließlich verabschiedete er sich mit der Frage, wann er morgen früh das Frühstück heraufbringen sollte. Birgit verabschiedete sich gleichfalls und ging in ihr Einzelzimmer. Magda blickte Gangolf erwartungsvoll an und flüsterte:
- „Wir hätten die Handschellen mitnehmen sollen, anstelle den Grenzer damit zu fesseln.“
- „Ja spinnst du jetzt völlig?“, empörte sich Gangolf, „hast du wirklich nichts anderes im Sinn als deine blöden Fesselspielchen?“

Magda zog einen Schmollmund und setze sich auf’s Bett. Sie dachte an ihre Domina Martina, während Gangolfs Gedanken zu Bettina schweiften.
‚Wie es ihnen wohl geht, so auf engstem Raum, und das noch die nächsten fünf Wochen lang...’
Gangolf wünschte Magda eine Gute Nacht:
- „Schlaf’ gut, Magda, und wenn ich schnarch’, dann stoße mich an“.

- „Aber nein, du brauchst deinen Schlaf, damit du uns morgen sicher nach Hause fahren kannst. Und bei dir graben wir dann den Brunnen, ich freu’ mich schon so darauf.“
‚Was hegst du immer für schräge Gedanken, wir sind mit großem Glück den Quarantänemaßnahmen entronnen und du denkst an das Brunnengraben’, dachte sich Gangolf, doch er sagte nichts darauf.

Er ahnte, daß Magda nicht locker ließe, sie würde immer wieder damit anfangen. Mit diesen Gedanken schlief Gangolf ein; was er nicht ahnte, war das, wie das Brunnen-Projekt zu Ende gehen würde, daß das Volkslied vom Lindenbaum tragische Wirklichkeit werden sollte.
















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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:08.10.22 07:33 IP: gespeichert Moderator melden


74

Es war die dritte Nacht, daß Inge Langohr in ihrem selbstgewählten Unterleibgefängnis saß; nachdem sie in der vorangegangenen Nacht einigermaßen ruhig schlafen konnte, riß der Alp sie unaufhörlich aus dem Schlaf, kaum daß sie nach dem Emporschrecken wieder eingedöst war. Im Traum bestieg sie ein Boot, um zu der Insel im Röthener See zu gelangen. Auf der Überfahrt kenterte sie, doch sie kam aus dem Kajak nicht heraus, die Füße waren im vorderen Teil des Plastikgehäuses irgendwie mit einer Kette fixiert. Die Schale lief voll Wasser, Inge vermeinte im Traum zu spüren, wie sie, im Boot festgekettet, unterging; verzweifelt begann sie mit den Armen wild zu rudern, um mit dem Körper über der Wasserlinie zu bleiben, es half nichts, entkräftet ließ sie ihre Arme erschlaffen, das Boot sank mit ihr ab. Als sie mit dem Kopf unter Wasser tauchte, erlöste ein gewaltiger Aufschrei Inge aus dem Alptraum; der Schweiß rann ihr über das Gesicht, das Herz schlug ihr bis zum Hals.

Es kam Inge wie Stunden vor, die sie nach diesem Traum wach gelegen hatte. Als es ihr endlich wieder gelang, in den Schlaf zu fallen, träumte sie davon, daß es ihr nun gelungen war, die Kette von ihren Fußknöcheln zu lösen und aus dem gekenterten Kajak auszusteigen. Doch die Freude über die Befreiung aus dem Boot währte kurz, denn zu ihrem nächsten Schrecken bemerkte sie, daß das Gewicht des Keuschheitsgürtels sie während des Schwimmens gewaltig nach unten zog; mit letzter Kraft erreichte sie den Steg an der Insel, doch gelang es ihr nicht mehr, sich an ihm emporzuziehen. Wieder mußte sie nach etlichen Versuchen aufgeben, sie versank erneut in das Wasser und wieder erwachte sie aus dem Alptraum mit einen Schrei.

In immer kürzeren Folgen ertönte der Schrei: Zunächst gelang es ihr zwar, sich durch das Schilf bis zum Ufer durchzuschlagen, doch dann rutschte sie auf der schlammig-schmierigen Uferböschung immer wieder ab. Als sie dann endlich doch auf die Insel kam, hatte sie die Orientierung hoffnungslos verloren und sie irrte im Traum kreuz und quer über die Insel, ohne die Lichtung zu finden. Als sie schließlich stürzte und mit dem Kopf auf einen Stein aufschlug, erlöste der Aufschrei von dieser Traumvariante. Doch gleich darauf kam der nächste Alp: Sie fand zwar jetzt die Lichtung und auch die Kiste, doch nur mit äußerster Mühe gelang es ihr, den Kistendeckel zu öffnen. Immer wieder glitt er ihr aus den Händen, endlich gelang es ihr, den Decke einen Spaltbreit anzuheben. Hurtig stieß sie einen Fuß dazwischen, um mit Hilfe der Beinmuskulatur den bleischweren Deckel aufzustemmen. Dummerweise hatte sie aus unerklärlichen Gründen ihre Schuhe verloren, so daß das Metall schmerzhaft in die Haut der empfindlichen Fußsohle und den Rist drückte. Tatsächlich gelang es ihr, den Deckel eine Handbreit zu öffnen, da glitt er ihr wieder aus den Händen und donnerte mit all seinem Gewicht auf den Fuß, der gellende Schmerzschrei erlöste Inge von dieser Alp-Fortsetzung.

Doch schon ging es weiter. Als die Kiste endlich offen vor ihrem träumenden Auge lag, fehlte natürlich der Schlüssel darin. Von Panik ergriffen grub sie bloßen Händen die Kiste aus, zog sie mit einem gewaltigen Ruck aus der Grube, hob sie über ihren Kopf, schüttelte sie dabei wild, in der Hoffnung, daß der Schlüssel doch noch irgendwie auf sie herabfiele, indes war es sie selber, die fiel, und zwar in die Grube und krachend landete die Kiste auf ihrem Kopf; Inge fühlte sich lebendig begraben. Der Aufschlag der Kiste auf ihren Kopf löste wieder eine gewaltige Schmerzwelle hervor, welche in einen weiteren Aufschrei mündete.

Anstelle aufzustehen, um sich außerhalb des Bettes zu beruhigen, verfiel Inge sofort wieder in einen unruhigen Schlaf. Irgendwie fand sie im Traum zwar den Schlüssel, er ließ sich jedoch in dem Schloß des Keuschheitsgürtels nicht drehen; Wasser und Schlamm haben dem filigranen Schließmechanismus geschadet. Verzweifelt verließ sie die Insel und sprang in's Wasser, um zurückzuschwimmen. Völlig nackt, nur mit dem Keuschheitsgürtel bekleidet, ging sie an Land, ihr Gewand war mit dem Boot untergegangen. Am Ufer lag ein altes verrostetes Fahrrad, ohne Sattel, aber immerhin irgendwie fahrbereit. Sie zog es aus dem Gestrüpp, setzte sich auf den Gepäckträger und radelte schwerfällig davon. Die Schlaglöcher in dem Feldweg bis nach Wesserbarg setzen ihr schwer zu, sie fühlte sich mit jedem Stoß tiefer in den Gepäckträger hineingedrückt, doch gelang es ihr im Traum auf wundersame Weise, nach Hause zu kommen. Zu ihrem Schreck konnte sie jedoch nicht mehr absteigen; der Rost des Gepäckträgers verband sich mit dem Eisen des Keuschheitsgürtels, dieser setzte durch das lange Schwimmen gleichfalls Rost an und verschweißte sich durch die Schlaglochstöße mit jenem des Gepäckträgers.

Immer wieder gelang es Inge, sich dem Alp zu entwinden, doch verfiel sie ihm erneut nach einer gewissen Zeit, kaum daß sie eindöst war. Das nächtliche Drama fand seine Fortsetzung darin, daß sie einen Schlossermeister aufsuchte. Dieser wackere Handwerker stand in seiner Werkstatt uns schien bereits auf Inge zu warten. Mit einem hämischen Grinsen hörte er sich ihr Begehren an:

- "Befreien Sie mich von diesem Ding da", rief Inge hysterisch und knöpfte ihre Hose auf. Der Schlosser ging in die Hocke und betrachtete den Keuschheitsgürtel aus nächster Nähe.
- "Machen Sie schon", drängte Inge in ihrem Alptraum, "ich muß aus diesem verdammten Käfig da heraus, koste, was es wolle!"

Der Meister grinste indes ungerührt weiter vor sich hin und strich mit seinen dicken Fingern über das edle Metall. Endlich räusperte er sich und wiederholte Inges Worte:
- "Koste, was es wolle?"
- "Ja, sagen Sie schon, wieviel wollen Sie, daß sie mich aus dem Ding befreien? Sie kriegen das Geld, sofort, hier, bar."

Bei diesen Worten zog Inge ihre Geldbörse hervor und wollte einige Scheine hervorholen. Der Schlosser räusperte sich nochmals und antwortete:
- "Also was ich dafür will, das ist mir schon klar, doch erst die Arbeit, dann der Lohn. In ihrem Fall ist eine Vorauskasse ja gar nicht möglich, wie ich das sehe, und Geld ist nicht alles im Leben.“
Inge blickte ihn verwundert an, sagte aber nichts weiter dazu.

- "Dann wollen wir doch `mal loslegen", fuhr der Schlosser fort und erhob sich aus der Hocke. Er ging zu dem großen Schraubstock und kurbelte diesen auf die weiteste Öffnungsstellung. In ihrem Traum betrachtete Inge schweigend das Tun des Meisters; sie versuchte, ihn Fragen zu stellen, doch es gelang ihr nicht. Als der Handwerker schließlich den Schraubstock vollständig geöffnet hatte, packte er Inge mit seinen kräftigen Händen links und rechts unter den Achseln, hob sie in die Höhe und setze sie unsanft auf dem Schraubstock ab. Wieder versuchte Inge krampfhaft, ihrer Empörung Luft zu machen, doch es gelang ihr nicht, den Mund zu öffnen.

Der Schlosser ergriff unterdessen die große Kurbelstange und drehte den beweglichen vorderen Teil des Schraubstocks zurück, so daß sich die Backe zwar langsam, aber unaufhörlich auf Inges Unterkörper zubewegte. Inge saß wie zur Salzsäule erstarrt auf dem Stock und konnte es nicht fassen, daß sie in wenigen Sekunden zwischen den Schraubstockbacken zusammengepreßt würde. Im letzten Augenblick griff sie mit den Händen nach vorn und versuchte, den Schlosser am Weiterdrehen zu hindern. Dieser rief erbost:
- "Pfoten weg!"

Zu Inges Erstaunen hörte er indes mit dem Kurbeln auf, ging in eine Ecke und zog eine rostige Kette hervor. Inge war dermaßen in dem Traum verfangen, daß sie wehrlos ihre Hände ihm hinhielt, welche er sogleich mit der Kette umschlang und hinter ihrem Rücken fesselte. Inge saß nun völlig wehrlos auf dem Schraubstock, deren Backen sich nur noch wenige Millimeter von ihrem Unterleib entfernt befanden, ihre Beine baumelten links und rechts von dem Schraubstock an der Werkbank herunter, ohne daß sie sich mit den Füßen irgendwo abstoßen hätte können. Erstaunlicherweise spürte sie im Schritt keinen Schmerz, obwohl die Auflagefläche auf dem Schraubstock äußerst schmal gewesen war, sie bestand nur aus der Abdeckung über dem Trapezgewinde. Sie schrieb diesen Umstand dem Schrittband zu, welches verhinderte, daß ihre empfindliche Furche eingedrückt wurde. An die Quetschungen der Schamlippen hatte sie sich längst gewöhnt.

Gemächlich trat der Schlosser wieder vor den Schraubstock und begann, diesen weiter zusammenzukurbeln. Nach nur zwei Sekunden langte die bewegliche Backe an den vorderen Teil des Schrittbandes an. Der Schlosser kurbelte indes weiter, so daß Inges Unterleib weiter nach hinten geschoben wurde, bis der rückwärtige Teil des Schrittbandes an die hintere, starre Backe angedrückt wurde. Inge spürte schmerzhaft, wie das Schrittband nun noch enger an ihren Leib angepreßt wurde, doch es gelang ihr immer noch nicht, einen Schrei loszuwerden. Sie war nun vollkommen bewegungslos eingespannt, lediglich mit ihren Beinen konnte sie herumzappeln.

- "Bleib ruhig sitzen, sonst muß ich dir die Füße auch noch festbinden", schnauzte der Schlosser sie an. Inge kam seinem Befehl nach und verfiel in eine Starre. Nachdem sich der Meister überzeugt hatte, daß sein neues Werkstück fest in dem Schraubstock eingespannt war, trat er zurück und suchte nach seinem Bolzenschneider. Entsetzt starrte Inge ihn an, als er mit einem wahren Monstrum zurückkam. Er öffnete die Schneidbacken und setze sie an dem Schloß das Keuschheitsgürtels an, das sich knapp oberhalb der vorderen Schraubstockbacke befand. Doch wie er es auch versuchte zu bewerkstelligen, der Bolzenschneider rutschte immer wieder ab, es gelang dem Meister nicht, das Schneidwerkzeug richtig anzusetzen. Er murmelte mißmutig vor sich hin, zog das Werkzeug zurück und warf es in die Ecke.

- "Dann nehmen wir halt die Flex", sprach er vor sich hin und verschwand wieder, um den Trennschleifer zu holen. Wiederum starrte Inge mit weit aufgerissenem Mund das große Gerät an, das der stämmige Mann mit seinen beiden kräftigen Händen emporhielt und damit auf die hilflos eingespannte Inge zuging. Beim Anblick dieses Gerätes versuchte sie nun doch, mit den Händen nach vorne zu greifen und den Schraubstock zu lockern, damit sie sich irgendwie daraus herauswinden könnte. Der Schlosser indes bemerkte Inges Vorhaben, warf den Trennschleifer auf die Werkbank und ergriff die Kette, welche Inges Hände umschlungen hielt. Er zog die Kette nach hinten und warf sie in den Schlitz, der sich zwischen Werkbank und Mauer befand. Inge zog jedoch weiter mit den Händen nach vorn, so daß die Kette wieder aus dem Zwischenraum hervorgezogen wurde.

- "Verdammt noch `mal", fluchte der Schlosser, "halt' endlich still, wie soll ich dir dein Schloß aufmachen, wenn du dauernd herumzappelst."
Mit einem Ruck schob er die Werkbank ganz an die Wand, so daß die Kette jetzt eingeklemmt war und Inge ihre Hände nicht weiter nach vorne ziehen konnte.

- "So, dann können wir endlich anfangen", brummte der Schlosser und setzte ein bärbeißiges Lächeln auf. Er betätigte höhnisch grinsend den Schalter, doch es tat sich nichts. Er drückte nochmals und dann in kürzeren Abständen immer wieder. Wie durch ein Wunder öffneten sich Inges Lippen und sie stieß hervor:
- "Das Kabel einstecken!"

Verdutzt drehte sich der Schlosser um, entdeckte nun auch seinerseits das auf dem Boden liegende Kabelende. Mit einem Fluch warf er den Trennschleifer erneut auf die Werkbank, bückte sich nach dem Stecker und steckte diesen in eine Stromkupplung, welche unweit der Werkbank von der Decke an einem Kabel herabhing. Mit einem ohrenbetäubenden Geräusch setzte sich die schnell drehende Trennscheibe in Gang, Inge schrie auf, doch es reichte nicht, sich dem Alp zu entziehen, sie blieb weiter in ihrem Traum gefesselt.

Der Schlosser zog die Unterlippe in seinen Mund und streifte sie beim Herausziehen mit den Zähnen der oberen Zahnreihe genüßlich ab. Dann wiederholte er das Spiel mit der Oberlippe und entsprechend mit den unteren Zähnen. Anschließend saugte er beide Lippen in den Mund und drückte den Gaumen fest zusammen. Mit dieser seltsamen Grimasse näherte er sich vorsichtig dem Schloß des Keuschheitsgürtels. Kaum berührte die Trennscheibe das Metall des Schlosses, sprühte unter einem gräßlich-kreischendem Geräusch ein kräftiger Feuerstrahl empor. Inge schrie gegen den Lärm an:
- "Halt, Sie verbrennen ja mein Gewand!"

Der Schlosser zog den Trennschleifer zurück, schaltete ihn aus und legte ihn wieder neben Inge auf die Werkbank. Er beäugte die kleinen Brandlöcher auf Inges T-Shirt, mit einem wilden Ruck riß er dieses in die Höhe und stülpte es über Inges Kopf, so daß sie nunmehr nichts mehr sehen konnte. Lüstern betrachtete er Inges Brüste, die nun nur noch mit dem knapp bemessenen BH verhüllt waren. Er freute sich auf seinen Lohn, den er sich nehmen würde, sobald der Gürtel geöffnet sein würde. Er verschwand in eine Ecke seiner Werkstatt, Inge hörte ihn herumtappen. Plötzlich entfuhr ihm ein Aufschrei, er stieß sich an den großen Bolzenschneider, den er zuvor achtlos irgendwo in die Ecke geworfen hatte.

-"Au, verdammtes Mistding", fluchte der Schlosser und kickte das Teil weiter in die Richtung, in welcher Eisenstangen an der Wand gelehnt waren. Mit einem ohrenbetäubenden Klirren fielen die Stangen der Reihe nach um.

Wieder stieß der Schlosser lautstarke Flüche aus und zerrte schließlich eine dicke Filzmatte hervor. Er legte diese Inge um den Bauch. Inge verzog sogleich die Nase; obschon diese von ihrem T-Shirt bedeckt war, roch sie sofort das ranzige Öl, welches aus dem Filzstoff triefte.
- "So, bist du jetzt zufrieden?", lachte der Handwerker schadenfroh und setzte seine Arbeit fort. Der Feuerstrahl brannte zwar nun keine weitere Löcher mehr in Inges T-Shirt, aber die Hosenbeine wurde weiterhin stark in Mitleidenschaft gezogen. Geschickt hielt der Meister den Trennschleifer so, daß er selber nicht von dem Feuer getroffen wurde.

Nach wenigen Sekunden waren die Bügel des Schlosses durchtrennt, der Schlosser legte den Trennschleifer ab und sprühte Öl aus einer Spritzflasche auf die Stelle, wo das durchtrennte Schloß war. Sofort stieg eine Qualmwolke empor, Inge schüttelte erschreckt den Kopf. Das Eisen des Keuschheitsgürtels hat sich gewaltig erhitzt, es gab die Hitze auf Inges Haut ab. Immerhin brachte das Öl eine gewisse Abkühlung, dennoch schmerzte es Inge sehr, neben dem Eingepreßtsein nun auch noch die Hitzewallung aushalten zu müssen.

- "So, jetzt kommen wir zu meinem Lohn", feixte der Meister, zog die mit Brandlöchern übersäte ölige Schutzmatte von Inges Bauch und kurbelte den Schraubstock auseinander. Inge seufzte dankbar auf. Der Schlosser wischte sich die Hände an einem verschmierten Tuch ab, das an der Wand an einem Nagel hing. Er zog das T-Shirt von Inges Kopf herunter und rückte die Werkbank etwas nach vorne, um die eingeklemmte Kette frei zu machen. Dann ergriff er wieder Inges Oberkörper, hob Inge von dem Schraubstock herunter und stellte sie auf die Beine. Genüßlich zog er ihr die Hose noch weiter herunter, so daß Inges gesamter Unterleib sichtbar wurde. Ihre Hände waren weiterhin hinter dem Rücken gefesselt, die rostige Kette schnitt schmerzhaft in die Handgelenke ein.

Eigentlich wollte Inge protestieren, als sie bemerkte, wie sich der Schlosser an dem Keuschheitsgürtel zu schaffen machte, andererseits wollte sie jetzt so schnell wie möglich aus dem Stahlgefängnis heraus und diese Befreiung nicht durch vermutlich ohnehin nutzlose Debatten herauszögern. Der Schlosser vollzog die Befreiung geradezu theatralisch, wie der Priester das Allerheiligste aus dem Tabernakel hervorholt, so zog der Schlosser andächtig das Eisen von Inges Unterleib hinweg. Inge war heilfroh, endlich von dem brennend-heißen Metall befreit zu sein, ihre Schamlippen traten glühend-rot hervor. Sie wolle sich umdrehen, um nicht den lüsternen Blicken ihres Befreiers ausgeliefert zu sein, doch die heruntergewurschtelte Hose machten eine Bewegung kaum möglich.

Der Schlosser bemerkte sogleich Inges Versuch, sich ihm zu entziehen, er packte sie grob und wuchtete sie auf die benachbarte Hobelbank, die etwas niedriger war als die Werkbank mit dem Schraubstock. Als sich der Mann an seinem Hosenladen zu schaffen machte, begriff Inge, was er vorhatte, mit einem letzten Aufschrei beendete sie den schier endlos quälenden Alptraum.




























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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:14.10.22 20:28 IP: gespeichert Moderator melden


75

Kaum daß es hinter dem zugezogenen Vorhang des Hotelzimmers am frühen Morgen etwas hell geworden war, erhob sich Gangolf vorsichtig aus dem Bett und schlich zu dem Fenster. Er wollte Magda nicht wecken, denn er wußte, daß das Mädchen ihren Schlaf brauchte nach den anstrengenden und aufregenden Tagen. Auch der vor ihnen liegende Tag würde nochmals ein Kraftakt werden, auch wenn zu hoffen war, daß es auf dieser letzten Etappe ihrer Reise keine besonderen Vorkommnisse geben würde.

Gangolf zog den Vorhang etwas zur Seite, so daß er auf die unten vorbeiführende Straße blicken konnte. Zu seiner Überraschung erblickte er tatsächlich, wie am Vorabend von dem Wirt angekündigt, Leute mit Gasmasken auf den Gehwegen längs der Straße vorbeizogen, auch Radfahrer vervollständigten mit ihren Masken das skurrile Bild. Immer wieder fuhren Polizeifahrzeuge vorbei; mit suchendem Blick hielten die Ordnungshüter Ausschau auf Maskenmuffel.

‚Wie in Italien’, wunderte sich Gangolf kopfschüttelnd und beobachtet eine Weile das Treiben. Plötzlich hörte er Magda heranschleichen, interessiert linste auch sie aus dem Spalt des Vorhangs auf die Straße hinunter.

- „Finde ich lustig“, war ihr einziger Kommentar. Gangolf blickte sie an und nahm Magdas Bemerkung auf:
- „Du findest es also lustig, wie die Leute da herumlaufen mit ihren dicken Masken vor dem Gesicht.“
- „Ja.“
- „Und in Italien, hast du das dort auch lustig gefunden, als wir dort mit der blöden Maske herumlaufen mußten?“
- „Ja.“
Gangolf wandte sich kopfschüttelnd ab und verzog sich in das kleine Badezimmer. Magda indes rief sich lustvoll in Erinnerung, als sie mit der Gasmaske in eine Sandgrube am Strand von Martina eingegraben worden war.

Zur vereinbarten Uhrzeit ließ der Wirt auf einem großen Tablett ein reichhaltiges Frühstück auf das Zimmer bringen. Nachdem sich die drei Freunde ausgiebig gestärkt hatten, packten sie ihre Sachen zusammen. Als sie damit fertig waren, setzten sie sich, wie von dem Wirt am Vorabend angemahnt, vor dem Hinuntergehen ihre Motorradhelme auf, um nicht auf der Straße als Unmaskierte wahrgenommen zu werden. Es gab ein bizarres Bild ab, als die drei mit ihren Taschen bepackt in ihren Motorradanzügen und ihren Helmen auf den Köpfen die Treppe hinunterstiefelten.

In zügiger Fahrt ging es auf der Naabtal-Autobahn nordwärts. Gangolf war froh, endlich seine Oberpfälzer Heimat zu verlassen; so sehr er früher dort gern gelebt hatte, so sehr betrübten ihn die Ereignisse des vorangegangenen Tages, das Erlebnis mit dem Grenzposten an dem Feldweg in die Tschechei. Auch die Pflicht zum Tragen der Gasmaske in Bayern wunderte ihn sehr und so freute er sich, seiner Voraussicht nach im Lauf des Nachmittags in seine neue Heimat zu gelangen, zu seinem einsam gelegenen Hof in Brandenburg am Rande des Schleewalds.

Nach etwa zwei Stunden erreichte die Reisegruppe den ehemaligen Zonengrenzübergang Rudolphstein. Mit Schaudern dachte Gangolf an die Zeiten zurück, als vor vierzig Jahren hier der Grenzzaun die Bevölkerung der sogenannten „DDR“ von dem Übertritt in die Bundesrepublik Deutschland hinderte. Während er im Gedanken versunken das Motorrad umsichtig durch die Kurven vor dem Brückenrestaurant lenkte, gewahrte er plötzlich auf der anderen Fahrbahnrichtung auf allen drei Fahrstreifen stehende Autos.

‚Was ist denn da los?’, wunderte sich Gangolf und lenkte seinen Blick in den Rückspiegel, um den Grund des Staus zu erkennen.
‚Da war doch kein Unfall’, sagte er sich und gewahrte in diesem Augenblick kontrollierende Uniformträger, welche anscheinend alle heranfahrenden Fahrzeuge anhielten.

