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  Agonie (Fortsetzung von "Frust")
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Daniela 20
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Semper firma occlusa!

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  Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:21.10.12 16:51 IP: gespeichert Moderator melden


Ankündigung

Ab dem 4. November kann man hier die Fortsetzung meiner Geschichte "Frust" lesen.

Weitere Information dazu findet sich unter der Rubrik "Diskussion über Stories" ---> München-Trilogie

Daniela 20

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Keuschling Volljährigkeit geprüft
Sklave/KG-Träger

um Ulm herum...


zur Sicherheit besser verschlossen, zur Zeit im Neosteel TV-Masterpiece...

Beiträge: 1402

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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:21.10.12 18:59 IP: gespeichert Moderator melden


Hi Daniela,

Deine Ankündigung freut mich absolut, kann es kaum erwarten!!! Der Advent scheint dieses Jahr dann doch noch etwas früher loszugehen als sonst... ))

Keusche Grüße
Keuschling
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Dennis76 Volljährigkeit geprüft
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nähe Stuttgart




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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:22.10.12 07:08 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Daniela,

ich freu mich schon drauf auf die Fortsetzung

Gruß Dennis
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confused
Stamm-Gast





Beiträge: 431

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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:22.10.12 08:49 IP: gespeichert Moderator melden


Dem kann ich mich anschließen ´=)
Confused?

It does not matter, i will help you!
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Fehlermeldung
Stamm-Gast

N R W


Alles was im Einvernehmen passiert , ist Normal

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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:23.10.12 23:13 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Daniela 20

Bisher zu deinen Story´s

Etwa 500 Komentare !

Etwa 500000 Klick´s

Autorenherz was willst du mehr ?

Hechel , keuch !

Wann ist endlich der 4.11.2012 , 22.00 uhr ?




95 % der Literatur sind Kopfkino selbst die Bibel denn keiner der Schreiber war dabei

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star Volljährigkeit geprüft
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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:23.10.12 23:54 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Daniela 20,

auch ich kann mich meinen Vorschreibern nur anschliesen und sehene den 4 November herbei.

Grüße von star
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bd8888
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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:27.10.12 10:10 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Daniela 20
Es freut mich, dass wir wieder etwas von dir hören.
Danke für deine Ankündigung.
Alles liebe
bd8888
Homepage besuchenE-MailProfil anzeigenNachricht senden Nachricht kopieren Nachricht zitieren Nachricht �ndern Nachricht l�schen
Toree
Stamm-Gast





Beiträge: 332

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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:03.11.12 22:02 IP: gespeichert Moderator melden


Liebe Fangemeinde!

es sind nur noch Stunden bis zur neuen Geschichte von Daniela 20!!!
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Daniela 20
Story-Writer



Semper firma occlusa!

Beiträge: 225

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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:04.11.12 22:00 IP: gespeichert Moderator melden


Ein Wort vorweg

Es kann losgehen! Wie bereits während der letzten beiden Winter möchte ich meine vielen Leser für nun viele Wochen wieder mit einer guten Geschichte unterhalten. Wie uns allen schon lange klar war, so fehlte ein Schluss.
Es hat mich in den letzten Tagen riesig gefreut, dass die Daniela Fan-Gemeinde schon parat ist. Schön auch zu sehen, dass nicht nur alte Bekannte sich bereits zu Wort gemeldet haben, sondern dass es das Forum immer noch gibt.

Womit ich auf ein kleines Problem aufmerksam machen möchte. Ich habe sehr viel Zeit und Arbeit in diesen letzten Teil meiner "München-Trilogie" investiert, weit über hundert Arbeitsstunden. Es ist ein Geschenk an meine Leser, kostet Euch keinen Cent.
Aber das Forum als solches ist wohl alles andere als gratis. Wünschen würde ich mir, dass die Admins das irgendwo einmal offenlegen können, wie es um die interne Ökonomie bestellt ist; vielleicht wäre das mal eine Idee. Vorstellen kann ich mir aber, dass es ständig an Geld mangelt. So möchte ich, wie schon letztes Jahr, meine Leser zu einer kleinen Spende auffordern. Es muss ja nicht viel sein, ein paar Euro oder so; Ihr wisst ja, Kleinvieh macht auch Mist!

Wie bereits mehrmals erwähnt, kann man diese Geschichte nicht verstehen, wenn man die ersten beiden Teile, "Herbstferien" und "Frust", nicht gelesen hat. Man kann es immer noch tun, neue Leser werden gebeten, erst einmal dort den Einstieg in die Geschichte zu finden.

Nur zur Information: alle handelnden Personen sind volljährig. Diese Geschichte kommt ohne Brutalitäten und ohne Fäkaliensprache aus. Allerdings habe ich meinen jüngeren Protagonisten eine für ihr Alter normale Sprache gegeben, und mit Leerstellen das unsinnige **** unterdrückt.

Wie immer freue ich mich über Zuschriften meiner Leser. Kurze Kritiken kann man gern hier loswerden. Wer längere Diskussionen lostreten möchte, kann dies auch unter der Rubrik "Diskussion über Stories" ---> München-Trilogie tun.

Damit wünsche ich Euch allen nun spannendes Lesen. Haltet durch bis zum nächsten Frühling, es lohnt sich!!

Eure Daniela 20




Prolog

Der Brief, der göffnet auf dem Küchentisch lag, hatte keine frohe Botschaft verkündet. Ganz im Gegenteil. Er hatte sprachloses Entsetzen verkündet, hatte mit aller Deutlichkeit klar werden lassen, was am Ende aller Dinge zu erwarten ist. Jetzt begann der unaufhaltsame Prozess der seelischen Selbstzerfleischung, jetzt musste für die Fehler der Vergangenheit gebüßt werden.

Wessen Fehler? Das war alles andere als klar. Man würde es herausfinden müssen.


Oktober I.

"Ruffe, kommst du?" Karin Grainer mochte es, noch in aller Herrgottsfrühe eine erste Joggingrunde zu absolvieren. Die Nacht war klar, aber kalt gewesen, jetzt hatte sich leichter Morgennebel über die Isar gelegt. Es war wunderschön, aber die Kälte verhinderte längeres Verweilen; allein die Bewegung hielt sie warm.
Doch Ruffe weigerte sich, weiterzulaufen. Er war in den Nebel hineingelaufen, stand nun dort unten am Wasser und machte sich lauthals bemerkbar. Es war irgendwie unheimlich, aber was sollte hier, mitten in München, schon so unheimlich sein, dachte Karin Grainer, dass sie es nicht wagen würde, selber einmal nachzusehen? Gekonnt orientierte sie sich am Bellen ihres Spaniels, erreichte den Hund und spähte nun mit ihm zusammen über das träge dahinfließende Wasser, darauf wartend, dass sich der Nebel bald lichten würde.


Ingeborg Wimmer hasste es, wenn sie selbst an einem Sonntagmorgen schon so früh zur Arbeit gerufen wurde. Auch wenn sie die Kommissarin vom Dienst war. Aber eine Leiche noch vor dem Frühstück konnte ihr schnell auf den Magen schlagen. Warum nur mussten die Leute denn immer in aller Herrgottsfrühe Leichen finden? Ärgerlich legte sie den Hörer auf, begab sich in ihr Schlafzimmer, warf schnell noch einen Blick aus dem Fenster und wählte dann warme Kleidung in kräftigen Herbstfarben. Rock? Nein, eine Hose war besser, wenn sie unten an der Isar herumstapfen solle.

Als sie knappe zwanzig Minuten später am Fundort der Leiche eintraf, blickte sie auf ihre Uhr. Verdammt, noch nicht einmal 8 Uhr! Sie parkte ihren etwas altersschwachen Golf direkt neben dem Streifenwagen der Polizei, der mit eingeschaltetem Blaulicht auf der nordwestlichen Ecke der Luitpoldbrücke stand, direkt vor einer mächtigen steinernen Plastik, die das Geländer schmückte. Bevor sie ausstieg schloss sie den Reißverschluss ihrer Jacke, der nebelige Herbstmorgen lud nicht zu direkter Offenherzigkeit ein.
Gegenüber den Streifenpolizisten wies sie sich kurz aus, man war hier schließlich nicht im Krimi, wo scheinbar jeder Uniformierte jeden Kriminalbeamten kannte.

"Guten Morgen! Ingeborg Wimmer. Was haben wir?" Es war immer diese Frage, die ihr wehtat. Trotz ihrer achtundzwanzig Jahre, von denen sie schon ein halbes Jahrzehnt bei der Kripo verbracht hatte, war dies immer noch der Casus Knackus. In der Früh hatte man sie nur über einen Leichenfund an der Luitpoldbrücke informiert und sie gebeten, hinzufahren. Aber erste Einzelheiten erfuhr sie meist erst am Tatort - falls es überhaupt ein Tatort war. Was festzustellen die Aufgabe des Arztes war, den sie herbeirufen musste.
Nein, Leiche war nicht gleich Leiche. Es ist ein Unterschied, ob man die Leiche eines Kindes oder die eines Penners fand, so unmenschlich das auch klingen mochte. Aber ein in der Nacht erfrorener Mann, der sich schon lange aus dem Leben verabschiedet hatte - oder verabschiedet wurde, war halt nicht so schlimm wie in die erloschenen Augen eines Jugendlichen zu blicken, der sich den letzten Schuss gesetzt hatte. In beiden Fällen konnte man der Gesellschaft einen Teil der Schuld anlasten, das wusste sie, aber sie wusste auch, dass das Leben in einer freien Gesellschaft ein hohes Maß an Eigenverantwortung voraussetzte.

"Sie räusperte sich, um ihrer Stimme etwas mehr Autorität zu verleihen. "Also, was haben wir? Mann? Frau? Junge oder Mädchen? Oder" - sie brachte es fast nicht hervor - "ein Kind? Wegen der toten Gams da haben Sie mich wohl nicht so früh aus dem Bett geholt?"



Mai I.

Alles hatte sich verändert. Klaus hatte seiner Oma beim Waschen geholfen und sie anschließend gekonnt ins Bett gebracht. Seine Zeit als Zivildienstleistender bei einem Behinderten machte sich durchaus bezahlt, jetzt wo er die Oma am Hals hatte.
Er löschte das Licht im Zimmer der alten Dame und ging in den Garten hinaus. Die Dämmerung hatte eingesetzt, die Luft war angenehm warm, blühende Kastanien verbreiteten ihren Duft, singende Amseln ließen die Luft in angenehmer Weise erzittern. Dennoch bekam Klaus von alldem nicht viel mit. Selten in seinen beinahe zwei Lebensjahrzehnten war er sich so unsicher gewesen, was er tun sollte. Nicht, was er tun wollte. Aber er wusste, dass er feige gewesen war. Weil er es nicht gewagt hatte, Monika im Krankenhaus zu besuchen. Sie war nur wenige Tage dort gewesen, und als er sich endlich auf den Weg gemacht hatte, hatte er erfahren müssen, dass seine Herrin bereits nach Hause entlassen worden war. Zu spät, dachte er. Sie zu Hause zu besuchen wagte er nicht. Nicht noch einmal hoch in jenes Zimmer, in dem er zu ihrem Spielzeug geworden war.

Es war von Anfang an ein Spiel gewesen, wie er glaubte. Nur ein Spiel zweier junger Leute, die keine Grenzen kannten. Ein Spiel, das ihm sogar einigen Spaß bereitet hatte, wenn er es auch immer verloren hatte. Aber das war nichts Neues für ihn. Er war es gewohnt, in sexuellen Dingen den Kürzeren zu ziehen, aber darüber wollte er jetzt lieber nicht nachdenken.

Klaus holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank, schnappte sich ein Buch, in dem er gerade las, und ging wieder hinaus. Er begann zu lesen, aber nur seine Augen flogen über das Papier. Das Buch von Stieg Larsson war eines der spannendsten, das er je in die Finger bekommen hatte, aber es war halt nur Fiktion. Und was war eine fiktive Lisbeth Salander gegen eine äußerst reale Monika?
Monika war nicht die Einzige, zu der er seit Ostern keinen Kontakt mehr aufgenommen hatte. Da war auch noch Daniela, mit der er an jenem Ostermorgen zusammengefesselt war, als sie beide Zeuge davon wurden, wie der alte Pastor in einem Zinksarg aus der Kirche gebracht worden war. Wären sie einige Minuten eher gekommen, hätten sie noch den Rettungswagen gesehen, der Monika ins Klinikum gebracht hatte. So aber hatten beide geglaubt, es hätte ihre Bekannte getroffen.

Klaus schloss die Augen. Er trank einen Schluck von seinem Bier, dann hörte er wieder Danielas Stimme: "Nein, Klaus, wir gehen nach Hause, zu...Monika... zu Monikas Haus. Ich weiß, wo der Schlüssel liegt. Und vielleicht auch, wo all die anderen Schlüssel liegen. Die für die Handschellen, das Korsett, und deine Dinger da. Wir haben keine andere Wahl." Oder hatte sie Barbara gesagt? Er konnte sich nicht mehr erinnern. Aber er wusste noch, dass auch er unbedingt aus dem Dirndl rauswollte, das er trug, ganz abgesehen von dem stählernen BH und Keuschheitsgürtel. Und Daniela war so eng in dieses verschlossene Korsett geschnürt, dass es fraglich war, wie lange sie überhaupt noch durchhalten würde. Sie hatten am Abend zuvor alles versucht, das Korsett zu öffnen, aber da war nichts zu machen gewesen; sie hätten es mit einer Stahlschere aufschneiden müssen, so solide war es gearbeitet.

"Komm, lass uns gehen! Es hat keinen Zweck, hier länger rumzustehen. Ich muss endlich aus diesem scheiß Korsett raus!"

Er hatte schnell nachgegeben. "Nun zieh nicht so! Ich komm ja schon. Wo liegt denn der Schlüssel?" Traute sie ihm nicht, oder warum sprach sie so wenig?