‚Jetzt führen die wieder innerdeutsche Grenzkontrollen durch’, kam es ihn in den Sinn, ‚so ein Wahnsinn, anscheinend genügen dem bayrischen Präsidenten nicht die Quarantänemaßnahmen entlang der Außengrenzen Deutschlands. Und wie weit waren wir schon einmal mit dem freizügigen Reisen innerhalb der Europäischen Union, ist alles Geschichte geworden seit dem unseligen Corona-Virus, Schengen-Abkommen und so, seit zehn Jahren ist das ausgesetzt, selbst nach Österreich muß man jetzt wieder, wie in ganz früheren Zeiten, den Personalausweis vorzeigen, und jetzt also sogar innerhalb der Grenzen Deutschlands von Bundesland zu Bundesland. Zum Glück machen die Thüringer da offensichtlich nicht mit.’
Tatsächlich gelangten sie problemlos über die weite Talbrücke, die >Brücke der deutschen Einheit<, während sich in der Gegenrichtung die Fahrzeuge stauten.

Die Fahrt ging zügig weiter, sie kamen bald nach Leipzig. Im Nordosten bogen sie auf die Bundesstraße 87 ab, welche sie immer geradeaus direkt bis nach Lüggen bringen sollte. Gangolf war froh, dem monotonen Autobahnfahren entronnen zu sein, auch wenn das Fahren auf der vielbefahrenen Bundesstraße deutlich mehr Konzentration erforderte. Als sie Torgau hinter sich gelassen hatten, beschloß Gangolf, in der nächsten Stadt eine längere Rast einzulegen. Schon von weiten strahlte ihn der Kirchturm der mächtigen Backsteinkirche von Schmerzberg entgegen. Während die Bundesstraße in einem weiten Bogen die Stadt nördlich umging, rollten die beiden Motorräder auf dem Kopfsteinpflaster geradeaus in die Stadtmitte. Vor der riesigen Kirche stellten sie die Motorräder ab, um ein Gasthaus aufzusuchen. Die gesamte Kirche war mit einem Gerüst belegt, ein großes Bauplakat beschrieb die geplanten Umbaumaßnahmen, die drei lasen mit großem Erstaunen, daß die Kirche zu einem speziellen Gefängnis umgebaut wird, >Verwahranstalt für Gefährder und sozial-kriminelle Außenseiter<.

- „Seht `mal, was hier steht, sozial-kriminelle Außenseiter, was ist denn das?“ ereiferte sich Birgit, „wird wohl so ein Spezial-Knast werden, so ein Art Stasi-Gefängnis.“
Gangolf pflichtete ihr bei, daß es anscheinend wieder so weit gekommen ist, daß spezielle Gefängnisse gebaut werden, hier wurde gar eine uralte Kirche zur Schaffung einer solchen Einrichtung umgebaut. Allein Magda fand den Gedanken an eine enge Gefängniszelle erregend. Sie fragte arglos:
- „Werden die da drinnen in Ketten gehalten?“
- „Wie bist du denn d`rauf?“, entgegnete Birgit, denn sie wußte noch nicht, daß Magda die geborene Gefangene, noch mehr, die absolut devote Sklavin war. Gangolf dachte sich seinen Teil, er erwiderte nichts.
Sie fragten einen älteren Herrn nach einer Empfehlung für eine gediegene Gaststätte, doch dieser betrachtete sie überrascht:
- „Haben Sie noch nicht gehört, die Gaststätten sind seit dieser Woche alle zu, müssen schließen wegen des Virus da, der gleiche Wahnsinn, wie vor zehn Jahren. Aber gehen Sie da vor, auf der rechten Straßenseite soll ein guter Imbiß sein, was ich gehört habe. Und passen Sie auf, fahren Sie bloß nicht nach Bayern, dort müssen die armen den ganzen Tag mit Gasmasken herumlaufen, als ob ein Gaskrieg ausgebrochen wäre.“

Die drei bedankten sich für die Auskunft; so betrüblich sie auch war, wurden sie immerhin an dem bezeichneten Imbiß mit einer leckeren Thüringer Rostbratwurst belohnt.
Frisch gestärkt erreichten die drei am Nachmittag Lüggen; auf dem Markt aßen sie bei einer Tasse Kaffee Kuchen.

- „Draußen dürfen Sie noch sitzen, drinnen nicht mehr“, klärte die Bedienung auf. Birgit und Gangolf legten ihre schweren Motorradjacken ab, Birgit zog sich auch die Stiefel aus und genoß die Abkühlung, Magda indes verweilte in ihrem Gewand, sie fand es stimulierend, in dem engen Motorradanzug eingezwängt zu sein. Nichts schlechtes ahnend hing jeder der drei seinen Gedanken nach, die zurückliegenden Tage waren einfach dermaßen aufregend und nervenaufreibend, daß es überaus erholsam war, einfach nur so dazusitzen.

Magda bemerkte ihn als erstes, dann blickte auch Gangolf in die Richtung, in welche sie starrte. Birgit indes blieb ganz unbekümmert:
- „Seht ihr da irgendwo ein Gespenst?“
- „Ja, so ähnlich, ein zweibeiniges“, erwiderte Gangolf. Bevor er weitere Erläuterungen geben konnte, watschelte Brause mit seinem eigentümlichen Gangwerk auf die Dreiergruppe zu.
- „Ja juten Tach, schön, Sie hier zu treffen, ich dachte schon, Sie wären vom Erdboden verschluckt.“
- „Guten Tach auch“, erwiderte Gangolf Brauses Gruß, seine singende Stimme nachahmend, „warum, haben Sie uns gesucht?“
- „Ja, allerdings.“
- „Wir machten täglich kleine Motorradtouren durch die Gegend, Magda darf ja jetzt sich wieder im ganzen Landkreis aufhalten und das haben wir die letzten Tage ausgenutzt, es gibt hier so viel zu sehen.“
- „Ja, das ist wohl wahr“, nahm Brause die Konversation auf. Bevor er zu einer weiteren Frage Anlauf nehmen konnte, fuhr Gangolf fort:
- „Hier ist übrigens die Birgit, und das ist Kriminalhauptmeister Brause.“
- „Das mit dem Kriminal lassen Sie aber weg, bin einfacher Polizist hier in Lüggen, und ja, entschuldigen Sie bitte, ich vergaß, mich vorzustellen, wir kennen uns ja noch nicht.“
Er wandte sich Birgit zu:
- „Aha, und Sie sind also auch so eine Motorradbegeisterte, ja das war schon was, bin früher auch viel gefahren, aber das waren alles so stinkende Ungetüme, nicht vergleichbar mit den heutigen Maschinen.“

Birgit war sich unsicher, was sie darauf sagen sollte, arglos ergriff sie das Wort:
- „Wir kommen gerade von Italien.“
Gangolf versetzte ihr einen gewaltigen Tritt auf das Schienbein, so daß Birgit schmerzerfüllt aufschreckte.
- „Oh, entschuldige bitte vielmals, oh, jetzt habe ich dich gestoßen, das wollte ich wirklich nicht, und du hast ja auch die Stiefel aus, oh, das muß höllisch weh tun, verzeih’ mir bitte, ich war so ungeschickt und unbedacht.“

- „Ist schon gut“, entgegnete Birgit, und ihr war sofort klar, was Gangolfs Tritt bedeutete. Doch auch Brause war nicht dumm, er wunderte sich zudem, warum die beiden Motorräder mit großen Gepäcktaschen beladen waren. Birgit fuhr fort:
- „Also ich komme gerade zurück, und da traf ich auf die beiden hier, das ist das Schöne am Motorradfahren, daß man immer wieder überall Gleichgesinnte findet und sich oft schnell mit ihnen anfreunden kann.“
- „Ja, das ist wohl war“, entgegnete Brause, und er dachte dabei an seine Tochter, die als Jugendliche mit wildfremden Fahrern mitfuhr, für Brause ein ganz unverständlicher Vorgang. Die Kellnerin kam vorbei, Gangolf winkte sie heran:
- „Ich zahl’ dann, bitte alles zusammen, darf ich Sie noch zu einem Täßchen einladen, Herr Brause, aber ich wollte dann eigentlich bald wieder los, damit es nicht jeden Abend so spät wird, bis ich wieder zuhause bin.“
- „Nein, nein, lassen Sie nur, danke für die Einladung, hat mich gefreut, Sie wieder einmal getroffen zu haben.“

Brause wandte sich um, doch drehte er sich nochmals zu der Gruppe:
- „Ach, Herr Stumpf, sind Sie morgen `mal zuhause, ich würde Sie gern nochmals besuchen. Oder könnten Sie zu meiner Tochter kommen, Sie wissen schon, wo Sie im Frühjahr vom Dach gefallen sind, da war dann ein Kollege von Ihnen da, aber ich glaub’, da stimmt was nicht mit der Anlage, wär’ schön, wenn Sie bald `mal einen Blick darauf werfen könnten.“

- „Ja klar doch, machen wir gleich Morgen was aus, oder besser Übermorgen, ja, Übermorgen, ist besser, da hab’ ich den ganzen Tag noch keine Termine, sagen Sie einfach, wann.“
- „Das hört sich gut an, sagen wir neun Uhr?“
- „Ja, gut, neun Uhr!“

Gangolf blickte Brause nach, wie dieser sich watschelnd entfernte.
- „Was hat der da Anfangs gesagt, wir wären vom Erdboden verschwunden?“
- „Ja“, antwortete Birgit, „er hat euch anscheinend gesucht.“
- „So ein Mist. Irgendwas stimmt da nicht. Immerhin hat er nicht ausdrücklich nach Magda gefragt, sondern mich auf’s Korn genommen.“
- „Hast du `was ausgefressen?“
- „Ja, vielleicht, der Brause schnüffelt schon seit Jahren immer wieder herum, ich weiß nicht, was der von mir bloß immer wieder will. Das mit seiner Tochter scheint mir vorgeschoben, die hat eine Photovoltaikanlage, da bin ich einmal hinaufgestiegen und da bin ich vom Dach abgerutscht.“
- „Ach, oh je, hast du dir `was getan?“
- „Ja, kann man so sagen, aber ist alles wieder prima verheilt.“

Die Kellnerin kam mit der Rechnung, die drei setzten zum letzten Teil ihrer erlebnisstrotzenden Reise an. Gangolf ludt Birgit ein, bei ihm mit Magda auf seinem Hof in Wesserbarg zu nächtigen und erst am nächsten Tag Richtung Berlin weiter zu fahren. Birgit lehnte indes ab, sie wollte nun doch auf dem schnellsten Weg nach Hause und so verabschiedeten sich die drei voneinander. Ihre Wege trennten sich hier.





















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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:21.10.22 22:27 IP: gespeichert Moderator melden


76

Längst nagten die Sonnenstrahlen an den Ritzen der Rolladenjalousie, als Inge begriff, daß der Alptraum endgültig vorüber war, der sie so unsäglich grausam die ganze Nacht über gequält hatte. Sie setzte sich im Bett auf und verspürte sogleich die Druckstellen in ihrem Unterleib, die von dem Keuschheitsgürtel verursacht wurden; sie begriff, daß es nur ein Traum war, ein wahrer Alptraum, in welchem sie zwar schmerzhaft, aber schließlich doch aus dem Stahlgefängnis befreit worden war, nun aber, in die Wirklichkeit des Lebens zurückgekehrt, wollte sie es nicht wahrhaben, weiterhin dem Drangsal ausgeliefert zu sein.
Sie griff mit dem Zeigefinger und dem Mittelfinger der rechten Hand abwechselnd unter das Taillenband, dann unter das Schrittband mit dem Versuch, die ehernen Bänder von den wundgeriebenen Stellen ihres Leibes wegzudrücken, indes blieb es bei dem Versuch, der Stahl erwies sich als unnachgiebig.

Endlich faßte Inge den Beschluß, das Bett zu verlassen, das in dieser Nacht zu einer Folterbank geworden war. Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, mit einem Schwung sich dem warmen Stoffgehäuse zu entwinden, mußte sie sich heute ihrer aller Willenskraft bemächtigen, diese ansich beiläufige, geradezu selbstverständliche allmorgendliche Übung zu vollziehen. Als sie schließlich auf zittrigen Beinen zu stehen kam, wurde ihr leicht schwarz vor Augen, sie spürte plötzlich kalten Schweiß auf der Stirne, und es gelang ihr gerade noch rechtzeitig, eine leichte Drehung zu vollziehen, während derer sie sich schräg nach hinten wieder in das Bett zurückfallen ließ.

Zu der allgemeinen Schwäche gesellte sich ein Schüttelfrost, hurtig zog Inge die naßgeschwitzte Bettdecke bis über die Schultern, schnell wurde ihr klar, daß ihr Vorhaben, gleich nach dem Frühstück wie auch immer zu der Insel zu gelangen, schnöd durchkreuzt worden war.

- "Jetzt bloß nicht krank werden", stieß Inge voll entsetzen im Bewußtsein ihres körperlichen Zustands aus, "ich muß dringend auf die Insel, den verdammten Schlüssel holen. Soll ich wohl jemand anrufen: Bitte fahr' für mich zu der Insel, da ist wo auf einer Lichtung eine Kiste, und darin liegt ein Schlüssel zu meinem Keuschheitsgürtel; also die rufen doch gleich in der Klapsmühle an und lassen mich abholen!"

Die in den Selbstgesprächen gewonnenen Selbsterkenntnisse ließen Inges Zustand allmählich bessern, sie haderte teils zornig, teils klagend mit sich selber, bis sie sich wieder wohler fühlte und es wagte, erneut aus dem Bett zu steigen. Diesmal ging sie vorsichtiger zu Werke, artig setzte sie zuerst die Füßchen vor das Bett und stemmte sich langsam mit den Armen von der Bettkante ab, um dem Kreislauf alle Zeit zu geben, sich mit der neuen körperlichen Höhenlage abzufinden. Tatsächlich gelang es Inge, auf diese Weise Haltung anzunehmen, mit kleinen Schritten tappte sie in's Badezimmer, wo sie erst einmal einen kräftigen Schluck kühles Wasser aus dem Hahn zapfte. Sie wusch ihren Schweiß von der Stirn, bevor sie die umständliche Prozedur des Wasserlassen in Angriff nahm. Wieder schalt sie sich selbst:

- "Dieses verdammte Ding da, wie konnte ich nur so blöd sein, mich darauf einzulassen! Und dann die blöde Kursleiterin da von der Notfallübung, daß die mich da als Versuchskaninchen hernahm und ich war noch blöder und hab' mich da d'rauf eingelassen!"

Ehrlicherweise gestand sich Inge ein, daß sie es sehr erregend fand, aber daß sie dann sogar den Schlüssel so gut wie unerreichbar weit entfernt weggelegt hatte, das konnte sie sich nicht mehr entschuldigen. Während sie ihre körperlichen Reinigungsarbeiten vollzog, fiel ihr plötzlich ein, daß es Mittwoch ist und daß sie an diesem Abend zu ihrer früheren Blutsfreundin Ulla nach Berlin fahren wollte.
Als sie ihr Frühstück zubereitete, war sie hin- und hergerissen, ob sie doch noch irgendwie zu der Insel gelangen konnte, oder ob sie das nochmals aufschieben sollte. Ihr war klar, daß sie in dem geschwächten Zustand jedenfalls keine Rudertour durchführen konnte.
Nachdem sie sich mit dem Frühstück gestärkt hatte, fühlte sie sich wesentlich besser und sie beschloß, an diesem Tag nicht mehr zu der Insel zu reisen, sondern sie wollte sich vielmehr auf ihre Berlinfahrt vorbereiten. Ihre Nerven schienen wieder gestärkt zu sein, sie spürte den Schmerz auf ihren wunden Stellen am Unterleib längst nicht mehr so stark wie am Morgen, als sie nach der qualvollen Nacht erwacht war.

Während der Autobahnfahrt schweiften Inges Gedanken an die alten Zeiten zurück, als sie in der Wohngemeinschaft mit Ulla und zwei weiteren Studentinnen in der großen Wohnung des alten Hauses im Kreuzberger >Kiez< lebte. Als dann nach und nach die Mitbewohnerinnen ausgezogen waren, übernahm Ulla schließlich alleine die Wohnung, in welcher sie weiterhin bis in diese Tage lebte, ganz ungewöhnlich für eine Spitzenpolitikerin. Inge erinnerte sich auch an die fragwürdigen Unternehmungen, die sie mit Ulla manchmal unternommen hatte, Ulla finanzierte damit ihr Studium und ihren Lebensunterhalt, während Inge sie nur gelegentlich dabei unterstützte. Was beide indes verband war die Liebe zu dem freien Leben, das alle vier Mädchen in der großen Wohnung in der großen Stadt genossen hatten.

Die >Navi-App< lotste Inge gekonnt durch das Berliner Straßengewirr, je näher sie ihrem Ziel war, desto vertrauter kamen ihr die Straßenzüge vor, ihr Herz schlug höher, als sie die alte U-Bahn entdeckte, die als Hochbahn sich in der Mitte der breiten Hauptstraße durch Kreuzberg schlängelte.

Für Inge begann der Streß, als die Ansage kam: "In fünfzig Metern haben Sie ihr Ziel erreicht!", denn nun hieß es, einen Parkplatz zu suchen und dann auch zu finden. Das Ansinnen war heillos und schier aussichtslos; sie beschloß, wagemutig in die nächstbeste Hofeinfahrt einzubiegen, um dann in einen der hinteren Höfe irgendwo stehen zu bleiben.
Freilich prangten an allen Hausmauern Schilder, daß das Parken nur für Berechtigte erlaubt sei, doch sie faßte Mut und setzte sich über die Verbotszeichen hinweg. Als sie ihren edlen Sportwagen verließ, sah sie keine Menschenseele, so daß sie unbehelligt die Durchgänge passierte und zur Hauptstraße hinaus spazierte.

Spielerisch erreichte sie die beeindruckende Fassade des alten Wohnhauses, es war ihr alles so vertraut, als sei sie erst am Vortrag von hier weggezogen. Nichts hatte sich verändert, die mächtige verzierte Holztür bildete wie seit 150 Jahren einen würdevollen Zugang zu dem würdevollen Anwesen. Neu war das Klingelschild; anstelle der einfachen Metallknöpfe zur Betätigung der Klingeln, an deren Seiten sich unleserliche handgeschriebene Aufkleber mit den Namen befanden, prangten moderne hintergrundbeleuchtete Flachdrucktaster in die abendliche Straßenluft. Neben einen der Drucktaster gab es ein Schild mit zwei Initialen: U. G.

'Das muß sie sein', überlegte Inge kurz und betätigte den Taster. Tatsächlich knarzte Ullas Stimme aus dem kleinen Lautsprecher der Sprechanlage: "Ja?"
- "Ja", entgegnete Inge, "ich bin da!"

Ohne ein weiteres Wort schnarrte der Türöffnermagnet, Inge drückte hurtig gegen die Tür, welche wie zu alten Zeiten mit einem eigentümlichen Geräusch sich öffnen ließ. Inge fühlte sich verzaubert, als sie auf dem Mosaikboden zu der hölzernen Stiege vorwärts schritt, die Stiegendielen knarrten wie eh und je; als sie den ersten Treppenabsatz erreicht hatte, sah sie Ulla oben neben der Wohnungstür im fahlen Schein der Treppenlichtfunsel stehen, wie sie mit einem überlegenen Lächeln herabblickte, die Hände in die Hüften gestemmt.

Die Wiedersehensfreude der beiden Freundinnen war groß, sie plauderten über alles, der Gesprächsfaden riß nicht ein einziges Mal ab. Die Worte flogen geradezu hin und her, jede der beiden nutze die kurzen Sekundenbruchteile des Atemholens des Gegenübers, um das Gespräch wieder an sich zu reißen. Einen breiten Raum nahm der jeweilige berufliche Werdegang ein, beide wußten zwar im Groben voneinander, aber gerade die jüngsten Entwicklungen in der durch das Condoma-Virus hervorgerufenen Krise schürten die gegenseitige Neugier; Ulla wollte immer wieder genau wissen, wie es >im flachen Land< aussieht, wie sich Inges Gesundheitsamt durch die Flut der vorbereitenden Maßnahmen und Verordnungen schlug. Inge ereiferte sich:

- "Ja, da habt ihr uns was Schönes aufgebrummt, wir müssen das wieder ausbaden, was ihr hier in Berlin verzapft!"
- "Nun `mal halb lang", konterte Ulla, "wir wollen auf jeden Fall das Chaos vermeiden, das es vor zehn Jahren gab, als das Corona kam."
- "Aha, damals wart ihr Politiker doch auch alle so überzeugt, daß die Masken das ganze Übel beseitigen würden", entgegnete Inge, "gerade ihr Grünen wart doch total konform mit der Angela, und jetzt seid ihr es wieder mit der Prank. So, und jetzt kommen also die Gasmasken, diese Riesen-Ungetüme, und wir unten sollen das dann der Bevölkerung klarmachen, wie wichtig die sind, um das Condoma zu vertreiben!"
- "Ich glaub' da ja auch nicht d'ran", fuhr Ulla fort, "die Prank hat mir übrigens eine mitgegeben, die hatte noch welche aus ihrer Zeit, als sie Verteidigungsministerin war."
- "Na, dann weißt du wenigstens, wie sich das Gummi anfühlt im Gesicht."
- "Geil."

An dieser Stelle der angeregten Kommunikation kam es zum ersten Mal an diesem Abend zu einer kurzen Gesprächspause. Inge erinnerte sich an ihre gemeinsame Zeit hier in dieser Wohnung, als Ulla fast jeden Abend ihre große Umhängetasche zusammenpackte. Sie zeigte ihr damals beiläufig ihre Ausstattung an Fetisch-Utensilien, darunter waren auch verschiedenartige Masken. Inge überlegte sich, daß es Ulla wohl überaus peinlich wäre, wenn etwas über deren Vergangenheit ruchbar würde, auf welche Art sie ihr Studium finanziert hatte. Als sie ihre Gedanken sortiert hatte, beschloß Inge, nicht die alten Sachen aufzuwärmen, sondern knüpfte an Ullas Gasmaskenfreude an:

- "Geil, mehr hast du da nicht dazu zu sagen? Findest du das mit dem Keuschheitsgürtel auch geil?"
- "Äh, ja, also keine Ahnung, wie sich das anfühlt", log Ulla, leichte Röte zeigte sich in ihrem Gesicht. Sie nahm sich vor, ihrer Freundin nichts davon zu sagen, daß sie es war, die ganz unverblümt dem Parlament den Gürtel als Schutzmaßnahme empfohlen hatte und nach der Sitzung auch ganz unverhüllt der Kanzlerin ihren Gürtel gezeigt hatte, den sie ohne weitere Bekleidung unter ihrem Sommermantel getragen hatte.

Auch Inge nahm sich vor, das Thema nicht weiter zu vertiefen, zumindest wollte sie nichts von ihrem Mißgeschick erzählen, daß sie seit nunmehr drei Tagen in ihrem Gürtel eingeschlossen war, weil ihre Geilheit sie dazu brachte, den Schlüssel unerreichbar weit weg zu deponieren.

In dieser Spannungslage, erstmals an diesem Abend Geheimnisse zu verbergen, schlug die alte Pendeluhr, die aus der Zeit ihrer gemeinsamen Tage in der Wohnung überlebt hatte, zwölf mal, für Ulla ein mahnendes Zeichen, ihren Gast an den Abschied zu erinnern:
- "Du Inge, nimm' es mir nicht Böse, aber ich hab' morgen wieder anstrengende Kabinettssitzungen, muß mich noch gewaltig vorbereiten, wie immer am letzten Drücker, ich hoff', in deinem Ämtlein geht das besser, daß du da nicht so unter Druck stehst."
- "Ja, ich glaub' auch, es ist jetzt besser, daß ich geh'", antwortete Inge, obwohl sie noch viel Protest loswerden wollte, vom Umweltamt zum Umweltministerium. Sie ärgerte sich auch über Ullas spitze Formulierung, >Ämtlein<. Sie wollte schon anheben zu sagen:
'Und in deinem Bundestäglein wird doch auch nur leeres Stroh gedroschen', doch sie verkniff es sich, denn sie wollte den schönen Abend nicht in einem künstlichen Streit enden lassen.

Die beiden Umweltfrauen erhoben sich und umarmten sich ausgiebig. Beiden kam es vor, als ob sie da etwas Hartes unter dem Stoff ihrer Hosen ihres Gegenübers verspürten, als sie sich wie zu alten Zeiten aneinanderdrückten: Während des Küssens kamen ihre Brüste auf Tuchfühlung, dann drückten sie sich auch die Unterleiber aneinander, wobei sie gekonnt die Beine abwechselnd vor- und zurückstellten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Als Inge auf der nächtlichen Straße stand, ging sie erst einmal in die falsche Richtung los; ganz automatisch wollte sie, wie in früheren Tagen, zur nächsten Haltestelle gehen. Als sie ihren Irrtum erkannte, schlug sie sich mit der Hand auf die Stirn, wechselte die Straßenseite und bewegte sich schnelleren Schrittes zurück.

- "Verdammt, wo war denn diese Hofeinfahrt, war die wirklich so weit weg?", murmelte Inge vor sich hin, während sie unwillkürlich das Tempo ihrer Schritte steigerte; "daß auch des Nachts alle Katzen grau sind", fluchte sie nun schon deutlich hörbar und es kam ihr das Erlebnis in den Sinn, als sie bei ihrem ersten alleinigen Ruderausflug zu der Insel im Röthener See die Einfahrt in dem Schilfstreifen nicht gefunden hatte.