"Barbara," antwortete sie ziemlich atemlos, "ich habe keine Luft für all diese Gespräche. Komm lieber, bevor es hier anfängt, von neugierigen Leuten zu wimmeln."

Ja, sie hatte ihn Barbara genannt! Und Barbara war die dritte Frau, mit der er seit Wochen keinen Kontakt mehr gehabt hatte. Und von allen dreien diejenige, die er am meisten vermisste!

Gemeinsam waren sie an jenem Morgen weitergestolpert, weit war es ja nicht. Dennoch begegneten ihnen auch jetzt schon zwei Jugendliche, die ihnen entgeistert nachschauten. Auch wenn sie auf den ersten Blick ein ganz ´normales´ Lesbenpärchen abgaben, so trug ihre Kleidung doch dazu bei, dass andere sich die Augen nach ihnen ausguckten.
Endlich hatten sie Monikas Zuhause erreicht. Jetzt galt es nur noch, den Ersatzschlüssel zu finden.

"Und? Wo liegt er denn nun, dieser blöde Schlüssel?" fragte Klaus ungeduldig, während er sich das Handgelenk rieb. Seit gestern Nachmittag war er an Daniela gefesselt, die engen Handschellen hatten schon ihre Spuren hinterlassen.

"Soweit ich mich erinnere," keuchte Daniela ziemlich atemlos, "liegt er hinten im Gartenhäuschen unter einem alten Farbeimer."

"Hoffentlich ist das Häuschen nicht abgeschlossen." Es war typisch für Klaus, dass er immer alles etwas zu pessimistisch sah. "Dann hätten wir nämlich ein echtes Problem, meinst du nicht auch?"

Daniela antwortete nicht. Was sollte sie auch sagen? Jetzt aber drückte sie die Klinke hinunter, die Tür sprang auf, alles war, wie es sein sollte. Alles bis auf die Farbeimer.
"Ach du scheiße..."

Das nur spärlich erleuchtete Innere gab einen ersten Blick frei auf etwas, das eine veritable Sammlung alter Farbeimer zu sein schien. An beiden Wänden des Schuppens waren mindestens zwei Dutzend Blech- und Plastikeimer in verschiedenen Größen aufgereiht, fein säuberlich auf zwei Borden, die in halber Höhe links und rechts vom Eingang verliefen. Wobei sich allerdings das Adjektiv säuberlich nur auf die Aneinanderreihung bezog, nicht auf die Dosen oder verdreckten Borde.

Klaus starrte Daniela entsetzt an. "Geht es vielleicht etwas genauer? Wir sind hier wohl in ein altes Depot der IG-Farben geraten!"

"Nein. Sie hat nur unter einem Farbeimer gesagt, mehr nicht. Wir müssen halt einfach nachsehen."

Beide gingen in je ihre Richtung und wurden von einem heftigen Ruck an ihren Handgelenken aufgehalten. "Aua! So pass doch auf!"

"Entschuldige, dann fangen wir erst mal bei dir an," gab Klaus klein bei.

Die Arbeit brachte außer viel Schmutz und Staub nichts zutage. Daniela begann, heftig zu husten als sie mit Klaus´ Seite halbwegs fertig waren. "Dieser verdammte Schlüssel muss doch irgendwo sein! Ich bekomme ja kaum noch Luft!"

Trotzdem schufteten sie weiter, bis auch der letzte Farbeimer nachgesehen war. Klaus blickte Daniela entsetzt an, dann bemerkte er, wie das Mädchen seine Augen verdrehte, ein- zweimal mit den Lidern klimperte und dann langsam zu Boden glitt und nichts mehr sagte.

"Dani! Mensch Dani, mach keinen Scheiß! Du kannst doch hier nicht einfach umkippen!" Wie er es im Fernsehen gesehen hatte gab er ihr einige leichte Schläge auf die Wangen. Ein erneutes Husten folgte.

"Luft! Ich bekomme keine Luft mehr! Hast du den Schlüssel, Barbara??"

Für einen Moment fühlte er sich überhaupt nicht angesprochen. Barbara ist weit weg, dachte er. Er bückte sich hinab, um Daniela beim Aufstehen behilflich sein zu können. Dabei fiel sein Blick auf eine einzige, halb verrostete Blechdose, die hinter mehreren Gartengeräten ganz in der Ecke des Schuppens stand. Er streckte die Hand danach aus, konnte aber nicht ganz so weit hinlangen, weil er immer noch an Daniela gefesselt war, die jetzt wie ein solider Anker auf dem Betonfußboden des Schuppens lag. Da half wohl nur etwas Gewalt, dachte er und zog die halb bewusslose Freundin einen halben Meter näher zu sich heran.

"Aua! Du tust mir weh!" jammerte sie.

Statt einer Antwort streckte er nun seinen Arm aus, beförderte Spaten und Harke zur Seite, wobei er aufpassen musste, dass diese nicht auf ihn oder Daniela fielen, dann schob er eine flache Wanne mit seltsamen Körnern - Rattengift?? - vorsichtig aus dem Weg, und konnte schließlich den alten Farbtopf zu sich heranziehen.
Er stöhnte laut auf. Hier lagen sie beide in ihren ungewöhnlichen Kostümen auf dem rohen Fußboden, Daniela auf dem Rücken und er selber auf dem Bauch, sodass die soliden Schalen seines stählernen Keuschheits-BHs fest gegen seinen Brustkorb drückten. Die unter den Schalen befindlichen Stachelkugeln hatten ihn in den letzten Stunden schon so sehr gequält, dass er es jetzt kaum noch merkte.
Er wusste, dass sich hier der Schlüssel befinden musste. MUSSTE! Und wenn nicht... dann würden sie noch heute Abend hier liegen, dachte er, darauf wartend, dass Monikas Mutter heimkam.
Die Dose war klein genug, dass er sie mit einer Hand umfassen konnte. Er drehte sie um und sah am Boden der Dose etwas in Folie Eingewickeltes kleben. "Ja," rief er, "ja, ich habe den Schlüssel! Und du kommst besser auf die Füße, damit wir ins Haus können und aus diesen verdammten Sachen rauskommen!"


Beide waren froh, als sie die Haustür hinter sich schließen konnten. Erleichtert atmeten sie auf, das heißt, es war nur Klaus, der erleichtert aufatmete, Daniela war mit ihrem engen, abgeschlossenen Strafkorsett schon froh, überhaupt noch atmen zu können. Aber nach ihrem kleinen Ohnmachtsanfall ging es ihr schon wieder besser, und jetzt übernahm sie wieder die Führung. "Komm, Klaus, lass uns mal in ihrem Zimmer nachsehen. Ich meine, mich zu erinnern, dass es immer so wie das Scheppern einer Blechdose klang, wenn sie einen Schlüssel holte."

"Ja. Kann sein. Aber was machen wir, wenn wir keine Blechdose finden?"

Daniela war es einfach leid. "Dann," so antwortete sie leicht spöttisch, was Klaus allerdings nicht mitbekam, "dann bleiben wir halt den Rest unserer Tage so zusammen! Findest du nicht, dass wir das perfekte Paar sind?" Um ihn ein wenig zu ärgern riss sie einmal heftig an den Handschellen. War er so blöd oder tat er nur so?

In Monikas Zimmer roch es leicht muffig, wahrscheinlich hatte sie nicht mehr gelüftet, seit ihre Mutter mit Danielas Tante zusammen nach Österreich gefahren war. Sie sahen sich um.

"Glaubst du, dass wir.... dass wir das hier dürfen?" fragte Klaus zögerlich.

"Dürfen?? Was meinst du denn mit dürfen?"

"Nun ja, so im Zimmer einer Verstorbenen..."

Daniela fuhr in laut an: "Halt die Klappe!! Wenn es nach dir gegangen wäre, säßen wir jetzt in deiner kleinen Dachwohnung und damit erst so richtig in der Tinte! Was glaubst du denn, wie wir dann losgekommen wären? Jetzt ist es besser, wir befreien uns selbst, solange noch Zeit dazu ist. Und hör endlich mit deinem ewigen Pessimismus auf! Eine blöde Dose, oder was auch immer es ist, wird ja wohl zu finden sein! Und wenn wir das ganze Haus auf den Kopf stellen müssten!"

"Eine Keksdose?"

"Ja, von mir aus auch eine Keksdose!" Daniela stutzte. "Wieso, von was für einer Keksdose redest du denn?"

"Von der da, unter ihrem Bett. Siehst du sie nicht?" Klaus deutete mit der freien Hand in die Richtung von Monikas Bett. Es dauerte nur Sekunden, bis sie die Dose aufgehoben, den Deckel abgenommen und hineinschauen konnten.

"Mist! Nur Kekse! Komm, lass uns weiter suchen! Vielleicht war es ja auch gar keine Dose, vielleicht war es etwas anderes." Beide suchten sorgfältig weiter, jetzt durfte einfach nichts schiefgehen. Neben Monikas Bett befand sich ein altmodisches Nachtschränkchen. Sie öffneten die Tür und fanden dort eine kleine silberne Schachtel, verziert mit Elementen, die offenbar der indischen Kultur entsprangen. Nervös öffnete Daniela den Deckel, ein breites Grinsen überflog augenblicklich ihr Gesicht.

"Bingo! Klaus, die Rettung ist nah!"

"Wenn die man passen!" Klar, dass er das sagen musste.

Die Anzahl der Schlüssel war überschaubar. "Komm, du zuerst! Zieh dich aus, Dani!" Klaus spürte, dass es jetzt zuerst darum ging, Daniela aus ihrem viel zu engen Korsett zu befreien. Im Moment war die Frage, ob auch Schlüssel zu seinem Keuschheitsgürtel und dem BH dabei waren, eher zweitrangig.

"Wart mal! Komm mal mit deiner Hand her! Ich glaube, ich habe hier schon mal den Schlüssel für die Handschellen. Lass mal sehen, ob der passt!" Sie steckte den Schlüssel erst in die Handschelle, die Klaus an seinem Handgelenk hatte, und konnte diese problemlos öffnen. Schnell entfernte sie auch die Handschelle von ihrem Handgelenk. "Schon mal was! So! Was sagtest du? Ach ja, ausziehen!" Sie schlüpfte aus Rock und Petticoat und zog sich das T-Shirt über den Kopf. Es war herrlich, endlich nicht mehr aneinandergefesselt zu sein.

Klaus suchte nun nach zwei Schlüsseln, die größenmäßig zu den kleinen Schlössern passen mussten, die an der Vorderseite von Danielas locking-corset befestigt waren. Und diesmal passten gleich die ersten beiden Schlüssel! Ohne große Umschweife öffnete er den verstärkten Gürtel, der die beiden Patten zusammenhielt, welche auf der Rückseite des Korsetts die Schnürung überdeckten, dann löste er vorsichtig die Schleife und begann, durch vorsichtiges Ziehen an den sich überkreuzenden Schnüren das Korsett Zentimeter um Zentimeter zu lockern.

"Ah!" Ein zufriedener Seufzer entfuhr ihr, als sie endlich wieder Luft bekam. Aber sie verspürte auch einen unangenehmen Schmerz, zu lange war ihr Brustkorb geradezu unmenschlich zusammengepresst gewesen. "Langsam, Klaus! Nicht zu schnell! Lass es erst einmal gut sein. Gib mir ein paar Minuten. Was meinst du, ob wir auch die Schlüssel für deine Dinger da finden?"

"Das wäre nicht schlecht, obwohl..."

"Obwohl was? Was ist denn jetzt schon wieder verkehrt?"

"Nichts." Er konnte es nicht sagen. Er bezweifelte, dass Daniela ihn verstehen würde. Er verstand es ja selber nicht.

"Na dann ist ja gut! Komm, jetzt bist du dran mit Ausziehen! Du hast lange genug in diesem Dirndl gesteckt!" Daniela hatte schon ihre Hand ausgestreckt, um den Reißverschluss an seinem Mieder zu öffnen.

Klaus wich zurück. "Nicht! Lass das...!" Er konnte es nicht sagen. "Bitte... ich kann das selbst!"

"Schon gut, Barbara!" Sie hatte ihrer Stimme einen neckischen Tonfall gegeben. Wenn er keine Hilfe wollte...

Klaus zog sich aus. Er band die Schleife der Dirndlschürze auf und nahm diese langsam ab. Erst nachdem er diese sorgfältig zusammengefaltet hatte öffnete er den Reißverschluss am Mieder, streifte sich die mit Froschmaul hübsch verzierten Träger von den Schultern. Er verharrte einen Moment, dann stieg er aus dem Kleid. Nun zog er die weiße Bluse über seinen metallenen BH hoch, griff sich mit überkreuzten Armen in den Rücken und zog die Bluse langsam über seinen Kopf. Es sah nicht nur kompliziert aus, es war es auch. Es wirkte eher wie ein Akt, etwas, das Daniela als einen Akt der Befreiung verstand; noch am Abend zuvor hatte er beim Ausziehen, trotz ihrer zusammengefesselten Arme, nicht so ein Brimborium veranstaltet.

Daniela wusste sofort, nach welcher Art Schlüssel sie suchen musste. Wochenlang hatte sie auf etwas Ähnliches gestarrt, jedes Mal wenn sie überlegte, ob sie ihren nur aus einer Zeitschriftenseite und einem Stück Klebeband bestehenden Schlüsselsafe aufbrechen sollte, oder nicht. Die Schlösser, die an Klaus´ stählerner Unterwäsche angebracht waren, waren vom gleichen Typ wie diejenigen, die sie an ihrem KG gehabt hatte.

"Hier! Klaus, ich glaube, heute ist dein Glückstag! Wollen wir mal sehen, ob wir dein Ding da endlich befreien können?" Sie versuchte es mit dem ersten Schlüssel, aber der wollte nicht passen. Auch der zweite Schlüssel passte nicht, öffnete aber das Schloss an Klaus´ Keuschheits-BH. Daniela nahm ihm das solide gearbeitete Stück ab und erschrak, als sie seine stellenweise blutig gekratzte Brust sah. "Ach du scheiße! Wenn das mal keine Entzündung gibt! Da müssen wir gleich mal in der Hausapotheke nachsehen! Im Badezimmer finden wir bestimmt was. Aber erst noch das letzte Schloss! Hier sind ja noch mehr kleine Schlüssel!"