Als Inge schon fast an der Glienicker Brücke war, erkannte sie, daß sie anscheinend zu weit gegangen war; sie kehrte um und lief nun halb in Panik die Straße erneut in die andere Richtung zurück.
- "Hier muß es gewesen sein, in einen der Höfe stellte ich mein Auto ab", sprach sie sich Mut zu und betrachtete im Schein der Straßenlaternen die mit hohen Toren und Gittern verschlossenen Hofeinfahrten. Endlich kam sie zu der Erkenntnis, daß der Hof abgesperrt worden war und in ihrer Unbekümmertheit hatte sie sich nicht einmal die Hausnummer gemerkt, in wessen Hinterhof sie unberechtigterweise ihren fahrbaren Untersatz abgestellt hatte.
- "Verdammt, verdammt, verdammt", schalt sie sich, "daß so etwas auch immer nur mir passiert, Barbara ist da viel strukturierter und disziplinierter."
Sie griff zur Gesäßtasche ihrer Hose, doch das Smartphone steckte nicht, wie üblich darinnen, sondern lag auf dem Beifahrersitz ihres Autos, mit dem Kabel an das Bordnetz angeschlossen. Inge hatte sich immer noch nicht an das Getippe an dem großen Bildschirm des fahrzeugeigenen Navigationsmonitors gewöhnt, sie verwendete lieber nach wie vor ihr vertrautes Smartphone, das sie in ihrem bisherigen Leben begleitete, als sie noch autolos durch das Leben steuerte.
- "Du da oben hast solche Probleme natürlich nicht," verfluchte sie Ulla, "dich holt ja pünktlich der Minister-Fahrdienst ab, vermutlich mit einer heißen Tasse Kaffee im Fond und gekühlten Getränken."

Ulla erschrak, als der Rufton aus der Sprechanlage im breiten Flur der Wohnung ertönte. Üblicherweise schaltete sie die Klingelfunktion aus, nur heute Abend hatte sie diese eingeschaltet lassen, da sie Inge erwartet hatte. Sie ignorierte das Läuten. Sie hatte sich soeben in ihrem großen Schlafzimmer entblößt. Die Glocke ertönte wieder, und dann immer wieder. Verärgert tappte sie auf den Flur und wollte schon den Aus-Taster drücken, als sie auf dem kleinen Monitor Inge erkannte. Sie nahm den Hörer ab und hörte sich Inges Geschichte an. Wortlos betätigte sie den Taster für den Türöffner und hängte den Hörer ein.

'Dir jage ich jetzt einen Schrecken ein', beschloß Ulla und wartete darauf, daß Inge die Stiege heraufkam. Diese blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen, als Ulla die Wohnungstür aufriß und sich splitternackt vor ihr präsentierte, allein der Stahl funkelte geheimnisvoll im fahlen Licht der Stiegenhausfunsel.







































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Ihr_joe Volljährigkeit geprüft
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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:22.10.22 15:29 IP: gespeichert Moderator melden


Eigentlich schade, dass auch ich so wenig kommentiere. In letzter Zeit nehme ich mir einfach nicht die Zeit.
Genau betrachtet nicht ganz fair, bei Deiner schönen Geschichte.

Ihr_joe
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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:28.10.22 19:42 IP: gespeichert Moderator melden


Danke, Joe, für deine Anmerkungen, und auch ich muß eingestehen, daß ich mir das Kommentieren weitgehend abgewöhnt habe, da in den meisten Fällen von den Angesprochenen keine Reaktion erfolgt; schließlich gilt die alte bayerische Weisheit, daß nicht geschimpft genug gelobt sei!


77

- „Irgendwas stimmt da nicht“, sagte sich Gangolf, „was will der Brause schon wieder von mir?“
Nachdem Magda und Gangolf nach Wesserbarg zurückgekommen waren und damit ihre zehntägige Motorradreise beendet war, verstauten sie ihre wenigen Reiseutensilien. Stillschweigend kamen sie überein, daß Magda zumindest den restlichen Tag und wohl auch die Nacht bei Gangolf bleiben würde.

Gangolf indes war unruhig, das unvermittelte Zusammentreffen mit Brause auf dem Markt in Lüggen wühlte ihn auf. Er hatte das Gefühl, daß Brause mehr von ihm wollte als irgend einen Rat oder eine Überprüfung der Photovoltaikanlage. Eigentlich wollte er sich nach der langen Motorradfahrt etwas ausruhen und dann Musizieren, doch der starke Kaffee, den er in dem Markt-Café trank, förderte seine innere Unruhe und so beschloß er, anstatt sich auf das Sofa zu fläzen, seinen Neoprenanzug hervorzuholen, um mit dem Kajak zur Insel zu paddeln.

Als Gangolf die Scheune betrat, sah er zunächst nicht, daß sein kleines rotes Kajak fehlte, das er üblicherweise auf der Halterung oberhalb seines Rennkajaks aufbewahrte. Erst als er zu den Paddeln griff, stellte er erstaunt fest, daß nur ein Paar in der Ecke lehnte. Irritiert wandte er sich um und erkannte nun auch das Fehlen des roten Kajaks.

- „Das darf doch nicht wahr sein“, schimpfte er, „muß man denn alles absperren und verrammeln!“
Gangolf beruhigte sich etwas bei dem Gedanken, daß wenigstens sein geliebtes teures Rennkajak noch da war.
‚Wer ist denn so blöd und klaut das dicke rote, wenn darunter griffbereit das Rennkajak liegt?’, fragte er sich und zog jenes hervor, warf ärgerlich das Paddel hinein und hob es an, um damit zum Steg hinunter zu marschieren. Während er mißmutig den Pfad entlang stapfte, machte er sich Gedanken darüber, wie er sein verbliebenes Rennboot zukünftig schützen würde, mit einer elektronischen Überwachung, oder zusätzlich mit Ketten um die Griffe herum. Andererseits war ihm vollkommen klar, daß die besten Maßnahmen nicht greifen würden, wenn er nicht zuhause war; in der Abgeschiedenheit seines Hofes konnten Einbrecher in aller Seelenruhe Ketten sprengen und Elektronik außer Gefecht setzen; was hilft alle Alarmierung, wenn die Diebe längst über alle Berge sein würden.

Mit diesen Grübeleien im Sinn erreichte Gangolf den Steg und fand zu seiner größten Überraschung das rote Kajak am Steg angebunden vor, auch ein Paddel lag darin. Gangolfs Seele stieg an die Oberfläche und plätscherte in seinem Gemüt wie die leichten Wellen des Wassers. Er überlegte kurz, ob er sein Rennkajak zurücktragen sollte, um anschließend mit dem roten hinauszupaddeln, doch dann beschloß er, dieses zunächst am Steg angebunden zurückzulassen, um später, nach seiner Tour, beide Kajaks in seine Scheune zurückzubringen. Er wollte jetzt keine Zeit verlieren, denn die Sonne senkte sich an diesen Tagen am Ende des Septembers merklich früher zum Horizont herab als Anfang des Monats, im bewaldeten Ufersaum war sie längst nicht mehr zu sehen.

Während der Überfahrt zur Insel grübelte Gangolf darüber, wer sein rotes Kajak entwendet hatte und daß derjenige anscheinend wußte, daß das Rennkajak nichts für Anfänger war. Er machte sich Gedanken, ob er am Ende vergessen hatte, das Scheunentor zuzuschieben, nachdem er sein Motorrad zu Beginn der Reise herausholt hatte. Er beruhigte sich mit der Vorstellung, daß das wohl so gewesen sein mußte, daß in der Aufregung der Abfahrt das Tor einfach geöffnet blieb und somit ein jeder, der des Weges kam, das rote Kajak von Ferne aus der Scheune herausleuchten sah:

‚Da packte jemanden die Neugier, wahrscheinlich kam er mehrmals her, und da das Tor immer noch sperrangelweit geöffnet war und wieder niemand weit und breit zu sehen war, da nahm er einfach das Boot heraus und probierte es aus. Doch warum brachte er es nicht wieder zurück? So ein Blödmann, ja klar, der hatte Angst, beim Zurücktragen von mir erwischt zu werden, da ließ er es lieber unten im Wasser.’

Nachdem Gangolf sich diese Gedanken zueigen gemacht hatte, fand er zu seiner ureigensten Gelassenheit zurück und konzentrierte sich auf sein eigentliches Vorhaben, seinen Schatz von der Insel zu holen, um das Versteck dort aufzugeben. Sein Gefühl gebot ihm das, er spürte, daß sich da etwas zusammenbraute und so beschloß er, das gesamte verbliebene Geld aus der Kiste herauszuholen und in den wasserdichten Packsack zu verstauen.

Nach dem stundenlangen steifen Sitzen auf dem Motorradsitz fühlte sich Gangolf in der schmalen Schale seines Bootes richtig wohl, wie er mit kraftvollem Arm, Bein- und Bauchmuskeleinsatz das Rennkajak zur Insel pfeilte; innerhalb weniger Minuten gelangte er zu dem Schilfgürtel, im Licht der untergehenden Sonne bugsierte er die Bootsnase zu dem versteckten Anlegesteg. Als er die Lichtung betrat, kam ihm das Zelt mit den beiden Vogelkundlerinnen in den Sinn.
‚Was aus denen geworden ist’, überlegte er sich, ‚ob die jetzt jedes Jahr hier auftauchen werden?’

Im fahlen Licht der hereinbrechenden Dämmerung bemerkte Gangolf nicht, daß das Gras am Ende der Lichtung niedergetreten lag, er erblickte hingegen sofort den silbrig schimmernden Deckel der Aluminiumkiste und er wunderte sich, daß er bei seinem vorangegangenem Besuch so nachlässig gewesen war, den Deckel nicht besser mit Gras und Gestrüpp bedeckt zu haben, wie er es üblicherweise vollzog, damit die Kiste auf jeden Fall unsichtbar-versteckt im Boden versenkt blieb. Es war zwar äußerst unwahrscheinlich, daß jemand auf seiner Insel anlandete, welche im Biosphärenreservat unter strengem Naturschutz stand, doch wollte er die kleine Mühe nicht scheuen, die Kiste stets gut versteckt zurückzulassen.

Gangolf bückte sich und schob mit einem einzigen Handgriff das wenige Geäst beiseite, das auf dem Kistendeckel lag. Er faßte an den Deckelrand und nachdem er diesen schwungvoll in die Höhe gezogen hatte und in das Innere der geöffneten Kiste blickte, erstarrte er wie vom Gammastrahl getroffen.

Fassungslos starrte Gangolf minutenlang in die Leere, er traute seinen Augen nicht, er glaubte, irrsinnig geworden zu sein. Als er verspürte, wie er leicht zu frösteln begann, gab er sich einen Ruck, sprang auf und stieß den Kistendeckel mit dem Fuß zu, ohne im geringsten den Versuch zu unternehmen, nun verbergendes Gestrüpp darüber zu breiten.

- „Einfach alles weg“, seufzte er resigniert auf, „wie konnte das geschehen, wie konnte jemand die verdammte Kiste da finden?“
Wie im Trance taumelte er zu dem Steg; als er im Begriff war, sich in das Kajak zu hieven, besann er sich und eilte nochmals zu der Lichtung zurück. Er beschloß, sicherheitshalber die Kiste aus dem Boden herauszuholen und mitzunehmen.

‚Wer weiß’, überlegte er sich, ‚was dem Brause noch alles einfallen würde, ich trau’ ihm zu, daß er auch auf der Insel das Schnüffeln anfangen würde, nachdem er damals erfolglos Haus und Hof durchwühlt hatte, als er nach dem geraubten Geld des Banküberfalls forschte.’

Gangolf machte sich einen Stecken zurecht, mit dessen Hilfe er seitlich an der Kiste herumstocherte und dadurch das Erdreich auflockerte. Nach kurzer Zeit hatte er die Kiste so weit freigelegt, daß er diese mit einem Ruck herausziehen konnte. Hastig verteilte er Erde und Gestrüpp in die Grube und bedeckte die verbleibende Vertiefung mit Gras und dicken Ästen. Ihm war klar, daß Fachleute der Polizei sofort herausfinden konnten, daß hier etwas vergraben worden war, indes war ihm wichtiger, die Kiste verschwinden zu lassen, als sich länger um eine perfekte Zurückgestaltung des Bodens zu kümmern.

Als Gangolf die abgestellte Kiste anhob, um sie zu dem Steg zu schleppen, vernahm er ein ihm unerklärliches Klirren in ihrem Inneren. Er dachte zunächst an ein Steinchen, das bei der Ausgrabeaktion hineingefallen sein könnte. Beim Abstellen auf dem Stegbrett vernahm er nochmals dieses seltsame Geräusch, dachte sich dabei indes wiederum nichts dabei. Er umschlang die Kiste mit der Bootsleine und band diese an den hinteren Tragegriff, um auf diese Weise die Kiste in den See hinauszubefördern. Tatsächlich plätscherte diese im Schlepptau des Kajaks, immer wieder drehte sich Gangolf nach ihr um und betrachtete etwas wehmütig die im letzten Dämmerlicht geheimnisvoll funkelnde Metalloberfläche. Erfreut stellte er fest, daß das Behältnis nicht sofort voll Wasser lief, sondern auf der Oberfläche schwamm, andernfalls wäre das Vorwärtskommen wesentlich schwerer geworden.

Auf halber Strecke zum Ufer hielt Gangolf an und zog mit dem Paddel die Kiste zu sich heran. Er löste die Knoten und gab dem Behältnis einen Stoß, damit dieses für alle Zeiten in die Tiefe des Sees verschwinden würde. Zu seiner Überraschung trieb es, anstelle unterzutauchen, weiterhin in dem leichten Wellengang davon. Gangolf schmerzte es sehr, als er sein Behältnis, das ihm treu den Schatz geborgen gehalten hatte, mit dem Paddel attackierte, damit Wasser hineinliefe, um endlich unterzugehen. Die Kiste widersetzte sich den Angriffsschlägen, schaukelte besorgniserregend auf und ab, kam indes immer wieder auf die Wasseroberfläche zurück.

- „Was für ein Omen“, seufzte Gangolf und zog das Behältnis mit dem Paddel zu dem Bootsrand zurück. Mit Wehmut ergriff er den Deckel, öffnete ihn und drückte die Kiste unter Wasser. Es wunderte ihn, wie stark die Auftriebskraft gewesen war, jäh erinnerte er sich daran, wie schwer es ihm einstmals fiel, Holzpflöcke am Uferrand in den Boden zu rammen, immer wieder drückte die Auftriebskraft die Hölzer aus dem Boden empor. Gangolf gab es auf, die Kiste gleichmäßig unter Wasser zu drücken, viel zu sehr hatte er dabei nämlich zu kämpfen, nicht sein schmales kippeliges Kajak zum Kentern zu bringen, sondern drehte die Kiste, so daß nur eine Ecke in das Wasser tauchte. Tatsächlich gelang es auf diese Weise problemlos, das Wasser einströmen zu lassen.
In diesem Augenblick bemerkte er einen kleinen Gegenstand, der auf dem Boden der Kiste in die besagte Ecke rutschte. Gerade noch rechtzeitig, ehe die Kiste sich immer weiter mit Wasser gefüllt und dadurch unwiederbringlich in die Tiefe des Sees abgesunken wäre, ließ Gangolf die Kiste los und griff hinein, um den Gegenstand herauszuholen. Es war nicht leicht, das dünne Teil von dem Boden herauszufischen, das Wasser stand bereits zu zwei Handbreit in der Kiste, diese begann nun ohne weiteres Zutun langsam abzusinken.

Immer wieder entglitt Gangolf der Gegenstand, den er nun nicht mehr sehen konnte, sondern nur noch als schmale Erhebung auf dem Kistenboden ertastete.
‚Warum mache ich das überhaupt?’, zweifelte Gangolf während seines mühsamen Tuns, doch irgendwie spürte er, wie von einer unsichtbaren Macht gezwungen, die Wichtigkeit, an diesen seltsamen Gegenstand zu gelangen, welcher sich beim Wegtragen der Kiste zweimal durch ein leichtes Klirren bemerkbar gemacht hatte.

Gerade als sich die Kiste nun mit deutlich sichtbarer Bewegung in das Wasser absenkte, gelang es Gangolf, das Ding in die Finger zu kriegen, hurtig zog er die Jagdtrophäe heraus und betrachtete diese im letzten Schein des Abendlichtes, während sich die Kiste mit gurgelnden Geräuschen von der Oberfläche verabschiedete, um nun endgültig unauffindbar auf dem Grunde des Sees zu verweilen.

‚Vielleicht fang’ ich ja auch noch einmal das Tauchen an’, sinnierte Gangolf, eines der Vorhaben, von denen er immer träumte, das er jedoch noch nicht in Angriff genommen hatte.
- „Dann würde ich hier heruntertauchen, um die Schatzkiste am Grunde des Sees zu suchen“, sagte er sich im Anfall einer aufkeimenden Sentimentalität. Doch dann schenkte er seine Aufmerksamkeit wieder dem erbeuteten Teil, das er weiterhin fest in seinen Fingern hielt.

- „Was für ein seltsamer Schlüssel“, fragte er sich, „wie ein Tresorschlüssel, aber viel kleiner, geradezu zierlich, darum hab’ ich ihn so lange nicht herausgekriegt aus der untergehenden Kiste.“
Statt des erwarteten Geldes verstaute Gangolf den Spezialschlüssel in den wasserdichten Packbeutel. Von seinem ursprünglichen Plan, die Insel zu umrunden, ehe er zu seinem Steg in dem Kanal zurückpaddelte, wich er ab, die Nacht ist jetzt schon deutlich nah, im Osten blinkten die ersten Sternlein nieder.

Mit beiden Kajaks, das eine am linken Arm, das andere am rechten, stapfte Gangolf seinem Hof entgegen; er konnte nicht glauben, was alles geschehen war, zuerst die aufregende Motorradreise mit der Generalreinigung in der Südtiroler Kaserne, dann die Erlebnisse an der böhmisch-bayrischen Grenze, jetzt der Verlust seines Barvermögens, was wird denn noch alles kommen, überlegte sich Gangolf, als ob er ahnte, daß das große Lebensabenteuer, die schicksalhaft-dramatische Wendung ihm erst bevor stünde.
Für diesen Tag reichte es an Abenteuern, daß er Magda in seinem Haus nicht fand.

- „Sie wird halt auch noch ein wenig herumlaufen“, sagte sich Gangolf und dachte sich nichts weiter. Als es zehn Uhr wurde, kam ihm die Sache dann doch seltsam vor, und er machte sich auf die Suche, prompt wurde er im Bastelkeller fündig: Dort saß sie auf einem Stuhl, die Arme durch die Lehnensprossen hindurch nach hinten gezwängt, die Hände in seinen elektronischen Handschellen eingeschlossen.




























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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:04.11.22 20:04 IP: gespeichert Moderator melden


78

Als Inge am nächsten Morgen ihres Berlin-Besuchs verkatert auf die Straße trat, machte sie sich erneut auf die Pirsch nach ihrem Auto, das sie tags zuvor einfach unbekümmert in einen der Höfe abgestellt hatte. Im Gegensatz zu der nächtlichen Suche nach der Hofeinfahrt fand sie diese nun beim Tageslicht problemlos; sie erkannte das große zweiflügelige Tor, das jetzt am Tage einladend in voller Breite geöffnet stand. Hoffnungsfroh stapfte Inge durch die Hinterhöfe bis zu dem letzten Hof hindurch und gewahrte ihren Rennwagen, wie er brav flankiert von biederen Bürgervehikeln auf ihr Kommen wartete. Voll Dankbarkeit über die Treue ihres Fahrzeugs schwang sich Inge auf den Fahrersitz, prompt meldete sich ihr stählener Gürtel mit einer Schmerzattacke in’s Bewußtsein; Inge biß sich auf die Lippen, lenkte den Blick zurück, dann auf den großen Bordbildschirm und im blinden Vertrauen auf die Rückfahrt-Kamera bugsierte sie das breite Gefährt aus der Parklücke.

Vorsichtig führte Inge ihr Fahrzeug durch die engen Hofportale, bog in die Hauptstraße ein und folgte den Anweisungen ihrer Smartphone-Navigationsapp. Erst jetzt bei etwas schnellerer Fahrt bemerkte sie das Knöllchen, das unter dem Scheibenwischer eingeklemmt in dem Fahrtwind leicht flatterte. Inge verlor keinen Gedanken daran, sie ließ dem Zettel sein trauriges Dasein gewähren, eingeklemmt zwischen Gummi und Glas, dankbar, den Schlitten unbeschadet vorgefunden zu haben, weder aufgebrochen, noch demoliert oder abgeschleppt.

Immer wieder meldete sich ihr Keuschheitsgürtel mit kurzen Schmerzsticheleien, und Inge dachte an die Nacht zurück, als sie mit Ulla auf deren großem Bett gelegen hatte, beide splitternackt, einzig mit den Keuschheitsgürteln bekleidet.
- „Und du hast wirklich den Schlüssel auf einer einsamen Insel zurückgelassen?“ hatte Ulla ungläubig gefragt, während sie nach Beendigung der Liebesspiele ihren Gürtel vom Leib löste, um sich unbeschwert zur Nachtruhe zu betten.

Inge schwor sich, gar nicht erst zu sich nach Hause zu fahren, sondern auf dem kürzesten Weg zu dem Röthener See durchzustarten, der verfluchte Schlüssel mußte her, um das noch verfluchtere Stahlgefängnis loszuwerden. Sie erinnerte sich, daß ihre Praktikantin im Umweltamt, Barbara, mit zwei Polizisten zu der Insel mit einem Elektroboot gefahren war. Sie hatte sich damals geweigert, mitzukommen, da sie nicht in Begleitung der Polizei zu dem Tatort zurückkehren wollte.

Inge fuhr am nächsten Parkplatz von der Autobahn ab und rief Barbara an. Diese erklärte ihr den Standort des Bootsverleihs, sie bot sich an, mitzukommen, doch das wollte Inge unter allen Umständen vermeiden. Barbara hätte gerne mit Inge eine Bootstour unternommen, sie hätte auch gerudert, doch Inge wehrte alles Anbieten ab mit dem Hinweis, daß sie ganz alleine auf dem See zu einer Selbstfindung gelangen wollte.

Zur größten Enttäuschung mußte Inge akzeptieren, daß der Bootsverleih seit Mitte September nur noch an Wochenenden geöffnet hatte. Resigniert stapfte sie zum Auto zurück und ließ sich auf den Sitz plumpsen, was der Keuschheitsgürtel gnadenlos mit einem scharfen Stich in die Furche quittierte.

- „Verdammt, so eine Scheiße“, suchte Inge das Zwiegespräch mit dem Lenkrad, „sag, was soll ich tun?“
Nach einer Weile der Ratlosigkeit beschloß sie, auf die andere Seite des Sees zu fahren, nach Wesserbarg, in der Hoffnung, daß das rote Kajak, das sie einfach am Steg zurückgelassen hatte, noch dort angebunden im Wasser lag.
- „Dann muß ich halt wieder rudern“, erklärte Inge dem Lenkrad, „aber ich muß jetzt auf die Insel, es gehe, wie es wolle!“
Als sie den Feldweg vom Ortsende Wesserbargs zu dem einsamen Gehöft am See durch die Schlaglöcher entlangeierte, versprühte der Keuschheitsgürtel wahre Feuerwerke auf das geschundene Fleisch von Inges Unterleib.

- „Warte nur, bald ist es vorbei mit deiner Quälerei“, knirschte Inge und biß sich wieder auf die Lippen. Als sie auf die Höhe der Hofeinfahrt kam, gewahrte sie Gangolfs Golf.
- „Verdammt, jetzt ist er also da, wie hieß er nochmals, dieser Typ, nach dem der Kriminaler Brause fahndete, irgend so ein dumpfer Name, Dumpf, oder so, nicht Dumpf, Stumpf, ja Stumpf.“

Inge beendete ihre Selbstgespräche, fuhr mit ihrem Sportwagen den holprigen Weg weiter, um jenen am Waldessaum abzustellen. Mit schnellen Schritten folgte sie den Pfad zu dem Steg hinunter, zu ihrer Enttäuschung lag das rote Kajak nicht mehr daran angebunden im Wasser.
- „Ist eigentlich klar“, sagte sie sich selber, „wenn nun der Stumpf wieder da ist, daß er den Kahn zurückholt. Bleibt mir wohl nichts anderes übrig, zu ihm zu gehen, daß er mir den gibt.“

Gangolf war sehr erstaunt, daß an diesem Vormittag die Haustürklingel läutete.
‚Ich hab’ doch gar niemanden auf den Hof fahren hören’, wunderte er sich, ‚wahrscheinlich so ein Elektroauto, die hört man überhaupt nicht mehr.’
Zu seiner Überraschung stand eine junge Frau vor der Tür, die ihn mit einem Lächeln begrüßte:
- „Juten Tach, Herr Stumpf, mein Name ist Inge Langohr von der Naturschutzbehörde in Lüggen.“
- „Guten Tag“, antwortete Gangolf und wartete darauf, daß Inge ihm die Hand reichen würde. Diese bemühte sich indes nicht weiter um die Etikette, sondern kam gleich auf den Kern:
- „Ich muß nochmals auf die Insel, da möchte ich Sie bitten, mir Ihr Kajak auszuleihen. Das Boot von unserem Amt ist gerade nicht verfügbar.“

Gangolf blickte sie überrascht an, er war auf alles gefaßt, aber noch nie hatte ihn jemand darum gebeten, ein Kajak auszuleihen.
- „Äh, ja, können wir schon machen, ja, kommen Sie doch erst `mal herein!“

Gangolf wich zurück, so daß Inge an ihm in den Flur hineintreten konnte. Er strengte sein Gedächtnis an, doch kam er nicht mehr auf den Namen jener Frau, deren Rucksack er in dem Zelt fand, das er vor einigen Wochen auf der Lichtung unweit seiner Schatzkiste von den Naturkundlern aufgestellt worden war. Inge blieb unschlüssig im Flur stehen, Gangolf winkte sie zum Wohnzimmer weiter. Er fragte:
- „Da waren neulich zwei Naturkundlerinnen in einem Zelt auf der Insel, wissen Sie davon?“
Inges Herzschlag erhöhte sich: ‚Aha, dann war er es, der an unserem ersten Abend auf der Insel an dem Zelt entlang ging, nachdem er sich an der Kiste zu schaffen machte.’ Sie antwortete wahrheitsgemäß in knappen Worten:
- „Ja, wir untersuchten das Verhalten der Zugvögel.“

Inge wollte das Gespräch nicht in die Länge ziehen, sah indes ein, daß Gangolf ein Interesse daran hatte, genauer informiert zu werden. Dieser bemerkte jedoch feinfühlig die Einsilbigkeit und bohrte nicht weiter nach. Ihm kam zwar in den Sinn, daß diese Frau, die ihm hier gegenüber stand und die sein Boot haben wollte, etwas mit dem Verschwinden des Geldes in der Kiste zu tun haben könnte, doch fiel ihm auf die Schnelle nichts ein, wie er sie in ein Gespräch darüber verwickeln konnte, ohne dabei selber verdächtig zu werden. Somit setzte er zu einer lapidaren Frage an:
- „Und was wollen Sie jetzt machen dort, untersuchen Sie wieder `was?“
- „Ja und nein, ich suche eher was, aber genaues darf ich Ihnen nicht sagen.“
- „Aber bitte, ja, verzeihen Sie, ich will Sie nicht ausfragen.“
- „Schon gut, versteh’ ich ja, daß ich da so ohne weiteres hereingeschneit komme, aber bitte, können wir gleich zu dem Boot gehen, ich wollte möglichst schnell los, keine Zeit verlieren.“
- „Ja klar, holen Sie doch erst `mal Ihr Gepäck, wo haben Sie denn Ihr Auto geparkt, und dann ziehen Sie sich um, können Sie gern hier machen oder lieber in der Scheune, wie Sie wollen.“

Inge wurde verlegen, ihr stieg die Röte in’s Gesicht. Da sie schwieg, fuhr Gangolf fort:
- „Sie wollen doch nicht etwa so in’s Kajak steigen, sie beschmutzen ja sonst ihre schöne weiße Hose und mit den Absatzschuhen, das geht ja gar nicht.“

Inge gab stotternd zur Antwort:
- „Ja, Sie haben vollkommen recht, das hatte ich in der Eile das Vergessen, ich komme gerade von Berlin vom Umweltministerium. Sehr aufmerksam von Ihnen, aber ich muß da jetzt rüber.“

Gangolf betrachtete sie mit verwundertem Blick.
- „Nun ja, wenn Sie meinen, aber wenigstens die Schuhe sollten Sie unbedingt wechseln, ich hab’ da welche für Sie, sind zwar schon recht ausgelatscht, aber die werden Ihnen für das Paddeln taugen.“
- „Sie sind wirklich sehr aufmerksam, danke.“
- „Ja, warten Sie solange, ich muß nur schnell in den Keller.“

Gangolf stieg in den Keller hinab, wo Magda an einem Kellerregal gefesselt darauf wartete, daß die zeitgesteuerten Handschellen irgendwann aufsprangen.
- „Keine Angst,“ rief Gangolf ihr zu, „ich laß’ dich hängen, aber ich brauch’ jetzt deine Schuhe, wenn man die als solche überhaupt noch bezeichnen kann.“
Ohne eine Frage zu stellen ließ Magda ihn gewähren, die Schnürsenkel zu lösen und die ausgelatschten Chucks von den Füßen zu streifen. Magda schien es zu freuen, daß ihre nackten Fußsohlen nun mit dem kalten Kellerboden Kontakt aufnahmen. Beim Hinaufgehen wedelte Gangolf die Schuhchen auf und ab in der Hoffnung, den leichten Schweißgeruch damit herauszubekommen. Oben angekommen stellte er die Chucks vor Inge auf den Boden, diese lächelte ihn dankbar an:
- „O danke, Sie haben Recht, mit den flachen Schuhen komme ich sicher viel besser zurecht.“

Hurtig streifte Inge ihre Stiefeletten mit den Blockabsätzen von den Füssen und schlüpfte in die Chucks. Obwohl diese recht ausgetreten waren, entpuppten sie sich als ziemlich eng, so daß Inge wieder herausschlüpfte und ohne zu zögern ihre Socken abstreifte, um darnach erneut hineinzuschlüpfen. Nun schien es besser zu gehen, Inge wunderte sich über die mehrfach zusammengebundenen Schnürsenkel und fragte sich im Stillen, ob er nicht hätte ein etwas besseres Paar Sportschuhe seiner Frau oder Freundin ihr überlassen hätte können. Doch sie wollte alles unternehmen, nicht unnötige Debatten auszulösen, sondern griff wortlos nach ihren Söckchen, stopfte sie in die Stiefelchen, hob diese vom Boden auf und drehte sich zu Gangolf um, bereit, mit ihm zu der ihr vertrauten Scheune zu marschieren.

- „Moment, ich muß noch den Schlüssel holen“, entschuldigte sich Gangolf und verschwand in die Küche.
- „Man möchte es nicht glauben, aber vor ein paar Tagen ist hier eingebrochen worden, in die Scheune, stellen Sie sich das vor, jemand hat eines der Boote genommen, zum Glück fand ich es unten am Steg wieder.“

Inge war unfähig, ihm beizupflichten, wie schäbig die Welt geworden war, zu sehr steckte der Kloß in ihrem Hals. Auf dem Weg zur Scheune faßte sie sich wieder und fragte:
- „Wieviel wollen Sie denn haben, ich komm’ so am Nachmittag wieder zurück.“

Gangolf begriff nicht sogleich und stellte die Gegenfrage:
- „Was soll ich haben wollen am Nachmittag?“
- „Ja für das Boot natürlich, als Leihgebühr.“
- „Äh, ja, also ich hab’ noch nie ein Kajak ausgeliehen und würde das an einen Fremden auch nicht machen, auch nicht gegen Geld, ich will kein Geld von Ihnen.“
- „Doch, doch, ist doch ein dienstlicher Auftrag, das Geld krieg’ ich vom Amt zurück.“
- „Ja wenn das so ist, aber zeigen Sie mir doch bitte Ihren Ausweis, wie heißen Sie gleich wieder?“
- „Langohr, Inge Langohr“, entgegnete sie und angelte ihre Mappe mit den Ausweisen und Karten hervor.

- „Oh, da hab’ ich jetzt zuviel versprochen“, fuhr sie fort, „meine Geldbörse liegt noch im Auto.“
- „Ja, das hat Zeit, wo stehen Sie denn?“ fragte Gangolf, während er das rote Kajak von den Streben herabwuchtete.
- „Weiter vorn am Ende des Wegs am Waldrand dort“, gab Inge zur Antwort.
- „Holen Sie schon `mal Ihr Gepäck, ich trag’ Ihnen das Boot derweil zum Steg.

‚Verdammt’, haderte Inge mit sich, ‚ich hab’ nicht die kleinste Tasche dabei, ich wollte doch nur für einen Abend ein paar Stunden für eine Plaudern nach Berlin fahren.’
- „Also, es wird Sie wundern, ich hab’ gar nichts weiter dabei, ich muß nur nach etwas bestimmten Ausschau halten, das beobachten und dann wieder zurückkehren.“

Inge war froh, daß sie das so einigermaßen überzeugend herausgebracht hatte und ihr Gegenüber schien damit zufrieden zu sein. Doch Gangolf umkroch plötzlich das Gefühl, daß da etwas nicht stimmte, indes zog er es vor, zu schweigen.
- „Danke trotzdem, Sie sind sehr freundlich.“

Auf dem Weg zu dem Steg griff Gangolf die Konversation wieder auf:
- „Schade, daß ich kein Zweier-Kajak habe, sonst hätten wir eine gemeinsame Tour machen können, ich hab’ heute frei und würde gern wieder einmal auf die Insel kommen, sozusagen mit behördlicher Genehmigung, mir ist das ja sonst nicht erlaubt.“
- „Danke, sehr freundlich, aber ich denke, ich komm’ schon allein zurecht.“
- „Ich hätte ja noch den Ruderkahn, da könnte ich Sie hinüberrudern, würde ich gern machen.“
- „Nein, nein, wie gesagt, was ich dort beobachten muß, unterliegt der Geheimhaltung, ist doch alles so verrückt momentan mit dem Condoma und so.“
- „Ja, da haben Sie Recht, in Bayern spinnen die ja vollkommen, die müssen dort alle mit Gasmasken herumlaufen.“
- „Das wird schon noch bei uns hier auch kommen.“
- „Hoffentlich nicht, ist doch ein Wahnsinn alles.“
- „Die haben dort ja auch den CSU-Schnöder, dem wünsch’ ich ja, daß man sein blödes Gegrinse hinter seiner Maske dann nicht mehr sieht.“

Mit diesen Worten langten sie an dem Steg an, Gangolf ließ das Kajak längs des Stegs in’s Wasser gleiten. Inges Nervosität stieg, sie wußte genau, wie unbeholfen sie sich wieder auf den Sitz plumpsen lassen würde.

- „Warten Sie, ich halte Ihnen das Boot fest, sehen Sie, wenn Sie dann drüben einsteigen auf der Insel, greifen Sie immer erst mit der einen Hand nach hinten an die Einstiegsluke und stabilisieren Sie damit das Boot, damit es nicht wegkippt beim Einsteigen.“

Inge sah ihn fragend an und zögerte.
- „Setzen Sie sich parallel an die Kante des Stegs und dann fassen sie hinunter hinten an die Einstiegsluke.“

Verunsichert blickte Inge auf, tat dann aber, wie ihr geraten worden war.
- „Ja, so und jetzt mit der rechten Hand nach hinten greifen und den Rand fest umgreifen. Ja, gut so, und jetzt hinein.“

Gangolf wollte absichtlich keine Hilfestellung geben, er wollte sehen, ob die Frau geübt war mit dem Kajakfahren. Tatsächlich täuschte er sich nicht in seiner Einschätzung.
Mit schmerzverzerrter Miene kam Inge auf dem engen Plastiksitz zu sitzen, Gangolf konnte sich den Grund dieser Mimik verständlicherweise nicht erklären.
- „Danke, ich komme am Nachmittag wieder“, verabschiedete sich Inge, als der Schmerz in ihrem Unterleib etwas nachgelassen hatte, und stieß sich mit dem linken Arm vom Steg ab.
- „Ja und das Paddel?“ rief ihr Gangolf nach.
- „Ach ja, bin ich durcheinander.“

Gangolf reichte es ihr, sie ergriff es, ohne nach dem günstigsten Griff zu achten, sondern paddelte wild darauf los, indem sie auf der linken Seite wesentlich tiefer eintauchte als auf der rechten.
‚Ob das gut geht?’ fragte sich Gangolf und tatsächlich hatte Inge größte Mühe, nicht mit der Bootspitze in das gegenüberliegende Ufer zu krachen. Sie schaffte gerade noch die scharfe Wendung nach links, die Röte vor Scham und Anstrengung stieg ihr in’s Gesicht. Gangolf rief ihr zu:
- „Und Sie sind sich wirklich sicher, daß Sie da allein hinüber wollen?“
- „Ja, ja, schaff’ ich schon, muß mich erst wieder daran gewöhnen.“
- „Bitte, mein’ ja bloß, lassen Sie sich Zeit, teilen Sie sich die Kräfte ein. Haben Sie denn `was zu Trinken dabei, verdammt, daran hab’ ich gar nicht gleich gedacht.“

Inge hielt mit dem Paddeln ein, drehte sich zu Gangolf um und rief:
- „Danke, heut’ ist nicht mehr so heiß.“
- „Nun denn, gute Fahrt!“

Kopfschüttelnd sah Gangolf ihr nach. Er überlegte, daß er zwar auch oft seine Trinkflasche nicht mitnahm, wenn er nur eine kurze Stippvisite auf die Insel unternahm, doch wenn nun diese Frau als offensichtlich völlig ungeübte Anfängerin dann auch noch den halben Tag ohne Getränk auf der Insel verweilen wollte, das fand er als gesundheitlich riskant. Dank des Klimawandels pflegten die Temperaturen auch Ende September Mittag und Nachmittags dreißig Grad zu erreichen.
Gangolf wartete noch eine Weile, bis Inge aus dem Kanal auf den offenen See hinaus langte, und ging dann gemächlich am Ufer des Kanals entlang zum See, von wo aus er Inge beobachtete, wie diese wild mit viel Gischt der Insel entgegenstrebte, ohne Körpereinsatz.

‚Ach, ich hab’ ganz vergessen, ihr die Fußrasten einzustellen, ich glaub’ nicht, daß sie sich bei ihrer Körpergröße überhaupt abstützen daran kann. Aber ich muß ja auch nicht an alles denken, ich bin ja nicht verantwortlich für sie, daß sie da gut hinüber kommt. Ich bin doch kein Bootsverleih.’
Mit solchen Gedanken wandte sich Gangolf schließlich zum Gehen. Er schlurfte zu seinem Haus zurück und stieg in den Keller, um nach Magda zu sehen. Diese stieg von einem Bein auf das andere, Gangolf konnte mitfühlen, wie der kalte Kellerboden unter den Fußsohlen schmerzte. Er holte ein Brett und stellte es vor Magda hin.
- „Da, steig’ da d`rauf, ist nicht gar so kalt.“
- „Geht schon“, entgegnete Magda und unternahm keine Anstalten, seiner Anordnung folge zu leisten.
- „Hopp, mach’ schon, sonst mach’ ich dich los und es ist für heut’ vorbei mit der Fesselei!“

Nun gehorchte Magda und stieg mit den Zehenspitzen auf das Brett. Gangolf schob dieses weiter nach hinten, so daß sie nun ganz darauf stehen konnte.
- „Ist doch etwas wärmer so als auf dem kalten Zementboden.“

In seine Wohnung zurückgekehrt rief Gangolf im Umweltamt in Lüggen an. Man bestätigte ihm, daß es eine Sachbearbeiterin Namens Inge Langohr gäbe, daß diese Referatsleiterin sei, indes augenblicklich im Urlaub; von einem Auftrag auf der Röthener Seeinsel wüßte man nichts.
- „Dachte ich mir schon“, murmelte Gangolf vor sich hin und beschloß, der Sache auf den Grund zu gehen. Er stieg nochmals zu Magda hinunter und fragte:
- „Ich muß nochmals zur Insel hinüber, soll ich dich freimachen?“
- „Nein, bitte nicht, stell’ die Zeit noch länger ein, es ist so schön, hier im Dunkeln zu stehen. Ach und bitte dunkel das Fenster dort irgendwie ab, es scheint immer noch so viel Licht herein.“
- „Du bist ja vollkommen verrückt. Wie geht es deinen Füßchen?“
- „Gut, paßt alles.“

Gangolf bückte sich und umfaßte ihre Füße, sie waren eiskalt.
- „Ja von wegen, ich hol’ dir Schuhe, richtig schöne, solche hast du wahrscheinlich noch nie angehabt.“
Er ging zur Scheune und holte Inges Stiefeletten, welche sie dort abgestellt hatte. Zu Magda zurückgekehrt forderte Gangolf sie auf:
- „Da, heb’ deinen Fuß.“

Gangolf streifte ihr einen Socken über, den er aus einem der Stiefeletten zog. Er spürte dabei nochmals die eiskalte Haut von Martas Fuß.
- „Es wird höchste Zeit, daß ich dir die Schuhe bringe. So und jetzt schlüpf’ da hinein.“

Ohne zu zögern tat Magda, wie ihr geboten, mit einem Ruck zog Gangolf den Reißverschluß an der Innenseite in die Höhe.
- „So, und jetzt den anderen Fuß!“

Magda verlagerte ihr Gewicht auf das neu beschuhte Bein und wuchs zugleich um gut acht Zentimeter. Sie sagte indes nichts dazu. Nachdem auch die andere Stiefelette ihren neuen Fuß gefunden hatte, wandte sich Gangolf zum Gehen um. Nun wagte Magda doch nochmals ihn anzusprechen:
- „Bitte denke an die Zeit, daß die nicht vorzeitig abläuft, und an das Fenster, bitte, das zu Verdunkeln.“

‚Verrücktes Huhn’, dachte sich Gangolf, ging zu der Zeitschaltuhr, die in wenigen Minuten den Strom von dem Elektromagneten abgeschaltet und damit die Handschellen geöffnet hätte, und verlängerte die Ablaufdauer auf eine Stunde. Dann holte er einen Sack, den er mit einigen Reißnägeln vor das niedrige Kellerfenster heftete, so daß es fast vollkommen finster geworden war.
- „Meinst du wirklich, du willst das noch länger so aushalten?“
- „Aber ja, ich war schon eine ganze Nacht in einer Kiste.“
- „Nun ja, wenn du wirklich meinst, also viel Vergnügen.“

Gangolf tappte in der Finsternis zum Ausgang und stieg die Kellertreppe hinauf. Er legte sich seinen Neopren-Shorty an, füllte die Wasserflasche auf und verstaute sie in dem wasserdichten Beutel.
- „Da will ich doch `mal sehen, was die Lady dort auf der Insel so treibt“, sagte er sich mit einem lustvollen Schmunzeln, zog sein Rennkajak hervor, warf Beutel und Paddel hinein und stapfte den Pfad zum Steg hinunter.

Inge kämpfte verzweifelt der Insel entgegen, die Hitze der immer höher steigenden Sonne trat in den Wettstreit mit der Hitze in ihrem Unterleib, verursacht durch das gnadenlose Reiben des Luststahls in ihren Furchen.
- „Nur noch kurze Zeit, dann ist es vorbei mit den Qualen, du blöder Gürtel“, schrie sie sich den Schmerz aus dem Leib, „und dann landest du im hohen Bogen im Wasser, auf dem Grund des Sees wirst du für immer ruhen.“

Sie ahnte natürlich nicht im geringsten, welche unsägliche Enttäuschung auf sie wartete.













[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von M A G N U S am 04.11.22 um 20:05 geändert
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M A G N U S
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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:12.11.22 14:35 IP: gespeichert Moderator melden


Nun ist es also doch geschehen, erstmals, es gibt immer ein erstes Mal: Während all' meine Sinne darauf gerichtet waren, das Nudelwasser nicht anbrennen zu lassen, kommt es mir dann doch wassergleich siedendheiß in den Sinn, auf die allwöchentliche Fortsetzung des Geschichtleins vergessen zu haben; die verehrte Leserschaft enthielt sich vornehm-distanziert einer diesbezüglichen Nachfrage, so nehme ich an, daß das Ausbleiben nicht schmerzhaft vermißt worden war.

79

Es kam äußerst selten vor, daß ihr eine Fesselung wirklich unangenehm geworden wäre, eher schon die brutalen Behandlungen ihrer Herrin Martina, doch an diesem Tag war es wieder einmal der Fall. So angenehm es zunächst war, daß Gangolf fürsorglich ihr Socken und Schuhe an die Füße gab, so entwickelten sich diese Bekleidungsgegenstände im Verlauf der Stunden für Magda in ihrer gestreckt-gefesselten Lage an dem schweren Kellerregal stehend zu strapaziösen Klötzen, da sie es überhaupt nicht gewohnt war, in hochhakigen Schuhen zu stehen.
Sie verstand nicht, warum Gangolf ihr die alten Chucks abgenommen hatte, worauf sie, barfuß auf dem kalten Kellerboden stehend, eiskalte Füße bekam. Sie hatte auch nicht die geringste Ahnung davon, wo Gangolf diese für ihre zierlichen Füßchen etwas zu großen Treter hergenommen hatte; es interessierte sie auch nicht weiter, doch das stundenlange Stehen mit durchgedrückten Füßen erzeugte in ihr ungewohnte Schmerzwellen. Ständig versuchte sie, einen Fuß abzuheben und durch Kreisen in der Luft die Verspannungen zu lösen, prompt erhöhte sich der Druck dadurch auf den anderen Fuß, so daß sie schnell wechselte, um nun für diesen Entspannung zu suchen.

Magda versuchte auch, den Reißverschluß der Stiefeletten mit dem jeweils anderen Fuß zu öffnen in der Hoffnung, anschließend die Schuhe von den Füßen schleudern zu können, doch mißlangen alle Bemühungen. Sie konnte sich kaum bewegen, ihr Aktionsradius war aufgrund der über dem Kopf gefesselten Hände auf einen Halbkreis von weniger als einen halben Meter vor dem Regal begrenzt. Immer wieder wurden ihre Füße und Waden von Krämpfen erfaßt, die Schmerzwellen breiteten sich über die gesamten Beinlängen bis in die Hüften aus, deren Gelenke mehr und mehr von einem ansteigenden Dauerschmerz befallen worden waren. Sie dachte an die seligen Stunden in der engen Kartoffelkiste zurück, in welcher sie im Kellerabteil von Martinas und Bettinas Wohnung eng eingeklemmt gewesen war.

Nicht den geringsten Vorwurf wollte Magda Gangolf machen, im Gegenteil, dieser fragte mehrfach, ob mit ihrer Situation soweit alles in Ordnung wäre. Seine Idee mit den Absatzschuhen und den warmen Socken war sicherlich gut gemeint gewesen und sie selber war es, welche eine Verlängerung der Fesselung erwünscht hatte. Magda machte die Erfahrung, daß das Zeitempfinden deutlich gestört war unter Schmerzeinwirkung; die Zeit wollte anscheinend nicht vergehen, längst meinte sie, es müßte schon Abend sein, doch durch das mit einem groben Sacktuch verhängte Kellerfenster schimmerte unvermindert das Tageslicht.

Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit begann Magda an ihrer Fesselung zu zerren und zu rütteln, doch gaben Gangolfs selbst hergestellte Handschellen mit dem elektrischen Entriegelungsmagneten nicht nach, sie hielten die Handgelenke unbarmherzig umfangen hinter der Metallstrebe des schweren Kellerregals, in unmittelbarer Nähe zur Kellerdecke. Das einzig angenehme an den Absatzschuhen war die gewonnene Höhe gegenüber ihren Flachlatschen, daß sie nicht mehr ganz so stark längs in die Höhe eingespannt war, sondern an den Armen etwas Spielraum ausnutzen konnte, ohne daß dieser auf Kosten der Handgelenke ging, welche auf diese Weise nicht mehr stark eingeschnürt worden waren.

Um von ihrer unbefriedigenden Situation sich abzulenken versuchte Magda, ihre Gedanken auf Personen zu lenken, denen es ihrer Meinung nach wesentlich schlechter gehen müßte. Sie dachte dabei an ihre Herrin Martina und ihrer Mitbewohnerin Bettina, die vermutlich immer noch in strenger Quarantäne auf engstem Raum in der Zwei-Personen-Zelle des Wohn-Containers an der italienisch-österreichischen Grenze hausen mußten. Sie lag mit ihrer mitfühlenden Einschätzung durchaus richtig, denn das Hausen in der engen Zelle war für beide tatsächlich zu einer höllischen Qual geworden.

Magda malte sich aus, wie es den beiden darin gehen mußte. Sie war zwar noch nie in einer Zelle gewesen, erst recht nicht in einer eines Wohn-Containers, doch hatte sie eine reiche Phantasie, und diese brachte es mit sich, daß Magda eine Weile ihre eigenen Sorgen mit den schmerzenden Füßen und Beinen verdrängen konnte: Schon am frühen Morgen fing es damit an, daß einer der beiden als erste auf die Toilette mußte. Die Schüssel war lediglich durch eine halbhohe Wandplatte von dem übrigen Raum abgetrennt, die Abtrennung war fast wirkungslos, denn die jeweils andere Person bekam aus nächster Nähe alle Geräusche mit, welche das Verrichten des Geschäfts mitsich brachte, von den Gerüchen gar nicht zu reden.

Das durchgängig-ganztägige Eingesperrtsein auf engstem Raum bedeutete eine enorme psychische Belastung. So gut sich die beiden in ihrem bisherigen Leben verstanden, brachen durch die angespannten Daseinsverhältnisse die ureigensten Charaktere hervor. Diese stellten sich als sehr gegensätzlich heraus. Während sich die Pfarrerin Bettina immer weiter in einen Winkel ihrer engen Behausung zurückzog, gewann das dominante Wesen der Oberschwester Martina immer mehr die Oberhand; waren es in ihrem bisherigen Leben in ihrer gemeinsamen Wohnung lustvolle Liebeshandlungen, die sie miteinander zelebriert hatten, steigerte sich Martinas Dominanz zu einer wahren Aggressivität, gegen welche sich Bettina nur erwehren konnte, indem sie sich in ihrem Winkel einigelte, um möglichst geringe Angriffsflächen zu bieten.