Schon der nächste Schlüssel passte. Es war Wochen her, dass Monika ihn zuletzt aufgeschlossen und gemolken hatte, jetzt aber war es nicht Monika, sondern Daniela. Behutsam hakte sie Taillenband und Schrittband auseinander, ließ die einzelnen Teile nicht achtlos herabfallen, sondern machte dies mit der größtmöglichen Sorgfalt.

"Au!" Es war Daniela, die es ausgestoßen hatte. "Das sieht ja nicht gut aus... aber... er ist noch dran, wenn dich das beruhigt. Ich glaube, wir sollten jetzt sehen, dass wir hier aufräumen, dann wäre ein schnelles Bad sicherlich nicht verkehrt. Was meinst du? Und dann sollten wir dich besser etwas verarzten. Tja, schade, dass du keine Frau bist, dann hättest du jetzt nicht solche Schwierigkeiten!"

Klaus leistete keinen Widerstand. Schade, dass du keine Frau bist... So etwas Ähnliches hatte er schon einmal gehört. Irgendwann, irgendwo. Aber er konnte es nicht einordnen. Schamhaft bedeckte er sein Geschlecht, wie ein kleiner Junge, der... der... Nein, er konnte nicht weiterdenken.

Sie räumten Monikas Zimmer auf, legten alles, bis auf die Schlüssel zu Klaus´ KG wieder an ihren Platz. Dann duschten beide, nicht zusammen, sondern jeder für sich. Es war besser so. Anschließend fand Daniela in Pias Medizinschränkchen eine Wundsalbe, die sie vorsichtig auf Klaus´ malträtiertes Glied auftrug. Schon bei der kleinsten Berührung zuckte er heftig zusammen. "Schon gut, schon gut! Ich pass ja auf! Sei du lieber froh, dass du überhaupt noch was spürst. So! Fertig. Willst du dir nicht die Haare trocknen? Da hinten liegt ein Föhn; ich brauche das ja im Moment nicht mehr. Dank Monika!" Sie lachte grimmig auf. Kurze Haare konnten auch recht praktisch sein.
Sie beobachtete Klaus, der begonnen hatte, sein mittlerweile schulterlang gewordenes Haar zu trocknen. Was war das? Irrte sie, oder war hier etwas nicht so, wie es hätte sein sollen? Diese langsamen Bewegungen, diese Versunkenheit.
Und dann sah sie es. Das hier war nicht Klaus, der sein langes Haar trocknete, sondern es war wieder Barbara, die vor dem Spiegel stand und genussvoll jede einzelne Strähne föhnte. Auch wenn es eine Barbara war, die jetzt wieder dieses Ding da zwischen den Beinen hatte.
Plötzlich wusste Daniela genau, was sie tun musste. Es konnte gar keinen Zweifel geben. Sie musste diesem Spuk ein Ende bereiten, jetzt und für allemal, und das bedeutete, dass sie zu drastischen Mitteln greifen musste.

So schnell sie konnte rannte sie mit wippenden Brüsten in die Küche. Ja, die Schere lag immer noch da, wo Monika sie erst vor kurzem abgelegt hatte. Sofort war sie wieder zurück im noch warmen Bad, wo Klaus gerade dabei war, den Föhn wieder zu verstauen. Daniela schob mit dem Fuß einen kleinen Hocker in die Mitte des Badezimmers, dann zog sie Klaus zu sich herüber.

"Was ist denn? Was ist los? Was hast du vor?", fragte er etwas ängstlich ob der unsanften Behandlung.

Daniela antwortete nicht. Sie musste den ersten Schnitt machen, bevor sie - Barbara - Möglichkeit zum Widerstand bekam. Ohne viel Nachdenkens ergriff sie fast das gesamte Haar an seinem Hinterkopf, setzte die Schere so weit oben wie möglich an und drückte zu.

"Nicht!! Bist du verrückt? Du kannst mir doch nicht..." Sein entsetzter Aufschrei verstummte, als er die große Locke sah, die neben ihm auf den Boden fiel. "Dani...bitte...!!"

Sie arbeitete schnell. Ohne hinzusehen. Es war das erste Mal, dass sie jemandem die Haare schnitt, wenn man einmal davon absah, dass sie Maya einige Male die Spitzen geschnitten hatte. "Sch!! Halt still, wenn ich dir nicht die Ohren abschneiden soll!" Schon konnte man den Kopf eines jungen Mannes erkennen. "Klaus, es muss sein! Für dich... damit du nicht untergehst! Und...." Sie senkte ihre Stimme, denn jetzt wurde es ihr klar, dass all das auch für sie selber Konsequenzen haben würde, "...und auch für uns!"

Klaus schüttelte seinen Kopf und begann zu weinen. Daniela ließ sich nicht beirren. Sie wusste, was jetzt in seinem Inneren geschah. Zumindest glaubte sie, es zu wissen.

Er fror. Trotz der immer noch schwülen Wärme im Bad fror er. Mit jedem Schnitt, den Daniela machte, spürte er, wie er einen Teil seiner Schutzschicht verlor. Wie durch einen Nebel hörte er Danielas Stimme: "...noch etwas in Facon bringen... Herrenschnitt... schwierig.... etwas hier noch abnehmen...."
Endlich schien sie fertig zu sein. Sie reichte ihm etwas Toilettenpapier, damit er sich die Nase putzen und die Tränen trocknen konnte. Dann zerrte sie ihn hoch. Er war wie eine Gliederpuppe, so dachte er. Gliederpuppen! Ein furchtbares Wort, das ihm plötzlich von irgendwo her in den Sinn kam. Er hörte jemanden lachen, drehte sich zu Daniela um, aber von ihr kam es nicht.

"So, komm! Schau dich mal hier im Spiegel an. Ist doch gar nicht so schlecht geworden, oder?" Vielleicht hätte sie das kleine oder besser nicht anhängen sollen, denn es drückte in all seiner Simplizität ihre ganze Unsicherheit aus.

Klaus blickte in den Spiegel. Er erschrak, als er sich sah.

"Mann, gleich ist es schon elf Uhr! Wir sollten uns besser beeilen! Ich habe keine Ahnung, wann Pia und meine Tante zurückkommen werden. Ich denke mal, es ist besser, wenn wir dann nicht mehr hier sind. Auch wenn sie vielleicht erst am Abend hier sein werden."

Beide gingen, nachdem sie auch die Unordnung im Badezimmer aufgeräumt hatten, zurück in Monikas Zimmer. Ihnen war kalt geworden, es war höchste Zeit, sich etwas anzuziehen, wollten sie sich hier nichts einfangen. Daniela schlüpfte schnell in einige Sachen, die sie aus ihrem Koffer geholt hatte, der immer noch im Gästezimmer stand. Dann aber sah sie, dass Klaus ein Problem hatte. Ein Problem, mit dem keiner von ihnen gerechnet hatte.

Er stand hier wie das sprichwörtliche Engelchen, das vom Himmel gefallen war. "Dani... ich..."

"Ach du scheiße!" Daniela sah es sofort. Er war als Barbara hierhergekommen; jetzt aber sollte er als Klaus das Haus wieder verlassen. Nur mit dem Problem, dass Klaus keine Sachen hier hatte, die er tragen konnte.
Da war guter Rat teuer. Daniela musste sich setzen. Das könnte jetzt schwieriger werden, als ihr - oder ihm - lieb sein würde.

"Was soll ich denn anziehen? Du glaubst doch nicht, dass wir irgendwo hier im Haus Männersachen finden?" Klaus stand da wie ein Häufchen Elend.

"Scheiße. Nein, das glaube ich nicht. Hast du welche bei dir zu Hause?" Klaus nickte. "Gut. Eine Hose und ein uni Pullover überm T-shirt wird´s schon tun. Du musst halt nur nach Hause gehen und dann bist du ja erst mal aus dem Schneider.

"So?", entgegnete er aufgebracht. "Soll ich etwa so zu mir gehen? Nackt??"

"Natürlich nicht. Dann ziehst du halt noch mal dein Kleid hier an! Wird schon nicht so schlimm sein, du stehst doch auf Dirndl!" Sie versuchte, ein scherzhaftes Lachen von sich zu geben, aber es misslang völlig.

"Ja, wie denn?? Mit den Haaren jetzt? Ohne meine Titten, die zu Hause liegen, weil ich diesen dämlichen Keuschheits-BH tragen musste?"

"Dann ziehst du ihn halt wieder an! Und wart mal... für deine Haare..." Sie öffnete mehrere Schubladen von Monikas Kommode. "Genau! Hier, da nimmst du einfach ein Kopftuch! Wenn du niemanden direkt anstarrst, dann wird keiner was merken. Also los jetzt, es ist die einzige Möglichkeit. Es sein denn, du willst lieber hier warten und Pia dann erzählen, dass ihre Tochter in der Leichenhalle liegt!



Es war fast dunkel geworden. Selbst die Vögel hatten sich zur Nachtruhe zurückgezogen. Jetzt machte Lesen auch keinen Sinn mehr, wollte er sich nicht im Schein einer Kerze die Augen verderben.
Klaus klappte das Buch zu. Ja, Lisbeth Salander war tough, aber was Barbara geschafft hatte, war fast noch tougher gewesen. Mit leichtem Schaudern dachte er an seinen Gang zurück, den er am frühen Mittag des Ostersonntags gemacht hatte. Zum ersten Mal seit Monaten war er sich wie ein verkleideter Junge vorgekommen, ein Empfinden, dass ihn mehr als beunruhigte und verwirrte. Was war er denn anderes gewesen, seit Monika ihn dazu gezwungen hatte, als Frau aufzutreten? War er nicht immer ein Mann in Frauenkleidern gewesen?

Barbara! Er wusste noch, wie Monika sich diesen Namen für ihn ausgedacht hatte. Einen Namen, der hässlich sein sollte, hart und beschämend. Unmodern. Er hatte es akzeptiert, wie er alles hingenommen hatte, ohne aufzubegehren.
Barbara. Seine Chimäre. Diese ´Frau´, die ihn gleichzeitig fesselte und befreite! Sie würde ihn eines Tages ins Grab befördern, dessen war er sich sicher. Falls er selber nicht schneller war.
Ein Käuzchen flog nachtschwarz durch den Himmel. Er erschrak als er noch einmal über seine eigenen Gedanken spekulierte. Hatte er denn wirklich gerade gedacht, dass Barbara ihn befreit hatte? Wie das?

Mit einem Mal wurde ihm kalt. Er erhob sich, nahm Buch und Bierflasche und begab sich zurück ins Haus. Eine Weile blieb er an der Tür zum Zimmer seiner Oma stehen und lauschte - sie atmete ruhig und regelmäßig. Es war noch keine zwei Wochen her, dass er sie bewusstlos am Fuße der Kellertreppe gefunden hatte.


Nach der mit Daniela gemeinsam durchgeführten Befreiungsaktion hatte er sich zurück zu seiner kleinen Dachwohnung begeben, die er seit Anfang Februar bewohnte. Alles war gut gegangen, niemand hatte sich groß um ihn gekümmert, obwohl er mit seinem Kopftuch und Dirndlkleid ziemlich verboten aussah. Erst als er oben in seinem Zimmer war hatte er zum ersten Mal das Gefühl, dass nun nichts mehr würde schiefgehen können.
Bis ihm siedendheiß das Video einfiel, mit dem Monika ihn lange erpresst hatte. Ein einziges Mal hatte er es bei ihr gesehen, einmal hatte er feststellen können, wie deutlich man ihn erkennen konnte, wie klar zu sehen war, welchen Verbrechens er sich schuldig gemacht hatte. Erst jetzt hatte er erfahren, dass sein Opfer nicht mehr minderjährig gewesen war, aber auch nur so gerade eben. Und, wenn er ehrlich war, so musste er sich eingestehen, dass er an eben jenem Abend alles andere als die Vorlage einer Alterslegitimation im Sinn gehabt hatte. Jetzt aber hatte die Drohung, dieses Video eventuell seiner Oma zugängig zu machen, ihren Schrecken verloren, wie er erleichtert feststellte. Auch wenn er sich über diesen Gedanken augenblicklich schämte.

Daheim hatte er sich beeilt, aus seinen Sachen zu kommen. Er legte den Keuschheits-BH ab und legte ihn in die Tüte, in der er auch den Keuschheitsgürtel mitgenommen hatte. Daniela hatte ihn dazu gedrängt, besser nichts liegen zu lassen. Sozusagen als eine kleine Erinnerung an die Zeit, die er mit Monika verbracht hatte, oder halt mit Barbara, wie sie hinzugefügt hatte. Mit etwas Glück war es ihm gelungen, eine einigermaßen männliche Garderobe zusammenzustellen, dann hatte er sich auf den Weg zu seiner Oma gemacht.



[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von Daniela 20 am 05.11.12 um 16:08 geändert
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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:05.11.12 11:46 IP: gespeichert Moderator melden


Hi Daniela20,
Nun ist es geschehen und die ersten Zeilen haben das Licht der Öffentlichkeit erblickt.
Gleich die erste Frage wer mag denn da in der Isar schwimmen Ich hoffe es ist nicht die
Monika, welche aus dem Krankenhaus geflohen ist, um ihren Freunden zu helfen.
Dabei einen Schwächeanfall erlitten hat und eben hier niedergesunken ist, dabei mit ihrem
Kopf eben in der Isar gelandet ist. Aber wir werden es ja noch erfahren.

Dir meinen herzlichen Dank für deine Mühe uns zu bedienen.