Nach wenigen Tagen ist beiden klar geworden, daß nach Ende des Zwangsaufenthalts ein gemeinsames Weiterleben in ihrer Wohnung unmöglich sein würde. Zwar hatte natürlich jede der beiden dort ein eigenes großes Zimmer, dazu noch ein gemeinsames großes Wohnzimmer und eine geräumige Küche, doch würde die Erinnerung an ihren Gefängnisaufenthalt ein friedfertig-gleichberechtigtes Zusammenleben nicht mehr ermöglichen. Bettina versenkte sich in die zur Verfügung gestellten Bücher, hauptsächlich in geisteswissenschaftliche Abhandlungen, während Martina ihre Matratze hervorholte und an die Wand lehnte, um sich daran mit Boxhieben und Schultersprüngen abzureagieren. An ein Gespräch war nicht mehr zu denken, die Mahlzeiten nahmen sie in den entgegengesetzten Ecken ihrer Zelle ein.

An manchen Tagen kam ein Wärter in die Zelle, um sich angeblich nach dem Wohlbefinden der beiden zu erkundigen. Er trug dazu eine dicke militärische Gasmaske, sein Auftritt war furchteinflößend. Immerhin machte er unmißverständliche Angebote an die Damen; während Bettina kaum den Kopf hob, als er eintrat, und sie sogleich jenen wortlos schüttelte, ergriff Martina liebend gern die Gelegenheit, auf diese Weise die enge Zelle verlassen zu können. Der Wärter brachte eine Gasmaske mit, welche sich Martina anstandslos aufsetzte. Dadurch konnte man auf dem Gang vor den Zellen nicht erkennen, daß es sich um eine in Quarantäne gehaltene Person handelte.

Nach den ersten Malen berichtete Martina ihrer Zellengenossin von dem Erlebnis mit dem Mann, sie war noch voll des Adrenalins, das ihre Adern berauschte, sie überschlug sich in der Stimme bei dem Bericht, wie sie es dem Kerl gezeigt hatte und daß dieser unter ihrer Behandlung zu leiden hatte. Martina konnte sich gut vorstellen, wie die Sache abgelaufen war, sie fragte nicht nach, die Schilderungen empfand sie widerlich. Der >Kerl< kam indes immer wieder, stets hatte er die Gasmaske für Martina dabei. In einem solchen Fall holte Martina hurtig ihre Stiefeletten unter dem Bett hervor und schlüpfte hinein.

Bei den Gedanken an Martinas Stiefeletten erwachte Magda aus ihrem Tagtraum, plötzlich verspürte sie wieder die Schmerzen, die von den Stiefeletten ausgingen, in welchen sie nun schon gefühlt seit Stunden stehen mußte. Sie vermeinte auch die Tritte zu spüren, welche sie durch Martinas Stiefeletten erleiden hatte müssen, wenn sie im Hogtie gefesselt vollkommen wehrlos auf dem Boden lag und ihre Herrin sie dazu mit den hartsoligen Stiefeln traktierte.

‚Da ist Gangolf ganz anders’, überlegte sich Magda, ‚der ist so einfühlsam-besorgt, und das hier, das hat er sicherlich gar nicht gewollt, daß mir das weh tut in diesen Stiefeln, ganz im Gegenteil, wahrscheinlich wollte er mir eine Freude machen, daß ich auch einmal solche Schuhe bekam.’
Ihre Gedanken schweiften zu Gangolf, sie gönnte es ihm von Herzen, daß er eine Bootstour unternahm, sie hatte ihn richtig lieb gewonnen, als er mit ihr die langen Strecken auf dem Motorrad gefahren war. Es war ein unbeschreiblich gutes Gefühl, hinter ihm hintenauf sitzen zu dürfen, seinem fahrerischen Können ausgeliefert, in der engen Lederkleidung, mit dem Helm, gleichsam von der Außenwelt durch den Schutzanzug abgetrennt, die Handschuhe, die festen Motorradstiefel; ein Gefühl der Wonne an die kaum einen Tag zurückliegende Motorradreise ließ Magda die augenblicklichen Unannehmlichkeiten vergessen.

Magda machte sich Gedanken, wie es weitergehen würde. Irgendwie war es ihr klar, daß es eine Veränderung geben würde. Wahrscheinlich würde sie ihre kleine Wohnung in Lüggen aufgeben, wahrscheinlich würde sie von nun an ganz hier in Gangolfs großem Haus wohnen wollen. Natürlich mußte sie dazu erst Gangolf fragen, Magda überlegte, wie sie das Gespräch darauf bringen könnte; es fiel ihr schwer, ihren Wunsch jemanden zu äußern. Ihre Herrin Martina hatte ihr das im Laufe der Zeit gänzlich ausgetrieben; sobald sie auch nur ein Wünschlein flötete, erfolgten von dieser drakonische Strafen. Sie sagte sich freilich, daß Gangolf da ganz anders gestrickt war, daß dieser die feinfühlige Fähigkeit besaß, zwischen den Zeilen zu lesen und unausgesprochene Wünsche wahrnehmen konnte.

Martina und Bettina machten sich unabhängig voneinander zur gleichen Zeit in ihrer Quarantäne-Zelle Gedanken, wie sie ihre Zukunft gestalten würden. Bettina beschloß, die Kirchenverwaltung zu ersuchen, sie in eine andere Pfarrei zu versetzen, weiter weg von Lüggen, Brandenburg war groß, da würde sich gewiß eine andere gute Stelle finden. Freilich bedauerte sie, daß die Verbindung zu ihrem zum Freund gewordenen Organisten Gangolf abbrechen würde, doch mußte sie das in Kauf nehmen, um einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Möglicherweise würde sie einen Mann an sich heran lassen; sie dachte unwillkürlich an die beiden Typen, die den Sender in Magdas Zimmer aufgebaut hatten. Diese beiden Kerle waren ihr zwar eher unangenehm, doch im Augenblick der damaligen Situation, an ihre Freundin Martina Rücken an Rücken gefesselt, das war schon ein einzigartig erregendes Erlebnis gewesen.

Auch für Martina stand fest, daß sie aus ihrer gemeinsamen Wohnung ausziehen würde.
‚Soll doch die allein darin hausen, da kann sie sich mit ihren doofen Büchern alles vollstopfen, da kann sie in ihrer Keuschheit vor sich hinvegetieren und philosophieren!’
Sie selbst wollte zu Magda ziehen, schließlich bezahlte sie ja für diese die Wohnung, dann hätte sie ihre Magda ständig bei sich unter Kontrolle, immer in Reichweite, sie könnte ihre ungehemmte Lust an ihr auslassen und diese würde sich freuen, endlich unter ständiger Kontrolle zu stehen. Sie malte sich aus, die gewerblichen Lagerräume im Erdgeschoß zu übernehmen, sie würde den Vermieter so lange beknien, bis dieser ihr die Räume zur Verfügung stellen würde, dann hätte sie Platz, unbändig viel Platz und Raum, ihre Begierden an Magda auszuleben.

Bei den Gedanken, willenloses Opfer ihrer Herrin zu werden, ganztägig, jahrein, jahraus, erwachte Magda erneut aus ihren Träumereien; sie versuchte, diese Gedanken beiseite zu schieben und schalt sich selbst, daß ja noch lange nichts ausgemacht sei, noch längst nichts beschlossen, wie es in dem Verhältnis der drei Frauen und im Verhältnis mit Gangolf weitergehen würde. Vielleicht würde ja auch Birgit in’s Spiel kommen, auch wenn sich diese vorgestern erstaunlich schnell und knapp nach der Motorrad-Rückreise aus Italien und den gemeinsamen Abenteuern an der bayrisch-tschechischen Grenze nach einem letzten Kaffee-Trinken am Lüggener Markt verabschiedete hatte. Nein, mit Martina wollte sie auf keinen Fall dauerhaft zusammenleben, so sehr sie die Dominanz ihrer Herrin genoß, benötigte sie dennoch ihren Freiraum; vor allem wollte sie nicht mehr so grob behandelt werden und Magda fürchtete sich, daß Martinas Methoden nach der sechswöchigen Abstinenz während des Quarantäneaufenthalts noch verschärft werden würden.

Im Laufe ihrer Standzeit an dem Regal lernte Magda, sich möglichst wenig zu bewegen, um die Schmerzen in ihren steifen Gliedern erträglich werden zu lassen. Anfangs versuchte sie im Gegenteil, durch ständige Bewegung, soweit der enge Spielraum sie dazu gewähren ließ, die Steifigkeit, das Abstumpfen, den Schmerz damit zu besiegen. Jetzt gelang es ihr, einen tranceartigen Schwebezustand aus Wachsein und Tagtraum herzustellen; das fahle Licht durch das abgedunkelte Kellerfenster verhalf ihr dabei.

Irgendwann kam Magda der Wunsch nach dem Brunnengraben in den Sinn; Gangolf hatte ihr versprochen gehabt, nach der Rückkehr von der Italienreise mit ihr einen Brunnen zu graben. Das Vorhaben, dazu nach Afrika zu reisen, hatte sie aufgegeben. Sie vertraute darauf, daß sich Gangolf, wie in allen handwerklichen und bautechnischen Dingen, darauf verstand, einen Brunnen zu graben. Sie träumte davon, tief im Schacht zu stehen und mit bloßen Händen den Schlamm in einen Eimer zu befördern, welchen Gangolf dann hinaufziehen würde, um diesen zu entleeren. Sie würde bis zu den Knien im Schlamm stehen, das Grundwasser würde immer höher herauf steigen; der Gedanke daran, mit den Füßen im Schlamm immer tiefer einzusinken, brachte Magda zu einer lustvollen Erregung. Sie würde sich mehr und mehr mit der wässerigen Erde verbinden, eins werden mit dieser urmenschlichen Natur, hatte nicht Gott den Menschen aus Staub und Speichel erschaffen?

Was Magda natürlich nicht ahnte war, wie bald schon ihr Traum von der Verbindung der Elemente Erde, Wasser und Mensch zur verhängnisvollen Wirklichkeit werden würde.
























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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:12.11.22 19:13 IP: gespeichert Moderator melden



Zitat


Nun ist es also doch geschehen, erstmals, es gibt immer ein erstes Mal: Während all' meine Sinne darauf gerichtet waren, das Nudelwasser nicht anbrennen zu lassen, kommt es mir dann doch wassergleich siedendheiß in den Sinn, auf die allwöchentliche Fortsetzung des Geschichtleins vergessen zu haben; die verehrte Leserschaft enthielt sich vornehm-distanziert einer diesbezüglichen Nachfrage, so nehme ich an, daß das Ausbleiben nicht schmerzhaft vermißt worden war.



Manchmal, aber nur manchmal lese ich Deine Geschichte nicht sofort…
… deshalb wurdest Du noch nicht öffentlich an den Pranger gestellt und mußtest Dein angebranntes Wasser verkosten!

Nein im Erst, ich Danke Dir für die viele Mühe und Deine tolle Geschichte!
Ich würde Dich nie angebranntes Wasser trinken lassen, denn wer weiß, vielleicht würdest Du es immer wollen … und das bei den Energiekosten.

Liebe Grüße Ihr_joe

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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:12.11.22 22:19 IP: gespeichert Moderator melden


Auch ich, lieber M A G N U S, habe nur ganz ausnahmsweise davon abgesehen, sofort allen Moderatoren im Forum und der Oberbeitragsrechtzeitigkeitsdirektion Bad und Sankt Hofgastein dreifach kohlepapiererne Meldung zu erstatten.
Jetzt mal ehrlich: Ich bekomme kaum eine zudem kurze Fortsetzung im Quartal hin - also veröffentliche auch gerne mal zu früh, zu spät, doppelt oder sonstwie - Hauptsache, die Geschichte geht weiter. Danke Dir!

[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von modex am 18.11.22 um 22:04 geändert
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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:18.11.22 20:44 IP: gespeichert Moderator melden


Vielen Dank für Euere wohlwollenden Kommentare; es fühlt sich immer gut an, sich begleitet zu wissen auf dem langen Weg der wöchentlichen Veröffentlichungen!


80

Mit kraftvollen gleichmäßigen Ruderschlägen paddelte Gangolf in seinem Rennkajak der Insel entgegen. Er hielt etwas östlicher, denn er wollte nicht an den Steg anlanden, sondern von der Ostseite die Insel betreten, um dann von dieser Richtung aus zu der Lichtung inmitten des Bruchwaldes zu gelangen, aus welcher er am Vortag die Kiste ausgegraben hatte, die ihm als Schatztruhe gedient hatte.

Obwohl Inge in dem roten Kajak, das sie sich von Gangolf geliehen hatte, einen gewaltigen Vorsprung hatte, gewahrte Gangolf gerade noch, wie die rote Heckspitze in die Lücke des Schilfgürtels verschwand, welche zu dem Inselsteg führte.

‚Daß die noch nicht längst auf der Insel ist’, wunderte sich Gangolf und konnte das nur damit erklären, daß sie vermutlich die Einfahrt in dem Schilfdickicht nicht auf Anhieb gefunden hatte. Nun mußte er sich um eine Anlandung bemühen, er reduzierte das Rudertempo und fixierte den Schilfsaum. Nach einer Weile entdeckte er einen größeren Baum, der von der Uferböschung abgekippt war und dessen Stamm auf diese Weise durch den Schilfgürtel hindurch fast bis in das offene Seewasser reichte.

Gangolf fuhr einen größeren Kreis auf den See hinaus, da er für ein enges Wendemanoever bereits zu nahe war. Er erhöhte die Schlagzahl, um wie mit einer scharfen Pfeilspitze mit möglichst viel Schwung durch das Schilf zu gelangen, in der Hoffnung, in die Nähe des umgestürzten Baumstammes zu landen, welchen er als Steg zu benützen beabsichtigte.

- „Ich hätte es besser wissen müssen“, schalt sich Gangolf selber, „das kann mit einem schmalen kippeligen Rennkajak nicht gut gehen!“
Tatsächlich kippte sein Boot bei dem Versuch, in den Schilfgürtel einzudringen. Gangolf bedachte nicht, daß auch unterhalb der Wasseroberfläche, welche wegen der Schilfpflanzen nur schwer zu sehen war, dicke Äste des umgefallenen Baums ruhten, und diese beim Aufprall das Kajak unweigerlich zum Kentern brachten. Irgendwie verfing sich die Spitze des Kajaks in dem Geäst und drückte diese bei der Wucht des Aufpralls tief nach unten, so daß das Boot seitlich schräg im Wasser lag. Gangolf fluchte fürchterlich, als er in dem schilfbedeckten morastigen Wasser stand und zusehen mußte, wie in kürzester Zeit das Kajak voll Wasser lief.

Nachdem sich Gangolf von dem Überraschungsschock einigermaßen erholt hatte, versuchte er, das Boot aus seiner Umschlingung zu befreien, um es über dem Wasser zu drehen, damit das Wasser auslaufen konnte. So sehr er auch daran rüttelte, es gelang ihm nicht.

- „Das kommt davon, den Mädels nachschleichen zu wollen“, sagte er sich selber und Gangolf beschloß, das Boot erst einmal sich selbst zu überlassen und gleich auf die Insel zu waten, um wenigstens das Ziel seinen Vorhabens zu erreichen. Er kämpfte sich durch das Dickicht auf dem Boden des Erlenbruchwalds, das hier an der Ostseite der Insel besonders undurchdringlich im ewigen Dunkel unter den mächtigen Baumkronen wuchs. Nach einigen Minuten erreichte er die Lichtung ziemlich zeitgleich mit Inge, die sich von der anderen Seite auf dem schmalen Zugangspfad näherte. Hurtig bückte sich Gangolf nieder und suchte Schutz hinter einem dichten Buschwerk. Von diesem Versteck aus beobachtete er, wie Inge zielstrebig der Stelle entgegentrat, wo er gestern die Aluminiumkiste ausgegraben hatte.

Gangolf hielt den Atem an, als er Inge dabei beobachtete, wie diese hastig mit ihren Füßen das Gezweige vom Boden wegdrückte, das er gestern über die Mulde gebreitet hatte. Inge bückte sich, nahm ihre Hände zu Hilfe, drang immer tiefer nach unten und schüttelte schließlich den Kopf. Sie seufzte mit merklich erregter Stimme, so daß Gangolf sie hören konnte:
- „Das gibt’s doch nicht, das muß doch da gewesen sein.“

Die Sonne stand jetzt im Zenit, ihre Strahlen gelangten gerade noch über die Baumwipfel, bevor in wenigen Tagen die Lichtung für den Rest des Jahres in Schatten getaucht verblieb. Der Schweiß rann Inge von der Stirn, sie schwitze aus allen Poren, die Anstrengung des Paddelns mit ihren ineffizienten Ruderschlägen, die mehr Gischt aufwirbelten, als zur Vorwärtsbewegung beizutragen, und nun das hektische Graben ließen sie an den Rand des körperlichen Zusammenbruchs treten. Der Keuschheitsgürtel drückte unbarmherzig, das Fleisch brannte unter dem unnachgiebigen Stahl. Als es ihr dämmerte, daß sie anscheinend an der falschen Stelle suchte, ließ sie sich resigniert auf den Boden fallen, sie riß sich die schöne, jetzt vollkommen mit Schweiß durchtränkte Bluse vom Leib und warf diese wutentbrannt im hohen Bogen von sich in das Gestrüpp. Nur noch mit ihren ehemals weißen Shorts bekleidet, dazu Magdas verschlissene Chucks an den Füßen und den Büstenhalter über ihre ansehnlichen Brüste gespannt saß sie neben der freigelegten Mulde und starrte reglos in diese hinunter. Nach einer Weile hob sie den Kopf und drehte ihn suchend nach links und nach rechts. Schließlich sprang sie auf und schritt die Lichtung kreisförmig ab.

‚Wo steckt bloß die verdammte Kiste?’, haderte sie mit sich selber, ‚die kann doch nicht plötzlich verschwunden sein.’
Inges Bewegungen wurden immer hektischer, voll Unruhe scharrte sie bald hier, bald da, vermeinte etwas Glänzendes entdeckt zu haben, was sich aber stets als Täuschung erwiesen hatte. Nach einigen Minuten tobte sie wie eine Furie, Gangolf hörte ihren Atem in kurzen scharfen Stößen gehen, sie kickte das Geäst und Gestrüpp in einem hysterischen Anfall davon. Gangolf wurde es bange, als er Inges Verzweiflung wahrnahm. Als der Tobsuchtsanfall schließlich vorüber gewesen war, ließ sich Inge einfach auf den Boden fallen und blieb minutenlang regungslos liegen.

Gangolf haderte mit sich, ob er seinen Beobachtungsposten verlassen und zu ihr gehen sollte , um ihr seine Hilfe anzubieten. Er fürchtete, daß sie einen Kreislaufkollaps erlitten hätte. Gerade als er sich erhob, beobachtete er, wie auch Inge aufstand, nochmals ausgiebig die Mulde untersuchte und sich dann gefaßten Schrittes von der Lichtung entfernte. Gangolf kam in’s Grübeln: Sie hatte anscheinend die Kiste entdeckt gehabt und wollte wahrscheinlich jetzt das Geld herausnehmen. Alles andere wäre nicht logisch, dachte er sich, daß man sonst so verbissen auf der Lichtung herumsucht.

Nachdem Inge aus dem Blickfeld verschwunden war, überquerte Gangolf die Lichtung und betrat den schmalen Pfad, der diese mit dem Steg am Ufersaum verband. Nach wenigen Metern erspähte er Inge, wie diese kurz davor war, den Steg zu erreichen. Er hielt kurz inne und wartete, bis Inge das schmale Stegbrett betreten hatte. Zu seiner großen Verwunderung erspähte er, wie diese sich nicht dem Kajak zuwandte, sondern die Chucks von den Füssen streifte und in’s Wasser sprang und mit Schwimmbewegungen in der Schilfschneise verschwand.

-„Ist die jetzt komplett wahnsinnig geworden?“ fragte sich Gangolf, „so heiß die Sonne in den Mittagsstunden vom Himmel brennt, so kalt ist es in den Nächten Ende September, und dadurch kühlt das Seewasser gewaltig ab. Ohne Badekleidung erfriert die, bis sie zum gegenüberliegenden Ufer an das Land kommt, noch dazu mit ihrem geschwächten Körper, und dann auch noch dehydriert, verdammt, hoffentlich ist meine Trinkflasche noch in dem Beutel vorne im Kajak.“

Gangolf beschloß, zu dem Steg hinunterzulaufen und mit dem roten Kajak Inge nachzupaddeln und diese zum Aufgeben zu überreden. Gerade als er das Stegbrett betrat, hörte er platschende Geräusche aus dem Schilf. Er zog sich wieder auf die Böschung in den Waldessaum des Ufers zurück und erblickte sogleich, wie Inge nun offenbar beruhigt und gefaßt zu dem Steg watete. Doch anstelle diesen zu erglimmen löste sie in aller Ruhe die Leine, mit dem sie das Kajak festgebunden hatte, holte das Paddel und die Schuhe von dem Steg herunter und legte die Dinge in das Boot. Anschließend ergriff sie die Leine und zog das Kajak hinter sich her, die Schneise hinaus in Richtung der freien Seefläche.

- „Aha,“ sagte sich Gangolf, „da ist sie dann doch noch zur Besinnung gekommen, nicht da hinüber schwimmen zu wollen.“ Er blieb noch eine Weile unschlüssig stehen, bis er tatsächlich das platschende Geräusch vernahm, das Anfänger verursachen, wenn sie die Paddelflächen im flachen Winkel in das Wasser und aus diesem heraus bewegen.

Gangolf trat nun seinerseits den Rückzug an; als er auf die Lichtung kam, fiel ihm Inges Bluse ein, welche jene achtlos in das Gezweige geworfen hatte. Ohne zu wissen, daß es nun bereits die zweite Trophäe war, welche er von Inge in der Hand hielt und von der Insel holte, nahm er das Kleidungsstück und stapfte den beschwerlichen Weg durch das dichte Gestrüpp zur Ostseite der Insel.

- „Jetzt aber an die Arbeit“, munterte sich Gangolf auf, legte Inges Bluse nieder und stieg in das morastige Wasser des Schilfgürtels, in welchem sein Kajak immer noch schräg mit der Spitze feststeckte. Nach vielfachem Rütteln und Zerren, Drücken und Ziehen gelang es ihm schließlich, das Boot aus den Klauen des Geästs des umgestürzten Baumes zu befreien, doch war damit der Kampf noch längst nicht beendet. Fast der gesamte Bootsrumpf war mit Wasser vollgelaufen, er lag schwer vor ihm im Schilf.

Mit hühnenhafter Kraftanstrengung versuchte Gangolf, das Boot anzuheben und zu drehen, damit das Wasser aus der Luke strömen konnte. Immer wieder rutschte er auf dem schlammigen Boden ab, mit einem lauten Klatschen knallte der Bootsrumpf wieder darnieder. Nach einer gefühlten Unendlichkeit ist es ihm schließlich gelungen, den größten Teil des Wassers aus dem Rumpf zu bekommen, so daß er es wagen konnte, sich in die Luke zu quetschen, ohne erneut das Boot zum Kentern zu bringen. Beinahe hätte er auf das Paddel vergessen, das er auf der Uferböschung abgelegt hatte. Als er es holte, fiel ihm auch wieder Inges Bluse ein und nahm auch diese vom Boden auf.

‚Hoffentlich ist die Ärmste jetzt nicht noch einmal umgekehrt, als sie bemerkte, daß sie ihre Bluse liegenlassen hatte', überlegte sich Gangolf, ‚die muß ja total am Verzweifeln sein, wenn sie nun auch diese nicht mehr findet.’

Er wog kurz ab, ob er diese wieder zurückbringen sollte an den Rand der Lichtung, beschloß aber, sie doch wieder an sich zu nehmen; sollte sie umkehren und zur Insel zurückpaddeln, würde er sie auf dem See treffen und er könnte ihr mit der Bluse zuwinken. Schließlich faßte er noch einen Gedanken an Magda: Den Zeitgeber hatte er auf eine Stunde programmiert, Magda müßte also längst aus den Handschellen befreit worden sein, vermutlich ist sie dabei, ein Mittagessen zu kochen. Mit diesem Gedanken weckte er einen Bärenhunger, der ihn von nun ab die ganze Strecke bis zu seinem Haus unbändig begleitete.















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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:25.11.22 20:53 IP: gespeichert Moderator melden


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Die Erfrischung des Bades in dem kalten Seewasser hielt nicht lange her, kaum war Inge von der Insel weg auf den offenen See hinausgepaddelt, brannte die mittägliche Sonne mit ihrer Strahlkraft auf ihren gequälten Körper hernieder, und von unten her brannte das Schrittband des Keuschheitsgürtels erneut in den Furchen ihres Unterleibs. Das Durstgefühl hatte sie dadurch überwunden, daß sie sich dazu hinreißen ließ, das Seewasser zu trinken. Sie war sich den gesundheitlichen Gefahren bewußt, deren sie sich aussetzte, doch überwog der Überlebensinstinkt gegenüber allen Bedenken: Ohne Ersatz des herausgeschwitzten Wassers würde sie in der prallen Sonne und bei der Anstrengung des Ruderns einen Zusammenbruch erleiden.