Mit freundlichen Grüßen der alte Leser Horst



[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von AlterLeser am 09.11.12 um 13:56 geändert
Gruß der alte Leser Horst
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maximilian24
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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:05.11.12 16:10 IP: gespeichert Moderator melden


Liebe Daniela!
Das lange Warten hat sich wirklich gelohnt. Ich zähle zu jenen Lesern die sich einbilden, die beiden ersten Teile Deiner Trilogie schon gut zu kennen. Dem entsprechend habe ich jetzt nicht mehr zurück geblättert sondern gleich drauflos gelesen. Von meiner Position aus habe ich es als sehr geschickt empfunden, wie Du Rückblendungen unterbringst. Ich habe den Anschluß an das Vorjahr sofort gefunden. Besten Dank
Maximilian
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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:10.11.12 10:44 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Daniela,

ich freue mich unendlich, dass es eine Fortsetzung zu herbstferien und frust gibt.
habe letztes jahr beide geschichten "verschlungen".

allerdings werde ich, bevor ich anfange den 3ten teil deiner trilogie zu lesen, die ersten beiden wieder durchlesen um einen leichteren einstieg zu finden.
ausserdem habe ich dadurch auch die chance, dass ich gleich mehrere teile deiner fortsetzung auf einmal lesen kann

ich wünsche dir ein schönes wochenende, jede menge fantasie und fleißige fingerlein

lg von snolyn
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ich lache über die Anderen weil sie alle gleich sind.
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kochy25
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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:11.11.12 00:37 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Daniela,

ich habe die ersten beiden Teile verschlungen und nach jedem Teil eine Fortsetzung herbeigeseht. Dein Schreibstiel ist einfach toll und man kann sich bildlich in die jeweiligen Personen hineinversetzen. Ich bin jetzt schon gespannt welche Wendungen deine Geschichte diesmal nimmt.
Danke für die Fortsetzung.

kochy25
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Daniela 20
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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:11.11.12 22:00 IP: gespeichert Moderator melden


Die genaue Zeit: Es ist 22 Uhr!! Und weiter geht es mit dem letzten Teil unserer Geschichte. Danke für all die netten Kommentare!! Wie aber werdet Ihr in einem halben Jahr urteilen? Im Moment habe ich das Problem, dass das, was ich in den letzten Tagen geschrieben habe, noch ewig warten muss, bis ich es hier veröffentlichen kann. Die Geduld, die ich von meinen Lesern verlange, muss ich auch selber aufbringen.

Ich muss einmal darauf hinweisen, dass es in meiner Geschichte jetzt zwei von einander unabhängige Handlungsabläufe gibt; während die Haupthandlung mehr oder weniger chronologisch abläuft, entwickelt sich die Nebenhandlung - im Text kursiviert .- zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich erst ab Ende Oktober. Das nur für diejenigen, die es noch nicht selber gemerkt haben.

Jetzt viel Spaß beim Lesen, und allen eine gute neue Woche!

Eure Daniela

------------




Mai II.

Auch Daniela hatte sich beeilt, ihre Sachen in ihrem kleinen Koffer zu verstauen und das Haus zu verlassen. Sie hatte keine Ahnung, wie lange es dauern würde, bis die Polizei hier klingelte, aber lange konnte es bestimmt nicht mehr dauern. Es war bei näherer Betrachtung schon seltsam genug, dass es noch nicht geschehen war. Etwas misstrauisch sah sie sich um, bevor sie die Haustür hinter sich schloss; den Ersatzschlüssel legte sie wieder an seinen Platz unter der rostigen Farbdose.

Es war vorbei. Alles war vorbei und würde niemals wiederkehren. Zum ersten Mal in ihrem jungen Leben machte sie mit dem Tod Bekanntschaft, zum ersten Mal musste sie feststellen, wie endgültig etwas sein konnte. Es war nicht wie in einem Zeichentrickfilm, in dem alle endlos weiterlebten, egal wieviel Haue sie bekommen hatten.
Im Haus ihrer Tante war es kalt. Sie trug ihren Koffer in Claudias Zimmer, in dem sie schon während der Herbstferien gewohnt hatte, und drehte erst einmal die Heizung auf. Leider geschah nichts, denn der Heizungskessel im Keller war nicht eingeschaltet, sodass das kleine Zimmer genauso kalt blieb wie ihr Herz. Sie blickte sich um, dort, hinter dem kleinen Schränkchen, befand sich der kleine Raum unter der Dachschräge, in dem sie damals Claudias Keuschheitsgürtel und den dazugehörenden BH gefunden hatte - und jenes kleine Tütchen mit der Aufschrift Schlüssel. Damals?? Sie musste lachen. Aber es war kein fröhliches Lachen. All das war gerade mal ein halbes Jahr her, sechs Monate nur, die allerdings ihr Leben heftig verändert hatten. Wie hatte es nur dazu kommen können? War es ihre furchtbare Neugier gewesen? Ihre Unerfahrenheit? Und wieso hatte sie überhaupt von dem Keuschheitsgürtel gewusst? Richtig! Claudia hatte ihr in einem Brief davon berichtet, wie geil es wäre, solch ein Teil tragen zu können. Ein Brief als Anfang allen Unglücks. Und jetzt war Monika tot.

Sie hatte nicht gewusst, was sie allein in dem kalten Haus machen sollte. Es war ungewiss, wann ihre Tante zurückkommen sollte, aber bis dahin musste sie etwas zu Essen finden. In der Speisekammer fand sich Käse und eingemachte französische Pastete, Brot war keins da aber im Küchenschrank war eine Packung Knäckebrot. Nicht unbedingt das, was sie unter Essen verstand, aber besser als gar nichts. Daniela fand auch eine Flasche Rotwein, auch der war in der Stunde der Not besser als gar nichts; ein paar Glas würden über den ersten Schmerz hinweghelfen.

Nach dem Essen hatte sie sich hingelegt und war sofort eingeschlafen, in der Nacht zuvor hatte sie kaum Schlaf bekommen. Jetzt kuschelte sie sich ein und holte das Versäumte nach.
Als sie wieder aufwachte war es schon später Nachmittag. Sie fühlte sich total zerschlagen und überlegte, was sie tun sollte. Sie warf als erstes einen Blick aus dem Fenster um zu sehen, ob beim Nachbarhaus schon irgendetwas los war, aber dort war immer noch alles ruhig. Vielleicht sollte sie ein Bad nehmen?

Das kleine Badezimmer war schnell warm geworden, hier sorgte ein elektrischer Heizstrahler für die nötige Wärme. Es war herrlich, in das warme Wasser eintauchen zu können, es wirkte gleichzeitig belebend und einschläfernd auf sie. Nur richtig warm wurde ihr immer noch nicht, solange sie an das Bild vom Zinksarg denken musste, den die Männer transportiert hatten. Und an Monika. Tot. Kalt und tot.

Ein dumpfes Poltern der Haustür schreckte sie hoch. War jemand nach Hause gekommen? Ihre Tante?

"Daniela!!?? Bist du zu Hause?" Ja, ihre Tante hatte gleich bemerkt, dass sie ihre Jacke an der Garderobe aufgehängt hatte.

"Ich bin im Bad, Tante Agnes!" Für einen Moment wünschte sie sich, sie läge nicht in einer kleinen Badewanne, die kaum größer als Monikas Sarg sein mochte, sondern sie befände sich irgendwo an einer tropischen Insel, dort wo das Wasser tief und unendlich blau war, und wo sie in dieses tiefe Blau hätte hinabtauchen, allen irdischen Bekümmerungen entfliehen können.

Ihre Tante klopfte an die Tür. "Darf ich reinkommen?"

"Einen Moment!" Unbeholfen spritzet sie etwas aus einer Flasche Schaumbad ins Wasser, fuchtelte schnell mit den Händen herum und als sie mit der Menge bedeckenden Schaumes zufrieden war, bat sie ihre Tante herein.

"Daniela! Hallo meine kleine Nichte!! Wie geht es dir? Gut, dass du da bist!"

Es dauerte keine zwei Sekunden, bis die Worte ihre Wirkung erzielten. Dicke Tränen schossen aus Danielas Augen.

"Schon gut, schon gut! Ist ja nicht so schlimm! Wir haben schon davon gehört... man hat uns unterwegs angerufen. Pia hat einen Schock erlitten, ich musste weiterfahren... sie ist erst einmal ins Krankenhaus gekommen... ach mein Gott..."

Daniela schniefte laut auf. Ihre Lippen zitterten, nur mit Mühe brachte sie ein einziges Wort hervor: "Tot."

Ihre Tante sah sie tröstend an. Ein direkter Körperkontakt vermied sich, da es schwierig ist, einem nassen Menschen tröstend den Arm umzulegen. "Ja, tot. Furchtbar. Man hat ihn auf den Stufen des Altars gefunden..."

Daniela verstummte augenblicklich. Was hatte ihre Tante gesagt? "Man hat wen auf den Altarstufen gefunden?"

"Den Pastor. Man hat den Pastor dort gefunden. Was hast du denn geglaubt?



Daniela schlug ihr Schulbuch zu. Lernen hatte einfach keinen Zweck, solange sie immer an jene Ostertage denken musste, in denen so Furchtbares geschehen war. Ihre Tante hatte ihr erzählt, dass der Pastor gestorben war, man wusste noch nicht, wieso und weshalb, und dass Monika mit schlimmsten Verletzungen ins Klinikum eingeliefert worden war. Verletzungen, die ihr dieses Sadistenschwein von Pastor zugefügt hatte. Eine unfassbare Geschichte das alles.
Beide verbrachten einen sehr stillen Osterabend. Am Ostermontag besuchte zuerst Agnes Monika im Krankenhaus, nachdem sie erfahren hatte, dass Pia, Monikas Mutter, aufgrund ihres Schwächeanfalls noch nicht nach Hause entlassen worden war und auch keine Rede davon sein konnte, dass diese ihre Tochter selber würde besuchen können.
Als sie mittags nach Hause kam teilte sie Daniela mit, Monika würde sich freuen, wenn sie vor ihrer Abreise noch einmal zu Besuch käme.

Mit flauem Gefühl im Magen hatte sie an der Tür zu Monikas Krankenzimmer angeklopft und sich gefreut, eine doch recht kräftige Stimme zu vernehmen, die sie zum Eintreten aufforderte.

"Dani!! Endlich!" Monika gab einen Seufzer der Erleichterung von sich, als sie die Freundin erkannte.

"Hallo Moni! Wie... wie geht es dir?"

"Ach, es geht schon. Nur wenn ich zum Klo muss, ist es echt unangenehm. Ich muss etwas aufpassen, dass ich nichts esse, was stopft."

Daniela grinste sie an. "Musst du lange hier bleiben?"

Monika klärte sie auf, dass es einige Tage dauern konnte. Dann stellte sie ihrerseits die Fragen, die sie Danielas Tante am Vormittag nicht hatte stellen können. "Und du... und Klaus...? Konntet ihr..."

Daniela verstand gut, was Monika wissen wollte. "Ja, wir konnten. Ich wusste ja, wo der Reserveschlüssel lag. Hat halt alles nur ein wenig gedauert. Und Bar..., ich meine: Klaus, dem habe ich dann die Haare geschnitten!"

"Du hast was?? Ihm die Haare geschnitten? Wieso das denn?"

Daniela erzählte es ihr. Und dass sie seitdem nichts mehr von Klaus gehört hatte. Was ja keine schlechte Nachricht sein musste.

"Dani! Du musst mir einen Gefallen tun. Ich muss ein Versprechen einlösen, und das kann ich nicht, solange ich hier im Krankenhaus liege. Und vielleicht auch nicht, wenn ich wieder zu Hause bin. Weiß ja nicht, wie mobil ich dann erst mal bin." Monika erläuterte der Freundin ganz genau, was sie tun sollte, nachdem diese zugesagt hatte, ihr zu helfen.
Die Krankenschwester kam mit einem kleinen Rollwagen ins Zimmer. Es war schon Zeit fürs Abendessen. Daniela stand auf. "Warum, Moni? Ich meine, warum ist das alles passiert? Das ist doch der reinste Wahnsinn..."

"Ja. Aber auch der Wahnsinn hat Methode. Man könnte sagen, da ist diesmal einfach etwas schiefgelaufen. War natürlich dumm, dass der Pastor da so unerwartet abgekackt ist." Sie lachte geniert.

"Ja, aber warum hat er denn so etwas Ätzendes überhaupt mit dir gemacht? Das kapier ich nicht!" Daniela sah sie mit einem Ausdruck an, dem anzusehen war, dass sie eine einfache Antwort erhalten könnte.

Monika schwieg. "Ich weiß es nicht. Vielleicht hat auch er es nicht ganz freiwillig getan; keine Ahnung. Welcher Teufel ihn geritten hat, kann ich nicht sagen. Es ist so schon alles verdammt kompliziert. Wir telefonieren mal, ja? Du fährst ja übermorgen wieder nach Köln, hast ja jetzt erst mal ganz andere Sorgen, nicht wahr?"

"Ja. Abitur und so. Mal sehen, wo ich einen Studienplatz bekomme." Daniela überlegte, ob sie Monika fragen solle, ob sie eventuell ihre Blaubeerjoghurt essen könnte, aber dann zog sie doch ihre Jacke an, beugte sich zu ihrer Freundin hinab und drückte diese, so gut es ging. "Schön, dass du noch lebst, Moni! Ich hatte gestern früh eine Scheißangst, dass es dich erwischt hatte."

"Tja, noch mal dem Kerl mit dem Pferdefuss von der Schippe gesprungen, nicht wahr? Fragt sich nur, ob man immer so viel Glück hat. Mach´s gut, Dani! Komm gut nach Hause! Und dann telefonieren wir mal, ja!?" Beide verabschiedeten sich herzlich voneinander und Daniela machte sich auf den Heimweg.

%%%


Die Großmutter hatte sich gefreut, ihn wiederzusehen. "Ach wie schön, dass du endlich mal wieder kommst, Bub!"

"Danke, Oma, dir auch Frohe Ostern! Und nenn mich nicht immer..."

"...Bub. Ja, ich weiß schon. Bist ja wirklich kein kleiner Junge mehr."

"Ich bin schon lange kein kleiner Junge mehr, Oma!", begehrte Klaus auf. Warum musste es immer so schwierig sein? Konnte sie sich nicht einfach über die mitgebrachten Blumen freuen? "Hast du eine Vase? Die sollten wohl bald mal ins Wasser."

Die alte Frau Meisner nahm ihm die in grünes Papier eingewickelten Osterglocken ab. "Gib mal her, ich mach das schon. Und, wie geht es sonst so? Du siehst etwas mitgenommen aus. Wird wohl Zeit, dass du mal wieder etwas an die Sonne kommst."

Er erschrak für einen Moment, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen. "Na ja, der Job. Viele Nachtschichten in letzter Zeit bei meinem Behinderten. Und tagsüber schlafe ich nicht so gut."

"Hast wohl anderes im Kopf, tagsüber?" Sie schnitt die Stängel der Blumen etwas an und stellte sie dann in eine bauchige, gläserne Vase.

Versuchte sie, ihn auszuhorchen? Klaus war sich nicht sicher. Er musste höllisch aufpassen, nicht unvermittelt stimmlich in seine Barbara-Tonlage abzurutschen, viel zu lange hatte er diese etwas leisere, aber höhere Stimme benutzt. "Nee, ist halt nur nicht mein Ding. Aber deshalb bin ich in letzter Zeit auch kaum noch hier gewesen. Aber wie ich sehe, bist du ja auch ohne mich zurecht gekommen?"

"Passt scho´! Aber ich hätte gern etwas Gesellschaft von einem netten jungen Mann gehabt!" Sie nahm die Vase und trug sie ins Esszimmer, wo sie sie auf den Tisch stellte. "Aber der junge Mann scheint sich wohl doch mehr für die Gesellschaft etwas jüngerer Damen zu interessieren?"

War das eine Frage gewesen, oder eine Feststellung? Ein Köder jedenfalls, an dem er nicht anbeißen durfte. Er setzte ein unschuldiges Lachen auf und schüttelte den Kopf. "Ach Oma! Als ob ich nur Weiberkram im Sinn hätte!"

Sie reagierte nicht. In aller Seelenruhe begann Annegret den Tisch zu decken. Sie begab sich wieder in die Küche, kochte Kaffee, schnitt den Osterzopf an, den sie am Karsamstag gebacken hatte.
"Zucker? Milch? Stell dir mal vor, das habe ich jetzt glatt vergessen? Ach ja, es ist nicht schön, so alt zu werden!"

Klaus nahm Milch und Zucker. "Jetzt hör aber mal auf, Oma! So alt bist du nun auch wieder nicht!"

"Nun ja, schon siebenundsiebzig! Da ist der Lack ab! Aber eigentlich ist der schon lange ab, seit mindestens vierzehn Jahren!"

Klaus sah, wie die Gesichtszüge seiner Großmutter härter wurden, ihr Mund war zu einem schmalen Strich geworden, ihr Blick schien ins Leere abzugleiten. Dann aber fing sie sich wieder.

"War das dein Roller, den ich drüben bei Monika vor dem Haus gesehen habe?", fragte sie ganz unvermittelt.

Fast hätte er sich verschluckt. Er war auf alles vorbereitet gewesen, nur nicht darauf, derart inquisitorische Fragen über sich ergehen lassen zu müssen. Was jetzt? Antwortete er mit ja, würde sie endlos weiterbohren, bis sie alles aus ihm herausgeholt hatte. Antwortete er mit nein, würde sie ihm sicherlich kein Wort glauben. Er entschied sich für den Mittelweg. "Kann schon sein, Oma."

"Wie: kann schon sein? Das versteh ich jetzt nicht, Klaus."

"Ich hatte den Roller ab und zu an eine Bekannte verliehen." Nicht mit der Stimme zittern!

"An Monika??"

Sie beißt sich fest wie ein Krokodil! "Nein, an eine Bekannte. Eine Arbeitskollegin, die im Winter schlecht zu Fuß war. Wohin sie mit meinem Roller gefahren ist, kann ich nicht sagen."

"Aber sie sah hübsch aus! So bin ich damals auch durch die Stadt gefahren."

"Wie: so??"

"Mit Petticoat und so. Hab gar nicht gewusst, dass das wieder modern wird! Wie heißt sie denn?"

Er holte tief Luft. Gab es eine Möglichkeit, das Gespräch auf ein anderes Thema zu bringen? "Sie heißt Barbara, Oma. Komm, mach uns mal das Radio an! Es ist immer so still hier bei dir! Wenn du willst, können wir auch etwas spazieren gehen. Ich habe heute den Rest des Tages frei, und bald ist sowieso Schluss mit der Stelle."

"Oh! So bald schon? Wie doch die Zeit vergeht!" Fra Meisner stand auf und schaltete ein altes Radiogerät ein, eines, das in den Sechzigerjahren sicherlich hochmodern gewesen sein musste. Dann setzte sie sich wieder an den Tisch. "Komm, nimm noch ein Stück vom Zopf! A propos Zopf! Was ist eigentlich mit deinen Haaren los? Nennt man so etwas heutzutage einen Haarschnitt?"

Beide aßen ein weiteres Stück. Klaus verzichtete darauf, eine Antwort zu geben, und auch die Großmutter schien vom vielen Reden etwas ermüdet zu sein. Dann aber rückte sie ihren Stuhl zurück. "Ach ja, wollen wir nicht etwas spazieren gehen? Meine Beine sind heute ganz gut dabei. Etwas frische Luft wird uns gut tun!" Sie stand auf, ging zum Radio um dieses auszuschalten, als ein Dreiklang die Nachrichten ankündigte. Für einen Moment zögerte die Oma zu lange, schon hatte der Sprecher seine sensationelle Meldung vorgelesen: "Antenne München mit den Nachrichten. Unter noch nicht ganz geklärten Umständen fand die Polizei heute in den Morgenstunden die Leiche des Pastors der Münchner St. Peter und Paul Gemeinde. Wie die Polizei mitteilte, wurde der Geistliche tot auf den Stufen des Altars aufgefunden. Ebenfalls gefunden wurde eine stark verkommene Messdienerin, die offenbar Gegenstand sadistischer Sexspiele gewesen war. Über die weiteren Hintergründe schweigen sich Behörden und Kirche vorerst aus. Die junge Frau wurde in ein Hospital verbracht; sie soll von der Polizei vernommen werden, sobald sie dazu in der Lage ist. Und nun die weiteren Nachrichten..."
Frau Meisner schaltete das Radiogerät aus. Sie wankte etwas, zog einen Stuhl heran und setzte sich. Sie war weiß wie ein Laken. "Herr im Himmel," stammelte sie und bekreuzigte sich.
Auch Klaus hatte die Nachricht gehört. Er hatte bereits im Flur seine Jacke angezogen, war nun aber zurückgekommen und in der Tür stehen geblieben. Einen Moment brachte er keinen Ton heraus, dann aber murmelte er leise, als die Erkenntnis ihn traf: "Monika lebt..." Er holte tief Luft, eine furchtbare Beklemmung, die ihm seit dem Morgen auf der Brust gelegen hatte, hatte sich gelöst. "MONIKA LEBT! Gottseidank!"

Die Oma sah ihn mit tadelndem Blick an. "Was gibt es denn da zu schreien? Hast du nicht gehört, dass unser Pastor gestorben ist?"

"Ja, aber Monika... Monika lebt! Das ist doch wohl die Hauptsache!"

"Monika... Monika!! Was hast du denn mit dieser Monika zu schaffen? Woher willst du überhaupt wissen, dass sie es war? Fühlst du denn gar kein Mitleid mit unserem armen Pastor? Bub?" Sie hatte eine kleine Kunstpause eingelegt, und dann wissentlich den Namen hinterhergestellt, den er so verachtete.

"Ich bin kein Bub, Oma! Hör endlich damit auf! Und der Pastor ist mir sowas von scheißegal, da hat es doch endlich mal den Richtigen getroffen!!" Wütend machte er auf dem Absatz kehrt. Seine Oma hörte nur noch, wie er die Haustür hinter sich zuwarf, dass die Wände zitterten, dann war Stille im Haus. Totenstille, dachte sie. Was war denn nur in den Jungen gefahren? Und wieso reagierte er so heftig, nur weil sie ihn Bub nannte? Er war doch ein Bub, oder? Sie verstand es nicht.
Aber nachdem der erste Schock sich gelegt hatte kam auch sie langsam zur Besinnung. Vor nicht einmal 24 Stunden war das Grab noch leer gewesen, der Held erwacht, wie es so schön im Kirchenlied hieß, jetzt war das Grab wieder voll. Und mit einem Mal bekam sie es mit der Angst zu tun. Würde die Polizei eine Verbindung zu ihr herstellen können? Auch wenn es noch so unwahrscheinlich schien, sie musste ab jetzt mit dem Schlimmsten rechnen. Es war wichtig, dass sie einen kühlen Kopf behielt, und es war vielleicht entscheidend, dass sie eventuelle Hinweise auf eine Verbindung von ihr mit dem Pastor so schnell wie möglich verschwinden ließ.

%%%

Klaus hatte selber nicht recht gewusst, was plötzlich in ihn gefahren war. Für einen Moment hatte er vollständig die Fassung verloren, hatte sich ein Ventil geöffnet, welches er nun schleunigst wieder schließen musste. Er war zu sich nach Hause gegangen, in seine kleine Dachwohnung, und stand nun äußerst unschlüssig vor seinem Spiegel. Bub! Er hasste dieses Wort.
Dann füllte er die Cups seines BH mit seinen künstlichen Brustprotesen. Es war verboten, aber es fühlte sich gut an. Er stieg in den weit ausladenden Petticoat, leise raschelte der knisternde Stoff und umspielte seine Beine. Es war nicht richtig, aber verdammt geil. Seine Füße schlüpften in die höchsten High heels, die er finden konnte. Jeder Schritt in ihnen war eine Herausforderung, eine Qual, aber er nahm sie gerne auf sich, als er zum ersten Mal seit vielen Monaten merkte, wie sein Glied sich langsam unter dem dünnen Slip, den er trug, aufrichtete.


%%%

Daniela hatte den Gefallen erledigt, um den Monika sie gebeten hatte. Nun saß sie im Zug und fuhr einer eher ungewissen Zukunft entgegen. Das Spiel mit Monika würde vorbei sein, das wusste sie. Aber war sie gefragt worden, ob sie schon genug gespielt hatte?
Sie hatte alles wieder mit eingepackt, was sie mitgebracht hatte. Diesmal inklusive der richtigen Schlüssel. Allerdings hatte sie diesmal, für ihre Fahrt zurück nach Hause, nicht das Dirndlkleid angezogen, sondern relativ gewöhnliche Sachen. Sogar eine Jeans. Sie wusste, sie sah aus wie eine ganz normale junge Frau. Aber sie wusste auch, dass sie genau das nicht war.

Es half alles nichts. Auch wenn sie keine ganz normale junge Frau war, so musste sie sich jetzt ranhalten. Die Zeit flog nur so vorbei und wenn sie nicht aufpasste, würde sie in wenigen Wochen durchs Abitur durchrasseln. Von nichts kommt nichts, dachte sie, und zwang sich, ihr Interesse wieder dem kleinen Korsen zuzuwenden, der ihr schließlich nicht das erhoffte Studium vermasseln sollte.


Oktober II

Der junge Beamte schaute sie entgeistert an. "Gams? Was für eine Gams denn?"

Kommissarin Wimmer schaute ihn mit überlegenem Lächeln an und deutete auf die mächtige Steinfigur. "Die der Jäger dort unter dem Arm hält! Die Allegorie Bayerns!"

Der Mann räusperte sich. "Eine junge Frau, Frau Kommissarin. Sie liegt unten am Brückenpfosten, der Kollege ist bei ihr."

Ingeborg Wimmer blickte über die steinerne Brüstung. Unten, auf einigen großen Steinen, lag die Leiche einer jungen Frau im Dirndl. Ah, dachte sie, eine Oktoberfest-Leiche, dann aber fiel ihr ein, dass das Oktoberfest schon lange vorbei war. Tödlicher Unfall im Suff fiel also wohl eher aus.

"Sie können hier links hinabgehen, passen Sie auf, die Böschung ist steil!"

Die Kriminalbeamtin hielt sich an einigen Zweigen fest, als sie sich durch mehrere Bäume, die hier wuchsen, hindurch zum Ufer der Isar begab. Sie begrüßte den Beamten mit einem knappen ´Morgen!´. Sie sah, dass er der dienstältere der beiden Polizisten war. Sie hatte schon einige Male mit ihm zu tun gehabt.

"Morgen Frau Wimmer! Tja, sieht nicht gut aus. Muss wohl heute Nacht passiert sein. Armes Luder."

Die Leiche lag direkt am Fuß der Brücke auf einigen mittelgroßen Steinen, die zur Zeit trocken geblieben waren, da die Isar wegen eines relativ trockenen Sommers und Herbstes wenig Wasser führte. Ihr Kopf lag auf der rechten Seite, lange Haare verdeckten aber das Gesicht. Ihr rechter Fuß war angezogen, der linke schwappte im Wasser. Neben der Leiche lag ein Trachtenjanker.

"Wissen wir schon, wer sie ist?"

"Bis jetzt noch nicht. Eine Vermisstenmeldung liegt auch noch nicht vor; ich habe schon nachgefragt." Der Beamte zuckte die Schultern.

"Diese Jacke da... haben Sie ihr die ausgezogen?" Es war eine rein rethorische Frage, das wusste sie.

"Frau Kommissarin, ich bin doch kein Anfänger. Also bitte!"

"Hm. Und wie kommt sie dann dahin?"

"Vielleicht hat sie sie in der Hand getragen, oder über die Schultern gelegt. Was weiß ich."

"Schauen Sie mal nach, ob sich da irgendetwas Brauchbares findet. Aber bitte mit Handschuhen!"

Der Beamte streifte sich dünne Gummihandschuhe über, dem Beispiel der Kriminalkommissarin folgend. Diese bückte sich nieder, um das Gesicht der Leiche zu betrachten.