Inge war überrascht, wie gut sie vorankam: War es bei der Überfahrt zu der Insel hin noch die Gier, mit aller Kraft so schnell es ging den erlösenden Schlüssel zu erheischen, war es die Resignation, welche ihr half, in langsameren, aber dafür viel konzentrierteren Ruderschlägen zurückzupaddeln. Sie traf zielgenau in den Kanal, an welchem der Anlegesteg unweit Gangolfs Hof lag. Als sie in den Kanal mit dem bewaldeten Ufer einfuhr, genoß sie die Kühle des Schattens. Erst beim Aussteigen wurde ihr bewußt, daß sie an ihrem Oberkörper lediglich den BH trug.

- „Ach nein, wo ist die Bluse“, keuchte Inge, als sie sich mit letzter Kraft aus dem Boot auf den Steg empor zog. Vom Steg aus beugte sie sich in die Luke, um im Fußraum nachzusehen, ob sie ihre Bluse dort verstaut hätte. Nachdem sie trotz intensiven Nachsehens diese dort nicht gefunden hatte, setzte sie sich wieder auf und begann zu überlegen, wo sie das Kleidungsstück gelassen hatte, indes gelang es ihr nicht, sich daran zu erinnern.

- „O Scheiße“, schrie Inge heraus und kam zu dem Schluß, daß sie die Bluse vermutlich auf der Insel abgelegt hatte, als sie wie eine Irre nach der Kiste suchte. Vielleicht hatte sie die Bluse aber auch schon während der Überfahrt ausgezogen und nicht zu ihren Füßen in den Rumpf gelegt, sondern irgendwie unachtsam über die Knie gelegt, von welchen sie in das Wasser gerutscht war. Eine weitere Möglichkeit wäre noch, daß sie die Bluse auf den Steg gelegt hatte, bevor sie das kühle Bad in dem See genommen hatte.

Es waren viele Unwägbarkeiten, Inge wollte nicht noch einmal auf Suche gehen, um sodann vielleicht wieder eine niederschmetternde Enttäuschung erleben zu müssen. Sie verspürte auch nicht die geringste Lust, nochmals zu der Insel zu paddeln, ihre Kräfte waren bereits jetzt auf den Nullpunkt angelangt.

Inge griff in die Gesäßtasche ihrer Hose, wo sie ihr Smartphone einzustecken pflegte. Der Schreck war enorm und wie vom Blitz getroffen viel ihr ein, daß sie ihr Smartphone in das Täschchen der Bluse gesteckt hatte, um das Gerät nicht durch das Sitzen auf der harten Sitzschale zu beschädigen. Ein Aufschrei der Verzweiflung breitete sich längs des Kanals aus, denn mit dem Verlust des Smartphones ging der Verlust des virtuellen Autoschlüssels einher, des sogenannten >Perfectly keyless<. Sie hatte diese >App< erst vor kurzem auf ihr Smartphone geladen, damit sie nicht immer den kleinen Schlüssel-Chip herumtragen mußte, von welchem sie annahm, daß sie ihn leicht verlieren würde. Resigniert ließ sich Inge auf den Steg niedersinken, den rauhen Aufprall auf die Planken quittierte der Keuschheitsgürtel mit einem schmerzhaften Impuls auf die geschundenen Furchen ihres Unterleibs.
'Es hilft jetzt alles nichts, ich muß jetzt zu dem Stumpf zurück und ich werde ihm sagen, daß ich die Bluse mit dem Handy darin verloren habe und deshalb nicht mehr in das Auto kann.'

Mit diesen Überlegungen erhob sich Inge, band das Kajak fest und trottete mißmutig den Pfad hinauf zu Gangolfs Hof. Ihr war völlig unklar, wie es weitergehen würde; zwar schätzte sie Gangolf als ehrenwerten Menschen ein, daß dieser ihr weiterhelfen würde, doch wußte sie nicht, wie diese Hilfe aussehen könnte. Ihr absolut vordringlichstes Ziel war, aus dem verdammten Gürtel herauszukommen, alles andere war ihr in dem Augenblick egal, ob sie in ihr Auto kam, wie sie nach Hause kam. Sie würde Herrn Stumpf bitten, mit einer großen Zange das verfluchte Eisen zu durchtrennen, bleibt nur noch das Schamgefühl, das Höschen vor seinen Augen herunterziehen zu müssen. Doch dann besann sich Inge:
'Was soll's, oben herum bin ich nackt, dann wird’s ihn schon nicht umhauen, wenn er mich untenherum auch ohne was sieht!'

Als Inge vor Gangolfs Haustüre stand, kamen ihr doch Skrupel, ob sie klingeln sollte. Andererseits sah sie keine Alternative, hilflos stand sie da, nur mit dem wenigen, was sie auf dem Leib trug. In diesem Augenblick der Entscheidungsfindung begann ihr Darm zu rumoren und sie verspürte plötzlich ein unbändiges Gefühl, dringend auf die Toilette zu gehen. Das Seewassergetränk mit seinen Bakterien zeigte erste Wirkung. Ohne weitere Überlegungen drückte sie beherzt auf den Klingelknopf, prompt antwortete die Klingel mit einem durchdringenden Trällern, in einer Natürlichkeit, welche nur elektrische Klingeln mit großen Klangschalen hervorbrachten.

Nachdem sie eine Weile voll banger Hoffnung verharrte, daß Herr Stumpf ihr die Tür öffnete, stieg Inge ungeduldig von einem Bein auf das andere, um das allzumenschliche Bedürfnis hinauszuzögern. Sie läutete ein zweites Mal, doch wieder rührte sich nichts im Inneren des Hauses. Erst jetzt nahm Inge den Türdrücker wahr, welcher sich an der Außenseite des Tür befand. Gangolf fand es lästig, ständig mit einem Schlüssel bewaffnet umherlaufen zu müssen, nur des Nachts oder wenn er fort fuhr sperrte er ab.

Mit erhöhtem Herzschlag betätigte Inge den Türdrücker und zu ihrer Überraschung sprang die Tür während des Niederdrückens einen Spaltbreit auf. Vorsichtig öffnete sie die Tür und trat zögerlich in den dunklen Flur.
- „Herr Stumpf“, rief sie mit piepsiger Stimme, „Herr Stumpf, sind Sie da, ich bin es, Inge Langohr.“

Inge blieb kurz stehen, um zu lauschen. Nachdem sie keine Reaktion vernahm, beschloß sie, den Gang zu durchqueren auf der Suche nach der Toilette. Sie öffnete die letzte Tür an der Stirnseite des Flurs in der Annahme, dort fündig zu werden. Schnell zog sie indes die Tür wieder zu, als sie dahinter ein Schlafzimmer gewahrte. Bei der davor liegenden Tür auf der rechten Seite hatte sie Glück und trat erleichtert in das Badezimmer ein.
Während ihrer mühsamen Verrichtung des Geschäfts vernahm sie nicht den geringsten Laut, so daß Inge annahm, alleine in dem Haus zu sein.
'Wie arglos der ist', wunderte sie sich, 'immerhin sperrt er jetzt die Scheune zu, aber das Haus läßt er offen!'
Erleichtert trat sie auf den Flur hinaus, nachdem sie sich von den Innereien befreit hatte, das Problem der äußerlichen Befreiung war indes noch lange nicht gelöst.

- 'Verdammt, was soll ich bloß machen?', überlegte sich Inge und ging unschlüssig Richtung Haustür. Plötzlich vernahm sie leise eine helle Stimme, die irgendwo aus der Ferne her kam: „Gangolf“, und nach einer Weile nochmals etwas lauter: „Gangolf“.
'Gangolf', überlegte Inge, 'hieß nicht der Stumpf so? Da ist also noch wer, der nach diesem Typ sucht.'

Neben der Haustür sah Inge die Tür zu dem Kellerabgang halb offen stehen. Einem Instinkt folgend drückte sie die Tür ganz auf und stieg die Stufen hinunter. Unten angekommen tastete sie im Halbdunkel nach einem Lichtschalter und wurde erstaunlich schnell fündig. In dem Moment vernahm sie ein scharrendes Geräusch, das aus einen der Kellerdurchgänge kam.

- „Hallo“, flötete Inge mit zarter Stimme, „hallo, ist da jemand?“
Statt einer Antwort hörte das Scharren auf und es wurde wieder vollkommen still. Inge hielt den Atem an, um besser lauschen zu können. Nach einer Weile vernahm sie ein klirrendes Geräusch, darnach wieder das scharrende.
- „Seltsam“, sagte sie sich in einer ahnungsvollen Eingebung, „da stimmt doch `was nicht!“
Sie betrat kurzerhand den nächstliegenden Kellerraum und tastete nach dem Lichtschalter. Wiederum gelang es ihr auf Anhieb, das Licht einzuschalten, vor ihr sah sie eine Person, ein Mädchen oder eine junge Frau, die mit hochgestreckten Armen an einem Regal lehnte. Diese schien bereits längere Zeit in dem dunklen Raum gestanden zu haben, denn sie schloß vom Licht geblendet sofort die Augen und neigte den Kopf, als Inge die Deckenleuchte eingeschaltet hatte.

- „Ich wollte dich nicht erschrecken“, entfuhr es Inge. Im gleichen Augenblick bemerkte sie, wie ihr Gegenüber mit den Schuhen auf dem Boden hin- und herstrich, was das seltsame scharrende Geräusch hervorrief.
- „Das sind doch meine Schuhe“, rief Inge aus und bückte sich leicht nach vorne, um diese genauer zu sehen.
- „Was machst du denn mit meinen Schuhen da in dem dunklen Keller?“

Als Magda den Kopf hob, erkannte Inge, daß sie es nicht mit einem Mädchen zu tun hatte, sondern mit einer jungen Frau. Diese blinzelte und öffnete schließlich gänzlich ihre Augen, die Blicke der Frauen begegneten sich. Magda wollte trotzig antworten, brachte es aber dann doch nicht über die Lippen: 'Und was machst du mit den meinen?'
Sie fragte dagegen: „Hast du oben Gangolf gesehen?“
- „Äh, nein, meinst du Herrn Stumpf?“
- „Ja.“
- „Nein, oben war niemand. Aber nimm' doch `mal deine Arme herunter, warum stehst du eigentlich da an dem Regal gelehnt und scharrst dauernd mit meinen teuren Schuhen herum?“
- „Ich kann nicht“, bekannte Magda ohne zu Erröten.
- „Was heißt, du kannst nicht?“
- „Meine Hände sind gefesselt.“
- „Was?“
- „Mit elektrischen Handschellen, da oben hinter dem Regelpfosten herum.“

Inge streckte sich, um den Sachverhalt zu betrachten, mit großem Erstaunen fand sie Magdas Beschreibung bestätigt.
- „Wer hat dir denn das angetan, wer hat dich gefangen genommen, dieser Gangolf?“
- „Nein, also ja, das sind besondere Handschellen mit einem Elektromagnet, der löst sie nach einer gewissen Zeit.“
Inge blickte Magda ungläubig an.

- „Ja, dort drüben auf dem Tisch steht so ein Gerät, wo man die Zeit einstellen kann, schau' doch bitte nach, wie lang da noch steht, normalerweise stellt er immer nur so eine Stunde ein, doch heute kommt es mir vor, daß ich schon eine Ewigkeit da stehe.“

Kopfschüttelnd drehte sich Inge nach dem besagten Tisch um und entdeckte dort die Zeitschaltuhr.
- „Restzeitdauer 8 Stunden 52 Minuten“, las Inge von dem Display ab. Magda schauderte, als sie die lange Zeitdauer hörte.
- „Er muß sich vertippt haben, nie stellt er das Gerät so lange ein, vor allem nicht, wenn er nicht zuhause ist.“
- „Wo ist er denn?“, wollte Inge wissen.
- „Er wollte noch eine Runde über den See paddeln. Aber bitte, schalte das Gerät aus oder zieh' den Stecker, daß ich endlich frei komme.“
'Frei kommen würde ich auch gern', kam es Inge in den Sinn und zog den Stecker. Tatsächlich meldete sich der Elektromagnet an den Handschellen mit einem hörbaren Klacken und gab die Bügel frei.

Magda stieß einen Schrei aus, als sie ihre völlig blutleer gewordenen Arme absenkte. Inge wirbelte erschrocken herum und konnte Magda gerade noch rechtzeitig auffangen, ehe diese kopfüber auf den harten Kellerboden gekippt wäre. Magdas Bein- und Fußmuskulatur war völlig steif geworden, unfähig, den Fall aufzuhalten. Auf der nackten Haut ihres entblößten Oberkörpers spürte Inge Magdas kalte Glieder; vorsichtig ließ Inge Magda auf den Boden gleiten, anschließend setzte sie sich neben ihr.

- „Ist das ein Sadist, dieser Gangolf, warum läßt du das zu?“, wollte Inge wissen, „wie heißt du eigentlich?“
- „Man nennt mich Magda, aber nein, Gangolf ist ein ganz lieber Mensch, der hat zwar diese elektrischen Handschellen gebaut, aber ich wollte es, daß er mich da fesselt, ich fand das geil, aber nicht so eine lange Zeit.“

Inge blickte sie verwundert an, noch bis vor wenigen Tagen hätte sie das für vollkommen verrückt bezeichnet, doch seit ihrem Lehrgang in der Kaserne, wo sie als Versuchsperson für das Anlegen behördlich verordneter Keuschheitsgürtel auserkoren worden war, hat sie das erregende Gefühl des Eingesperrtseins kennengelernt und bis zu einem gewissen Grad auch sehr genossen.

- „Der ist also handwerklich sehr geschickt, dieser Gangolf?“, wollte Inge wissen.
- „Ja sehr, der kann alles machen und ich freue mich schon darauf, er hat mir versprochen, daß ich einen Brunnen graben darf.“
Leicht irritiert blickte Inge auf, sagte dazu aber nichts weiter. Es war einzig ein kleines berufliches Interesse, das sie aufhorchen ließ:
‚Brunnen graben, nahe oder gar im Naturschutzgebiet, ist ein klarer Fall für eine Genehmigung durch das Umweltamt.’ Sie verfolgte den Gedankengang nicht weiter, ihr allerdringlichstes Interesse galt der Erlösung von dem Keuschheitsgürtel.
- „Magda, weißt du, was ein Keuschheitsgürtel ist?“
- „Ja freilich, meine Herrin hat so einen und auch ihre Freundin.“

Inge verstand die Welt nicht mehr: ‚Was ist da los, da hängt eine an Handschellen gefesselt in einem dunklen kalten Kellerraum und erzählt davon, daß sie eine Herrin habe, und daß diese und ihre Freundin Keuschheitsgürtel hätten.’
- „Und meinst du, dieser Gangolf könnte solche Keuschheitsgürtel öffnen?“
- „Wie öffnen?“
- „Mit einer Zange oder Metallschere oder so `was.“
- „Hm, weiß nicht, wahrscheinlich schon, der kann alles, hast` wohl den Schlüssel verloren?“

Magda erinnerte sich an das Erlebnis mit den italienischen Zimmermädchen, die sich Martinas und Bettinas Gürtel angelegt hatten und dann in Panik gerieten, als sie die Schlüssel zum Aufschließen nicht gefunden hatten.
- „Ja, so ist es, also wann kommt dieser Gangolf?“
- „Weiß ich nicht, gehen wir halt schon `mal hinauf, ich hab’ Hunger, dann koch’ ich was für uns. Gangolf wird auch hungrig sein.“

Magda massierte ihre steifen Glieder, allmählich kehrte wieder Leben in ihre Adern ein. Gerade als sie versuchte, mit Inges Hilfe sich zu erheben, hörten sie die Haustür gehen.



























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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:03.12.22 05:59 IP: gespeichert Moderator melden


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Als Gangolf die Türklinke zu seinem Haus betätigte, war er ganz in dem Gedanken versunken, Magda in der Küche vorzufinden, wie sie ein kräftiges Mittagessen bereiten würde. Er war enttäuscht, die Küche leer vorzufinden; als er in den Flur zurücktrat, um in’s Schlafzimmer zu gehen, sich die Neopren-Teile vom Körper zu ziehen, gewahrte er aus dem Keller Geräusche.

‚Sollte Magda noch da unten sein?’, kam es ihm in den Sinn, ‚vielleicht holt sie Kartoffeln oder Rüben.’
Trotz dieser sich zurechtgelegten plausibel erscheinenden Erklärung wandte sich Gangolf um und stieg sofort die Kellertreppe hinab, ohne sich zuvor umgezogen zu haben. Zu seinem größten Erstaunen sah er Magda, wie diese mühsam sich vom Kellerboden erhob, während eine andere Frau ihr dabei half. Erst auf den zweiten Blick erkannte er Frau Langohrs Gesicht. Nach den ersten Sekunden der Überraschungsstille ergriff Magda in ihrer in solchen Lagen so vollkommen natürliche Art das Wort und teilte lapidar mit:

- „Die Frau hier hat den Zeitgeber ausgesteckt und dann sind die Handschellen aufgegangen.“
Sie erwähnte nichts davon, daß Gangolf die Zeit anscheinend versehentlich wesentlich länger gestellt hatte, vermutlich elf statt einer Stunde.
- „Und solange sitzt ihr hier auf dem Kellerboden herum?“, wunderte sich Gangolf, „und überhaupt, die Zeit hab’ ich auf eine Stunde gestellt, die müßte doch längst abgelaufen sein!“

Nun mischte sich Inge ein: „Wie auch immer, Magda erzählte mir, daß Sie ein begnadeter Handwerker seien und ich bräuchte ihre Hilfe, es war ja schon sehr nett von Ihnen, daß Sie mir mit ihrem Kanu ausgeholfen hatten, aber jetzt brauch’ ich Sie noch für was ganz anderes.“
Bei den letzten Worten kam Inge leicht in’s Stottern und errötete auch sichtlich.
Gangolf antwortete: „Wollen wir nicht erst einmal hinaufgehen, wo es gemütlicher ist als hier im Keller?“

Jetzt half Magda Inge aus der Verlegenheit: „Nein, Inge braucht dich hier unten in der Werkstatt.“
Erstaunt betrachtete Gangolf seine beiden Gegenüberstehenden; nachdem keine der beiden etwas sagte, fragte er nach:
- „Um was geht es denn?“
Inges Gesicht färbte sich purpurrot ein, sie setzte an, brachte aber kein Wort heraus. Wieder sprach Magda für sie:
- „Sie hat einen Keuschheitsgürtel um, wenn ich das richtig verstanden habe, und hat den Schlüssel verloren.“

Gangolf war erstaunt, Magda für jemand anderen reden zu hören; üblicherweise sagte sie im Beisein einer anderen Person überhaupt nichts, wenn man sie nicht ausdrücklich zu etwas fragte, er überlegte, daß sich die beiden anscheinend gut angefreundet hatten. Es trat eine Stille ein, niemand sagte was zu Magdas Aussage. Gangolf grübelte und in der Stille des Augenblicks fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: ‚Das hast du also da auf der Insel gesucht, auf der Lichtung, den Schlüssel in der Kiste, und da war die Kiste nicht mehr da, dumm gelaufen, und jetzt steckst du fest in deinem Gürtel, aber warum hast du auch den Schlüssel da in die Kiste geworfen?’

Als Gangolf diesen Gedanken nachhing, fiel ihm wieder ein, daß er den Schlüssel in den wasserdichten Beutel geworfen hatte, den er aus der Kiste fischte, als diese kurz vor dem Untergehen war. Er hatte diesen Schlüssel völlig aus dem Bewußtsein gedrängt, jetzt fiel ihm dieser wieder ein. Er grübelte weiter: ‚Du hast also irgendwie die Kiste entdeckt, sie geöffnet, das Geld herausgenommen und dabei ist dir irgendwie der Schlüssel in die Kiste gefallen, ohne es bemerkt zu haben. Es gibt schon seltsame Zufälle. Mensch, hast du Glück, daß ich im allerletzten Moment den Schlüssel aus der Kiste holte, ehe diese unwiederbringlich auf den Grund des Sees herabgesunken war.’

- „Geht doch schon `mal hinauf“, forderte Gangolf die beiden auf, „es wäre schön, wenn ich erst einmal etwas zu Essen bekäme, meine Kajaktour hat mich recht hungrig gemacht.“
Während er diese Worte aussprach, ergriff Magda den Saum von Inges Höschen und zog dieses herunter. Inge ließ sie widerspruchslos gewähren, und sie war sehr froh darüber, daß Magda erneut die Initiative ergriff. Magda und Gangolf waren sehr erschrocken, als sie das blutig-rote Fleisch unter dem Schrittband des Gürtels gewahrten.

- „Um Gottes willen“, rief Gangolf entsetzt auf und Magda sprach:
- „Kannst du da `was machen, daß das Ding aufgeht?“
- „Ja, ich überleg` mir `was, aber geh’ doch bitte in die Küche und richt’ etwas zum Essen her, und Sie, Frau Langohr, legen sich sofort auf’s Sofa im Wohnzimmer, damit sich da nichts entzündet. Ich zieh’ mich schnell um und dann finden wir eine Lösung!“
- „Sagen Sie doch auch einfach Inge zu mir“, entgegnete diese, „und vielen Dank, Sie sind wirklich sehr liebenswürdig.“
- „Ja gut, daß ich Gangolf heiße, das haben Sie, also das hast du ja schon mitgekriegt, so jetzt los, gehen wir hinauf!“

Magda machte sich in der Küche zu schaffen, Gangolf geleitete Inge in’s Wohnzimmer. Inge wollte das Angebot nicht annehmen:
- „Nein, nein, es geht schon, ich helfe lieber Magda in der Küche.“
- „Nichts da, in Ihrem Zustand, also am Ende eitert da noch dein gesamter Unterleib.“

Inge gab ihren Widerstand auf und legte sich auf das Sofa.
- „So, ich zieh’ mich schnell um und dann hol’ ich noch was, damit wir das Ding aufkriegen.“
- „Danke, Gangolf.“

Gangolf verschwand in das Schlafzimmer, um endlich aus den feuchten Neopren-Sachen herauszukommen und angenehm-trockene Kleidung anzuziehen. Anschließend holte er die Trinkflasche aus dem Beutel, dann suchte er dessen Inneres genau ab. Tatsächlich fand er das Schlüsselein, und im Geheimen erfreute er sich bei dem Gedanken, wie dankbar ihm diese Keuschheitsgürtelsklavin sein wird, wenn er lächelnd zu ihr herantreten wird, ihr Höschen herunterzieht, seine kühlen Hände über das errötete heiße Fleisch streichelt, um sich zu dem Schloß heranzutasten.

Auch Inge machte sich Gedanken, wie sich alles entwickelt hatte und sah dankbar der Vorsehung entgegen, daß ausgerechnet dieser Gangolf, dessen Geld sie aus der Kiste auf der Insel entwendet hatte, sie von dem selbsterwählten Unterleibgefängnis erlösen würde. Mit genüßlicher Vorfreude betrat Gangolf das Wohnzimmer und beugte sich über das Sofa. Aus der Küche strömte der Duft angeschmorter Zwiebeln.
- „Schau `mal, was ich da habe“, wandte sich Gangolf an Inge und zeigte ihr den Schlüssel. Inge starrte ihn fassungslos an. Dieser Blick bestätigte Gangolf, daß er mit seiner Vermutung richtig lag, es mußte sich um ihren Schlüssel handeln, um den Schlüssel zu ihrem Keuschheitsgürtel.
- „Zieh’ dein Höschen herunter und dann wollen wir `mal sehen, ob das Schlüsselein da paßt.“

Hurtig streifte sich Inge die Shorts ab, Gangolf blickte erneut mit Entsetzen auf das wundgescheuerte Fleisch entlang des Schrittbands.
- „Das muß ja höllisch brennen, und da hast du heute vormittag noch so eine Kajaktour gemacht, war das wirklich so dringend, deine Beobachtungen da auf der Insel?“

Inge schwieg, sie wollte schon sagen: ‚Nun mach’ schon, steck’ den blöden Schlüssel in das verdammte Gürtelschloß und frag’ nicht lang dumm herum!’
Gangolf reichte ihr den Schlüssel: „Also probier `mal, müßte schon passen!“

Die Schlüsselübergabe erfolgte indes nicht problemlos. Inges Hand begann stark zu zittern, als sie das dünne Ende des Schlüssels ergriff, das Gangolf ihr entgegenhielt. Es kam, wie es kommen mußte: Das dünne Metall entglitt ihren Fingern, der Schlüssel fiel vor dem Sofa auf dem Boden. Elektrisiert schoß Inge in die Sitzposition auf, gleichzeitig bückte sich Gangolf herab, ihre Schädel knallten mit Wucht aneinander. Inge ließ sich auf das Sofa zurückfallen, Gangolf auf den Boden. Als der Schreck vorüber war, griff Gangolf nach dem Schlüssel; wie schon am Tag zuvor fiel es ihm schwer, das dünne Metall von dem Boden aufzunehmen. Inge lugte über die Kante des Sofas, wälzte sich seitlich und griff mit ihrem rechten Arm herum.

- „Laß’ mich machen“, rief sie und drängte Gangolfs Hand beiseite, gerade in dem Augenblick, als er erstmals das Schlüsselein zu greifen bekam. Inges Stoß auf Gangolfs Hand hatte zur Folge, daß dieser die mühsam eingefangene Beute wieder losließ und diese durch den unvermuteten Stoß auf dem glatten Fußboden unter das Sofa rutschte.
- „Das auch noch“, rief Gangolf verärgert aus, seine sonst schier unendliche Geduld näherte sich dem Nullpunkt, was er dem Umstand zuschrieb, sehr hungrig zu sein. Verärgert erhob er sich vom Boden und ging in die Küche.