"Fehlanzeige, Frau Wimmer! Da ist absolut nichts Verwertbares. Ein Fahrschein von der Tram, etwas Kleingeld, ein Papiertaschentuch. Leider kein Ausweis. Also, ich vermute mal, die kam von irgendeinem Fest, ist dann mitten in der Nacht allein nach Hause gelaufen, wahrscheinlich sturzbesoffen, dann hat sie sich übergeben müssen, und ist hier runtergefallen. Ein Unfall, wenn auch ein etwas seltsamer Unfall."

Ingeborg Wimmer sah ihn kopfschüttelnd an. "Nein, ich glaube nicht, dass das ein Unfall war. Es sei denn, sie hat sich das hier selber zugefügt! Schaun Sie mal!"

Sie hatte die Haare vorsichtig etwas zur Seite genommen, jetzt konnte man gut die linke Seite ihres Gesichtes erkennen. Eines Gesichtes, auf dem sich deutlich der Abdruck einer Hand sehen ließ.

Der ältere Beamte stöhnte leicht auf. "Mei, so a liabs Dirndl..."

"Ob sie ein liebes Mädchen war, wie Sie sagen, wird sich noch herausstellen! Aber ich denke mal, wir haben hier einen Tatort, den wir besser absperren sollten. Auch oben bei der Figur. Vielleicht findet sich noch etwas. Wie sieht es denn mit einer Handtasche aus? Haben wir da was?"

"Nichts, Frau Kommissarin. Entweder hat sie keine dabei gehabt, oder sie ist in den Fluss gefallen."

Ingeborg Wimmer lächelte müde. "Wenn oben auch keine liegt, dann ist sie in den Fluss gefallen! Wer hat die Leiche denn überhaupt gefunden?"

"Eine junge Frau, der hier am frühen Morgen mit ihrem Hund langgelaufen ist. Nicht hier, sondern drüben auf der anderen Seite. Nur so konnte sie das arme Ding überhaupt sehen. Der Kollege hat ihre Personalien aufgenommen und sie wieder nach Hause geschickt. Gab ja keinen Grund für sie, hier lange zu warten, bei der morgendlichen Kälte, die es jetzt wieder hat."

"Auch wahr. Und wann genau war das?"

"Das war kurz nach 6 Uhr."

Sie sah auf ihre Uhr. "Also vor ca. zwei Stunden. Und wieso hat es so lange gedauert, bis man mich benachrichtigt hat?"

"Nein nein, Frau Wimmer! Sie irren sich! Es ist erst eine Stunde her, dass wir die Nachricht bekommen haben. Es ist doch erst kurz nach sieben!"

Sie sah ihn skeptisch an. Es war wohl zu früh für eine Märchenstunde.

"Winterzeit, Frau Kommissarin. Sie haben wohl vergessen, Ihre Uhr zurückzustellen!"

Theatralisch fuhr sie sich mit der Hand über die Augen. "Mein Gott! Wissen Sie eigentlich, was das bedeutet??" Sie blickte ihn mit irren Augen an. "Das bedeutet, dass man mich schon um halb sieben aus dem Bett geklingelt hat!!" Sie kniff dem verdutzten Beamten ein Auge und lächelte ihn an, dann nahm sie ihr Handy und wählte die Kurzwahl der Polizeiwache. "Ja, danke, auch so! Ich brauche mal einen Arzt, und die Spurensicherung. Ja, ich weiß, es ist Sonntag und noch frühmorgens... nein, ich hab´s mir auch nicht ausgesucht. Nein, wenn wir noch lange warten, können die Kollegen in Passau den Fall übernehmen!" Sie gab den genauen Fundort der Leiche an, beendete dann das Gespräch und wählte die Nummer ihres Chefs. "Morgen Chef! Ja, ich weiß... ja ja, aber Sie sagten mal, Sie wollten bei jeder Leiche informiert werden." Sie berichtete ihm kurz die erkennbaren Einzelheiten, dann klappte sie ihre Handy zu. Gemeinsam mit dem älteren Beamten kletterte sie wieder nach oben, nachdem sie sich vergewissert hatten, dass der Tatort einigermaßen gesichert war.
"Meine Herren! Befehl vom Chef! Hier wird überhaupt nichts angerührt, bevor der Rick da ist! Er hat gesagt, er wolle sich beeilen!"

Sie hätte Kriminalhauptkommissar Rick sagen können. Aber das tat niemand. Wann immer es ging, sagten alle nur ´der Rick´; das war viel schöner. Den jüngeren Beamten wies sie an, seine Kamera aus dem Streifenwagen zu holen und einmal jenen Handabdruck zu fotografieren; man wusste ja nie, wie lange dieser sich noch im Gesicht der jungen Frau zeigen würde. Dann zündete sie sich eine Zigarette an und betrachtete nachdenklich die Figur des auf einer hohen Säule stehenden Friedensengels auf der anderen Isarseite, die im ersten Morgenlicht golden aufleuchtete.




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maximilian24
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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:12.11.12 21:59 IP: gespeichert Moderator melden


Meine Gedanken kreisen um die Begriffe "Freiheit" und "Gerechtigkeit". Wieviel gibt es davon in unserem Leben oder wieviel können wir uns selbst aneignen? Und wieviel Leidenschaft darf ich erleben?
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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:13.11.12 13:46 IP: gespeichert Moderator melden


Hi Daniela,
nun bin ich ja froh das meine Unkerei nicht zutraf und die Monika noch lebt,
wäre ja auch gemein gewesen wo sie den Stress in der Kirche überstanden hatte
da wäre das Schicksal ganz gewaltig gemein gewesen wenn sie nicht überlebt hätte.

Klaus, den ja Dani aus Köln scheinbar als ihren Freund ansieht, ist trotz der Radikalkur des
Haarschneidens, scheinbar nicht zu helfen, er träumt in seinem Zimmer der Zeit der Babara hinterher.
Dies kann die Monika dann ja wieder aufleben lassen, bin gespannt wie es weiter geht.

Dir danke ich für deine Fortsetzung und
Grüße Dich als der alte Leser Horst



[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von AlterLeser am 08.05.14 um 22:01 geändert
Gruß der alte Leser Horst
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zur Sicherheit besser verschlossen, zur Zeit im Neosteel TV-Masterpiece...

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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:16.11.12 00:11 IP: gespeichert Moderator melden


Hi Daniela,

Deine Fortsetzung enthält echt starken Tobak: eine junge Frauenleiche. Ob das am Ende nicht doch Monika ist Das wäre echt erschreckend, denn das würde ich ihr dann doch nicht wünschen - ebenso wie für jedes junge Mädel. Und der Handabdruck deutet ja auf eine Gewalt hin, die beabsichtigt oder unbeabsichtigt zu solcher Folge geführt habe könnte. Echt erschreckend, und ziemlich außergewöhnlich.

Trotzdem, ich freue mich wirklich, daß Du diese fantastische Geschichte fortsetzt, und freue mich ebenso auf die noch folgenden Teile!!!

Keusche Grüße
Keuschling
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Daniela 20
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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:18.11.12 22:00 IP: gespeichert Moderator melden


Und schon ist wieder eine Woche vorbei! Die Tage werden immer dunkler, es fängt schon an, zu nerven. Gut also, dass wir diese Geschichte hier haben! Ja, es stimmt, einer unserer Protagonisten wird tot aufgefunden ... so ist halt das Leben. Aber wer es ist, das zu erfahren verlangt noch viel Geduld!
Ein Dank all denjenigen, die mir geschrieben haben. Da ich kein Geld mit dieser Geschichte verdiene ist es für mich der einzige, schöne Lohn!! Bis nächste Woche herzliche Grüße von Eurer Daniela.

---


Mai III.

Auch Monika grübelte und grübelte. Wie hatte Agnes, ihre liebe Nachbarin und Danielas Tante, sich ausgedrückt, als diese sie noch am Osterdienstag in der Klinik besucht hatte? Enthaltsamkeit, hatte sie gesagt. Und wenngleich sie nicht direkt von sexueller Enthaltsamkeit sprach, so doch von geistiger Enthaltsamkeit. Als ob das viel ändern würde. Und wenn sie nicht an Sex denken durfte, an was dann? Objektiv betrachtet war es in der heutigen Gesellschaft doch komplett unmöglich, nicht von morgens bis abends ständig auf genau dieses Thema gestoßen zu werden. Sex ist doch das, was diesen Planeten am Laufen hält, egal was alle anderen sagten. Und bitteschön, ihr sollte man nicht vormachen, dass zum Beispiel Hohes Kulturgut wie eine Ballettaufführung nichts mit der Sache zu tun hatte, oder eben auch dämliches Tanzstundengeschwofe. Wenn es wirklich etwas gab, das sie hasste, dann war es dieses ewige Nicht-in-den-Mund-nehmen-wollen all jener, die klugscheißerisch daherredeten und es nicht eingestehen wollten, dass letzten Endes alles irgendwie immer auf dasselbe hinauslief: auf Sex.

Dass der letzte Zuwachs ihrer Gesellschaftsanalyse nun auch die Kirche nicht verschont ließ, schmerzte sie. Es ließ sie orientierungslos im Raum treiben, hatte ihr etwas entzogen, das während der letzten Jahre ein sicher geglaubtes Fundament dargestellt hatte. Ja, fast wünschte sie sich Pastor Flemming zurück, obwohl dieser doch beinahe für ihren Tod verantwortlich gewesen wäre.
Aber sie war ein guter Mensch. Egal, wieviel Schuld sie auf sich geladen hatte, so hatte sie sich immer bemüht, ein guter Mensch zu sein. Längst hatte sie ihrem alten Pastor vergeben, er konnte ja schließlich nichts dafür, dass er ausgerechnet an jenem Abend einen Herzinfarkt bekommen hatte! Wäre das nicht geschehen, wäre all ihr neues Elend, diese Leere, gar nicht erst entstanden.

Monika verließ die Bank, auf der sie einige Zeit gesessen hatte. Es war herrlich, endlich wieder sommerliche Temperaturen genießen zu können, und ebenso schön, die dicken und entstellenden Winterklamotten gegen leichtere Sachen in fröhlichen Farben auszutauschen. Das einzige, was im Moment noch leicht störte, war die Tatsache, dass längeres Sitzen auf harten Bänken immer noch etwas schmerzhaft war. Aber sie hatte keinen Grund, zu klagen. Die tiefen Verletzungen waren gut abgeheilt, es hatten sich keine Komplikationen eingestellt.
Sie nahm ihre Mappe, nachdem sie ihren Laptop darin verstaut hatte, und machte sich auf den Heimweg. Sie hatte im Internet nach Antworten auf ihre drängendste Frage gesucht, aber keine gefunden. Der vermutlich einzige, der sie hätte beantworten können, lag jetzt unter einem dicken Stein auf dem Friedhof am Perlacher Forst. Warum hatte er es getan? Warum hatte er sie gequält?
Doch schon bei dieser Frage musste sie sich eingestehen, nicht zu wissen, ob sie überhaupt richtig lag. Was hatte er zu ihr gesagt, als er sie kurz nach der Osternachtsmesse zur Strafbank geführt hatte? Wir müssen Buße tun. W I R. Nicht D U.
Vergleichsfälle, über die sie im Internet hatte lesen können, waren allesamt ganz anderer Natur. Sexueller Natur. Hier aber schien es so, als hätte ein alternder Kirchenmann nur den Geboten seiner Kirche gehorcht, dass nämlich ein Sünder für seine Taten büßen müsse, wollte er oder sie auf eine Vergebung seiner oder ihrer Sünden hoffen. Es war kompliziert. Hatte er sie auch nur ein einziges Mal unsittlich berührt? Nein. Und hatte er nicht einfach nur eine uralte Vorrichtung seiner Kirche vorgefunden, etwas, auf das sie selber ihn erst aufmerksam gemacht hatte? Diese seltsame Strafbank in der kleinen Seitenkapelle? War sie für den Pastor nicht einfach nur ein neuentdecktes, aber altes, probates Mittel auf dem Weg zur Vergebung gewesen? Statt dreimal den Rosenkranz zu beten?

In der Tram blieb Monika stehen. All ihre Überlegungen führten immer nur zu derselben Frage: warum, wieso und weshalb? Bei genauerem Nachdenken konstatierte sie, dass sich erst in jüngster Zeit das Verhalten des Pastors zum Abnormen verändert hatte. Erst seit wenigen Monaten hatte er ein ganz spezielles Interesse für sie entwickelt, hatte er angefangen, sie als Sünderin zu betrachten. Was mochte dahinterstecken? Hatte sie sich irgendetwas zu Schulden kommen lassen, ohne sich dessen bewusst zu werden? Aber wieso hatte er gesagt, wir müssen Buße tun?


Der andere Gedanke, der sie ebenfalls nicht losgelassen hatte, war jene Enthaltsamkeit. Schon jetzt, auf dem Weg nach Hause, war sie an mindestens drei großen Reklametafeln vorbeigekommen, die alles andere als Enthaltsamkeit propagierten.
Was jedoch nicht das einzige Problem war. Egal, wie sehr sie sich anstrengen würde, enthaltsam zu sein, es würde nicht reichen, solange eine andere Person über diesen Punkt andere Vorstellungen hatte. Wie sie es auch drehte und wendete, an dieser Person würde alles scheitern, an ihr würde sie nicht vorbeikommen, was sie schon wenige Tage nach ihrer Entlassung aus der Klinik hatte feststellen müssen. Fieberhaft hatte sie überlegt, was zu tun sei, sich aus dieser Klemme zu befreien, und war schließlich auf den einzigen Ausweg gekommen, der ihr Enthaltsamkeit garantieren konnte, auch wenn die Lösung keine neue war.

Monika schloss die Haustür auf, rief laut ´hallo!´ und ging gleich in die Küche, weil sie Durst hatte und sich ein Glas Leitungswasser holen wollte, etwas, das mindestens genauso gut war wie teures Mineralwasser.