- „Dann nimm’ doch deinen verdammten Schlüssel selber“, rief er im Fortgehen Inge zu. Plötzlich plagte ihn ein schlechtes Gewissen, er beeilte sich, Magda zu fragen:
- „Habe ich da wirklich eine falsche Zeit eingestellt, daß du so lange da hängen mußtest, das tut mir wirklich sehr leid.“
- „Nein, nein, paßt schon, Inge hat mich ja, ähm, also sie hat den Zeitgeber ausgesteckt dann.“

- „Das machen wir nie wieder“, beteuerte Gangolf, doch Magda blickte ihn geradezu flehentlich an:
- „Doch, bitte, mach’ das wieder, es ist ja nichts schlimmes passiert, etwas Unvorhergesehenes kann immer vorkommen, ich finde dich so lieb, daß du mich nie schlägst und so, das wäre schlimm, Martina würde mich jetzt sicher bestrafen, daß ich mich von Inge befreien lassen habe.“

- „So ein Quatsch“, entfuhr es Gangolf, doch er wußte, daß Magdas Befürchtung stimmte. Martina als eingefleischte Sadistin bestraft auch dann oder besonders dann, wenn ihr Opfer an einer Situation gar nichts dafür konnte. Mit Schaudern erinnerte sich Gangolf an eine Stelle in dem Galeeren-Roman, wo eine Sklavin zur Auspeitschung auf das Podest gebracht worden war. Da die auspeitschende Aufseherin neu war und noch nicht die Vorschriften kannte, versetzte sie die Peitschenhiebe auf die Brust des erbärmlichen Opfers. Es war selbstredend, daß die Hiebe dort ungleich schmerzhafter waren als auf dem Rücken. Als das fehlerhafte Vorgehen endlich bemerkt wurde, prasselten von da ab die Hiebe auf den Rücken ein, indes wurden die bereits auf die Brüste erteilten Schläge nicht mitgezählt, die Zählung begann von vorne.

- „Ja, du hast recht, die Martina ist so d`rauf, die bestraft dich, obwohl sie es ist, die die Fehler macht, sie läßt einfach die Wut an dir ab, ich werde mich von ihr distanzieren, wenn sie wieder aus ihrer Quarantäne zurückkommt.“

Magda machte eine wegwerfende Handbewegung und fragte:
- „Hast du den Keuschheitsgürtel schon aufgekriegt?“
- „Nein, es ist ein Mißgeschick passiert, sie hat mir ihren Schlüssel aus der Hand gestoßen und der ist jetzt unter das Sofa geschlittert.“

Im gleichen Augenblick erschien Inge im Türrahmen und rief erregt:
- „Was heißt da mein Schlüssel, es ist deiner, du hast ihn gebracht!“
- „Ja und jetzt, hast du ihn hervorgeangelt?“
- „Nein, er ist wohl zu weit hinunter gerutscht!“
Ratlos starrten sich Inge und Gangolf an. Magda ergriff die Initiative:
- „Jetzt essen wir erst einmal und dann können wir ja das Sofa vorschieben!“

- „Gute Idee“, pflichtete ihr Gangolf bei. Inge indes setzte eine böse Miene auf, sie hätte viel lieber gleich das Sofa vorgeschoben, sie wollte keine Minute länger in ihrem Unterleibkäfig gefangen bleiben. Andererseits mußte sie sich eingestehen, daß der Duft des frisch zubereiteten Essens ihr Hungergefühl geweckt hat, darüber hinaus hat das Ausruhen auf dem Sofa tatsächlich für eine Entspannung gesorgt.
- „Also setzt euch, was möchtest du trinken, Inge?“
Wortlos schenkte sie Gangolf das Bier ein, sie brauchte ihn gar nicht mehr zu fragen. Inge bedankte sich für das Wasser.

Das Essen lief weitgehend still ab. Abgesehen von den rein technischen Erfordernissen, beispielsweise nach Gewürzen oder Salat-Dressings, gab es kaum einen Grund, ein Wort zu wechseln. Inge und Gangolf wollten sich gegenseitig aushorchen, doch keiner ergriff die Initiative, keiner der beiden wußte, wie man das Verhör anfangen sollte. Schließlich hing jeder der Anwesenden seinen eigenen Gedanken nach; Magda freute sich auf das Brunnengraben, Inge fieberte dem Schlüsselchen entgegen, Gangolf sonnte sich in der Vorfreude des großen Erlösers. Keiner der drei ahnte, welche Enttäuschungen ihnen bevorstehen würden.








































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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:06.12.22 22:18 IP: gespeichert Moderator melden


Zitat

Keiner der drei ahnte, welche Enttäuschungen ihnen bevorstehen würden.


Hallo M A G N U S,

du verstehst es perfekt, den Spannungsbogen aufrecht zu halten.

lg
Sarah
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M A G N U S
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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:10.12.22 07:40 IP: gespeichert Moderator melden




Hallo Sarah,
das freut mich, daß Du das so empfindest mit dem "Spannungsbogen", schauen wir, wie das weitergeht...



83

Nach der Mahlzeit fühlten sich alle drei wieder richtig wohl und gestärkt; problemlos schoben sie das geräumige über Eck zusammengeschraubte Sofa aus dem Winkel hervor, inmitten von Staubnestern fand sich das begehrte Objekt, der Schlüssel zu Inges Keuschheitsgürtel. Gierig sprang Inge mit den Knien auf das Polster, plazierte ihre Brüste auf die Lehne und ruderte mit den Armen auf den staubigen Boden hinter der Lehne herum. Mit erstaunlicher Leichtigkeit gelang es ihr, das angebetete Metall aufzuheben, sie hielt es andachtsvoll in der Hand wie der Priester die geweihte Hostie. Langsam wendete sie sich herum, den Schlüssel dabei in die Höhe haltend, daß jeder der beiden Umstehenden die Reliquie eingehend verehren konnte.

Magda wendete sich ab und zerrte aus einem Winkel im Flur den Staubsauger hervor.
- „Schalt doch `mal den Krachkasten aus“, rief Inge Magda zu. Gangolf entgegnete:
- „Nein, nur zu, du hast vollkommen recht, wenn wir das Sofa schon einmal vorgeschoben haben, können wir gleich `mal sauber machen dahinter, danke, Magda, sehr aufmerksam von dir!“

Inge zog sich derweil das Höschen herunter, ohne den Schlüssel aus der Hand zu lassen. Im Stehen versuchte sie, diesen in das seitlich angebrachte zentrale Schloß des Gürtels zu stecken. Ihre Nervosität wuchs dermaßen an, daß sie das Vorhaben unterbrechen mußte, mit bebender Stimme übertönte sie das Staubsaugergeräusch:
- „Ich muß auf’s Klo!“

Gesagt, getan – sie vergaß vollkommen, daß ihre Fußknöchel mit den Shorts umfangen waren; als sie den ersten Schritt unternahm, um schnell zur Toilette zu gelangen, stolperte sie prompt und riß sich dabei das Höschen auf. Sie konnte sich zwar mit den Händen auf dem Boden abstützen, dabei öffnete sie indes die Finger und ihr Allerheiligstes schlitterte erneut davon. Ohne sich darum zu kümmern, rappelte sich Inge hurtig auf, befreite sich von dem Fesselutensil und kickte die verbleibenden Fetzen ihres einstmaligen Beinkleides in die Ecke. Sie hatte es nun äußerst dringend, auf die Kloschüssel zu kommen, sie hielt sich nicht einmal damit auf, die Badtüre zu verschließen. Kaum war sie zu sitzen gekommen, prasselte es durch das zentrale Loch, aber auch seitlich aus dem Schrittband heraus.

- „Die ist ja fix und fertig“, kommentierte Gangolf das Geschehen, während Magda den Staubsauger abstellte. Sie schoben das Sofa an seinen Platz, Magda klopfte die Polster mit der flachen Hand ab und verräumte den Staubsauger. Gangolf entdeckte das Schlüsselein, ohne jedoch diesmal den Versuch zu unternehmen, es aufzuheben. Als Magda den Staubsauger verräumt hatte und wieder in die Küche eilen wollte, rief er ihr zu:
- „Ach, Magda, bleib’ doch bitte noch da und sei so gut und heb’ ihren Schlüssel da auf, mir fällt das so schwer und wenn die das wieder macht, die ist ja so nervös und läßt ihn gleich wieder fallen!“

Inge hörte das Gesprochene mit, sie wagte keine Widerrede, denn sie hatte zu tun, sich ganz auf das Verrichten des Geschäfts zu konzentrieren. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte Gangolf angebrüllt:
- „Es ist doch dein verdammter Schlüssel, den du da irgendwo hergezogen hast, nicht meiner.“
Doch im Geheimen wußte sie, daß es ihr Schlüssel sein mußte, wie sollte Gangolf an solch einen behördlichen Keuschheitsgürtel gelangt sein, die unter schwerem Verschluß standen, die der höchsten Geheimhaltungsstufe unterlagen, um nicht die Bevölkerung vorzeitig zu alarmieren. Es ist ja schlimm genug, wenn demnächst die Gasmaskenpflicht kommt. Mit diesen Gedanken beendete Inge ihr Geschäft, Magda legte den Schlüssel auf das Wohnzimmertischchen, sie wollte wieder in die Küche gehen.

- „Bleib’ doch noch da, ich glaub’, die Inge braucht dein Mitgefühl und es wär’ mir schon viel lieber, ich wär’ nicht allein mit ihr in so einer Situation!“
Nun erhob Inge die Stimme und rief aus dem Badezimmer:
- „Geht nur, ich mach’ das selber, danke für den Schlüssel, Magda.“
‚Das ist natürlich auch eine Lösung’, dachte sich Gangolf, ‚umso besser, dann helf’ ich Magda in der Küche.’
- „Komm’, gehen wir in die Küche, bis sich die Inge wieder hergerichtet hat, den Schlüssel hast du ihr ja hingelegt!“

Magda und Gangolf gingen in die Küche, während sich Inge von der Schüssel erhob. Gewohnheitsmäßig griff sie nach unten, um Schlüpfer und Hose hinaufzuziehen, indes griff sie in’s Leere:
- „Ach, verdammt, liegt ja noch im Wohnzimmer“.

Als Inge an ihren Beinen entlang nach unten sah, wurde ihr erst wieder bewußt, daß sie immer noch die alten Chucks an den Füßen hatte; sie mußte zwar insgeheim zugeben, daß Gangolf sie heute am Vormittag richtig beriet, diese gegen ihre schönen Gabors einzutauschen, doch überlief ihr bei dem Gedanken, diese alten verschlissenen Treter einer anderen Frau an den Füßen haben, ein leichter Schauer herunter. Sie beschloß, daß sie sofort diese vermutlich nicht schlecht stinkenden Dinger abschütteln würde, sobald sie jetzt gleich den Gürtel geöffnet haben würde.
‚Wie komme ich nur auf so nebensächliche Gedanken’, schalt sie sich selber, ‚als hätte ich jetzt nichts wichtigeres im Sinn als die dämlichen Latschen.’ Was sie bislang noch überhaupt nicht bedacht hatte, war die Tatsache, daß sie, nachdem sie nun auch ihr Höschen durch ihre Unaufmerksamkeit und Hast zerrissen hatte, bis auf ihren BH völlig nackt dastand.

Mit schnellen kurzen Schritten eilte Inge durch den Flur dem Wohnzimmer entgegen, im vorderen Bereich zur Haustür zu sah sie im Halbdunkel ihre schönen Gabor-Stiefeletten ordentlich an der Wand stehen. Jetzt erst fiel ihr ein, daß die ganze Zeit über Magda hier im Wohnzimmer, aber auch schon zuvor in der Küche, barfuß war.
‚Immerhin hat sie soviel Anstand, meine Gabors ausgezogen zu haben beim Kochen, wäre ja schlimm, wenn da Essenssachen, gar Fett oder Öl auf die teueren Schuhe gefallen wären.’

Hurtig ergriff Inge den Schlüssel von dem Wohnzimmertischchen und steckte ihn in das Schloß des Keuschheitsgürtels. Gangolf verhielt sich in der Küche ruhig und gab Magda das Zeichen, sich gleichfalls still zu verhalten; er wollte hören, ob es Inge nebenan im Wohnzimmer gelingen würde, den Gürtel zu öffnen. Doch es trat kein Jubel an ihr Ohr, auch nicht ein kurzes knackiges Geräusch, aus welchem sich schließen ließe, daß das Gürtelschloß aufgesprungen wäre und das hochentzündete Fleisch freigäbe. Nach einer Weile der Lauschens zuckte Gangolf mit der Schulter und er fuhr mit Magda fort, die Küche aufzuräumen.

- „Was ist denn nur mit der?“, raunte Gangolf Magda zu, „hat sie es endlich geschafft, den Schlüssel in das Schloß zu stecken? Wo bleibt sie nur so lang?“
- „Soll ich nach ihr sehen, vielleicht schämt sie sich, im Eva-Kostüm hier hereinzukommen, sie hat ja nichts mehr zum Anziehen.“
- „Das kann sein, ja, du bist wirklich sehr mitfühlend, Magda.“

Im selben Augenblick erbebte das Haus in einem gellenden Schrei. Beide, Magda und Gangolf, stürzten aus der Küche. Was sie vom Flur aus im Wohnzimmer sahen, war eine völlig verzweifelte Frau, die einen abgebrochenen Schlüssel empor hielt und just in dem Moment, in dem die beiden eintraten, mit voller Wucht ohne Gegenreaktion zusammenbrach und mit dem Kopf auf die Kante des Tischchens aufschlug. Regungslos lag Inge auf den Boden, im Zeitlupentempo rutschte ihr Kopf von der Tischkante herunter. Entsetzt sprangen Magda und Gangolf hinzu, konnten indes keine blutende Wunde an ihrem Körper feststellen.

- „Nimm’ ihren Kopf,“ forderte Gangolf Magda auf, „wir legen sie auf das Sofa!“
Mit Adrenalin vollgepumpt war es für Gangolf ein Leichtes, unter den zusammengerollt daliegenden Körper zu greifen und diesen mit einem Ruck empor zu heben, während Magda fürsorglich ihren Kopf hielt. Auf dem Sofa liegend öffnete Inge die Augen und blinzelte die beiden an, sie wollte etwas sagen, formte die Lippen, brachte aber zunächst keinen Ton heraus.

- „Wir rufen gleich einen Rettungswagen!“, rief Gangolf, doch nun schaffte es Inge, die Stimme zu erheben:
- „Nein, nein, bitte nicht, solang’ ich noch in dem blöden Ding eingesperrt bin.“
Magda kam mit einem Lappen herein, den sie mit kaltem Wasser getränkt hatte. Sie legte ihn auf Inges Stirn. Diese ließ das anstandslos gewähren und bedankte sich mit einem lächelnden Blick.
- „Geht schon wieder“, hauchte Inge, „laßt mich noch kurz ausruhen, dann setz’ ich mich wieder auf.“

Nach einer Weile nahm Inge den Lappen von Inges Stirn herunter, um diesen wieder mit kaltem Wasser zu tränken. Deutlich wuchs an Inges Stirn ein blau unterlaufenes Horn heran. Anscheinend war Inges Adrenalinpegel ausreichend hoch, daß sie allen Schmerz vergaß und nach einigen Minuten sich aufrichtete und sich an Gangolf wandte:
- „Mach’ doch was mit dem verdammten Gürtel, wieso sperrt denn der Schlüssel nicht, wieso hast du mir da so einen Scheiß-Schlüssel gegeben, ist doch klar, daß der nicht sperrt, wenn er zu deinem Gürtel paßt, jedes Schloß ist doch anders!“

‚Sie findet wieder zu ihrer kämpferischen Form zurück’, dachte sich Gangolf, ‚ein gutes Zeichen, vielleicht brauchen wir tatsächlich nicht gleich einen Sani.’
- „Ich hab’ diesen Schlüssel gefunden“, fuhr Gangolf fort, „ich dachte, ja ich war mir ganz sicher, daß er zu deinem Gürtel passen müßte.“
- „Wo hast du ihn denn gefunden?“ gab Inge patzig zurück. Sie verdrängte vollkommen, daß sie in der wesentlich schwächeren Position war. Erst nach einigen Sekunden kam es ihr in den Sinn, daß Gangolf sie bei seinen Kräften problemlos über die Schulter werfen und auf den Hof hinaus zu ihrem Auto befördern konnte, Magda wäre wahrscheinlich so nett, und würde ihr die Gabor-Stiefeletten nachwerfen.
Gangolf entgegnete: „Wo hast du ihn denn verloren?“

‚OK’, dachte sich Inge, ‚die Schlacht ist eröffnet.’
- „Wenn ich das wüßte, hätte ich ihn ja längst wieder gefunden.“
Gangolf ließ nicht locker:
- „Üblicherweise sucht man Schlüssel, wo man sie gewöhnlicher Weise ablegt, oder an Stellen, an denen man sich bewegt hat, wo er herausgerutscht sein könnte, unterwegs irgendwo, aus einer Tasche.“
- „Sehr schlau, Herr Kommissar.“

- „Also jetzt sei bloß nicht pampig, du darfst jederzeit aufstehen und mit deinem Karr’n da draußen abhauen. Magda bereitet dir ein Mittagessen, ich leih’ dir ein Boot und jetzt maulst du uns an, weil ich dir Ratschläge gebe, wo dein verlorener Schlüssel liegen könnte.“

Inge schwieg. Nach einer Weile knüpfte Gangolf mit einer weiteren Frage an:
- „Was für dringende Aufzeichnungen waren das eigentlich, die du da heute Vormittag erledigen mußtest. An deiner Stelle hätte ich ja so einen behördlichen Mist sein lassen, bis ich diesen Schlüssel wieder gefunden hätte, vor allem, wenn du dich mit dem aufreibenden Gürtel auf den harten Sitz in einem Kajak setzen mußt.“

Wieder schwieg Inge, sie biß sich auf die Lippen und versuchte, sich zu erheben. Gangolf drückte sie sanft in die Horizontale zurück:
- „Wart’ noch eine Weile.“

Nach einigen Sekunden der Stille setzte Gangolf wieder an:
- „Sag’ `mal, wieso fällt es dir so schwer, zuzugeben, daß du auf der Insel nur deshalb warst, um den Schlüssel zu suchen?“
Inge stieß einen leichten Seufzer aus, sie überlegte: ‚Was weiß der schon davon, daß ich dort nach dem Schlüssel gesucht habe.’
Da von Inge wiederum keine Antwort kam, fuhr Gangolf fort:
- „Ich erzähle dir jetzt eine kleine Geschichte. Ich hab’ keinen Schlüssel verloren, aber ich hab’ einen Schlüssel gefunden. Wie du weißt, darf ich, ja ich muß sogar als Besitzer dieser Insel mehrmals im Jahr nach dem rechten dort sehen, ob die Ufer gesichert sind, ob der Steg fest ist. Und bei so einer Überprüfung findet man die unglaublichsten Sachen.“

Nun faßte Inge nach:
- „Nun sag’ bloß, du hast dort den Schlüssel gefunden.“
- „Sagen wir `mal so, nicht direkt auf der Insel, aber in einer Kiste, die auf dem See trieb.“
Daß sich die Kiste vorher durchaus auf der Insel befand, verschwieg Gangolf, ihm gefiel die Neckerei, es einer eingebildeten Verwaltungsbeamtin so richtig heimzuzahlen, und er vermutete nicht ohne Grund, daß sie das Geld aus der Kiste genommen hatte.
- „Eine Kiste, die auf dem See schwamm, eine Holzkiste also?“ wollte Inge wissen.
- „Nein, erstaunlicherweise eine Aluminiumkiste, sie schien fest verschlossen zu sein, so daß sie nicht unterging.“
- „Und da lag ein Schlüssel d’rin?“
- „Ja genau, neugierig wie ich bin, öffnete ich vom Boot aus die Kiste, sah allerdings darin nichts weiter als einen kleinen Schlüssel; es gelang mir mit Müh’ und Not, den herauszufischen, gerade noch rechtzeitig, eh’ die Kiste jetzt absoff und schon im Absinken begriffen war, denn durch den geöffnete Deckel floß natürlich das Wasser hinein.“

Inge schwante, daß sie Gangolf nichts mehr vormachen konnte, daß dieser sie umzingelte wie das Raubtier das Beutetier. Es fiel ihr nichts Geistreiches ein. Sie fragte:
- „Und sonst war nichts in der Kiste?“
- „Nein, sonst war nichts mehr d’rinn. Höchstvermutlich war ursprünglich schon was d’rinn, denn man wirft doch nicht einfach eine teure, gute, anscheinend ausreichend wasserdichte Kiste in den See.“
‚Es ist tatsächlich mein Schlüssel, zu meinem Keuschheitsgürtel, aber warum sperrte er dann nicht?`, grübelte Inge verzweifelt.

Gangolf fuhr fort:
- „Sag’ `mal, während deiner Expedition heute vormittag, warst du da auch der Lichtung, auf welchem ihr damals euer Zelt aufgestellt habt?“
‚Was weiß denn der von unserer Expedition, als wir im Herbst da waren wegen der Zugvögel? Ach so, klar, das war der Typ, der gleich am ersten Abend an unserem Zelt vorbeischlich und der vermutlich sich an der Kiste zu schaffen machte, die Barbara dann dort am Rand der Lichtung gefunden hatte. Was sollte nun seine Fragerei wegen der Lichtung, ist doch alles vorbei, sie liegt hier, und wäre sie nicht auf die Hilfe von ihm angewiesen, würde sie längst davonspringen und ihm den Teufel wünschen.’

- „Äh, was wolltest du wissen?“
- „Also auf der Lichtung, auf der Insel, da war ich neulich und da war das Gras ganz arg niedergetrampelt. Ist dir da was aufgefallen, heute vormittag, als du da hinübergerudert bist?“
- „Äh, nein, alles ganz normal.“
- „Und woher kommt es, daß dein Höschen, oder was davon noch übrig ist, gar so dreckverschmiert ist, oder gar die Schuhe, schau’ nur, aus denen rieselt ja jetzt noch der Sand. Hast du damit die halbe Insel umgepflügt?“

Tatsächlich bemerkte Inge erst jetzt, daß sie mit fast jedem Tritt, den sie hinterließ, eine feine Sandspur hinterließ von den Sandkörnern, die aus den länglichen Ritzen der verschlissenen Schuhe herausquollen. Die Gummikappe der Chucks verliehen den Zehen zwar einigermaßen Schutz, konnten aber nicht verhindern, daß der Sand weiter hinten eintrat.

- „Nehmen wir einmal an, es hat jemand tatsächlich den Schlüssel verloren, als er sich über die Kiste beugte, um aus dieser etwas herauszunehmen, dann würde ich es verstehen, daß dieser Person tatsächlich der Schlüssel zum Beispiel aus dem Täschchen einer Bluse herausgepurzelt ist. Aber dann müßte er oder sie das doch gleich merken, daß in der nunmehr leeren Kiste nur noch dieser Schlüssel einsam und verlassen liegt. Ich versteh’ das nicht.“
- „Ach Gangi,“ mischte sich erstaunlicherweise an dieser Stelle Magda ein, „wird halt so sein, daß der den Schlüssel absichtlich hineingelegt hatte, nachdem er vielleicht alles herausgenommen hat, was vorher darin war. Aber jetzt einmal was anderes: Soll ich Kaffee machen, vielleicht hilft dir das wieder auf die Beine, Inge, was meist du?“

Inge versuchte ein Lächeln.
- „Ja gerne, schlimmer kann es nicht mehr werden mit dem Brummschädel, aber bitte, laßt mich jetzt in Ruhe mit der Fragerei, mir schwirrt ohnehin der Schädel.“

Magda verschwand in die Küche, Gangolf entgegnete:
- „Tut mir leid, wenn ich dich genervt hatte, aber das kommt mir alles so komisch vor, so unwirklich, da finde ich einen Schlüssel in einer anscheinend herrenlosen Kiste, der rein zufällig in das Schloß deines Keuschheitsgürtels paßt, da ruderst du heute Morgen mit aller Entschlossenheit allein zur Insel und kommst jetzt zurück mit der Bitte, dich von dem Gürtel zu erlösen. Aber stimmt schon, eigentlich wollte ich dir ja meine Geschichte erzählen, ich hab’ nämlich auch was verloren, nicht nur einen Schlüssel im Wert von vielleicht 50 Euro, sondern meine sämtlichen Ersparnisse, und die hab’ ich zufällig in so einer Aluminiumkiste aufbewahrt und noch zufälligerweise finde ich gestern diese Kiste auf dem See schwimmend, leer, ausgeraubt, einzig mit einem Schlüssel gefüllt, der zu deinem Schloß paßt.“

Nach einer kurzen Pause, in welcher Inge versuchte, ihre Gedanken zu sortieren, entgegnete sie:
- „Er paßt eben nicht, sonst wär’ er nicht abgebrochen.“
- „Hm, da hast du natürlich recht, aber es kann auch am Schloß liegen. Diese feinen kleinen Schlösser, das gilt auch für Vorhängeschlösser, haben so eine filigrane Mechanik darin, daß da kein Sandkörnchen hineingelangen darf.“

Inges Kampfgeist ist bei dem Duft des Kaffees, der sich aus der Küche über den Flur Richtung Wohnzimmer ausgebreitet hat, wiedererlebt:
- „Die Dinger sind absolut wasserfest, hat man uns auf dem Lehrgang gesagt.“
‚Oh, verdammt, jetzt wird er gleich zurückfragen, war für ein Lehrgang, und was hat das mit wasserfesten Keuschheitsgürtelschlössern zu tun.’

Zu Inges Erleichterung äußerte sich Gangolf diesbezüglich nicht, er fuhr vielmehr mit der Sandgeschichte fort:
- „Wasser ja, aber richtig schmutziger Dreck, kann es sein, daß du beim Baden in einem Gewässer den Gürtel anhattest, und du bist in seichtes Wasser gesprungen und dann bist du unten aufgeschlagen und hast schlammiges Sand-Morastgemisch aufgewirbelt, das sich in das Schloß festgesetzt hat?“
- „Ja – das kann sein,“ gab Inge zögerlich zu. In dem Moment kam Magda mit einem Tablett herein, auf welchem sie das Kaffeeservice gestellt hatte.
- „Seid ihr immer noch am diskutieren, warum der Schlüssel nicht sperrte und gar abgebrochen ist, also wichtig ist doch jetzt, wie wir Inge helfen können, aus dem Gürtel herauszukommen.“
- „Du hast vollkommen recht, Magda, ich wollte als Techniker nur verstehen, wie ein Schlüssel nicht passen kann, obwohl er anscheinend schon der richtige ist. Und ich wollte Inge damit trösten, daß ich im Gegensatz zu ihrem Schlüsselein fast meine gesamten Ersparnisse verloren habe, und die kann mir niemand mehr so einfach zurückbringen, fürchte ich, denn welch ein Dieb raubt mir das Geld aus der gut versteckten Kiste und brächte es mir dann doch wieder zurück?“

Magda ging darauf nicht ein, sondern wandte sich an Inge:
- „Kannst du dich aufrichten, um ein paar Schlucke zu nehmen?“
- „Ja, das wird schon gehen“, sagte Inge lächelnd zu Magda. Diese nahm den kühlende Lappen von der Stirn und Inge richtete sich vorsichtig auf dem Sofa auf.
- „Oh, verdammt, ich hab’ ja immer noch deine Schuhe an, bitte entschuldige, jetzt habe ich dir alles voll gemacht, da rieselt immer noch Sand heraus.“
- „Ist nicht so schlimm, es freut mich, wenn sie dir geholfen haben.“

Inge wollte sich nach vorne beugen, um die Schnürsenkel zu lösen.
- „Laß’ nur, warte, ich mach’ dir das“, rief ihr Inge zu, umrundete den gedeckten Wohnzimmertisch und kam von der anderen Seite zu dem Sofa heran, ergriff die Bändel, löste die Knoten und zog die Chucks vorsichtig von Inges bloßen Füßen. Magda erkannte, wie der Sand die Fersen aufgescheuert hatten. Mitleidsvoll strich sie über Inges Fußsohlen und befreite die Zehen von den Sandkörnchen, die sich in der Nässe der Zwischenräume gehalten hatten.

- „Ach, wie bist du fürsorglich, hat dich das deine Meisterin gelehrt?“
- „Äh, nein, das ist doch Pflicht, einem Gast und jedem Menschen Gutes zu tun.“
‚Mit deiner Einstellung wirst du nie Abteilungsleiterin’, dachte sich Inge, doch sie behielt ihre Gedanken für sich.

Der Kaffee wirkte anregend und beruhigend zugleich. Inge spürte zwar aufrecht sitzend sofort wieder das Hämmern in ihrem Kopf, doch es war auszuhalten. Wesentlich unangenehmer meldete sich der Schmerz in ihrem Unterleib zurück, sobald sie in die sitzende Position kam, selbst auf dem weichgepolsterten Sofa.

- „Entschuldigen Sie, Herr Stumpf, sehen Sie noch eine Möglichkeit, den Gürtel irgendwie zu durchtrennen?“
- „Kehren wir jetzt wieder zum Sie zurück?“
- „Ah, nein, also ich schäme mich so sehr. Ja, es war mein Schlüssel, der in der Kiste lag, und ja, ich habe ihn hineingelegt, nicht verloren, und ja, ich habe das Geld herausgenommen und mir ein Auto davon gekauft. Und jetzt habe ich heute alles verloren, meine Kleidungsstücke, mein Handy, meine Würde, nur der Schmerz bleibt mir, der unaushaltbar-anschwellende Schmerz im Unterleib und jetzt auch noch im Kopf.“

- „Alles wird gut“, antwortete Gangolf nach dem umfassenden Geständnis, „nach dem Kaffeetrinken gehen wir in den Keller hinunter, frisch an’s Werk!“

Inge kullerten Tränen aus den Augen, wie oft schon wähnte sie sich heute ganz knapp am Ziel, und doch trafen sie gewaltige Rückschläge und so ahnte sie, daß das mit dem Öffnen des Gürtels nicht so einfach sein würde, eine Ahnung, die sich bewahrheiten sollte.
























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  RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses Datum:16.12.22 18:03 IP: gespeichert Moderator melden


84

- „So“, rief Gangolf entschlossen aus und stellte dabei seine geleerte Kaffeetasse auf die Untertasse mit dem diesem Vorgang eigentümlichen leicht klirrenden Geräusch, „ich geh’ jetzt einmal in den Keller und hol’ die große Zwicke herauf, den Bolzenschneider, und dann befreien wir die arme Inge von ihrem Dings da!“

Gangolf stand auf und tat, wie er angekündigt hatte. Nach kurzer Zeit kam er wieder in die Küche, wo die beiden jungen Frauen weiterhin am Tisch saßen und sich anscheinend bis zu Gangolfs Eintreten gut unterhalten hatten. Als Gangolf eintrat, verebbte das Gespräch und beide hefteten ihre Blicke auf ihn. Gangolf hob bedrohlich das gewaltige Werkzeug vor den beiden in die Höhe und sprach mit gedehnter Stimme:
- „Jetzt woll’n wir `mal seh’n, ob wir das Ding durchkriegen damit!“

Inge erhob sich von dem Küchenstuhl und richtete sich vor Gangolf auf; sie hatte ihr Schamgefühl mittlerweile ziemlich überwunden.
- „Hm, vornherum scheint mir das Eisen recht eng an der Haut anzuliegen“, meinte Gangolf und ging vor Inge in die Hocke, um ihren Keuschheitsgürtel aus nächster Nähe zu betrachten.
- „Dreh’ dich `mal um, wie das hinten aussieht!“

Artig drehte sich Inge um, sie war entschlossen, alles zu tun, um nur endlich aus dem Keuschheitsgürtel befreit zu werden, aus dieser Geißel, derer sie sich selbst ausgesetzt hatte.
Im Drehen antwortete sie:
- „Am Poloch ist das Schrittband am dünnsten, dort teilt es sich auf, versuch’ es doch dort!“
- „Da komm’ ich vermutlich nicht heran, ich kann es ja `mal probieren, bleib’ fest stehen!“

Es roch nicht gut, als Inges Pobacken vor Gangolfs Nase vorbeikamen. Dieser konnte zwar nicht erkennen, ob sich Exkremente rings um das Loch abgesetzt hatten, er befürchtete es und drückte mit der linken Hand Inges linke Pobacke zur Seite in der Hoffnung, daß er auf diese Weise den Bolzenschneider im Poloch ansetzen und dann eine Schneide unter das Metall schieben konnte, indes lang das Schrittband tief eingezwängt in der Pofurche, so daß Gangolf von seinem Vorhaben Abstand nahm. Dagegen sah er die Möglichkeit, am rückseitigen Ende des Schrittbands, wo es mit dem Hüftband vernietet war, den Schneider anzusetzen; Inges Wirbelsäule wich an dieser Stelle einen Fingerbreit zurück. Gangolf erhob sich aus der Hocke, setzte den Bolzenschneider von oben an Inges Wirbelsäule entlang auf den Rand des Hüftgürtels an und drückte die Hebel mit aller Kraft aneinander. Zu seiner Verwunderung ließ sich die scherenförmige Schneide indes nicht zusammendrücken, sie durchtrennte lediglich den dünnen Silikonwulst.

- „Na so `was“, rief Gangolf aus und zog das Werkzeug zurück. Er bückte sich leicht vor, um die Schnittstelle zu betrachten, konnte aber bis auf eine winzige Einkerbung an der Oberseite des Metalls nichts von dem Schnittversuch erkennen.
- „Verdammt, ist das am Ende Edelstahl!“

Gangolf wiederholte den Versuch, doch auch diesmal gelang es ihm nicht, die Klingen zusammenzubringen.
- „Ja klar, muß wohl Edelstahl sein, sonst fängt das das Rosten an.“
Während er seine Gedanken formulierte, fiel ihm der von ihm vor Jahren gebastelte Gürtel ein; er bog den Hüftgürtel aus einem Flachkupferband, das in elektrischen Verteileranlagen verwendet wurde, 60 Millimeter breit, 5 Millimeter dick, es war ein schweres Monstrum, irgendwo im Keller hatte er das wohl noch herumliegen.

Inge drehte ihren Kopf zu Gangolf und fragte besorgt:
- „Was ist, kommst du nicht durch?“
- „Ja hm, genau, das ist Edelstahl, da bin ich machtlos mit dem Bolzenschneider.“
- „Was?“ entfuhr es Inge, „was sagst du da?“
- „Mit dem Bolzenschneider da komm’ ich da nicht durch, zumindest mit dem einfachen Teil da.“
- „Nein“, rief Inge schluchzend aus, sie drehte sich vollständig zu Gangolf um und sank mit Tränen im Gesicht vor diesem auf die Knie nieder. Gangolf nahm ihren Kopf in die Hände, Inge drückte das Gesicht auf seinen Bauch und begann hemmungslos zu weinen.

Es war Magda, die wieder das Wort ergriff, als den beiden nichts mehr einfiel, Gangolf bewunderte sie dafür, und er fand die alte Weisheit bestätigt, daß stille Wasser tief gründeten:
- „Ach Gangi, gibt es denn keine andere Möglichkeit, den Stahl zu durchtrennen, du hast doch so ein rundes Trenngerät, das so einen Höllenlärm macht.“
- „Ja, du meinst die Flex, ja, damit kann man praktisch alles durchtrennen, aber das erzeugt einen wahnsinnigen Funkenflug und das Eisen wird unheimlich heiß dabei. Und zudem ist das viel zu gefährlich, denn wenn man nur ein bissel abrutscht, dann wär’ ich schon in der Haut von der Inge.“

Inge bekam von dem sich entspinnenden Wortwechsel nichts mit, sie schluchzte unaufhörlich auf den Knien in Gangolfs Bauch. Dieser streichelte ihre Haare und blickte mitleidig auf Inge herab. Magda ließ nicht so schnell locker:
- „Ja, das verstehe ich, man müßte sie festmachen, daß sich der Gürtel überhaupt nicht bewegen kann und dann stecken wir irgendwas dazwischen zwischen das Eisen und ihrem Körper, daß ihre Haut nicht verbrennt.“
- „Hm“, gab Gangolf zur Antwort, „laß’ mich nachdenken. Du hast recht, wir müßten sie irgendwie fixieren, damit der Keuschheitsgürtel absolut unbeweglich bleibt, sobald er sich nur um einen Millimeter bewegt, rutsch’ ich mit der Trennscheibe ab und das kann sehr gefährlich werden.“

- „Irgendwie festbinden, ganz fest, oder halt, was hältst du davon, in dem großen Schraubstock, so ähnlich, wie du die Handschellen einspannen wolltest, um sie durchsägen zu können. Du hast dann den Drehbolzen herausgebohrt, aber ich glaub’, du hättest die auch Zersägen können, wenn sie im Schraubstock fest eingeklemmt sind.“
- „Da hast du schon recht, aber das hier ist schon noch einmal eine andere Nummer.“
- „Du könntest doch den Schraubstock ganz weit aufdrehen und dann soll sich Inge da drauf setzen und dann schraubst du ihn wieder zu, so zusammen, bis sie mit dem Gürtel fest eingeklemmt in dem Schraubstock eingeklemmt sitzt!“

Gangolf war von Magdas Phantasie überrascht, wieder einmal bemerkte er, daß die Überlegungskraft unter der Anspannung einer Notlage eine enorme Steigerung erfuhr. Inge hatte sich mittlerweile etwas beruhigt und bekam Magdas Überlegungen bezüglich der Schraubstock-Anwendung mit. Sie streckte ihren Kopf nach hinten, blickte, immer noch auf den Knien, Gangolf flehentlich an und bat:
- „Mach’ alles mit mir, was euch einfällt, ich möchte aus dem Ding heraus, ich war so blöd, es ist unverzeihlich, ich mach’ alles mit, spannt mich ein, zerschneide das Ding, ich halt’ es nicht mehr länger aus in dem verdammten Käfig!“
- „Jetzt steh’ erst `mal auf“, forderte Gangolf Inge auf und dann setzen wir uns nochmal, um alles genau zu besprechen, was und wie wir was machen können.“

Alle drei nahmen wieder an dem Küchentisch platz, Magda unterdrückte ihren hausfräulich-dienenden Impuls, das Geschirr abzuräumen, sondern konzentrierte sich auf die Gesprächsrunde.
- „Du meinst also“, nahm Gangolf den Gesprächsfaden wieder auf, den Magda entsponnen hatte, „wir könnten Inges gesamten Unterleib in dem großen Schlosserschraubstock einspannen.“
- „Ja, das ist doch so ein richtig fettes Teil, der sieht so richtig stabil aus.“
- „Das ist er sicherlich und ja, das könnte schon sein, daß man den soweit auseinanderkurbeln kann, die Inge müßte sich dann in ihn hineinsetzen.“
- „Alles was notwendig ist, und wenn es noch so unbequem ist“, gab Inge zur Antwort.
- „Gut, das könnten wir probieren, aber dann bleibt noch das Problem mit der Hitze. Und überhaupt, wenn dann das Eisen durchtrennt ist, rutscht mir die Trennscheibe direkt in das Fleisch, nein, nein, das ist viel zu gefährlich!“
- „Ja aber könnte man nicht so Holzstückchen dazwischen schieben, so wie du es bei mir machen wolltest, damit beim Durchsägen der Handschellen dann nicht das Sägblatt in die Haut fährt.“
- „Keine Chance“, entgegnete Gangolf, „der Gürtel sitzt so knapp wie bei einer Maßanfertigung. Wie kann es eigentlich sein, daß dir dieser Gürtel so genau paßt, habt ihr dort mehrere zur Auswahl gehabt?“
- „Ja, durchaus“, antwortete Inge, „und die Kursteilnehmer mußten das an mir üben, die verschiedenen Gürtel aussuchen und an mir anprobieren, die waren alle von den Gesundheitsämtern und nur ich war vom Umweltamt, und ich mußte das nicht lernen und so war ich das Versuchskaninchen.“
- „So ein Mist“, gab Gangolf zur Antwort. Magda indes blühte auf:
- „Und hinten, da hast du doch auch gerade den Bolzenschneider ansetzen können, ist hinten herum ein bißchen Spielraum?“
- „Ja richtig, also wenn, dann kann es nur auf der Rückseite gelingen, da müßten wir irgendwas dazwischen hineinschieben, damit beim Durchtrennen dann nicht die Trennscheibe gnadenlos auch die Wirbelsäule durchtrennt.“

Inge zuckte bei diesen Worten zusammen, fing sich indes schnell wieder und führte die Finger ihrer rechten Hand nach hinten, um sie versuchsweise zwischen Hüftband und Rücken hineinzuschieben.
- „Ja, seht, das geht, ihr habt doch sicher ein Holzstückchen, das ihr mir dazwischen klemmen könnt.“
- „Das könnte gehen, also gut. Schauen wir, wie weit der Schraubstock aufgeht, dann müßtest du dich dazwischen hineinsetzen, mit dem Rücken nach außen, und dann klemmen wir dir das Holz unter den Gürtel.“

Inge richtete ihren Blick auf Gangolf und lächelte ihn an. Gangolf wiegelte ab:
- „Jetzt wart’ `mal ab, wir sind noch mitten in der Besprechung, ob das grundsätzlich gehen könnte, ach, und tatsächlich, das mit dem Holzstück geht schon einmal gar nicht, denn ich muß mit der Trennscheibe einen Druck auf das Edelstahlding da geben, also mit Druck da die Scheibe durchtrennen lassen und wenn die dann durch ist dann bin ich gleich in dem weichen Holz und das ist in einem Bruchteil der Sekunde dann durchtrennt und schon rast die Scheibe in das Fleisch. Nein, also als Abstandsteil müssen wir schon auch ein Eisen nehmen, das nicht gleich auseinander fällt.“

Magda antwortete: „Du hast doch so `was sicherlich, wie ich dich kenne.“
- „Ja klar, aber dann bleibt noch das Problem der Kühlung. Mit dem Holz wäre das eine Lösung gewesen, denn das Holz wirkt isolierend, aber das Eisenstück dann, fest zwischen Gürtel und Rücken eingeklemmt, das überträgt die Schleifhitze direkt auf die Haut.“

- „Können wir das irgendwie kühlen?“ überlegte Magda.
Nun mischte sich Inge ein: „Schüttet halt einfach kaltes Wasser darüber, oder stört das das Durchtrennen?“
- „Das mit dem D`rüberschütten wird nicht reichen, man müßte die Schleifstelle dauernd kühlen und natürlich auch den Rest des Gürtels, also überall, auch unten herum, die Hitze verbreitet sich, wird von dem Edelstahl weitergeleitet.“
- „Mit dem Schlauch abspritzen, wie wir in Italien an der Grenze abgespritzt worden sind, erinnerst du dich?“

Inge blickte erstaunt auf Magda, fragte indes nicht nach, wovon diese sprach. Sie wollte das Gespräch nicht durch Nebensächlichkeiten in die Länge ziehen, sie war ohnehin bereits unruhig und wollte lieber, daß Gangolf endlich zur Tat schreiten würde. Andererseits bewunderte sie die beiden, wie ernsthaft-sachlich sie Lösungen suchten, geradezu eine generalstabsmäßige Vorgehensweise ausarbeiteten.
- „Du meinst mit einem Schlauch, den Gürtel und vor allem die Trennstelle fortwährend abspritzen?“
- „Ja, das würde ich machen.“
- „Gut, das könnten wir versuchen, aber jetzt schon eins, ganz klar formuliert: Wenn du, Inge, bemerkst, daß es richtig heiß wird, also mehr als nur warm, mußt du sofort aufschreien, damit ich aufhören, denn Verbrennungen wären das Allerschlimmste, dann muß ich sofort die Trennscheibe zurückziehen und warten, bis es wieder abgekühlt ist.“

Inge betrachtete ihn schweigend.
- „Nun sag’ schon, daß du das verstanden hast!“
- „Ja, hab’ das verstanden!“
- „Und daß du wirklich sofort aufschreist, du mußt wirklich laut schreien, denn die Flex macht einen Höllenlärm, sonst hör’ ich dich nicht.“
- „Ja, ich werde schreien.“

Gangolf griff auf die kleine Kommode an der Wand, dort lag neben einer Kerze ein Feuerzeug. Er nahm dieses, entfachte die Flamme und brachte diese mit Schwung von hinten her an Inges Rücken, so daß diese die Bewegung nicht sehen konnte.
- „Au“, schrie sie auf und drehte sich blitzschnell um. Sie wollte sich gerade empören, als Gangolf erklärte:
- „Gut, das könnte also funktionieren, aber du mußt noch lauter rufen, richtig schreien.“

‚An was der alles denkt’, bewunderte Inge ihn im Gedanken, ‚da macht er sogar einen Test, ob ich die Hitze spüre und aufschreie. Bin ich froh, bei ihm gelandet zu sein, ich kann mir nicht vorstellen, wer mir sonst den blöden Gürtel mit so viel Umsicht abmachen könnte.’
- „Danke, ich werde schreien, wenn es heiß wird.“
- „Nichts zu danken.“
- „Doch, danke für den Test, du überläßt wirklich nichts dem Zufall.“

- „So, gut, dann wäre das geklärt. Es bleibt noch eins, der Funkenflug. Ich fürchte, beim Edelstahl-Durchtrennen ist der gleich noch stärker als so schon.“
- „Was soll schon groß brennen“, meinte Inge, „ich hab’ ja nichts weiter an.“
- „Ja eben, was meinst du, wie diese heißglühenden Partikel brennen auf der Haut. Ich geb’ dir meine Lederjacke. Leder ist nur schwer brennbar und das Motorradleder vermutlich ist besonders schwer entflammbar gegerbt.“

- „Sie könnte doch meine haben“, meldete sich Magda zu Wort.
- „Nein, du ziehst deinen Motorradanzug an, und zwar komplett, mit Stiefel und Handschuhe, denn du mußt ganz nah dabei stehen mit dem Schlauch, daß du zielgenau auf die Trennstelle spritzen kannst damit und ich möchte nicht riskieren, daß du in Flammen aufgehst dabei, und auch mit Helm, versteht sich, ich hab’ es einmal erlebt, wo eine Frau mit ihren langen Haaren in eine winzige kleine Kerzenflamme geraten ist, die loderten in Sekundenbruchteil hell auf. Zum Glück stand eine Kanne mit Tee in Griffweite, die ich ihr über den Kopf schüttete, ich hab’ heute noch Alpträume, wenn ich daran denke. Und mein Hemd habe ich auch einmal an so einem blöden Kerzenständer entzündet, bei so einer Weihnachtsfeier, zum Glück war es ein gutes Hemd, der Stoff verkohlte nur und brannte nicht, aber ich hatte eine enorme Brandblase. Also keine Debatte, du ziehst dich dann komplett um in die Motorradsachen und denk’ auch an die Handschuhe, denn die hast du ja dann zuvorderst ganz nah.“

Magda nickte und meinte: „Hast du nicht ein altes Gewand für mich, daß ich nicht das schöne Leder da mit den Funken beschädige?“
- „Nein, auf keinen Fall, Sicherheit geht über alles, lieber ein paar schwarze Pünktlein auf dem Leder als ein brennender Stoff auf deiner Haut. Ja und du, das gilt auch für dich, Inge, du ziehst meine Motorradjacke an und auch den Helm, es ist schlimm genug, daß deine Beine frei bleiben, aber die wirst du ja nach vorne auf die Werkbank setzen, also weg von der Schleifstelle an deinem Rücken, da werden dann wohl nicht die Funken hinsprühen.“

Inge wurde es ganz anders bei dem Gedanken, noch nie hatte sie einen Motorradhelm auf oder eine Motorradjacke an. Als eingefleischtes Öko-Mädchen ignorierte sie fahrradfahrend alle motorbetriebenen Fahrzeuge.
‚Wie kam ich bloß auf die Idee, mir so einen Protzkarren zu kaufen?’ , schoß es ihr durch den Sinn, ‚noch dazu mit dem gestohlenen Geld dieses Menschen da, der mir so liebenswürdig aus meinem Schlammassel hilft. Was kann ich tun, Abbitte zu leisten, bitte, bitte, Motorradfahrer können so gute liebe Menschen sein, wie konnte ich das nur mein halbes Leben lang leugnen, warum sah ich in jedem Motorradfahrer den Teufel in Person, den Raser, den Umweltverschmutzer, o Gott, bitte verzeih’ mir!’

- „Gut, haben wir noch was, was wir bedenken müssen?“
Die drei blickten sich gegenseitig an, nach einer Pause fuhr Gangolf fort:
- „Also gut, wie hat Schiller gedichtet: >Von der Stirne heiß rinnen muß der Schweiß, soll das Werk den Meister loben, doch der Segen kommt von oben!<“
- „Du zitierst aus Schillers Glocke, was kannst du noch alles, ich bewundere dich, ich hielt dich für einen Handwerker, für einen Techniker, aber daß du die Klassiker kennst, unglaublich!“

- „Gangolf kann alles, der kann sogar Orgelspielen“, entgegnete Magda.
- „Schluß jetzt, ob ich alles kann, wird sich in den nächsten Minuten herausstellen, ich warn’ dich, Inge, sei nicht enttäuscht, wenn es nicht gleich klappt, wenn wir aufgeben müssen und nach einer anderen Lösung suchen. So, aber jetzt fangen wir an, Magda, ziehst du dich derweil um, während ich den Schlauch von draußen hole und bringst der Inge meine Jacke und meinen Helm.“

‚Was für ein aufregender Tag’, dachten sich alle drei, und der Tag war noch längst nicht zu Ende. Alle überlegten, ob die besprochene Aktion auch gelingen würde, doch keiner wagte, jetzt noch etwas zu sagen, eine geradezu gespenstische Stille umgab die Schicksalsgemeinschaft, als sich deren Mitglieder gegenseitig ansahen und nachdenklich zunickten, voll Hoffnung, daß es mit dieser dritten, sehr aufwendigen Maßnahme endlich gelingen würde, Inges Unterleibgefängnis zu bezwingen, indes schwang bei allen auch die bedrückende Sorge mit, daß das Unterfangen erneut mißlingen könnte; Gangolf wurde es schwül bei dem Gedanken, er würde mit dem schweren Trennschleifer auf dem glatten Edelstahl abrutschen und Inge zum querschnittsgelähmten Krüppel machen.




































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