"Hallo Schatz!" Ihre Mutter blickte von ihrer Zeitungslektüre auf. "Na, wie geht´s? Alles okay?"

"Klar, Mama. Alles prima. Warum fragst du?" Sie vermochte es nicht, den vorwurfsvollen Unterton ihrer Gegenfrage zu verbergen. Langsam nervte diese ewige Fragerei; früher hatte sie sich nicht halb so oft nach ihrem Wohlbefinden erkundigt.

"Och, nur so." Pia blätterte ihre Zeitung um. Vielleicht war diese Antwort die schlimmste die sie geben konnte.

"Nur so... nur so!! Immer ist es nur so! Wenn du dir ernsthaft Sorgen um mich machst, dann sag das bitte richtig, aber hör mir mit diesem dämlichen nur-so-Scheiß auf!" Monika trank einen Schluck Wasser und musste sich beherrschen, nichts zu verschütten.

"Entschuldige, Kleines! Ich... ich habe dummes Zeug geredet." Sie stand auf und ging auf ihre Tochter zu. "Weißt du, aber das habe ich ja schon gesagt, das war auch für mich ein Schock. Dass mein kleines Mädchen da von so einem Unhold..." Sie umarmte Monika von hinten.

"Er war kein Unhold! Eher eine arme Seele, die der Teufel geritten haben mag! Und ich bin kein kleines Mädchen mehr!" Monika entwand sich dem Griff ihrer Mutter. "Ist Post für mich gekommen?"

"Er hätte dich fast umgebracht!"

"Nein, Mama! Er ist selber dabei draufgegangen. Kapierst du das nicht? Was mit mir geschehen ist, war ein Unfall, nichts als ein dämlicher Unfall!"

Ihre Mutter schien das Argument nicht anzufechten. "Wartest du auf irgendetwas? Vielleicht auf einen Brief von Daniela?"

"Nein. Ich warte auf einen Abholschein vom Postamt!" Und schon war es heraus. Egal, früher oder später hätte sie es sowieso sagen müssen.

Ihre Mutter runzelte verwundert die Stirn. "Du hast etwas bestellt?"

"Ja, Mama. Ich habe etwas bestellt. Um es genau zu sagen: ich habe einen neuen Keuschheitsgürtel bestellt. Der alte war ja hinüber, nachdem sie den im Krankenhaus aufgeschnitten hatten." Monika knallte ihr Glas auf den Tisch; es fiel ihr schwer, ihre Gefühle zu kontrollieren.

"Oh! Ja... Hmm..." Geistreich war es nicht, was Pia von sich gab. "Einen neuen Keuschheitsgürtel? Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Stimmt, der alte war ja Schrott. Man hatte mir gesagt, du könntest froh sein, ihn getragen zu haben, andernfalls hättest du viel schlimmere Verletzungen davongetragen. Wann soll er denn kommen?"

"Ich weiß es nicht. Ich hatte die Firma gebeten, bei mir eine Ausnahme von den normalen Lieferzeiten zu machen. Eigentlich müsste er innerhalb der nächsten ein, zwei Wochen kommen."

"Du gibst mir die Schlüssel?"

Monika sah sie an. War das eine Frage gewesen? Oder doch eher eine Aufforderung? Man hätte erwarten können, dass ihre Mutter bereits ihre Hand nach den Schlüsseln ausstreckte, aber dem war natürlich nicht so. Wer die Schlüssel bekommen sollte, war der springende Punkt in ihren Überlegungen gewesen. Behielte sie sie selbst, könnte man wohl kaum von einem Keuschheitsgürtel sprechen. Würde sie sie jemand anderem geben, dann wäre der Familienfrieden dahin. Ihre Mutter würde es ihr nie verzeihen. Wie auch immer, es war fraglich, ob ein neuer Keuschheitsgürtel ihr jene Enthaltsamkeit ermöglichen würde, von der Agnes als einem Ausweg aus ihrem Dilemma gesprochen hatte.
Sie nahm ihre Tasche unter den Arm und ging zur Tür. "Ja, Mama, ich gebe dir die Schlüssel!"
Dann ging sie in ihr Zimmer.

%%%


Er hatte sie Anfangs des Monats gefunden. Er hatte sich gewundert, wieso seine Oma nicht ans Telefon ging, als er wiederholt bei ihr angerufen hatte, und hatte Schlimmes befürchtet. Aber dass es hatte so schlimm kommen können, hatte er nicht erwartet.
Er war dankbar, dass er einen eigenen Schlüssel zum Haus hatte, denn andernfalls würde seine Oma heute wohl nicht mehr leben. Klaus hatte die Tür aufgesperrt, laut ihren Namen gerufen, aber keine Antwort erhalten. Es war totenstill im Haus.
Noch in der Diele war ihm aufgefallen, dass die Tür zum Keller offen stand. Licht brannte und deutete auf einen schlimmen Unfall hin. Er blickte hinab und sah seine Oma am Fuße der steilen Holztreppe liegen, bewusstlos.

Er hatte genau gewusst, was er tun musste. Zuerst hatte er sich vergewissert, dass ihr Puls noch schlug. Es war noch Leben in der alten Dame, die durch seine Berührung aus ihrer Starre erwacht war und heftig zu jammern angefangen hatte. Wie er sah, war ihr rechter Knöchel stark angeschwollen, ob dieser gebrochen oder nur verstaucht war, konnte er nicht sagen.
Was ihm allerdings einen Schock versetzte war ihr Gesicht. Kinn und Nase wiesen heftige Spuren eines Aufpralls auf, um ihren Mund sah er getrocknetes Blut; wahrscheinlich hatte sie sich bei dem Fall auf die Zunge gebissen.

Die Oma gab ein unverständliches Lallen von sich, als er sie aufhob und unter Aufbietung aller Kräfte nach oben in ihr Zimmer beförderte. Was nun? Sollte er einen Krankenwagen rufen? Alte Leute hielten normalerweise nichts davon, in verkeimten Krankenhäusern unterzukommen.
Neben dem Telefon seiner Oma fand Klaus, was er suchte. Auf einem großen Zettel waren diverse Notrufnummern eingetragen, deutlich war dort die Nummer ihres Hausarztes zu lesen. Er rief an, musste einige Minuten warten, konnte dann aber den Notfall schildern. Man bat ihn, zu warten; der Arzt würde sofort kommen! Klaus freute sich, dies war sozialer Service der in Deutschland längst nicht mehr der Normalfall war.

Bis zum Eintreffen des Arztes verging nicht einmal eine halbe Stunde. Dieser nahm eine erste Untersuchung vor und gab anschließend Entwarnung. Der Knöchel war nur verstaucht, was allerdings für die Patientin nicht unbedingt angenehmer sein musste, ihr hohes Alter in Betracht ziehend. Schlimmer war die Verletzung im Gesicht. Er hatte die Wunde gereinigt und verbunden, und Frau Meisner dann ein Breitbandantibiotikum gegeben, da man mit Entzündungen durch die schmutzige Treppe rechnen musste. Gebrochen sei nichts, aber die alte Dame bedürfe einer gewissenhaften Pflege.

Klaus hatte ihm versichert, dass er es als selbstverständlich ansah, diesen Dienst zu übernehmen. Er hatte ihm von seiner Ende April zu Ende gegangenen Beschäfigung als Pfleger eines Behinderten erzählt, woraufhin der Arzt auf eine Einweisung ins Krankenhaus verzichtete und ihm aufmunternd auf die Schulter geklopft hatte: "Kümmern Sie sich um Ihre Großmutter! Sie werden sehen, dann wird sie schneller gesund, als wenn wir sie ins Krankenhaus bringen lassen. Sie müssen damit rechnen, dass es ca. zwei bis drei Wochen dauern wird, bevor Ihre Großmutter wieder aus dem Bett kann, solche Verstauchungen in dem Alter sind eine üble Sache. Schlimmer ist es, dass sie im Moment keine feste Nahrung zu sich nehmen kann, ich sage Ihnen noch genau, was Sie da machen müssen. Befolgen Sie alles, wie ich es Ihnen sage, und lassen Sie sich diese Medikamente hier aus der Apotheke schicken! Mit Komplikationen wird nicht zu rechnen sein, Sie müssen also nicht die ganze Zeit über an ihrem Bett sitzen, Sie müssen ja auch mal Einkaufen und so. Aber denken Sie daran, dass Ihre Großmutter im Moment nur schwer sprechen kann! Aber auch das wird sich im Laufe der Woche bessern. Ihre Großmutter hatte wirklich einen Schutzengel, junger Mann! Hätten Sie sie nicht rechtzeitig gefunden, dann hätte das böse ausgehen können!"

Klaus hatte den Hausarzt seiner Oma verabschiedet, nicht ohne ihm für seinen prompten Einsatz auf herzlichste zu danken. Dann war er allein in der Küche zurückgeblieben, jetzt wieder einmal mit einer vollkommen neuen Lebenssituation konfrontiert. Jetzt würde er selber Hilfe brauchen, die Frage war nur, von wem.


%%%

Daniela fiel es mehr als schwer, sich auf die anstehenden Abiturprüfungen zu konzentrieren. Immer wieder glitten ihre Gedanken ab, immer wieder fragte sie sich, wie es wohl Monika ginge, und auch Klaus, mit dem sie immerhin schon eine ganze Nacht zusammen verbracht hatte, wenn auch nicht ganz unfreiwillig, und eigentlich war er in jener Nacht ja auch nicht Klaus, sondern Barbara gewesen.
War denn nicht alles andere, was sie hier krampfhaft zu lernen versuchte, vergebliche Liebesmüh? Wen würde es in zwei oder drei Monaten überhaupt noch interessieren, was sie über die Hypothenuse wusste, wenn es ihr jetzt schon klar war, dass sie niemals in ihrem Leben wieder etwas mit diesem seltsamen Ding zu tun haben würde? Nun ja, die allgemeine Hochschulreife mochte eine feine Sache sein, berechtigte sie einen doch zum Studium aller Fächer, aber im Grunde genommen sollte man nach dreizehn Schuljahren mehr die Betonung auf Reife legen, denn auf Hochschul-.
Sie zweifelte nicht daran, dass sie gerade in den letzten sechs Monaten auf diesem Gebiet wesentlich mehr zugelegt hatte, als auf dem Gebiet des Wissen-Sammelns. Trotzdem - und da unterschied sie sich doch sehr von vielen Klassenkameraden - spürte sie ganz instinktiv, dass das Leben in all seiner Kompliziertheit gerade erst begonnen hatte. Glaubten einige der Jungs in ihrer Klasse, nach gerade bestandenem Führerschein sofort ein Auto mit 200 Sachen über die Autobahn steuern zu können, so wusste sie, dass dem wohl eher nicht so war. Nun ja, seufzte sie leise, wie war doch das schöne Sprichwort? Einbildung ist auch eine Bildung!

Waren Männer von Natur aus so draufgängerisch? Daniela überlegte, ob man ihr wohl eines Tages den Nobelpreis für die Lösung dieser Frage überreichen würde. Übermäßig viel Kontakt hatte sie bisher noch nicht zum anderen Geschlecht gehabt, da waren natürlich ein, zwei Jungen ihrer Klasse, die es mal versucht hatten; mit Jens hatte sie eine längere Beziehung gehabt, bis auch diese in die Brüche gegangen war. Und dann war da Klaus... Oder doch eher Barbara? Es fiel ihr verdammt schwer, ihn einzunorden. Ja, da war auch etwas Draufgängerisches bei ihm gewesen, aber aufgrund ihrer Erlebnisse an Ostern hatte sie doch gemerkt, dass seine Persönlichkeit viel komplexer sein musste, als sie mit dem üblichen Mann-Frau-Schema erklären zu können.

Sie starrte ihr Handy an, das schon seit Stunden keinen Pieps mehr von sich gegeben hatte. Der normale unbeschwerte, lustige Kommunikationswechsel schien unterbrochen, seit auch alle Mitschüler in letzter Minute noch das eifrige Lernen für sich entdeckt hatten. Niemand schickte SMS´s, niemand rief an. Sie musste das ändern.
Längst hatte sie die Nummer eingespeichert. Es war Zeit, dass sie sich endlich bei ihr meldete, viel zu lang schon hatte sie es aufgeschoben.

Ihr Handy klingelte nur wenige Male, dann hörte sie ein erfreutes ´DANI!!´. Ihr fiel ein Stein vom Herzen. "Hallo! Ich dachte, es ist an der Zeit, dass ich mich mal bei dir melde. Ist ja schon ein paar Wochen her, und... nun ja, vielleicht rufe ich auch nur an, weil ich keinen Bock mehr auf dieses blöde Lernen hier habe!"

Ein leichtes Kichern war zu hören. "Kann ich gut verstehen, Dani. Mir ging es letztes Jahr nicht anders. Man meint, alle Bücher mindestens dreimal durchgearbeitet zu haben, und trotzdem hat man immer das Gefühl, nichts zu kapieren und nichts zu wissen. Wann ist es denn so weit?"

"Bald, viel zu bald schon." Genauer mochte Daniela es nicht beantworten. "Und du, wie geht es so?" Es fiel ihr schwer, die Frage auszusprechen.

Wieder dieses Kichern. "Danke der Nachfrage. Furzen kann ich schon wieder, ohne dass es wehtut!" Daniela bemerkte, dass Monika keine Probleme damit hatte, sich verständlich auszudrücken. "Und ich gehe auch wieder zur Uni. Von nichts kommt ja nichts!"

"Schön, Moni! Sag mal, mit Messe dienen ist jetzt wohl nichts mehr, oder?"

Es gab eine kurze, kaum wahrnehmbare Pause. Dann antwortete Monika, diesmal jedoch mit einer ganz anderen Stimme: "Nein! Schluss, aus, vorbei! Leider. Ich hatte das eigentlich immer ganz gern gemacht. Und du? Gehst du noch?"

"Ja. Ich gehe noch zum Messe dienen. Ich kann ja nach so kurzer Zeit nicht gleich wieder aufhören. Ich bin jetzt für Pfingsten eingeteilt, gleich dreimal."

"Und... schickst du mir wieder so ein kleines Filmchen, wie zu Weihnachten?" Lachen war zu hören.

"Wohl eher nicht!"

Das Lachen am anderen Ende der ´Leitung´ verstummte. "Weißt du, Dani, was wir da gemacht haben..."

"...war verdammt schön, Moni!" setzte Daniela den Satz fort.

"Es war geil." Monika schwieg einen Moment. "Ich weiß nicht, ob es wirklich schön war."

Schweigen.

Daniela spürte, dass dieses Thema ihre Freundin bedrückte. "Kommst du nicht bald mal wieder nach Kölle? Wir könnten mal wieder etwas zusammen unternehmen!"

"Ist denn schon wieder Karneval bei euch im Rheinland?" Man sah förmlich, wie Monika den Kopf schüttelte.

"Nö. Leider nicht. Aber bis zur Köln Pride ist es nicht mehr so lang hin. Wir könnten..."

"Nein. Nein, Moni! Es... es geht nicht. Es ist nicht richtig. Wir müssen enthaltsam sein, wir dürfen nicht..."

"Enthaltsam?? Moni, wovon redest du? Steckst du schon wieder im KG?? Ich dachte, der wäre bei deiner Befreiung kaputt gegangen?"

"Nein.... ja... Ach scheiße!" Daniela hörte ein leises Schluchzen. Das Gespräch hatte eine negative Wendung genommen. "Ich habe einen neuen Keuschheitsgürtel bestellt, eine Spezialanfertigung diesmal."

"Oh!" Eine Spezialanfertigung?? Daniela beschloss, lieber nicht zu fragen. Monika würde es selber sagen, wenn sie es sagen wollte.

"Ja, ich wusste nicht... Ach Scheiße, scheiße, scheiße!!!" Daniela hörte einen Laut, so als würde Monika mit der Faust auf den Tisch schlagen. "Dani! Mir geht es beschissen! Ich weiß einfach nicht mehr, was richtig und was verkehrt ist. Und dummerweise sieht es im Moment eher so aus, als sei alles verkehrt und nichts richtig! Verstehst du? Es hat sich in meinem Bekanntenkreis rumgesprochen, was mir passiert ist. Alle scheinen jetzt zu wissen, dass ich ein Freak bin. Nur ich selber, ich weiß überhaupt nicht mehr, wer oder was ich bin. Und Sex geht mir sowas von am Arsch vorbei im Moment! Vielleicht wird das ja besser, wenn endlich der neue KG kommt, aber ich weiß es wirlich nicht. Ach, Mist hoch zehn!"

Daniela schwieg betreten. Ihre arme Freundin! Zu gern hätte sie sie jetzt in den Arm genommen, hätte sie sie ein wenig trösten und aufmuntern wollen, aber all das war hier am Telefon eher nicht möglich. Vielleicht sollte sie das Thema wechseln? "Sag mal, hast du in letzter Zeit mal was von Klaus gehört?"

"Von Klaus?" Das Schluchzen verstummte. "Ach so, ja, Klaus." Sie sprach den Namen so aus, als müsse sie sich erst besinnen, wer gemeint war. Es war klar, dass sie ihn immer noch als Barbara in Erinnerung hatte. "Nein, eigentlich nicht. Traut sich wohl nicht so recht, hier mal anzurufen. Aber ich weiß, dass er jetzt mehr oder weniger drüben bei seiner Oma wohnt; die alte Dame ist vor einigen Tagen wohl ihre Kellertreppe runtergefallen und Klaus hat sie dort unten gefunden. Jetzt soll sie bettlägerig sein... ein Pflegefall. Keine Ahnung, wie das da weitergeht. Aber du hast scheinbar auch keinen Kontakt zu ihm, wenn ich das richtig verstehe?"

Daniela gab zu, dass es sich so verhielt, wie Monika vermutete. Beide Mädchen unterhielten sich noch eine Weile über Belanglosigkeiten, dann verabschiedete Daniela sich, denn irgendwie hatte sie das ungute Gefühl, schon wieder vergessen zu haben, was sie eben noch gelernt hatte. Es hatte ihr gut getan, Monika angerufen zu haben, auch wenn es sie sehr beunruhigte, zu hören, wie schlecht es ihr ging. Monika hatte nicht mehr erwähnt, wie genau dieser neue KG aussehen sollte, was sie etwas ärgerte.
Dass Klaus jetzt bei seiner Oma wohnte war eine interessante Neuigkeit. Vielleicht sollte sie einmal von sich hören lassen? Daniela beschloss, ihm einmal zu schreiben, aber erst nach den überstandenen Abiturklausuren. Dann stand sie auf und ging nach unten um sich von der Mutter etwas Schokolade zu stibitzen, denn Nervennahrung, das brauchte sie jetzt erst einmal!

%%%


Bereits am zweiten Tag seiner neuen Pflegearbeit stellt Klaus fest, dass es anstrengender war, als er erwartet hatte. Nicht physisch, wohl aber psychisch. Seine Oma, die trotz der schmerzstillenden Mittel, die er von der Apotheke erhalten hatte, in einem weg jammerte, tat ihm leid, aber mehr als ihr die beste Hilfe zukommen zu lassen vermochte er auch nicht.
Wie der Arzt schon vermutet hatte, waren beide Verletzungen zwar nicht weiter tragisch, wohl aber recht hartnäckig. Bei einem alten Menschen heilt es halt nicht mehr so flott, wie bei jüngeren. Es würde noch lange dauern, bis sie wieder aufstehen könnte, und sprechen konnte sie nur unter großer Mühe.

Als fünf Tage vergangen waren traute er sich zum ersten Mal, seine Oma für ein paar Stunden allein zu lassen. Er musste dringend zu sich nach Hause, nach Hause in seine kleine Dachwohnung, mal nach dem Rechten sehen.

Er schloss die Tür zum Treppenhaus auf und bemerkte erst jetzt den großen Stapel diverser Reklamesendungen, der sich unterhalb des Briefschlitzes aufgehäuft hatte. Seit Ostern war er nur wenige Male hier gewesen, und nie hatte er Lust verspürt, nachzusehen, wo welcher Schinken am billigsten war, oder welch andere Supersonderangebote ihn eventuell zum Kauf verlocken konnten. Dieser ganze Konsum war sowieso nicht seine Welt.
Diesmal nahm er den ganzen Packen mit nach oben und legte ihn zur schnellen Durchsicht auf den Küchentisch. Bald hatte er alles bis auf zwei Briefe in den Mülleimer sortiert. Die beiden Briefe, die ihn leicht nervös machten, nahm er mit ins Sofa. Aus dem Kühlschrank holte er sich eine Cola, dann setzte er sich, Messer in der Hand, ins Sofa und öffnete den ersten Brief, der seinen Namen trug.

Es war ein Gruß von Daniela. Sie schrieb, Monika hätte sie gebeten, ihm nun endlich die CD mit der Videoaufnahme zu geben, was genau das sei wisse sie leider nicht, aber er selber wüsste wohl, was gemeint sei. Außerdem solle sie von Monika grüßen und ihm ausrichten, dass es keine weiteren Kopien davon gebe. Ein paar nette Worte von Daniela folgten, in denen sie die Hoffnung hegte, dass der Albtraum, den er in den letzen Monaten erlebt habe, nun endlich vorbei sei und dass sie hoffte, ihn - Klaus - spätestens zum Sommer wiederzusehen und eventuell dass nachzuholen, was sie beide an Ostern aus diversen Gründen nicht miteinander hatten tun können.
Ihm fiel ein Stein vom Herzen, als er die CD in der Hand hielt. Monika hatte Wort gehalten. Er war nicht mehr erpressbar, nicht mehr ihr Spielzeug. Sie würde ihn nie mehr dazu zwingen können, Frauenkleider anzuziehen!

Der zweite Brief war ominöser. Auf dem Umschlag stand nur ´Für dich!´, einen Absender gab es nicht. Klaus öffnete ihn und zog einen einzigen, zusammengefalteten Zettel hervor. Er erhielt nur eine einzige kurze Nachricht, die ihm augenblicklich das Herz bis in den Hals schlagen ließ: "Hallo Barbara! Ich vermisse dich!! Melde dich bald mal!! E."
Es lief ihm kalt den Rücken runter. Wer mochte das geschrieben haben? Und mit einem Mal hörte er wie aus weiter Ferne eine Stimme, die in seltsamem Dialekt fragte: "Wär est Großes E Ponkt??" Vor seinem geistigen Auge sah er einen bedröppelten Primaner, bei dem der Lehrer ein recht privates Briefchen gefunden hatte und welcher nun, Entdeckung befürchtend, vor dem Rektor erschienen war. Pfeiffer hieß der Schüler, mit einem äff vor dem ei und zwei hinterm ei, und in seiner Not entriss er dem Lehrer das Corpus delicti, knüllte es zusammen und fraß es auf.
Trotz der Erinnerung an einen seiner Lieblingsfilme war Klaus das Lachen im Halse stecken geblieben. In aller Schnelle hatte er das Ausschlussverfahren angewandt und festgestellt, dass von nur einer möglichen Person auch nur eine übrig geblieben war! Eine, die sich ihm nie mit Namen vorgestellt hatte! Und mit einem Mal realisierte er, dass genau diese Person ihn nicht einmal würde zwingen müssen, Frauenkleider anzuziehen! Die Frage war nur, wie sollte er sich bei ihr melden, wenn er weder Namen, noch Handynummer oder Adresse hatte?



Seine Großmutter hatte ihn schon sehnsüchtig erwartet. Sie hatte Hunger bekommen, konnte sich aber nur mit einem dünnen Brei ernähren, den Klaus ihr zubereiten musste. Er versprach, sich sofort darum zu kümmern. Aus der Küche konnte man das Geräusch eines Mixers hören, dann aber war Stille. Was nun? War der Junge eingeschlafen?
Bald aber kam er zu ihr. Er sah nachdenklich aus. Vorsichtig half er seiner Oma in eine mehr sitzende Stellung, dann drückte er ihr das Gefäß mit dem langen Trinkhalm in die Hand. Sie nickte dankbar.

"Sag mal, Oma, was hast du denn bloß im Keller gewollt? Wenn du nicht so unvorsichtig gewesen wärest, dann könnten wir jetzt schön draußen im Garten sitzen, statt diese Nummer hier abzuziehen."

Sie blickte ihn an, für einen Moment schien sie erstaunt über diese Frage, dann sah sie weg. Sie bemühte sich, deutlich zu sprechen, auch wenn es ihr schwer fiel. "Kompott geholt."

"Kompott geholt? Du hast Kompott geholt? Ach so. Mensch, Oma, hättest du denn nicht auf mich warten können? Die Kellertreppe ist doch mindestens so steil wie die Treppe zum Dachboden. Und jetzt haben wir die Misere!"

Seine Großmutter zuckte mit den knochigen Schultern und trank weiter ihre flüssige Nahrung. Sie bemühte sich, weiterzusprechen, aber es tat weh, und Klaus schien gar nicht mehr zuzuhören. Er hatte eine Zeitschrift aufgeschlagen und lustlos darin geblättert, bis er plötzlich aufstand und sich zum Gehen wendete.

"Klaus! ---- Becher!!", brachte sie mühsam hervor.

Klaus reagierte nicht. Noch einmal wiederholte die alte Dame beide Worte, aber ihr Enkel ging bloß weiter Richtung Tür.

"Barbara!!"

Er blieb stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Glaswand gelaufen. Langsam drehte er sich um und sah seine Großmutter mit verschreckten Augen an. Dann beeilte er sich, aus dem Zimmer zu kommen.

Die alte Dame sank zurück in ihre Kissen. Es war ihr so rausgerutscht. Einer plötzlichen Eingebung folgend hatte sie den Namen ausgesprochen. Eine Absicht hatte nicht dahinter gesteckt. Jetzt aber schloss sie die Augen vor der Wahrheit, die urplötzlich in ihr Leben getreten war.




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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:18.11.12 22:38 IP: gespeichert Moderator melden


Daniela, wunderschöne Fortsetzung, mit interessanten Begebenheiten und auch sehr viel Menschlichkeit. Monika steckt voll in einer Krise, die Du hervorragend dargestellt hast. Ich hoffe sehr, daß sie dort wieder herausfindet, und sich nicht verliert. Sehr schön fand ich auch den Ausflug zur "Feuerzangenbowle" - ein Film, den ich ebenfalls liebe. Und ich bin gespannt darauf, wie die Entwicklung von Klaus weitergehen wird. Es ist gut, daß er seine Oma noch rechtzeitig gefunden hat, war aber echt überrascht, als sie plötzlich "Barbara" rief... Die Intuition von älteren Menschen scheint ans Mysteriöse zu grenzen.

Ich freue mich schon auf den nächsten Teil!

Keusche, aber dennoch liebe Grüße
Keuschling
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  RE: Agonie (Fortsetzung von "Frust") Datum:19.11.12 01:56 IP: gespeichert Moderator melden


Auch wenn eine Woche Wartezeit recht lang ist , so ist es diese Geschichte doch wert, immer wieder weiterzulesen.
Vor allem, wenn man davon ausgehen kann, daß auch dieser Teil ein ´echtes´ Ende bekommen wird, und nicht wie so viele andere ansich gute Texte, irgendwann ohne erkennbaren Grund einfach abbricht.

Ich wollte, ich könnte solche Texte schreiben.
Aber wenn es in der Schule nach meinen Aufsatz-Noten gegangen wäre, wäre es im "Deutsch" eine "5" oder sogar "6" im Zeugnis gewesen.


Zitat

Seine Großmutter hatte ihn schon sehnsüchtig erwartet. Sie hatte Hunger bekommen, konnte sich aber nur mit einem dünnen Brei ernähren, den Klaus ihr zubereiten musste.


Schau mal nach Frisubin oder Diben, das hift in solchen Fällen weiter.



[Edit]: Dieser Eintrag wurde zuletzt von fiasko am 19.11.12 um 01:58 geändert
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